Editorial Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leserinnen und Leser, die vergangenen Monate haben einmal mehr gezeigt, in welchem Maße das Arbeitsrecht dem Wandel der Rechtsprechung unterliegt. Einige der Entscheidungen, die wir Ihnen – nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Einsendungen aus unseren eigenen Reihen – mit der aktuellen Ausgabe der AE wieder präsentieren können, haben grundlegende Auswirkungen auf die betriebliche Praxis. Ein hörbares Aufatmen ist etwa dem Urteil des BSG vom 24.9.2008 gefolgt (Nr. 201). Gegen die Auffassung der Sozialversicherungsträger hat das BSG auch Zeiten der einvernehmlichen unwiderruflichen Freistellung als versicherungspflichtige Zeiten anerkannt. Mag man sich auch bei der Lektüre der Entscheidungsbegründung angesichts der früheren Rechtsprechung des BSG zu dieser Frage verwundert die Augen reiben, so überwiegt doch die Anerkennung des Versuchs, Gesetzesexegese einmal nicht nur streng dogmatisch, sondern auch unter dem Blickwinkel der von seiner Anwendung Betroffenen zu betreiben. Die Entscheidung des EuGH vom 20.1.2009 (Nr. 202) zum Fortbestand der Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Arbeitnehmer, die das BAG bereits umgesetzt hat, dürfte demgegenüber weniger Freude verursachen und sich für die Arbeitnehmerschaft schnell als Pyrrhussieg erweisen. Die finanziellen Belastungen, die sich aus der Gewährung oder Abgeltung eines über mehrere Jahre angesammelten Urlaubsanspruchs ergeben können, werden die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder auch nur -bereitschaft zahlreicher Arbeitgeber überschreiten. Ist dann auch noch die drohende Urlaubsabgeltung als berechtigtes betriebliches Interesse bei der krankheitsbedingten Kündigung zugunsten des Arbeitgebers mit zu berücksichtigen, wird die Langzeiterkrankung erheblich schneller als bisher zum Arbeitsplatzverlust führen. Die europäischen Einflüsse bleiben auch sonst allgegenwärtig. In einem am EuGH anhängigen Vorlageverfahren zur Wirksamkeit des § 622 Abs. 2 BGB werden demnächst die Schlussanträge erwartet; das LAG Berlin-Brandenburg hat einer vergleichbaren tarifvertraglichen Regelung bereits die Wirksamkeit versagt (Nr. 157). Die dabei maßgebliche Frage der europarechtskonformen Auslegung nationalen Rechts ist ebenso aktuell wie die Überlegungen zu den Grenzen, die sich die Mitgliedsstaaten bei der richtlinienkonformen Ausgestaltung des nationalen Rechts auferlegen sollten. Der Arbeitsrechtsausschuss des DAV plädiert hierzu im Interesse der Rechtssicherheit in einer Stellungnahme für die gesetzliche Befristung des Widerspruchsrechts im Falle eines Betriebsübergangs. Nicht weniger Interesse hat schließlich die Vielzahl erst- und zweitinstanzlicher Entscheidungen aus den verschiedensten Bereichen des materiellen und kollektiven Arbeitsrechts verdient. Lassen Sie mich Ihre Aufmerksamkeit nur beispielhaft auf die Entscheidungen zu der Zulässigkeit sogenannter Flashmob-Aktionen (Nr. 183) und der Gewerkschaftseigenschaft der Tarifge- 02/09 97 Editorial meinschaft Christlicher Gewerkschaften (Nr. 184) richten, auf die Frage einer behinderungsbedingten Benachteiligung bei Ausspruch einer Krankheitskündigung (Nr. 163) und nicht zuletzt auf die eher unterhaltsame Frage, ob der freigestellte Betriebsratsvorsitzende mit der Wahrnehmung bedeutsamer unternehmerischer Tätigkeiten betraut und deshalb als leitender Angestellter anzusehen ist (Nr. 161). Ich wünsche Ihnen eine gleichermaßen nützliche wie unterhaltsame Lektüre. Möge sie Ihnen nützen! Köln, im Juni 2009 Ihre Dr. Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Sozialrecht 98 02 / 09 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Seite Einsenderliste 100 Aufsatz Ueli Sommer: Datenschutz nach Schweizer Art 101 Beiträge Dr. Hans-Georg Meier/ Gunnar Becker: Ein Überblick über die derzeit vor dem Bundesarbeitsgericht anhängigen Verfahren zum Umfang der Unterrichtungspflicht beim Betriebsübergang 103 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Arbeitsrecht zur Befristung des Widerspruchsrechts im Falle des Betriebsübergangs 106 Personalien Friedhelm Faecks: 75 Jahre Kanzlei in Marburg 107 Inhaltsverzeichnis der Entscheidungen Entscheidungen Allgemeines Vertragsrecht Bestandsschutz Betriebsverfassungsrecht/Personalvertretungsrecht Tarifrecht Prozessuales Sonstiges Streitwert und Gebühren 111 111 114 131 140 142 146 156 Rezensionen Ulrich Preis: Der Arbeitsvertrag BVerfGK10 – Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bauer/Lingemann/Diller/Hausmann: Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht Schwab/Weth (Hrsg.): Kommentar zum Arbeitsgerichtsgesetz 159 159 160 160 Impressum 161 Stichwortverzeichnis 162 02/09 99 Liste der AE-Einsender Liste der AE-Einsender AE kann ihr Informationsziel nur erreichen, wenn möglichst viele Entscheidungen aus der Mitgliedschaft der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV kommen. Wir nennen daher hier regelmäßig mit Dank und Lob diejenigen, die sich um die AE besonders verdient gemacht haben. Einsender mit mehr als 40 Entscheidungen Berrisch Mansholt Hansjörg Werner Gießen Darmstadt Schrader, Dr. Peter Hannover Jürgen Gisbert Ulrich Rolf Stuttgart Berlin Gütersloh Berlin Gottfried Christian Rüdiger Klaus Wolfram Michael Klemens Rolf Werner Joachim Georg R. Franz Dieter Volker Axel Johannes Frankfurt a.M. Berlin Ratingen Hamburg Lübeck Bad Honnef Hamm Hannover Bremen Lübbecke München Aachen München Düren Frankfurt/M. Berlin Reinhard Steffen Dr. Stephan Richard M. Wolfgang Albrecht Klaus Hanns-Uwe Gerhard Dieter Johannes Thomas Bernhard Michael H. Joachim Kaiserslautern Iserlohn Bonn Augsburg Neunkirchen Flensburg Bremen Heidelberg München Essen Gütersloh Berlin Kassel München Bottrop Ingo Hans Horst Silke Thomas Ulrich Hagen Frankfurt/M. Offenbach Darmstadt Berlin Nürnberg Einsender mit mehr als 20 Entscheidungen Graumann Kelber, Dr. Lodzik Neef, Dr. Puhr-Westerheide Ingo Markus Michael Klaus Christian Iserlohn Berlin Darmstadt Hannover Duisburg Schmitt Seidemann, Dr. Tschöpe, Dr. Zeißig, Dr. Einsender mit mehr als 10 Entscheidungen Bauer Bauer Behrens Brötzmann, Dr. Dribusch Faecks Franzen Geus Gosda Gravenhorst, Dr. Gussen, Dr. Heinemann Hertwig, Dr. Hilligus Höser, Dr. Jung Koch, Dr. Dietmar Bertram Walter Ulrich Bernhard Friedhelm Klaus-Dieter Franz Ralf Wulf Heinrich Bernd Volker Kurt-Jörg Jürgen Nikolaus Friedemann Wiehl Ansbach Hamburg Mainz Detmold Marburg Bremen Schweinfurt Ahlen Düsseldorf Rheda-Wiedenbrück St. Augustin Bremen Neustadt i.Holst. Frechen Oberursel Berlin Krutzki Lampe, Dr. Matyssek Müller-Knapp Müller-Wiechards Peter Rütte Schaefer Schmalenberg, Dr. Schramm Schulz, Dr. Sparla Straub, Dr. Thiele Weber Weberling, Prof. Dr. Einsender mit 5 – 9 Entscheidungen Böse Clausen Crämer Daniels Eckert, Dr. Fischer Fromlowitz Gehrmann Goergens Grimm, Dr. Heimann Hennige, Dr. Herbert, Dr. Hesse, Dr. Hjort Keller Kern Krafft KrügermeyerKalthoff Kühn Kunzmann, Dr. Link 100 02 / 09 Rainer Dirk Eckart Wolfgang Helmut Ulrich Horst Dietrich Dorothea Detlev Marco Susanne Ulrich Walter Jens Thomas Jan H. Alexander Essen Nürnberg Dortmund Berlin Offenbach Frankfurt/Main Essen Aachen Hamburg Köln Cham Gütersloh Coburg Berlin Hamburg München Hamburg Öhringen Rolf Stefan Walter Jochen Köln Karlsruhe Euskirchen Villingen Matissek Müller Pauly Pouyadou, Dr. Preßer Pütter, Dr. Richter