Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung Arbeitsunterlage 0002 Zur internen Verwendung Stand: 17. Dezember 2002 Bund/Länder-Arbeitsgruppe "Innerstaatliche Kompetenzordnung" Bericht zur innerstaatlichen Kompetenzordnung - Bestandsaufnahme und Problembeschreibung - Stand: 17. Dezember 2002 Bund/Länder-Arbeitsgruppe „Innerstaatliche Kompetenzordnung“ Bericht zur innerstaatlichen Kompetenzordnung - Bestandsaufnahme und Problembeschreibung - INHALT Einleitung................................................................................................................... 4 1. Beschluss der Ministerpräsidenten vom Oktober 2001 und Beschluss des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder vom 20. Dezember 2001 . 4 2. Beschluss des Lenkungsausschusses „Föderalismusreform“ vom 18. April 2002..................................................................................................................... 5 3. Ergebnis der Sitzung der Arbeitsgruppe "Innerstaatliche Kompetenzordnung" vom 15. Mai 2002 ................................................................................................. 6 4. Ergebnisse der Sitzungen der Unterarbeitsgruppe „Innerstaatliche Kompetenzordnung“ vom 6. Juni und vom 3. September 2002........................... 6 5. „Struktur einer Bestandsaufnahme und Problembeschreibung der bundesstaatlichen Ordnung“ .............................................................................. 6 Bericht ..................................................................................................................... 14 Konkurrierende Gesetzgebung ................................................................................ 15 Rahmengesetzgebung ............................................................................................. 29 Art. 125 a GG............................................................................................................ 39 Zustimmungsbedürftigkeit ....................................................................................... 42 Grenzüberschreitende Zusammenarbeit .................................................................. 55 Neue Medien ............................................................................................................ 63 Notariatswesen ........................................................................................................ 66 Versammlungsrecht ................................................................................................. 70 Öffentliche Fürsorge ................................................................................................ 74 Verbraucherschutz................................................................................................... 79 Förderung der wissenschaftlichen Forschung......................................................... 85 Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung ...................................... 89 Wohnungswesen...................................................................................................... 94 Regelungskompetenz im Bereich der Heilberufe ................................................... 102 Regelungskompetenz im Arzneimittelbereich........................................................ 107 Umweltgesetzgebung............................................................................................. 111 Besoldungs- und Versorgungsrecht (Sicht der Länder)......................................... 120 Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten (Sicht der Länder) .................... 128 Allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens ..................................................... 135 Allgemeine Rechtsverhältnisse der Presse............................................................ 143 Melde- und Ausweiswesen..................................................................................... 146 Kulturgüterschutz .................................................................................................. 153 Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht....................................................... 159 Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Art. 23 GG) ................................................ 164 Anhang: Stellungnahme des Bundes aus dienstrechtlicher Sicht Seite 4 Einleitung Einleitung 1. Beschluss der Ministerpräsidenten vom Oktober 2001 und Beschluss des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder vom 20. Dezember 2001 Die Regierungschefs der Länder sind am 24. bis 26. Oktober 2001 übereingekommen, auf der Grundlage der Ergebnisse der Beratungen der CdS-Arbeitsgruppe „Föderalismus-Bilanz“ Verhandlungen mit dem Bund über die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung aufzunehmen. Auf der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefs der Länder am 20. Dezember 2001 in Berlin haben die Regierungschefs von Bund und Ländern gemeinsam die Notwendigkeit einer Überprüfung der bundesstaatlichen Ordnung im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit und Effizienz der Aufgabenerfüllung und die Zuordnung der politischen Verantwortlichkeiten betont. Die Verhandlungen über die möglichen Reformschritte sollen alsbald mit dem Ziel aufgenommen werden, sie bis Ende 2003 abzuschließen. Die gesetzliche Umsetzung der Reform soll bis Ende 2004 abgeschlossen sein. Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben einen Lenkungsausschuss „Föderalismusreform“ und die Arbeitsgruppen „Finanzen" und "Innerstaatliche Kompetenzordnung" eingesetzt. Der Lenkungsausschuss besteht auf Bundesseite aus dem Chef des Bundeskanzleramts und BMI, BMJ und BMF auf Staatssekretärs-Ebene sowie auf Länderseite aus den Chefs der Staats- bzw. Senatskanzleien der Länder Bayern, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen, außerdem dem Chef der Staatsbzw. Senatskanzlei des jeweiligen Vorsitzlandes. Der Lenkungsausschuss hat die Aufgabe, den Beratungsprozess zwischen Bund und Ländern zu steuern sowie die Tätigkeit der Arbeitsgruppen zu bündeln und zu koordinieren. Den Arbeitsgruppen gehören von Bundesseite das Bundeskanzleramt sowie BMI, BMJ und BMF auf Staatssekretärs-Ebene an. Die Länderseite hat Vertreter auf CdSEbene benannt. Die Arbeitsgruppe „Innerstaatliche Kompetenzordnung" steht unter dem gemeinsamen Vorsitz des BMI und der Länder Bremen und Sachsen. Die Arbeitsgruppe hat laut Beschluss die Aufgabe, insbesondere zu folgenden Themen Vorschläge zu erarbeiten: Einleitung - 2. Seite 5 Gesetzgebungskompetenzen außer Steuergesetzgebung, „Europatauglichkeit“ des Grundgesetzes, Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht, Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Artikel 23 GG) und grenzüberschreitende Kompetenzen. Beschluss des Lenkungsausschusses „Föderalismusreform“ vom 18. April 2002 Der Lenkungsausschuss „Föderalismusreform" hat auf seiner Sitzung am 18. April 2002 die Arbeitsgruppe „Innerstaatliche Kompetenzordnung“ beauftragt, für die - Gesetzgebungskompetenzen (mit Ausnahme der Steuergesetzgebung), Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht, Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Art. 23 GG), eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung vorzulegen, die auch die Staatspraxis und die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes berücksichtigt. Die Arbeitsgruppe soll außerdem prüfen, ob und in welcher Hinsicht unter den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Effizienz die rechtlichen Vorgaben für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den Grenzregionen verbessert werden sollten. Beide Arbeitsgruppen sollen auch prüfen, inwieweit geeignete Teil -Themen zeitlich vorzuziehen sind. Beide Arbeitsgruppen sollen die Auswirkungen der EU-Entwicklungen, insbesondere die Folgen des Vertrages von Nizza und die Arbeiten des EU-Konvents, einbeziehen, um die „Europatauglichkeit“ von Grundgesetz und bundesstaatlicher Ordnung zu prüfen und gegebenenfalls zu optimieren sowie eine Konkordanz zwischen der innerstaatlichen Föderalismusreform und der europäischen Kompetenzdebatte herzustellen. Der Lenkungsausschuss hat die Arbeitsgruppen aufgefordert, einen konkreten Arbeits- sowie Zeitplan festzulegen, erforderlichenfalls Unterarbeitsgruppen einzurichten sowie externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Die Arbeitsgruppen sollen Seite 6 Einleitung dem Lenkungsausschuss möglichst bald, spätestens Oktober 2002, über ihre Zwischenergebnisse berichten. 3. Ergebnis der Sitzung der Arbeitsgruppe "Innerstaatliche Kompetenzordnung" vom 15. Mai 2002 Auf der Sitzung der Arbeitsgruppe „Innerstaatliche Kompetenzordnung“ am 15. Mai 2002 in Berlin wurde zur Vorbereitung einer gemeinsamen Bestandsaufnahme von Bund und Ländern die Bildung einer länderoffenen Unterarbeitsgruppe auf Arbeitsebene beschlossen. Die Unterarbeitsgruppe wurde mit der Entwicklung eines Arbeitsplans auf der Grundlage der im Beschluss des Lenkungsausschusses genannten Themen beauftragt. Darüber hinaus hat die Arbeitsgruppe einen Zeitplan beschlossen. 4. Ergebnisse der Sitzungen der Unterarbeitsgruppe „Innerstaatliche Kompetenzordnung“ vom 6. Juni und vom 3. September 2002 Die Unterarbeitsgruppe hat erstmals am 6. Juni 2002 getagt. Am 3. September 2002 tagte sie ein zweites Mal zur Besprechung der bis dahin vorliegenden Entwürfe für die Berichterstattungen und des weiteren Verfahrens. 5. „Struktur einer Bestandsaufnahme und Problembeschreibung der bundesstaatlichen Ordnung“ Auf der Sitzung der Unterarbeitsgruppe „Innerstaatliche Kompetenzordnung“ am 6. Juni 2002 wurde eine „Struktur einer Bestandsaufnahme und Problembeschreibung der bundesstaatlichen Ordnung“ beschlossen, die einen Arbeitsplan mit zu behandelnden Themen sowie Fragestellungen und Gesichtspunkte einer Bewertung enthält. Sie lautet wie folgt: Einleitung Seite 7 Struktur einer Bestandsaufnahme und Problembeschreibung der bundesstaatlichen Ordnung I. Einleitung Dem Beschluss des Lenkungsausschusses "Föderalismusreform" vom 18. April 2002 entsprechend sind zu folgenden Themen von der Arbeitsgruppe "Innerstaatliche Kompetenzordnung" eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zu erstellen: - Gesetzgebungskompetenzen (mit Ausnahme der Steuergesetzgebung), Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht, Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Art. 23 GG), grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Es bietet sich an, das Thema „grenzüberschreitende Zusammenarbeit" zeitlich vorzuziehen. II. Allgemeine Fragen Die Arbeitsgruppe wird zu folgenden allgemeinen Fragen eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung erarbeiten. Die Länder legen dabei das Arbeitspapier der CdS vom September 2001 (CdS-Papier) zugrunde. 1. Konkurrierende Gesetzgebung Ist das mit der 1994 geschaffenen engeren Fassung der Voraussetzungen für die Bundesgesetzgebung im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 72 GG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2a GG) verfolgte Ziel einer Stärkung der Gesetzgebungskompetenz der Länder u.a. durch höhere Ausübungsschranken für den Bund erreicht worden? (Vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 1.) Die mögliche Einführung von Zugriffsrechten für die Länder (Vetooption und Zugriffsoption) ist - Bund: auch im Kontext der Zustimmungstatbestände - zu untersuchen. Berichterstattung: Bund, BY, HB, NI, SN 2. Rahmengesetzgebung Ist das mit der 1994 geschaffenen engeren Fassung der Voraussetzungen für die Bundesgesetzgebung im Bereich der Rahmengesetzgebung (Art. 75 GG) verfolgte Ziel einer Stärkung der Gesetzgebungskompetenz der Länder u.a. durch höhere Ausübungsschranken für den Bund erreicht worden? (Vgl. für die Länder CdSPapier, Ziffer 2.) Berichterstattung: Bund, BY, HB, NI, SN 3. Art. 125a GG Wie hat sich die Verfassungspraxis im Hinblick auf die 1994 geschaffene Übergangsvorschrift in Art. 125a GG entwickelt? (Vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 3.) Seite 8 Einleitung Berichterstattung: BE 4. Zustimmungsbedürftigkeit Wie haben sich Bestand und Handhabung der Zustimmungstatbestände im Gesamtstaat entwickelt? Wie wirken sich die Beteiligungs- und Entscheidungsverfahren des Bundesrates auf die Gesetzgebung aus? Die Zustimmungspflichtigkeit von Bundesgesetzen ist auch im Zusammenhang mit der Entflechtung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern zu prüfen (vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 4). Berichterstattung: Bund, NI, TH III. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Die Frage, ob und in welcher Hinsicht unter den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Effizienz die rechtlichen Vorgaben für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den Grenzregionen geändert werden sollten, wird zeitlich vorgezogen untersucht, um ggf. die Notwendigkeit von Verfassungsänderungen zu prüfen (vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 7). Berichterstattung: Bund, NW, RP, SH V. Einzelne zu untersuchende Kompetenzbereiche (mit Ausnahme der Steuergesetzgebung) Folgende, von Bund (Schreiben von Herrn Staatssekretär Schapper vom 3. Mai 2002) und Ländern (CdS-Arbeitspapier vom September 2001) benannte Gebiete werden in der Bestandsaufnahme und Problembeschreibung von der Arbeitsgruppe näher untersucht: 1. Neue Medien Bund: Die Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche anhand der herkömmlichen Aufteilung zwischen Bundeszuständigkeit für den sendetechnischen Bereich (Art. 73 Nr. 7 GG früher: Fernmeldewesen, jetzt: Telekommunikation, Art. 87f GG) und der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder für die inhaltliche Gestaltung des (inlandsbezogenen) Rundfunks ist mit Unsicherheiten hinsichtlich der Zuordnung der sog. neuen Medien behaftet. Handlungsbedarf unter Berücksichtigung der bisherigen Gesetzgebungspraxis und Erfahrungen, insbesondere aus dem Evaluierungsbericht zum IUKDG und MDStV (BT-Drs. 14/1191), ist zu prüfen. Berichterstattung: Bund, HE, NW, RP, SN, SH 2. Notariatswesen Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung dieses Teilbereichs aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.1.1). Einleitung Seite 9 Berichterstattung: BW, HH, NW 3. Versammlungsrecht Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung dieses Teilbereichs aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.1.1). Berichterstattung: BY, BE 4. Öffentliche Fürsorge Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (ggf. Teilbereiche) im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.2.1, 1.2.2). Berichterstattung: BW, HB, HE, NI 5. Verbraucherschutz Bund: Welche Kompetenztitel weist das Grundgesetz für den Verbraucherschutz auf? Wie sind die Vorgaben aus dem Gemeinschaftsrecht in das innerstaatliche Recht (Bund und Länder) umgesetzt worden ? Sind dabei Probleme aufgetreten ? Berichterstattung: Bund, BW, BY 6. Förderung der wissenschaftlichen Forschung Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.1.1). Berichterstattung: BW, BE 7. Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung dieses Teilbereichs aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.1.1). Berichterstattung: MV, SL 8. Wohnungswesen Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung dieses Teilbereichs aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG im Zusammenhang mit Seite 10 Einleitung allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.2.2, 1.3). Berichterstattung: HB, SN, ST 9. Regelungskompetenz im Bereich der Heilberufe Bund: Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Einstweiligen Anordnung vom 22. Mai 2001 - 2 BvQ 48/00 - das Inkrafttreten des Altenpflegegesetzes suspendiert. Kompetenzgrundlage für das Altenpflegegesetz ist insbesondere Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, wonach der Bund die Gesetzgebungskompetenz u.a. für die Zulassung zu Heilberufen hat. Sofern das Gericht im Hauptsacheverfahren zur Auffassung gelangen sollte, für das Gesetz bestehe keine Bundeskompetenz, wäre zu untersuchen, ob dadurch Probleme entstehen. Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Teilbereichs aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, „Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe“, im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.2.2). Berichterstattung: Bund, BY 10. Regelungskompetenz im Arzneimittelbereich Bund: Wie ist bisher der Kompetenztitel in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, "Verkehr mit Arzneien", umgesetzt worden ? Sind durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 420/97 -, BVerfGE 102, 26, Probleme aufgetreten ? Berichterstattung: Bund, BW 11. Umweltgesetzgebung Bund und Länder: Welche Kompetenztitel weist das Grundgesetz für den Umweltschutz auf? Handelt es sich dabei um konkurrierende oder Rahmengesetzgebungskompetenzen? Wie sind die Vorgaben aus dem Gemeinschaftsrecht in das innerstaatliche Recht (Bund und Länder) umgesetzt worden ? Sind dabei Probleme aufgetreten (vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 1.1.1, 2.1, 2.3)? Berichterstattung: Bund, SH, SL 12. Besoldungs- und Versorgungsrecht Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Art. 74a GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.1.1, 1.3). Berichterstattung: HE, NI Einleitung Seite 11 13. Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die Rahmengesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 2.1, 2.3). Berichterstattung: HE, NI 14. Allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die Rahmengesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 2.1, 2.3). Berichterstattung: BW, BE 15. Allgemeine Rechtsverhältnisse der Presse Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die Rahmengesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 2.1, 2.3). Berichterstattung: TH 16. Melde- und Ausweiswesen Bund: Für das Passwesen besitzt der Bund nach Art. 73 Nr. 3 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz. Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GG besteht jedoch lediglich eine Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für das Meldeund Ausweiswesen. Es ist zu untersuchen, ob diese Kompetenz angesichts möglicher länderübergreifender Bedeutung und Deregulierungsbemühungen ausreichend ist. Berichterstattung: Bund, BY, ST 17. Kulturgüterschutz Bund: Mögliche Kodifizierungsprobleme bei der Umsetzung von EU-Recht im Rahmen der Kompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GG "Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland" sind unter Berücksichtigung der 1994 erfolgten Verfassungsänderung und der seitherigen Staatspraxis zu prüfen. Berichterstattung: Bund, HB, HE V. Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht Praktische Probleme bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht sind insbesondere im Umweltrecht aufgetreten (vgl. die Umsetzung der EG-Richtlinien zur UVP und IVU). Zu prüfen ist, ob die teilweise dort nur vorhandene Rahmen- Seite 12 Einleitung gesetzgebungskompetenz sachgerecht ist (vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 3.2 und 6). Berichterstattung: Bund, SH, SL, TH VI. Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Art. 23 GG) Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder in EU-Angelegenheiten sind zu überprüfen (vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 6). Dabei ist u.a. die Notwendigkeit von Flexibilität und Effektivität bei Verhandlungen zu berücksicht igen. Berichterstattung: Bund, BW, HB VII. Gesichtspunkte zur Bestandsaufnahme und Problembeschreibung Ausgangspunkt der Bestandsaufnahme und Problembeschreibung ist der Beschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern vom 20. Dezember 2001. Vorrangig ist die Notwendigkeit einer Überprüfung der bundesstaatlichen Ordnung im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit und Effizienz der Aufgabenerfüllung und die Zuordnung der politischen Verantwortlichkeiten. Im Einzelnen sollen nach derzeitigem Diskussionsstand insbesondere folgende Gesichtspunkte leitend sein: 1. Gleichwertige Lebensverhältnisse, Rechts- und Wirtschaftseinheit (konkrete Bedarfsprognose) Inwieweit bedarf die Kompetenzmaterie aktuell bzw. in absehbarer Zeit – auch im Hinblick auf die Entwicklung der europarechtlichen Vorgaben – einer konkreten bundeseinheitlichen Regelung? Die Auswirkungen eventueller Reformschritte auf das innerstaatliche Kompetenzgefüge werden zu gegebener Zeit begleitend zu prüfen sein. 2. Leistungsfähigkeit einzelner Bundesländer Muss und kann die jeweilige Kompetenz von allen Ländern gleichermaßen ausgefüllt werden? 3. Deutsche Einheit Bestehen aus der deutschen Einheit resultierende Fragen, die einer bundeseinheitlichen Regelung bedürfen? Besteht ein Bedarf für Länderöffnungsklauseln für von Bundesrecht abweichendes Landesrecht? 4. Europatauglichkeit Ist der Kompetenztitel bei der Umsetzung von europäischem Recht in nationales Recht ausreichend? Ergeben sich aus der bevorstehenden EU- Einleitung Seite 13 Erweiterung und der anstehenden Reform der EU auf der Grundlage der Arbeiten des Konvents zur Zukunft der EU Problemstellungen, die die nationale Kompetenzordnung berühren? 5. Inanspruchnahme durch den Bundesgesetzgeber (Analyse) Inwieweit ist der jeweilige Kompetenztitel in Anspruch genommen worden? 6. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Zu welchen Kompetenzbereichen hat das Bundesverfassungsgericht Aussagen getroffen und führen diese zu einem „positiven oder negativen“ Regelungsbedarf? 7. Schnittstellen zur Arbeitsgruppe „Finanzen“ Ergeben die Beratungen der Arbeitsgruppe "Finanzen" und ihrer Unterarbeitsgruppe Problemstellungen, die im Rahmen des Mandats der Arbeitsgruppe "Innerstaatliche Kompetenzordnung" und ihrer Unterarbeitsgruppe behandelt werden müssen? Ergibt sich aus einer Reduzierung von Mischfinanzierungstatbeständen evtl. das Erfordernis anderweitiger Struktursicherungen? Ergibt sich darüber hinaus aus Kompetenzentflechtungen das Erfordernis anderweitiger Struktursicherung? 8. Schnittstellen zur Bund/Länder-Arbeitsgruppe zu europapolitischen Themen Geben die Beratungen in der Arbeitsgruppe „Innerstaatliche Kompetenzordnung“ und ihrer Unterarbeitsgruppe Anlass, den Diskussionsstand in der Bund/Länder-Arbeitsgruppe zu europapolitischen Themen (sog. PleugerHoffmann-Gruppe) einzubeziehen bzw. umgekehrt? Seite 14 Bericht Bericht Die Abstimmung innerhalb der Bund/Länder-Arbeitsgruppe konnte weitgehend abgeschlossen werden. Noch nicht endgültig zwischen Bund und Ländern abgestimmt sind die Beiträge "Öffentliche Fürsorge" und "Umweltgesetzgebung". Zu den Themen "Besoldungsund Versorgungsrecht" und "Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten" enthält der Bericht Beiträge, die im Bericht selbst die Sicht der Länder und im Anhang die Sicht des Bundes darstellen. Seite 15 Konkurrierende Gesetzgebung Konkurrierende Gesetzgebung Auftrag Ist das mit der 1994 geschaffenen engeren Fassung der Voraussetzungen für die Bundesgesetzgebung im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 72 GG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2a GG) verfolgte Ziel einer Stärkung der Gesetzgebungskompetenz der Länder u.a. durch höhere Ausübungsschranken für den Bund erreicht worden? (Vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 1.) Die mögliche Einführung von Zugriffsrechten für die Länder (Vetooption und Zugriffsoption) ist - Bund: auch im Kontext der Zustimmungstatbestände - zu untersuchen. Berichterstattung: Bund, BY, HB, NI, SN I. Hintergrund der Neufassung des Art. 72 Abs. 2 GG im Jahre 1994 1. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund nicht von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch den Bund sind in Artikel 72 Abs. 2 GG geregelt. 2. Bis zur Neufassung im Jahre 1994 hatte Art. 72 Abs. 2 GG die folgende Fassung (sog. „Bedürfnisklausel“): „Der Bund hat in diesem Bereiche das Gesetzgebungsrecht, soweit ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht, weil 1. eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden kann oder 2. die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen anderer Länder oder der Gesamtheit beeinträchtigen könnte oder 3. die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sie erfordert.“ 3. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Frage, ob ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung bestehe, von Anfang an als Frage pflichtgemäßen Ermessens des Bundesgesetzgebers angesehen, die ihrer Natur nach nicht justiziabel und daher einer gerichtlichen Nachprüfung grundsätzlich entzogen sei (BVerfGE 2, 213, 224; BVerfGE 33, 224, 229; BVerfGE 65, 283, 289). In ande- Konkurrierende Gesetzgebung Seite 16 ren, zum Teil späteren Entscheidungen (BVerfGE 26, 338, 382 f.; BVerfGE 67, 299, 327; BVerfGE 78, 249, 270) hat das Gericht seine Prüfungskompetenz auf die Frage beschränkt gesehen, ob der Bundesgesetzgeber die in Art 72 Abs. 2 GG verwendeten Begriffe im Prinzip zutreffend ausgelegt und sich in dem dadurch bezeichneten Rahmen gehalten hat. Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis im Lauf der Zeit zunehmend in Anspruch genommen und inzwischen weitgehend ausgeschöpft. 4. II. Die Gemeinsame Verfassungskommission (BT-Drs. 12/6000, S. 33) sah die Bedürfnisklausel des Art. 72 Abs. 2 GG a.F. als „eines der Haupteinfallstore für die Auszehrung der Länderkompetenzen“ an. Inhalt und Auswirkungen der Neuregelung 1994 1. Entsprechend dem Vorschlag der Gemeinsamen Verfassungskommission wurde Art. 72 Abs. 2 GG mit Gesetz vom 27. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3146) wie folgt neu gefasst (sog. „Erforderlichkeitsklausel“): „Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.“ Diese Änderung diente nach der Begründung der Gemeinsamen Verfassungskommission (BT-Drs. 12/6000) dazu, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in Art. 72 Abs. 2 GG „zu konzentrieren, zu verschärfen und zu präzisieren mit dem Ziel, die als unzureichend empfundene Justiziabilität der Bedürfnisklausel durch das Bundesverfassungsgericht zu verbessern“ und so die Gesetzgebungskompetenz der Länder zu stärken. Ergänzend wurde in Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 a GG eine neue Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts zur Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit Art. 72 Abs. 2 GG eingeführt. Die Auswirkungen dieser Verfassungsänderung werden von Bund und Ländern unterschiedlich eingeschätzt: Nach Auffassung der Länder hat auch die mit der Verfassungsänderung 1994 erfolgte Verschärfung der Ausübungsschranken für den Bundesgesetzgeber in der Staatspraxis nur wenig geändert. Die Bundesgesetzgebung sei im konkur- Seite 17 Konkurrierende Gesetzgebung rierenden Bereich nach wie vor weiter ausgebaut worden. Aufgrund der weitreichenden Inanspruchnahme der Gesetzgebungsbefugnisse durch den Bundesgesetzgeber seien den Ländern auch nach der Verfassungsänderung nur wenige eigene Zuständigkeiten verblieben. Das mit der Verfassungsänderung verfolgte Ziel der Stärkung der Ländergesetzgebung habe in der Praxis kaum Niederschlag gefunden. Die Länderparlamente hätten im konkurrierenden Bereich kaum politische Gestaltungsspielräume. Der Bund weist demgegenüber darauf hin, dass seit der Verfassungsänderung von 1994 bei der Prüfung von Gesetzentwürfen aus dem Bereich der konkurrierenden und der Rahmengesetzgebung erhöhte Anforderungen an die Darlegung der Gründe gestellt würden, warum der Gesetzentwurf und seine wichtigsten Einzelregelungen nach Art. 72 Abs. 2 GG eine bundesgesetzliche Regelung erforderten (vgl. § 40 Abs. 2 Nr. 1a der inzwischen außer Kraft getretenen Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien, Besonderer Teil – GGO II –, zuletzt in der Fassung vom 25. März 1996, und jetzt § 43 Abs. 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung vom 26. Juli 2000 – GGO – i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG). 2. Mit dem Urteil vom 24. Oktober 2002 (2 BvF 1/01) zum Altenpflegegesetz hat das Bundesverfassungsgericht das Ziel und den Anspruch der 1994 erfolgten Verfassungsänderung, die Gesetzgebungskompetenz der Länder durch höhere Ausübungsschranken für den Bund zu stärken, nachhaltig bekräftigt und konkretisiert. Das Bundesverfassungsgericht hat hier ausdrücklich entschieden, dass dem Bundesgesetzgeber ein von verfassungsrechtlicher Kontrolle freier gesetzgeberischer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG n.F. nicht zusteht. Zugleich hat das Gericht die Tatbestandsmerkmale des Art. 72 Abs. 2 GG in einer Weise konkretisiert, dass sich hieraus neben den sachlich-inhaltlichen Grenzen der Kompetenztitel des Art. 74 GG eine erhebliche zusätzliche Schranke für die Ausübung der Bundeskompetenz ergibt. Nach Auffassung des Bundes wird diese Entscheidung nachhaltige Auswirkungen auf die Staatspraxis haben. Auf die bisherige Staatspraxis komme es vor diesem Hintergrund nicht mehr entscheidend an. Die vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Verschärfung der Ausübungsschranken für den Bundesgesetzgeber werfe insbesondere die Frage auf, ob derzeit auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung systemverändernde und daher besonders tiefgreifende Änderungen im Sinne der von den Ländern vorgeschlagenen Zugriffsrechte (s.u. unter III.2) angezeigt seien. Konkurrierende Gesetzgebung Seite 18 Nach Auffassung der Länder lässt sich diese Auswirkung der Entscheidung auf die Staatspraxis gegenwärtig nicht entnehmen. Zwar kläre die Entscheidung den Inhalt der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG weiter. Als unbestimmte Rechtsbegriffe seien sie auch der verfassungsgerichtlichen Kontrolle bei künftigen gesetzlichen Regelungen unter Inanspruchnahme der Kompetenztitel des Art. 74 GG unterworfen. Das Gericht habe aber auch betont, bei der Abschätzung der zukünftigen Entwicklungen dürfe kein Tauglichkeitsoptimum verlangt werden; es genüge, wenn mit Hilfe des Gesetzes der gewünschte Erfolg gefördert werden könne. Zwar solle die Richtigkeit und Vollständigkeit der einer prognostischen Einschätzung zugrunde zulegenden Tatsachen unbeschränkt kontrolliert werden können, ein Prognose- oder Bewertungsspielraum solle aber dort eröffnet sein, wo es auf die Methode der Tatsachenermittlung und ihre Bewertung ankommt. Eine Klärung der daran zu stellenden Anforderungen wird sich nach Auffassung der Länder wohl erst aus weiteren Entscheidungen des BVerfG ergeben. Vor allem aber sei eine wesentliche Stärkung von Länderpositionen aufgrund der Entscheidung deshalb kaum zu erwarten, weil der Bund im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung in der Vergangenheit bereits in weitreichendem Umfang von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht habe. Die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG sei in den geregelten Materien eingetreten, auf sie habe eine etwaige Erhöhung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Zugriff des Bundes keine Auswirkungen. Die tatsächliche Nutzbarkeit der Kompetenzbereiche für die Länder hänge davon ab, inwieweit der Bund von dem ihm allein zustehenden Freigaberecht aus Art. 72 Abs. 3 und Art. 125 a Abs. 2 S. 2 GG Gebrauch mache. In der Vergangenheit sei dies auch nach entsprechender Initiative der Länder bislang nicht geschehen (vgl. Gesetzesentwurf des Bundesrates vom 15.10.1999 zur Umsetzung des Art. 125a Abs. 2 des Grundgesetzes, BR-Drs. 542/99). III. Vorschläge zur Änderung der Gesetzgebungszuständigkeiten im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung 1. Überführung einzelner Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung in die Landes- oder ausschließliche Bundeskompetenz (Trennung der Kompetenzen) 1.1. Geeignete Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung könnten entweder – durch Streichung einzelner Kompetenztitel aus dem Katalog der Art. 74, 74 a Seite 19 Konkurrierende Gesetzgebung GG – in die Kompetenz der Länder nach Art. 70 Abs. 1 GG oder – durch Aufnahme in den Katalog des Art. 73 GG – in die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes überführt werden. Eine solche Reduktion der Kompetenzkataloge der Art. 74, 74 a GG wäre ohne Systemänderung des Kompetenzgefüges möglich. 1.2. Zu berücksichtigende Folgen: • Durch die Überführung einzelner Gegenstände in die Kompetenz der Länder entstünde eine originäre Zuständigkeit aller Länder, die sie (bei entsprechendem Regelungsbedarf) faktisch verpflichten würde, von ihrer Gesetzgebungsbefugnis Gebrauch zu machen. • schwierige Folgenabschätzung für einzelne Kompetenzbereiche (z.B. wenn sich Gesetze auf mehrere Kompetenztitel stützen) • Eröffnung der Kompetenztiteldiskussion um Zuweisung von Einzelkompetenzen, die sich bereits in der Vergangenheit als wenig erfolgreich erwiesen hat • ggf. Aufspaltung von Kompetenztiteln der Art. 74, 74a GG erforderlich • Nach Auffassung des Bundes kann die Überführung bestimmter Regelungsgebiete in die Kompetenz der Länder im Einzelfall in Widerspruch zu dem gesamtstaatlichen Interesse an der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und an der Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit treten, da eine bundesgesetzliche Regelung (sei es auch nur in Form einer Teilregelung) dann auch in einer Regelungssituation, wie sie Art. 72 Abs. 2 GG anspricht, nicht mehr möglich wäre. Für welche Materien sich aus diesen Gründen eine Überführung in Länderkompetenz verbiete, lasse sich abschließend nur im Hinblick auf die einzelnen Kompetenzbereiche beurteilen. • Soweit Kompetenzmaterien in die ausschließliche Bundeskompetenz überführt werden, werden die Länderpositionen nicht gestärkt, sondern im Gegenteil ihre Handlungsmöglichkeiten weiter reduziert. Konkurrierende Gesetzgebung 2. Seite 20 Schaffung eines Zugriffsrechts der (einzelnen) Länder Den Ländern könnte die Möglichkeit eingeräumt werden, von geltendem Bundesrecht abweichende Landesregelungen zu treffen (Zugriffsrecht). Im Unterschied zur Überführung einzelner Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung in die Zuständigkeit der Länder(gesamtheit) soll bei dieser Lösung bereits jedem einzelnen Land die Möglichkeit eingeräumt werden, für seinen Geltungsbereich vom Bundesrecht abweichendes Landesrecht zu schaffen. Damit würde an die Stelle einer (faktischen) Gesetzgebungspflicht aller Länder (bei entsprechendem Regelungsbedarf) ein Gesetzgebungsrecht für jedes einzelne Land treten. Im Interesse einer Aufrechterhaltung der grundsätzlichen Einheitlichkeit des Rechts- und Wirtschaftsraumes Deutschland und einer ausgewogenen Balance zwischen den Gesetzgebungsbefugnissen von Bund und Ländern im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sehen die Vorschläge der Länder jedoch kein allgemeines, sondern ein beschränktes Zugriffsrecht vor (vgl. auch CdSArbeitspapier vom 29. September 2001, Nr. 1.2.). Dabei stehen mehrere Optionen zur Diskussion, die ggf. auch miteinander kombiniert werden können: 2.1. Einspruchsoption (Vetooption) Das Zugriffsrecht der Länder kann zunächst verfahrenstechnisch durch ein Einspruchsrecht (Veto) des Bundes(gesetzgebers) beschränkt werden. Dabei sind – je nachdem, welchem Gremium die Letztentscheidungskompetenz zukommen soll – unterschiedliche Ausgestaltungen denkbar: - 2.1.1. Einspruchsrecht des Bundesrates Das Einspruchsrecht kann zum Einen durch den Bundesrat (ggf. mit Quorum) wahrgenommen werden (CdS-Arbeitspapier vom 21. September 2001, Ziff. 1.2.1). - 2.1.2. Einspruchsrecht des Bundestages Zum Anderen wird vorgeschlagen, gegen die abweichende landesgesetzliche Regelung einen Einspruch des Bundestages (ggf. mit Quorum) zuzulas- Seite 21 Konkurrierende Gesetzgebung sen (vgl. Sondervotum Dr. Heinsen für die Enquête-Kommission Verfassungsreform, BT-Drs. 7/5924, S. 1371). - 2.1.3. Einspruchsrecht des Bundestages mit Konfliktfallregelung Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dem Bundestag zwar ein Einspruchsrecht gegen die abweichende landesgesetzliche Regelung einzuräumen, dem Bundesrat oder dem Vermittlungsausschuss aber das Recht zu geben, diesen Einspruch (ggf. mit Quorum) zurückzuweisen (vgl. z.B. Schneider in: Bertelsmann-Kommission, Neuordnung der Kompetenzen, 2001, S. 33, 36; Enquête-Kommission des Bayerischen Landtags, LT-Drs. 14/8660, S. 18). Ein Formulierungsvorschlag der Länder für eine entsprechende Verfassungsbestimmung ist im Anhang beigefügt. 2.2. Zugriffsoption Weiterhin kann das Zugriffsrecht der Länder inhaltlich auf einzelne geeignete Gegenstände des Katalogs der konkurrierenden Gesetzgebung begrenzt werden. In den betroffenen Bereichen könnten die Länder dann unbeschränkt und abschließend über eigene Regelungen entscheiden (CdS-Arbeitspapier vom 21. September 2001, Nr. 1.2.2). Von vorneherein ausscheiden für diese Option eines einspruchsfreien Zugriffsrechts dürften namentlich das Bürgerliche Recht, das Justizwesen, das Ausländer- und Vertriebenenrecht und möglicherweise auch das Arbeitsrecht. Die Benennung der Kompetenztitel, für die den Ländern ein Zugriffsrecht eingeräumt wird, könnte gesetzestechnisch zum einen durch eine positive Auflistung der betreffenden Gebiete (Positivkatalog), zum anderen aber auch umgekehrt durch einen negativen Ausschluss bestimmter Bereiche erfolgen, in denen es bei der bisherigen Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeit verbleiben soll (Negativkatalog). Ein Formulierungsvorschlag der Länder für eine entsprechende Verfassungsbestimmung ist im Anhang beigefügt. 1 Sein Vorschlag für die Einfügung eines Art. 72 a in das Grundgesetz lautete: „Abweichend von Art. 72 Abs. 1 können die Länder im Bereiche der konkurrierenden Gesetzgebung eine bundesgesetzliche Regelung durch Landesgesetz ersetzen oder ergänzen, wenn nicht der Bundestag innerhalb von drei Monaten nach Zuleitung Einspruch erhebt.“ Konkurrierende Gesetzgebung Seite 22 2.3. Argumente für das Zugriffsrecht der Länder: • Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Länder. • Den Ländern würde die Möglichkeit zur Erprobung abweichender Regelungen in ihrem Geltungsbereich eingeräumt. Die übrigen Länder hätten eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Fortbestand der bundesrechtlichen Regelungen, einem Anschluss an die Regelungen des Erprobungslandes oder einer eigenen landesrechtlichen Regelung. • Schonung von Ressourcen der Länder durch die Möglichkeit des Bundes, Recht zu schaffen, von dem die Länder nach Maßgabe des Zugriffsrechts abweichen können, aber nicht müssen. • Das Risiko von Verfassungsstreitigkeiten nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2a GG (Meinungsverschiedenheiten über die Erforderlichkeitsvoraussetzungen nach Art. 72 Abs. 2 GG) würde reduziert. • Die Schaffung von Zugriffsrechten könnte zum Abbau der durch die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen bewirkten Politikverflechtung – und damit zu der mit der Reform des Föderalismus angestrebten Entflechtung der Verantwortlichkeiten – beitragen. Denn soweit den Ländern die Befugnis zum Erlass eigenständiger Regelungen eingeräumt wird, erscheint es nicht geboten, die Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung über ein Zustimmungsrecht des Bundesrates zu sichern. Im Gegenzug zur Öffnung des Bundesrechts für abweichende Regelungen müssten die Länder nach Auffassung des Bundes auf Zustimmungserfordernisse verzichten: - Soweit die Länder für einzelne Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung verfassungsunmittelbar uneingeschränkt zum Erlass eigenständiger Regelungen ermächtigt werden (Zugriffsoption), müsste die Zustimmungsbedürftigkeit nach Auffassung des Bundes entfallen. Entsprechendes würde für die Ermächtigung durch eine bundesgesetzliche Öffnungsklausel gelten (Option 3.), wenn sichergestellt wird, dass die Öffnungsklausel nicht ohne Zustimmung des Bundesrates wieder aufgehoben oder geändert werden kann. Seite 23 Konkurrierende Gesetzgebung - Dies gilt nicht für die Vetooption, bei der über die Zulässigkeit eines abweichenden Landesgesetzes erst nach Erlass des zeitlich vorausgehenden Bundesgesetzes entschieden wird. (Zum Wegfall von Zustimmungsbedürfnissen vgl. im übrigen die Berichterstattung zur Zustimmungsbedürftigkeit, Thema II.4.) 2.4. Argumente gegen das Zugriffsrecht der Länder: • Nach Auffassung des Bundes spricht gegen eine tiefgreifende Strukturänderung im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, die das Verhältnis von Bund und Ländern in diesem Bereich gleichsam umkehren würde, schon, dass deren Konsequenzen kaum überschaubar wären. Der Bund befürchtet insbesondere die Gefahr einer Rechtszersplitterung und nachhaltigen Beeinträchtigung des gesamtstaatlichen Interesses an der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und an der Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit. Deshalb verbiete sich von vornherein der Gedanke, den gesamten Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung in eine „umgekehrt konkurrierende Gesetzgebung“ zu überführen, wie dies das von den Ländern als „Vetooption“ bezeichnete Modell vorsehe. Vielmehr komme die Begründung von Zugriffsrechten mit Rücksicht auf das gesamtstaatliche Interesse an der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und an der Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit allenfalls differenzierend in Betracht. Bestimmte Bereiche wie namentlich das Bürgerliche Recht, das Justizwesen, das Ausländer- und Vertriebenenrecht und möglicherweise auch das Arbeitsrecht eigneten sich hierfür – was hinsichtlich der Zugriffsoption auch unstreitig sei – von vornherein nicht. Die verfahrensmäßigen Beschränkungen des Zugriffsrechts bei der Vetooption gewährleisten die Wahrung gesamtstaatlicher Interessen nach Auffassung des Bundes jedenfalls dann nicht hinreichend, wenn das Einspruchsrecht (bzw. das Recht zur Zurückweisung eines Einspruchs) dem Bundesrat zugewiesen wird (Optionen 2.1.1. und 2.1.3.). Demgegenüber weisen die Länder darauf hin, dass das Zugriffsrecht bereits nach den Vorschlägen der Länder2 gerade auch im Hinblick auf die Auf- 2 Vgl. CdS-Arbeitspapier vom 29. September 2001, Nr. 1.2.2. und Sondervotum Dr. Heinsen für die Enquete-Kommission Verfassungsreform, BT-Drucksache 7/5924, S. 137 (Fußnote 1). Konkurrierende Gesetzgebung Seite 24 rechterhaltung der grundsätzlichen Einheitlichkeit des Rechts- und Wirtschaftsraumes Deutschland von vorneherein nur beschränkt eingeräumt werden soll (inhaltlich bezogen auf geeignete Gesetzgebungsmaterien – Zugriffsoption / verfahrenstechnisch durch Einräumung von Einspruchsrechten des Bundes – Einspruchsoption). Hinsichtlich eines Einspruchsrechts des Bundesrats weisen die Länder außerdem darauf hin, dass auch der Bundesrat ein Organ des Bundesgesetzgebers sei, der Bundesaufgaben wahrnehme, und keine Gemeinschaftseinrichtung der Länder. Im übrigen bestehe das grundsätzliche gesamtstaatliche Interesse an der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und an der Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit in den Bereichen der konkurrierenden Gesetzgebung auch nach derzeitiger Rechtslage nicht generell, sondern sei im Einzelfall zu prüfen (Art. 72 Abs. 2 GG). Es entspreche gerade dem Wesen des Föderalismus, in geeigneten Bereichen unterschiedliche landesspezifische Regelungen zuzulassen. • Ein Zugriffsrecht der Länder (Einspruchs- und Zugriffsoption) birgt für den Bund das Risiko eines vergeblichen Sach- und Kostenaufwands (für Gesetze, die wegen des Zugriffs zahlreicher Länder nur eingeschränkt Anwendung finden, Vorratsgesetzgebung des Bundes). • Die Einspruchsoption (nach Nr. 2.1.) stellt eine komplexe Lösung dar, die das bestehende Gesetzgebungsverfahren um zusätzliche Schritte erweitert und in gewissem Widerspruch zu allgemeinen Zielen der Föderalismusreform (Entflechtung, Transparenz) steht. Zu bedenken ist auch, dass parteipolitische Gesichtspunkte in die Entscheidungsfindung eingehen könnten. Zudem besteht das Risiko vergeblichen Sach- und Kostenaufwands der Länder für nicht gültig gewordene Landesgesetze. • Bei der Zugriffsoption (nach Nr. 2.2.) besteht die Gefahr der Eröffnung einer Kompetenztiteldiskussion um die Zuweisung geeigneter Einzelkompetenzen, die sich bereits in der Vergangenheit als wenig erfolgreich erwiesen hat; ggf. ist dabei auch eine Aufspaltung der bestehenden Kompetenztitel erforderlich. Seite 25 Konkurrierende Gesetzgebung 2.5. Erforderlichkeitsklausel Nicht ganz einheitlich werden die Auswirkungen der Einführung eines Zugriffsrechts der Länder auf die Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG beurteilt: 3. • Einig sind sich Bund und Länder darin, dass die Schaffung eines solchen Zugriffsrechts die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für die betreffende Materie nicht einschränkt, zumal nach der seit 1994 geltenden Verfassungslage der nachträgliche Wegfall der Erforderlichkeit die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG nicht beseitigt, vgl. Art. 72 Abs. 3, Art. 125 a Abs. 2 GG (v. Mangoldt/ Klein/ Starck, GG, 4. Aufl., Art. 72 Abs. 2 RdNr. 86 m.w.N.). • Unterschiedliche Auffassungen bestehen dagegen in der Frage, inwieweit bei Einführung eines Zugriffsrechts überhaupt an der Erforderlichkeitsprüfung festzuhalten wäre. Nach Auffassung des Bundes impliziert die Einführung eines Zugriffsrechts der Länder von vornherein eine Relativierung der heute geltenden Erforderlichkeitsklausel. Dagegen ist nach Ansicht der Länder die Frage der Erforderlichkeit für bereits erlassene Gesetze im Hinblick auf Art. 72 Abs. 3 GG unproblematisch. Für spätere Änderungen bereits erlassener Bundesgesetze und für neu zu erlassende Gesetze sei das Entfallen der Erforderlichkeitsprüfung nicht zwingend. Erweiterte Öffnungsmöglichkeiten Als weitere Option wurde in die Diskussion eingeführt, die in Art. 72 Abs. 3 und Art. 125a Abs. 2 GG vorgesehenen Möglichkeiten für eine Öffnung des Bundesrechts zugunsten landesrechtlicher Regelungen abweichend von den bisherigen Tatbestandsvoraussetzungen dahingehend zu erweitern, dass eine bundesgesetzliche Regelung schon von vornherein mit einer Öffnungsklausel verbunden werden kann (zur Forderung nach der Einführung von Öffnungsklauseln vgl. Enquête-Kommission des Bayerischen Landtags, aaO S. 17, 21 f.). Nach Ansicht der Länder wäre eine verfassungsrechtliche Grundlage für bundesrechtliche Öffnungsklauseln zwar grundsätzlich zu begrüßen, wenn der Bund hiervon künftig tatsächlich verstärkt Gebrauch macht. Eine wesentliche Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten, wie sie mit der Föderalismusreform angestrebt wird, werde darin aber nicht gesehen, zumal nach den Bestimmungen der Art. 72 Abs. 3 GG und Art. 125a Abs. 2 GG den Ländern eigene Rege- Konkurrierende Gesetzgebung Seite 26 lungsbefugnisse erst auf der Grundlage bundesgesetzlicher Ermächtigungen eingeräumt würden. Es hänge allein von der Entscheidung des Bundes ab, ob und inwieweit er im Einzelfall den Ländern eigene Gesetzgebungskompetenzen übertrage. Die Praxis der Vergangenheit zeige indessen, dass der Bund von diesen Möglichkeiten schon bislang keinerlei Gebrauch gemacht habe. Seite 27 Konkurrierende Gesetzgebung Anhang (Vorschläge der Länder zur Formulierung möglicher Änderungen des GG) 1. Zu III.2.1. Einspruchsoption (Vetooption): „Soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht hat, kann ein Land die bundesgesetzliche Regelung ganz oder teilweise durch Landesrecht ersetzen oder ergänzen, wenn nicht der Bundestag/Bundesrat [mit einer Mehrheit von ..... der Mitglieder/der Stimmen] innerhalb von drei Monaten1 nach Zuleitung des Gesetzesbeschlusses/Ausfertigung des Gesetzes2 Einspruch erhebt [oder der Einspruch auf Antrag eines Landes innerhalb von drei Monaten nach Einspruchserhebung vom Bundesrat/Vermittlungsausschuss zurückgewiesen wird].“ 2. Zu III.2.2. Zugriffsoption „Soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch gemacht hat, kann ein Land die bundesgesetzliche Regelung ganz oder teilweise durch Landesrecht ersetzen oder ergänzen (Zugriffsrecht der Länder). Das Zugriffsrecht der Länder erstreckt sich auf folgende Gebiete:....(Positivliste) oder: Das Zugriffsrecht der Länder ist in folgenden Gebieten ausgeschlossen:...(Negativliste) Diese Formulierungsvorschläge werden vom Bund – ohne inhaltliche Prüfung – nicht mitgetragen, weil nach Auffassung des Bundes die Arbeitsgruppe „Innerstaatliche Kompetenzordnung“ bislang kein Mandat hat, konkrete Formulierungsvorschläge für etwaige Grundgesetzänderungen zu erarbeiten. Für Textvorschläge ist nach Auffassung des Bundes erst dann Raum, wenn die Diskussion zur verfassungsrechtlichen und politischen Bewertung der dargestellten Handlungsoptionen abgeschlossen und 1 Die Frist für die Ausübung des Einspruchsrechts und ggf. eine daran anknüpfende Schlichtungsentscheidung sollte im Interesse frühzeitiger Schaffung von Rechtssicherheit möglichst knapp bemessen werden. Hierbei erscheint etwa ein Zeitraum von jeweils 3 Monaten angemessen und ausreichend. 2 Für den Fristbeginn kommt der Zeitpunkt der Zuleitung des Gesetzesbeschlusses an den Einspruchsberechtigten, eventuell auch der Ausfertigung des Gesetzes in Betracht. Im Interesse einer möglichst frühzeitigen Beteiligung des Bundes wäre auch eine vorzeitige Anzeigepflicht des Landes erwägenswert, etwa nach der 2. Lesung des betreffenden Landesgesetzes. Dadurch könnten im Vorfeld Kompromisslösungen gefunden und so ein Gebrauchmachen des Bundes von seinem Vetorecht vermieden werden. Von einer Anknüpfung an die Verkündung des betreffenden Landesgesetzes sollte dagegen im Interesse der Rechtssicherheit (Vermeidung des Anscheins eines gültigen, in Wirklichkeit aber noch schwebend unwirksamen Gesetzes) abgesehen werden. Konkurrierende Gesetzgebung Seite 28 geklärt ist, ob und inwieweit konkrete Änderungsempfehlungen erarbeitet werden müssen. Seite 29 Rahmengesetzgebung Rahmengesetzgebung Auftrag Ist das mit der 1994 geschaffenen engeren Fassung der Voraussetzungen für die Bundesgesetzgebung im Bereich der Rahmengesetzgebung (Art. 75 GG) verfolgte Ziel einer Stärkung der Gesetzgebungskompetenz der Länder u.a. durch höhere Ausübungsschranken für den Bund erreicht worden? (Vgl. für die Länder CdSPapier, Ziffer 2.) Berichterstattung: Bund, BY, HB, NI, SN I. Bestandsaufnahme 1. Die Rechtslage bis 1994 a) Im Bereich der Rahmengesetzgebung hat der Bund das Recht, unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG (d.h. insbesondere: nur wenn und soweit eine bundesgesetzliche Regelung nach Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich ist) Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zu erlassen (Art. 75 Abs. 1 GG). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (noch zur Rechtslage vor der Änderung des Grundgesetzes im Jahre 1994) konnten solche Rahmenvorschriften nicht nur Richtlinien für die Landesgesetzgebung, sondern auch unmittelbar geltende Rechtssätze – bis hin zu sog. „partiellen Vollregelungen“, also erschöpfenden Regelungen für einzelne Teile eines Gesetzesvorhabens oder einer Gesetzesmaterie – enthalten (vgl. etwa BVerfGE 4, 115, 128 ff.; 7, 29, 41 f.; 43, 291, 343; 67, 382, 387). b) Die Gemeinsame Verfassungskommission (BT-Drs. 12/6000, S. 35) beanstandete – wie zuvor die Kommission Verfassungsreform des Bundesrates (Bericht, S. 30) –, dass den Ländern in der Praxis der Rahmengesetzgebung selten Raum zur Ausfüllung mit Regelungen von substantiellem Gewicht geblieben sei, weil der Bund vielfach ins Einzelne gehende und sogar erschöpfende, zum Teil unmittelbar geltende Regelungen getroffen habe. Rahmengesetzgebung 2. Seite 30 Die Verfassungsänderung 1994 Die Verfassungsänderung mit Gesetz vom 27. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3146) hat durch die Änderung des Art. 72 Abs. 2 GG (vgl. dazu den Bericht zur konkurrierenden Gesetzgebung) auch die Anforderungen für die Inanspruchnahme der Rahmenkompetenz verschärft. Entsprechend dem Vorschlag der Gemeinsamen Verfassungskommission wurde daneben Art. 75 GG neugefasst. Insbesondere die neu eingefügte Bestimmung des Art. 75 Abs. 2 GG, wonach Rahmenvorschriften nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten dürfen, sollte den Rahmencharakter dieser Vorschriften schärfer konturieren und sichern (BT-Drs. 12/6000, S. 36). Damit sind allerdings – insoweit im Einklang mit dem bisherigen Begriffsverständnis – in Einzelheiten gehende und unmittelbar geltende Regelungen im Bereich des Rahmenrechts auch nach der neuen Verfassungslage nicht gänzlich ausgeschlossen. Ein entsprechender (von der Ländern favorisierter) Vorschlag hat sich nicht durchgesetzt. Nähere Kriterien für die Beurteilung, wann ein Ausnahmefall vorliegt, enthält Art. 75 Abs. 2 GG nicht. 3. Die heutige Verfassungspraxis Das Bundesverfassungsgericht hat über die Auslegung der – nach der Vorstellung der Gemeinsamen Verfassungskommission (BT-Drs. 12/6000; vgl. auch Gesetzentwurf des Bundesrates, BT-Drs. 12/6633, S. 10; interfraktioneller Gesetzentwurf, BT-Drs. 12/7109, S. 11) justiziablen – Ausnahmevoraussetzungen bisher noch nicht entschieden. Inwieweit nach der neuen Verfassungslage in begründeten Ausnahmefällen nicht nur in Einzelheiten gehende und unmittelbar geltende Regelungen, sondern auch punktuelle Vollregelungen, weiterhin zulässig sind, ist in der Kommentarliteratur umstritten (für die weitere Zulassung vgl. etwa Degenhart in: Sachs, GG, 2. Aufl., Art. 75 Rn. 13; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 75 Rn. 2; dagegen: vgl. Rozek in v. Mangold/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2000, Art. 75 Rn 67 m.w.N.). Die Bundesregierung legt folgende, nach ihrer Auffassung enge Lesart des Art. 75 Abs. 2 GG zugrunde: Danach hat die unmittelbar geltende Regelung ihren Charakter als reguläres Regelungselement verloren und wird zur ultima ra- Seite 31 Rahmengesetzgebung tio. Die Frage des Detaillierungsgrades rahmenrechtlicher Regelungen ist nicht mehr im Hinblick auf das Gesetz als Ganzes, sondern im Hinblick auf die konkrete Regelung zu stellen. Das Erfordernis des Ausnahmefalles ist sowohl qualitativ (mit Blick auf die Erforderlichkeit der einzelnen Detailregelung) als auch quantitativ (mit Blick auf den Anteil solcher Regelungen innerhalb des Gesetzes als Ganzem) zu prüfen. Unmittelbar geltende erschöpfende Regelungen sind unzulässig. Demgemäß stellen die Verfassungsressorts bei der Prüfung von Gesetzentwürfen aus dem Bereich der Rahmengesetzgebung erhöhte Anforderungen an die Darlegung des Ausnahmecharakters (Art. 75 Abs. 2 GG) von in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen sowie an die Darlegung der Gründe (Art. 72 Abs. 2 GG), warum der Gesetzentwurf und seine wichtigsten Einzelregelungen eine bundesgesetzliche Regelung erforderten (vgl. § 43 Abs. 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vom 26. Juli 2000). Wieweit sich hierdurch die Gewichte zugunsten der Länder verschoben haben, lasse sich nach Auffassung des Bundes aber nicht quantifizieren. Aus der Sicht der Länder hat auch die Verfassungsänderung von 1994 an der Staatspraxis nur wenig geändert. Rahmenregelungen aus der Zeit vor 1994 seien weder bis auf die nunmehr geltenden Regelungsschranken zurückgenommen noch Regelungskompetenzen an die Länder zurückgegeben worden3. Im Gegenteil erlasse der Bund wie schon vor der Verfassungsänderung neue überaus detaillierte und unmittelbar geltende Bestimmungen. Das in Art. 75 Abs. 2 GG angelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis spiegle sich in den jüngeren Gesetzesvorlagen nicht. Unmittelbar geltende und detaillierte Regelungen seien ebenso wie punktuelle Vollregelungen nach wie vor ständiger und „regel“mäßiger Bestandteil von Rahmenvorschriften. Beispiele fänden sich in den jüngsten Regelungen zum Hochschulrahmenrecht sowie zum öffentlichen Dienstrecht. Die Berücksichtigung der dem Bund gezogenen Schranken erschöpfe sich im Formalen. § 43 Abs. 2 GGO binde im übrigen nur die Exekutive, nicht auch den Gesetzgeber. II. Problembeschreibung Die Rahmengesetzung stellt eine Form der kooperativen Gesetzgebung dar, bei der Bund und Länder eine einheitliche Materie arbeitsteilig bewältigen. 3 Vgl. Art. 72 Abs. 3, 125a Abs. 2 GG. Rahmengesetzgebung Seite 32 • Als zentraler Einwand gegen die Rahmengesetzgebung ist aus der Sicht des Bundes die Verwischung der politischen Verantwortlichkeit von Bund und Ländern zu nennen. Die Rahmengesetzgebung sei ein Musterbeispiel notwendigen Zusammenwirkens von Bund und Ländern und weise entsprechende strukturelle Schwächen auf. • Nach Auffassung des Bundes erweist sich in der Praxis die Abgrenzung der Regelungsbefugnisse von Bund und Ländern auch nach der Neufassung des Art. 75 GG immer wieder als problematisch. Das gelte sowohl für die Frage, ob eine (nach Art. 75 Abs. 2 GG nur in Ausnahmefällen zulässige) in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelung vorliege, als auch für die sich ggf. anschließende Frage, ob ein solcher Ausnahmefall gegeben sei. • Aus Sicht des Bundes führen die durch die Verfassungsänderung von 1994 verschärften Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Rahmenkompetenz und die Restriktionen hinsichtlich der Regelungsdichte namentlich bei den der Rahmengesetzgebung zugewiesenen Materien des Umweltschutzes (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4), des Melde- und Ausweiswesens (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5) sowie beim Kulturgüterschutz (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6) dazu, dass fachlich oder EG-rechtlich gebotene bundeseinheitliche (Voll-)Regelungen nicht getroffen werden können (vgl. dazu näher die Berichte zu den einzelnen Themen). Demgegenüber ist aus Sicht der Länder die Einschätzung, wann eine bundeseinheitliche (Voll-)Regelung fachlich geboten sei, sehr subjektiv und rechtlich irrelevant. Entscheidend für die Frage der Erforderlichkeit einer bundesrechtlichen Regelung bei der Rahmengesetzgebung seien allein die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG, auf den Art. 75 Abs. 1 Satz 1 GG Bezug nehme. EG-rechtlich könne eine bundesrechtliche Regelung niemals „geboten“ sein, da das Gemeinschaftsrecht die mitgliedstaatliche Zuständigkeitsordnung respektiere. Weder Primär- noch Sekundärrecht der EG könne kompetenzbegründende Auswirkungen auf nationalstaatliches Verfassungsrecht entfalten. • Die Notwendigkeit eines hintereinandergeschalteten Rechtssetzungsverfahrens in Bund und Ländern mit den dazu erforderlichen politischen Abstimmungen zwischen beiden Ebenen hat in der Praxis teilweise zu erheblichen Verzögerungen geführt, die einer fristgerechten Umsetzung des EG-Rechts entgegenstanden. Die Länder weisen diesbezüglich darauf hin, dass die zeitlichen Vorgaben des EG-Rechts für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten auf die innerstaatliche Kompetenzverteilung und einen ggf. damit verbundenen höheren Zeitbedarf Rücksicht nehmen müssen und es dem Bund obliege, auf die Vorgabe entsprechender Um- Seite 33 Rahmengesetzgebung setzungsfristen hinzuwirken. Zudem müsse der Bund bei der (teilweisen) Umsetzung beachten, ob und inwieweit eine Komplettierung der Gesetzgebung durch die Länder notwendig ist. III. Änderungsvorschläge im Bereich der Rahmengesetzgebung Für eine Änderung der bestehenden Gesetzgebungszuständigkeiten im Bereich der Rahmengesetzgebung stehen im Wesentlichen folgende drei Handlungsvarianten zur Diskussion: 1. (Teilweise) Abschaffung der Rahmenkompetenz Die bisherige Rahmengesetzgebung könnte (ganz oder teilweise) abgeschafft werden, indem Materien aus dem Katalog des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 GG anderen Kompetenzarten zugeordnet werden. In Betracht kommt eine Überführung jeweils geeigneter Gegenstände in die ausschließliche Kompetenz des Bundes (Art. 73 GG) oder der Länder, in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 74 GG) oder auch in die ggf. noch zu schaffende konkurrierende Gesetzgebung mit Zugriffsrecht der Länder. Auswirkungen: • Abbau der Politikverflechtung durch klare Zuordnung von Kompetenzen. • Soweit Kompetenztitel aus dem Katalog des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 in andere Bereiche überführt werden und die Rahmengesetzgebung abgeschafft wird, könnten in der Praxis bestehende Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich Art. 75 Abs. 2 GG künftig vermieden werden. • Durch den mit der Abschaffung der Rahmengesetzgebung verbundenen Wegfall der Zweistufigkeit des Gesetzgebungsverfahrens könnten in der Praxis Vereinfachungen bei der Umsetzung von EG-Recht erreicht werden, da die Notwendigkeit eines hintereinandergeschalteten Rechtssetzungsverfahrens in Bund und Ländern mit den dazu erforderlichen politischen Abstimmungen zwischen beiden Ebenen entfiele. • Soweit Kompetenztitel in die ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes überführt werden, würde die Gesetzge- Rahmengesetzgebung Seite 34 bungskompetenz der Länder nicht gestärkt, sondern im Gegenteil geschwächt. • Die Überführung von Kompetenzen der Rahmengesetzgebung in die Gesetzgebungskompetenz der Bundes würde nicht zu einer Verminderung, sondern eher zu einer Ausweitung der Zustimmungspflichtigkeit von Bundesgesetzen führen. Abschließend lassen sich die Auswirkungen einer (vollständigen oder teilweisen) Abschaffung der Rahmengesetzgebung allerdings nur beurteilen, wenn auch die Untersuchung zu den einzelnen Kompetenzbereichen des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 GG einbezogen wird. 2. Beschränkung der Rahmenkompetenz Ein zweiter Ansatz sieht vor, die Rahmengesetzgebung ohne Ausnahme auf unverzichtbare Eckpunkte für die Gesetzgebung der Länder zu beschränken, die den Ländern eine Ausfüllung bundesrechtlicher Rahmenvorgaben von substantiellem Gewicht ermöglichen. Gegenüber der derzeitigen Verfassungsbestimmung zur Rahmengesetzgebungskompetenz wären hierfür folgende Einschränkungen nötig: • keine in Einzelheiten gehende (Detail-)Regelungen, sondern strikte Begrenzung auf materienspezifische “Rahmen“-Bestimmungen • keine unmittelbar geltenden Regelungen, sondern Begrenzung auf Rahmenvorschriften im Sinne von Richtlinien (nach dem Vorbild der EURichtlinien) Kein Unterschied zur derzeitigen Rahmengesetzgebung besteht hingegen in Bezug auf die Umsetzungspflicht der Länder (Art. 75 Abs. 3 GG). Darf der Bund nur noch Richtlinien an die Länder adressieren, muss gewährleistet bleiben, dass die Länder diese auch umsetzen. Im Ergebnis führt dieser Ansatz zu einer Änderung des Art. 75 Abs. 2 GG. In Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen sollen auch in Ausnahmefällen nicht mehr zulässig sein. Seite 35 Rahmengesetzgebung Ein Formulierungsvorschlag der Länder für eine entsprechende Verfassungsbestimmung ist im Anhang beigefügt. Auswirkungen: • Erweiterung des Regelungsspielraums der Länder • Die Beschränkung der Rahmengesetzgebung würde zu einem Abbau von Zustimmungserfordernissen und insoweit zum Abbau von Politikverflechtung führen: Ist der Bund nicht mehr befugt, unmittelbar geltende Regelungen zu erlassen, kann allein dadurch eine Zustimmungspflichtigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG nicht mehr begründet werden; denn das dort geregelte Mitwirkungsrecht des Bundesrates setzt voraus, dass das Gesetz von den Ländern unmittelbar ausgeführt werden muss. • Die Abgrenzungsprobleme zu Art. 75 Abs. 2 GG würden entfallen. Lediglich hinsichtlich des zulässigen Detaillierungsgrades könnten sich weiterhin Auslegungsfragen und damit Probleme bei der Abgrenzung der Kompetenzen des Bundes gegenüber den Ländern ergeben. • Es bliebe weiterhin beim Modell einer zweistufigen (kooperativen) Gesetzgebung mit den damit in der Praxis verbundenen Schwierigkeiten bei der Umsetzung von EG-Recht sowie den nach Ansicht des Bundes bestehenden zusätzlichen strukturellen Schwierigkeiten (Kompetenzverflechtung; Verwischung der Verantwortlichkeit und Abstimmungsprobleme innerhalb beider staatlicher Ebenen). • Die durch die Einfügung des Art. 75 Abs. 2 GG bereits auf Ausnahmefälle beschränkte Befugnis des Bundes zum Erlass von Detail- und Durchgriffsregelungen entfiele ganz. Ein völliger Ausschluss solcher Regelungen könnte nach Ansicht des Bundes aber die Verfolgung der in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Ziele (Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit) auf den der Rahmenkompetenz zugewiesenen Gebieten gefährden. Sollte die Rahmenkompetenz gleichwohl in dem dargelegten Sinne beschränkt werden, müsse deshalb erwogen werden, einzelne Materien (zumindest) in die konkurrierende Gesetzgebung zu verlagern. Die Länder verweisen demgegenüber darauf, dass nach Art. 72 Abs. 2 GG ein gesamtstaatliches Interesse an der Herstellung gleichwertiger Lebens- Rahmengesetzgebung Seite 36 verhältnisse im Bundesgebiet und an der Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit in den Bereichen der Rahmengesetzgebung nicht generell besteht, sondern jeweils im Einzelfall zu überprüfen ist. Es entspreche vielmehr dem Wesen des Föderalismus, in geeigneten Bereichen unterschiedliche landesspezifische Regelungen zuzulassen. 3. Grundsatzgesetzgebungskompetenz Ein dritter Ansatz sieht vor, die bisherige Rahmengesetzgebungskompetenz in eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz umzuwandeln. Abweichend von der vorhergehenden Alternative sollen die Länder hier nach ihrem freien Ermessen darüber befinden können, ob sie von der Möglichkeit der Ausgestaltung der bundesgesetzlich vorgegebenen Grundsätze Gebrauch machen oder nicht 4. Gegenüber der derzeitigen Verfassungsbestimmung zur Rahmengesetzgebungskompetenz wären folgende Einschränkungen nötig: • keine Verpflichtung der Länder zum Erlass von Landesgesetzen, also keine Umsetzungspflicht der Länder (Art. 75 Abs. 3 GG) • keine in Einzelheiten gehende Regelungen, sondern strikte Begrenzung auf materienspezifische Rahmenbestimmungen („Grundsätze“) Ein Formulierungsvorschlag der Länder für eine entsprechende Verfassungsbestimmung ist im Anhang beigefügt. Auswirkungen: • • 4 Erweiterung des Regelungsspielraums der Länder Die durch die Einfügung des Art. 75 Abs. 2 GG bereits auf Ausnahmefälle beschränkte Befugnis des Bundes zum Erlass von Detailregelungen entfiele ganz. Ein völliger Ausschluss solcher Regelungen könnte nach Ansicht des Bundes aber die Verfolgung der in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Ziele (Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und Wahrung So der Vorschlag der Bertelsmann-Kommission „Verfassungspolitik & Regierungsfähigkeit“ im Arbeitspapier „Entflechtung 2005“, S. 22 f.; vgl. auch Arndt u. a., Zehn Vorschläge zur Reform des deutschen Föderalismus, ZRP 2000, S. 201 ff. Seite 37 Rahmengesetzgebung der Rechts- und Wirtschaftseinheit) auf den der Rahmenkompetenz zugewiesenen Gebieten gefährden. Sollte die Rahmenkompetenz gleichwohl in dem dargelegten Sinne modifiziert werden, müsse deshalb erwogen werden, einzelne Materien (zumindest) in die konkurrierende Gesetzgebung zu verlagern. Die Länder verweisen demgegenüber darauf, dass nach Art. 72 Abs. 2 GG ein gesamtstaatliches Interesse an der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und an der Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit in den Bereichen der Rahmengesetzgebung nicht generell besteht, sondern im Einzelfall zu überprüfen ist. Es entspreche vielmehr dem Wesen des Föderalismus, in geeigneten Bereichen unterschiedliche landesspezifische Regelungen zuzulassen. • Es bliebe weiterhin beim Modell einer zweistufigen (kooperativen) Gesetzgebung mit den damit in der Praxis verbundenen Schwierigkeiten bei der Umsetzung von EG-Recht sowie den nach Ansicht des Bundes bestehenden zusätzlichen strukturellen Schwierigkeiten (Kompetenzverflechtung; Verwischung der Verantwortlichkeit und Abstimmungsprobleme innerhalb beider staatlicher Ebenen). • Der Begriff der Grundsatzgesetzgebung wirft nach Ansicht des Bundes ähnliche Auslegungs- und Abgrenzungsschwierigkeiten auf wie der der Rahmenvorschriften. Eine klare und streitfreie Abgrenzung der Kompetenzen des Bundes und der Länder wäre deshalb weiterhin nicht gewährleistet. Rahmengesetzgebung Seite 38 Anhang (Vorschläge der Länder zur Formulierung möglicher Änderungen des GG) 1. Zu III.2. (Beschränkung der Rahmenkompetenz): Art. 75 Abs. 2 GG: „Rahmenvorschriften dürfen weder in Einzelheiten gehende noch unmittelbar geltende Regelungen enthalten.“ 2. Zu III.3. (Grundsatzgesetzgebungskompetenz): Art. 75 GG: „(1) Der Bund hat das Recht, unter den Voraussetzungen des Artikels 72 Grundsätze für die Gesetzgebung der Länder aufzustellen über: .....(einzelne Kompetenztitel)... ....(Abs. 1 Satz 2 unverändert)... (2) Grundsätze dürfen keine in Einzelheiten gehende Regelungen enthalten.“ Diese Formulierungsvorschläge werden vom Bund – ohne inhaltliche Prüfung – nicht mitgetragen, weil nach Auffassung des Bundes die Arbeitsgruppe „Innerstaatliche Kompetenzordnung“ bislang kein Mandat hat, konkrete Formulierungsvorschläge für etwaige Grundgesetzänderungen zu erarbeiten. Für Textvorschläge ist nach Auffassung des Bundes erst dann Raum, wenn die Diskussion zur verfassungsrechtlichen und politischen Bewertung der dargestellten Handlungsoptionen abgeschlossen und geklärt ist, ob und inwieweit konkrete Änderungsempfehlungen erarbeitet werden müssen. Seite 39 Art. 125 a GG Art. 125 a GG Auftrag Wie hat sich die Verfassungspraxis im Hinblick auf die 1994 geschaffene Übergangsvorschrift in Art. 125a GG entwickelt? (Vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 3.) Berichterstattung: BE I. Entstehung, Normbereich 1. Art. 125 a GG ist eines der Ergebnisse der gemäß Art. 5 Einigungsvertrag eingeleiteten, in der Verfassungskommission des BR und der Gemeinsamen Verfassungskommission BR/BT beratenen und 1994 abgeschlossenen Verfassungsreform. Eine Intention dieser Reform war die Stärkung der Kompetenzen der Länder. Die Bestimmung ist eine Übergangsvorschrift, die die Fortgeltung von Bundesrecht nach Änderung von Gesetzgebungskompetenzen regelt. 2. Nach Art. 125 a Abs. 1 GG gilt Bundesrecht, das auf weggefallenen (oder noch wegfallenden) Kompetenztiteln der Art. 74 Abs. 1 oder Art. 75 Abs. 1 GG beruht, zwar fort, kann aber durch Landesrecht ersetzt werden. 3. Im Zusammenhang mit der Ersetzung der Bedürfnis- durch die Erforderlichkeitsklausel in Art. 72 Abs. 2 und Art. 75 Abs. 1 Satz 2 GG sowie der Begrenzung der Regelungsdichte von Rahmenvorschriften in Art. 75 Abs. 2 GG durch die Verfassungsreform 1994 steht die Übergangsregelung des Art. 125 a Abs. 2 GG: Vor dem 15.11.1994 aufgrund der bis dahin geltenden Fassungen von Art. 72 Abs. 2 und Art. 75 GG erlassenes Bundesrecht gilt fort, kann aber durch Landesrecht ersetzt werden, was aber - anders als bei Art. 125 a Abs. 1 GG - durch Bundesgesetz bestimmt werden muss. 4. Im Sachzusammenhang steht der ebenfalls 1994 eingefügte Art. 72 Abs. 3 GG, wonach durch Bundesgesetz bestimmt werden kann, dass eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des neuen Art. 72 Abs. 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann. Art. 125 a Abs. 2 GG befasst sich demgegenüber als Übergangsvorschrift mit den Bundesgesetzen, die aufgrund der alten Fassung des Art. 72 Abs. 2 GG erlassen worden sind, für die aber keine „Erforderlichkeit“ im Sinne der Neufassung des Art. 72 Abs. 2 GG bestanden hat. Art. 125 a GG II. Bisherige Handhabung 5. Art. 125 a Abs. 1 GG: Seite 40 Bislang einziges Beispiel für nach dieser Bestimmung fortgeltendes Bundesrecht ist die erfolgte Eingrenzung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG (Ausklammerung des Erschließungsbeitragsrechts) mit den aufgrund der bis 1994 bestehenden Kompetenzgrundlage erlassenen Vorschriften über das Erschließungsbeitragsrecht im Baugesetzbuch. Von der 1994 in Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 GG gestrichenen Rahmenkompetenz für die allgemeinen Rechtsverhältnisse des Films hatte der Bund nie Gebrauch gemacht, sodass sich im Bund-Länder-Verhältnis hier tatsächlich nichts verändert hat. 6. Art. 125 a Abs. 2 GG: Diese Vorschrift ist bislang ohne praktische Relevanz geblieben. Von Bundesseite gab es bislang keine Initiative, von Länderseite die Initiative der Länder BY, BW, HE vom Januar 1998 (BR-Drs. 77/985). Nach den BR-Beratungen verblieben die für 19 Einzelgesetze 6 vorgeschlagenen Öffnungsklauseln des Entwurfs des Gesetzes zur Umsetzung des Art. 125 a Abs. 2 GG (BR-Drs. 542/99 - Beschluss - vom 15.10.1999). Die Bundesregierung hatte in der Sache zu den Einzelvorschlägen des BRGesetzentwurfs nicht Stellung genommen, lediglich Skepsis geäußert über die Eignung der Vorschläge zum angestrebten Zweck und im Übrigen auf die Beratungen zur Neuordnung des Finanzausgleichs und der Aufgabenverteilung zwischen Bund 5 Betraf folgende Gesetze: Krankenhausfinanzierungsgesetz, Baugesetzbuch, Bundessozialhilfegesetz, Versammlungsgesetz, Reichssiedlungsgesetz, Gesetz zur Ergänzung des Reichssiedlungsgesetzes, Gesetz zur Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung, Grundstücksverkehrsgesetz, Hinterlegungsordnung, Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Grundbuchordnung, Handelsgesetzbuch, Rennwett- und Lotteriewesen, Haushaltsgrundsätzegesetz, Absatzfondsgesetz, Landpachtverkehrsgesetz, Vieh- und Fleischgesetz, 4. Buch Sozialgesetzbuch, 5. Buch Sozialgesetzbuch, 11. Buch Sozialgesetzbuch, Haftpflichtgesetz. 6 Bundessozialhilfegesetz, Versammlungsgesetz, Reichssiedlungsgesetz, Gesetz zur Ergänzung des Reichssiedlungsgesetzes, Gesetz zur Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung, Hinterlegungsordnung, Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Sozialgerichtsgesetz, Handelsgesetzbuch, Körperschaftssteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Rennwett- und Lotteriewesen, Grundstücksverkehrsgesetz, Landpachtverkehrsgesetz, Vieh- und Fleischgesetz, 4. Buch Sozialgesetzbuch, 8. Buch Sozialgesetzbuch, 11. Buch Sozialgesetzbuch, Haftpflichtgesetz. Seite 41 Art. 125 a GG und Ländern verwiesen. Die Bundesregierung hatte sich bereit erklärt, die von den Ländern gewünschten Zuständigkeitslockerungen in diese Beratungen einzubeziehen und dem Deutschen Bundestag empfohlen, mit der Beratung des Gesetzentwurfs zu warten, bis die Ergebnisse der Beratungen zwischen Bund und Ländern einbezogen werden können. Im Einzelnen wollte sich die Bundesregierung dann im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens äußern (vgl. BT-Drs. 14/2442, S. 17). Da sich der BT bislang mit dem Gesetzentwurf nicht befasst hat, unterliegt er mit Ende der Legislaturperiode der Diskontinuität und müsste ggf. erneut im üblichen Verfahren vom BR eingebracht werden, wobei dies im Zusammenhang mit den laufenden Arbeiten zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung/Neuordnung der innerstaatlichen Kompetenzordnung zu sehen sein wird. 7. Von Art. 72 Abs. 3 GG ist bislang ebenfalls weder Gebrauch gemacht noch eine Initiative dazu ergriffen worden (siehe auch Teilbeitrag zur konkurrierenden Gesetzgebung). III. Fragen 8. Die Frage, ob der von Art. 125 a Abs. 2 GG vorgezeichnete Weg fortgesetzt oder modifiziert werden sollte, hängt wesentlich ab von den Ergebnissen der Beratungen zu den einzelnen Kompetenzvorschriften/einer Neuordnung der innerstaatlichen Kompetenzordnung insgesamt. Bei einer Modifizierung wird insbesondere zu klären sein, ob weiter allein dem Bund die Entscheidung über die Ersetzungsbefugnis und/oder (auch ?) den Ländern unter jeweils welchen Bedingungen und mit welchen Folgen (Entstehung partiellen Bundesrechts) zukommen sollte. Art. 72 Abs. 3 GG sollte zusammen mit Art. 125 a Abs. 2 GG beraten werden. Zustimmungsbedürftigkeit Seite 42 Zustimmungsbedürftigkeit Auftrag Wie haben sich Bestand und Handhabung der Zustimmungstatbestände im Gesamtstaat entwickelt? Wie wirken sich die Beteiligungs- und Entscheidungsverfahren des Bundesrates auf die Gesetzgebung aus? Die Zustimmungspflichtigkeit von Bundesgesetzen ist auch im Zusammenhang mit der Entflechtung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern zu prüfen (vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 4). Berichterstattung: Bund, NI, TH I. Wie haben sich Bestand und Handhabung der Zustimmungstatbestände im Gesamtstaat entwickelt? 1. Bestandsaufnahme ? Nach Art. 50 GG wirken durch den Bundesrat die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit. Bei der Gesetzgebung des Bundes hat der Bundesrat die Zustimmungsbefugnis, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich vorsieht (sog. Enumerationsprinzip 7). ? Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das Gesetz als gesetzgebungstechnische Einheit zu sehen. Ist eine Vorschrift eines Gesetzes zustimmungsbedürftig, hat dies die Zustimmungsbedürftigkeit des gesamten Gesetzes zur Folge 8. Das Bundesverfassungsgericht lässt in seiner Entscheidung vom 17. Juli 2002 - 1 BvF 1/01; 1 BvF 2/02 - offen, ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist 9. ? Bei der Schaffung des Grundgesetzes bestand die Einschätzung, dass insgesamt nur etwa 10 Prozent der Bundesgesetze Zustimmungsgesetze sein würden. In der Staatspraxis liegt der Anteil jedoch seit der 2. Wahlperiode zwischen 50 und 60 Prozent, vgl. Anlage 1. ? Wichtigste Zustimmungstatbestände für Gesetze sind die bereits ursprünglich im Grundgesetz enthaltenen Art. 84 Abs. 1 (Regelung der Behördeneinrichtung oder 7 Vgl. BVerfGE 1, 76, 79; 37, 363, 381. 8 Vgl. BVerfGE 8, 274, 294f.; 55, 274, 319 m. w. N. 9 Rdnr. 68 des Urteils. Seite 43 Zustimmungsbedürftigkeit des Verwaltungsverfahrens der Länder) und Art. 105 Abs. 3 (Gesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder Gemeinden ganz oder zum Teil zufließen). ? Eine größere Anzahl der Zustimmungstatbestände ist später in die Verfassung eingefügt worden10. Größere praktische Bedeutung haben bisher folgende neue Bestimmungen entfaltet: - Art. 16a: Bestimmung sicherer Dritt- und Herkunftsstaaten im Rahmen des Asylrechts, - Art. 23 Abs. 1 Satz 2: Übertragung von Hoheitsrechten im Rahmen der Europäischen Union. - ? Art. 74a Abs. 2: Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, Art. 104a Abs. 3 Satz 3: Geldleistungsgesetze, deren Kosten zu einem Viertel oder mehr von den Ländern getragen werden, Art. 106 Abs. 3: Regelung der Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer, Art. 108 Abs. 5 Satz 2: Einräumung einer Bundes-Regelungskompetenz für das von den Landesfinanzbehörden anzuwendende Verfahren. Auf Art. 84 Abs. 1 GG und Art. 105 Abs. 3 GG entfallen nach einer Untersuchung von Dästner 11 und Berechnungen des mitberichterstattenden Landes TH in der Zeit von 1981 bis 2001 74,8 % aller zustimmungsbedürftigen Gesetzentwürfe. Auf Art. 84 Abs. 1 GG entfallen dabei 50,6 % und auf Art. 105 Abs. 3 GG 24,2 %, vgl. Anlage 3. 10 Sämtliche Zustimmungstatbestände sind in Anlage 2 aufgeführt. 11 Dästner, ZParl 2001, S. 295 f. Zustimmungsbedürftigkeit 2. Seite 44 Problembeschreibung Zusammengefasst lassen sich folgende Probleme in der Staatspraxis feststellen: - Aus der Sicht des Bundes bedeutet die Zustimmungsbedürftigkeit als Instrument der Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes eine Verflechtung beider staatlicher Ebenen, die schon als solche problembehaftet ist, da sie das Gesetzgebungsverfahren schwerfälliger machen und die Zuordnung der politischen Verantwortung erschweren kann. Jedenfalls im Gegenzug zu einer Stärkung der Autonomie der Länder wird deshalb ein Abbau der Zustimmungstatbestände erwogen. - Die sog. "Einheitstheorie" des Bundesverfassungsgerichts, nach der bereits eine zustimmungsbedürftige Vorschrift zur Zustimmungsbedürftigkeit des gesamten Gesetzes führt, bedeutet, dass der Bundesrat auch seine Zustimmung zu Vorschriften zu erteilen hat, die selbst nicht die Zustimmungsbedürftigkeit begründen. Die Einheitstheorie verschiebt damit aus Sicht des Bundes die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zulasten des Bundes. Sie führt zu einem Kompetenzgewinn für die Länder, der allein durch die formale (gesetzestechnische) Zusammenfassung zustimmungspflichtiger und nicht zustimmungspflichtiger Regelungen in einem Gesetz bedingt ist, in der Sache aber nicht durch die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern gerechtfertigt werden kann. Hieran gemessen bedeutet das durch die Einheitstheorie begründete Zustimmungsrecht der Länder einen aus Sicht des Bundes ungerechtfertigten Übergriff auf eine dem Bundestag an sich zustimmungsfrei zugewiesene Gesetzgebungskompetenz12. Dies würde vermieden, wenn im Grundgesetz dem Bundesrat eine Verweigerung seiner Zustimmung nur im Blick auf zustimmungsbedürftige Vorschriften des Gesetzes erlaubt würde13. - Aus Sicht der Länder dürften sich die Fälle der Zustimmungsbedürftigkeit maßgeblich verringern, wenn die Verhandlungen zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung zu einer deutlichen Rückübertragung von Zuständigkeiten der konkurrierenden Gesetzgebung auf (alle) Länder und zur Einräumung von Zugriffsrechten (einzelner) Länder auf die konkurrierende Gesetzgebung sowie zur (teilweisen) Abschaffung oder zur Beschränkung der Rahmenkompetenz führen würden (vgl. Berichterstattungen zur konkurrierenden Gesetzgebung und zur Rahmengesetzgebung). - Aus Sicht der Länder bewirkt in der Verfassungswirklichkeit die Ausübungsschranke für den Bundesgesetzgeber durch die Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG 12 Vgl. jüngst BVerfG, Urteil vom 17. Juli 2002 – 1 BvF 1/01 und 1 BvF 2/01 –, Rn. 66 ff. 13 Vgl. Maurer, Staatsrecht I, 2. Aufl. 2001, § 17 Rn. 74. Seite 45 Zustimmungsbedürftigkeit trotz ihrer Verschärfung im Jahre 1994 nach wie vor keine erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten der Länder. Dies könnte nach Ansicht der Länder verbessert werden, wenn die Frage der Erforderlichkeit des Zugriffs des Bundes auf die konkurrierende Gesetzgebung eine Zustimmung des Bundesrates voraussetzte14. - Die Bestandsaufnahme hat gezeigt, dass Art. 84 Abs. 1 GG in der Staatspraxis den wichtigsten Zustimmungstatbestand enthält. Das würde nach Ansicht der Länder verringert werden können durch entsprechende Selbstbeschränkung des Bundesgesetzgebers 15 oder durch Änderung in Art. 84 GG mit dem Inhalt, dass die Zustimmung des Bundesrates nur erforderlich ist: "bei wesentlicher Veränderung der durch den Vollzug des Gesetzes verursachten Aufwendungen" und / oder "bei wesentlichen Eingriffen in die Verwaltungsstrukturen der Länder" 16. Demgegenüber weist der Bund darauf hin, dass mit dem Zustimmungserfordernis „bei wesentlicher Veränderung der durch den Vollzug des Gesetzes verursachten Aufwendungen" eine neue Kategorie der Zustimmungsbedürftigkeit eingeführt würde. - Im Rahmen des Art. 84 Abs. 1 GG bereitet in der Staatspraxis besondere Schwierigkeiten die Abgrenzung zwischen zustimmungsfreien materiell-rechtlichen und zustimmungsbedürftigen Verfahrensregelungen17. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können den Bürger betreffende materiell-rechtliche Vorschriften zugleich ein korrespondierendes verfahrensmäßiges Verhalten der Verwaltung festlegen. Damit unterliegen diese Normen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht der Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 GG („Doppelgesichtigkeit der Norm"). - Zur Zustimmungsbedürftigkeit im Bereich der Rahmengesetzgebungskompetenz bestehen unterschiedliche Auffassungen. 14 Vgl. CdS-Papier Ziffer 4, 2. Absatz u. Bericht der Kommission Verfassungsreform des Bundesrates, Stärkung des Föderalismus in Deutschland und Europa sowie weitere Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes, Dokumentation Rdnr. 56 bis 59. 15 Vgl. Dästner, aaO, S. 307 f. 16 Vgl. CdS-Bericht Ziff. 4, 1. Absatz u. Bericht der Enquetekommission des Bayerischen Landtags, Drs. 14/8660, S. 22f. 17 Vgl. die zahlreichen kontroversen Beispiele in: Sekretariat des Rechtsausschusses des Bundesrates (Hrsg.), Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen nach Artikel 84 Abs. 1 GG, Stand: 6.12.2000, Zi ffern 8.19, 8.20, 8.21, 8.22, 8.24, 8.26, 8.27, 8.32, 8.33. Zustimmungsbedürftigkeit Seite 46 Eine Zustimmungsbedürftigkeit gemäß Art. 84 Abs. 1 GG kann sich nach Auffassung der Bundesregierung bei einer auf die Rahmengesetzgebungskompetenz nach Art. 75 GG gestützten Vorschrift nur dann ergeben, wenn sie ausnahmsweise gemäß Art. 75 Abs. 2 GG unmittelbar gilt. Nur eine solche Vorschrift könne gemäß Art. 83 ff. GG von den Ländern verwaltungsmäßig ausgeführt18 werden. Nach Auffassung des Bundesrates können auch Rahmengesetze zu einem Eingriff in die Organisationsgewalt der Länder führen. Lege der Entwurf eines Rahmengesetzes fest, welche Modalitäten die Länder bei Erlass der landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften einzuhalten haben, dann würden die Entscheidungsspielräume der Länder bereits durch das Rahmengesetz vorgezeichnet und festgelegt 19. - In der Staatspraxis zu Art. 80 Abs. 2 GG bereitet die Auslegung der Wörter "Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen" teilweise Schwierigkeiten. In Fällen von Artikelgesetzen ist bisher ungeklärt, ob sich das Wort „Bundesgesetz" auf das Artikelgesetz selbst oder auf das zu ändernde Stammgesetz bezieht. Dadurch kommt es in einigen Fällen zu unterschiedlichen Beurteilungen der Zustimmungsbedürftigkeit des jeweiligen Artikelgesetzes. 18 Vgl. BVerfGE 55, 274, 320f.; 75, 108, 152. 19 Vgl. Sekretariat des Rechtsausschusses des Bundesrates (Hrsg.), aaO, Ziffer 8.38, 8.39. Seite 47 Zustimmungsbedürftigkeit II. Zu der Frage Wie wirken sich die Beteiligungs- und Entscheidungsverfahren des Bundesrates auf die Gesetzgebung aus? weist der Bund auf Folgendes hin: 1. Bestandsaufnahme ? Der Bundesrat ist ein föderatives Mitwirkungsorgan bei der Gesetzgebung des Bundes eigener Art. Die Begründung der Mitgliedschaft im Bundesrat folgt, wie sich aus Art. 51 Abs. 1 GG ergibt, dem sog. Ratsprinzip: Die Mitglieder des föderativen Organs werden - wie in Deutschland seit 1871 - durch die Landesregierungen bestimmt, nicht aber durch das Staatsoberhaupt ernannt (Ernennungsprinzip, so z.B. in Kanada), unmittelbar durch das Volk (Senatsprinzip, so z.B. in den USA, weitgehend auch in der Schweiz) oder durch die Volksvertretungen der Gliedstaaten (mittelbares Repräsentationsprinzip, so z.B. in Österreich) gewählt. ? Die Stimmenzuteilung nach Art. 51 Abs. 2 GG ist ein Kompromiss auf dem Mittelweg zwischen Gleichberechtigung der Länder und Bevölkerungsarithmetik (Prinzip abgestufter Gleichheit). Sie bestimmt das Gewicht, mit dem die einzelnen Länder als solche im Bundesrat vertreten sein sollen. Besonderen Niederschlag findet dies in dem Gebot einheitlicher Abgabe der Stimmen eines Landes (Art. 51 Abs. 3 Satz 2 GG). ? Ähnliches gilt für das Gebot der Beschlussfassung des Bundesrates mit mindestens der Mehrheit seiner Stimmen (Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG): Durch den Bundesrat wirken „die Länder“ - d.h. in ihrer Gesamtheit - bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit (Art. 50 GG). Mit besonderem Blick hierauf liegt Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG der Gedanke zugrunde, dass ein Beschluss des Bundesrates diesen nur dann zur Erfüllung seiner Aufgabe als Mitwirkungsorgan der Länder hinreichend legitimiert, wenn sich im Akt der Beschlussfassung ein bestimmter politischer Wille der Länder mit mindestens der Mehrheit aller Länderstimmen manifestiert. ? Da der Bundesrat seine Beschlüsse mit mindestens der Mehrheit seiner Stimmen fasst (Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG), hindern Stimmenenthaltungen das Zustandekommen der erforderlichen absoluten Stimmenmehrheit in gleicher Weise wie NeinStimmen. Die Mehrheitsregel für Abstimmungen im Bundesrat findet in anderen föde- Zustimmungsbedürftigkeit Seite 48 ralen Systemen kaum eine Entsprechung. Relative Mehrheiten sind etwa in den USA, Kanada, der Schweiz, Österreich und Spanien ausreichend 20. • Von 1949 bis September 2001 wurde der Vermittlungsausschuss in 690 Fällen zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestages angerufen. Nach Anrufung des Vermittlungsausschusses wurden 614 Gesetze verkündet, 82 wurden nicht verkündet. ? An Hand von Statistiken lässt sich nachweisen, dass die Zahl der verweigerten Zustimmungen immer dann gering war, wenn im Bundesrat die Länder die Mehrheit hatten, deren Landesregierungen von den Parteien getragen waren, die auch im Deutschen Bundestag die Regierungsmehrheit hatten, vgl. Anlage 4. ? So betrug in der 7., 8. und 9. Wahlperiode, in denen die Länder, deren Regierungen von den Oppositionsparteien im Bundestag getragen wurden, über die absolute Mehrheit verfügten, der Anteil der Zustimmungsverweigerungen 3,7 bis 4,3 %. Demgegenüber war dieser Anteil in der 10. und 11. Wahlperiode, als die Länder, deren Regierungen von denselben Parteien getragen wurden wie die Bundesregierung, über die absolute Mehrheit verfügten, mit 0,0 und 0,3 % sehr gering. In der 12. und 13. Wahlperiode, als weitgehend keine der beiden Gruppen über die absolute Mehrheit verfügte, lag die Quote der nicht zustande gekommenen Zustimmung mit 4,1 und 3,9 % ebenfalls hoch. Eine entsprechende Statistik über die Anzahl der Anrufungen des Vermittlungsausschusses in Korrelation zu den jeweiligen Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat ergäbe das gleiche Ergebnis21. ? In der Literatur wird dieser Befund unterschiedlich beurteilt. Einerseits wird vertreten, dass das heute - je nach den politischen Umständen - funktionshemmende Verhältnis zwischen Bundesrat und parlamentarischer Regierung systemimmanenter Ausdruck der Realität der mehrheitsbezogenen Verbundsbeteiligung sei. Eine Neuordnung im Verhältnis von Bundesrat und Bundestag könne insoweit auch nur gelingen, wenn der heutige Föderalismus zugunsten einer größeren Autonomie der Länder gestärkt und korrespondierend der Katalog der Zustimmungsrechte im Bundesrat zurückgeführt werde22. 20 Vgl. R. Sturm, in: Bertelsmann-Kommission „Verfassungspolitik & Regierungsfähigkeit“ (Hrsg.), Institutionelle Entflechtung in Zweiten Kammern, 2002, S. 25, 44 f. 21 Vgl. dazu die Angaben im Handbuch des Bundesrates, aaO, S. 294 f. 22 Dolzer in: VVDStRL 58 (1999), Das parlamentarische Regierungssystem und der Bundesrat - Entwicklungsstand und Reformbedarf, S. 38 Leitsatz 27; in diesem Sinne auch die Vorschläge der BertelsmannKommission "Verfassungspolitik & Regierungsfähigkeit", Entflechtung 2005. Seite 49 Zustimmungsbedürftigkeit Andererseits ist die Meinung geäußert worden, die Möglichkeit der Blockade durch den Bundesrat bei Zustimmungsgesetzen bis zur Grenze missbräuchlicher Obstruktion sei vom Grundgesetz gewollt und prinzipiell unbedenklich. Der grundgesetzliche Zwang zum Kompromiss sei im Sinne einer Mäßigung auf der Basis breiter Zustimmung zu begrüßen23. 2. Problembeschreibung: - In der Staatspraxis lässt sich feststellen, dass der Bundesrat dann häufiger die Zustimmung zu Gesetzentwürfen verweigerte, wenn die Mehrheit der Landesregierungen von anderen als die Bundesregierung tragenden Parteien gestellt wurden. Hingegen verweigerte der Bundesrat nur in seltenen Fällen die Zustimmung, wenn Bundestags- und Bundesratsmehrheit übereinstimmten. - Das Erfordernis einer absoluten Mehrheit (Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG) kann im Hinblick auf Koalitionsregierungen in den Ländern und die damit verbundenen Stimmenthaltungen die Entscheidungsfähigkeit des Bundesrates schwächen. Aus ähnlichen Gründen wie den in der Bestandsaufnahme genannten und unter Hinweis auf die Verfassungslage in anderen Staaten steht der Vorschlag im Raum, dass für Abstimmungen im Bundesrat die relative Mehrheit ausreichen sollte24. 23 Sachs in: VVDStRL 58 (1999), aaO, S. 79, Leitsätze 11 und 12. 24 Bertelsmann-Kommission "Verfassungspolitik & Regierungsfähigkeit", Entflechtung 2005, Ziffer 3.7. Zustimmungsbedürftigkeit Seite 50 Anlage 1 Der Anteil der Zustimmungsgesetze an allen Gesetzen entwickelte sich wie folgt 25: Wahlperiode Zahl der ausgefertigten davon zustim- Anteil in % Gesetzesbeschlüsse mungsbedürftig 1. WP (1949 - 1953) 545 228 41,8 2. WP (1953 - 1957) 3. WP (1957 - 1961) 510 424 254 236 49,8 55,7 4. WP (1961 - 1965) 425 227 53,4 5. WP (1965 - 1969) 453 224 49,4 6. WP (1969 - 1972) 333 172 51,7 7. WP (1972 - 1976) 506 269 53,2 8. WP (1976 - 1980) 9. WP (1980 - 1983) 339 136 182 71 53,7 52,2 10. WP (1983 - 1987) 320 192 60,0 11. WP (1987 - 1990) 366 202 55,2 12. WP (1990 - 1994) 493 282 57,2 13. WP (1994 - 1998) 551 328 59,5 14. WP (1998 - 12.09.2001) 282 149 52,8 25 Quelle: Bundesrat (Hrsg.), Handbuch des Bundesrates für das Geschäftsjahr 2001/2002, S. 294. Seite 51 Zustimmungsbedürftigkeit Anlage 2 Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes Als Mitberichterstatter schlägt der Freistaat Thüringen folgende systematische Ordnung der Zustimmungstatbestände des Grundgesetzes vor: 1. Änderung des Grundgesetzes - Art. 79 Abs. 2 GG 2. Gesetzgebung des Bundes - Art. 74 Abs. 2 GG - Art. 74 a Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1, Satz 2 GG 3. Rechtsverordnungen des Bundes - Art. 80 Abs. 2 GG 4. Finanzverfassung - Art. 104 a Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 2 GG - Art. 105 Abs. 3 GG - Art. 106 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 2, Abs. 5 a Satz 3, Abs. 6 Satz 5 GG - Art. 106 a Satz 2 GG - Art. 107 Abs. 1 Satz 2, Satz 4 GG 5. Haushalts- und Wirtschaftsführung - Art. 109 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1, Satz 3 GG 6. Rechtsnachfolge in Reichs- und Landesvermögen - Art. 134 Abs. 4 GG - Art. 135 Abs. 5 GG 7. Gemeinschaftsaufgaben - Art. 91 a Abs. 2 Satz 1 GG 8. Verfahren bei Gebietsänderung - Art. 29 Abs. 7 Satz 1, Satz 2 GG 9. Übertragung von Hoheitsrechten, Europäische Union - Art. 23 Abs. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 3, Abs. 7 GG 10. Bundeszwang - Art. 37 Abs. 1 GG 11. Abgrenzung der Bundesverwaltung und Einflussnahme auf die Landesverwaltung a. Einrichtung der bundeseigenen und der Bundesauftragsverwaltung - Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG - Art. 87 b Abs. 1 Satz 3, Satz 4; Abs. 2 Satz 1, Satz 2 GG - Art. 87 c GG - Art. 87 d Abs. 2 GG - Art. 87 e Abs. 5 Satz 1, Satz 2 GG - Art. 87 f Abs. 1 GG Zustimmungsbedürftigkeit - Seite 52 Art. 120 a Abs. 1 Satz 1 GG Art. 143 a Abs. 3 Satz 3 GG Art. 143 b Abs. 2 Satz 3 GG b. Abgrenzung und Zusammenwirken von Bundes- und Landesfinanzverwaltung - Art. 108 Abs. 4 Satz 1 GG c. Organisation und Verfahren von Landesbehörden - Art. 84 Abs. 1, 2 GG - Art. 85 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG - Art. 108 Abs. 2 Satz 2 GG - Art. 108 Abs. 5 Satz 2 GG d. Bundesaufsicht von Landesbehörden - Art. 84 Abs. 3 Satz 2 - Art. 84 Abs. 5 Satz 1 - Art. 87 b Abs. 2 Satz 2 12. Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes durch Gerichte der Länder - Art. 96 Abs. 5 GG 13. Gesetzgebungsnotstand - Art. 81 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GG 14. Verteidigungsfall a. Erklärung und Beendigung - Art. 115 a Abs. 1 Satz 1 GG - Art. 115 1 Abs. 2 Satz 1 GG b. Einbruch in Länderkompetenz - Art. 115 c Abs. 1 Satz 2 GG c. Abweichende Regelung der Verwaltung und des Finanzwesens - Art. 115 c Abs. 3 - Art. 115 k Abs. 3 Satz 2 GG d. Aufhebung von Gesetzen des Gemeinsamen Ausschusses - Art. 115 l Abs. 1 Satz 1 GG 15. Geschäftsordnungen a. Gemeinsame Ausschüsse - Art. 77 Abs. 2 Satz 2 GG - Art. 53 a Abs. 1 Satz 4 GG b. Gemeinsame Beratung im Verteidigungsfall - Art. 115 d Abs. 2 Satz 4 GG 16. Sonstige - Art. 16 a Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG - Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG - Art. 119 Satz 1 GG (gegenstandslos geworden) - Art. 130 Abs. 1 Satz 2 GG - Art. 132 Abs. 4 GG (gegenstandslos geworden) Seite 53 Zustimmungsbedürftigkeit Anlage 3 Nach einer Untersuchung von Dästner26 sowie des mitberichterstattenden Landes TH leitete sich die Zustimmungsbedürftigkeit im Zeitraum 1981 bis 2001 aus folgenden (ausgewählten) Normen ab 27: Zustimmungsnorm Anzahl 1.599 Prozent 100 Art. 74a II-IV 66 4,1 Art. 79 II Art. 80 II 21 89 1,3 5,6 Art. 84 I 808 50,6 Art. 85 I 14 0,9 Art. 87 III 2 12 0,8 Art. 104a III 3 70 4,4 Art. 104a IV 2 Art. 105 III 16 386 1,0 24,2 Art. 106 III 3 34 2,1 Art. 106 V 2 9 0,6 Art. 107 I 2/4 20 1,3 Art. 108 V 2 47 2,9 26 AaO, S. 295 f. 27 Dargestellt werden die nach Auffassung des Bundesrates zustimmungsbedürftigen Gesetzentwürfe, vgl. Dästner, aaO, S. 295. Diese Zahlen liegen tendenziell höher als die Zahl der vom Bundespräsidenten als zustimmungsbedürftig ausgefertigten Gesetze. Zustimmungsbedürftigkeit Seite 54 Anlage 4 Versagung der Zustimmung im Bundesrat 28 Wahlperiode Zahl der Versagungen der Zustimmung 12 11 4 7 10 3 19 15 6 1 21 in % absolute Mehrheiten im Bundesrat 1. WP (1949 - 1953) 2. WP (1953 - 1957) 3. WP (1957 - 1961) 4. WP (1961 - 1965) 5. WP (1965 - 1969) 6. WP (1969 - 1972) 7. WP (1972 - 1976) 8. WP (1976 - 1980) 9. WP (1980 - 1983) 10. WP (1983 - 1987) 11. WP (1987 - 1990) 12. WP (1990 - 1994) Zahl der Gesetzesbeschlüsse des Bundestages 559 518 428 429 461 334 516 354 139 320 369 507 2,2 2,1 0,9 1,6 2,2 0,9 3,7 4,2 4,3 0,0 0,3 4,1 13. WP (1994 - 1998) 565 22 3,9 14. WP (1998 - 12.09.2001) 299 8 2,7 keine 1955 + '57: R 1957: R R (bis auf 1961) R 1969: R, 1972: O O O O (bis auf 1983) R R (bis auf 1990) 1990: O, 1992, '93: R 1998: O, ansonsten keine keine Angaben 28 Die Statistik wurde auf der Grundlage von Angaben aus dem Handbuch des Bundesrates 2001/2002, aaO, S. 294, 296, sowie von R. Sturm, aaO, S. 25, 43, erstellt. R = Stimmen der Regierung, O = Stimmen der Opposition. Seite 55 Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Auftrag 1. UAG "Innerstaatliche Kompetenzordnung": Struktur einer Bestandsaufnahme und Problembeschreibung der bundesstaatlichen Ordnung, Abschnitt III: „Die Frage, ob und in welcher Hinsicht unter den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Effizienz die rechtlichen Vorgaben für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den Grenzregionen geändert werden sollten, wird zeitlich vorgezogen untersucht, um ggf. die Notwendigkeit von Verfassungsänderungen zu prüfen (vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 7)." 2. Länder-Problembeschreibung im Arbeitspapier der CdS, Ziffer 7: „Den Ländern ist ein größerer Spielraum beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge, die die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im konkreten Grenzraum betreffen, einzuräumen. Dazu soll durch Verfassungsergänzung den Ländern Vertragsabschlusskompetenz eingeräumt werden, damit Zusammenarbeitsvereinbarungen in flexibler Weise ermöglicht werden. Außerdem sollen die Länder ermächtigt werden, im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit durch Ausnahmen vom Territorialitätsprinzip Möglichkeiten zur Anwendung des Rechts des Vertragsstaats zu begründen." [kursive Hervorhebung nur hier] (Berichterstattung: Bund, NW, RP) I. Bestandsaufnahme Zwischen Bund und Ländern besteht Konsens, dass in Grenzregionen grenzbedingte Entwicklungshemmnisse bestehen können, an deren Beseitigung oder Verringerung ein gewichtiges Interesse besteht. Der Ausbau der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit stärkt den gesamteuropäischen Integrationsprozess und trägt dazu bei, die guten Beziehungen zu den Nachbarländern zu festigen und zu vertiefen. Die Länder verweisen beispielhaft zur Illustrierung der Vielfalt grenzüberschreitender Zusammenarbeit auf gemeinsame, auch grenzüberschreitende Gewerbe- oder Industriegebiete wie in Coevorden/Emmlichheim (Europark) oder Aachen/Heerlen (Avantis). Andernorts sind solche Gebiete geplant, so z. B. in Jestetten/Schaffhausen oder im Dreiländereck Sachsen, Tschechien und Polen („Kleines Dreieck“). Gemeinsame Schulen und Kindergärten, grenzüberschreitende Zweckverbände, Kooperationen beim Katastrophenschutz etc. werden angestrebt oder sind bereits tätig. Die Länder vertreten die Einschätzung, dass mit Hilfe des Abkommens zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, dem Land Niedersachsen, der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwi- Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Seite 56 schen Gebietskörperschaften und anderen öffentlichen Stellen vom 23. Mai 1991 (im folgenden Anholter Abkommen genannt) oder des Übereinkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der Französischen Republik, der Regierung des Großherzogtums Luxemburg und dem Schweizerischen Bundesrat, handelnd im Namen der Kantone Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Aargau und Jura, über grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften und örtlichen öffentlichen Stellen vom 23. Januar 1996 (nachfolgend Karlsruher Übereinkommen genannt) die grenzüberschreitende Zusammenarbeit durch Typisierung von Zusammenarbeitsformen befördert und in der Grenzregion geübte Praxis geworden ist. An das Anholter Abkommen angelehnt ist das Abkommen zwischen Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, der wallonischen Region und der deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien über grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften und anderen öffentlichen Stellen vom 8. März 1996 (nachfolgend Mainzer Abkommen genannt). Während die Länder bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Grundlagen grenzüberschreitender Zusammenarbeit Änderungsbedarf sehen, ist der Bund der Auffassung, dass zunächst die volle Ausschöpfung der verfügbaren Kooperationsinstrumente entsprechend der gegenwärtigen Verfassungsrechtslage geprüft und ein besonderer Regelungsbedarf näher dargelegt werden muss. II. Problembeschreibung A. Vertragsgewalt I. Die auf der bisherigen Verfassungsrechtslage beruhende Handhabung der Frage der Vertragsabschlusskompetenz durch den Bund beeinträchtigt nach Ansicht der Länder nachhaltig ihre Flexibilität und Handlungsfreudigkeit auf dem Gebiet der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit: 1. Am Beispiel des Karlsruher Übereinkommens, aber auch im Vorfeld des Vertragsschlusses des Anholter Abkommens, an dem die Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen als Vertragspartner beteiligt sind, und dem Mainzer Abkommen, welches auf deutscher Seite lediglich durch Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen geschlossen wurde, wurde einmal mehr deutlich, dass gravierende Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und den Ländern über die Vertragsabschlusskompetenz der Länder für Verträge der vorgenannten Art bestehen29. Diese Differenzen traten noch 29 Vgl. zum Sach- und Streitstand Gutt, Grenzüberschreitende kommunale Zusammenarbeit nach dem Karlsruher Übereinkommen, Baden-Baden 1999, S. 105 ff. m.w.N. Seite 57 Grenzüberschreitende Zusammenarbeit jüngst im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Nachfolgevertrages für das Anholter Abkommen zu Tage. 2. Gerade bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, von der kommunale und andere nach Landesrecht zu bestimmende Organisationsformen und Rechtsbereiche i. S. von Art. 32 Abs. 3 GG betroffen sind, besteht für die Länder ein nachhaltiges Interesse, eigenverantwortlich tätig zu werden (unbeschadet des Zustimmungsrechts der Bundesregierung). Sie halten daher Vertragsabschlüsse der Länder nach Art. 32 Abs. 3 GG oder eine sog. unechte doppelte Vertragspartnerschaft von Bund und Ländern, die beim Anholter Abkommen praktiziert wurde30, als Regelfall für diesen Bereich für geboten. Die bisherige Verfassungspraxis auf diesem Gebiet ist aus Sicht der Länder unbefriedigend. II. Nach Auffassung des Bundes ist nicht erkennbar, dass im Rahmen der geltenden Verfassung Probleme bestehen: 1. Die Länder besitzen bereits Vertragskompetenz nach Artikel 32 Abs. 3 GG: "Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abschließen." Ein Verfassungsergänzungsbedarf bestünde deshalb nur, wenn die Länder zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge berechtigt sein sollen • auch zu Regelungsgegenständen, die nicht in ihrer Gesetzgebung liegen, und/oder • ohne Zustimmung der Bundesregierung. Dies wäre jedoch sachwidrig: • • 30 Die völkervertragliche Regelungszuständigkeit der Gliedstaaten im Bundesstaat kann verständigerweise nicht über ihre innerstaatliche Regelungszuständigkeit hinausgreifen. Regelungen, die ein Land innerstaatlich nicht gesetzlich treffen kann, kann es daher sachgerecht auch nicht zum Gegenstand seiner völkervertraglichen Bindung gegenüber einem auswärtigen Staat machen. Im Bundesstaat ist gliedstaatliche Völkerrechtsfähigkeit (der Länder) vom gesamtstaatlichen Völkerrechtssubjekt (Bund) abgeleitet. Es entspricht dem Wesen des Bundesstaates, dass die abgeleitete Vertragsgewalt den Ländern keine Für die Zulässigkeit der unechten doppelten Vertragspartnerschaft vgl. u.a. Bauer/Hartwig, Verträge der Länder der Bundesrepublik Deutschland, NWVBl. 1994, S. 46 f. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Seite 58 selbständige Außenpolitik eröffnet, sondern landesvertragliche Regelungen zur präventiven Bundesaufsicht immer der Zustimmung der Bundesregierung bedürfen, damit Länderverträge den Bundesinteressen nicht widerstreiten31. 2. Zum Verhältnis ihrer Vertragsgewalt nach Artikel 32 Abs. 1 bzw. Abs. 3 GG vertreten Bund und Länder unterschiedliche Auffassungen32. Diese Auffassungsunterschiede sind jedoch bereits 1957 allgemein mit dem modus vivendi der "Lindauer Absprache" 33 überbrückt, der in der Verfassungsrechtsprechung - unbeanstandet - rezipiert ist34 und sich seither in jahrzehntelanger Staatspraxis im allgemeinen bewährt hat 35. In Übereinstimmung mit dem Ergebnis vorausgegangener Verfassungsreformerwägungen36 ist die gegenwärtige Verfassungsregelung somit als sachgerecht anzusehen und Änderungsbedarf nicht zu erkennen. Soweit in früheren Reformerwägungen Änderungen diskutiert worden waren, stand im Übrigen nicht ernstlich die - ggfs. innerstaatlich zustimmungsbedingte - Abschluss-, sondern allein die Transformationskompetenz des Bundes in Rede 37. Hiernach ist es weiterhin sachgerecht, dass der deutsche Bundesstaat im völkerrechtlichen Verkehr als Einheit auftritt38; die Belange der Länder werden dabei mit der innerstaatlichen Organisation der gesamtstaatlichen Außenvertretung gewahrt, sachlich-inhaltlich nach Maßgabe der "Lindauer Absprache" und im Übrigen auch personell nach Maßgabe des sogenannten "Kramer/Heubl-Papiers" von 1968 39. Für eine Dif- 31 BVerfGE 2, 347, 370, 379. 32 Während der Bund auch im Anwendungsbereich des Artikel 32 Abs. 3 GG seine Vertragsgewalt gemäß Artikel 32 Abs. 1 GG umfassend annimmt, vertraten Länder - unterschiedliche - Gegenpositionen (BW, BY, HE, NW: Bund besitzt insoweit weder Abschluss- noch Transformationskompetenz; HB, HH, NI, SH: Bund besitzt Abschluss-, aber nicht Transformationskompetenz); Gesamtdarstellung durch Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich auswärtiger Gewalt (1986), S. 115 ff. 33 Merkblatt D der vom AA herausgegebenen "Richtlinien für die Behandlung völkerrechtlicher Verträge" (in der Literatur ist Nr. 3 Absatz 3, der auf "Absatz 1 Satz 1" Bezug nimmt, durchgängig falsch wiedergegeben). 34 BVerfGE 42, 103 [113 f.]; 92, 203 [232] 35 So bereits grundsätzliches Meinungsbild befasster Stellen des Bundes und der Länder nach Rundfrage der Enquete-Kommission Auswärtige Kulturpolitik, BT-Drucksache 7/4121, S. 39 (Rn. 202) 36 Zuletzt: Gemeinsame Verfassungskommission, BT-Drucksache 12/6000, S. 27. 37 Enquete-Kommission Verfassungsreform, BT-Drucksache 7/5924, S. 232 ff.; Kommission Verfassungsreform des Bundesrates, BR-Drs. 360/92, Rn. 23; NW-Vorschlag i.R.d. GVK, BT-Drucksache 12/6000, S. 27; Diskussionspapier der Arbeitsgruppe der Landtagsdirektoren zur Verfassungsreform „Gesetzgebung im Bundesstaat", Nds. LT-Drucksache. 14/1735, S. 6 38 Vgl. BVerfGE 2, 347 [378] 39 Fastenrath [Fn. 4], S. 278 ff. Seite 59 Grenzüberschreitende Zusammenarbeit fundierung der Einheit des Völkerrechtssubjekts Deutschland im Wege eines "gemischten Vertragsschlusses", bei dem Vertragspartner auswärtiger Staaten neben Deutschland zusätzlich noch einzelne deutsche Gliedstaaten würden, ist im Gesamtsystem der vom Grundgesetz verfassten bundesstaatlichen Ordnung weder Anlass noch Raum. B. Anwendung ausländischen Rechts I. Nach Auffassung der Länder sollte zum Zwecke der intensiveren Zusammenarbeit und der Zielsetzung der Beseitigung der o. g. Entwicklungshemmnisse nach dem Willen der Kooperationspartner auf beiden Seiten der Grenze die Möglichkeit geschaffen werden, die nationale Rechtsordnung für die des Partners zu öffnen. Sie vertreten dazu Folgendes: 1. Zur Überwindung der durch die Staatsgrenze bedingten Nachteile sollen in gemeinsamen grenzüberschreitenden oder grenznahen Gewerbegebieten die zuständigen Genehmigungsbehörden, das könnten z. B. grenznachbarschaftliche Einrichtungen nach Artikel 24 Abs. 1a GG sein, das Recht erhalten, die erforderlichen Genehmigungen nach dem Recht des Partnerlandes zu erteilen, unabhängig von der jeweiligen konkreten Lage des Grundstücks oder des Vorhabens. So könnten Grundstücke, wie im Fall des grenzüberschreitenden Gewerbegebiets Avantis angestrebt, s. o., nach einem einheitlichen Baurecht beplant und Vorhaben entsprechend nach einem nationalen Recht genehmigt werden, wenn man wechselseitig die eigene Rechtsordnung für die des Partnerlandes öffnen würde. Dies ist aus Sicht der Rechtsanwender vor Ort auch erforderlich. Denn wenngleich aufgrund europarechtlicher Vorgaben das nationale Recht, so z.B. im Umweltrecht, vielfach übereinstimmt, so gibt es doch etwa im Baurecht oder Gewerberecht gravierende Unterschiede, die sich mit Hilfe der jeweiligen Ausnahmebestimmungen der nationalen Vorschriften nicht oder nicht praxistauglich überwinden lassen. 2. Da es sich bei dem von den Ländern zu vollziehenden Recht in weiten Teilen um Bundesrecht handelt, müsste der Bund zu einer solchen Öffnung nicht nur bereit, sondern auch verfassungsrechtlich in der Lage sein. Nach wohl herrschender Auffassung fehlt es für eine derartige Öffnung durch einen Akt des Bundesgesetzgebers an der notwendigen Ermächtigung im GG. Die Öffnung der Rechtsordnung bedeutet, dass dem auswärtigen Staat zum Zwecke der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit – im Sinne einer dynamischen Verweisung - das Recht eingeräumt wird, auch mit Wirkung für das deutsche Territorium Recht zu set- Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Seite 60 zen. In diesem Moment äußert sich seine Hoheitsgewalt, nicht etwa die der vollziehenden nationalen oder grenznachbarschaftlichen Verwaltung. Gem. Art. 24 Abs. 1 GG dürfen Hoheitsrechte aber nur auf zwischenstaatliche Einrichtungen, nicht auf auswärtige Staaten übertragen werden40. 3. Andere Lösungswege erscheinen nicht zielführend. Die Anwendbarkeit ausländischen Rechts unter Abweichung vom Territorialitätsprinzip auf der Grundlage von Kollisionsnormen eines völkerrechtlichen Vertrages (so wie in einem Entwurf für die Nachfolge des Anholter Abkommens vorgesehen, s.o. A. I. 1.) würde die grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht in dem notwendigen Umfang fördern. Denn die Anwendung ausländischen Rechts könnte nach diesen Grundsätzen, wie beim IPR oder der Rechtshilfe, nur dann zugelassen werden, wenn die zu entscheidenden Tatbestände objektiv einen überwiegenden Sachbezug zum Souveränitätsbereich des ausländischen Partners und seinem Recht aufwiesen41. Damit ließen sich aber die oben genannten Entwicklungshemmnisse nicht wirklich beseitigen. 4. Vielmehr sollten im grenznahen Bereich, also im Einzugsgebiet einer grenznachbarschaftlichen Einrichtung i. S. von Art. 24 Abs. 1a GG, die zuständigen Behörden (i.d.R. grenznachbarschaftliche Einrichtungen) in größerem Umfang als nach der jetzigen Verfassungsrechtslage zulässig durch die Länder in die Lage versetzt werden können, abweichend vom Territorialitätsprinzip ausländisches Recht anzuwenden. Als Anknüpfungskriterium dafür sollte allein die Tatsache genügen dürfen, dass der Sachverhalt im o.g. grenznahen Bereich seinen Ursprung hat (Beispiel: Grenzüberschreitendes Gewerbegebiet, in dem der Investor unabhängig von der Staatsgrenze für ein Recht – in Gänze und bindend - optiert). Das schließt nicht aus, dass in der konkreten Übertragungsvereinbarung, je nach Sachverhaltsgestaltung, (weitere/andere) objektive und subjektive Kriterien festgelegt werden, nach denen die Anwendung des einen oder anderen Rechts entschieden wird, (Beispiel: Grenzüberschreitender Abwasserverband als Einrichtung i.S. von Art. 24 Abs. 1a GG, der für alle Bürger des Verbandsgebietes nach einem nationalen Recht tätig wird, weil dies aus wirtschaftlichen Gründen sachgerecht ist). II. Der Bund ist der Auffassung, dass der Vielfalt möglicher Problemlagen eine Vielfalt jeweils problemadäquater Handlungsinstrumente entspricht. Aus Sicht des Bundes bedingt dies eine differenzierende Betrachtung: 40 Vgl. dazu u.a. Streinz in Sachs, GG, 2. Aufl., Art. 24 Rdn. 15 und 20 m.w.N. 41 Vgl. BVerfGE 63, 343, 369. Seite 61 1. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Grenzlagen können besondere infrastrukturelle und - unter Umständen hiermit zusammenhängende - wirtschaftliche Entwicklungsdefizite aufweisen. Zur Behebung bzw. Kompensation solcher lagebedingter Strukturnachteile wird oftmals kein spezifisches Bedürfnis für spezielle Änderungen des Verwaltungsfachrechts bestehen, sondern eher an Instrumente einer fiskalischen Förderung der infrastrukturellen Entwicklung oder sonstige übliche Maßnahmen regionaler Wirtschaftsförderung zu denken sein. 2. Hinsichtlich des Verwaltungsfachrechts werden etwaige Probleme oftmals primär nicht in der Nicht-Anwendung nachbarstaatlichen Rechts liegen, sondern eher in der Anwendung deutschen Rechts. In solchem Fall wäre auch die Problemlösung näher im deutschen Recht zu finden, das dann ggfs. den grenzbedingten Sonderbedürfnissen spezifisch anzupassen wäre, ggfs. durch eine Deregulierung für grenzbezogene Sachverhalte, die der Verwaltung u.U. eröffnet, auch Standards ausländischer Rechtsordnungen in ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. 3. Bei einheitlichen, aber grenzüberschreitenden Lebenssachverhalten kann eine Diskrepanz von auslandsbezogener Problemlage und inlandsbeschränktem - rechtlichem - Problemlösungsinstrumentarium auftreten. Soweit der zu regelnde Sachverhalt von solchem Auslandsbezug geprägt ist, kann eine homogene Lösung im Wege einer kollisionsrechtlichen Regelung durch gleitende Verweisung auf ausländisches Recht erzielt werden, denn das geltende Verfassungsrecht geht bereits von der Eingliederung Deutschlands in die Völkerrechtsordnung der Staatengesellschaft aus 42. 4. Die Grenzen dieses Regelungsmodells werden allerdings überschritten, wenn eine solche gleitende Verweisung nicht auf hinreichenden sachlichen Anknüpfungsmomenten zum auswärtigen Jurisdiktionsbereich beruht, sondern anderen Erwägungen folgt. Hierzu könnte eine Grundgesetzänderung erforderlich sein, die verfassungspolitisch jedoch keine sachwidrigen Brüche im föderativen, gewaltenteilenden und demokratischen Ordnungsgefüge des Grundgesetzes bewirken dürfte und Gleichbehandlungserwägungen im Auge behalten muss. Gegenwärtiger Diskussions- und Verfahrensstand erlauben und erfordern dabei noch keine abschließende Würdigung. Wenn die weiteren Erörterungen substanzielle Erkenntnisse aufzeigen, die sachbedingt eine differenzierende Würdigung veranlassen, wird zu untersuchen sein, welche verfassungspolitischen Schlüsse daraus gezogen werden sollten. Bereits oben wurde darauf hingewiesen, dass zunächst die verfügbaren Kooperationsinstrumente voll ausge- 42 Vgl. BVerfGE 63, 343, 370; bei genereller Gewährleistung der verfassungsrechtlichen öffentlichen Or dnung des GG, insbesondere der rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Mindestanforderungen: BVerfGE 63, 343, 366, 378; 31, 58, 74 ff.; ergänzend BVerfGE 92, 26, 41 f., 48 f., 52; 63, 181, 195. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Seite 62 schöpft werden sollten. In eine Gesamtbetrachtung ist auch die Möglichkeit einzubeziehen, eventuelle Nachteile in geeigneten Fällen durch eine Rechtsharmonisierung auf europäischer Ebene zu vermeiden. 5. Für eine Änderung des Grundgesetzes wäre speziell zu untersuchen, ob bzw. inwieweit ein spezifisches Bedürfnis bestehen könnte, das von einer grenznachbarschaftlichen Einrichtung anzuwendende Recht erleichtert einheitlich einer der berührten nationalen Rechtsordnungen zu entnehmen, welche besonderen Sacherwägungen dies rechtfertigen würde und welche Schranken dem adäquat wären. Auch eine solche spezielle Regelung müsste sich bruchlos in das Ordnungssystem des Grundgesetzes einfügen. 6. Bei zunehmend transnationalen Vorbedingungen staatlichen Wirkens kommt der Kooperationsfähigkeit mit auswärtigen Staaten auch außerhalb von besonderen Organisationsformen - wie zwischenstaatlichen oder grenznachbarschaftlichen Einrichtungen - wachsende Bedeutung zu. Dem trägt die speziell organisationsbezogene Ausrichtung des geltenden Artikel 24 Absatz 1 und 1a GG möglicherweise nicht hinreichend oder aber nicht hinreichend klar Rechnung. In dies betreffende Überlegungen wären auch Hoheitsrechtsübertragungen auf auswärtige Staaten - mit besonderem Blick auf Mitgliedstaaten der EU - einzubeziehen. Seite 63 Neue Medien Neue Medien Auftrag Bund: Die Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche anhand der herkömmlichen Aufteilung zwischen Bundeszuständigkeit für den sendetechnischen Bereich (Art. 73 Nr. 7 GG früher: Fernmeldewesen, jetzt: Telekommunikation, Art. 87f GG) und der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder für die inhaltliche Gestaltung des (inlandsbezogenen) Rundfunks ist mit Unsicherheiten hinsichtlich der Zuordnung der sog. neuen Medien behaftet. Handlungsbedarf unter Berücksichtigung der bisherigen Gesetzgebungspraxis und Erfahrungen, insbesondere aus dem Evaluierungsbericht zum IuKDG und MDStV (BT-Drs. 14/1191), ist zu prüfen. Berichterstattung: Bund, HE, NW, RP, SN, SH I. Bestandsaufnahme 1. Allgemeines Eine ausdrückliche Regelungskompetenz für den Bereich der neuen Medien sieht das Grundgesetz nicht vor. Die technische Seite des Übertragungsvorgangs fällt in die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes nach Art. 73 Nr. 7 GG (Telekommunikation). Inhaltlich wird zwischen Telediensten (Kompetenz des Bundes, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11) und Mediendiensten (Kompetenz der Länder, Art. 70 Abs. 1 GG) unterschieden. Diese Abgrenzung ist nach Auffassung des Bundes einerseits nicht verfassungsrechtlich vorgegeben, andererseits steht die Verfassung dem auch nicht entgegen. Die kompetenzrechtliche Zuordnung ist damit abhängig von der jeweiligen Begriffsdefinition, so dass es sich primär um eine Auslegungsfrage handelt, welche kompetenzrechtliche Auswirkungen nach sich zieht. Bei der Neuordnung des Jugendschutzes, auf die sich Bund und Länder im März 2002 verständigt haben, wird die Unterscheidung zwischen Tele- und Mediendiensten zu Gunsten des Begriffs der Telemedien aufgegeben. 2. Im Einzelnen IuKDG und MDStV Am 1. August 1997 sind gleichzeitig das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG) des Bundes mit einer Regelung für sog. Teledienste (TDG) und der Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) der Länder in Kraft getreten. Vorangegangen war eine Auseinandersetzung um die Regulierung der neuen Medien, in dessen Verlauf sowohl der Bund als auch die Länder die Regelungskompetenz für sich beansprucht hatten. Man einigte sich darauf, dass der Bund das IuKDG erläßt (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) und die Länder die Mediendienste (Art. 70 Abs. 1 GG) regeln. Neue Medien Seite 64 Der MDStV und das im IuKDG enthaltene Teledienste-Gesetz (TDG) bieten einen Rechtsrahmen für elektronische Informations- und Kommunikationsdienste, wobei der Mediendienste-Staatsvertrag insbesondere solche Dienste regelt, die sich an die Allgemeinheit richten und somit publizistisch relevant sind; das TDG betrifft dagegen die Individualkommunikation. Zentrale Vorschriften beider Regelwerke wie die Zugangsfreiheit, der Datenschutz und in Grundzügen die Anbieterkennzeichnung und die Provider-Verantwortlichkeit sind weitgehend wort- oder inhaltsgleich gefasst. Diese positiven Ansätze haben jedoch die Abgrenzungsprobleme nicht endgültig lösen können. Die eindeutige Zuordnung der Dienste zum bundesrechtlichen TDG einerseits und zum landesrechtlichen MDStV andererseits ist aber beispielsweise für die Frage entscheidend, welches Aufsichtsregime über die Materie zur Anwendung kommt und wer der richtige Ansprechpartner der Anbieter von Internetdiensten ist. Aufgrund der schwierigen Abgrenzung zwischen Telediensten und Mediendiensten sind sich Bund und Länder einig, dass mittelfristig eine Klärung herbeigeführt werden soll. In diesem Zusammenhang haben die Länder in der MPK vom 25. - 27. Oktober 2000 dem Bericht von MP Beck, als Vorsitzenden der Rundfunkkommission, zur „Reform der Medienordnung“, zugestimmt. Darin wird ausgeführt, dass im Zuge einer raschen Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie die Trennung von Tele- und Mediendiensten zunächst beibehalten werden solle, jedoch Gespräche mit dem Bund über Verbesserungen bei den Regelungen geführt werden, die auch neue Ansätze einbeziehen. Hierauf basieren u. a. auch die Änderungen in IuKDG und MDStV. Dieser Prozess wird sowohl von den Ländern, als auch vom Bund, mit dem erforderlichen Nachdruck verfolgt, wie im Bereich des Jugendmedienschutzes deutlich wird. Ziel der Verhandlungen ist es dabei auch, die Regelungsfelder zwischen Bund und Ländern unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung sinnvoll aufzuteilen. b) Jugendschutzgesetz des Bundes (JuSchG) und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder (JMStV) Für den Bereich des Jugendschutzes wurde die durch das IuKDG und den MDStV geprägte Unterscheidung zwischen Tele- und Mediendiensten aufgegeben. Vielmehr haben sich Bund und Länder in den Eckpunkten zur Reform der Medienordnung im Bereich Jugend- Seite 65 Neue Medien schutz 43 darauf geeinigt, dass die Länder den Jugendschutz in allen elektronischen Online-Medien durch Staatsvertrag regeln und der Bund die gesetzgeberischen Voraussetzungen für eine umfassende Länderregelung schafft sowie den Jugendschutz bei den Offline-Medien und außerhalb des Medienbereichs neu regelt. Mit dem JuSchG hat der Bund seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 (Strafrecht), 7 (öffentliche Fürsorge) und 11 (Recht der Wirtschaft) GG eingeschränkt wahrgenommen. 44 Beide Regelungen sollen zeitgleich am 1. April 2003 in Kraft treten. II. Problembeschreibung Bund und Länder sind sich darüber einig, dass sich die im IuKDG und MDStV vorgenommene Abgrenzung der Kompetenzen nach Telediensten und Mediendiensten als problematisch erwiesen hat. Die bereits aufgenommenen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern im Rahmen der Reform der Medienordnung bleiben zunächst abzuwarten. Eine vertiefte Behandlung des Themenkreises „Neue Medien“ sollte daher insoweit unterbleiben, als eine Auseinandersetzung in der laufenden „Reform der Medienordnung“ bereits erfolgt. Das generelle Anliegen der Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung ist aber im Hinblick auf davon nicht erfasste Randgebiete zu betrachten. Zielsetzung ist eine klare Trennung der Regelungsbereiche sowie die Schaffung eindeutiger Vollzugsstrukturen. Nach Auffassung der Länder kann dabei die erzielte Einigung und Kompetenzübertragung auf die Länder im Bereich des Jugendschutzes Wegweiser, aber nicht Endpunkt einer Entflechtung der Zuständigkeiten sein. 43 Vgl. Ergebnisprotokoll der Besprechung der Regierungschefs der Länder mit dem Bundeskanzler am 8. März 2002 in Berlin, Top 5.1.; vgl. auch § 16 JuSchG, BT-Drucksache 14/9013, S. 7 und die Gesetzesbegründung S. 13f. 44 AaO, S. 17. Notariatswesen Seite 66 Notariatswesen Auftrag Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung dieses Teilbereichs aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.1.1). Berichterstattung: BW, HH, NW I. Bestandsaufnahme - Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zum „Notariat“: Der Kompetenztitel „Notariat“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG umfasst das Berufsrecht der Notare, die Zulassung zum Notarberuf, die Berufsausübung, das Gebührenwesen, das Standesrecht sowie die Berufsgerichtsbarkeit. Art. 138 GG gewährleistet die Einrichtungen des jetzt (d.h. seit 1949) bestehenden Notariats in den Ländern Baden, Bayern, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern insoweit, als Änderungen nur mit Zustimmung der Regierungen dieser Länder erfolgen können. - Bundesrechtliche Regelungen: Von seiner Kompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG hat der Bundesgesetzgeber vor allem mit der Bundesnotarordnung vom 24. Februar 1961 (BNotO) Gebrauch gemacht. Sie trat am 1. April 1961 in Kraft und löste die Reichsnotarordnung vom 13. Februar 1937 ab. Durch die Reichsnotarordnung war der letzte bis dahin noch auf landesgesetzlicher Regelung beruhende Bereich justizieller Einrichtungen auf das Reich überführt worden; sie galt nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes gemäß Art. 123, 125 Nr. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG mit Ausnahme weniger Bestimmungen als Bundesrecht fort. Die BNotO gilt nach dem Dritten Änderungsgesetz vom 31. August 1998 auch in den neuen Bundesländern. Damit ist in der gesamten Bundesrepublik Deutschland ein einheitlich geltendes Recht zur Berufsausübung der Notare hergestellt worden, das jedoch in die bestehenden Sonderformen des Notariats, für deren Änderung es nach Art. 138 GG der Zustimmung der betroffenen Landesregierungen bedarf, nicht eingreift. Die Bundesnotarordnung regelt die Notariatsverfassung und das Berufsrecht der Notare. Seite 67 Notariatswesen Das Beurkundungsgesetz vom 28. August 1969 (BeurkG), in Kraft getreten am 1. Januar 1970 in den alten und am 3. Oktober 1990 in den ostdeutschen Ländern, stützt sich im Rahmen des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ausweislich der Gesetzesmaterialien - zumindest auch - auf die Kompetenztitel „bürgerliches Recht“ und „gerichtliches Verfahren“, da das Verfahren der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit geregelt wird. Die bis dahin bestehenden jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen sowohl zur Beurkundungszuständigkeit als auch hinsichtlich des Beurkundungsverfahrens sind durch das BeurkG weitgehend ersetzt und die zuvor im FGG und im BGB enthaltenen bundesrechtlichen Regelungen zusammengefasst worden. Das Gebührenrecht der Notare wird durch die Kostenordnung geregelt. - Landesrechtliche Regelungen: Auf Länderebene werden die Vorschriften der BNotO durch Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sowie Richtliniensatzungen der Kammern ergänzt. Beispielhaft sei insoweit die Dienstordnung für Notare (DONot) erwähnt. Als eine von den Landesjustizverwaltungen bundeseinheitlich beschlossene Verwaltungsvorschrift enthält sie zahlreiche Vorschriften über das Beurkundungsverfahren und aufsichtsrechtliche Verwaltungsbestimmungen. - Übersicht über die in den Ländern bestehenden Notariatsformen: Land Baden-Württemberg (württ. Rechtsgebiet) Baden-Württemberg (bad. Rechtsgebiet) Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen MecklenburgVorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen (früheres rheinisches Gebiet) Nordrhein-Westfalen Nurnotare X Anwaltsnotare X beamtete Notare (Bezirksnotare – württ. Rechtsgebiet) beamtete Notare (Amtsnotare – bad. Rechtsgebiet) X X X X X X X X X X X Notariatswesen (übrige Landesteile) Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen II. Seite 68 X X X X X X X Problembeschreibung Position der Länder: Wie Art. 138 GG und die „nur“ konkurrierende Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zeigt, hat der Verfassungsgeber für das Notariatswesen keine Notwendigkeit für eine umfassende bundeseinheitliche Regelung gesehen. Auch zum jetzigen Zeitpunkt sind keine Umstände ersichtlich, die eine Erweiterung der Länderkompetenzen in diesem Bereich a priori ausschließen würden. Vielmehr könnte die Tatsache, dass die BNotO letztlich ein „Rahmenrecht“ darstellt, welches in vielfältiger Weise zum einen durch Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften der Länder und zum anderen durch Richtliniensatzungen der Kammern ausgefüllt wird, Anlass geben zu erwägen, die Länder mit weitergehenden Gesetzgebungskompetenzen auszustatten. Zwar besteht auch in dem derzeit von den Ländern geregelten Bereich eine deutliche Tendenz zur Einheitlichkeit, da unter den Ländern umfassende Abstimmungen erfolgen mit dem Ziel, länderübergreifend inhaltsgleiche Regelungen zu schaffen. Es bleibt aber festzuhalten, dass die Länder bereits jetzt in hohem Maße mit dem notariellen Berufsrecht befasst sind. Das jetzige, durch die Vorgaben der BNotO geprägte Berufsbild des Notars hat zu einem funktionierenden und auf hohem qualitativen Niveau arbeitenden Notariat in Deutschland geführt. Es liegt im Interesse der Länder, an diesem hohen qualitativen Niveau auch weiterhin festzuhalten. Ein wesentliches Interesse der Länder an einer eigenen Gesetzgebungszuständigkeit in diesem Bereich könnte jedoch sein, das jeweils eigene Notariat zu stärken. Denkbar wäre etwa, die Ausbildung der Notarassessorinnen und -assessoren und deren Übernahme in den Notardienst stärker den landesspezifischen Gegebenheiten anzupassen. Dabei müssten die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen beachtet werden: Insbesondere bei Bewerbungen landesfremder Assessoren gibt es im Rahmen des derzeitigen Zulassungsrechts immer wieder Zweifelsfälle, die bereits zu einer Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen geführt haben. Seite 69 Notariatswesen Zu beachten sind ferner die europarechtlichen Anforderungen. Auf EU-Ebene zeichnen sich Bestrebungen ab, ein einheitliches notarielles Berufsbild zu etablieren. Dazu soll das Staatsangehörigkeitserfordernis als eine Voraussetzung des Zugangs zum Notariat beseitigt und das Notaramt in den Kreis der freien Berufe, deren Ausübung ohne Beschränkung durch die Mitgliedstaaten möglich sein soll, einbezogen werden. In der Diskussion ist die Verleihung einer Rahmengesetzgebungskompetenz an die Europäische Union für das Europäische Notariat, welche die nationalen Gesetzgeber durch Regelungen des Beurkundungs- und Dienstrechts ausfüllen können. Die Umsetzung solcher europäischer Vorgaben wäre in jedem Fall sicherzustellen, gleichgültig, ob dies durch einen Bundes- oder Landesgesetzgeber geschieht. Position des Bundes: Demgegenüber ist der Bund der Auffassung, dass das gegenwärtige Regelungssystem ausgewogen und sachgerecht ist. Die bestehende Kompetenz, Satzungen und Verwaltungsvorschriften auf Länderebene zu erlassen, kann nicht dafür angeführt werden, dass Gesetzgebungskompetenzen auf die Länder übertragen werden sollten. Sowohl Satzungsregelungen als auch Verwaltungsvorschriften haben lediglich gesetzesausfüllende Funktion. Die Kompetenz der Bundesnotarkammer, Empfehlungen für die Satzungen der Notarkammern zu erlassen (§ 78 Abs. 1 Nr. 5 BNotO), belegt das Interesse an einer bundeseinheitlichen Regelung. Der Befund, dass Satzungen und Verwaltungsvorschriften weitestgehend ländereinheitlich gelten, spricht gegen eine Kompetenzverlagerung. Aktuelle fachliche Überlegungen, Regelungskompetenzen im Bereich des Notariats auf die Länder zu übertragen, bestehen dementsprechend auf Seiten des Bundes nicht. Zu beachten sind im Übrigen nach übereinstimmender Auffassung von Bund und Ländern eventuelle europarechtliche Entwicklungen. Auf EU-Ebene gibt es Bestrebungen, ein einheitliches notarielles Berufsbild zu etablieren. Die EG-Kommission betreibt gegen Deutschland und gegen weitere Mitgliedstaaten, in denen ein sogenanntes lateinisches Notariat existiert, Vertragsverletzungsverfahren mit dem Vorwurf des Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Artikel 43 EG-Vertrag. Deutschland vertritt demgegenüber die Auffassung, dass Notare in Deutschland hoheitliche Tätigkeiten ausüben und daher eine Regelungskompetenz der Europäischen Union gemäß Artikel 45 EG-Vertrag nicht besteht. Ob europäische Vorgaben für das Notarrecht entstehen könnten, lässt sich vor diesem Hintergrund nicht sicher beurteilen. Versammlungsrecht Seite 70 Versammlungsrecht Auftrag Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung dieses Teilbereichs aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.1.1). Berichterstattung: BY, BE I. Entstehung, Normbereich 1. Das Versammlungsrecht ist seit der Ursprungsfassung des GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung. 2. Die Gesetzgebungskompetenz erstreckt sich unbeschadet des das Versammlungsrecht materiell weitgehend prägenden Art. 8 GG auf Versammlungen im herkömmlichen Sinne (z.B. keine Beschränkung auf solche unter freiem Himmel). 3. Die Gestaltung des Polizei- und Ordnungsrechts ist ein wesentliches Element der Eigenstaatlichkeit der Länder bzw. der Länderzuständigkeit (Art. 30, 70, 83 GG). Der Bund hat hier - neben Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG - nur Teilkompetenzen, insbesondere 4. - zum Schutz der Verfassungsorgane des Bundes, z.B. durch Bannmeilen/befriedete Bezirke - gemäß Art. 73 Nr. 5, Art. 87 Abs. 1 GG (Bundesgrenzschutz als Bundespolizei), Art. 73 Nr. 10 GG, Notstandsregelungen (Art. 91, 87 a GG). Das Versammlungsrecht als besonderes Polizei- und Ordnungsrecht steht nach Auffassung des Bundes in einem gewissen Sachzusammenhang mit dem bürgerlichen Recht und dem Strafrecht, insofern es um die Regulierung von Massenkommunikation, Meinungsäußerung und persönliche Ehre geht. Kennzeichnend für das Versammlungsrecht ist die Tendenz, Minderheiten den Zugang zur öffentlichen Meinungsbildung zu erleichtern, indem sie angesichts der überragenden Bedeutung der Art. 5 und 8 GG für das Versammlungsrecht im Vergleich zum allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht privilegiert behandelt werden (Anspruch auf die Nutzung Seite 71 Versammlungsrecht öffentlicher Verkehrsflächen und Einschreiten nur aufgrund qualifizierter Gefahrenlagen). II. Bisherige Handhabung und Reformüberlegungen 5. Der Bundesgesetzgeber hat von der Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG durch das Gesetz über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsrecht) vom 24.07.1953 i.d.F. der Bek. vom 15.11.1978 (BGBl. I S. 684) und insgesamt acht Änderungsgesetze, zuletzt durch Art. 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Verfassungsorganen des Bundes vom 11. August 1999 (BGBl. I S. 1818) Gebrauch gemacht. 6. Tendenz der gegenwärtigen Reformüberlegungen auf Länderseite ist entweder die Streichung des Versammlungsrechts aus dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen oder die Überführung in eine Rahmengesetzgebungskompetenz45. Die BT-Enquete-Kommission Verfassungsreform 1976 hat vorgeschlagen, das Versammlungsrecht im Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung zu belassen, diesen aber mit einer stark begrenzenden Fassung des Art. 72 GG zu verbinden (BT-Drs. 7/5924, S. 123). In der BR-Verfassungskommission 1992 (BRDrs. 360/92) gab es keinen und in der Gemeinsamen Verfassungskommission BT/BR (1994) nur einen Vorschlag einer knappen Ländermehrheit zur Streichung und einen Vorschlag der Berichterstatter zur Übertragung in die Rahmengesetzgebungskompetenz, der aber in der Kommission keine Mehrheit fand (BT-Drs. 12/6000, S. 38). Argumente auf Länderseite waren: - 45 Da Gegenstand des Polizei- und Ordnungsrechts, grundsätzliche Zuständigkeit der Länder gegeben. Grundrechtsrelevanz der Materie zwingt nicht zu bundesgesetzlicher Regelung. Übergeordnete Interessen, die bestimmte einheitliche Vorschriften erforderlich machen könnten, ließen sich auch durch die Überführung der Materie in die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes berücksichtigen. Als Kurzüberblick über die Reformüberlegungen 1984 - 2000 sei verwiesen auf die Synopsen in ZParl 3/2000, S. 657 ff. (668, 672). Versammlungsrecht Seite 72 Wesentliches Argument der Bundesseite war die Vermeidung einer Aufsplitterung des Versammlungsrechts in insgesamt 16 möglicherweise divergierende Länderregelungen bzw. die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für das gesamte Bundesgebiet. In seinem Gesetzentwurf zur Umsetzung des Art. 125 a Abs. 2 GG (BR-Drs. 542/99) hatte der Bundesrat eine Ergänzung des Versammlungsgesetzes vorgeschlagen, die de facto eine Überführung der Kompetenz auf die Länder möglich gemacht hätte. So soll § 32 des Versammlungsgesetzes wie folgt lauten: „Durch Landesrecht können die Länder eigene Regelungen erlassen“. Zur Begründung hat der Bundesrat angeführt, dass weder zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse noch zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit erforderlich sei, dass im gesamten Bundesgebiet dasselbe Versammlungsrecht gilt. Nur dann würde eine bundesrechtliche Regelung erforderlich sein, wenn die Bürger bei landesrechtlichen Regelungen nicht mehr unter im Wesentlichen gleichen Voraussetzungen von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen könnten und etwa zu befürchten wäre, dass eine völlige Rechtszersplitterung einträte. Dies sei jedoch nicht zu erwarten, da der Rahmen für Landes-Versammlungsrecht durch Art. 8 GG und seine Auslegung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so eng sei, dass es kaum zu wesentlich divergierenden Landesgesetzen kommen dürfte. Der Bundestag hat sich mit dem Gesetz in der Sache nicht befasst. Der Gesetzentwurf unterliegt mit Ende der Legislaturperiode der Diskontinuität. Er müsste ggf. vom Bundesrat neu eingebracht werden - Näheres siehe Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zu Art. 125 a GG. Während die Konferenz der Landtagspräsidentinnen und Landestagespräsidenten im Jahr 2000 eine Streichung der Bundeskompetenz für das Versammlungsrecht gefordert hatte, macht jüngst die Enquete-Kommission des BY-LT ‚Reform der Föderalismus - Stärkung der Landesparlamente‘ hierzu keinen konkreten Vorschlag (BY-LT-Drs. 14/8660 von März 2002). Seite 73 Versammlungsrecht III. Fragen 7. Für die Beratung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG- Versammlungsrecht - könnten sich folgende Fragen empfehlen: 7.1 Versammlungsrecht gehört rechtssystematisch dem grundsätzlich in der Gesetzgebungskompetenz der Länder liegenden Polizei- und Ordnungsrecht an, das, ist jedoch als besonderes Polizei- und Ordnungsrecht bundeseinheitlich geregelt Sollten Versammlungen kompetenzrechtlich deshalb nicht genauso bewertet werden wie ordnungsrechtlich zu behandelnde Ansammlungen ? 7.2 Erfordert das Versammlungsrecht aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtseinheit eine bundeseinheitliche, das materielle Versammlungsrecht und die Bewehrung mit Straf-/Ordnungswidrigkeitssanktionen verbindende Regelung oder genügen angesichts der Vorgaben des Art. 8 GG und der Rechtsprechung des BVerfG die Möglichkeiten der Länderkooperation (z.B. bei Polizeieinsätzen aus Anlass einer Versammlung) und (Gesetzgebungs-) Koordination den Erfordernissen von Rechtssicherheit und Rechtseinheit ? 7.3 Würde eine Landeskompetenz (anders als bei Bestehen einer konkurrierenden Volloder Grundsatz(Rahmen-)Kompetenz des Bundes) flexibleres gesetzgeberisches Eingehen auf regionale/lokale Belange ermöglichen (z.B. Umgang mit Demonstrationen in der Bundeshauptstadt) oder würden unterschiedliche landesrechtliche Regelungen einerseits dazu führen, dass sich bestimmte Versammlungen auf die Länder mit dem günstigsten (mildesten) Versammlungsrecht konzentrieren und andererseits den Einsatz von Polizeikräften aus anderen Bundesländern bei Großdemonstrationen durch den Wegfall einer einheitlichen Ermächtigungsgrundlage erschweren? Öffentliche Fürsorge Seite 74 Öffentliche Fürsorge (noch nicht endgültig zwischen Bund und Ländern abgestimmt) Auftrag Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (ggf. Teilbereiche) im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskomp etenz betreffenden Punkte zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziff. 1.2.1, 1.2.2). Berichterstattung: BW, HB, HE, NI. I. Bestandsaufnahme: 1. Kompetenztitel des Grundgesetzes: Der Bund hat gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG - unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG - die konkurrierende Gesetzgebung für „die öffentliche Fürsorge“. Der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee hat dem Bund in Art. 36 Nr. 10 seines Entwurfs die Vorranggesetzgebung über die „Grundsätze für die öffentliche Fürsorge“ eingeräumt. Nachdem die Formulierung „Grundsätze“ jedoch wegen der ungeklärten Abgrenzung zur „Rahmen“-Kompetenz auf Bedenken stieß, hat der Parlamentarische Rat im Ergebnis die Beschränkung auf „Grundsätze“ gestrichen und so der Nr. 7 des Art. 74 Abs. 1 GG ihre heutige Form gegeben. Im Parlamentarischen Rat wurde diskutiert, ob der Generalbegriff "öffentliche Fürsorge" durch die Nennung von Einzelgebieten - wie Wohlfahrtspflege, Jugendwohlfahrt, Jugendhilfe, Arbeitslosenfürsorge, Jugendfürsorge, Mutterschut zfürsorge, Wöchnerinnenfürsorge, Wandererfürsorge u.ä. - ergänzt oder ersetzt werden sollte. Schließlich beließ man es bei der "öffentlichen Fürsorge", um deutlich zu machen, dass sämtliche Bereiche erfasst sein sollten (vgl. JöR 1 n.F., S. 512; v. Mangoldt/ Klein/Pestalozza, GG, 3. Aufl., Art. 74 Rdnr. 322 m.w.N.). 2. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Begriff der „öffentlichen Fürsorge“: - Der Begriff der öffentlichen Fürsorge ist nicht eng auszulegen. Er umfasst auch präventive Maßnahmen zum Ausgleich von Notlagen und besonderen Belastungen sowie Vorkehrungen gegen die Gefahr der Hilfsbedürftigkeit. Eingrenzungen ergeben sich insbesondere bei überwiegenden Sachzusammenhang einer Regelung mit an- Seite 75 Öffentliche Fürsorge deren Sachkompetenzen; aus der Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 scheiden vor allem Gesetze aus, die der Krankenversorgung, der Seuchenbekämpfung oder in sonstiger Weise in erster Linie dem Gesundheitswesen dienen. Die Entscheidung der Verfassung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 und 19a), dem Bund für das Gesundheitswesen nur in eingeschränktem Maße Gesetzgebungskompetenzen zuzuweisen, darf nicht durch eine erweiternde Auslegung der Gesetzgebungskompetenz für die öffentliche Fürsorge unterlaufen werden (BVerfGE 88, 203, 329 f., vgl. auch BVerfGE 97, 332, 341). - Auf dem Gebiet der Jugendwohlfahrt umfasst der Begriff der "öffentliche Fürsorge" nicht nur die Jugendfürsorge im engeren Sinne, sondern auch die Jugendpflege. ... Jugendfürsorge und Jugendpflege sind in der praktischen Jugendarbeit so eng miteinander verzahnt, dass die Jugendpflege schon allein unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs mit unter den Begriff "öffentliche Fürsorge" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 fallen muss (BVerfGE 22, 180, 212 f., vgl. auch BVerfGE 97, 332, 341). - Denselben Zielen dient auch die Kindergartenbetreuung. Sie hilft den Eltern bei der Erziehung, fördert und schützt die Kinder und trägt dazu bei, positive Lebensbedingungen für Familien mit Kindern zu schaffen ... Allerdings ist der Kindergarten zugleich Bildungseinrichtung im elementaren Sinn ... Dieser Bildungsbezug entzieht die Regelung aber nicht der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Die fürsorglichen und bildungsbezogenen Aufgaben des Kindergartens sind untrennbar miteinander verbunden. Eine Aufspaltung der Gesetzgebungskompetenz anhand dieser Aspekte kommt aus sachlichen Gründen nicht in Betracht ... Der Schwerpunkt des Kindergartenwesens, von dem in einem solchen Fall die Bestimmung der Gesetzgebungskompetenz abhängt, ist nach wie vor eine fürsorgende Betreuung mit dem Ziel einer Förderung sozialer Verhaltensweisen und damit präventiver Konfliktvermeidung. Der vorschulische Bildungsauftrag steht hinter dieser dem Bereich der öffentliche Fürsorge zuzuordnenden Aufgabe zurück (BVerfGE 97, 332, 341 f.). - Grenze der Kompetenz nach Nr. 7 ist jedoch die Einschränkung auf die „öffentliche“ Fürsorge. Private Fürsorge - auch kirchliche Fürsorge - wird demzufolge nicht von dem Kompetenztitel umfasst. - Aus Sicht der Länder hat der unbestimmte Rechtsbegriff der „öffentlichen Fürsorge“ legitimiert durch die Interpretation des Bundesverfassungsgerichts - zu einem extrem weiten, begrifflich und definitorisch kaum mehr verlässlich eingrenzbaren Anwendungsbereich für die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes geführt. Öffentliche Fürsorge Seite 76 - Aus Sicht des Bundes besteht kein Anlass zu einer Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Sie hat den vom Verfassungsgeber gewollten weiten Anwendungsbereich dieses Kompetenztitels zutreffend zum Ausdruck gebracht. 3. Bundesgesetzliche Regelungen: - SGB VIII. - Kinder- und Jugendhilfegesetz SGB IX. - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen SGB XI. - Soziale Pflegeversicherung Wohngeldgesetz Bundeskindergeldgesetz Bundeserziehungsgeldgesetz Heimgesetz Bundessozialhilfegesetz Gesetz zur Hilfe für Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen Fällen Schwangerschaftskonfliktgesetz Asylbewerberleistungsgesetz Gesetz über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" Opferentschädigungsgesetz Grundsicherungsgesetz HIV-Hilfegesetz Jugendschutzgesetz Häftlingshilfegesetz Betreuungsgesetz II. Problembeschreibung Der Umfang, in dem der Bund von seiner Kompetenz Gebrauch macht, gab wiederholt Anlass zu Auseinandersetzungen mit den Ländern. Dies gilt für die sachlichen - in Ziffer 2 beschriebenen - Abgrenzungsprobleme ebenso wie hinsichtlich der Festsetzung von Geldleistungen. Außer dem Leistungsumfang waren auch organisatorische Fragen immer wieder streitig. Zentraler Punkt aus Sicht der Länder war die Frage nach der Kompetenz des Bundes, in § 96 Abs. 1 BSHG die Landkreise und kreisfreien Städte zu den örtlichen Trägern der Sozialhilfe zu bestimmen. Insoweit wird die Kompetenz der Länder tangiert, die ihnen in Art. 84 Abs. 1 GG zugewiesen ist. Diese Kompetenz wurde nicht berührt bei der Frage der Bestimmung des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe, die gem. § 96 Abs. 2 BSHG ausdrücklich bei den Ländern liegt. Seite 77 Öffentliche Fürsorge Der Bund weist darauf hin, dass Art. 84 Abs. 1 GG die Möglichkeit eröffnet, durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren der Länder zu regeln. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht umfasst die Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG auch organisatorische Bestimmungen und Abgrenzungen (vgl. BVerfGE 22, 181, 203). Die berichterstattenden Länder stellen vor diesem Hintergrund folgende Optionen zur Diskussion: - Neuformulierung des Kompetenztitels Nr. 7 des Art. 74 Abs. 1 GG mit dem Ziel, eine neue und klarere Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen vom Bund und Ländern zu erreichen, dadurch die Abgrenzungsprobleme sowohl in horizontaler Sicht (gegenüber anderen Kompetenztiteln des Art. 74 Abs. 1 GG) als auch im vertikalen Verhältnis zwischen Bund und Ländern (keine Usurpation von Kompetenzen durch Definition/Auslegung) zu begründen. Diese Option ist bisher nicht im CdS-Bericht zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, Arbeitspapier zur Föderalismusreform mit Stand vom 21.09.2001, enthalten. - Öffnung einzelner Regelungsbereiche für ein Zugriffsrecht der Länder in Form der Zugriffs- oder Vetooption (vgl. dazu Bestandsaufnahme zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes, Ziffer II. 1), das diesen länderspezifisch abweichende Regelungen zum Bundesrecht ermöglicht. Diese Option entspricht dem Arbeitspapier zur Föderalismusreform, das ein erweitertes Zugriffsrecht der Länder gemäß der Vetooption (Ziff. 1.2.1) bzw. der Zugriffsoption (Ziff. 1.2.2) - ggf. mit Teilbereichen - zur Überprüfung vorschlägt. Hierzu bestehen bisher unterschiedliche Auffassungen der Länder: • die Höhe der bundesgesetzlich geregelten (Sozial-) Hilfeleistungen in Notsituationen müsste regionalspezifisch unterschiedlichen Verhältnissen angepasst werden können. • die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse erfordere im gesamtstaatlichen Interesse eine Bundesregelung. • eine Beibehaltung der Bundeskompetenz für das BSHG, aber die Einräumung von Zugriffsrechte lediglich für die übrigen auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG gestützte Regelungsbereiche könnte angemessen sein. Öffentliche Fürsorge Seite 78 Der Bund ist der Auffassung, dass sich der Kompetenztitel in seiner gegenwärtigen Form bewährt hat. Die bundesrechtliche Durchformung der Kompetenz entspricht praktischen Bedürfnissen. Zugriffsrechte auf diesen Kompetenztitel bedeuteten die Gefahr von erheblichen regionalen Unterschieden im Bereich der öffentlichen Fürsorge, insbesondere im Sozialhilfebereich. Ein unterschiedlicher Schutzstandard könnte zu Wanderungsbewegungen von Sozialhilfebewerbern in Bundesländer mit höherem Sozialhilfeniveau führen mit dem Ergebnis eines negativen Wettbewerbs der Bundesländer um das niedrigste Sozialhilfeniveau. Seite 79 Verbraucherschutz Verbraucherschutz Auftrag Bund: Welche Kompetenztitel weist das Grundgesetz für den Verbraucherschutz auf? Wie sind die Vorgaben aus dem Gemeinschaftsrecht in das innerstaatliche Recht (Bund und Länder) umgesetzt worden? Sind dabei Probleme aufgetreten? Berichterstattung: Bund, BW, BY I. Bestandsaufnahme 1. Kompetenztitel des Grundgesetzes mit Verbraucherschutzrelevanz: Der Begriff des „Verbraucherschutzes“ findet in den Regelungen des Grundgesetzes zur Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern keine Erwähnung und definiert als solcher keinen eigenständigen Regelungsbereich im Sinne eines verfassungsrechtlich relevanten Kompetenztitels. Vielmehr knüpfen Maßnahmen des zivilrechtlichen (Gestaltung der vertraglichen und deliktischen Rechtsbeziehungen des Verbrauchers), gesundheitlichen (Lebensmittelsicherheit, medizinischpharmazeutischer Verbraucherschutz) sowie des produktbezogenen (insbesondere Produktsicherheit) Verbraucherschutzes an jeweils unterschiedliche Kompetenztitel der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 GG an. Gesetzgeberische Maßnahmen des Bundes stützen sich dabei vorrangig auf: - den Bereich des bürgerlichen Gesetzbuches: Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG Umfasst werden insbesondere Bestimmungen des zivilrechtlichen Verbraucherschutzes nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, wie beispielsweise Fragen des Kaufrechts oder Reisevertragsrechts. - das Recht der Wirtschaft: Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG Unter dem Recht der Wirtschaft sind alle das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung als solche regelnde Normen zu begreifen, insbesondere solche Vorschriften, die sich in irgendeiner Form auf die Erzeugung, Herstellung und Verteilung von Gütern des wirtschaftlichen Lebens beziehen. In diesem Rahmen kann die Kompetenz auch Regelungen des Verbraucherschutzes umfassen. Verbraucherschutz Seite 80 - die Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, den Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln und Giften: Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG - den Schutz beim Verkehr mit Lebens- und Genussmitteln, Bedarfsgegenständen, Futtermittel und land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzengut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge: Art. 74 I Nr. 20 GG Schutz beim Verkehr mit den genannten Gegenständen bedeutet vor allem gesundheitlichen Schutz. Erfasst von diesem Kompetenztitel ist aber auch der Schutz vor Täuschung - etwa das Gebot zur Kenntlichmachung - oder Regelungen zur Werbung. Diese Kompetenztitel eröffnen dem Bund unter den allgemeinen Voraussetzungen des Art. 72 GG jeweils nur partielle, keine umfassenden Kompetenzen für Maßnahmen des Verbraucherschutzes als Querschnittsaufgabe. 2. Bundesgesetzliche Regelungen: Unter Bezug auf die o. g. Kompetenztitel wurden im Wesentlichen folgende bundesgesetzliche Regelungen erlassen: - Lebensmittel- und Lebensmittelbedarfsgegenständegesetz, Weingesetz, Handelsklassenrecht, Fleischhygienegesetz und Geflügelfleischhygienegesetz, Tierseuchengesetz, Tierkörperbeseitigungsgesetz, Tierschutzgesetz, Arzneimittelgesetz, Betäubungsmittelgesetz, Futtermittelgesetz, Verfütterungsverbotsgesetz. Hinzuweisen ist ferner auf das zum 1. November 2002 in Kraft tretende „Gesetz zur Neuorganisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit“, das sich neben den unter II.1 genannten Kompetenztiteln des Art. 74 GG auch auf die Ziff. 21, 22, 23 stützt. Seite 81 Verbraucherschutz 3. Zuständigkeiten der Länder: Die Länder nehmen sowohl im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes (Veterinärwesen, Pflanzenschutz, Lebensmittelsicherheit) als auch im Bereich des produktbezogenen Verbraucherschutzes (technischer, stofflicher und toxikologischer Verbraucherschutz, insbesondere Produktsicherheit) Vollzugsaufgaben wahr – einschließlich des Erlasses der hierzu notwendigen Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen. Im Übrigen sind die Länder - mangels ausdrücklicher Kompetenzzuweisung zugunsten des Bundes - zuständig für Fragen der allgemeinen Verbraucheraufklärung, -information und –bildung. 4. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Die jüngst zum Verbraucherschutz ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juni 2002 (Herausgabe und Veröffentlichung der „vorläufigen Gesamt-Liste der Weine und anderer Erzeugnisse, in denen Diethylenglykol festgestellt worden ist) - 1 BvR 558/91 - betrifft - allein - die Informationstätigkeit der Bundesregierung im Bereich des Verbraucherschutzes. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt: Auch beim Informationshandeln ist die Kompetenzordnung des Grundgesetzes zu beachten und die föderale Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern zu wahren. Dabei hängt die Entscheidung über die Verbandskompetenz davon ab, ob die jeweils zu erfüllende Informationsaufgabe dem Bund oder den Ländern zukommt oder ob parallele Kompetenzen bestehen. Die Aufgabe der Staatsleitung und der von ihr mit umfassten Informationsarbeit der Bundesregierung ist Ausdruck ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung. Das Grundgesetz geht stillschweigend von einer entsprechenden Kompetenz hierzu aus (Ermächtigungsgrundlage sind nicht Art. 83 ff. GG, da Regierungstätigkeit nicht Verwaltung im Sinne dieser Norm ist). Die Bundesregierung ist somit überall dort zu Informationsarbeit berechtigt, wo ihr eine gesamtstaatliche Verantwortung der Staatsleitung zukommt, die mit Hilfe von Informationen erfüllt werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn Vorgänge wegen ihres Auslandsbezugs oder ihrer länderübergreifenden Bedeutung überregionalen Charakter haben und eine bundesweite Informationsarbeit der Regierung die Effektivität der Problembewältigung fordern. Für die Frage nach der Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern ergeben sich aus der Entscheidung keine Konsequenzen. Verbraucherschutz Seite 82 5. Verbraucherschutzkompetenz der EU: Die Befugnisse der EU ergeben sich aus: - gem. Art. 3 Abs. 1 lit. t EG-Vertrag umfasst die Tätigkeit der Gemeinschaft einen „Beitrag zur Verbesserung des Verbraucherschutzes“; - Art. 153 EG-Vertrag konkretisiert dies wie folgt: - * Abs. 1 stellt klar, das sich der Beitrag der Gemeinschaft auf den „Schutz der Gesundheit, die Sicherheit und die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher sowie die Förderung ihres Rechtes auf Information, Erziehung und Bildung von Vereinigungen zur Wahrung ihrer Interessen“ beizieht; * Nach Abs. 2 wird den Erfordernissen des Verbraucherschutzes auch bei der Festlegung und Durchführung der anderen Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen Rechnung getragen; * Nach Abs. 3 werden die in Abs. 1 genannten Ziele durch Maßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarktes nach Art. 95 sowie durch Maßnahmen zur Unterstützung, Ergänzung und Überwachung der Politik der Mitgliedstaaten erreicht. Schließlich ergibt sich - als Ausprägung des gemeinschaftlichen Subsidiaritätsprinzips nach Art. 5 EG-Vertrag - aus dem Wortlaut von Art. 3 und Art. 153 EU-Vertrag (...einen Beitrag leisten...), dass primär die Mitgliedstaaten für den Verbraucherschutz verantwortlich sind; die EU wirkt - lediglich - mit . Der Verbraucherschutz ist EU-rechtlich nicht nur Annex anderer Politikbereiche, sondern eigenständiger Bestandteil der Gemeinschaftspolitik. Art. 153 Abs. 1 EG-Vertrag beschränkt die Handlungs- bzw. Tätigkeitsfelder der EU beim „Verbraucherschutz“ auf dessen traditionelle Aspekte, konkret auf den Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher, und begrenzt die Tätigkeit der EU auf einen „Beitrag“ zur Politik der Mitgliedstaaten. Der Verbraucherschutz als Querschnittsaufgabe findet zwar Berücksichtigung in der sog. „Querschnittsklausel“ des Abs. 2 von Art. 153 EG-Vertrag, der die breitgefächerten Verbraucherinteressen auch auf andere Politikbereiche der Gemeinschaft erstreckt und zu einer Gegenüberstellung sowie einer Abwägung der jeweils im Einzelfall zu berücksichtigenden unterschiedli- Seite 83 Verbraucherschutz chen Belange mit dem Verbraucherschutz zwingt, allerdings ohne diesem einen prinzipiellen Vorrang einzuräumen. II. Problembeschreibung: - „Verbraucherschutz“ als Querschnittsaufgabe findet sich nicht als eigenständige Kategorie zur Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern. Maßnahmen des Verbraucherschutzes finden derzeit ihre Berechtigung in jeweils speziell definierten Befugnissen des Bundes in den einzelnen Sachbereichen des Art. 74 GG. Überlegt werden könnte aus Sicht des Bundes daher, ob der Verbraucherschutz als Querschnittsaufgabe nicht in einem eigenen neuen Kompetenztitel des Art. 74 GG eine Entsprechung finden sollte. Angeknüpft werden könne ggf. an Europarechtliche Regelungen zum Verbraucherschutz im EG-Recht (Art. 3 Abs. 1 lit. t, Art. 153 EGV). - Pro-Argumente: Bislang sei der Verbraucherschutz vorwiegend unter wirtschaftlichen und gesundheitlichen Aspekten betrachtet worden. In dem Maße aber, in dem Verbraucherpolitik verstärkt auch die Produktion umweltverträglicher Güter, externe Effekte individuellen Markthandelns (z. B. im Hinblick auf Ressourcenknappheit, ökologische Engpässe etc.), soziale und ethische Aspekte als wichtige Elemente des verbraucherpolitischen Arbeitsfeldes verstehe, gerate das traditionelle wirtschaftspolitische Handlungsverständnis der Verbraucherpolitik, das auf die Förderung der Kaufrationalität, subjektive Vorteilhaftigkeit angelegt war, hierzu in Konflikt. Ein Kompetenztitel „Verbraucherschutz“ wäre zwar ähnlich wie Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) weit gefasst sei, könnte aber durch die Rechtsprechung näher inhaltlich bestimmt werden und stellte damit keinen Auffangtatbestand dar. Im Übrigen bestünde auch bei den vorhandenen Kompetenztiteln Überschneidungen, die im Wege der Konkurrenz gelöst würden (insbesondere Nr. 11 würde gegenüber spezielleren Regelungen wie aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11a 12, 13-16, 21-23-26 GG zurücktreten). - Contra-Argumente: Um einen über den Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher hinaus gehenden und um soziale und ethische Aspekte inhaltlich erweiterten Verbraucherbegriff im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 GG zu begründen, sei der Hinweis auf die Verbraucherschutz Seite 84 EU-rechtlichen Bestimmungen nicht geeignet, da diese keine kompetenzbegründende Auswirkungen auf nationalstaatliches Verfassungsrecht entfalten können: Soweit der EU ein eigenes Handlungs- und Tätigkeitsfeld „Verbraucherschutz“ eingeräumt sei, beschränke sich dieses - wie die einzelnen Kompetenztitel des Art. 74 GG - ebenfalls auf die traditionellen Aspekte des Verbraucherschutzes (der Gesundheit, der Sicherheit und wirtschaftliche Interessen); soziale oder ethische Aspekte seien insoweit nicht ausdrücklich Gegenstand des Politikfeldes „Verbraucherschutz“. Auch als Querschnittsaufgabe sei der Verbraucherschutz nicht als eigenes Politikfeld definiert, sondern habe - nur - insofern Breitenwirkung für andere Politikbereiche der EU, als er bei Festlegung und Durchführung konkreter Maßnahmen in eine Interessenabwägung einzubeziehen sei. Ferner diene der Begriff des Verbraucherschutzes nicht der Abgrenzung der Verantwortungsbereiche der EU einerseits und der Mitgliedstaaten andererseits; diese Kompetenzabgrenzung ergebe sich vielmehr aus der einschränkenden Formulierung „...leistet einen Beitrag...“ als konkrete Ausprägung des allgemeinen Subsidiaritätsprinzips. Vor allem aber werde ein Kompetenztitel, der sich auf den allgemeinen Begriff des „Verbraucherschutzes“ stütze, der Funktion und den Erfordernissen des Art. 74 GG nicht Rechnung tragen können: Eine klare und eindeutige Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes einerseits und der Länder andererseits wäre mangels inhaltlicher Bestimmtheit des Begriffs nicht gewährleistet; wegen der breiten Rückwirkungen des Verbraucherschutzes in andere Politikbereiche wäre auch eine klare inhaltliche Abgrenzung zu den anderen Sachbereichen des Art. 74 GG kaum zuverlässig möglich; ein Kompetenztitel „Verbraucherschutz“ wäre eine Generalermächtigung zugunsten des Bundes, die zu einer nicht bestimmbaren Ausdehnung von Kompetenzen des Bundes führen würde, in Widerspruch zur generellen Kompetenzabgrenzung des Grundgesetzes gem. Art. 30 und Art. 70 GG stünde, dem Anliegen einer klaren und eindeutigen Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern als Grundanliegen der Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung widerspräche und extrem streitanfällig wäre. Seite 85 Förderung der wissenschaftlichen Forschung Förderung der wissenschaftlichen Forschung Auftrag Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.1.1). Berichterstattung: BW, BE I. Entstehung, Normbereich, bisherige Kompetenzaufteilung 1. Die ‚Förderung der wissenschaftlichen Forschung‘ wurde aufgrund eines an den Parlamentarischen Rat gerichteten Petitums des Physikers Werner Heisenberg und anderer in den Katalog des Art. 74 GG (1949) aufgenommen. 2. Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG betrifft die Förderung der wissenschaftlichen Forschung, nicht die Regelung der Forschung selbst. Die Kompetenz zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung erlaubt/umfasst Regelungen sowohl finanzieller als auch organisatorischer, planerischer oder kontrollierender Art. 3. Die Gestaltung des Politikbereichs Wissenschaft/Forschung/Hochschulen ist verfassungsrechtlicher Auftrag und ein wesentliches Element der Eigenstaatlichkeit der Länder bzw. der Länderzuständigkeit (Art. 30, 70, 83 GG). Der Bund hat hier insbesondere folgende Kompetenzen - neben Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG sind dies vor allem - - Art. 32 Abs.1 und Art. 73 Nr.1 (Auswärtige Kulturpolitik) Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (Rahmengesetzgebungskompetenz zum öffentlichen Dienstrecht, soweit dem Bund nach Art. 74 a GG - für die Besoldung und Versorgung - und nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG - für das Arbeitsrecht - nicht die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis zusteht) Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a (Zuständigkeit zum Erlass von Rahmenvorschriften über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens) Art. 91 a Abs. 1 Nr. 1 (Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau) Art. 91 b (Möglichkeit des vertraglichen Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben wissenschaftlicher Forschung von überregionaler Bedeutung) Förderung der wissenschaftlichen Forschung Seite 86 Der Bund weist zugleich auf ungeschriebene Kompetenzen aus der Natur der Sache und kraft Sachzusammenhangs hin. Der Entwurf einer Verwaltungsvereinbarung über die Finanzierung öffentlicher Aufgaben von Bund und Ländern (sog. Flurbereinigungsabkommen) von 1971 geht von einer Bundes-Kompetenz kraft ‚Natur der Sache‘ im Forschungsbereich u.a. für die Großforschung, in Bezug auf gesamtstaatliche Repräsentation, Auslandsbeziehungen, Förderung nichtstaatlicher zentraler Organisationen sowie der ressortbezogenen Forschung aus. Die Länder halten den nie in Kraft getretenen Entwurf des sog. Flurbereinigungsabkommens für keine relevante Erkenntnisquelle und lehnen derartige Kompetenzen kraft ‚Natur der Sache‘ ab - so zuletzt MPK-Beschlüsse vom 8. März und 13. Juni 2002 zur Systematisierung/Entflechtung von Kompetenzen der Länder und des Bundes im Kulturbereich. Aus Bundessicht ist das 1971 von einer Bund/LänderKommission erarbeitete sog. Flurbereinigungsabkommen Basis für die gemeinsame Staatspraxis von Bund und Ländern geworden. Auch steht eine solche Länderposition im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welches Bundeskompetenzen aus der Natur der Sache ausdrücklich anerkannt hat (vgl. BVerfGE 11, 89 ff., 96; BVerfGE 12, 205 ff., 251; BVerfGE 22, 180 ff., 217; BVerfGE 98, 265 ff., 299). Aus Ländersicht ist dazu anzumerken, dass es zum einen bislang keine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkret zu Gesetzgebungskompetenzen des Bundes im Bereich der Forschungsförderung gibt und zum anderen die vom Bundesverfassungsgericht in den zitierten Entscheidungen formulierten Voraussetzungen für eine Kompetenz aus der Natur der Sache zu beachten sind (namentlich: "Schlussfolgerungen 'aus der Natur der Sache' müssen begriffsnotwendig sein und eine bestimmte Lösung unter Ausschluss anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösung zwingend fordern. Argumente aus der Natur der Sache versagen aber, wenn sich ... auch eine andere Lösung mit beachtlichen Gründen rechtfertigen lässt." so die Rspr. seit BVerfGE 11, 89, 99). II. Bisherige Handhabung und Reformüberlegungen 4. Von der Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG (Teilbereich: Förderung der wissenschaftlichen Forschung) wurde durch das Gesetz über die Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses an den Hochschulen (Graduiertenförderungsgesetz) in der Zeit von 1971 bis 1984 und 1990 zunächst auch durch das Gentechnikgesetz, für das jetzt aber Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG heranzuziehen ist, Gebrauch gemacht. Die Forschungsförderung des Bundes konzentriert sich im wesentlichen Seite 87 Förderung der wissenschaftlichen Forschung a) auf Bund-Länder-Vereinbarungen auf der Grundlage des Art. 91 b GG (die Mischfinanzierungstatbestände der Forschungsförderung sind Gegenstand der Unterarbeitsgruppe ‚Finanzen‘) b) auf sonstige institutionelle Förderungen und (direkte/indirekte) ProjektFörderungen (insbesondere des BMBF und des BMWi). Das Volumen der Projektförderungen beträgt nach dem jüngsten BMBF-Faktenbericht Forschung im Jahr 2002 (Soll) über 4 Mrd. € (S. 370 f, Tab. 9). Als Überblick zur Forschungsförderung in Deutschland wird verwiesen auf erwähnten BMBF-Bericht (www.bmbf.de/pub/faktenberichtforschung2002.pdf) 5. 46 Vorrangige Tendenz der Reformüberlegungen seitens der Länder seit 1984 ist: Streichung oder Begrenzung auf die Förderung überregionaler/länderübergreifender Einrichtungen/Vorhaben bzw. Einrichtungen/Vorhaben von überregionaler Bedeutung oder auch Umwandlung in eine dementsprechende Grundsatzkompetenz46. Argumente pro/contra: Stärkung Länder einerseits, Gefahr Rückzug Bund aus Finanzierung mangels Gesetzgebungskompetenz andererseits. Als Kurzüberblick über die Reformüberlegungen 1984-2000 sei verwiesen auf die Synopsen in ZParl 3/2000, S. 657 ff. (669, 672) und den jüngsten Vorschlag (Enquete-Kommission des BY-LT - Drucksache 14/8660, März 2002, S. 7, 19/20). Die BT-Enquete-Kommission Verfassungsreform hatte 1976 empfohlen, die Förderung der wissenschaftlichen Forschung im Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung zu belassen, diesen Katalog aber mit einer neu strukturierten, den Bund stärker eingrenzenden Fassung des Art. 72 GG verbunden. Bundesgesetze über die Forschungsförderung waren nicht in den Katalog der ausdrücklichen Zustimmungspflichten aufgenommen (BT-Drucksache 7/5924, S. 123 - 125). Förderung der wissenschaftlichen Forschung Seite 88 III. Fragen 6. Für die Beratung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG könnten sich folgende Fragen empfehlen: 6.1 Kompetenztitel unverzichtbar oder mangels Bedarfs entbehrlich ? 6.2 Kompetenztitel jedenfalls entbehrlich, wenn Art. 91 b GG (Teilbereich Forschungsförderung) bestehen bleibt ? 6.3 Kompetenzeingrenzung auf 6.3.1 eine Grundsatz/Rahmen-Kompetenz des Bundes und/oder 6.3.2 die Förderung überregionaler/länderübergreifender Einrichtungen/Vorhaben (bzw. solche von überregionaler Bedeutung) ? 6.4 Sollte die Forschungsförderung des Bundes (außerhalb des Bereichs von Art. 91 b GG) im Hinblick auf die Kompetenzlage (analog zu den gemeinsamen Arbeiten zur Kulturförderung des Bundes und der Länder) gesondert aufgearbeitet werden ? 6.5 Erfordert die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland 6.5.1. eine umfassende Gesetzgebungs-/Finanzierungskompetenz des Bundes zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung ? 6.5.2 eine Gesetzgebungs-/Finanzierungskompetenz zur Förderung von (Groß-) Forschungseinrichtungen und Projekten für den Bund ? und/oder (ggf. jedenfalls) 6.5.3 eine (neu zu ordnende/zu effektivierende) verfassungsrechtlich abgesicherte Möglichkeit des vertraglichen Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben wissenschaftlicher Forschung von überregionaler Bedeutung (Überschneidung mit Themenbereich der Unterarbeitsgruppe ‚Finanzen‘) ? Seite 89 Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung Auftrag Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung dieses Teilbereiches aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG ist im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebung betreffenden Punkten zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.1.1). Berichterstattung: MV, SL Vorbemerkung der Länder Die Formulierung im CdS-Papier vom 21. September 2001 (Zif. 1.1.1: „Soweit es dabei um Fragen der Regelung des Marktes geht, soll es jedoch bei der bisherigen Bundeskompetenz verbleiben.") ist mit Blick auf die CdS-Konferenz vom 12.-13. September 2002 dahin gehend zu verstehen, dass nach sinnvollen Wegen zu suchen ist, um in diesem Rahmen eine Stärkung der Länderkompetenz vorzunehmen. 1. Bestandsaufnahme Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG die Gesetzgebungskompetenz u.a. für die "Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung". Der Titel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG wurde vom Parlamentarischen Rat im Wesentlichen vor dem Hintergrund der kriegsbedingten Lebensmittelknappheit und aufbauend auf dem grundlegenden Teilbereich „Sicherung der Ernährung“ eingefügt, mit dem die Landwirtschaftsförderung eng zusammenhängt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat die "Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung" in erster Linie "positiv gestaltende Maßnahmen" finanzieller, organisatorischer oder marktlenkender Art zum Gegenstand, schließt aber weitergehende Regelungen nicht aus 47. Der Begriff der „Erzeugung“ betrifft die sog. Urproduktion im Gegensatz zu Handel, Gewerbe und gewerblicher Verarbeitung, die zumeist unter den Aspekt “Sicherung der Ernährung“ in Nr. 17 fallen bzw. dem „Recht der Wirtschaft“ in Nr. 11 zugehören. Die Begriffe 47 BVerfGE 88, 366, 379. Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung Seite 90 „Land- und Forstwirtschaft“ bedeuten die auf die Gewinnung pflanzlicher und tierischer Urerzeugnisse gerichtete Bodenbewirtschaftung und Bodennutzung. Ob die ersten vier in Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG aufgezählten Gegenstände eine umfassende Kompetenz für die gesamte Agrar- und Forstwirtschaft einräumen, ist umstritten48. Zum Bereich " Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung" sind zahlreiche Bundesgesetze erlassen worden. Darunter befinden sich u.a.: • • • • • • • • • • • • • • • das Bundeswaldgesetz das Absatzfondsgesetz das Forstschäden-Ausgleichsgesetz Teile des Grundstückverkehrsgesetzes das Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation das Tierzuchtgesetz das Landwirtschaftsgesetz das Vieh- und Fleischgesetz das Düngemittelgesetz das Handelsklassengesetz das Rindfleischetikettierungsgesetz das Öko-Landbaugesetz das Öko-Kennzeichengesetz das Flurbereinigungsgesetz das Lebensmittelspezialitätengesetz Diese Gesetze stützen sich im allgemeinen jedoch nicht nur auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG, vor allem nicht ausschließlich auf den dortigen Teilbereich „Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung“. Überschneidungen ergeben sich teilweise mit dem Teilbereich „Sicherung der Ernährung“ sowie mit den Kompetenzbereichen aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft), Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG (Grundstücksverkehr, Bodenrecht) oder Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 GG (Jagdwesen, Naturschutz, Landschaftspflege bzw. Bodenverteilung, Raumordnung, Wasserhaushalt). Das Agrarrecht ist darüber hinaus in erheblichem Maße EU-rechtlich überlagert. Von den Möglichkeiten zur Rückübertragung von Kompetenzen an die Länder nach Art. 72 Abs. 3 und Art. 125 a Abs. 2 GG hat der Bund bislang keinen Gebrauch gemacht. Der Ge48 dafür: Maunz, GG, Art. 74, S. 91f; Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 74 Rz. 36; dagegen: Dreier, GG, Art. 74 Rz. 78 m.w.N. Seite 91 Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung setzentwurf des Bundesrates zur Umsetzung des Artikels 125a Abs. 2 des Grundgesetzes (BT-Drs. 14/2442 vom 23.12.1999), der u.a. vorsah, im Vieh- und Fleischgesetz die Regelungen über die Bekanntgabe der Groß- und Schlachtviehmärkte, die Markttage und Marktzeiten sowie die Vorschriften über das Marktgebiet dem Landesrecht zu öffnen, ist mit Ablauf der 14. Legislaturperiode der Diskontinuität unterfallen. 2. Problembeschreibung In Bereich der Agrarwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten ein bedeutender Strukturwandel vollzogen. Das tragende Argument aus der Vergangenheit für eine Zuständigkeit des Nationalstaates für die Agrarpolitik, nämlich die nationale Vorsorge vor Hungersnöten, hat im Lichte des agrarwirtschaftlichen Fortschrittes, der Gemeinsamen Agrarpolitik - vor allem der Gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte - und mit Blick auf die Globalisierung heute nunmehr bedingt Bestand. Angesichts dieses landwirtschaftlichen Strukturwandels, der unterschiedlichen landwirtschaftlichen Gegebenheiten innerhalb Deutschlands und sonstiger standortbedingter und klimatischer Unterschiede in der Landwirtschaft sind bundeseinheitliche Rechtsregelungen im Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung nach Ansicht der Länder vielfach nicht zwingend geboten. Nach Ansicht des Bundes würden Kompetenzänderungen in diesem Bereich zu einer Reihe von Problemen führen. Insbesondere bestehen erhebliche Überschneidungen des Kompetenztitels in Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG mit dem "Recht der Wirtschaft" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, so dass sich ggfs. die Frage der Konkurrenz der Kompetenztitel stellen würde. Darüber hinaus ergäben sich erhebliche Probleme mit der effektiven Umsetzung von EU-Recht, das gerade in diesem Bereich von besonderer Bedeutung ist. Eine Erweiterung von Länderkompetenzen kommt nach Ansicht der Länder vor dem Hintergrund einer verstärkten Berücksichtigung regionaler Besonderheiten sowohl im land- als auch im forstwirtschaftlichen Bereich in Betracht. Für die Landwirtschaft gilt dies jedenfalls für diejenigen Teilbereiche, die die Ordnung des Bodens betreffen (Grundstücksverkehrsgesetz, Flurbereinigungsgesetz). Die Einräumung darüber hinaus gehender Länderkompetenzen hängt im Wesentlichen von der Bewertung der Verwobenheit des Agrarrechts mit anderen Kompetenzbereichen, vor allem mit dem Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG), und der engen EU-Verflechtung ab: Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung Seite 92 a) Bezugswirkungen zum Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) Überschneidungen des Kompetenzbereichs der Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung zum Recht der Wirtschaft bestehen in vielfacher Weise - zumal Förderungsmaßnahmen der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion in der Regel unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf den land- und forstwirtschaftlichen Markt haben. Ziel einer Förderung ist in der Regel neben der Verbesserung von Quantität und von Qualität auch eine Stärkung der Konkurrenzkraft des geförderten Bereichs. Abgrenzungsfragen zum Rechts der Wirtschaft konnten aufgrund der gleichgerichteten (Bundes)Kompetenz bislang offen bleiben49. Eine Beibehaltung von Bundeskompetenzen erscheint nach Ansicht der Länder in diesem Bereich im Hinblick auf das überregionale Marktgeschehen und im Interesse der Rechts- und Wirtschaftseinheit (Wettbewerbsgleichheit) für solche Maßnahmen sinnvoll, deren Schwerpunkt in erster Linie bei der Absatzförderung eines bereits erzeugten Produkts und nur nachrangig bei der Förderung der Urproduktion zu sehen ist, namentlich also bei der gesetzlichen Festlegung länderübergreifender Handelsbedingungen und Maßnahmen der Qualitätssicherung (Klassifizierungen, Standardisierungen, Bezeichnungsschutz). Derartige Maßnahmen wurden bislang (auch) auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG gestützt (vgl. z.B. Vieh- und Fleischgesetz, Handelsklassengesetz, Rindfleischetikettierungsgesetz, Öko-Kennzeichengesetz). b) EU-Verflechtungen 1. Säule (Agrarmarktpolitik) Das CdS-Papier vom 21. September 2001 nimmt ausdrücklich die "Fragen der Regelung des Marktes" aus der Betrachtung heraus. Dort soll es bei der Bundeskompetenz bleiben. Auf dieser Linie liegen auch die Länderempfehlungen zu den Themen des Konvents zur Zukunft der Europäischen Union. Dort wird betont, dass die Agrarmarktpolitik, d.h. die staatlichen Eingriffe in die Agrarmärkte und die Agraraußenhandelsfragen, der ausschließlichen Kompetenz der Gemeinschaft zugeordnet werden sollen (siehe Drs. 586/02 vom 20. Juni 2002 und Beschluss des Bundesrates vom 12. Juli 2002). 49 vgl. BVerfGE 18, 315, 327; 37, 1, 17; 82, 159, 182 Seite 93 Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung 2. Säule (Agrarstruktur- und Agrarumweltpolitik) Die Agrarstruktur- und die Agrarumweltpolitik zeichnen sich heute durch eine ausgeprägte Verflechtung bei der Zielbestimmung, Durchführung und Finanzierung auf der Ebene der Europäischen Union, des Bundes und der Länder aus. Die "Eckpunkte der Regierungschefs der Länder zur Zukunft der Struktur- und Wettbewerbspolitik der EU nach 2006", die ein Ergebnis der MPK vom 23./25. Oktober 2002 sind, sehen die Forderung nach einer konsistenten Gestaltung der strukturpolitischen Maßnahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik mit der zukünftigen europäischen Strukturpolitik vor. Diese Eckpunkte betonen ferner die Zusammenhänge zwischen der Diskussion über die Struktur- und Wettbewerbspolitik der EU nach 2006 sowie den Überlegungen zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung. Wie bei der Strukturpolitik ist auch hier eine Erhöhung des regionalpolitischen Gestaltungsspielraumes der Länder erforderlich. Wohnungswesen Seite 94 Wohnungswesen Auftrag Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung dieses Teilbereichs aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.2.2, 1.3). Berichterstattung: HB, SN, ST Vorbemerkung Die berichterstattenden Länder und der Bund sind sich einig, dass mit Art. 104 a Abs.3 und Abs. 4 des Grundgesetzes in Zusammenhang stehende Fragen in der Arbeitsgruppe „Finanzen“ behandelt werden. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass innerhalb des Wohnungswesens das Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz als wohnungspolitisch begründete Sozialleistung auch Bezüge zum Kompetenztitel der öffentlichen Fürsorge des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG aufweist. Wegen der engen fachlichen Verknüpfung mit den Aspekten des Wohnungswesen wird der Bereich des Wohngeldes jedoch bei diesem Kompetenztitel aufgeführt. I. Bestandsaufnahme Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG die Gesetzgebungskompetenz u.a. für "das Wohnungswesen". Das Bundesverfassungsgericht hat zur Auslegung dieser Vorschrift nicht abschließend Stellung genommen und lediglich entschieden, dass sich die Kompetenz nur auf Angelegenheiten erstrecke, die sich auf zu Wohnzwecken dienende Gebäude beziehe (BVerfGE 3, 407, 416). Der Bund hat u.a. mit folgenden Gesetzen von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht: - Wohnraumförderungsgesetz, Wohngeldgesetz, Altschuldenhilfe-Gesetz. Seite 95 Wohnungswesen Wohnraumförderungsgesetz Der Bund hat von seiner Gesetzgebungskompetenz mit dem Erlass des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz - WoFG), durch das das Zweite Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) abgelöst wurde, Gebrauch gemacht. Der soziale Wohnungsbau ist mit dem neuen Recht zu einer sozialen Wohnraumförderung weiterentwickelt worden, durch die der vorhandene Bestand an Wohnraum stärker als bisher für die Lösung von Wohnraumversorgungsproblemen herangezogen wird. Zweck des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Wohnraumförderungsgesetzes ist die Förderung des Wohnungsbaus und anderer Maßnahmen zur Unterstützung von Haushalten, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können. Hierfür gewährt der Bund den Ländern Finanzhilfen (Art. 104a Abs. 4 GG i. V. m. §§ 1 und 38 WoFG). Das Wohnraumförderungsgesetz eröffnet den Ländern an grundlegenden Punkten die Möglichkeit, eigene Regelungen zu treffen, um den örtlichen und regionalen Verhältnisse angemessen Rechnung tragen zu können. Im Wohnraumförderungsgesetz ist nur ein Teil der für die soziale Wohnraumförderung erforderlichen Regelungen enthalten, d. h., die Förderung wird auf der Grundlage des Wohnraumförderungsgesetzes und der zu diesem Gesetz erlassenen Vorschriften der Länder durchgeführt (§ 5 Abs. 1 WoFG). Die bundesrechtlichen Vorschriften haben dabei im Wesentlichen rahmenrechtlichen Charakter und enthalten nur insoweit bindende Regelungen, als sie für die Festlegung des Gesetzeszwecks und den Vollzug der Förderung bundesrechtlich erforderlich sind. Bindend für die Länder sind im Wesentlichen die Vorschriften über den Zweck und den Anwendungsbereich, die Zielgruppe der Förderung, die Fördergegenstände, die Fördermittel, die allgemeinen Anforderungen an den Förderempfänger sowie Begriffsbestimmungen einschließlich der Einkommensermittlungsvorschriften. Die weiteren Vorschriften des Wohnraumförderungsgesetzes können durch die Länder konkretisiert, ergänzt oder modifiziert werden, vor allem zur Konkretisierung der im Wohnraumförderungsgesetz allgemein umschriebenen Zielgruppe, zur Nutzung der Möglichkeit, von den bundesrechtlichen Einkommensgrenzen nach Maßgabe allgemeiner Voraussetzungen Abweichungen festzulegen, zur Umsetzung der der Abwägung der Länder unterliegenden Fördergrundsätze, zur Ausgestaltung der von den Ländern zu entscheidenden Fördermodalitäten in der Förderzusage und zur Anwendung der Instrumente zur Sicherung der Förderung. Soweit Regelungsbereiche nicht ohnehin vollständig den Ländern überlassen sind, haben die Länder die Möglichkeit, die Konkretisierungen, Ergänzungen und Modifizierungen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen örtlichen und regionalen wohnungswirtschaftlichen Verhältnisse vorzunehmen. Wohnungswesen Seite 96 Das Wohnungsbindungsgesetz und das Gesetz über den Abbau von Fehlsubventionierungen haben nur noch für den vorhandenen Bestand an Sozialwohnungen, die auf Grundlage des Zweiten Wohnungsbaugesetzes gefördert wurden, Bedeutung. Auf Förderungen nach dem Wohnraumförderungsgesetz finden sie keine Anwendung. Diese Gesetze sind ebenfalls auf Grundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG erlassen worden. Wohngeldgesetz Des Weiteren hat der Bundesgesetzgeber aufgrund des Art. 74 GG das Wohngeldgesetz erlassen, das zuletzt 2002 mit Wirkung vom 1. Januar 2003 geändert worden ist. Das Wohngeld ist eine wohnungspolitisch begründete Sozialleistung. Es wird nach § 1 Abs. 1 WoGG zur wirtschaftlichen Sicherung eines angemessenen und familiengerechten Wohnens als Miet- oder Lastenzuschuss zu den Aufwendungen für den Wohnraum geleistet. Darüber hinaus gehen vom Wohngeld auch indirekt investive Wirkungen aus. Es erfolgt eine hälftige Kostenerstattung durch den Bund für das von den Ländern gezahlte Wohngeld (Art. 104a Abs. 3 S. 2 GG in Verbindung mit § 34 WoGG). Zum Ausgleich der Finanzierung der Grundsicherung übernimmt der Bund von der den Ländern verbleibenden Hälfte ab 1. März 2003 jährlich einen Festbetrag von 409 Mio. €, der auf die Länder entsprechend ihren Aufwendungen für den besonderen Mietzuschuss (Wohngeld für Sozialhilfeempfänger u. a.) aufgeteilt wird (§ 34 Abs. 2 WoGG 2003). Altschuldenhilfe-Gesetz Der Bund hat ferner im Hinblick auf die neuen Länder unter Inanspruchnahme der zeitlich befristeten Sonderregelung des Art. 143 GG die Regelungen zur Entlastung der Wohnungswirtschaft von Altschulden im Rahmen des Solidarpaktes I durch das Altschuldenhilfe-Gesetz vom 23. Juni 1993 als einigungsbedingtes Übergangsrecht geschaffen. Er hat mit dem Gesetz ein Instrumentarium zur Teilentlastung der ostdeutschen Wohnungswirtschaft mit dem Ziel der Sicherung und Wiederherstellung der Investitionsfähigkeit der Wohnungsunternehmen bereit gestellt. Der Übergang der Altschulden mit der Rechtseinheit Deutschlands auf die wohnungswirtschaftlichen Unternehmen und Genossenschaften beruht darauf, dass die Kommunen, auf die die Wohnungsbestände nach Art. 22 Abs. 4 Satz 3 des Einigungsvertrages (EV) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zunächst übergegangen waren, dieses Vermögen aufgrund der Verpflichtung nach Art. 22 Abs. 4 Satz 4 EV privatisiert haben. Dass im Rahmen dieser Privatisierung die Altschulden kraft Gesamtrechtsnachfolge auf die Unternehmen und Genossenschaften übergegangen sind, Seite 97 Wohnungswesen entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 95, 267). II. Problembeschreibung aus Sicht der Länder Gegenstand der Problembeschreibung ist nach Ansicht der Länder die Beurteilung der Ausschöpfung der verbesserten verfassungsrechtlichen Möglichkeiten nach der Verfassungsreform 1994 und die Bedarfsprognose, inwiefern die Kompetenzmaterie aktuell oder in absehbarer Zeit weiterer konkreter bundeseinheitlichen Regelung bedarf. In diesem Sinne werden im folgenden auch Probleme der einfach-gesetzlichen Umsetzung der Bundeskompetenz dargestellt. 1) Struktureller Wohnungsleerstand Nach Ansicht der Länder wurde die Reform des Wohnungsbaurechts (Inkrafttreten des Wohnraumfördergesetzes [WoFG] zum 1. Januar 2002) von der wirtschaftlichen und der demografischen Entwicklung in den neuen Ländern, aber auch von einigen Regionen in den westlichen Ländern, teilweise überholt. Zwar bedürfen Haushalte, die aus unterschiedlichen Gründen Marktzugangsprobleme haben und sich nicht selbst angemessen mit Wohnraum versorgen können, nach wie vor der Unterstützung. Inzwischen müssen aber auch Überlegungen angestellt werden, wie dem wohnungswirtschaftlich und städtebaulich ebenfalls drängenden Problem des Wohnungsleerstandes Rechnung getragen werden kann. Das Wohnungsbaurecht eröffnet zwar die Möglichkeit der Förderung von Umbauten oder Modernisierung von Wohnraum mit der Verpflichtung einer Verzahnung mit dem Städtebau. Darüber hinaus stellt dieses Gesetz – durch seine Einschränkung allein auf die soziale Wohnraumförderung – dazu jedoch keine weiteren Instrumentarien bereit. 2) Wohnraumförderung Nach Ansicht der Länder waren die grundlegend geänderten wohnungswirtschaftlichen Verhältnisse Ausgangslage für die Reform des sozialen Wohnungsbaus im Jahre 2001. Im Hinblick darauf, dass ein mittlerweile weitgehend funktionsfähiger Wohnungsmarkt die Wohnungsversorgung der überwiegenden Mehrheit gewährleistet, sollte Ziel der Förderung nicht mehr die Beseitigung des allgemeinen Wohnungsmangels sein, sondern die Unterstützung von Haushalten, die aus unterschiedlichen Gründen Marktzugangsprobleme haben und sich nicht selbst mit angemessenem Wohnraum versorgen können. Das bis dahin geltende Recht Wohnungswesen Seite 98 hatte sich zudem in einigen Teilen als zu starr erwiesen, um den regional differenzierten Anforderungen an eine zielgenaue Förderung gerecht zu werden. Einige Länder vertreten die Auffassung, dass die Reform des Wohnungsbaurechts nicht in allen Punkten die für eine zeitgemäße soziale Wohnraumförderung erforderlichen, oben beschriebenen Spielräume eröffnet habe, da in etlichen Regionen nach wie vor die Schaffung neuen Wohnraumes im Vordergrund stehe, in anderen Regionen aber Maßnahmen im Bestand Vorrang hätten. 3) Wohngeld Die Frage einer Reform des Wohngeldes (Gesamtübernahme) wird im Rahmen der AG „Finanzen“ - Abbau von Mischfinanzierungen (VI. Finanzhilfen für die soziale Wohnraumförderung) - behandelt. 4) Altschuldenhilfe-Gesetz Nach Ansicht der Länder reagierte mit der Novellierung des Altschuldenhilfe-Gesetzes im Jahr 2000 und der Einführung des § 6a AHG der Bund auf den strukturellen Wohnungsleerstand in den neuen Ländern und schuf für Wohnungsunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einer zusätzlichen Entlastung von Altverbindlichkeiten. Die Problematik des Wohnungsleerstandes ist im Übrigen Gegenstand des Bund-LänderProgramms „Stadtumbau Ost“; hier ist den Ländern die Möglichkeit eingeräumt worden, bei entsprechendem Bedarf, landesrechtliche Regelungen zu erlassen (Art. 72 Abs. 1 GG). Nach der geltenden Rechtslage und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht fest, dass die wohnungswirtschaftlichen Unternehmen und Genossenschaften Schuldner der in der DDR für den betreffenden Wohnungsbestand gewährten Kredite sind. Damit werden den Verfügungsberechtigten dauerhaft Lasten für die historisch überholte frühere zentralstaatlich gelenkte Siedlungspolitik aufgebürdet. Die Wohnungswirtschaft muss heute noch für Verbindlichkeiten für einen Wohnungsbau einstehen, der nicht auf kommunaler Selbstverwaltung, geschweige denn unternehmerischer Eigenverantwortung beruhte, sondern einer staatsplanwirtschaftlichen Standort- und Siedlungsentwicklungspolitik entsprach. Seite 99 Wohnungswesen Im Bereich der Altschuldenhilfe wird dadurch die Effektivität des Handelns vornehmlich von starren rechtlichen Bindungen durch bundesrechtliche Vorgaben bestimmt. An eine weitere Entlastung der Wohnungswirtschaft werden durch die auf dem § 6a AHG beruhende Altschuldenhilfeverordnung Bedingungen geknüpft, die keine Rücksicht auf länderund regionalspezifische Besonderheiten nehmen (zum Beispiel Annahme einer Insolvenzgefährdung durch Leerstand bei Leerstand ≥ 15 % des Wohnungsbestandes). Eine Lockerung der Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Hilfen verspricht jedoch voraussichtlich nur im Falle einer weiteren Aufstockung mit Bundesmitteln und Ländermitteln mindestens in gleicher Höhe zusätzliche Effekte. Länderflexiblere Regelungen könnten ggf. fachpolitisch erhebliche Vorteile bringen. So könnten die neuen Länder eigene Kriterien als Voraussetzung für die Gewährung einer weiteren Teilentlastung festlegen. Die Annnahme einer Insolvenzgefährdung infolge einer Leerstandsrate der Wohnungsunternehmen ab 15 % ist zu abstrakt. Sie nimmt zu wenig Rücksicht auf diejenigen Wohnungsunternehmen, die weniger Leerstand haben, gleichwohl existenzgefährdet sind und auf eine weitere Entlastung von Altschulden angewiesen sind, um am Stadtumbau teilnehmen zu können. 5) Regionalisierung Wie beschrieben sind die regionalen Unterschiede groß. In einigen Gebieten herrscht Wohnungsüberangebot bzw. Wohnungsleerstand, in anderen Wohnungsmangel. Das Bundesrecht eröffnet zwar viele Möglichkeiten, auch im Hinblick auf die Verzahnung mit der Stadtentwicklung, auf länderspezifische Besonderheiten einzugehen. Nach Ansicht der jeweils durch die regionalen Besonderheiten betroffenen Länder, erweist sich das Bundesrecht jedoch manchmal als zu starr. Nach Ansicht der Länder ist daher zu prüfen, ob alle oder einige dieser stark divergierenden regionalspezifischen Besonderheiten nicht besser auf der Ebene der Länder gelöst werden können bzw. den Ländern durch eine grundgesetzlich abgesicherte Zugriffsklausel oder durch Länderöffnungsklauseln erweiterte Spielräume für spezifisches Landesrecht eröffnet werden sollen. III. Position des Bundes zu 1) Wohnungsleerstand Wohnungswesen Seite 100 Der Bund widerspricht der Auffassung, dass die Reform des Wohnungsbaurechts durch die demographische und wirtschaftliche Entwicklung überholt wurde. Nach wie vor bedürfen Haushalte, die aus unterschiedlichen Gründen Marktzugangsprobleme haben und sich nicht selbst angemessen mit Wohnraum versorgen können, der Unterstützung. Dies bestätigt die aktuelle Situation in den regional unterschiedlichen Wohnungsmärkten; hierauf kann mit dem neuen Wohnraumförderungsgesetz situationsgemäß reagiert werden, was auch Zweck der Reform gewesen ist. Auf den strukturellen Wohnungsleerstand in den neuen Ländern reagierte der Bund unter anderem mit der Einführung des § 6a AHG. Die Problematik des Wohnungsleerstandes ist im Übrigen Gegenstand des Bund-LänderProgramms „Stadtumbau Ost“. Darüber hinaus ist den Ländern nach dem Grundgesetz das Recht gegeben, bei entsprechendem Bedarf landesrechtliche Regelungen zu erlassen (Art. 72 Abs. 1 GG), denn weitere bundesrechtliche Regelungen, die die Gesetzgebungskompetenz der Länder ausschließen würden, existieren insoweit nicht. Aus Sicht des Bundes stellt die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern im Bereich des Wohnungsleerstandes daher kein Problem dar. zu 2) Wohnraumförderung Der Bund weist darauf hin, dass er – wie die Ausgestaltung des WoFG belegt – mit den Ländern in der Auffassung übereinstimmt, dass sowohl die Schaffung neuen Wohnraums als auch die Bestandsförderung erforderlich sind. Den Ländern wurden im WoFG zur Ausgestaltung der Förderung alle erforderlichen Spielräume gelassen; insofern ist eine andere Rechtslage als nach dem früheren Zweiten Wohnungsbaugesetz entstanden. Den Ländern wird nach neuem Recht eine zielgenaue und effiziente Reaktion auf die regional und örtlich unterschiedlichen wohnungswirtschaftlichen Verhältnisse ermöglicht. Hierbei stehen die Förderung der Schaffung neuen Wohnraums und die Förderung von Maßnahmen im Bestand gleichberechtigt nebeneinander und sind flexibel einsetzbar. zu 3) Wohngeldgesetz Der Bund weist darauf hin, dass in der AG Finanzen unter „Ziff. VI Finanzhilfen für die soziale Wohnraumförderung“ Finanzhilfen des Bundes nach dem Wohnraumförderungsgesetz auf der Grundlage von Art. 104 a Abs. 4 GG behandelt werden. Das Wohngeldgesetz wird derzeit im Rahmen der AG Finanzen in Form einer Bestandsaufnahme unter dem Stichwort „Geldleistungsgesetze“ behandelt. Ob es im Rahmen späterer Erörterungen zu einer Änderung der Finanzierungsanteile von Bund und Ländern kommt, ist offen. Seite 101 Wohnungswesen zu 4) Altschuldenhilfe-Gesetz Der Bund weist darauf hin, dass es sachgerecht war, im Einigungsvertrag den Übergang des Eigentums an den volkseigenen Wohnungsbeständen mit dem Übergang der Wohnungsbauschulden zu verknüpfen. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach bestätigt, dass es sich bei den Wohnungsbaukrediten der ehemaligen DDR um Kredite im Sinne unserer Rechtsordnung handelt. Quelle der Wohnungsbaukredite waren die Spareinlagen der Bevölkerung bei den Sparkassen gewesen, die nicht gestrichen, sondern halbiert wurden. Entsprechend war mit den darauf beruhenden Krediten zu verfahren gewesen. Nach Ansicht des Bundes handelt es sich bei den angeführten Problemen im Wesentlichen um einfach-rechtliche Fragen, deren Lösung ggf. auf anderen Ebenen und nicht im Rahmen einer Kompetenzdiskussion erfolgen muss. Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes erlaubt die Berücksichtigung von regionalen Besonderheiten, sei es dadurch, dass durch bundesgesetzliche Regelungen regional divergierende Vorschriften geschaffen oder zugelassen werden, sei es dadurch, dass der Bund nach Art. 72 Abs. 1 GG die ihm zustehende Gesetzgebungskompetenz nicht voll ausschöpft und den Ländern kraft Verfassung Bereiche zur eigenen Regelung überlässt. Der Bund weist im übrigen darauf hin, dass es sich bei der Regelung des Altschuldenhilfegesetzes um eine spezifisch einigungsbedingte und auf die neuen Länder sowie zeitlich begrenzte Materie handelt. zu 5) Regionalisierung Der Bund widerspricht der Auffassung, dass das Bundesrecht zu starr sei. Das Wohnraumförderungsgesetz beschränkt sich auf die absolut notwendigen Regeln, habe zu einer sehr weit reichenden Reduzierung der bundesrechtlichen Vorschriften in diesem Bereich geführt und trägt damit wesentlich zur Rechtsvereinfachung im Wohnungswesen bei. Den Ländern haben bei der Ausgestaltung der Förderung weitaus größere Spielräume gelassen als nach dem früheren Zweiten Wohnungsbaugesetz. Hinsichtlich des Wohnungsleerstandes wird auf die Ausführungen zu a) verwiesen, hinsichtlich des Altschuldenhilfegesetzes auf die zu d). Regelungskompetenz im Bereich der Heilberufe Seite 102 Regelungskompetenz im Bereich der Heilberufe Auftrag Bund: Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Einstweiligen Anordnung vom 22. Mai 2001 - 2 BvQ 48/00 - das Inkrafttreten des Altenpflegegesetzes suspendiert. Kompetenzgrundlage für das Altenpflegegesetz ist insbesondere Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, wonach der Bund die Gesetzgebungskompetenz u.a. für die Zulassung zu Heilberufen hat. Sofern das Gericht im Hauptsacheverfahren zur Auffassung gelangen sollte, für das Gesetz bestehe keine Bundeskompetenz, wäre zu untersuchen, ob dadurch Probleme entstehen. Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Teilbereichs aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, „Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe“, im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 1.2.2). Berichterstattung: Bund, BY I. Bestandsaufnahme Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz u.a. für „die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen". Der Bund hat u.a. mit folgenden Gesetzen von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht 50: - Altenpflegegesetz, Bundesärzteordnung, Bundes-Apothekerordnung, Bundes-Tierärzteordnung, Hebammengesetz, Orthoptistengesetz, Rettungsassistentengesetz, Ergotherapeutengesetz, Diätassistentengesetz, Gesetz über den Beruf der Logopäden, Gesetz über den Beruf des pharmazeutisch-technischen Assistenten, Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde, Krankenpflegegesetz, Masseur- und Physiotherapeutengesetz, Heilpraktikergesetz (vorkonstitutionell), MTA-Gesetz, Psychotherapeutengesetz51, Podologengesetz52. 50 Vgl. v.Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, 3. Aufl.1996, Art. 74 Abs. 1 Nr. 19, RdNr. 1351. 51 Vgl. BT-Drucksache 13/8035, S. 15. 52 Vgl. BT-Drucksache 14/5593, S. 8f. Seite 103 Regelungskompetenz im Bereich der Heilberufe Der Heilberufsbegriff ist nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 53 weit auszulegen. Sinn und Zweck des Heilpraktikergesetzes, das für die Auslegung der Begrifflichkeiten in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 herangezogen werden kann54, war und ist es, möglichst jede nicht-ärztliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Heilkunde zu erfassen55. Diesen Zweck verfolgten auch die Vertreter in den Ausschüssen bei der Grundgesetzfassung zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG56. Die „Zulassung“ zu ärztlichen und anderen Heilberufen umfasst die Vorschriften, die sich auf Erteilung, Zurücknahme und Verlust der Approbation und auf die Befugnis zur Ausübung des Heilberufs beziehen57. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 58 werden hiervon auch das Prüfungswesen und - in eingeschränktem Umfang (lediglich Regelung von Mindeststandards) - auch Ausbildungsregelungen erfasst. . Regelungen der ärztlichen Weiterbildung nach Erteilung der Approbation zählen dagegen zur Berufsausübung, die in die ausschließliche Gesetzgebung der Länder fällt. II. Problembeschreibung Das Grundgesetz weist die Gesetzgebungskompetenz zur Berufszulassung nur in wenigen aufgeführten Bereichen dem Bundesgesetzgeber im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung zu, vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 (Richter, Rechtsanwälte, Notare), Nr. 11 (Recht der Wirtschaft) und Nr. 19 (ärztliche und andere Heilberufe). In den übrigen Bereichen, die im Interesse der Gemeinschaft reglementierungsbedürftig sind, z. B. weil sie für die Allgemeinheit sicherheitsrelevant sind, ist die Berufszulassung nach Art. 70 Abs. 1 GG allgemein dem Landesgesetzgeber vorbehalten (z. B. Architektenwesen, Ingenieurwesen, Berufsbilder im Bereich Agrarwissenschaften, Lebensmittelchemie oder Biochemie etc.). 53 Vgl. Urteil vom 24.10.2002, 2 BvF 1/01, Rdnr. 168, zum Altenpflegegesetz. 54 Vgl. Urteil vom 24.10.2002, a.a.O. (Fn. 6), Rdnr. 159 55 Vgl. Urteil vom 24.10.2002, a.a.O. (Fn.6), Rdnr. 168 unter Berufung auf BVerfGE 78, 179, 192. 56 Vgl. Urteil vom 24.10.2002, a.a.O. (Fn.6), Rdnr. 168 unter Berufung auf das Protokoll der 7. Sitzung des Hauptausschusses vom 23. November 1948, Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/1949, S. 83, 90 f. 57 BVerfGE 33, 125, 154f. 58 Urteil vom 24.10.2002, a.a.O. (Fn.6), Rdnr. 268 ff. Regelungskompetenz im Bereich der Heilberufe Seite 104 Normativer Regelungsbedarf für den Bereich der Heilberufe besteht zum einen aus der staatlichen Schutzverpflichtung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), um die für die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit der Bevölkerung unverzichtbare Berufsqualifikation und persönliche Zuverlässigkeit sicherzustellen, zum anderen aus Gründen der Daseinsvorsorge, um die flächendeckende Versorgung mit Heilberufen zu gewährleisten. In der Staatspraxis wird dieser Regelungsauftrag teilweise vom Bund, der von seiner Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich in weitreichendem Umfang Gebrauch gemacht hat, und teilweise von den Ländern wahrgenommen. Soweit der Bund die Reglementierung von Heilberufsbildern vorgenommen hat, ist dies vielfach in Bereichen erfolgt, die zuvor lange Zeit landesrechtlich erprobt waren (so zuletzt beim zuvor nur in Bayern und Niedersachsen landesrechtlich geregelten Beruf des Podologen/med. Fußpflegers). In der Regelungskompetenz der Länder belassen wurden nicht selten Berufsbilder, die den vom Bundesgesetzgeber geregelten nahe verwandt sind. Ein sachlicher Grund für die differenzierte Regelungszuständigkeit lässt sich hier oftmals nur schwer erkennen. So wird beispielsweise die Berufszulassung des Biochemikers und Rettungssanitäters landesrechtlich, die des Apothekers und Rettungsassistenten dagegen bundesrechtlich geregelt. Soweit Berufsbilder landesrechtlich normiert sind, haben sich nach Ansicht der Länder die Regelungen in der Vergangenheit bewährt (in Bayern z. B. Rettungssanitäter, Kneipp-Bademeister). Notwendige länderübergreifende Regulierungen, z. B. zur Sicherung einheitlicher Qualitätsstandards oder Anerkennung gleichwertiger Berufsabschlüsse, Prüfungszeugnisse oder sonstiger Befähigungsnachweise, werden im Wege der Länderkooperation vorgenommen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind nach Ansicht der Länder Umstände, die gegen die Einräumung zusätzlicher Länderkompetenzen sprechen könnten, nicht ersichtlich. Mit einer Erweiterung ihrer Zuständigkeiten würde den Ländern bei der Regelung von Berufsbildern (unter Beachtung der Vorgaben des Art. 12 Abs. 1 GG und des Mindestrahmens EU-rechtlicher Vorschriften) weitergehender Gestaltungsspielraum zugestanden. So könnte ihnen beispielsweise auch (in grundgesetzlich abgesicherter Form) ermöglicht werden, im Bedarfsfall von Bundesrecht abweichendes Landesrecht zu schaffen (vgl. hierzu etwa die Bemühungen Bayerns zur Beibehaltung der allgemeinen Hochschulreife als Prüfungszulassungsvoraussetzung für medizinische Studiengänge, BR- Drs. 501/2/99). Seite 105 Regelungskompetenz im Bereich der Heilberufe Nach Ansicht der Länder ist in diesem Zusammenhang auf die seit einiger Zeit erfolgende Einführung von Modellklauseln in Ausbildungs- und Prüfungsordnungen verschiedener Heilberufe hinzuweisen (§ 36 a ÄAppO a.F., § 41 ÄAppO n.F.; § 8 Abs. 3 ÄAppO, § 5 Abs. 3 KrPflG), die es den Ländern unmittelbar bzw. den Universitäten mit Genehmigung der zuständigen Landesbehörde - ermöglichen, im Hinblick auf die Schutzinteressen der Studierenden einen vom Regelstudiengang oder Regelausbildungsgang abweichenden Studien- bzw. Ausbildungsaufbau einzuführen oder alternative Prüfungsverfahren zu testen. Auch solche Modellklauseln belegen nach Ansicht der Länder nachdrücklich das Bedürfnis, in bestimmten Bereichen abweichendes Landesrecht zu schaffen. Nach Ansicht des Bundes besteht hingegen kein Bedürfnis für Kompetenzänderungen zugunsten der Länder. Die bestehenden bundesrechtlichen Regelungen haben sich bewährt. Die Schaffung bundeseinheitlicher Standards in den verschiedenen Ausbildungsbereichen dient der Sicherung eines einheitlich hohen Ausbildungsniveaus und einer ausreichenden Zahl von Bewerber/-innen Die erwähnten Öffnungsklauseln für die Länder sind vereinzelte Regelungen, die der Erprobung von Ausbildungsangeboten dienen, die später ggf. als Bundesrecht reglementiert werden sollen. Aus ihnen lässt sich daher kein Bedürfnis ableiten, in bestimmten Bereichen dauerhaft abweichendes Landesrecht zu schaffen. Aufgrund zahlreicher Vorgaben des EU-Rechts ist darüber hinaus nach Ansicht des Bundes eine bundesrechtliche Umsetzung effektiver und weniger schwerfällig als die Umsetzung durch Landesrecht. III. Bestandsaufnahme und Problembeschreibung im Bereich der Altenpflege Für das "Gesetz über die Berufe in der Altenpflege (Altenpflegegesetz - AltPflG) sowie zur Änderung des Krankenpflegegesetzes" vom 17. November 2000, BGBl. I S. 1513, ist in der Gesetzesbegründung der Bundesregierung (BT-Drs. 14/1578, S. 12) für den Großteil der Bestimmungen Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG in Anspruch genommen worden. Das Gesetz war bereits in weitgehend identischer Form als Entwurf der Bundesregierung in der 11. Legislaturperiode sowie als Entwurf des Bundesrates in der 12. und 13. Legislaturperiode in die gesetzgebenden Körperschaften eingebracht worden59. In der 11. Legislaturperiode ist in der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stel- 59 BT-Drucksache 11/8012, 12/8315, 13/1208. Regelungskompetenz im Bereich der Heilberufe Seite 106 lungnahme des Bundesrates die Gesetzgebungskompetenz des Bundes umfassend begründet worden60. In der 12., 13. und 14. Legislaturperiode ging dann auch der Bundesrat von einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus. Auf Antrag der Bayerischen Staatsregierung ist mit einer Einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 2001 - 2 BvQ 48/00 - (BVerfGE 104, 23, 42) das Inkrafttreten der wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes bis zur Entscheidung über die Vereinbarkeit des Gesetzes mit dem Grundgesetz einstweilen außer Kraft gesetzt worden. Im Hauptsacheverfahren hat das Gericht mit Urteil vom 24. Oktober 2002 - 2 BvF 1/01 - entschieden, dass das Gesetz mit Ausnahme der Regelungen für die Ausbildung zum Beruf der Altenpflegehelfer in seinen wesentlichen Regelungen verfassungskonform ist. Der Beruf des Altenpflegers sei anders als der Beruf des Altenpflegehelfers, ein "anderer Heilberuf" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG61. Die Regelungen über die Berufsausbildung der Altenpflegerinnen und Altenpfleger seien zur Wahrung der Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse nach Art. 72 Abs. 2 GG auch erforderlich62. Durch diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat sich der Prüfauftrag zum Altenpflegegesetz (s.o. Nr. 1) erledigt. 60 BT-Drucksache 11/8012, S. 23. 61 Leitsatz 1 b. 62 Rdnr. 286 Seite 107 Regelungskompetenz im Arzneimittelbereich Regelungskompetenz im Arzneimittelbereich Auftrag Bund: Wie ist bisher der Kompetenztitel in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, "Verkehr mit Arzneien", umgesetzt worden ? Sind durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 420/97 -, BVerfGE 102, 26, Probleme aufgetreten ? Berichterstattung: Bund, BW I. Bestandsaufnahme Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz u.a. für "den Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln und Giften". 1. Bundesgesetzliche Regelungen Der Bund hat u.a. mit folgenden Gesetzen von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht 63: - Arzneimittelgesetz, Betäubungsmittelgesetz, Gesetz über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens, Medizinproduktegesetz, Chemikaliengesetz, Pflanzenschutzgesetz, Grundstoffüberwachungsgesetz. 2. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 420/97 (BVerfGE 102, 26; "Frischzellenentscheidung") entschieden, dass der Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG nicht befugt ist, die Herstellung solcher Arzneimittel zu regeln, die der Arzt zur Anwendung bei eigenen Patienten herstellt. Das Gericht hat dazu ausgeführt64: "Dem Bundesgesetzgeber ist in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG indes nur die Kompetenz zur Regelung des Verkehrs mit Arzneimitteln eingeräumt. Diese umfasst deshalb nicht die unbeschränkte Zuständigkeit zur Regelung aller Fragen des Arzneimittelrechts. Die Verfassung zieht in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG die Grenze dort, wo es um den Verkehr mit Arzneimitteln im weitesten Sinne geht. Will der Bundesge63 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, 3. Aufl., Art. 74 Abs. 1 Nr. 19, Rdnr. 1352. 64 BVerfGE 102, 36. Regelungskompetenz im Arzneimittelbereich Seite 108 setzgeber zur Optimierung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung schon bei der Herstellung verkehrsfähiger Arzneimittel ansetzen, hält er sich so lange im Rahmen dieser Zuständigkeit, wie seine Regelung Arzneimittel betrifft, die zum Zwecke des Inverkehrbringens hergestellt werden. Präventiver Gesundheitsschutz rechtfertigt frühzeitige Kontrolle, wenn mit der zunehmenden Länge des Vertriebsweges die Wirksamkeit staatlicher Überwachung mehr und mehr abgeschwächt wird. Besteht bei der Herstellung des Arzneimittels die Absicht, dieses über Apotheken oder sonstige Verkaufsstellen in den allgemeinen Verkehr zu bringen, ist mindestens eine bundesweite Verbreitung des Arzneimittels regelmäßig angestrebt. Deshalb gibt es gute Gründe dafür, dass der Bund insoweit eine Befugnis zur konkurrierenden Gesetzgebung hat. Das gilt jedoch nicht für solche vom Arzt hergestellten Arzneimittel, die nicht zur Abgabe bestimmt sind und die der Arzt auch tatsächlich nicht an Dritte abgibt. Solche Arzneien sind herkömmlich Teil ärztlicher Therapie, die in ihren Auswirkungen lokal auf den jeweils behandelten Kreis von Patienten begrenzt ist. Heilbehandlungen finden regelmäßig nur in einem begrenzten Wirkungskreis statt. Sie sind wesentlicher Bestandteil der ärztlichen Berufsausübungsfreiheit sowie Gegenstand der ärztlichen Sorgfaltspflicht und Verantwortung, für deren Überwachung die Länder zuständig sind." 3. Konsequenzen aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts In der jüngsten Staatspraxis ist die Entscheidung im Rahmen des Gesetzentwurfs des Bundesrates für einen "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung tierarzneimittelrechtlicher Vorschriften" 65 aufgeworfen worden. Der Gesetzentwurf ist mittlerweile als "Elftes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes" verkündet worden66. Der Bundesratsentwurf begegnete Bedenken der Bundesregierung im Hinblick auf die "Frischzellenentscheidung", da die im Entwurf vorgesehenen Regelungen die Herstellung oder Anwendung auch vom Arzt selbst hergestellter Arzneimittel beträfen, die nicht zur Abgabe bestimmt sind und die der Arzt auch tatsächlich nicht an Dritte abgibt 67 und damit die Gesetzgebungskompetenz des Bundes überschritten würde. Um den Bedenken Rechnung zu tragen, ist im Laufe der weiteren parlamentarischen Beratungen des Deutschen Bundestages eine neue Bestimmung mit Ausnahmen vom Anwendungsbereich in den Gesetzentwurf aufgenommen worden. Danach findet dieses Gesetz keine Anwendung u.a. auf Arzneimittel, die ein Arzt, Tierarzt oder eine andere Person, die zur Ausübung der Heilkunde befugt ist, bei Mensch oder Tier anwendet, soweit die Arzneimittel ausschließlich zu diesem Zweck unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung des anzuwendenden Arztes, Tierarztes oder der anwendenden Person, die zur Ausübung der Heilkunde bestellt ist, hergestellt worden sind 68. Damit ist der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen. 65 BT-Drucksache 14/8613 mit Stellungnahme der Bundesregierung. 66 Gesetz vom 27. August 2002, BGBl. I S. 3348. 67 Vgl. BT-Drucksache 14/8613, S. 26. 68 Vgl. BR-Drucksache 488/02, § 4a AMG neu. Seite 109 Regelungskompetenz im Arzneimittelbereich Es obliegt damit nunmehr den Ländern zu prüfen, welcher landesrechtliche Regelungsbedarf aus Gründen der Arzneimittelsicherheit (im human- und tiermedizinischen Bereich) für Arzneimittel, die nicht (mehr) dem Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes (AMG) unterfallen, erforderlich wird. Dabei sind folgende Problemstellungen einer Lösung zuzuführen: - - Da die (auch strafbewehrten) Verbotsvorschriften des AMG (z.B. § 5 AMG - Verbot bedenklicher Arzneimittel, Sondervorschriften für Tierarzneimittel) und die auf der Grundlage des § 6 AMG erlassenen Verbotsverordnungen keine Geltung beanspruchen können, besteht die Möglichkeit, dass der Arzt (oder eine andere Person, die zur Ausübung der Heilkunde befugt ist) Arzneimittel mit gesundheitsgefährdenden Substanzen herstellt und diese bei Patienten anwendet (bzw. an Tiere verabreicht). Darüber hinaus ist auch eine Überwachung nach dem Arzneimittelgesetz (mit den z.B. in den §§ 64ff. AMG vorgesehenen Maßnahmen wie Probenahme, Duldungsund Mitwirkungspflichten, Sicherstellung von Arzneimitteln, öffentliche Warnungen) in diesen Fällen nicht mehr möglich. Dabei ist vor allem im Tierarzneimittelbereich sicherzustellen, dass es durch die Anwendung von Tierarzneimitteln, die vom Tierarzt selbst hergestellt und lebensmittelliefernden Tieren verabreicht werden, zu keinen Gesundheitsgefährdungen für den Verbraucher kommen kann 69. Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder hat zur Regelung der Herstellung und Anwendung der vom Anwender selbst hergestellten Arzneimittel für den Humanbereich (Arzt, Zahnarzt und andere zur Heilkunde berechtigte Personen) einen Mustergesetzentwurf ausgearbeitet. Der Entwurf soll als Grundlage für die zu erlassenden landesgesetzlichen Regelungen dienen; einige Länder haben jedoch darauf hingewiesen, diesen Musterentwurf nicht inhaltsgleich, sondern in Einzelfragen punktuell geändert umsetzen zu wollen. Im übrigen können die aus der Entscheidung des Gerichts abzuleitenden Folgerungen zu Anwendungsregelungen über das AMG hinaus auch die Bereiche betreffen, in denen Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG ebenfalls lediglich eine Bundeskompetenz für Verkehrsregelungen für entsprechende Stoffe (insbesondere Heil- und Betäubungsmittel, Gifte) beinhaltet. Für den Bereich des Medizinproduktgesetzes ist das Problem der Eigenherstellung und Anwendung bereits erfasst und ausreichend geregelt (§ 12 Medizinproduktegesetz); die Frage der Notwendigkeit ergänzender landesgesetzlicher Regelungen stellt sich insoweit nicht. 69 BR-Drucksache 488/2/02. Regelungskompetenz im Arzneimittelbereich II. Seite 110 Problembeschreibung Die sog. Frischzellenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG nicht befugt ist, die Herstellung solcher Arzneimittel zu regeln, die der Arzt zur Anwendung bei eigenen Patienten herstellt, hat zu einer Reihe von Problemen geführt: - Es wird landesrechtlicher Regelungsbedarf ausgelöst - kann diese Schützlücke von allen Ländern in einem überschaubaren Zeitraum geschlossen werden? - Stehen landesrechtliche Regelungen mit ggf. punktuell divergierenden Inhalten dem Interesse an einem bundesweit hohen Verbraucher- und Tierschutzniveau entgegen und sollte deshalb die konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG zu Gunsten des Bundes so erweitert werden, dass sie auch die ärztliche Herstellung von nicht für den Verkehr bestimmter Arzneimittel umfasst (Herstellung des ursprünglichen Zustandes vor der Entscheidung des BVerfG)? - Bei der Umsetzung europäischen Rechts in nationales Recht ist zu berücksichtigen, dass auch Richtlinien der Kommission zum Regelungsinstrumentarium im Arzneimittelbereich gehören, auf Grund derer häufiger Umsetzungsbedarf entstehen kann. Ist zur Vermeidung von Verzögerungen bei der Umsetzung europäischen Rechts in nationales Recht eine bundesrechtliche Regelung und damit eine Erweiterung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG notwendig bzw. geboten? Seite 111 Umweltgesetzgebung Umweltgesetzgebung (noch nicht endgültig zwischen Bund und Ländern abgestimmt) Auftrag Bund und Länder: Welche Kompetenztitel weist das Grundgesetz für den Umweltschutz auf? Handelt es sich dabei um konkurrierende oder Rahmengesetzgebungskompetenzen? Wie sind die Vorgaben aus dem Gemeinschaftsrecht in das innerstaatliche Recht (Bund und Länder) umgesetzt worden ? Sind dabei Probleme aufgetreten (vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 1.1.1, 2.1, 2.3)? Berichterstattung: Bund, SH, SL I. Bestandsaufnahme 1. Charakter des Umweltrechts Es gibt weder einen umfassenden Kompetenztitel Umweltrecht (vgl. 2.) noch eine allgemein anerkannte Definition des Umweltrechts. Zum Kernbereich dieses Rechtsgebiets (= Umweltrecht i.e.S.) werden gezählt: - Immissionsschutzrecht, - Atom-/Strahlenschutzrecht, - Naturschutzrecht, - Gewässerschutzrecht, - Bodenschutzrecht, - Abfallentsorgungs- und Kreislauf wirtschaftsrecht und - Chemikalienrecht/Gefahrstoffrecht. Teilweise werden auch Gentechnik und sonstige Biotechnik sowie der Sachbereich Verkehrsanlagen und Leitungsanlagen hierzu gerechnet. Umweltrecht ist ein offenes, kein geschlossenes Rechtsgebiet. Es ist darüber hinaus sog. "Querschnittsrecht"70, das seine Bedeutung aus unzähligen Normen verschiedener Rechtsbereiche gewinnt. So enthalten manche Gesetzeswerke Umweltrecht in einzelnen Abschnitten (28. Abschnitt des Strafgesetzbuches über Straftaten gegen die Umwelt) oder in spezifischen Einzelregelungen (z. B. § 906 BGB). In vielen Gesetzen ist der Umweltschutz nur eine von mehreren Zielset70 Den Querschnittscharakter teilt das Umweltrecht mit anderen Rechtsgebieten wie z. B. dem Recht des Verbraucherschutzes. Umweltgesetzgebung Seite 112 zungen (z.B. Raumordnungsgesetz, Landesplanungsgesetze, Baugesetzbuch, Bundesberggesetz, Energiewirtschaftsgesetz). 2. Verteilung von Gesetzgebungszuständigkeiten mit Bezug zum Umweltschutz • Das Umweltrecht wird im Grundgesetz nicht in einem einheitlichen Kompetenztitel zusammengefasst, sondern ist auf mehrere und unterschiedliche Kompetenztitel verteilt, die jeweils nur einzelne Umweltmedien bzw. Umweltgüter erfassen und dem Bund teilweise nur die Befugnis zum Erlass von Rahmenvorschriften geben. In die konkurrierende Gesetzgebung (Art. 74 GG) fallen: - das Kernenergierecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 a), - das Bodenrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18), - die Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24); Bestandteil der Rahmengesetzgebung (Art. 75 GG) sind: - der Naturschutz und die Landschaftspflege (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3), - der Wasserhaushalt (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4). • Neben den vorgenannten, unmittelbar dem Umweltrecht zuzuordnenden Kompetenztiteln spielen auch folgende, insgesamt eher „fachfremde“ Kompetenztitel eine Rolle: - die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes über den Luftverkehr und die Eisenbahnen des Bundes (Art. 73 Nr. 6 u. 6a GG) sowie über die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, Handelsverträge und die Freizügigkeit des Warenverkehrs mit dem Ausland (insbesondere von Bedeutung für Einfuhr von Tieren etc. im Rahmen internationaler Artenschutzabkommen) (Art. 73 Nr. 5 GG), - die konkurrierende Gesetzgebung über den Schutz beim Verkehr mit Lebens- und Genussmitteln, Bedarfsgegenständen, Futtermitteln und land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, Schutz der Pflanzen gegen Krankheit und Schädlinge sowie Tierschutz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG), das Strafrecht (umfasst auch Straftaten gegen die Umwelt) , das bürgerliche Recht (mit Nachbarrecht) sowie das Recht des gerichtlichen Verfahrens (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG), das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG), die Bauleitplanung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) sowie über den Straßen- und Schienenwegeausbau (Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, 23 GG) - die Rahmenkompetenz über das Jagdwesen (Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG) und für die Bodenverteilung und Raumordnung (Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG). Seite 113 II. Umweltgesetzgebung Problembeschreibung Während das EG-Umweltrecht zunehmend auf einen „medienübergreifenden Ansatz“ setzt bzw. durch einen solchen geprägt wird, findet dies in der Abgrenzung der Kompetenzen des Grundgesetzes nach einzelnen Umweltbereichen keine Entsprechung. Nach Auffassung des Bundes widerspricht die Verteilung auf unterschiedliche Kompetenzgrundlagen auch dem aktuellen Erkenntnisstand zur Verzahnung und Wechselbezüglichkeit der Umweltmedien Boden, Wasser, Luft. Auf diesem Erkenntnisstand beruhe der moderne medienübergreifende Ansatz des EG-Umweltrechts. So setzten beispielsweise die UVP-Richtlinie, die strategische UVP-Richtlinie, die IVURichtlinie, die Wasser-Rahmenrichtlinie und die Umweltinformationsrichtlinie auf medienübergreifende und integrierende Genehmigungs- bzw. Prüfungs- und Planungskonzepte sowie Verfahrensregelungen. Damit werde angestrebt, den Schutz der Umwelt in ihrer Gesamtheit zu fördern und Belastungsverlagerungen zum Schutz eines Umweltmediums zulasten eines anderen Umweltmediums zu vermeiden. Eine Anpassung des deutschen Umweltrechts, das schon seit Beginn der 70er Jahre mehrfach umfassend und zunehmend unübersichtlich ausgebaut und geändert worden sei, an diese neuen Instrumente und Ansätze des EU-Rechts werde anhaltend und zunehmend erforderlich sein. Im Einzelnen stellen sich nachfolgende Problemfragen: 1. Europatauglichkeit Die Verteilung der Kompetenzen für die Umweltgesetzgebung bedingt, dass medienübergreifende Vorgaben des EG-Rechts in Deutschland nicht einheitlich durch Bundesrecht umgesetzt werden können. Nach Auffassung des Bundes erschwert dies eine kurzfristige Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben: • Die Zuweisung einzelner Umweltmedien in die Rahmenkompetenz erfordert eine zweistufige Umsetzung durch hintereinandergeschaltete Gesetzgebungsverfahren in Bund und Ländern. Dies hat – nach Auffassung des Bundes kaum zu bewältigende / nach Auffassung der Länder manchmal – Zeitprobleme zur Folge, bringt Abgrenzungsfragen zwischen Bundes- und Landeskompetenzen mit sich und macht nach Auffassung des Bundes das ohnehin schon komplizierte Umweltrecht noch unübersichtlicher und unpraktikabler. Parallele Gesetzgebungsverfahren mit vergleichbaren Problemen ergeben sich auch in den Fällen, in denen der Bund nur eine (Teil-) Umsetzung auf der Grundlage der konkurrierenden Gesetzgebung vornehmen Umweltgesetzgebung Seite 114 kann, während die Länder einen anderen Teil der Richtlinie aufgrund ihrer ausschließlichen Länderkompetenzen umsetzen müssen. Hier zeigt die Erfahrung, dass die Länder vielfach den Erlass der Bundesgesetze abwarten, bevor sie eigenständige Gesetzgebungsverfahren einleiten. • Der Bund weist darauf hin, dass wegen der Restriktionen im Bereich des Rahmenrechts medienübergreifende Querschnittsregelungen kaum möglich sind. Die Verfassungsänderung des Jahres 1994 habe dieses Problem durch die Normierung strengerer Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Rahmenkompetenz (Art. 75 Abs. 2 GG) noch verschärft. Was das EGRecht in seiner medienübergreifenden und integrierenden Ausrichtung einheitlich regele, müsse im deutschen Recht rechtstechnisch getrennt werden. Dies stelle aus EU-Sicht auch die qualitativ ausreichende und vollständige Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben in Frage. • Schließlich sind die auch sonst sich ergebenden Abgrenzungsprobleme zwischen den Materien der konkurrierenden Gesetzgebung, für die dem Bund die Vollregelung zusteht, und den Sachbereichen der Rahmenkompetenz, für die dem Bund nur begrenzte Regelungsbefugnisse eingeräumt sind, festzustellen. • Nach Auffassung der Länder ist außerdem folgendes zu berücksichtigen: Teilweise erfolge die Umsetzung in Bundesrecht lediglich dadurch, dass überwiegend EU-Recht übernommen oder auf EU-Recht verwiesen werde, ohne dass ein politischer Gestaltungsspielraum bestehe (Beispiele: FFHRichtlinie, Umweltinformationsrichtlinie), während Länderregelungen vielfach auf vorhandenes Bundesrecht verwiesen. Die Tatsache, dass das EU-Recht immer häufiger nur noch beschränkten Umsetzungsspielraum lasse, stelle die Sinnhaftigkeit der bisherigen Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern und die Erforderlichkeit einer bundesstaatlichen Regelung gemäß Art. 72 Abs. 2 GG zunehmend in Frage. So sehe z.B. Belgien beim Ausbau vom Zentral- zum Bundesstaat inzwischen eine Zuständigkeit für den Umweltschutz bei den Regionen vor. Andererseits sei auch festzustellen, dass nach dem EG-Recht vorhandene Spielräume auf bundesrechtlicher Ebene häufig nicht genutzt werden. Das Bundesrecht sieht nach Einschätzung der Länder in diesen Fällen regelmäßig keine Länderöffnungsklauseln vor, sodass auf Grund der Sperrwirkung des Bundesrechts keine landesrechtliche Regelungskompetenz bestehe. Seite 115 Umweltgesetzgebung Die verwaltungsmäßige Umsetzung und Verantwortung obliege innerstaatlich aber den Ländern. • Bei der innerstaatlichen Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben ist es mehrfach zu Vertragsverletzungsverfahren gekommen. 2. Umweltgesetzbuch In seiner gegenwärtigen, historisch gewachsenen Ausgestaltung stellt das Umweltrecht ein kompliziertes, heterogenes und zum Teil wenig transparentes Regelwerk dar. Ein einheitliches Umweltrecht würde nach Auffassung von Bund [und Ländern] für mehr Regelungs- und Verfahrenstransparenz sorgen, zur Harmonisierung und Deregulierung beitragen und Regelungs- und Wertungswidersprüche beseitigen. Schwerpunkt eines solchen Vorhabens ist dabei die sog. integrierte Vorhabengenehmigung, also ein medienübergreifendes einheitliches Genehmigungsverfahren. Dieser medienübergreifende Ansatz ist nach Auffassung des Bundes in dem erforderlichen Umfang insbesondere wegen der Kompetenzen der Länder im Bereich Wasser und Naturschutz ohne Änderung des Grundgesetzes aber nicht möglich. 3. Sperrwirkungen des Bundesrechts Die Länder erachten außerdem Sperrwirkungen des Bundesrechts als problematisch und sehen einen vertieften Prüfungsbedarf: • Sie verweisen insbesondere darauf, dass der Erlass von Verordnungen im Umwelt- und insbesondere Abfallrecht häufig nur in Aussicht gestellt werde, um als Druckmittel für Selbstverpflichtungen der Wirtschaft/Steuerungswirkungen zu erzielen und dass bereits diese Steuerungskompetenz eine Sperrwirkung für den Landesgesetzgeber und kommunale Satzungsgeber bedeute. • Nach Auffassung der Länder ist auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von BImSchG und Landesabgabenrecht [zu Landes- und Satzungsrecht] von allgemeiner Bedeutung für die Verteilung der Umweltgesetzgebungskompetenzen in einem föderalen Bundesstaat: Das Bundesverfassungsgericht gehe davon aus, dass landesrechtliche Abfallabgaben dem im Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgesehenen Konzept der Kooperation widersprechen und die kommunale Verpackungssteu- Umweltgesetzgebung Seite 116 er im Widerspruch zu Regelungen des Sachgesetzgebers im Hinblick auf die Verpackungsverordnung steht. Die sog. "Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung" berge als allgemeines Prinzip erhebliche Gefahren für die Entwicklung neuer Umweltschutzpolitik durch die Länder. • 4. III. Von Relevanz ist nach Auffassung der Länder im vorliegenden Kontext schließlich die Rechtssetzungspraxis des Bundes bei der Formulierung von Länderöffnungsklauseln im Bundesrecht: Bundesrecht enthalte vereinzelt zwar bereits Ermächtigungen an die Landesregierungen, durch Rechtsverordnungen weitere Regelungen zu treffen. Diese Verordnungsermächtigungen seien auf Grund des Bestimmtheitsgrundsatzes eng beschränkt, sodass darüber hinausgehende landesrechtliche Regelungen wieder der Sperrwirkung des Bundesrecht unterfielen. Beispiel: Zweifelhafte bundesrechtliche Rechtsgrundlage der Sommersmogverordnungen der einzelnen Länder, die durch das bis Ende 1999 befristete Ozongesetz abgelöst worden seien. Leistungsfähigkeit der Länder Die Länder verweisen ferner auf ihre in der Vergangenheit bewiesene Leistungsfähigkeit. Sie vertreten die Auffassung, dass der Umweltschutz als dynamisches Sachgebiet (Beispiel: Ozonproblematik zu Beginn der 90er Jahre, Privatisierungstendenzen der Abfallwirtschaft) in der Vergangenheit insbesondere von den Impulsen auf Länderebene gelebt hat. Die zunehmende Ausschöpfung der umweltspezifischen Kompetenzen führe aber dazu, dass in Verbindung mit der dargestellten restriktiven Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Gesamtkonzept des Gesetzgebers/Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung) die Gestaltungsspielräume der Länder auf Null schrumpften. Einzelbeispiele für die in der Kompetenzordnung begründeten Probleme bei der Umweltgesetzgebung 1. Markantestes Beispiel für die nach Ansicht des Bundes aus dem Verfassungsrecht resultierenden Probleme ist der Versuch, ein von allen Seiten gefordertes einheitliches Umweltgesetzbuch zu schaffen. Dessen medienübergreifender Ansatz war nach Auffassung des Bundes in dem für erforderlich erachteten Umfang wegen der Kompetenzen der Länder im Bereich Wasser und Naturschutz ohne Änderung des Grundgesetzes nicht umsetzbar. Seite 117 2. Umweltgesetzgebung Ursprünglich sollte die IVU-Richtlinie (Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) im Rahmen eines einheitlichen Umweltgesetzbuchs umgesetzt werden. Nachdem dieses Projekt durch den Bund wegen der nicht ausreichenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes aufgegeben wurde, erfolgte die Umsetzung der IVU-Richtlinie statt dessen durch das nachträglich erarbeitete Artikelgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1950). Der medienübergreifende Ansatz der Richtlinie konnte deshalb auf Bundesebene nur durch eine rechtstechnisch komplexe parallele Änderung von Fachgesetzen umgesetzt werden. 3. Als weiteres Einzelbeispiel ist die Umsetzung der UVP- sowie der UVPÄnderungsrichtlinie (Richtlinie 85/337/EWG des Rates über die Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten sowie die Änderungsrichtlinie 97/11/EG) zu nennen, bei der zwischenzeitlich sogar ein Zwangsgeld drohte. Die Richtlinie fordert nach Auffassung des Bundes ein medienübergreifendes Prüfverfahren für bestimmte Projekte, die erhebliche, nachteilige Umweltauswirkungen haben können, und sollte ursprünglich ebenfalls im Rahmen eines einheitlichen Umweltgesetzbuches umgesetzt werden. Das nach Ablauf der Umsetzungsfristen ergangene Artikelgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1950) konnte diese Richtlinie nur zu einem Teil umsetzen: Neben Projekten, die der Bund aufgrund der ihm zustehenden Gesetzgebungsbefugnisse abschließend regeln konnte, werden Projekte, die der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes zuzuordnen sind, nur übergangsweise und mit Regelungsaufträgen an die Länder erfasst. Daneben gilt die Richtlinie aber auch für Projekte, die im Rahmen der ausschließlichen Länderkompetenz umzusetzen sind. Trotz Ablaufs der Umsetzungsfristen der Richtlinie haben bislang nur wenige Länder, die sich am Bundesrecht (Artikelgesetz vom 27. Juli 2001) orientieren wollten, ihre Umsetzung vollständig abgeschlossen71. In Teilbereichen laufen bereits Vertragsverletzungsverfahren. 71 Ein Gegenbeispiel für die frühzeitige Umsetzung ist das Bayerische UVP-Richtlinie Umsetzungsgesetz (BayUVPRLUG) vom 27. Dezember 1999 ( BayGVBl S. 532 ), das zu einer Ergänzung des BayVwVfG um einen Abschnitt III Verwaltungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung geführt hat. Nach Abschluss der bundesrechtlichen Umsetzung musste jedoch festgestellt werden, dass das bayerische Umsetzungsgesetz nicht den Anforderungen der bundesrechtlichen Regelungen und der UVPÄnderungsrichtlinie entsprach. Dadurch ergab sich ein erneuter Änderungsbedarf für das bayerische Umsetzungsgesetz. Umweltgesetzgebung 4. Seite 118 Ein weiteres Beispiel ist die Fortschreibung im Bundesnaturschutzgesetz (vgl. BGBl. 2002 I S. 1193), die in wesentlichen Punkten auch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben umsetzt (Richtlinie 92/43/EWG vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen, Richtlinie 79/409/EWG vom 02. April 1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten, Richtlinie 83/129/EWG vom 28. April 1983 betreffend die Einfuhr von Fellen bestimmter Jungrobben und Waren daraus und Richtlinie 1999/22/EG vom 29. März 1999 über die Haltung von Wildtieren in Zoos). Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich bei diesem Gesetz vorrangig aus der Zuständigkeit zur Rahmengesetzgebung auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Artikel 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GG). Nur ergänzend waren Kompetenzen aus der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Artikels 73 GG, insbesondere Nr. 5 (Einheit des Zoll- und Handelsgebiets) sowie Nrn. 6 und 6a (Luftverkehr; Verkehr von Eisenbahnen) und aus der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Artikels 74 Abs. 1 GG, insbesondere Nr. 1 (Strafrecht und das gerichtliche Verfahren), Nr. 11 (Recht der Wirtschaft), Nr. 11a (Kernenergierecht), Nr. 18 (Bodenrecht), Nr. 21 und 22 (Hochsee- und Küstenschifffahrt; Straßenverkehr) und Nr. 24 (Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung) gegeben. Soweit nur die Rahmengesetzgebungskompetenz als Grundlage gegeben ist, war es nach Auffassung des Bundes nicht möglich, alle in der Öffentlichkeit geäußerten Erwartungen auf Bundesebene zu erfüllen. Es waren im wesentlichen nur Leitlinien für den Landesgesetzgeber und nur ausnahmsweise in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen möglich. 5. Ein weiteres exemplarisches Gebiet ist das Wasserhaushaltsgesetz, das vor allem auf Grund der gemeinschaftsrechtlichen „Wasserrahmenrichtlinie“ (Richtlinie 2000/60/EG vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik) fortgeschrieben werden musste. Die neuen Regelungen waren dem Rahmenkompetenztitel des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GG (Wasserhaushalt) zuzuordnen. Der integrative Ansatz der Wasserrahmenrichtlinie für eine über Landes- und Staatsgrenzen hinausreichende flussgebietsbezogene Bewirtschaftung aller europäischen Gewässer mit ihren Einzugsgebieten machte raumbedeutsame, kohärente Programme und Pläne erforderlich, die nicht primär von regionalen oder örtlichen Besonderheiten geprägt sind. Seite 119 Umweltgesetzgebung Die vor diesem Hintergrund mögliche und erforderliche Rechtsetzung des Bundes konnte die der Wasserrahmenrichtlinie zugrunde liegende Konzeption nach Auffassung des Bundes nur in den wesentlichen Eckpunkten aufgreifen. Daneben musste den Ländern ausreichend Spielraum für die Ausfüllung des geschaffenen Rahmens durch landesrechtliche Regelungen gegeben werden; insbesondere mussten ihnen die fachlichen Kernstücke der Richtlinie für die Bestandsaufnahme und die Bewertung des Gewässerzustandes einschließlich der erforderlichen Überwachung und Darstellung zur Umsetzung und Ausfüllung überlassen bleiben. Im Rahmen der inzwischen angelaufenen Erarbeitung der Ländervorschriften ist von Betroffenen (Kommunen, Wirtschaft) auch für diese Bereiche bereits der Erlass einheitlicher Regelungen des Bundes auf der Grundlage der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit gefordert worden. Von Seiten der Wasserwirtschaftsverwaltungen der Länder sind im übrigen aus rechtlichen und praktischen Gründen immer wieder einheitliche Vorschriften des Bundes zur Umsetzung der in aller Regel detaillierten Vorgaben des EG-Rechts bevorzugt worden. Ein weiterer wichtiger Bereich im Wasserhaushaltsgesetz sind nach Auffassung des Bundes detaillierte, über den geltenden § 32 WHG weit hinausgehende Vorschriften zur Verbesserung des Hochwasserschutzes. Eine wirksamere Bekämpfung der Hochwassergefahren erfordere insbesondere einheitliche Standards und eine Regelung zum Ausgleich der Interessen zwischen Ober- und Unterlieger. Hierzu bedürfe es erweiterter Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes. IV. Länder: Ausschöpfung der verbesserten rechtlichen Möglichkeiten nach 1994 bzw. Inanspruchnahme durch den Bundesgesetzgeber Die durch die Verfassungsreform 1994 vorgesehene Möglichkeit, Bundesrecht unter bestimmten Voraussetzungen durch Landesrecht zu ersetzen ("Rückholklauseln", Art. 72 Abs. 3 und 125a Abs. 2 GG) sind bisher nicht praktisch geworden. Eine Verpflichtung des Bundes, den Ländern ein Rückholrecht einzuräumen, besteht nicht. Besoldungs- und Versorgungsrecht (Sicht der Länder) Seite 120 Besoldungs- und Versorgungsrecht (Sicht der Länder) Auftrag Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Art. 74 a GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziff. 1.1.1 und 1.3) Berichterstattung: HE, NI I. Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz durch den Bund auf dem Gebiet der Besoldung und Versorgung Aufgrund der zersplitterten und unübersichtlichen Rechtslage auf den Gebieten Besoldung und Versorgung in vorkonstitutioneller Zeit 72 hatte der Verfassungsgeber dem Bund zunächst eine Rahmengesetzgebungskompetenz in Artikel 75 Absatz 1 zugewiesen. Der erste gesetzgeberische Versuch des Bundes, einen Schritt zur Vereinheitlichung des Besoldungsrechts zu unternehmen, scheiterte in dem Verfassungsstreit mit dem Land Nordrhein-Westfalen. Das BVerfG hielt bundesgesetzliche Besoldungsobergrenzen für die Länder mit der (beschränkten) Rahmengesetzgebungskompetenz nicht für vereinbar 73. Der Bund erließ das Bundesbesoldungsgesetz 1957, um für die Besoldung seiner eigenen Bediensteten eine neue, strukturierte Basis zu schaffen (ausschließliche Gesetzgebungskompetenz nach Artikel 73 Nr. 8 GG). Das BBesG 1957 entwickelte Leitbildcharakter hinsichtlich Gesetzesaufbau und Regelungsmethode für die Besoldungsgesetze der Länder. Das Besoldungsgefälle zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und anderen Dienstherrn wurde nicht beseitigt; es vergrößerte sich im Laufe der Jahre sogar. Das Versorgungsrecht regelten Bund und Länder in ihren Beamtengesetzen je für sich. Das Beamtenrechtsrahmengesetz brachte erstmals gewisse Beschränkungen für die Länder auf diesem Gebiet 74. Das 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes 75 stärkte die Möglichkeit des Bundes, durch Rahmengesetz die Vereinheitlichung von Besoldung und Versorgung herbeizufüh72 Vgl. Schinkel / Seifert, in: GKÖD, Besoldungsrecht, A 050, S. 4 73 BVerfGE 4, 115, 129 74 BRRG v. 01.07. 1957 (BGBl. I S. 677), dort der IV. Abschnitt. 75 Vom 12. 5. 1969, BGBl. I S. 363. Seite 121 Besoldungs- und Versorgungsrecht (Sicht der Länder) ren, durch Hinzufügung zweier Absätze in Artikel 75 GG. Besoldungswettläufe der Dienstherrn führten seinerzeit zu der Forderung einer Vereinheitlichung des Besoldungs- und Versorgungsrechts. Die Änderung der Verfassung war angesichts der Rechtsprechung des BVerfG76 notwendig. Der Bund wurde ermächtigt, in Rahmengesetzen die Struktur und die Bemessung der Besoldung und die Bewertung der Ämter verbindlich festzulegen. Der Bundesgesetzgeber nutzte die verbesserte Regelungskompetenz unverzüglich77, seine Harmonisierungsbemühungen waren aber letztlich nicht so erfolgreich, wie erwartet. Eine Mehrzahl der Länder wollte ihre Selbstständigkeit so weit wie möglich wahren. Die Verfassung wurde erneut geändert. Das 28. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes 78 fügte den Artikel 74a ein, der Besoldung und Versorgung von der Rahmengesetzgebung in die konkurrierende Gesetzgebung überführte. Das Erste Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern von 1971 79, beinhaltete erstmals besoldungsrechtliche Bestimmungen, die für alle Dienstherren (Bund, Länder, Gemeinden und andere) gleichermaßen ohne Gestaltungsspielraum verbindlich waren. Weitere Bundesgesetze förderten die Annäherung der Besoldungssysteme bei Bund und Ländern80. Den Schlusspunkt der Vereinheitlichung der Besoldung brachte 1975 das Zweite Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern81. Das Bundesbesoldungsgesetz wurde als für alle Dienstherren geltendes Besoldungssystem neu bekannt gemacht. Das Bundesrecht regelt die Besoldung seit diesem Zeitraum grundsätzlich abschließend, soweit den Ländern nicht ausdrücklich Befugnisse eingeräumt werden (§ 1 Absatz 4 BBesG). Ein ebensolcher Rechtszustand auf dem Gebiet der Versorgung wurde durch das Beamtenversorgungsgesetz82 herbeigeführt. Mit seinem In-Kraft-Treten am 01.01.1977 wurden alle bis dahin bestehenden versorgungsrechtlichen Regelungen des Bundes und der Länder ungültig. 76 Oben unter I. 2. 77 Zweites Gesetz zur Neuregelung des Besoldungsrechts vom 14. 5. 1969 (BGBl. I S. 365) und nachfolgende Gesetze. 78 Vom 18. 3. 1971, BGBl. I S. 206. 79 1. BesVNG vom 18. 3. 1971, BGBl. I S. 208. 80 1. BesErhöhG v. 17.10.1972 (BGBl. I S. 2001), das die Anhebung der Besoldung vereinheitlichte, und das 2. BesErhöhG v. 05.11.1973 (BGBl. I S. 1569), das neben der Anpassung auch strukturelle Harmonisierung in bestimmten Bereichen bewirkte. 81 2. BesVNG vom 23.05.1975 (BGBl. I S. 1173). 82 BeamtVG vom 24.08.1976 (BGBl. I S. 2485). Besoldungs- und Versorgungsrecht (Sicht der Länder) Seite 122 Seit 1975 ist das Bundesbesoldungsgesetz zahlreichen Modifikationen (etwa 100 Änderungsgesetze 83) unterworfen worden, ohne dass der Grundsatz der abschließenden, einheitlichen und gesetzlichen Kodifizierung des Besoldungsrechts aufgegeben wurde. Dort, wo das Bundesbesoldungsgesetz (notwendigerweise) unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet, hat es mitunter den Spielraum der Länder im Vollzug durch die Maßgabe „unter Berücksichtigung der gemeinsamen Belange aller Dienstherren“ weiter eingeschränkt, siehe § 18 BBesG. Seit Mitte der 90er Jahre kommt etwas Bewegung in die Besoldungsgesetzgebung des Bundes und er nimmt seine alles prägende Gesetzgebungsbefugnis an verschiedenen Stellen zurück. Beispiele aus jüngerer Zeit: Gewährung von Leistungsprämien und -zulagen nach Maßgabe der jeweiligen Haushalte (§ 42a BBesG84), Zuschläge bei begrenzter Dienstfähigkeit (§ 72a BBesG85) oder Festlegung besonderer Stellenobergrenzen (§ 26 Absatz 3 BBesG86), die Bund und Länder je für sich regeln können. Noch im Jahre 1996 hatten sich die Länder gegen eine Aufweichung der Stellenobergrenzenregelungen gewehrt87. Der Bund hatte weitergehende Öffnungen des Besoldungsrechts beabsichtigt, die am mehrheitlichen Widerstand der Länder gescheitert sind. Beispiel: Einführung von Bandbreitenbewertung bei den Eingangsämtern und ersten Beförderungsämtern im gehobenen und höheren Dienst (sog. Bandbreitenämter)88. Es liegt in der erklärten Absicht der jetzigen Bundesregierung, auch das Besoldungsrecht zu deregulieren89. Wird diese Absicht in Gesetzesentwürfen umgesetzt, würde die Einheitlichkeit des Besoldungsrechts zugunsten der Selbstständigkeit der Dienstherren gelockert. Die Entwicklung des Beamtenversorgungsgesetzes, das in den zurückliegenden 25 Jahren ebenfalls mannigfach geändert wurde90, verlief bis zur Gegenwart gänzlich anders. 83 Vgl. Kümmel / Pohl, Änderungstabelle in Gruppe 1 / Register 2; Schwegmann / Summer, Änderungstabelle unter I / 1 84 Eingefügt durch Artikel 3 Nr. 14 des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts – ReformG – vom 24.02.1997 (BGBl. I S. 322) 85 In der Fassung des Artikel 1 Nr. 18 des 6. BesÄndG vom 14.12.2001 (BGBl. I S. 3702). 86 In der Fassung des Artikel 1 Nr. 3 BesStruktG vom 21.06.2002 (BGBl. 2138). 87 Ablehnende Stellungnahme des Bundesrates zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstes der Bundesregierung vom 06.03.1996 (BT-Drucksache 13/3994, S. 64). 88 Stellungnahme des Bundesrates vom 09.03.2001 zu Artikel 1 Nrn. 1, 2 und 10 BesStruktG (BR-Drs. 51/01). 89 Regierungsprogramm „Moderner Staat — moderne Verwaltung“; kritisch: Summer, ZBR 2000, 299. 90 Kümmel, Beamtenversorgungsgesetz, Änderungsübersicht Band 1 Register 2. Seite 123 Besoldungs- und Versorgungsrecht (Sicht der Länder) Der Bundesgesetzgeber verzichtete von Anfang an darauf, den Ländern durch Öffnungsklauseln eigenen Gestaltungsspielraum zu geben. Forderungen einzelner Länder, die Versorgung der Landesbeamten in die Gesetzgebungskompetenz der Länder zurückzugeben, haben— anders als auf dem Gebiet der Besoldung — kaum eine Chance gehabt; die Länder haben sich bisher mit großer Mehrheit zur Einheitlichkeit der Versorgung bekannt 91. Sofern die Länder größere besoldungsrechtliche Spielräume erhalten, wird im Hinblick auf die Verzahnung der beiden Rechtsgebiete Besoldung und Versorgung und die Rückwirkungen besoldungsrechtlicher auf versorgungsrechtliche Bestimmungen die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz für die Versorgung erneut zu stellen sein. II. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das BVerfG hatte sich auf Antrag der Bundesregierung im Rahmen eines Normenkontrollverfahren gegen das Land Hessen mit der Frage zu befassen, ob das 28. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes mit Artikel 79 Absatz 3 GG vereinbar ist, der den Ländern einen eingriffsfesten Kern eigenstaatlicher Substanz garantiert 92. Durch das Änderungsgesetz erhielt der Bund die Befugnis, Besoldung und Versorgung nicht mehr nur rahmengesetzlich, sondern im Rahmen konkurrierender Gesetzgebung voll zu regeln93 und damit wesentlich und unmittelbar in die Dienstverhältnisse der Länder einzugreifen. Das BVerfG94 sieht in der Einfügung des Art. 74a GG einen erheblichen Eingriff in die Eigenstaatlichkeit der Länder, hält ihn aber mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar. Die Ausübung der Gesetzgebungskompetenz sei gebunden durch die verfassungsrechtliche Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten. Aus ihr folge, dass der Bund unabhängig von den Grenzen des Art. 72 Abs. 2 GG, die Regelung der Besoldung und Versorgung der Landesbeamten so treffen müsse, dass den Ländern die Möglichkeit offen bleibe, im Zuge von Reformen und strukturellen Änderungen ihrer Organisation Ämter mit neuem Amtsinhalt einschließlich ihrer der Struktur der Bundesbesoldungsordnung für Landesbeamte entsprechenden besoldungsrechtlichen Einstufung in eigener Verantwortung zu schaffen. Diese Beschränkung in der Ausübung der Kompetenz sei vom Bundesverfassungsgericht in vollem Umfang überprüfbar. Unter diesen Umständen könne offen bleiben, ob das Nebeneinander der Kompetenz aus 91 Vgl. Abstimmung zu dem Entschließungsantrag Bayerns zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortsetzung der Dienstrechtsreform (BR-Drs. 589/5/99). 92 BVerfG vom 26.07.1972 – 2 BvF 1/71 – BVerfGE 34, 9, 20. 93 Vgl. oben I. Nr. 6. 94 BVerfG aaO; vgl. auch v. Münch / Kunig, GG-Kommentar, Art. 74a RN 2 m. w. N. Besoldungs- und Versorgungsrecht (Sicht der Länder) Seite 124 Art. 74a GG und aus Art. 75 Nr. 1 GG dazu führt, dass der Bund von seiner konkurrierenden Kompetenz erst Gebrauch machen darf, wenn seine Kompetenz zur Rahmengesetzgebung nicht ausreicht, um das notwendige Maß der Vereinheitlichung des Besoldungsrechts für Bundes- und Landesbeamte herbeizuführen. III. Europatauglichkeit Die Kompetenznorm Artikel 74a GG steht im Einklang mit europäischem Recht. Sie ist in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 GG so ausgebildet, dass notwendige Anpassungen an europäisches Recht uneingeschränkt möglich sind. Das (materielle) Besoldungsrecht steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Europarecht. Der Europäische Gerichtshof 95 betrachtet Beamte als Arbeitnehmer und nimmt die spezifischen Inhalte des Dienstverhältnisses nicht wahr, wie sie vom nationalen Recht geprägt sind. So ist gegenwärtig umstritten, ob die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Abgeltung von Mehrarbeit bei Teilzeitkräften zu berücksichtigen ist96. Falls erforderlich, wäre die Mehrarbeitsvergütungsverordnung zu modifizieren. Auf Grund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs 97 werden bei der Ermittlung des Besoldungsdienstalters nunmehr auch Dienstzeiten im europäischen öffentlichen Dienst berücksichtigt 98. Auch das (materielle) Versorgungsrecht weist Spannungen zum europäischen Recht auf. Es betrifft die nach europäischem Recht 99 nicht zulässige Anrechung ausländischer Renten auf Versorgungsansprüche (§ 55 Absatz 8 BeamtVG). Dies bleibt nicht ohne Konsequenz für die Berücksichtigung ausländischer Dienstzeiten, die in Mitgliedsstaaten und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zurückgelegt wurden. IV. 95 Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, Rechts- und Wirtschaftseinheit EuGH vom 3. 7. 1986 – Rs. 86/85 – DVBl. 1986, 883; EuGH vom 15.12.1994 – C 399/92 –, Slg. 1994 I 5727; EuGH vom 02.10.1994 – C 1/95 – Slg. 1997 I S. 5253 = ZBR 1999, 159. 96 VG Minden vom 22.05.2002 – 4 K 2238/00 – n. v. 97 Vgl. BayVGH vom 09.11.1998 – 3 B 96.34 – DVBl. 1999, 327; VG Oldenburg vom 25. 3. 1999 – 6 A 4730/97 – n. v. 98 Artikel 1 Nr. 8 des 6. BesÄndG v. 14.12.2001 (BGBl. I S. 3702). 99 Verordnung 1408/71/EWG; Verordnung 574/72/EWG; Verordnung 1606/98/EG. Seite 125 Besoldungs- und Versorgungsrecht (Sicht der Länder) Die Frage, ob und in wie weit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht, wird sehr kontrovers diskutiert: Für die einen steht der Aspekt der Rechtseinheit für das Besoldungs- und Versorgungsrechts mehr noch im Vordergrund als für das Statusrecht. Die Entwicklung von einer zersplitterten, weil bundesgesetzlich nicht geprägten Rechtsmaterie (Landesbesoldungs- und Versorgungsrecht) über eine Rahmengesetzgebungskompetenz zu einer verdrängenden Vollregelungskompetenz zeige das Bemühen, einen ungeregelten Wettbewerb der Dienstherrn zurückzudrängen. Besoldung und Versorgung sollten wettbewerbsneutral sein. Insbesondere eine Welle von Strukturveränderungen in der Lehrerbesoldung der Länder und die sich daraus ergebenden Kettenreaktionen hätten seinerzeit zu Recht zu der Erkenntnis geführt, dass die Rechtseinheit nur durch Abkehr von einem finanziell immer kostspieliger werdenden "Besoldungsföderalismus" und durch die Übertragung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz auf den Bund gewahrt werden könnte. Für sie sind die mit dem Dienstrechtsreformgesetz eingeleiteten und mit dem Besoldungsstrukturgesetz fortgesetzten Bestrebungen zur Erweiterung der Gestaltungsspielräume der richtige Weg. Für die anderen steht der Aspekt der Personalhoheit der Länder im Vordergrund. Ihnen scheint es in Zeiten leerer Kassen mehr Befürchtung als Realität zu sein, dass sich aufgrund der unterschiedlichen finanziellen Rahmenbedingungen der Dienstherrn die einheitlichen Besoldungsstrukturen in Bund, Ländern und Gemeinden auseinander entwickeln. Weder werde es zwangsläufig zu einem unerwünschten Besoldungssplitting noch zu einer Abwanderung qualifizierter Beamte in finanzstarke Länder kommen. Eher besteht nach dieser Auffassung für finanzschwächere Länder mit hohem Investitionsaufwand, insbesondere für die neuen Länder, künftig eher die Möglichkeit, politisch zu entscheiden, ob der Investitionstätigkeit oder der Besoldungserhöhung der Vorzug eingeräumt werden soll. Der behauptete Wettbewerb müsse keineswegs eintreten. Vielmehr werde mit der nun zu beobachteten Praxis der isolierten Aufweichung von Bundesvorgaben im Interesse einzelne Länder einem einseitigen Besoldungssplitting eher Vorschub geleistet. Ferner habe das bundeseinheitlich geregelte Besoldungsrecht erhebliche Reflexwirkung auf das Dienstrecht, indem es an sich dienstrechtliche Regelungen nicht erlaubt, weil die an sich notwendige besoldungsrechtliche Regelung mangels Gesetzgebungskompetenz nicht erlaubt oder wesentlich erschwert werde. Ein prägnantes Beispiel hierfür sei die (zunächst nicht vorhandene) Regelung über die Altersteilzeit der teilzeitbeschäftigten Beamten: Obwohl das BRRG eine differenzierte Ausgestaltung erlaubt habe, seien bundesrechtliche Vorgaben des Besoldungsrechts zunächst hinderlich gewesen. Besoldungs- und Versorgungsrecht (Sicht der Länder) Seite 126 Die weitest gehende Auffassung hält die Überführung der Gesetzgebungskompetenz für das Besoldungs- und Versorgungsrecht auf die Länder für unverzichtbar, da grundlegende Reformen im Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrecht sonst nicht möglich seien. Andere halten die Überführung mindestens des Besoldungsrechts in eine eingeschränkte Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für angebracht. Andere halten die Beibehaltung der konkurrierenden Gesetzgebung im Versorgungsrecht für eher für richtig. V. Leistungsfähigkeit der Länder Ein Abgehen von der weitgehenden Einheitlichkeit des (materiellen) Besoldungs- und Versorgungsrechts wird von einem Teil der Länder in Verbindung gebracht mit Wettbewerbsverzerrungen zugunsten finanzkräftiger Länder. Andere bezweifeln, dass es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen werde und sehen im Gegenteil in der Stärkung der Gesetzgebungskompetenzen der Länder die Chance zu höherer Leistungsfähigkeit. Vgl. Ausführungen zu IV.. VI. Deutsche Einheit Der Einigungsvertrag100 hat zu Überleitungsregelungen im Besoldungsrecht geführt (§ 73 BBesG sowie die darauf beruhende Zweite Besoldungsübergangsverordnung 101). Dies ist die Grundlage für die abgesenkte Besoldung in den neuen Bundesländern. Es ist politisch beabsichtigt, das Besoldungsgefälle in den nächsten Jahren anzugleichen. Das Problem der Ungleichbesoldung hat auch bereits mehrfach das Bundesverwaltungsgericht beschäftigt, das hier (noch) keinen Verfassungsverstoß erkennt 102. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 103 steht noch aus. Ebenso hat der Einigungsvertrag zu einer Ergänzung des Versorgungsrechts geführt (§ 107a BeamtVG, Beamtenversorgungs-Übergangsverordnung 104). Entsprechend der Besoldung ist auch die Versorgungsniveau in den neuen Bundesländern abgesenkt. Die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Absenkung betrifft damit auch das Versorgungsrecht. 100 Einigungsvertrag vom 23.09.1990 (BGBl. I S. 885), Anlage I Kapitel XIX. 101 2. BesÜV v. 27.11.1997 (BGBl. I S. 2764). 102 BVerwG vom 20.01.2000 – 2 C 6.99 – ZBR 2000, 271. 103 Verfahren 2 BvL 3/00 auf Vorlagebeschluss des VG Dresden vom 21.12.1999 – 2 K 3149/98 – ZBR 2000, 176. 104 BeamtVÜV vom 19.03.1993 (BGBl. I S. 370). Seite 127 VII. Besoldungs- und Versorgungsrecht (Sicht der Länder) Schnittstelle zur Arbeitsgruppe Finanzen Es bestehen keine Berührungspunkte. VIII. Schnittstelle zur Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu europapolitischen Themen Die aufgezeigten Spannungsverhältnisse zwischen nationalem Besoldungs- und Versorgungsrecht zu den europarechtlichen Standards für Arbeitnehmer zeigen Berührungspunkte mit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe an. Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten (Sicht der Länder) Seite 128 Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten (Sicht der Länder) Auftrag Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die Rahmengesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 2.1 und 2.3). Berichterstattung: HE, NI I. Inanspruchnahme der Rahmengesetzgebungskompetenz durch den Bund Der Bund hat von Anfang an seine Rahmengesetzgebungskompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GG intensiv wahrgenommen. Bereits das erste BRRG vom 1. Juli 1957 (BGBl. I S. 667) hat auf der Grundlage der durch das erste endgültige BBG vom 14. Juli 1953 (BGBl. I S. 551) erreichten Vereinheitlichung des Beamtenrechts auf Bundesebene das Ziel verfolgt, ein einheitliches deutsches Beamtenrecht in Bund, Ländern und Kommunen zu schaffen. Es war „in Wahrheit weitaus mehr als Rahmenrecht. Unter dem politischen Konsens über die Notwendigkeit eines bundeseinheitlichen Beamtenrechts legte man die Rahmenkompetenz des Bundes so großzügig aus, dass schließlich den Ländern für ihre Beamtengesetzgebung nichts mehr zu regeln übrig blieb. Die Rahmenkompetenz des Bundes war durch die politische Praxis und unter Stillschweigen des BVerfG zu einer vollen Bundeskompetenz geworden.“ (Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, 2. Auflage, 1993, S.522). Daran hat sich in der Folgezeit nichts geändert. Das BRRG und seine Handhabung durch den Bund festigte die Einheitlichkeit des Beamtenrechts in Bund und Ländern. Der ohnehin sehr geringe Regelungsspielraum nach dem 1. BRRG von 1957 wurde durch spätere Gesetzesänderungen nicht erweitert, sondern zumeist durch sehr detaillierte Regelungen weiter eingeengt. Dies gilt bis zur Änderung der Art. 72 und 75 GG durch das Gesetz vom 27. 10. 1994 z. B. für die folgenden Ergänzungen und Änderungen des BRRG: • Teilzeit und Beurlaubung für Beamtinnen (Art. 1 des Sechsten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 31. 3. 1969 - BGBl. I S. 257) Seite 129 Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten (Sicht der Länder) • Teilzeit aus arbeitsmarktpolitischen Gründen (Art. 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. 5. 1980 -BGBl. I S. 561) • Urlaub aus arbeitsmarktpolitischen Gründen (Art. 1 des Fünften Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 25. 7. 1984 -BGBl. I S. 998) • Versagung von Nebentätigkeiten (NebentätigkeitsbegrenzungsG vom 21. 2. 1985 –BGBl. I S. 371) • Ausgleichsregelung für berufliche Nachteile von Frauen (Art. 1 des Achten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 30. 6. 1989 – BGBl. I S. 1282) • Personalaktenrecht (Art. 2 des Neunten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 11. 6 1992 – BGBl. I S. 1030) • Teilzeit und langfristige Beurlaubung (Art. 1 des Elften Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. 5. 1994 – BGBl. I S. 1078) Es ist aber auch richtig, dass die im Bund-Länder-Arbeitskreis für Beamtenrechtsfragen, der 1969 zur Begleitung der Arbeiten der Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechtes gebildet wurde, vorbereiteten Gesetzesvorhaben zumeist von allen oder doch der Mehrheit der Länder unterstützt worden sind, der Bund sich also bei der Wahrnehmung seiner Rahmenkompetenz im Konsens mit den Ländern befand. Aber auch nach der Änderung des GG von 1994 stand zunächst die Rechtseinheit des Beamtenrechts im Vordergrund. Dies belegen z. B. die folgenden Änderungen des BRRG, in denen weitgehend alle Einzelheiten für die Länder verbindlich geregelt werden, gelegentlich verbunden nur mit der Möglichkeit, auf die Übernahme in Landesrecht gänzlich zu verzichten: • Führungsfunktionen auf Zeit und auf Probe, Abordnungen und Versetzungen (DienstrechtsreformG vom 24. 2. 1997 - BGBl. I S. 322) • Einschränkungen von Nebentätigkeiten (Art. 1 des Zweiten NebentätigkeitsbegrenzungG vom 9. 9. 1997 - BGBl. I S. 2294) • Einführung der begrenzten Dienstfähigkeit und Ausweitung des Altersurlaubs (Art. 1 des VersorgungsreformG 1998 vom 29. 6. 1998 - BGBl. I S. 1666) Es gelang nicht, den Ländern in der Form von Öffnungsklauseln für einzelne Bereiche mehr Gesetzgebungsspielräume für länderspezifische Erfordernisse zuzugestehen. Dies betraf z. B. die Ermöglichung des Vorruhestandes bei Personalüberhang oder die Einführung von Führungsfunktionen auf Zeit lange vor dem DienstrechtsreformG vom 24. 2. 1997. Dies hatte zur Folge, dass einzelne Länder zu kompetenzrechtlich problematischen Umwegregelungen griffen. So hatten einige Länder den Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten (Sicht der Länder) Seite 130 Vorruhestand auf der Grundlage von Sonderurlaub gestattet und Führungsfunktionen auf Zeit durch Landesgesetze eingeführt. Für die Zukunft zeichnet sich jetzt aber ab, dass der Bund nicht länger an seiner bisher umfassend verstandenen Rahmengesetzgebungskompetenz für das Beamtenrecht festhalten wird, sondern den Ländern mehr gesetzgeberischen Spielraum nach Maßgabe der Grundgesetzänderung von 1994 einräumen wird. Dies zeigen Äußerungen aus dem BMI, mehr als bisher Öffnungsklauseln für die Länder zuzulassen, wenn diese es wünschen. Für ein vom o.g. Arbeitskreis am 10. Mai 2001 beschlossener Entwurf für eine grundlegende Überarbeitung des BRRG, soll nach Auskunft des BMI in der nächsten Legislaturperiode das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden. Das BundespersonalvertretungsG enthält nur wenige und viel Regelungsspielraum gewährende Rahmenvorschriften für die Landesgesetzgebung (§§ 94 - 106 BPersVG). Dies hat dazu geführt, dass in einigen wichtigen Punkten abweichende Entwicklungen stattgefunden haben, die z. B. im Rahmen der Überprüfung des Mitbestimmungsgesetzes Schleswig Holstein Gegenstand der Entscheidung des BVerfG vom 24. 5. 1995 (BVerfGE 93,37) gewesen sind. Dies gilt u.a. für Regelung der Mitbestimmung auf der Grundlage von Generalklauseln und das den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften eingeräumte Vereinbarungsrecht für allgemeine Regelungen. Im Disziplinarrecht gibt es keine rahmenrechtlichen Regelungen. Die bisherige Bundesdisziplinarordnung und das neue BundesdisziplinarG vom 9. Juli 2001 (BDG) verstanden und verstehen sich als Musterregelungen für das Disziplinarecht in den Ländern. Damit waren Abweichungen im einzelnen aber auch im grundsätzlichen möglich. Davon ist auch - wenn auch nicht sehr umfangreich - Gebrauch gemacht worden. Insbesondere beruht das neue BDG auf der reformerischen Umgestaltung des DisziplinarG Rheinland-Pfalz. Mit dem neuen BDG wird das Ziel verfolgt, den Ländern wieder eine als Vorbild dienende Musterregelung zum Erhalt eines möglichst einheitlichen Disziplinarrechts vorzugeben. Die Ländervertreter im Arbeitskreis für Beamtenrechtsfragen haben grundsätzlich zugesagt, ihr Landesrecht entsprechend zu novellieren. Seite 131 II. Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten (Sicht der Länder) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts • Das BVerfG hat sich in einer frühen Entscheidung vom 1. 12. 1954 (BVerfGE 4, 115ff.) aus Anlass der Überprüfung des LBesG NRW mit der Auslegung von Rahmenvorschriften im Sinne des damals geltenden Art. 75 GG im Allgemeinen und mit der Zulässigkeit bundesgesetzlicher Rahmenvorschriften für das Besoldungsrecht der Länder im Besonderen befasst. Danach „ist die Beamtenschaft ein bedeutsames Element der eigenstaatlichen Organisation der Länder" und deshalb besteht „ein besonders starkes und legitimes Interesse der Länder als Dienstherren, das Recht ihrer Beamten selbst zu ordnen“ (BVerfG a.a,O. S. 136). Insgesamt hat der Bundesgesetzgeber danach zwar das Recht, alle wesentlichen Fragen des Beamtenverhältnisses vereinheitlichend zu regeln, muss dabei aber die allgemeinen Grenzen für die Rahmengesetzgebung einhalten. Diese sind allerdings nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht generell zu bestimmen, sondern jeweils besonders für die einzelnen Materien des Art 75 (BVerfG a.a.O. S. 136). Im übrigen besteht keine Rechtsprechung des BVerfG zum zulässigen Umfang der Inanspruchnahme der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers für das Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten. • Die Kompetenznorm bezieht sich auf die in ihr genannten "Dienstherren", also auf die Länder, die Gemeinden und die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Der Bund selbst ist nicht an die Rahmengesetzgebung gebunden. Ihm steht für die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu (Art. 73 Nr. 8 GG). • Die Rahmengesetzgebungskompetenz lässt Regelungen zu für Beamte, Angestellte und Arbeiter, aus Gründen der Verfassungsautonomie aber nicht die Mitglieder einer Landesregierung. • Art 75 Abs. 1 Nr.1 wird vom BVerfG weit ausgelegt (BVerfGE 61, 149ff. (202). Daher erstreckt sich die Gesetzgebungskompetenz auf alle Fragen der rechtlichen Beziehungen, die zwischen Dienstherrn und Dienstnehmer bestehen, also der Begründung, Beendigung und der Nachwirkungen von Dienstverhältnissen sowie sämtliche Rechte und Pflichten hieraus. • Der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 33 Abs. 5 GG kommt maßgebliche Bedeutung zu für den Mindestregelungsbedarf des Rahmenrechts. Zu den hierfür wichtigsten vom BVerfG anerkannten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gehören u.a. das Lebenszeitprinzip sowie die hauptberufliche Bindung, das Leistungsprinzip, das Laufbahnprinzip, die amtsangemessene Verwendung, die Treue- und Fürsorgepflicht, Verfassungstreuepflicht und Streikverbot (vgl. z. B. Battis, BBG, 2. Auflage, 1997, § 2 RZ 11). Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten (Sicht der Länder) III. Seite 132 Europatauglichkeit Das BRRG hat sich in der Vergangenheit als ausreichend bei der Umsetzung von europäischem in nationales Recht erwiesen. Durch Art. 1 des Zehnten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. 12. 1993 (BGBl I S. 2136) ist u.a. in Umsetzung der Freizügigkeitregelung des EWG Vertrages das Beamtenrecht für Staatsangehörige von Mitgliedsstaaten der EG geöffnet und der Erwerb der Laufbahnbefähigung auf der Grundlage der Richtlinie über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome (89/48/EWG) geregelt worden. Der unter 1. angeführte Entwurf zur Änderung des BRRG enthält weitere Einzelregelungen zur Anpassung an das Europarecht. Für den Bereich des Dienstrechts ergeben sich nach dem Ergebnis der MPK vom 13. Juni 2002 (Top 1.1) wegen der EU - Erweiterung und der Arbeiten des Konvents zur Zukunft der EU keine Problemstellungen. IV. Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, Rechts- und Wirtschaftseinheit Bisher stand der Aspekt der Rechtseinheit im Vordergrund. Ein einheitliches Beamtenrecht in Bund und Ländern war - wie unter 1. dargestellt - in der Vergangenheit ein weitgehend von allen akzeptiertes Leitziel. Nach der Begründung des Entwurfs zum 1. BRRG soll das im BRRG geregelte Statusrecht der Beamtinnen und Beamten die verfassungsgemäße Einrichtung (Art. 33 Abs. 4 und 5 GG) des Berufsbeamtentums in den Ländern, Gemeinden und sonstigen Körperschaften auf Landesebene festigen, damit die besondere Eigenart, die das Berufsbeamtentum nach deutscher Rechtstradition kennzeichnet und durch das es sich von anderen Formen des öffentlichen Dienstes unterscheidet, einheitlich gewahrt bleibt. Aber auch in diesem Rahmen wäre in Einzelfällen gleichwohl eine Lockerung der Bundeskompetenz, etwa nach Maßgabe der 1994 vorgenommen Änderung des GG, wünschenswert gewesen. Die entscheidende Frage ist, ob im Dienstrecht überhaupt die Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse ein Bundesgesetz erforderlich macht (Art. 72 Abs. 2 GG) und dem Bund die (eingeschränkte) Rahmengesetzgebung zustehen soll (vgl. CdS-Papier Ziffer. 2.1) oder ob die Voraussetzungen der seit 1994 geltenden Erforderlichkeitsklausel nicht vorliegen und die Gesetzgebungskompetenz den Län- Seite 133 Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten (Sicht der Länder) der ausschließlich zustehen soll (vgl. CdS-Papier Ziffer 2.3 i.V.m. 2.2). Dies wird kontrovers diskutiert: • Die Ministerpräsidenten der Länder BW, BY und HE haben in ihrem gemeinsamen Positionspapier "Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung - Stärkung der Eigenverantwortung der Länder" vom 8. 7. 1999 zunächst die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes im Prinzip nicht in Frage gestellt. • Im Jahre 2000 hat BY im Bundesrat die Rückübertragung der Gesetzgebungskompetenz für das Dienstrecht in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder verlangt (Antrag des Freistaates Bayern zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortsetzung der Dienstrechtsreform zur 750. Sitzung des BR am 7. 4. 2000 – BR-Drs. 589/99). Der Antrag ist vom Bundesrat mehrheitlich abgelehnt worden. • Die bundeseinheitliche Struktur des Dienstrechts ist bereits heute nicht gewährleistet, da das BRRG nicht für den Bund und seine Beamtinnen und Beamten gilt. • Vereinheitlichtes Beamtenrecht steht bundeseinheitlichem Tarifrecht gegenüber; Beamten- und Tarifrecht würde sich weiter auseinander entwickeln. • Ein einheitliches Beamtenrecht könnte den Personalwechsel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erleichtern und so zur notwenigen Mobilität der Angehörigen im öffentlichen Dienst beitragen, zumal bei Dienstellen verschiedener Dienstherren am selben Ort. Es wird zu klären sein, ob dies auch durch Koordination und Kooperation zwischen Bund und Ländern erreicht werden könnte. V. Leistungsfähigkeit der Länder Da die Bundesländer derzeit nach Größe und Verwaltungskraft sehr unterschiedlich sind, wird ein Abgehen von der weitgehenden Einheitlichkeit des Beamtenrecht von einigen Ländern in Verbindung gebracht mit Wettbewerbsverzerrungen zugunsten finanzstärkerer Länder, insbesondere bei der Personalgewinnung. Andere sind der Auffassung, dass diese nicht zwingend eintreten werden und sehen in der eingeschränkten Rahmengesetzgebungskompetenz und mehr noch in der Rückführung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder die Chance zu höherer Leistungsfähigkeit. Auch ohne rahmenrechtliche Bindungen ist insbesondere im Hinblick auf die ausdifferenzierte Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 33 Abs. 5 GG die Annahme nicht abwegig, dass die Beamtengesetze des Bundes, möglicherweise aber auch das Beamtengesetz eines anderen Landes, als Vorlage genutzt werden. Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten (Sicht der Länder) VI. Deutsche Einheit Seite 134 Aufgrund des Einigungsvertrages ist das BRRG im notwendigen Umfang ergänzt worden (vgl. z.B. § 122 Abs. 2 Satz 2 BRRG). Weitere Regelungen erscheinen derzeit nicht erforderlich. VII. Schnittstelle zur Arbeitsgruppe Finanzen Es bestehen keine Berührungspunkte. VIII. Schnittstelle zur Bund/Länder Arbeitsgruppe zu europapolitischen Themen Es werden keine Berührungspunkte zur Arbeitsgruppe gesehen. Seite 135 Allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens Allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens Auftrag Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die Rahmengesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 2.1, 2.3). Berichterstattung: BW, BE I. Entstehung, Normbereich 1. Die 1969 mit dem Ziel von mehr Einheitlichkeit im Bildungswesen zusammen mit Art. 91a (u.a. Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau) und Art. 91b (Zusammenwirken bei Bildungsplanung/Forschungsförderung) in Art. 75 Abs. 1 Satz 1 GG eingefügte Nr. 1a ist Ergebnis eines Vermittlungsverfahrens zu der ursprünglich vom BT beschlossenen Fassung (Rahmenkompetenz für „die Bildungsplanung und das Hochschulwesen“). Die geltende Fassung ist eine Kompromissformel, mit der die damaligen Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern über die Reichweite der Kompetenz mit einer Einschränkung auf ‚allgemeine Grundsätze‘ überbrückt wurden. Frühere Pläne der Bundesregierung, den Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung um die Zuständigkeit für das Hochschulwesen zu erweitern, sind nicht wieder aufgegriffen worden. 2. Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG hat der Bund das Recht - unter den ergänzenden Voraussetzungen des Art. 72 GG - Rahmenvorschriften über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens für die Gesetzgebung der Länder zu erlassen. Im Verhältnis zu den Ländern ist die Gesetzgebungskompetenz des Bundes dabei in zweifacher Weise eingeschränkt: - Das Gesetzgebungsrecht des Bundes ist auf den Erlass von Rahmenvorschriften beschränkt, die den Ländern genügend Spielraum für eine inhaltliche Ausfüllung lassen müssen und nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten dürfen, - der Bund hat ein Gesetzgebungsrecht nur, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der rechtsoder wirtschaftseinheitlich gesamtsstaatlichen Interessen eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens Seite 136 Nach Auffassung der Länder kann der Bund aufgrund seiner Rahmenkompetenz nur allgemeine Grundsätze regeln; der Vergleich mit anderen Gesetzgebungsmaterien des Art. 75 mache deutlich, dass insoweit im Hochschulbereich eine noch stärkere Eingrenzung für die Rahmenkompetenz des Bundes vorgesehen sei als bei den Regelungsbereichen, die ohne eine entsprechende Beschränkung auf allgemeine Grundsätze genannt werden. Nach Auffassung des Bundes sollten die Worte „allgemeine Grundsätze“ nach den Beratungen des Vermittlungsausschusses, die 1969 zur Formulierung der Rahmenkompetenzen im Bereich des Hochschulwesens geführt haben, lediglich verdeutlichen, dass im Ergebnis keine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes - wie von der FDP damals gefordert -, sondern eine Rahmengesetzgebungskompetenz geschaffen wurde (Mündlicher Bericht des Berichterstatters des VA, 222. Sitzung des Deutschen Bundestages, S. 12056 ff (12059)). Dafür spreche auch die 1994 erfolgte Einfügung des Art. 75 Abs. 2 GG, der bei allen Regelungsmaterien des Absatz 1 in Ausnahmefällen auch in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen ausdrücklich zulässt. 3. Die Gestaltung des Hochschulwesens ist verfassungsrechtlicher Auftrag und ein wesentliches Element der Eigenstaatlichkeit der Länder (Art. 30, 70, 83 GG). Der Bund hat hier allerdings Teilkompetenzen - neben Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG sind dies vor allem: - - Art. 32 Abs. 1 und Art. 73 Nr. 1 (Auswärtige Kulturpolitik) Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 (Ausbildungsförderung und Förderung der wissenschaftlichen Forschung) Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (Rahmengesetzgebungskompetenz zum öffentlichen Dienstrecht, soweit dem Bund nach Art. 74a GG - für die Besoldung und Versorgung - und nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG - für das Arbeitsrecht nicht die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis zusteht) Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 (Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau) Art. 91b (Möglichkeit des vertraglichen Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Bildungsplanung und der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben wissenschaftlicher Forschung von überregionaler Bedeutung) Seite 137 Allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens II. Bisherige Handhabung und Reformüberlegungen 4. Nach Auffassung der Länder hat der Bund von der Kompetenz des Art. 75 (Abs. 1 Satz 1) Nr. 1a GG ab 1976 durch das zwischenzeitlich sechsmal novellierte Hochschulrahmengesetz (HRG) in vergleichsweise extensiver Weise Gebrauch gemacht. Das Gesetz enthält neben Grundsatzaussagen detaillierte Bestimmungen u.a. zu Studium und Lehre, für die Zulassung zum Studium, über das wissenschaftliche und künstlerische Personal sowie hochschulorganisatorische Regelungen wie die Einführung der verfassten Studierendenschaft. Die Bestimmungen über die Pflicht zur Koordinierung der Ordnung von Studium und Lehre (§ 9 HRG), die arbeitsrechtlichen Bestimmungen der §§ 57a bis 57f HRG und ihre Anwendung auf staatlich anerkannte Hochschulen (§ 70 Abs. 5 HRG) gelten nach § 72 Abs. 1 HRG unmittelbar; § 72 HRG schreibt entsprechend Art. 75 Abs. 3 GG Fristen für die Anpassung des Landesrechts vor. Die arbeitsrechtlichen Bestimmungen beruhen auf der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG). Nach Auffassung des Bundes ist die Kritik der Länder an dem Umfang der Inanspruchnahme der Regelungskompetenz durch den Bundesgesetzgeber spätestens seit der 4. HRG-Novelle von 1998 nicht berechtigt, da - das Gesetz mit dieser Novelle massiv dereguliert wurde, - das 4. HRGÄndG mit den Ländern abgestimmt wurde und - weitergehende Deregulierungsvorschläge des Bundes - wie die völlige Streichung des 4. Kapitels - von den Ländern abgelehnt wurden. In dem damaligen Regierungsentwurf heißt es hierzu (BT-Drs. 13/8796, S. 14): „Damit die Hochschulen den für die Verwirklichung der Reformvorstellungen notwendigen Freiraum erhalten, muss das bestehende Bundes- und Landesrecht gleichzeitig in erheblichem Maße dereguliert werden. Für das HRG heißt dies, dass es auf einen Kernbestand von Vorschriften beschränkt werden soll, der für ein Hochschulsystem des 21. Jahrhunderts unbedingt bundeseinheitlich geregelt werden muss.“ 5. Überblick über Reformüberlegungen zu Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG: Die Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente hat im Jahr 2000 Streichung dieser Kompetenz empfohlen mit der Begründung, dass das HRG den Ländern bei der Gestaltung ihres Hochschulwesens in vielfältiger und unnötiger Weise Fesseln angelegt habe, die sie gehindert haben, ihr Hochschulwe- Allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens Seite 138 sen sachgerecht zu gestalten; das deutsche Hochschulwesen könne durch stärker konkurrierende Systeme an Qualität gewinnen. Streichung hat ebenfalls empfohlen die Enquete-Kommission des bayerischen Landtages (LT-Drs. 14/8660, S. 21). Hauptbegründung: Das HRG enthalte zu detaillierte Vorgaben. Gerade im Bereich des Hochschulwesens könne der angestrebte Wettbewerb um die besten Ideen Wirkung entfalten. Ein Mitglied der Kommission vertrat demgegenüber die Auffassung, „dass die wissenschaftlichen Hochschulen ihre Aufgabe freier Forschung und Lehre und ihren Anteil an Bildung und Kultur in Deutschland nur sachgerecht und wirksam - auch im Hinblick auf den Austausch mit der Wissenschaft des Auslandes - wahrnehmen können, wenn durch Bundesrecht die organisatorische und funktionale Grundform der Rechtsgestaltung der Universitäten gewährleistet wird. Diese bundesstaatliche Zuordnung des Hochschulwesens, das sich für wechselnde Experimente von Land zu Land nur in untergeordneten Regelungsbereichen eignet, ist zugleich die notwendige Voraussetzung für einen „Wettbewerb um die besten Ideen“, d.h. der Entwicklung von Forschung und Lehre in einer Vielfalt von Land zu Land und von Universität zu Universität.“ Die Mehrheit der BY-LT-Kommission hat diese Auffassung nicht geteilt: „Das Hochschulwesen ist ein zentrales Politikfeld der Länder und wichtiger Bestandteil ihrer im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung immer wichtiger werdenden eigenständigen Standortpolitik. Wenn ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, auf diesem Gebiet neue und eigene Wege zu beschreiten, trägt dies zur Stärkung der politischen Gestaltungsmöglichkeiten der Länder und damit auch der Landesparlamente bei.“ Die BT-Enquete-Kommission Verfassungsreform (1976) hatte die Überführung des Rechts der Hochschulen in den Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung empfohlen, dies aber mit einer stärker begrenzenden Neufassung des Art. 72 GG und einer ausdrücklichen Zustimmungspflichtigkeit von Bundesgesetzen über das Hochschulwesen verbunden (BT-Drs. 7/5924, S. 123 ff., 133). Die Kategorie der Rahmenkompetenz war von der BT-Enquete-Kommission seinerzeit gestrichen worden zugunsten von Restriktionen für das Gebrauchmachen vom Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung mit dem Ziel möglichster Beschränkung auf bundesgesetzliche Richtlinien für die Landesgesetzgebung. Die Kommission Verfassungsreform des Bundesrates (1992) und die Gemeinsame Verfassungskommission von BT/BR hatten übereinstimmend 1993 empfohlen, die Nr. 1a des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 GG wie folgt zu fassen: Seite 139 Allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens „1. a) Die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens soweit sie die Zulassung zum Studium, die Studiengänge, die Prüfungen, die Hochschulgrade, das wissenschaftliche und künstlerische Personal betreffen.“ Anders als die Gemeinsame Verfassungskommission hatte die Verfassungskommission des Bundesrates seinerzeit ergänzend empfohlen, Rahmengesetze an die Zustimmung des Bundesrates zu binden, weil zweifelhaft sei, ob die Zustimmungsbedürftigkeit gemäß Art. 84 Abs. 1 GG bei nicht unmittelbar geltenden Rahmenvorschriften in Betracht kommt und weil der Bundesgesetzgeber jedenfalls die Möglichkeit hätte, zustimmungsfreie und zustimmungsbedürftige Materien in getrennten Gesetzen zu regeln (BR-Drs. 360/92 S. 12). Die Bundesseite hat in der Reformdiskussion die Notwendigkeit bundesgesetzlicher Regelung im Wesentlichen stets mit der Gewährleistung von Freizügigkeit und Mobilität, auch im Hinblick auf die europäische Integration begründet. Die Länderseite hat demgegenüber mit dem durch mehr Gestaltungsspielraum bewirkten Wettbewerb der Länder und Hochschulen untereinander und mit - soweit erforderlich - der Möglichkeit der Länderkooperation argumentiert. III. Problembeschreibung 6. Nach Auffassung der Länder belegen Umfang und hohe Regelungsdichte des HRG, dass die Begrenzungen der Art. 75 und 72 GG - Rahmenvorschriften, allgemeine Grundsätze nur ausnahmsweise ins Einzelne gehende oder unmittelbar geltende Regelungen Erforderlichkeitsklausel kaum steuernden Einfluss auf die Rahmengesetzgebung des Bundes haben. Auch der Umstand, dass es sich mit Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG um eine Bundeskompetenz in einem Kernbereich der Eigenstaatlichkeit der Länder handelt, habe zu keiner durchgreifenden Begrenzung geführt. Das Inkrafttreten der Art. 72 Abs. 2 n. F. und 75 Abs. 2 n. F. ab dem 15.11.1994 habe ebenfalls keine Veränderung bewirkt. Die Regelungsdichte des HRG lasse den Ländern - entgegen der verfassungsrechtlichen Intention - nur sehr geringen Spielraum für eigene gesetzgeberische Gestal- Allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens Seite 140 tungen. Das Vierte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 20. August 1998 habe zwar die Spielräume der Länder zur Gestaltung der Organisationsstruktur der Hochschulen etwas gelockert, im wesentlichen aber die hohe Regelungsdichte nicht zurückgenommen. Im Gegenteil: Das Fünfte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes und anderer Vorschriften vom 16. Februar 2002 habe die Regelungsdichte im Bereich des Personal- und Dienstrechts noch erhöht. Diese Entwicklung habe sich mit dem mittlerweile in Kraft getretenen Sechsten Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 8. August 2002 fortgesetzt. Einzelne Länder sehen es insbesondere als fraglich an, ob Vorschriften über Studiengebühren auf der Grundlage von Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a/Art. 72 Abs. 2 GG zulässig sind - auch im Hinblick auf Art. 109 Abs. 1 GG (Haushaltstrennung/ eigenständige Haushaltswirtschaft der Länder) – und ob Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG dem Bund erlaubt, Einzelheiten für die Bildung von Studierendenschaften vorzugeben. ? Nach Auffassung des Bundes wurden dagegen mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes die früheren Regelungen über Organisation und Verwaltung nicht nur „etwas gelockert“, sondern weitgehend gestrichen und wären, wenn die Länder nicht widersprochen hätten, sogar vollständig aufgehoben worden. Der damalige Regierungsentwurf hierzu lautete (BT-Drs. 13/8796, S. 14): „Der Gesetzentwurf sieht insbesondere eine weitgehende Deregulierung der Vorschriften über die innere und äußere Organisation und Verwaltung der Hochschulen vor (§§ 38 bis 40, §§ 58 bis 66). Durch die Deregulierung dieser Regelungskomplexe erhalten die Länder einen umfassenden Handlungsspielraum für die Umgestaltung des Managements der deutschen Hochschulen. Zum anderen wird der Grundstein für ein von Autonomie und Wettbewerb geprägtes, international konkurrenzfähiges Hochschulsystem gelegt, das in der Lage ist, flexibel und kreativ auf heute bestehende und sich künftig stellende Herausforderungen zu reagieren. Soweit Bestimmungen aufgehoben werden, beeinträchtigt dies weder die Wahrung der Rechtseinheit noch die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Detaillierte bundeseinheitliche Regelungen über die Organisation und Verwaltung der Hochschulen sind für die Mobilität der Hochschulmitglieder ebenso ohne Bedeutung wie Regelungen darüber, ob eine staatliche Hochschule allein Körperschaft oder auch Seite 141 Allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens zugleich staatliche Einrichtung ist und ob sie von einem Rektor, einem Präsidium oder einem Vorstand geleitet wird.“ Ferner sei mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes und anderer Vorschriften das Hochschuldienstrecht reformiert worden, ohne die Regelungsdichte des HRG dadurch insgesamt zu erhöhen. Beispielsweise sei das bisherige Hausberufungsverbot bei der Besetzung von Professuren gelockert und den Ländern die Möglichkeit eingeräumt worden, im Wettbewerb mit ausländischen Spitzenhochschulen herausragenden Nachwuchswissenschaftlern einen sog. tenure-track anzubieten. Wie in der Begründung des Fraktionsentwurfes für ein Sechstes Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes dargestellt ist (BT-Drs. 14/8361, S. 4 f.), teilt der Bund die kompetenzrechtlichen Bedenken einzelner Länder nicht. Allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens Seite 142 IV. Fragen 7. Für die Beratung des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a GG könnten sich folgende Fragen empfehlen: 7.1 Soll die Befugnis zur Regelung der allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens in die Landeskompetenz überführt werden - oder soll es bei einer Rahmenkompetenz des Bundes bleiben? 7.2 Wird eine Kompetenz des Bundes weiterhin befürwortet? 7.2.1 in welchem sachgegenständlichen Umfang ? - Hochschulwesen insgesamt oder eingegrenzt auf inhaltlich bestimmte und ausdrücklich definierte Teile des Hochschulwesens (z.B. Zugang, Prüfungen/Abschlüsse und deren Anerkennung, Dienst-/Arbeitsrecht - zu letzterem Abstimmung mit Beratungsergebnis zu Art. 74a, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GG) 7.2.2 in welcher Regelungsstruktur ? - Konkurrierende Vollkompetenz Rahmenkompetenz als „Grundsätzekompetenz“, die ins Einzelne gehende und unmittelbar geltende Bestimmungen ausdrücklich ausschließt 7.2.3 unter welchen Verfahrensbedingungen ? - Zustimmungsbedürftigkeit Anpassungspflicht und -fristen Befristung des Gesetzes insgesamt Zugriffs-/Veto-Option(en) (steht in Abhängigkeit von den Beratungsergebnissen zur generellen Gestaltung der Kompetenzordnung insgesamt) Seite 143 Allgemeine Rechtsverhältnisse der Presse Allgemeine Rechtsverhältnisse der Presse Auftrag Länder: Eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur bisherigen Handhabung des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG im Zusammenhang mit allgemeinen, die Rahmengesetzgebungskompetenz betreffenden Punkten ist zu erstellen (vgl. CdS-Papier, Ziffer 2.1, 2.3.) Berichterstattung: TH I. Bestandsaufnahme Das Grundgesetz hat in Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 den Bund zum Erlass von Rahmenvorschriften über die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse ermächtigt. 2.1. Voraussetzung und Abgrenzung Die Inanspruchnahme der Rahmengesetzgebung setzt voraus, dass es sich bei der Materie um eine pressespezifische Regelung handelt, die ihrer Eigenart nach oder herkömmlich einen größeren Sachzusammenhang mit dem Pressewesen als mit anderen Materien aufweist (vgl. BverfGE 7, 29, 38). Schwierigkeiten bereitet vor allem die Abgrenzung zu dem im Zusammenhang mit Pressebelangen stehenden Urheberund Verlagsrecht (ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Nr. 9 GG), dem Recht der Wirtschaft einschließlich Wettbewerbsrecht und Gewerberecht (konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 u. 16 GG) sowie dem bürgerlichen Recht, dem Strafrecht und Arbeitsrecht (konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 u. 12 GG). 2.2. Ausübung der Rahmengesetzgebung durch den Bund Ein umfassendes Presserechtsrahmengesetz des Bundes existiert nicht. Das vorkonstitutionelle Reichspressegesetz von 1874 hatte keinen Rahmencharakter und ist nicht in Bundesrecht übergegangen. Entwürfe des Bundes von 1952 [„Gesetz über das Pressewesen“ („Lüders-Entwurf“)] sowie von 1964 und 1974 zur Schaffung eines Presserechtrahmengesetzes fanden wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen Staat und Presse sowie Verlegern und Journalisten zu den Themen "innere" Pressefreiheit, Tendenzschutz, Pressekonzentration, Beschlagnahme- und Zeugnisverweigerungsrecht keine Mehrheit. Nach 1974 wurden bis heute keine weiteren Versuche zur Schaffung eines Presserechtsrahmengesetzes unternommen. Punktuell wurde von der Bundeskompetenz Gebrauch gemacht mit dem „Gesetz zur Gewährleistung der Unabhängigkeit des vom Deutschen Presserat eingesetzten Be- Allgemeine Rechtsverhältnisse der Presse Seite 144 schwerdeausschusses“ vom 18. August 1976, (BGBl. I S.2215, sowie mit § 40 BDSG, dem sog. „Medienprivileg“. 2.3. Gesetzgebung der Länder Die Länder haben ihrerseits weitgehend übereinstimmende Landespressegesetze erlassen. Auf Initiative des Vereins Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverleger wurde zwischen 1959 und 1963 von der Innenministerkonferenz unter Mitwirkung der Presseverbände und des Bundes ein Modellentwurf für die Landespressegesetzes erarbeitet. Die alten Länder, bis auf Bayern und Hessen, die schon Landespressegesetze hatten, haben daraufhin zwischen 1964 und 1966 eigene Landespressegesetze erlassen. Die neuen Länder haben in den Jahren 1991 bis 1993 in enger Anlehnung an die Gesetzgebung der alten Länder ebenfalls eigene Pressegesetze erlassen. Die Landespressegesetze regeln vor allem folgende Materien: • • • • • • • • II. Pressefreiheit, Zulassungsfreiheit, Öffentliche Aufgaben der Presse, Informationsrecht der Presse, Ordnungsrecht der Presse (Sorgfaltspflicht, Druckwerke, verantwortlicher Redakteur, Impressum, Pflichtexemplarrecht), Pressespezifisches Beschlagnahme- und Durchsuchungsrecht, Pressespezifisches Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, Zeugnisverweigerungsrecht von Presse und Rundfunk; Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbot, Kurze Verjährung von Presse-Verstößen, Anwendung von Presserecht auf den Rundfunk (nicht in BY, HH, HE, MV, SL, SN, TH). Problembeschreibung Der Bund hat seine Kompetenz für die Rahmengesetzgebung zu den allgemeinen Rechtsverhältnissen der Presse bislang nicht ausgefüllt. Die erforderlichen Materien sind in den Landesgesetzen umfassend und hinreichend übereinstimmend geregelt. Die Landesgesetzgebung unterliegt ständiger Aktualisierung (z.B. Datenschutzrecht). Insofern kann nach Ansicht der Länder von einer Entbehrlichkeit der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für das allgemeine Presserecht ausgegangen werden. Seite 145 Allgemeine Rechtsverhältnisse der Presse Nach Ansicht des Bundes befindet sich die Presselandschaft derzeit in einem gravierenden Umbruch. Neue Erscheinungsformen und Verbreitungswege der Printmedien im digitalen Umfeld (z.B. elektronische Pressespiegel) berühren zum Teil unmittelbar die Bundeskompetenz. Sie bedürfen der Beobachtung und ggf. gesetzlicher Rahmenbestimmungen durch Bundesinitiativen, insbesondere bei der künftigen Umsetzung von Vorgaben auf europäischer Ebene im Rahmen der allgemeinen Harmonisierungsbestrebungen des Binnenmarktes. Aus diesem Grund verbietet sich aus Sicht des Bundes der Verzicht auf die gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG dem Bund zugewiesene Rahmengesetzgebungskompetenz. Melde- und Ausweiswesen Seite 146 Melde- und Ausweiswesen Auftrag Bund: Für das Passwesen besitzt der Bund nach Art. 73 Nr. 3 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz. Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GG besteht jedoch lediglich eine Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für das Melde- und Ausweiswesen. Es ist zu untersuchen, ob diese Kompetenz angesichts möglicher länderübergreifender Bedeutung und Deregulierungsbemühungen ausreichend ist. Berichterstattung: Bund, BY, ST I. Bestandsaufnahme 1. Allgemeines Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GG besitzt der Bund unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG eine Rahmengesetzgebungskompetenz für das Melde- und Ausweiswesen. Der Bund hat mit dem Melderechtsrahmengesetz (MRRG) und dem Gesetz über Personalausweise von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht. Die Länder haben sowohl im Meldewesen als auch im Ausweiswesen jeweils 16 das Bundesrahmenrecht ausfüllende Landesregelungen erlassen. Melde- und Ausweiswesen stehen im Zusammenhang mit Materien der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Freizügigkeit und Passwesen) 105. Nach Art. 73 Nr. 3 GG besitzt der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz u.a. für "die Freizügigkeit". Meldewesen ist nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht ein Teil der Freizügigkeit. Es hätte deshalb nicht eigens in Nr. 5 erwähnt werden müssen, wenn es den Verfassungsgebern nicht darauf angekommen wäre, dem Bund insoweit die ausschließliche Zuständigkeit, die sie ihm für die Freizügigkeit zugebilligt hatten (Art. 73 Nr. 3 GG), zu nehmen106. Nach Art. 73 Nr. 3 GG verfügt der Bund außerdem über die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für "das Passwesen". Personalausweise sind im einfachen Recht in allen Ländern der EU als Passersatz zugelassen und erfüllen in dieser Beziehung die gleiche Funktion. 105 v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, 3. Aufl., Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Rdnr. 620. 106 v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, aaO, Rdnr. 593. Seite 147 Melde- und Ausweiswesen Mit der Grundgesetznovelle vom 27. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3146) haben sich die Anforderungen für die Inanspruchnahme der Rahmenkompetenz auch im Melde- und Ausweiswesen durch die erhöhte Ausübungsschranke des Art. 75 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG (Erforderlichkeitsklausel) und durch die Beschränkung der Zulassung von in Einzelheiten gehenden oder unmittelbar geltenden Regelungen auf Ausnahmefälle (Art. 75 Abs. 2 GG) verschärft (vgl. hierzu die Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur Rahmengesetzgebung, Thema II. 2.). Inwieweit ein Ausnahmefall nach der neuen Verfassungslage gegeben ist und in Einzelheiten gehende und unmittelbar geltende Rahmenbestimmungen zulässig sind, bedarf im Einzelnen der näheren Begründung. Das Bundesverfassungsgericht hat über die Auslegung der Ausnahmevoraussetzungen bisher noch nicht entschieden. Zu Art. 72 Abs. 2 GG hat das Gericht im Urteil vom 24. Oktober 2002 zum Altenpflegegesetz - 2 BvF 1/01 - Ausführungen gemacht (vgl. Thema II.1.) 2. Im Einzelnen: a) Meldewesen Mit Erlass des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) vom 22. August 1980 (BGBl. I S. 1429) hatte der Bund erstmals von seiner Rahmengesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Meldewesens Gebrauch gemacht. Das Gesetz wurde mehrfach geändert, insbesondere durch die beiden Änderungsgesetze vom 24. Juni 1994 und 28. August 2000, und gilt heute in der Fassung vom 19. April 2002 (BGBl. I S. 1342). Das MRRG enthält nur wenige Vorschriften, die nach ihrem Regelungsinhalt unmittelbar geltendes Recht darstellen. Alle anderen Vorschriften des MRRG bedürfen nach § 23 Abs. 1 einer Umsetzung in Landesrecht. Dies ist in allen Ländern durch Erlass von Landesmeldegesetzen erfolgt. Im Übrigen enthält das MRRG nach § 23 Abs. 2 bis zur Anpassung des Melderechts der Länder unmittelbar geltende Regelungen. Diese Regelungen ergeben sich bezüglich der letzten Rechtsänderung vom 25. März 2002 insbesondere aus der Umsetzung des seit 1. Januar 2000 wirksamen Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und des am 1. August 2001 in Kraft getretenen Lebenspartnerschaftsgesetzes, die zur Vermeidung von Rechtsnachteilen und zur Sicherstellung von Verwaltungsverfahren einer sofortigen Wirksamkeit bedurften. Das MRRG enthält vielfach auch in Einzelheiten gehende Regelungen, die teilweise zur Wahrung einer bundesweiten Rechtseinheit bis zu einem gewissen Grade erforderlich sind, um das für die Aufgabenerfüllung unerlässliche Funktionieren und die Richtigkeit der Melderegister zu gewährleisten. Das betrifft sowohl die Normierung der Meldepflichten, Melde- und Ausweiswesen Seite 148 das meldebehördliche Rückmeldeverfahren, die Datenübermittlung an andere Behörden und öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften und die Melderegisterauskunft an private Stellen. Die bundeseinheitliche Regelung dieser Vorgaben für den Landesgesetzgeber, der diese in unmittelbar geltende Rechte und Pflichten für Bürger und Verwaltung umsetzt, ist zur Schaffung eines allgemeinen Handlungsrahmens für die Bürger und die öffentliche Verwaltung, der im gesamten Bundesgebiet im Wesentlichen der gleiche sein muss, im Hinblick auf Art. 72 Abs. 2 GG unerlässlich. Insgesamt verbleibt den Ländern Regelungsspielraum von substanzieller Bedeutung beispielsweise in folgenden Bereichen: Bestimmung der Behördenzuständigkeiten, Bestimmung weiterer zu speichernder Daten für länderspezifische Zwecke, Einführung von Ordnungsmerkmalen, Festlegung der von den Einwohnern zu erhebenden Daten, Bestimmung von Modalitäten bei der Löschung von Daten, Regelung von Einzelheiten zur Durchführung der Meldepflichten, Bestimmung weiterer besonderer Meldepflichten, Zulassung weiterer Ausnahmen von der allgemeinen Meldepflicht, Regelung des Verfahrens bei der Hotel- und Krankenhausmeldepflicht, Ausgestaltung des Rückmeldeverfahrens bei landesinternen Umzügen, Regelung der regelmäßigen Datenübermittlungen an Behörden des Landes, Festlegung der Voraussetzungen bei Melderegisterauskünften in besonderen Fällen, wie z. B. bei Adressbuchverlagen, Erlass von Straf- und Bußgeldvorschriften. Zum Teil fallen darunter auch Bestimmungen des Verwaltungsverfahrens der Länder, zu deren Regelung die Länder nach Art. 84 Abs. 1 GG ungeachtet des Typus der Bundesgesetzgebungskompetenz ohnehin befugt sind (Regelungen von Zuständigkeiten und sonstige Verfahrensregelungen), wenn nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. Darüber hinaus entsprechen diese Vorschriften teilweise wörtlich dem Bundesrahmenrecht. Schließlich ist teilweise der Bereich des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GG nicht betroffen, sondern andere Kompetenzmaterien berührt (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG: Strafvorschriften). b) Ausweiswesen Bei der Schaffung dieses Kompetenztitels im Grundgesetz stand im Vordergrund, dass sich die Bevölkerung überall im Bundesgebiet mit dem gleichen Legitimationspapier ausweisen können sollte107. Das Personalausweiswesen wurde mit dem Gesetz über Perso107 Vgl. JöR N.F. 1 (1951), S. 562. Seite 149 Melde- und Ausweiswesen nalausweise vom 19. Dezember 1950 (BGBl. S. 807) geregelt. Die Neufassung des Gesetzes über Personalausweise vom 21. April 1986 (BGBl. I S. 548) ist am 1. April 1987 in Kraft getreten und hat u.a. den fälschungssicheren und maschinell lesbaren Personalausweis bundesweit eingeführt. Das Gesetz über Personalausweise, zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung des Melderechtsrahmengesetzes und anderer Gesetze vom 25. März 2002 (BGBl. I S. 1186), enthält überwiegend Vorschriften mit abschließenden Regelungen. Diese Regelungen sind zur Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse von Bedeutung. Sie regeln die Ausweispflicht, indem sie einen bundeseinheitlichen Personalausweis einführen, bestimmen die Höhe einer einheitlichen Gebühr, die Gültigkeitsdauer, die Einführung des Personalausweisregisters, enthalten datenschutzrechtliche Bestimmungen, regeln die Verwendung von Personalausweisdaten im öffentlichen und im nichtöffentlichen Bereich sowie Ordnungswidrigkeitstatbestände. Soweit das Gesetz über Personalausweise keine abschließenden Regelungen enthält, wurden ergänzende Ausführungsgesetze der Länder erlassen, in denen beispielsweise folgende Bereiche geregelt sind: Erweiterungen und Befreiungen von der Ausweispflicht; Bestimmungen über die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Personalausweisbehörden; das Antragsverfahren für die Ausstellung eines Personalausweises; eine Aufzeichnungspflicht für die Sicherheitsbehörden bei der Übermittlung von Daten aus dem Ausweisregister; eine abschließende Aufzählung der Merkmale, die zur Ungültigkeit des Personalausweises führen; die Pflichten des Ausweisinhabers und landesrechtliche Bußgeldtatbestände. Auch hier handelt es sich zum Teil um Regelungen des Verwaltungsverfahrens der Länder, das ihnen nach Art. 84 Abs. 1 GG ohnehin zur Regelung vorbehalten ist, wenn nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. Neben die rein nationale Bedeutung des Ausweiswesens tritt heutzutage hinzu, dass im Zuge der europäischen Einigung der Personalausweis in weitem Umfang im grenzüberschreitenden Verkehr ebenso wie der Pass als Grenzübertrittspapier anerkannt wurde. Melde- und Ausweiswesen Seite 150 Nach einem Übereinkommen des Europarates über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates vom 13. Dezember 1957 108 können deutsche Staatsangehörige auch mit einem Personalausweis über alle Grenzen in das Hoheitsgebiet der anderen Parteien einreisen und von dort ausreisen. Mit einem Personalausweis können Deutsche demgemäß in folgende Staaten reisen109: Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich mit Andorra, Gibraltar, Griechenland, Irland, Island, Italien mit San Marino, Kroatien, Luxemburg, Malta, Monaco, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz mit Liechtenstein, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Türkei, Ungarn, Vereinigtes Königreich. Der Personalausweis wird damit in einer Vielzahl von Staaten als Reisedokument akzeptiert und erfüllt dort die gleiche Funktion wie der Pass. Darüber hinaus sind Pass und Personalausweis inhaltlich und technisch weitgehend gleich gestaltet. Die Länder orientieren sich in ihren Gesetzen und Verordnungen zum Gesetz über Personalausweise überwiegend an den verfahrensrechtlichen Vorgaben des Bundes für Reisepässe. II. Problembeschreibung a) Sicht des Bundes: - Die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für das Melde- und Ausweiswesen ist mit Gegenständen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Freizügigkeit, Passwesen) eng verwandt. - Das Meldewesen ist aus seiner ursprünglich polizeilichen Aufgabenstellung herausgewachsen und dient für eine Vielzahl von Stellen des Bundes und der Länder im gesamten Bundesgebiet als Informationsquelle. Die dem Bund in Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GG zugewiesene Rahmengesetzgebungskompetenz gründet sich noch auf dem Erscheinungsbild des Meldewesens der Vorkriegszeit und zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Grundgesetzes, als die Meldebehörden entweder bei den örtlichen Polizeibehörden verblieben oder der Ordnungsverwaltung bei den Gemein- 108 BGBl. II 1959, S. 389, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 23. Januar 1996, BGBl. II 1996, S. 274. 109 Vgl. Medert/Süßmuth, Pass- und Personalausweisrecht, Bd. 1: Personalausweisrecht, 3. Aufl., 1998, S. 93. Seite 151 Melde- und Ausweiswesen den zugewiesen waren. Im Zuge der fortschreitenden Anwendung der automatisierten Datenverarbeitung in der öffentlichen Verwaltung hat sich das Meldewesen spätestens seit Beginn der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts zu einer eigenständigen Verwaltungsaufgabe nichtpolizeilicher Art entwickelt. - Die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien im Meldewesen bedeutet neue Erfordernisse für bundeseinheitliche Standards. - Die Zunahme des grenzüberschreitenden Austauschs von Meldedaten erfordert weitere Vereinheitlichung. - Die geteilte Gesetzgebung zum Melderecht hat sich bei allen bisher erfolgten Änderungen des Melderechtsrahmengesetzes von 1980 als problematisch erwiesen. Die Tatsache, dass die Landesgesetze zu unterschiedlichen Zeitpunkten bzw. in zahlreichen Ländern erst weit nach Ablauf der Anpassungsfrist von zwei Jahren erlassen wurden, hat zu einer Gefährdung der Rechtseinheit im Meldewesen, vor allem aber auch dazu geführt, dass im Rahmenrecht vorgenommene Vergünstigungen für die betroffenen Einwohner zu unterschiedlichen Zeitpunkten wirksam wurden. - Im Ausweiswesen erfüllt der Personalausweis im Zuge der europäischen Einigung bei einer großen Anzahl von Staaten im grenzüberschreitenden Verkehr die gleiche Funktion wie der Pass, so dass eine Gleichbehandlung auch bei den Gesetzgebungskompetenzen nahe liegt. - Inhaltlich und technisch sind Pässe und Personalausweise weitgehend gleich gestaltet. - Auch Sicherheitsgesichtspunkte sprechen für die Vereinheitlichung bisher unterschiedlicher Regelungen - z.B. im Antragsverfahren. - In den das Bundesrahmenrecht ausfüllenden Landesgesetzen besteht aufgrund der notwendigen fachlichen Vorgaben des Rahmenrechts im Melde- und Ausweiswesen kein großer Spielraum für divergierende Vorschriften. Der weitaus größte Teil der Vorschriften im Melderecht stimmt wörtlich mit den entsprechenden Regelungen des MRRG überein. Die verbleibenden Regelungen sind oftmals Regelungen des Verwaltungsverfahrens der Länder. Dieses würde ihnen nach Art. 84 Abs. 1 GG auch im Falle einer ausschließlichen Bundesgesetzgebungskompetenz grundsätzlich zur Regelung überlassen bleiben. Melde- und Ausweiswesen b) Seite 152 Sicht der Länder: Das Meldewesen ist ein Rechtsgebiet, das auch im Hinblick auf die europäische Rechtsangleichung nicht mehr isoliert betrachtet werden darf. So sind im Melderechtsrahmengesetz nicht nur einheitliche Standards geregelt, die die gleichen Rechts- und Lebensverhältnisse im Bundesgebiet sicherstellen sollen, sondern es müssen zunehmend auch Regelungen getroffen werden, die einen europäischen Datenaustausch ermöglichen. Dies gilt auch für die zunehmende Internetnutzung. Hierfür müssen verbindliche Standards geschaffen werden, die über die rahmenrechtlichen Bestimmungen hinausgehen. Gleichwohl ist der Landesgesetzgeber gehalten, diese Vorhaben in Landesrecht umzusetzen bzw. zu ergänzen, damit sie zur Anwendung gelangen können. Die zwischen Bund und Ländern aufgeteilte Gesetzgebung hat sich in der Vergangenheit bewährt. Durch die über den Bundesrat vorgesehene Mitwirkung der Länder ist gewährleistet, dass die rahmenrechtlichen Bestimmungen ausgewogen sind und von den Ländern auch umgesetzt werden können. Die bisher gemachten Erfahrungen sprechen trotz der wachsenden Bedeutung einer internationalen Harmonisierung gegen eine Zuordnung des Meldewesens zum Bereich der konkurrierenden oder gar ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das Gesetz über Personalausweise enthält überwiegend unmittelbar geltende Vorschriften, die von den Landesgesetzgebern nicht mehr in eigenes Recht umgesetzt werden konnten. Dies ist aus kompetenzrechtlicher Sicht zumindest nach Inkrafttreten der Grundgesetznovelle von 1994 nicht frei von Bedenken. Auch das Ausweiswesen kann heute nicht mehr isoliert betrachtet werden. Es ist mit dem Passwesen eng verzahnt und hat in Bezug auf Fälschungssicherheit und Maschinenlesbarkeit die gleichen Standards und Voraussetzungen. Der Personalausweis ersetzt inzwischen für Reisen in die EU und in andere Staaten, mit denen entsprechende Vereinbarungen bestehen, den Reisepass als Identitäts- und Grenzübertrittspapier. Auch hier hat sich jedoch die bisherige Handhabung dieses Rechtsgebiets bewährt. Trotz der überwiegend unmittelbar wirksamen Vorschriften des Gesetzes über Personalausweise verbleibt den Ländern Spielraum für eigenständige Regelungen. Auf die Ausführungen unter I.2. b) wird insoweit Bezug genommen. Seite 153 Kulturgüterschutz Kulturgüterschutz Auftrag Bund: Mögliche Kodifizierungsprobleme bei der Umsetzung von EU-Recht im Rahmen der Kompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GG „Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland“ sind unter Berücksichtigung der 1994 erfolgten Verfassungsänderung und der seitherigen Staatspraxis zu prüfen. Berichterstatter: Bund, HB, HE I. Bestandsaufnahme 1. Der Bund hat nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GG die Kompetenz zum Erlass von Rahmenvorschriften zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland. Ursprünglich gehörte dieses Sachgebiet dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung an. Gemäß Art. 74 Nr. 5 GG a.F. erließ der Bund das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom 06.08.1955 (AbwSchG)110, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Kulturgutsicherungsgesetzes vom 15.10.1998111. Die Neufassung des Gesetzes wurde am 08.07.1999 bekannt gemacht 112. Diese rahmengesetzliche Kompetenz wurde durch das 42. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 neu eingefügt. Darüber hinaus wurden die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 GG, unter denen der Erlass von Rahmengesetzen nach Artikel 75 Abs. 1 GG zulässig ist, verschärft. Artikel 75 Abs. 2 GG wurde neu eingefügt. Bei der Überführung von der konkurrierenden in eine Rahmengesetzgebungskompetenz folgte der verfassungsändernde Gesetzgeber einem Vorschlag der Gemeinsamen Verfassungskommission des Bundestages und des Bundesrates vom 5. November 1993, in dem es hieß: „Bei dieser Materie handelt es sich um eine kulturelle Angelegenheit, für die eine grundsätzliche Zuständigkeit der Länder besteht. Ihre Einbeziehung in den Kompetenzkatalog der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeiten ist daher entbehrlich. Wegen des Auslandsbezugs erschien die Überführung in die Rahmenkompetenz des Bundes ausreichend.“ 110 BGBl. I S. 50. 111 BGBl. I S. 3162. 112 BGBl. I S. 1754. Kulturgüterschutz Seite 154 - Die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes betrifft allerdings nur den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland. Der Bund hat weitere für den Kulturgüterschutz wichtige Kompetenzen aus anderen Kompetenztiteln. Soweit es um die Rückgabe ausländischen Kulturgutes sowie die Sicherung des Leihverkehrs mit ausländischem Kulturgut geht, stützt sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht auf Artikel 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 GG, sondern auf Artikel 73 Nr. 5 GG (die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Ausland). - Der Bund hat auf Grund dieser Kompetenzen das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung erlassen. Es sieht vor, dass Kunstwerke, die gegen Abwanderung geschützt werden sollen, in dem Land, in dem sie sich bei Inkrafttreten dieses Gesetzes befinden, in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes einzutragen sind. Bei Ortswechsel eingetragenen Kulturgutes innerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes soll die Eintragung ihre Wirkung behalten. Über die Eintragung in das Kulturgutverzeichnis entscheidet die oberste Landesbehörde. Die Landesregierungen regeln das Antragsrecht auf Aufnahme in die Liste durch Rechtsverordnung. 2. Zum Kulturgüterschutz sind bisher folgende Gemeinschaftsakte ergangen: - Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates EWG vom 09.12.1992 Die Verordnung regelt die Ausfuhr von Kulturgütern in das EG-Ausland und fordert eine behördliche Genehmigung des Staates, in dem sich das Gut rechtmäßig befindet. Zum Handel mit Drittstaaten legt ein Anhang der Verordnung fest, welche Kulturgüter besonderen Schutz durch die Gemeinschaft genießen und deshalb unter das neue Ausfuhrgenehmigungsverfahren fallen. Dabei werden verschiedene Kategorien von Kulturgütern definiert, die von der Verordnung erfasst werden. - Verordnung (EWG Nr. 752 (93) der Kommission vom 30. März 1993 (betr. die Durchführung der Verordnung Nr. 3911/92) - Verordnung (EG) Nr. 2469/96 des Rates vom 16. Dezember 1996 (betr. Änderung des Anhangs der Verordnung Nr. 3911/92) - Verordnung (EG) Nr. 1526/98 der Kommission vom 16. Juli 1998 (betr. Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 752/93) - Verordnung (EG) Nr. 974/2001 des Rates vom 14. Mai 2001 (betr. Änderung der Verordnung(EWG) Nr. 3911/92) Seite 155 - Kulturgüterschutz Richtlinie Nr. 93/7/EWG des Rates vom 15.03.1993 Sie betrifft die Rückgabe von Kulturgütern, die unrechtmäßig aus dem Staatsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht wurden (ABl. L Nr. 74 vom 27. März 1993, Seite 74) und regelt das Verfahren der Rücküberstellung von widerrechtlich ausgeführten Kulturgütern. Der Herausgabeanspruch des Herkunftsstaates kann - grenzüberschreitend - in einem anderen Mitgliedstaat geltend gemacht werden. Artikel 1 der Richtlinie definiert, welche Gegenstände als Kulturgut im Sinne dieser Richtlinie gelten. - Richtlinie Nr. 96/100/EG vom 17.02.1997 (Inhalt: Änderung des Anhanges der Richtlinie 93/7/EWG). - Richtlinie 2001/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 (betr. Änderung der Richtlinie 93/7/EWG) Während die Verordnungen direkte Rechtswirkung entfalten, besteht eine Transformationsverpflichtung für die Richtlinien, wobei diese keine Änderungen des deutschen Rechts zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung enthalten113. Die allein zur Verbesserung der Markttransparenz vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung wurden auf Grund der Kompetenz des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GG vorgenommen114. 3. Die Gesetzgebungskompetenz zum Schutz des deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland ist daraufhin zu überprüfen, ob sie ausreichend ( Bund ) oder erforderlich ( Länder ) ist. Nach Auffassung des Bundes hätte die Aufhebung der Bundesgesetzgebungskompetenz zur Folge, dass der Schutz national wertvoller Kulturgüter durch 16 möglicherweise unterschiedliche Landesgesetze geregelt würde. Dies könnte zur Ungleichbehandlung von dem gesamtstaatlich bedeutsamen Kulturgut führen, das es zu schützen gilt. In diesem Zusammenhang sei auch von Bedeutung, dass es sich bei den durch das Abwanderungsschutzgesetz geschützten Kulturgütern um bewegliche Gegenstände handelt, die von einem Land in ein anderes transferiert werden können. Unterschiedliche Landesgesetze hätten voraussichtlich zur Folge, dass zum Verkauf anstehende Kulturgüter in die Länder mit niedrigstem Schutzniveau verbracht würden, um von dort in das zahlungskräftige und –willige Ausland ausgeführt werden zu können. 113 BT-Drucksache 13/10789, S. 8. 114 BT-Drucksache 13/10789, S. 7. Kulturgüterschutz Seite 156 Nach Auffassung der berichterstattenden Länder hätten die Länder, wenn ihnen die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiete des Kulturgüterschutzes zufiele, bei der Gesetzgebung die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundsatzes des bundesfreundlichen Verhaltens zu beachten. Der Grundsatz gilt auch im Verhältnis der Länder zueinander und verpflichtet sie auch bei der Gesetzgebung zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Unterstützung. Treffen die Länder unterschiedliche Regelungen, so müssen sie dagegen Vorkehrungen treffen, dass das Kulturgut in ein Land mit zu niedrigem Schutzniveau verbracht wird, um von dort aus ins Ausland ausgeführt zu werden. Da der Kompetenztitel national wertvolles Kulturgut umfasst, ist im gesamtstaatlichen Interesse auch aus Sicht der Länder ein möglichst einheitliches Mindestschutzniveau im Bundesgebiet erforderlich. Ein zu niedriges Schutzniveau in einzelnen Ländern muss vermieden werden. Hierfür könnte die Regelung des § 1 Abs. 2 des Kulturgüterschutzgesetzes beispielgebend sein, wonach beim Ortswechsel eingetragenen Kulturgutes innerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes von einem Land in ein anderes Land die Eintragung des Herkunftslandes ihre Wirkung behält; das schränkte das Risiko des Unterlaufens ein und wäre zugleich auch Ausdruck des Prinzips der gegenseitigen Rücksichtnahme auf die legitimen Interessen des Landes, das das betreffende Kulturgut unter besonderen Schutz stellen will. Nicht die Einheitlichkeit der Landesregelung wäre dann aber entscheidend, sondern die Garantie eines ausreichenden und nicht zu niedrig angesetzten Mindestschutzniveaus im gesamten Bundesgebiet. Ein weiterer Gesichtspunkt aus Sicht des Bundes ist die Frage nach der rechtzeitigen Umsetzung künftiger Richtlinien: Bei etwaigen künftigen Richtlinien im Bereich des Kulturgüterschutz, die umzusetzen sind, können sich nach Auffassung des Bundes wegen des bei der Rahmengesetzgebungskompetenz erforderlichen zweistufigen Umsetzungsverfahrens im Bund und in den Ländern erhebliche Verzögerungen ergeben Nach Auffassung der Länder erübrigte sich diese Frage im Falle eines Kompetenzüberganges auf die Länder. (siehe zu der Frage allgemein unter V.). II. Problembeschreibung - Die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland ist zu prüfen im Hinblick auf das gesamtstaatlich Seite 157 - - - - - Kulturgüterschutz bedeutsame Kulturgut und damit einhergehende Anforderungen an einheitliche Regelungen. Unterschiedliche Landesgesetze könnten unterschiedliche Schutzniveaus in den Bundesländern zur Folge haben, so dass die Gefahr bestünde, dass schützenswertes Kulturgut in das Land mit den niedrigsten Schutzniveau verbracht würde, um von dort aus ins Ausland ausgeführt zu werden. Es muss daher ein Mindestschutzniveau erhalten werden, das mindestens dem bisher durch Bundesrecht einheitlich geregelten Schutzniveau entspricht. Denn das Kulturerbe Deutschlands ist mehr als die Summe der Kulturgüter seiner Länder; es hat eine eigene, gesamtstaatliche Bedeutung. Aus Sicht des Bundes sollte deshalb der Schutz des gesamtdeutsch bedeutsamen Kulturgutes als eine Aufgabe des Bundes ausgestaltet sein und zwar nicht nur in Form einer Rahmenkompetenz. Dies gilt um so mehr, wenn es um seinen Schutz vor Abwanderung ins Ausland geht. Bundeseinheitliche Regelungen sollen auch durch den Bund getroffen werden Aus Sicht der Länder ist es dagegen vorstellbar, Mindestschutzniveaus durch Koordination zwischen den Ländern und deren Verpflichtung auf einen gemeinsamen Mindeststandard zu erreichen. Beide Sichtweisen sollten gegeneinander abgewogen werden. Aus Sicht des Bundes gründet sich seine Kompetenz auch auf Art. 73 Nr. 5 GG: Die Freizügigkeit des Warenverkehrs und der Warenverkehr mit dem Auslande einschl. des Zoll- und des Grenzschutzes obliegt der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes (Art. 73 Nr. 5 GG). Obgleich es sich bei Kulturgütern um besondere, für das kulturelle Erbe einer Nation wichtige Gegenstände handelt, sind diese dennoch auch Waren sui generis, deren Kontrolle bei der Ausfuhr dem Zoll obliegt. Aus Gründen der Einheitlichkeit im Bundesgebiet und um eine weitere Aufsplitterung der gesetzlichen Regelungen zum Kulturgüterschutz, die heute bereits kaum vom Handel, geschweige denn von Privatleuten verstanden werden können, zu vermeiden, sollte die Spezialisierung der Ware "Kulturgut" aufgehoben und auch deren Schutz der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz, zumindest aber wieder der konkurrierenden Kompetenz des Bundes unterstellt werden. Rechtsetzung im Kulturgüterschutz war bisher durch verschiedene EG – Rechtsetzungsakte geprägt. Bei künftigen Richtlinien im Bereich des Kulturgüterschutzes, die umzusetzen sein werden, könnten sich aus Sicht des Bundes wegen des bei der Rahmengesetzgebungskompetenz erforderlichen zweistufigen Umsetzungsverfahrens im Bund und in den Ländern unter Umständen Verzögerungen ergeben. Eine zeitgerechte Umsetzung von EG – Recht im Bereich der Rahmengesetzgebungskompetenz ist deshalb sicherzustellen. Aus Sicht des Bundes dürfte auch dieses Problem im Rahmen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes am leichtesten zu beheben sein. Kulturgüterschut z - Seite 158 Aus Sicht der Länder ist dies jeder Form von Rahmenkompetenz eigen und tritt auch im Falle der konkurrierenden Gesetzgebung ein, wenn der Bund von ihr nicht in vollem Umfang Gebrauch macht. Weitere Möglichkeiten einer schnellen und problemadäquaten Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht, die gleichwohl zur Reföderalisierung beitragen könnten, werden unter V. behandelt. Seite 159 Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht Auftrag Praktische Probleme bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht sind insbesondere im Umweltrecht aufgetreten (vgl. die Umsetzung der EG-Richtlinie zur UVP und IVU). Zu prüfen ist, ob die teilweise dort nur vorhandene Rahmengesetzgebungskompetenz sachgerecht ist (vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 3.2. und 6). Berichterstattung: Bund, SH, SL, TH I. Bestandsaufnahme und rechtliche Ausgangslage: Auch wenn die „Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht“ andere europabezogene Themenbereiche tangiert, so geht es im Kern um die Frage der Zuständigkeit für die Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht. Nach Artikel 249 des EG-Vertrages sind Richtlinien für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Die Zuständigkeit für die danach erforderliche Umsetzung von Richtlinien richtet sich in Deutschland nach den durch das Grundgesetz vorgegebenen Gesetzgebungskompetenzen der Artikel 70 ff. GG. Dabei erscheinen insbesondere diejenigen Fallgestaltungen problematisch, in denen sich die Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern bei der Umsetzung von EU-Recht „überlagern“. Dies ist der Fall, wenn dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für eine Rechtsmaterie zusteht, den Ländern daneben aber ein eigener Regelungsspielraum verbleibt. Hierbei sind folgende Konstellationen zu unterscheiden: Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht Seite 160 Umsetzung von EU-Recht (hier: Richtlinie) in nationales Recht Regelungszuständigkeit / Kompetenztitel EU-Recht Umsetzung durch Bund Länder Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Artikel 71, 73 GG) Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Artikel 72, 74 GG) die Länder haben im Falle von Länderöffnungsklauseln einen eigenen Regelungsspielraum die Länder haben einen eigenen Regelungsspielraum, soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz nicht abschließend Gebrauch gemacht hat Rahmengesetzgebungskomdie Länder haben den bundespetenz des Bundes (Artikel 75 gesetzlich vorgegebenen GG) Rahmen auszufüllen; die Länder sind weiter zur Gesetzgebung befugt, soweit der Bund keine abschließenden Regelungen getroffen hat Im Falle der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder als eigene Angelegenheit regeln die Länder nach Artikel 84 Abs. 1 GG die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. In den v.g. Fallkonstellationen kann es dazu kommen, dass für die Umsetzung von EURichtlinien (jedenfalls partiell) sowohl der Bund als auch die Länder zuständig sind. II. Umsetzungsbilanz und Problembeschreibung Nach der letzten Aufstellung der KOM über die Defizite der einzelnen MS bei der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht (Binnenmarktanzeiger Mai 2002) belegt D mit einem Umsetzungsdefizit von 2,4% zusammen mit IRL den 12. Platz. Schlechter stellt sich die Situation nur für F und GR mit einem Defizit von 3,1% bzw. 2,7% dar, während traditionell die skandinavischen Staaten mit einem Defizit von unter 1% am besten abschneiden. Seite 161 Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht Die ebenfalls föderal strukturierten Länder Belgien und Österreich haben Umsetzungsdefizite von 1,5% (B, Platz 7) und 2,1% (A, Platz 10) aufzuweisen. Die Länder sehen sich durch diese Aufstellung der EU-Kommission in ihrer Ansicht bestätigt, dass nicht ausschließlich die Staatsorganisation in den EU-Mitgliedstaaten für die Umsetzungsdefizite ursächlich ist, denn gerade in zentral strukturierten Mitgliedstaaten, wie z.B. in Frankreich und Griechenland, liegen die Defizite höher als in föderal organisierten Mitgliedstaaten. Die Nichtumsetzung bzw. verspätete Umsetzung einer Richtlinie führt regelmäßig zu Mahnungen durch die Europäische Kommission und in einigen Fällen auch zu Klagen vor dem EuGH. Im Falle einer Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland durch den EuGH kommt es dann zur Verhängung von z.T. beträchtlichen Zwangsgeldern,. deshalb ist der Bund der Ansicht, dass u.a. die Frage der Zahlungsverpflichtung in Bezug auf Zwangsgelder zwischen Bund und Ländern klargestellt werden sollte. Als Ursache für die negative deutsche Bilanz können folgende Begründungen angeführt werden: - Insbesondere in den Sachbereichen, wo Bund und Ländern gemeinsam die Umsetzung von EG-Recht obliegt, etwa bei der Rahmengesetzgebung und bei der konkurrierenden Gesetzgebung, soweit Teilbereiche des umzusetzenden Rechts in der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder verbleiben, kann oftmals eine fristgemäße Umsetzung nicht gewährleistet werden. Es sind häufig langwierige Abstimmungen zwischen Bund und Ländern bzw. dem Bundesrat notwendig. Eine Richtlinie gilt grundsätzlich erst als umgesetzt, wenn alle 16 Länder die RL umgesetzt haben (Umsetzung der EUSeilbahnRL auch in Ländern, in denen es keine Seilbahnen gibt). - Die Länder sehen einen zusätzliche Ursache für die langwierigen Abstimmungs- und Umsetzungsprozesse auch darin, dass EU-Richtlinien zunehmend grundsätzliche Fragen der Regelung aufwerfen. Dabei werden häufig im Zuge der Gesetzgebungsverfahren zusätzliche innerstaatlich begründete Regelungstatbestände eingeführt. Diese erfordern dann zusätzliche, über die eigentliche RL-Umsetzung hinausreichenden Meinungsbildungs-, Abstimmungs-, und Konsensfindungsprozesse und führen so zu einer verlängerten Verfahrensdauer. - Die Umsetzung erfordert häufig förmliche Gesetzgebungsverfahren, an denen die jeweiligen Parlamente sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene zu beteiligen sind. Diese Verfahren erfordern Zeit und Flexibilität. Zur Umsetzung von RL ist das Instrument der Rechtsverordnung nur in eingeschränktem Umfang anwendbar. Die zunehmende Regelungsdichte und Regelungstiefe auf europäischer Ebene mit vielfach zu umfangreichen Detailregelungen und bei der Umsetzung bzw. Anwendung schwer zu Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht Seite 162 interpretierender Formulierungen ist häufig ursächlich für die längere Verfahrensdauer. Die Länder kritisieren zudem, dass ihr Regelungsspielraum durch die von EU und Bund getroffenen Festlegungen so stark eingeengt werde, dass substantielle länderspezifische Regelungen letztlich nicht mehr möglich seien. - Die dargestellte Problematik stellt sich vor allem im Bereich des Umweltrechts, für den sich die Gesetzgebungskompetenz zwischen konkurrierender Gesetzgebung und Rahmengesetzgebung aufspaltet. Hier hat D regelmäßig ein besonders hohes Umsetzungsdefizit. Die mediale und sektorale Aufspaltung der Gesetzgebungskompetenzen im Grundgesetz macht die einheitliche Umsetzung des EU-Umweltrechts auf einer Ebene nahezu unmöglich. Der Ansatz der EU geht zunehmend hin zu einem medienübergreifenden Konzept (Beispiele: UVP-RL, strategische UVP-RL 01/42/EG, IVU-RL 96/61/EG, Umweltinformations-RL 90/313/EG). Dies führt dazu, dass die Schwierigkeiten mit der Umsetzung von EU-Richtlinien bei Beibehaltung der gegenwärtigen Kompetenzverteilung im Umweltrecht in Zukunft eher noch zunehmen werden. Zu den Einzelheiten der Problemlage in D wird auf die Teilbeiträge Umweltgesetzgebung (Arbeitsplan IV.11) und Rahmengesetzgebung (Arbeitsplan II.2) verwiesen. Handlungsbedarf: Die derzeitige deutsche Umsetzungsbilanz (Rang 13 unter 15 Mitgliedstaaten) muss verbessert werden. Angesichts der schon bestehenden und voraussichtlich wachsenden Umsetzungsproblematik könnten insoweit auch Verfassungsänderungen in Betracht gezogen werden. Es wird vor allem zu prüfen sein, ob und inwieweit die unterschiedlichen Vorschläge zur Veränderung der gegenwärtigen Kompetenzregelungen des Grundgesetzes insoweit eine Verbesserung bewirken können. Wegen dieser Änderungsoptionen im einzelnen wird auf die Teilbeiträge zur Rahmengesetzgebung (Arbeitsplan II. 2) und zur konkurrierenden Gesetzgebung (Arbeitsplan II. 1) verwiesen. - Die Umsetzung von EG-Recht ist auf der staatlichen Ebene vorzunehmen, für die nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung die Sachkompetenz gegeben ist. Soweit im Bereich der Bundesregierung Verbesserungen erforderlich sind, ist dies durch den Beschluss der Europa-StS vom 29. November 2001 geschehen. Der Beschluss sieht im Kern vor, dass die Richtlinienumsetzung prioritäre Aufgabe aller Ressorts ist und mit den Arbeiten zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beginnen ist. - Ergänzend zur o.g. Beschleunigung der Abstimmungs- und Gesetzgebungsverfahren im Bereich der Bundesregierung bleibt zu prüfen , ob bei umsetzungsrelevanten Gesetzgebungsvorhaben das Verfahren der Bundesratsbeteiligung beschleunigt werden könnte, da – wie erwähnt – die Ursache für Umsetzungsverzögerungen zum Teil auch Seite 163 Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht auf Maßgabebeschlüsse des Bundesrates zurückzuführen war. Auf den Beitrag zur "Zustimmungsbedürftigkeit" wird insoweit verwiesen. - Angesichts der drängenden Problematik sollten neben der Prüfung von Verfassungsänderungen und dem Verfahren der Bundesratsbeteiligung als Sofortmaßnahmen ins Auge gefasst werden: -- Entsprechend dem Beschluss der Europa-StS des Bundes vom 29. November 2001, wonach die Umsetzung von EU-Richtlinien eine prioritäre Aufgabe und mit den Umsetzungsarbeiten zum frühest möglichen Zeitpunkt zu beginnen ist, könnte auch auf Länderseite ein entsprechender Beschluss gefasst werden. -- Bei bestehender Rahmengesetzgebungskompetenz für die Richtlinienumsetzung gemäß Art. 75 GG wirken Bund und Länder von Anfang an so eng zusammen, dass die Länder mit den Arbeiten an den auf sie entfallenden Gesetzgebungsakten auch dann schon beginnen können, wenn der Bund sein Rahmengesetz noch nicht verabschiedet hat Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Art. 23 GG) Seite 164 Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Art. 23 GG) Auftrag Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder in EU-Angelegenheiten sind zu überprüfen (vgl. für die Länder CdS-Papier, Ziffer 6). Dabei ist u.a. die Notwendigkeit von Flexibilität und Effektivität bei Verhandlungen zu berücksichtigen. Berichterstattung: Bund, BW, HB I. Bestandsaufnahme 1) Gegenwärtige Regelung der Mitwirkung der Länder in Angelegenheiten der EU Die europäische Integration hat – exponentiell ansteigend mit dem Binnenmarktprogramm, das zum Jahre 1993 verwirklicht wurde – immer stärker in die innerstaatliche Rechtsordnung hineingewirkt. Diese Entwicklung hat sich von Anfang an nicht auf das Wirtschaftsrecht beschränkt, sondern zunehmend auch andere Rechtsgebiete erfasst. Der Vertrag von Maastricht, der am 01. November 1993 und der Vertrag von Amsterdam, der am 01. Mai 1999 in Kraft getreten ist, berühren erheblich das innerstaatliche Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern. Der Kompetenztransfer auf die Europäische Union wurde innerstaatlich durch eine „Mitwirkungskompensation“ – durch Einfluss auf den Willensbildungsprozess der Bundesrepublik sowie auf europäischer Ebene – ausgeglichen. Artikel 23 GG war hierzu ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Mitwirkungsrechte der Länder. Die Durchführung des Art. 23 GG regeln das Gesetz über die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) vom 12. März 1993 und die Bund-Länder-Vereinbarung (BLV) vom 29. Oktober 1993, zuletzt geändert aus Anlass des Amsterdamer Vertrags am 8. Juni 1998. Die Mitwirkung der Länder in Angelegenheiten der EU erfolgt heute gemäß Art. 23 Abs. 2 S. 1 GG in erster Linie über den Bundesrat. Im Einzelnen sind folgende - je nach Ausmaß der Betroffenheit von Länderinteressen oder -zuständigkeiten - abgestufte Verfahren der Ländermitwirkung vorgesehen: Seite 165 • • • Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Art. 23 GG) Beteiligung von Ländervertretern an Beratungen zur Festlegung der deutschen Verhandlungsposition, soweit der Bundesrat an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder die Länder innerstaatlich zuständig wären (§ 4 EUZBLG). Zu diesem Zweck ernennt der Bundesrat in der Regel zwei Beauftragte. Teilnahme von Ländervertretern an den Verhandlungen in den Beratungsgremien von Kommission und Rat, soweit wesentliche Interessen der Länder berührt sind und soweit dies möglich ist (§ 6 Abs. 1 EUZBLG; besondere Regelungen für Regierungskonferenzen und Erweiterungsverhandlungen in Abschnitt VII Ziff. 2 und 3 BLV). Übertragung der Verhandlungsführung auf einen Ländervertreter in den Beratungsgremien von Kommission und Rat sowie in den Ratstagungen bei Vorhaben, die im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder betreffen (§ 6 Abs. 2 EUZBLG). Stellungnahmen des Bundesrates sind bei der Festlegung der deutschen Verhandlungsposition im Rat • • • zu berücksichtigen, soweit Interessen der Länder berührt sind, der Bund innerstaatlich aber das Recht zur Gesetzgebung hat (§ 5 Abs. 1 EUZBLG); die Bundesregierung ist in diesen Fällen nicht an die Stellungnahme des Bundesrates gebunden; maßgeblich zu berücksichtigen, soweit ein EU-Vorhaben im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse, die Einrichtung der Behörden der Länder oder ihre Verwaltungsverfahren betrifft (§ 5 Abs. 2 EUZBLG). Bei abweichender Sachposition muss die Bundesregierung in diesen Fällen Einvernehmen mit dem Bundesrat herstellen. Im Streitfall ist die Auffassung des Bundesrates dann maßgeblich, wenn sie mit 2/3 seiner Stimmen bestätigt wird, wobei die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren ist. Dies rechtfertigt nach Auffassung der Bundesregierung auch in diesen Fällen ein Abweichen vom Votum des Bundesrates namentlich dann, wenn dies zur Wahrung der gesamtstaatlichen Verantwortung einschließlich außen-, verteidigungs- und integrationspolitisch zu bewertender Fragen erforderlich ist. Nach Ansicht der Länder rechtfertigt Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG dagegen kein Abweichen der Bundesregierung von der Stellungnahme des Bundesrates (Letztentscheidungsrecht des Bundesrates). Besondere Regeln gelten für • die Zustimmung zu Vorhaben, die auf Art. 308 EGV (Kompetenzergänzung) gestützt werden: Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Art. 23 GG) Seite 166 Hier stellt die Bundesregierung Einvernehmen mit dem Bundesrat her, wenn nach innerstaatlichem Recht die Zustimmung des Bundesrats erforderlich oder die Länder zuständig wären (§ 5 Abs. 3 EUZBLG). Falls das Einvernehmen nicht hergestellt werden kann, geht die Bundesregierung - im Gegensatz zur Position der Länder - davon aus, sich in Ausnahmefällen der Stimme enthalten zu können. Hierüber wird der Bundesrat so früh wie möglich unterrichtet; • bei den durch den Amsterdamer Vertrag eingeführten Rahmenbeschlüssen im Bereich der polizeilichen und strafjustiziellen Zusammenarbeit (Art. 34 Abs. 2 b EUV): Hier berücksichtigt die Bundesregierung gemäß § 5 Abs. 2 EUZBLG maßgeblich die Stellungnahme des Bundesrats, soweit Gesetzgebungs- oder Verwaltungszuständigkeiten der Länder im Schwerpunkt betroffen sind. In allen übrigen Fällen gilt § 5 Abs. 1 EUZBLG soweit nach innerstaatlichem Recht die Zustimmung für eine bestimmte Regelung erforderlich wäre dergestalt, dass Stellungnahmen des Bundesrats den Verhandlungen ebenso zugrundegelegt werden wie solche des Deutschen Bundestags; die Zustimmung der Bundesregierung zu einem Rahmenbeschluss erfolgt nur im Einvernehmen mit dem Bundesrat, wobei die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren ist (Ergänzende Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder vom 08.06.1998, zu Ziff. III Nr. 6). 2) Funktionieren des gegenwärtigen Systems in der Staatspraxis Die Staatspraxis hat die Tragfähigkeit dieser Bestimmungen grundsätzlich bestätigt. Meinungsverschiedenheiten zwischen und Bund und Ländern bei der Anwendung der Bestimmungen in den meisten Fällen konnten für den Einzelfall sowie durch ergänzende Abmachungen gelöst werden. Eine Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Organen ist nach Auffassung der Länder bislang nicht eingetreten; nach Auffassung des Bundes haben solche Beeinträchtigungen jedenfalls kein unvertretbares Maß erreicht. Seit dem Inkrafttreten des EUZBLG im Jahre 1993 bis Ende 2001 hat der Bundesrat geschätzt etwa 1500 Stellungnahmen abgegeben. In 77 Fällen hat er die Maßgeblichkeit gefordert. Die Bundesregierung hat der Forderung in 30 Fällen wider- Seite 167 Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Art. 23 GG) sprochen, weil sie die Voraussetzungen für die Maßgeblichkeit nicht als gegeben ansah. Dennoch hat es rechtliche Auseinandersetzungen, die letztlich im Wege der Organstreitigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht hätten geführt werden müssen, nicht gegeben. Vielmehr hat der Bundesrat die Widersprüche der Bundesregierung hingenommen, ohne allerdings seinen Rechtsstandpunkt aufzugeben. Die Sachpositionen der Bundesregierung und des Bundesrates waren hier allerdings im Regelfall entweder nicht oder nicht wesentlich unterschiedlich. Der zweite Grundpfeiler der Mitwirkung der Länder in EU-Angelegenheiten ist die Beteiligung von Ländervertretern, die vom Bundesrat benannt werden, an den Verhandlungen in den Beratungsgremien von Kommission und Rat und in besonderen Fällen auch in den Ministerräten. Die Ländervertreter sind jeweils Mitglieder der deutschen Verhandlungsdelegation. Sie können mit Zustimmung des Delegationsleiters das Wort ergreifen und in bestimmten Fällen sogar die Verhandlungsführung übernehmen; allerdings ist die Möglichkeit der Verhandlungsführung in der bisherigen Praxis eher selten zum Tragen gekommen. II. Problembeschreibung Aus Sicht des Bundes ist das gegenwärtige System der Ländermitwirkung in EUAngelegenheiten im Ergebnis tragbar. Seiner Auffassung nach gehen die Mitwirkungsrechte der Länder bereits jetzt schon an die Grenze des verfassungsrechtlich zulässigen (zu den verfassungsrechtlichen Bedenken vgl. nur die Nachweise bei Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, 5. Auflage, Art. 23 Rn. 71), so dass schon aus diesem Grund eine Ausweitung nicht in Betracht komme. Bereits jetzt kompliziere das Verfahren des Art. 23 GG den Aufbau wirkungsvoller deutscher Positionen im Vorfeld der Brüsseler Entscheidungen und unterliege einer einschränkenden integrationsund verfassungskonformen Auslegung (siehe auch Hilf, VVdStRL 53 <1994>, S. 18 und 24). Aus Sicht der Länder (siehe CdS-Papier vom 13. September 2001 Ziff. 6) sollen die Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder bei Angelegenheiten der EU durch Änderung bzw. Ergänzung des Art. 23 GG weiter gestärkt werden; zur Diskussion stehen: 1) Beseitigung der Befugnis der Bundesregierung, auch in Angelegenheiten der ausschließlichen Länderkompetenz vom Bundesratsvotum abweichen zu können (Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG), Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Art. 23 GG) 2) - Seite 168 Ausweitung der Verpflichtung der Bundesregierung, das Votum des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen auf die Angelegenheiten, in denen Rechtsetzungsakte der EU die bei den Ländern durch den Vollzug verursachten Aufwendungen wesentlich verändern.“ Zur Forderung nach Pkt. 1: • Auffassung der Länder: Bereits zu der jetzt geltenden Regelung des Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass dem Bundesrat das Letztentscheidungsrecht bei Maßgeblichkeit seiner Stellungnahme dann zusteht, wenn es bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesregierung und Bundesrat nicht gelingt, Einvernehmen herzustellen (Scholz in Maunz/Dürig/Herzog Art. 23 GG RNr. 120). Eine entsprechende Klarstellung/Änderung in Art. 23 Abs. 5 GG in diesem Sinne, welche die umfassende und abschließende Entscheidungsbefugnis über das Vorgehen bei EU-Angelegenheiten im Bereich der Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder zum Inhalt hätte, wäre im Interesse einer klaren Abgrenzung der Verantwortungsbereiche auch in Bezug auf die EUEbene konsequent. Der bloße Hinweis auf verhandlungstaktische Gesichtspunkte vernachlässigt die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes und setzt sich in Widerspruch zu ihr. Die innerstaatliche ausschließliche (Länder-)Zuständigkeit muss auch „im Außenverhältnis“ Geltung erlangen. Nur diese Sichtweise wird auch der allgemeinen Systematik des Art. 23 GG gerecht: Grundprinzip der Ländermitwirkung ist nämlich gerade jeweils die Parallelität der Mitwirkungsbefugnisse an EU-Entscheidungen zu den innerstaatlichen Zuständigkeiten des Bundesrates und der Länder. Diesem Grundprinzip widerspricht ein Abweichen der Bundesregierung in Angelegenheiten der ausschließlichen Länderkompetenz vom Bundesratsvotum. Die Befürchtung, dadurch würde die Verhandlungsposition Deutschlands gefährdet bzw. in Frage gestellt, ist nicht zwingend: Bereits die jetzige Regelung hat in der Praxis gezeigt, dass es kaum zu echten Konfliktfällen zwischen Bundesregierung und Bundesrat kommt und der Bundesrat bereits bei Formulierung seiner Stellungnahmen die in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG zum Ausdruck kommende Verpflichtung zur Verwirklichung eines vereinten Europas beizutragen, Ernst nimmt. Ferner wäre auch denkbar, im Rahmen einer möglichen Verfassungsänderung diese allgemeine Verpflichtung aus Abs. 1 Satz 1 des Art. 23 GG ausdrücklich in Bezug auf den Bundesrat und die Formulierung seiner letztentscheidenden Stellungnahme zu konkretisieren. Zudem dürften die Stellungnahmen des Bundesra- Seite 169 Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Art. 23 GG) tes - wie die Praxis zeigt - kaum zu außen- und verteidigungspolitischen Konflikten mit der Bundesregierung führen; was darüber hinaus die integrationspolitischen Ziele betrifft, wäre der Bundesrat diesen ohnehin unmittelbar verpflichtet. • Auffassung des Bundes: Ein „Letztentscheidungsrecht“ des Bundesrates ohne Rücksicht auf gesamtstaatliche Belange unterläge aus Sicht des Bundes erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken (s.o). Die Umsetzung des Vorschlags würde die Flexibilität der Bundesregierung in EUGremien in den betroffenen Fallkonstellationen beseitigen. Für den Bund bedürfen - unbeschadet verfassungsrechtlicher Vorgaben (s.o. 1 a) - die Verhandlungen schon aus Sachgründen eines Spielraums, der auch Rückzugspositionen zulässt. Auch andere föderal organisierte Mitgliedstaaten wie Österreich und Belgien sehen keine strikte und ausnahmslose Bindung der Regierung an Voten der Gliedstaaten vor. Die Bundesregierung ist noch nie unter Berufung auf die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes von einer maßgeblichen Stellungnahme des Bundesrates abgewichen. Die jetzt dazu gegebene rechtliche Möglichkeit muss jedoch schon von Verfassungs wegen erhalten bleiben, um einen möglichen schwerwiegenden Schaden für die Bundesrepublik Deutschland beispielsweise auf außen-, verteidigungs- und integrationspolitischem Gebiet abwehren zu können. Die Befugnis zur Abweichung im gesamtstaatlichen Interesse folgt daraus, dass hier ein Kernbereich der ausschließlichen Zuständigkeiten des Bundes für die auswärtige Gewalt, für die Sicherheitspolitik sowie für die Integrationsgewalt berührt ist. Im Übrigen wirkt bereits die bestehende Regelung konfliktverhütend. Der Bundesrat muss bei Abfassung seiner Stellungnahme eine mögliche Berufung der Bundesregierung auf ihre gesamtstaatliche Verantwortung in Rechnung stellen und durch eine sorgfältige Berücksichtigung der dafür maßgeblichen Gesichtspunkte vermeiden. Entfiele diese Notwendigkeit, würde eine maßgebliche Grundlage für das bisherige praktische Funktionieren der Bund-Länder-Zusammenarbeit in EUAngelegenheiten in Frage gestellt. - Zur Forderung nach Pkt. 2: • Auffassung der Länder: Bereits nach der jetzigen Regelung ist die Stellungnahme des Bundesrates dann maßgeblich zu berücksichtigen, wenn es um EU-Vorhaben geht, die im Schwerpunkt die Einrichtung von Landesbehörden oder das von Landesbehörden zu beachtende Verwaltungsverfahren betreffen. Eine Erstreckung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes auch auf die EU-Regelungen, welche bei den Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Art. 23 GG) Seite 170 Ländern die durch den Vollzug verursachten Aufwendungen „wesentlich“ verändern, wäre insoweit eine konsequente Ergänzung der Mitwirkungsrechte der Länder: Finanzielle Folgewirkungen von EU-Vorhaben treffen die Länder auf Grund ihrer wenig flexiblen Haushalte in ihrer Handlungsfähigkeit nicht weniger gravierend als Änderungen ihrer Behördeneinrichtung oder des Verwaltungsverfahrens. Beispiel für eine EU-Regelung, die zwar nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder fällt, die aber zu ganz erheblichen administrativen und auch finanziellen Auswirkungen im Länderbereich geführt hat, ist die Umsetzung der FFHRichtlinie, wo innerstaatlich für den Naturschutz eine Rahmenzuständigkeit des Bundes besteht (Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG). Im übrigen wäre eine Erstreckung des Maßgeblichkeitsprinzips die Entsprechung zu Art. 23 Abs. 5 Satz 3 GG: danach ist eine Zustimmung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates dann notwendig, wenn diese zu Ausgabenerhöhungen oder zu Einnahmenminderungen des Bundes führt. Zur Verhandlungsfähigkeit der Bundesregierung gilt im übrigen das oben gesagte. • Auffassung des Bundes: Art. 23 Abs. 5 S. 2 GG (in Verbindung mit dem Ausführungsgesetz) sieht die Maßgeblichkeit von Bundesratsstellungnahmen nur vor, wenn ausschließliche Kompetenzen der Länder, die zum Kern ihrer Eigenstaatlichkeit gehören (nämlich ihre ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnisse, die Einrichtung ihrer Behörden und ihre Verwaltungsverfahren), im Schwerpunkt von EU-Regelungsvorhaben liegen. Würde sie auf alle Fälle erstreckt, in denen die durch den Vollzug verursachten Aufwendungen der Länder wesentlich verändert werden, hätte dies (zumal dann, wenn gleichzeitig auch die Möglichkeit gestrichen würde, dass sich die Bundesregierung unter Hinweis auf die gesamtstaatliche Verantwortung vom Votum des Bundesrats abweichen kann) einen für den Bund inakzeptablen Systemwechsel zur Folge, der die Länder von mitwirkenden zu bestimmenden Akteuren deutscher Europapolitik machen würde. Da in der Bundesrepublik Deutschland der Vollzug von Rechtsetzungsakten der EU grundsätzlich bei den Ländern liegt und der Vollzug regelmäßig mit zumeist "wesentlichen" Aufwendungen verbunden ist, dürfte bei einer Akzeptanz der Länderforderung die Maßgeblichkeit von Bundesratsstellungnahmen von der seltenen Ausnahme zur Regel werden. Damit verbindet sich die Gefahr einer Inflexibilität der deutschen Verhandlungsführung auf breiterer Front, welche die Europafähigkeit Deutschlands in Frage stellt. Im übrigen gilt: Eine sachgerechte Berücksichtigung der Länderinteressen ist auch ohne Änderung des GG und des Ausführungsgesetzes möglich. Das System sorgt dafür, dass die vielfältigen Erfahrungen der Länder bei der Anwendung von EU-Recht in die deutschen Verhandlungspositionen einfließen, so dass ein Seite 171 Kompetenzen in EU-Angelegenheiten (Art. 23 GG) Bedürfnis aus dieser Perspektive nicht belegbar ist. Dies zeigt die in der Praxis zufriedenstellende Erfahrung der Bund-Länder-Zusammenarbeit in EUAngelegenheiten. Anhang L:\Maiwald\2002\Dienstrecht_Grundsatz_021217.Doc Innerstaatliche Kompetenzordnung für das Besoldungs- und Versorgungsrecht sowie für das Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten - Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung - Stellungnahme des Bundes aus dienstrechtlicher Sicht 1 Gliederung Seite Vorbemerkung / Auftrag 1 I. Besoldungs- und Versorgungsrecht (Art. 74 a GG) 1 1. Neue Aufgaben- und Verantwortungsteilung zwischen Bund und Ländern 2 2. Bisherige Öffnungen und Kompetenzverlagerungen zugunsten der Länder 2 a. Öffnung der Hochschullehrerbesoldung für leistungsbezogene, flexible Ausgestaltung durch die Länder 2 b. Öffnungen für ländereigene Regelungen zur Leistungsbezahlung 3 c. Verlagerung der Regelungskompetenz für Stellenobergrenzen auf die Länder 4 d. Modernisierungsinitiative der Bundesregierung durch Bezahlungsbandbreiten 4 3. Fortsetzung der Modernisierung und Flexibilisierung des Bezahlungsrechts 5 4. Der Gesetzesantrag des Landes Berlin zur Öffnung für landesrechtliche Konsolidierungsmaßnahmen 6 5. Der verfassungsrechtliche Gestaltungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers 7 6. Notwendigkeit bundeseinheitlicher Systems- und BezügeStrukturen zur Wahrung von Chancengleichheit und Gleichklang 8 a. Gleichgerichtete System- und Bezügestrukturen als Voraussetzung für wettbewerbsfähige und marktgerechte Beschäftigungsbedingungen 9 b. Finanzielle Abhängigkeiten und Wechselwirkungen 10 c. 11 Gleichklang der Bezahlungs- und Beschäftigungsbedingungen in Bund und Ländern d. Notwendigkeit der bundeseinheitlichen Entwicklung des Beamtenversorgungsrechts im Gleichklang mit anderen Alterssicherungssystemen 11 2 e. Personalwirtschaftliche Flexibilitäts- und MobilitätsErfordernisse II. 12 Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten (Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG) 13 1. Zur Ausgangslage 13 2. Erforderlichkeit der Rahmengesetzgebungskompetenz 14 3. Zur künftigen Wahrnehmung der Rahmengesetzgebungskompetenz durch den Bund 16 1 Vorbemerkung / Auftrag Der von den Regierungschefs von Bund und Ländern eingesetzte Lenkungsausschuss „Föderalismusreform“ hat in seiner konstituierenden Sitzung am 18. April 2002 die Arbeitsgruppen „Finanzen“ und „Innerstaatliche Kompetenzordnung“ beauftragt, eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung vorrangig im Hinblick auf Zweckmäßigkeit und Effizienz der Aufgabenerfüllung sowie Zuordnung der politischen Verantwortlichkeiten zu erarbeiten. Zur Vorbereitung ist auf Arbeitsebene eine länderoffene Unterarbeitsgruppe gebildet worden, die die von den Ländern u.a. benannten Kompetenzbereiche „Besoldungs- und Versorgungsrecht“ sowie „Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten“ untersuchen soll. Hessen und Niedersachen haben zur Handhabung der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für Besoldungsrecht und Versorgungsrecht nach Art. 74 a GG sowie der Rahmengesetzgebungskompetenz für das Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 GG eine Bestandsaufnahme und Problembeschreibung vorgelegt. Diese Bereiche betreffen Grundfragen der Verantwortung des Bundes für den Gesamtbereich des öffentlichen Dienstes und die Entwicklung der Personalkosten in den öffentlichen Haushalten und damit ein zentrales Element der Dienstrechtspolitik der Bundesregierung. Dazu wird im Folgenden Stellung genommen. I. Besoldungs- und Versorgungsrecht (Art. 74 a GG) Besoldung und Versorgung der Beamtinnen und Beamten sind mit Einfügung des Art. 74 a GG im Jahre 1971 von der Rahmengesetzgebungskompetenz in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit überführt worden. Der schon zuvor von den Ländern eingeleitete Prozess der Vereinheitlichung der Besoldung ist 1975 durch das Zweite Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern und mit Wirkung ab 1977 durch das Beamtenversorgungsgesetz abgeschlossen worden. Das Bundesrecht regelt seither Besoldung und Versorgung umfassend bundeseinheitlich und grundsätzlich abschließend, soweit den Ländern nicht ausdrücklich Regelungsbefugnisse eingeräumt werden. Mit der Vereinheitlichung ist einem seinerzeit in den Ländern einsetzenden Besoldungswettlauf entgegengewirkt worden, der durch rahmenrechtliche Bundesregelungen nicht zu begrenzen war. Die Auseinanderentwicklung und Zersplitterung des Besoldungsrechts durch eigenständige landesrechtliche Regelungen ist seinerzeit vom damaligen Bundesinnenminister Genscher als „Scherbenhaufen einer Besoldungspolitik des Opportunismus, des föderalen Eigennutzes und der Konzeptionslosigkeit, die jede innere Besoldungsgerechtigkeit vermissen lasse,“ bezeichnet worden. 2 1. Neue Aufgaben - und Verantwortungsteilung zwischen Bund und Ländern Für die Ausfüllung der grundgesetzlichen Kompetenzzuordnung bei Besoldung und Versorgung nach Art. 74 a GG setzt die Bundesregierung auf ein modernes Föderalismusverständnis, wonach eine neue Aufgaben- und Verantwortungsteilung zwischen Bund und Ländern das bundesstaatliche Prinzip prägen soll. Die Bundesregierung will nicht nur eine stärkere Kooperation zwischen den Ebenen erreichen, sondern die Länder durch mehr Eigenständigkeit und mehr Eigenverantwortung stärken, um innovatorische Entwicklungen zu fördern und größtmögliche Effizienz zu ereichen. Ziele sind die Verbesserung der Transparenz durch den Abbau bundesstaatlicher Vorgaben sowie die Stärkung der Eigenverantwortung, des Subsidiaritätsprinzips und der föderalen Vielfalt. Die gegenläufigen Verfassungsprinzipien von Solidarität und Eigenstaatlichkeit sind auch für den Bereich des öffentlichen Dienstrechts in eine ausgewogene Balance von Einheitlichkeit und Vielfalt zu bringen. Nach der Koalitionsvereinbarung vom 16. Okt. 2002 wird dazu die bereits in der 14. Legislaturperiode vorangebrachte Modernisierung des Staates mit dem Ziel der Entbürokratisierung, Bürgerfreundlichkeit und Transparenz konsequent fortgesetzt werden. Die Bundesregierung steht für einen starken und handlungsfähigen Föderalismus und für klare Regelungen von Verantwortung und Zuständigkeit. 2. Bisherige Öffnungen und Kompetenzverlagerungen zugunsten der Länder Auf der Grundlage ihres umfassenden Programms „Moderner Staat- Moderne Verwaltung“ hat die Bundesregierung bereits in der vergangenen Legislaturperiode mit weitreichenden Gesetzesänderungen (Besoldungsstrukturgesetz / Professorenbesoldungsreformgesetz/ Sechstes Besoldungsänderungsgesetz) den Ländern mehr Handlungs-, Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume bei der Bezahlung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeräumt. a. Öffnung der Hochschullehrerbesoldung für leistungsbezogene, flexible Ausgestaltung durch die Länder Im Rahmen einer umfassenden und zukunftsweisenden Hochschulreform hat die Bundesregierung mit dem Gesetz zur Professorenbesoldungsreform vom 16. Februar 2002 ein leistungsabhängiges, flexibles Bezahlungssystem mit variablen Leistungsbezügen eingeführt. Für die weitere Konkretisierung der leistungsbezogenen Bezahlung wurden den Ländern dabei umfassende Gestaltungs-, Entscheidungs- und Handlungsspielräume (Vergabeverfahren, Zuständigkeit, Voraussetzungen und Kriterien der Vergabe sowie Ausgestaltung der Leistungsbezüge) eröffnet. Angesichts der Notwendigkeit, im Grundsatz gleiche Besoldungsverhält- 3 nisse im öffentlichen Dienst aufrechtzuerhalten, ist bundesrechtlich die Höhe der Grundbesoldung sowie ein Budget-Rahmen für die Vergabe variabler Leistungsbezüge bestimmt worden. Die Budgetierung ist nicht nur zur Steuerung der Personalkosten erfolgt, sondern garantiert im Interesse der Professorinnen und Professoren das bisherige Volumen. Mit der Reform hat die Bundesregierung den Ländern die notwendigen Handlungsund Gestaltungsspielräume eröffnet und zugleich durch bundesrechtliche Rahmenbestimmungen eine gleichgerichtete Grundstruktur der Hochschulbezüge im gesamtstaatlichen Interesse sichergestellt. Diese neu ausgerichtete Balance von Einheitlichkeit und Flexibilität ist Leitbild für die weitere Dienstrechtspolitik, insbesondere für alle die Bereiche, in denen vorrangig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind und insoweit Personal- und Haushaltsverantwortung der Länder gefordert sind. Mit Blick auf diese bereits eingeleitete Erneuerung und neue Zuordnung von Verantwortlichkeiten haben die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vom 16. Oktober 2002 vereinbart, die bundesrechtlichen Voraussetzungen für eine stärkere Flexibilisierung der Lehrerbesoldung zu schaffen. b. Öffnungen für ländereigene Regelungen zur Leistungsbezahlung Mit dem Besoldungsstrukturgesetz im Jahr 2002 hat die Bundesregierung den Ausbau der Leistungsbesoldung ermöglicht. Die erweiterten Grundlagen eröffnen dem Bund und den Ländern Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, jeweils auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete Regelungen zu treffen und den Aufgaben, Organisations- und Personalstrukturen jedes einzelnen Landes angemessen Rechnung zu tragen. Die von der Bundesregierung geschaffenen Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sind von den Ländern bisher nur teilweise ausgefüllt worden; die Anwendung und der weitere Ausbau der Leistungsbezahlung sind zum Teil wegen der angespannten Haushaltssituation zurückgestellt oder ausgesetzt worden, wenn auch durch die bundesrechtliche Neugestaltung der Gehaltstabellen finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten im beamtenrechtlichen Bezahlungssystem erreicht worden sind. Es entspricht dem Wesen bundesrechtlicher Rahmenvorgaben, dass es den Ländern auch möglich sein muss, Gestaltungs- und Handlungsspielräume auf Grund der finanziellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht zu nutzen. Darüber hinaus sind auf Initiative der Bundesregierung einzelne Bezahlungsinstrumente wie beispielsweise Sonderzuschläge, Anwärtersondersonderzuschläge oder bestimmte Zulagenregelungen dereguliert und auf die Ebene der Diensther- 4 ren delegiert worden. Damit sind Entscheidungsstrukturen entflochten und administrative Hierarchien abgebaut worden, um zu größerer Transparenz zu gelangen. c. Verlagerung der Regelungskompetenz für Stellenobergrenzen auf die Länder Die bisherige Vorgabe bundeseinheitlicher Höchstgrenzen für die Ausbringung von Beförderungsstellen in den jeweiligen Personalhaushalten (sog. Stellenobergrenzen) ist mit dem Besoldungsstrukturgesetz in einem ersten Schritt geöffnet worden. Die Bundesregierung hatte in ihrem Regelungsentwurf ursprünglich vorgeschlagen, diese Regelungskompetenz für die Stellenpläne gänzlich auf die Länder zu verlagern, um dezentral kostensenkende und leistungssteigernde Maßnahme zu ermöglichen. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme am 9. März 2001 (BTDrs. 14 / 630) allerdings die Notwendigkeit der Beibehaltung bundesrechtlicher allgemeiner Obergrenzen betont und die Öffnung teilweise zurückgenommen. d. Modernisierungsinitiative der Bundesregierung durch Bezahlungsbandbreiten Mit dem Entwurf des Besoldungsstrukturgesetzes hatte die Bundesregierung den Ländern eine weitreichende Öffnung des Bezahlungsrechts durch die Einrichtung variabler Bezahlungsbandbreiten für die Eingangsämter und ersten Beförderungsämter im gehobenen und höheren Dienst sowie die Delegation der Einstufungskompetenz auf die jeweiligen Dienstherren vorgeschlagen. Damit sollte das zentralistische, ausschließlich an Vor- und Ausbildung ausgerichtete bundeseinheitliche Einstufungssystem für variable Bewertungen und Einstufungen zugunsten der Länder geöffnet werden. Die starren bundeseinheitlichen Festlegungen und Detailvorgaben sollten durch einen Einstufungsrahmen ersetzt werden, damit künftig regional-, berufsgruppen-, aufgaben- oder dienstherrnspezifische Differenzierungen möglich sind. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme am 9. März 2002 die Übertragung der Entscheidungskompetenz über die Einstufung bei der Einstellung abgelehnt, weil dadurch „die Einheitlichkeit der Besoldung im Bundesgebiet und sogar innerhalb der einzelnen Länder nicht mehr gewährleistet“ sei (BT-Drs. 14 / 6390). Die Bundesregierung hält unverändert an ihrer in der damaligen Gegenäußerung vorgetragenen Auffassung fest, den Ländern durch Öffnungen im einfachen Recht größere Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume an die Hand zu geben, um im Personalbereich differenzierter handeln zu können. 5 3. Fortsetzung der Modernisierung und Flexibilisierung des Bezahlungsrechts Die von der Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode eingeleitete Modernisierung und Flexibilisierung des Bezahlungsrechts ist ohne Alternative. Nach wie vor wird das gegenwärtige Besoldungssystem vorrangig durch Ämter- und Besoldungsordnungen bestimmt, die in ihrer Grundstruktur seit Jahrzehnten unverändert sind. Aufgabenund anforderungsbezogenen Differenzierungen sind nur in einem eingeschränkten Umfang möglich. Individuelles Leistungsprofil und arbeitsmarktnahe Bezahlungskonditionen können gegenwärtig nur unzureichend berücksichtigt werden. Nach wie vor werden zu viele unterschiedliche Sachverhalte mit einer pauschalen Bewertung zusammengefasst und einer einzigen Einstufung zugeordnet. So wird zum Beispiel für jeden Hochschulabsolventen - gleich welcher Fachrichtung - an jedem Ort in Deutschland bei seinem Eintritt in den öffentlichen Dienst zentral eine bundeseinheitliche Bezahlung vorgeschrieben. Das bisherige, stark zentralistische, ausschließlich an Vor- und Ausbildung ausgerichtete bundeseinheitliche Einstufungs- und Entgeltsystem ist zu öffnen, um künftig im Personalbereich markt- und leistungsgerechter handeln zu können. Dies ist nicht nur zur sachgerechten Erfüllung der Aufgaben notwendig, sondern vor allem auch im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb wird die Bundesregierung den eingeleiteten Weg der Modernisierung und Flexibilisierung konsequent fortsetzen und die Reformarbeiten zur Erneuerung von Staat und Gesellschaft künftig noch intensivieren. Die Reform des öffentlichen Dienstes ist ein wesentliches Element der Modernisierung von Staat und Verwaltung. Im Zusammenhang mit der angestrebten Neugestaltung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes und einer gleichgerichteten Umsetzung im Beamtenrecht wird die Bundesregierung weitere Vorschläge unterbreiten, um gezielter und flexibler auf arbeitsmarktund beschäftigungspolitische Situationen reagieren zu können. Eine nachhaltige Erneuerung setzt voraus, dass die neue Verantwortungsteilung zwischen Bund und Ländern umfassend auf allen staatlichen Ebenen verwirklicht wird. Für das öffentliche Dienstrecht besteht auch unterhalb der gesetzlichen Regelungsebene Raum für Deregulierungen und Öffnungen zugunsten der Länder. So unterliegt beispielsweise die Ausfüllung der im Bundesrecht geschaffenen Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume gegenwärtig dem Abstimmungsverfahren nach der sog. Gemeinsamen Erklärung vom 1. 7.1977 / 25.6.1992. Danach haben sich der Regierungen des Bundes und der Länder verpflichtet, auf eine gemeinsame, stabilitätskonforme Steuerung der Personalkosten im öffentlichen Dienst hinzuwirken und kostenwirksame strukturelle Maßnahmen untereinander abzustimmen. Die Regierungen haben sich nach dieser Vereinbarung gebunden, kostenwirksame Strukturmaßnahmen im Personalbereich wie etwa beispielweise die Einstufungen einzelner landesrechtlicher Leitungsämter oder die Regelungen einzelne Stellenplanverhältnisse bzw. Zulagen dann 6 nicht vorzunehmen, wenn die Bundesregierung und vier Landesregierungen oder zehn Landesregierungen diesen Regelungen widersprechen. Im Bereich der Besoldung führt dies dazu, dass nahezu alle Maßnahmen, die der Bundesgesetzgeber zur eigenständigen landesrechtlichen Regelung freigegeben hat, innerhalb von Bund und Länder vereinheitlicht werden. Dieser durch Verwaltungsvereinbarung vorgenommene detaillierte Abgleich führt in der Praxis zu bundeseinheitlichen Regelungsmustern und starren Standards gerade auch in den Bereichen, die der Gesetzgeber ausdrücklich für selbstverantwortete länder- und dienstherrnspezifische Maßnahmen geöffnet hat. 4. Der Gesetzesantrag des Landes Berlin zur Öffnung für landesrechtliche Konsolidierungsmaßnahmen Mit dem Gesetzesantrag des Landes Berlin v. 5. Nov. 2002 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (BR-Drs. 819 /02) soll das Bundesbesoldungsrecht für landesgesetzliche Konsolidierungsmaßnahmen bei allgemeinen Besoldungs- und Versorgungsanpassungen sowie zur Reduzierung der jährlichen Sonderzuwendung und zur Streichung Urlaubsgeldes geöffnet werden. Nach der Begründung sind die Öffnungen im Bundesrecht notwendig, um den Ländern auf Grund der durchweg schwierigen, teils extrem belasteten Situation der öffentlichen Haushalte angemessene Konsolidierungsspielräume bei den Personalkosten einzuräumen. Dies sei notwendig, um die finanzpolitischen Handlungsmöglichkeiten zu erweitern und die Personalkosten in erforderlichem Umfang zu dämpfen und zu verringern (BR-Drs. 819 / 02 - Allg. Teil der Begründung). Zu diesen Regelungsvorstellungen bleiben zunächst die Ergebnisse der im Bundesrat aufgenommen Beratungen abzuwarten. Nach einem Beschluss des Bundesrates wird die Bundesregierung im weiteren Gesetzgebungsverfahrens zu den Vorschlägen der Länder Stellung nehmen. Vorab ist festzustellen, dass differenzierte Lösungen und flexible Maßnahmen notwendig sind, wenn die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse unterschiedlich sind und auch die Entwicklungen in den öffentlichen Haushalten voneinander abweichen. Unterschiedliche Sachverhalte müssen grundsätzlich unterschiedlichen Lösungen zugänglich sein. Bundeseinheitliche Vollregelungen sind nicht überall und immer notwendig. Allerdings hat der Gesetzgeber durch klare tatbestandliche Vorgaben sicherzustellen, dass der verfassungsrechtlich geschützte hergebrachte Grundsatz des Alimentationsprinzips gewahrt bleibt und die Untergrenze der amtsangemessenen Alimentation wie auch das Abstandsgebot eingehalten werden. Deshalb sind Flexiblisierungen und Öffnungen grundsätzlich an Voraussetzungen zu knüpfen und können nicht losgelöst von der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse erfolgen. 7 Solche Öffnungen stärken die Länder durch mehr Eigenständigkeit und mehr Eigenverantwortung. Die praktische Umsetzung des Subsidiaritätsprinzip entspricht dem gewandelten Verständnis der Aufgaben- und Verantwortungsteilung zwischen Bund und Ländern. Die stärkere Akzentuierung föderativer Konkurrenz kann Flexibilitätspotentiale erschließen, zur Erprobung von Alternativen anregen sowie die Experimentierfreudigkeit und Innovationsbereitschaft fördern, um im Wettbewerb zu besseren Problemlösungen zu kommen. 5. Der verfassungsrechtliche Gestaltungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers Einer Öffnung und Flexibilisierung des Besoldungsrechts stehen Wesen und Intention der konkurrierenden Gesetzgebung nicht entgegen, die dem Bund nach Art. 72 Abs. 2 GG nur dann ein Gesetzgebungsrecht gibt, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Diese Voraussetzungen bestehen für den Kernbereich und die Grundstrukturen des Besoldungsrechts und des Versorgungsrechts grundsätzlich unverändert weiter fort. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung kann der Bundesgesetzgeber grundsätzlich ebenso wie bei der Rahmengesetzgebung verfahren und statt einer umfassend erschöpfenden bundeseinheitlichen Vollregelung ein Bundesgesetz erlassen, dass in Teilen auf Ausfüllung und Ausgestaltung durch die Länder angelegt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass der Bund im Rahmen des Art. 74 a GG befugt sein, „von seiner im umfassend eingeräumten konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit partiellen Gebrauch zu machen und somit für die Länder einen Raum eigener Gestaltung auszusparen“, er sei „nicht gehalten, seine Kompetenz vollständig zu nutzen“ (BVerfGE 62, 355, 369). Das Recht des öffentlichen Dienstes und damit das Besoldungsrecht ist nach Art. 33 Abs. 5 GG unter Beachtung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln. Zu diesen hergebrachten Grundsätzen zählt der Anspruch der amtsangemessenen Alimentation, in dessen Rahmen der Gesetzgeber das Gebot gleicher Besoldung zu beachten hat. Dabei steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Rechtsanspruch auf Alimentation richtet sich nicht auf einen ziffernmäßig zu bestimmenden Betrag, sondern auf die Gewährleistung eines Kernbestandes der Alimentierung. Auch in schwierigen Haushaltssituationen muss allerdings bei jeder Besoldungsänderung die untere Grenze der amtsangemessenen Alimentierung gewahrt bleiben, die der Gesetzgeber keinesfalls unterschreiten darf (vgl. BVerfGE 21, 329, 344). 8 Aus Art. 33 Abs. 5 GG ist die Forderung abzuleiten, dass für gleiche und vergleichbare Dienstposten derselben Laufbahn im Hinblick auf die vom Träger des öffentlichen Amtes geforderte gleiche Tätigkeit, gleiche Leistung, gleiche Verantwortung und gleiche Arbeitslast gleich - und zwar der Bedeutung von Leistung und Verantwortung entsprechende - Besoldung gewährt wird (BVerfGE 12, 326, 334). Allerdings bedeutet dies keineswegs eine absolut gleiche Besoldung. Ähnlich wie im unmittelbaren Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG sind auch im Geltungsbereich des Alimentationsprinzips und des hierauf ruhenden Gebots gleicher Besoldung Differenzierungen gestattet, wenn hierfür sachliche Gesichtspunkte sprechen (vgl. nur BVerfGE 12, 326, 337 f.; 76, 256,329). So war zu Beginn der siebziger Jahre die Differenzierung der tatsächlichen Besoldung nach regional unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen des jeweiligen Dienstherren gängige Praxis. Damit ist eine nominal völlig gleiche bundeseinheitliche Besoldung in allen Ländern und Regionen kein durch den Grundsatz der Gleichheit der Besoldung oder das Alimentationsprinzip zwingend vorgegebenes Verfassungsgebot, sondern beruht auf einer wertenden Entscheidung des Besoldungsgesetzgebers, bei nur geringen wirtschaftlichen und finanziellen Unterschieden durch bundeseinheitlichen Bezahlungsfestlegungen eine Konkurrenzsituation der Dienstherren untereinander zu vermeiden. Dem Gesetzgeber ist bei der Konkretisierung der Verpflichtung zur amtsangemessenen Alimentation ein weiter Gestaltungsspielraum belassen (vgl. BerfGE 8,1, 16; 71, 39, 52 f.; 76, 256, 330; 83, 89, 100; st. Rspr.). Dieser ist allein dadurch begrenzt, dass eine Besoldung und Versorgung in Form eines grundsätzlich lebenszeitigen, amtsangemessenen Lebensunterhalts (Alimentation) gewährleistet wird, der dem Dienstrang, der Verantwortung des Amtes, der Bedeutung des Berufsbeamtentums, den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen sowie dem allgemeinen Lebensstandard entspricht (BVerfGE 99, 300, 315; BVerfG, Beschluss vom 14. Dez. 2000 – 2 BvR 1457/ 96- DÖD 2001, 86 ; st. Rspr.). Innerhalb dieses Rahmens kann der Gesetzgeber die Struktur der Besoldungsordnung jederzeit für die Zukunft ändern. Dies umfasst auch eine Änderung von Gehaltsbeträgen und Zahlungsweisen. Solange die untere Grenze einer amtsangemessenen Alimenation nicht erreicht ist, sind sogar Gehaltskürzungen zulässig, denn einen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch auf Erhaltung des Besitzstandes in Bezug auf ein einmal erreichtes Einkommen gibt es nicht (BVerfGE 8, 332, 342; 44, 249, 263; st. Rspr.). 6. Notwendigkeit bundeseinheitlicher System- und Bezügestrukturen zur Wahrung von Chancengleichheit und Gleichklang Zur Herstellung gleichwertiger Beschäftigungsbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in ganz Deutschland sind für den Kernbereich gleichförmige Entgeltsysteme und Grundstrukturen notwendig. Im gesamtstaatli- 9 chen Interesse und zur Wahrung der bundesstaatlichen Solidarität müssen die gegenläufigen Spannungspole von Einheitlichkeit und Vielfalt künftig so austariert werden, dass soviel bundesrechtliche Einheitlichkeit geschaffen wird, wie sie zur Herstellung von Chancengleichheit und fairen Wettbewerbsbedingungen notwendig ist, und zugleich soviel Vielfalt ermöglicht wird, damit leistungs- und marktgerecht bezahlt werden kann. Zur Wahrung einheitlicher Grundstrukturen ist aus grundsätzlichen dienstrechts- sowie haushalts- und finanzpolitische Überlegungen an der grundgesetzlichen Kompetenzordnung für das Besoldungs- und Versorgungsrecht festzuhalten. a. Gleichgerichtete System- und Bezügestrukturen als Voraussetzung für wettbewerbsfähige und marktgerechte Beschäftigungsbedingungen Die Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber/Dienstherr muss mit Blick auf die demographische Entwicklung auch in der Zukunft erhalten bleiben. Wenn auch im öffentliche Dienst gegenwärtig keine ausgeprägten Nachwuchsprobleme bestehen, muss auch für die Zukunft gewährleistet bleiben, dass der öffentliche Dienst qualifizierte und leistungsstarke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter findet. Wenn auch der Sicherheit des Arbeitsplatzes weiterhin ein entscheidender Stellenwert beizulegen ist, muss die Bezahlung wettbewerbsfähig und marktgerecht bleiben. Dazu ist erforderlich, dass die notwendigen Anpassungen vorgenommen werden, indem das System für mehr Flexibilität und eine stärkere Individualisierung und Leistungsdifferenzierung geöffnet wird. Nur durch differenzierte, wettbewerbsfähige Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen kann ein Bezahlungswettbewerb mit der Wirtschaft vermieden werden, dem die öffentlichen Haushalte in der gegenwärtigen Situation nicht gewachsen wären. Aber auch innerhalb des öffentlichen Dienstes muss ein Wettbewerbsföderalismus zwischen den Dienstherrn untereinander mit Blick auf künftige Nachwuchsprobleme vermieden werden. Zwar nimmt der Föderalismus von jeher funktional den Wettbewerbsgedanken auf und ist dessen effizienzsteigernder und leistungsfördender Charakter unbestritten, einem verabsolutierenden Wettbewerbsdenken steht jedoch die nach wie vor unterschiedliche finanzielle Leistungsfähigkeit der Länder entgegen. Ein Bezahlungs-Wettbewerb beispielsweise um qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer oder bei der Übernahme neu ausgebildeter Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten würde die Personalhaushalte der Länder weiter gefährden und wäre hinsichtlich der unausweichlichen Folgewirkungen für die Finanzierung der Versorgungshaushalte ein nicht kalkulierbares Risiko. 10 Nach den bisherigen Erfahrungen und der Lebenswirklichkeit führen gesonderte landesrechtliche Verbesserungen bei den Bezahlungsregelungen früher oder später immer zu einer Angleichung an das höchste Bezahlungsniveau bzw. an den finanziell stärksten Arbeitgeber / Dienstherrn. Diese Wirkungsmechanismen und Wechselwirkungen, die in den siebziger Jahren zur Übertragung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz auf den Bund geführt haben, bestehen heute unverändert fort und dürften sich wegen der größeren Mobilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der gegenwärtig schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse eher noch verstärkt haben. So ist beispielsweise der Anpassungsdruck bei der Angleichung der Ostbezüge an das Westniveau trotz der unverändert schwierigen gesamtwirtschaftlichen Situation sehr groß. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat gewarnt, dass die öffentlichen Haushalte mit einer Anpassung bis 2007 überfordert würden mit negativen Auswirkungen auf die öffentlichen Investitionen, auf Wachstum und Beschäftigung. Diese Wechsel- und Folgewirkungen gelten über die unmittelbaren Entgeltregelungen hinaus für die gesamten allgemeinen Beschäftigungs- und Einstellungskonditionen im öffentlichen Dienst. Die mit der sog. Zweigeteilten Laufbahn für den Polizeivollzugsdienst in den Ländern eingeleitete Entwicklung der Überleitung des mittleren Polizeivollzugsdienstes in den gehobenen Dienst belegt die bestehenden Abhängigkeiten und Wechselwirkungen, insbesondere auch mit Blick auf die weitreichenden Folgewirkungen für die Finanzierung der Versorgungshaushalte. b. Finanzielle Abhängigkeiten und Wechselwirkungen Die Ausgestaltung der System- und Bezügestrukturen ist auch vor dem Hintergrund bundesstaatlicher Solidarpflichten zu betrachten. Wenn es bei den Einkommensbedingungen im öffentlichen Dienst auf Grund fehlender einheitlicher Grundstrukturen zu einem erneuten Bezahlungswettlauf wie in den siebziger Jahren käme, könnte dies dazu führen, dass z. B. die Personalausgaben in einzelnen Ländern zu Lasten der öffentlichen Investitionen ausgeweitet und auf diese Weise Wirtschaftsund Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern entstehen und vertieft werden. Den Personalausgaben kommt insbesondere bei den Ländern herausgehobene Bedeutung zu, dort sind sie mit einem Anteil von rd. 40 % die wichtigste Ausgabenart. Eine grundlegende Änderung der Kompetenzordnung in diesem Bereich würde daher neben der Ermittlung der unmittelbaren quantitativen Auswirkungen eine genaue Analyse aller Finanzströme mit aktiver und passiver Ausgleichswirkung voraussetzen. Insoweit werden enge Berührungspunkte zur Arbeitsgruppe „Finanzen“ gesehen. 11 Mit Blick auf die zwingend notwendige Einhaltung der Haushaltsdisziplin und eine Begrenzung des gesamtstaatlichen Defizits sind unkalkulierbare Bezahlungswettläufe wie zu Beginn der 70-er Jahre um qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst zu verhindern. Auf der Grundlage der konkurrierenden Regelungskompetenz bei Besoldung und Versorgung kann auf die Gleichförmigkeit der weiteren Entwicklung der Personalkosten hingewirkt werden. Die weitere Entwicklung der Personalausgaben ist vor allem auch mit Blick auf die Defizitvorgaben aus dem Maastricht- Vertrag von Bedeutung, deren Einhaltung eine gemeinsame Aufgabe aller Gebietskörperschaften ist. Bund und Länder haben sich im Maßstäbegesetz auf eine Regelung verpflichtet, durch eine gemeinsame Ausgabenlinie die Bestimmungen des Maastricht-Vertrages und des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes zur Begrenzung des gesamtstaatlichen Defizits umzusetzen. Die Gewährleistung der Tragbarkeit und Nachhaltigkeit der öffentlichen Haushalte kann für einen handlungsfähigen Staat und für die Realisierung von Generationengerechtigkeit nicht hoch genug eingeschätzt werden. c. Gleichklang der Bezahlungs- und Beschäftigungsbedingungen in Bund und Ländern Die dienstrechtspolitische Leitlinie eines gerechten Gleichklangs der Beschäftigungs- und Bezahlungsbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst gilt nicht nur im Verhältnis der Statusgruppen zueinander, sondern für alle staatlichen Ebenen. Eine Änderung der grundgesetzlichen Kompetenzordnung im Bereich von Besoldung und Versorgung hätte weitreichende Folgewirkungen für den Bereich der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes und würde langfristig zu entsprechenden Entwicklungen im Tarifbereich führen. Gleichgerichtete Entgeltsysteme und Bezügestrukturen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst sind für die Akzeptanz und den sozialen Frieden innerhalb des öffentlichen Dienstes von herausragender Bedeutung; sie stärken die Einheit des öffentlichen Dienstes. d. Notwendigkeit der bundeseinheitlichen Entwicklung des Beamtenversorgungsrechts im Gleichklang mit anderen Alterssicherungssystemen Besoldung und Versorgung sind eng miteinander verknüpft, da die Versorgung an die Besoldung, die im aktiven Dienstverhältnis zuletzt zugestanden hat, anknüpft. Nach dem 2. Versorgungsbericht der Bundesregierung (BT- Drs. 14 /7220) steht 12 die Beamtenversorgung ebenso wie die anderen Altersicherungssysteme vor dem Problem erheblich steigender Ausgaben. Ursachen hierfür sind die allgemeine demographische Entwicklung, die erhebliche Verlängerung der Pensionslaufzeiten sowie die Folgen der Ausweitung des Personalbestandes im öffentlichen Dienst in den 60er und 70er Jahren. Nach den Vorausberechnungen werden die Versorgungsausgaben der Gebietskörperschaften bis 2015 um 108 % und bis 2025 um insgesamt 213 % auf rd. 69 Mrd. € ansteigen. Mit rd. 53 Mrd. € entfällt der größte Teil des Ausgabenanstiegs dabei auf die Länder. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung mit dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 die Reformmaßnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung wirkungsgleich und systemgerecht auf die Beamtenversorgung übertragen. e. Personalwirtschaftliche Flexibilitäts- und Mobilitätserfordernisse Die künftig noch stärker geforderte Mobilität der Beamtinnen und Beamten sowohl innerhalb des deutschen öffentlichen Dienstes aus auch im Rahmen der wachsenden europäischen Integration erfordert grundsätzlich kompatible Einkommens- und Beschäftigungsbedingungen, um die personalwirtschaftlich notwendigen Wechsel zu unterstützen und zu fördern. 13 II. Dienstrecht der Landes- und Kommunalbeamten (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GG) Die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für die Rechtsverhältnisse der Beamten der Länder und Gemeinden nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GG hat 1957 zum Erlass des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) geführt, um eine drohende Auseinanderentwicklung der Beamtengesetze zu verhindern. [Anmerkung: Es waren alle Länder, im Übrigen bereits oben erwähnt.] 1. Zur Ausgangslage Das BRRG hat den Ländern von Anfang an differenzierte Vorgaben gegeben, die – je nach der Bedeutung des Sachgebiets für die Einheitlichkeit der beamtenrechtlichen Statusverhältnisse – dem Landesgesetzgeber enge oder weite Spielräume eröffnen. Daneben gab es aber auch Vorschriften, die gleichermaßen für Bund und Länder gelten. Das BRRG ist seither fortentwickelt worden, um die an den öffentlichen Dienst gestellten steigenden Anforderungen (z.B. Zuweisungen bei Privatisierungen) und die berechtigten Belange der Beamtinnen und Beamten bei der Ausgestaltung ihrer Rechtsstellung (z.B. Teilzeit und langfristiger Beurlaubung) zu berücksichtigen. Dabei wurde die bisherige Systematik grundsätzlich beibehalten. Demgemäss finden sich im geltenden BRRG folgende Regelungsstrukturen: Regelungen, die sich an den Landesgesetzgeber wenden, wobei das Rahmenrecht zum Teil ♦ ♦ ♦ ♦ - Vollregelungen enthält, die der Landesgesetzgeber so übernehmen muss (Aufgaben von Beamten, Ernennungsrecht, Rechte und Pflichten der Beamten u.a.), zu einer gesetzlichen Regelung verpflichtet – ohne oder nur mit begrenzten inhaltlichen Vorgaben (z.B. Teilzeitbeschäftigung), keine Verpflichtung zur Regelung enthält, aber im Falle einer Regelung den Inhalt voll oder in wesentlichen Punkten vorgibt (z.B. Führungsfunktionen auf Zeit), auf Vorgaben für bestimmte Regelungsbereiche ganz verzichtet (z.B. Arbeitszeit), die einheitlich und unmittelbar für alle Dienstherren gelten (z.B. Dienstherrnfähigkeit, Versetzung zu anderen Dienstherrn). 14 Bei der Wahrnehmung der Rahmengesetzgebungskompetenz war und ist Leitlinie des Bundes, eine einheitliche Struktur des beamtenrechtlichen Statusrechts in Bund und Ländern sicherzustellen. Demgemäss entspricht das Bundesbeamtengesetz in den substanziellen Regelungsbereichen weitestgehend dem Beamtenrechtsrahmengesetz. Das Ergebnis ist ein einheitliches Statusrecht für Beamtinnen und Beamte in der Bundesrepublik. 2. Erforderlichkeit der Rahmengesetzgebungskompetenz Im Unterschied zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für Besoldung und Versorgung nach Art. 74a GG bleibt bei der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 75 GG für das Statusrecht der Beamten der Länder und Gemeinden die Verantwortung und Handlungsfähigkeit der Landesgesetzgeber grundsätzlich bestehen. Der Bund kann nur einen Rahmen für die Länder setzen und dies nur nach Maßgabe der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG. Nach der Grundgesetzänderung des Jahres 1994 hat der Bund diese Rahmengesetzgebungskompetenz nur, „wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder der Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.“ Dieses Erfordernisse bestehen aber gerade für die Rechtsverhältnisse der Landesund Kommunalbeamten grundsätzlich unverändert fort. In den wesentlichen Strukturelementen übereinstimmende Rechtsverhältnisse der Beamtinnen und Beamten aller Dienstherren sind vor allem erforderlich, - für die Gewährleistung der Handlungsfähigkeit des Staates und die Einheitlichkeit der Exekutivgewalt: Die Ausübung „hoheitsrechtlicher Befugnisse“ ist nach Art. 33 Abs. 4 GG dem Berufsbeamtentum vorbehalten. Da trotz der bundesstaatlichen Gliederung die Staatsgewalt dem Bürger als einheitliche Gewalt gegenübertritt und das Grundgesetz auch nur eine und nicht 17 Staatsgewalten formuliert, ist im Verhältnis Staat - Bürger eine Einheitlichkeit der Staatsgewalt in den Grundelementen unerlässlich. Diese Einheitlichkeit der Exekutivgewalt hängt aber auch davon ab, dass die Personen, die als Amtswalter öffentliche Gewalt ausüben, in ihrer Rechtsstellung im wesentlichen vergleichbar sind. Deshalb muss deren persönliche Rechtsposition strukturell vergleichbar sein, da das Anstellungsverhältnis auch Auswirkung auf die Dienstausübung hat. 15 Unter diesem Aspekt sind vor allem solche Regelungen wichtig, die ein einheitliches fachliches Niveau, eine einheitliche Pflichtenbindung und die Wahrung des Leistungsprinzips sicherstellen. - für die Berücksichtigung der Vorgaben des Grundgesetzes: Zentrale Strukturprinzipien des Beamtenverhältnisses sind durch die Verfassung vorgegeben. Dazu gehören der Leistungsgrundsatz ( Art. 33 Abs. 2 GG), der Funktionsvorbehalt (Art. 33 Abs. 4 GG) und zentrale Strukturprinzipien für das Beamtenrechtsverhältnis (Art. 33 Abs. 5 GG: u.a. Lebenszeitprinzip, Laufbahnprinzip, volle Dienstleistungspflicht, persönliche Verantwortung und Remonstrationspflicht). Diesen Verfassungsgeboten kann nur dann optimal Rechnung getragen werden, wenn die einfachgesetzliche Umsetzung nicht jedem Dienstherrn überlassen bleibt, sondern durch Bundesgesetz auch für die Länder und Kommunen die statusrechtlichen Vorgaben der Verfassung einheitlich umgesetzt werden. Durch die Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung ist insoweit auch die angemessene Berücksichtigung der Belange der Länder gewährleistet. - für die Bewältigung wachsender Mobilitätserfordernisse innerhalb des deutschen öffentlichen Dienstes, auf Grund der wachsenden europäischen Integration und durch den Prozess der Globalisierung: Die Verwaltung der Zukunft wird geprägt sein von einem schnelleren Wandel der öffentlichen Aufgaben. Dies verlangt mehr Mobilität der Beamtinnen und Beamten sowohl innerhalb eines Dienstherrn als auch dienstherrnübergreifend sowie in fachlicher und räumlicher Hinsicht, um gerade im Hinblick auf den sich jeweils - ggfs. auch kurzfristig - ändernden Bedarf die personellen Ressourcen des öffentlichen Dienstes bestmöglich zu nutzen. Deshalb muss bei allen Dienstherren das beamtenrechtliche Statusverhältnis so gestaltet sein, dass die Möglichkeit des Wechsels von einem Dienstherren zum anderen sichergestellt ist. Das gilt insbesondere für die Anerkennung der bei einem Dienstherrn erworbenen laufbahnrechtlichen Befähigung durch alle Dienstherrn. Entsprechende Anforderungen an Mobilität stellen sich aber auch für die zunehmende Zuweisung von Beamtinnen und Beamte zu über- oder zwischenstaatlichen Organisation oder zu nichtöffentlichen Einrichtungen. Auch insoweit 16 sind übereinstimmende Rechtsstrukturen bei den innerdeutschen Dienstherren geboten. - um Bewerbern insbesondere aus EU-Mitgliedsstaaten den Zugang zum deutschen öffentlichen Dienst unter bei allen Dienstherren weitestgehend gleichen Voraussetzungen zu ermöglichen: In Europa wird die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zunehmend an Bedeutung auch für die nationalen Verwaltungen gewinnen. Bloße Koordination und Kooperation zwischen Bund und Ländern können diesen Erfordernissen gesetzlicher Festlegung eines im Kern einheitlichen Beamtenstatus aber nicht genügen. Bei der Verfassungsreform des Jahres 1994 ist deshalb der Verzicht auf diese Rahmenkompetenz des Bundes von Länderseite nicht zur Diskussion gestellt worden. Im Rahmen der aktuellen Diskussion haben sich fast alle Länder im Arbeitskreis für Beamtenrechtsfragen nachdrücklich für die Beibehaltung dieser Rahmenkompetenz des Bundes ausgesprochen. In dem Beschluss vom 14./15. November 2002 wird dabei auf die Notwendigkeit verwiesen, „Gesetze und sonstige Vorschriften durch vergleichbar mit Rechten und Pflichten ausgestattetes und unter vergleichbaren Kriterien ausgebildetes Personal zu vollziehen. Eines weitgehend vereinheitlichten Beamtenrechts bedürfe es auch im Hinblick auf das bundeseinheitliche Tarifrecht, weil sonst Beamten- und Tarifrecht noch mehr als bisher schon unvertretbar auseinanderfallen.“ Vor allem aber weisen die Länder darauf hin, dass, solange grundsätzlich an einem einheitlichen Besoldungs- und Versorgungsrecht festgehalten werde, „es als Anknüpfungspunkt auch eines weitgehend vereinheitlichten Statusrechts“ bedürfe. 3 . Zur künftigen Wahrnehmung der Rahmengesetzgebungskompetenz durch den Bund Die Ausübung der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG ist durch die Verfassungsreform des Jahres 1994 unter eingeschränkte Voraussetzungen gestellt worden. Insbesondere sind dem Bundesgesetzgeber künftig Vollregelungen weitgehend verwehrt (Art. 75 Abs. 2 GG). Für die Bundesregierung geht es bei der Erneuerung des Staates gerade auch um die Stärkung der föderalen Eigenverantwortung. Dieses Ziel ist in der Koalitionsvereinbarung ausdrücklich festgeschrieben worden. 17 Die Bundesregierung strebt deshalb für diese Legislaturperiode eine Novellierung des Beamtenrechtsrahmengesetzes an, die dem Sinngehalt der Verfassungsreform von 1994 und dem politischen Ziel der Stärkung einer Verantwortung der Länder Rechnung trägt. Sie legt dabei aber ein besonderes Gewicht auf einen engen Abstimmungsprozess mit den Ländern. In dem Bund-Länder-Arbeitskreis für Beamtenrechtsfragen ist bereits ein erster Novellierungsvorschlag für das BRRG erarbeitet worden. In diesem Entwurf sind die Handlungsspielräume für die Landesgesetzgeber erweitert worden. Insgesamt sollen vor allem in den Bereichen Teilzeitbeschäftigung und langfristige Beurlaubung, Nebentätigkeits- und Personalaktenrecht erheblich erweiterte Regelungsmöglichkeiten der Länder bestehen. Bund und Länder haben sich inzwischen darauf verständigt, den vorliegenden Entwurf nochmals dahingehend zu überprüfen, die Regelungsdichte weiter zu begrenzen und für die Landesgesetzgebung größere Freiräume zu schaffen. Es wird darauf ankommen, die gesamtstaatlichen Erfordernisse für eine einheitliche Struktur des Beamtenverhältnisses in Einklang zu bringen mit dem Ziel der Stärkung von Länderkompetenzen.