Richter, Dr. Schäder, Dr. Schäfer Schipp, Dr. Schwirtzek, Dr. Striegel Struckhoff Sturm TheissenGraf Schweinitz Thieme Thon Vrana-Zentgraf Zahn Zirnbauer Aufsätze/Beiträge Datenschutz nach Schweizer Art Rechtsanwalt Ueli Sommer, Zürich Datenschutzrechtliche Registrierungspflicht von Personaldossiers? Artikel 11a des Datenschutzgesetzes sieht vor, dass Private, welche besonders schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile bearbeiten, diese Datensammlungen beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) vorgängig anmelden müssen. Informationen und Unterlagen in Personaldossiers dürften oftmals solche Daten bzw. Profile darstellen. Es stellt sich somit die Frage, ob Arbeitgeber ihre Personaldossiers nun beim EDÖB anmelden müssen. Gemäß der Meinung des EDÖB ist dies grundsätzlich nicht der Fall. Ausnahmen sind jedoch möglich. Das neue Datenschutzgesetz Am 1. Januar 2008 trat das revidierte Datenschutzgesetz (DSG – inklusive Verordnung VDSG) in Kraft. Die Revision brachte einige Änderungen mit sich. Unter anderem müssen Personen, deren Daten gesammelt und bearbeitet werden, in Zukunft besser informiert werden. Dabei muss der Inhaber einer Datensammlung die betroffenen Personen aktiv informieren, wenn er besonders schützenswerte Daten (z.B. Daten über die Gesundheit oder religiöse, weltanschauliche oder politische Ansichten oder Tätigkeiten) oder Persönlichkeitsprofile (Zusammenstellung von Daten, die eine Beurteilung wesentlicher Aspekte der Persönlichkeit einer Person erlauben) sammelt oder bearbeitet. Personen von den Datensammlungen nicht mehr von der Anmeldepflicht befreit. Ausnahmen von der Anmeldepflicht Aus dem Vorgenannten könnte somit geschlossen werden, dass Arbeitgeber ihre Personaldossiers grundsätzlich anzumelden hätten. Diese Anmeldepflicht wäre – trotz der Möglichkeit der Online-Anmeldung – für Arbeitgeber mit größeren administrativen Aufwendungen verbunden, da für die Anmeldung eine bloße Kurzmitteilung nicht ausreicht. Vielmehr muss ein ganzer Katalog von Informationen registriert werden. Zudem müssen die mit der Anmeldung übermittelten Daten laufend aktualisiert werden (Art. 3 VDSG). Wer sich nicht an diese gesetzlichen Informationspflichten hält, macht sich – bei Vorsatz – strafbar und muss mit einer Geldbuße rechnen (Art. 34 Abs. 2 DSG). Wie bereits das alte sieht nun aber auch das revidierte DSG vor, dass Private unter anderem dann von der Meldepflicht befreit sind, wenn sie die Daten aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung bearbeiten (Art. 1 1a Abs. 5 lit. a DSG). Des Weiteren ist der eingangs erwähnte Art. 1 1a DSG zu beachten. Dieser sieht unter anderem vor, dass Private, die regelmäßig besonders schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile bearbeiten, ihre Datensammlungen beim EDÖB anmelden müssen (Art. 1 1a Abs. 3 lit. a DSG). Die von Arbeitgebern geführten Personaldossiers enthalten normalerweise solche Daten bzw. Profile (z.B. Informationen zu Krankheiten, ärztliche Zeugnisse, BVG-Anmeldungen, Beurteilungen von Mitarbeitern etc.). Verschiedene Gesetze verpflichten heute den Arbeitgeber direkt oder indirekt, Daten über die Angestellten zu erheben. So sieht z.B. Art. 330a OR vor, dass ein Arbeitnehmer jederzeit ein Zeugnis verlangen kann. Dieser Pflicht kann ein Arbeitgeber jedoch nur nachkommen, wenn er die wesentlichen Daten zur Beurteilung des Arbeitnehmers erhebt und aufbewahrt. Weitere Pflichten zur arbeitsrechtlichen Datenbearbeitung ergeben sich auch im Zusammenhang mit dem Sozialversicherungs- und Steuerrecht, dies v. a. in Bezug auf Lohnangaben oder AHV-Nummern von Angestellten. Durch diese und weitere Vorschriften entstehen gezwungenermaßen umfangreiche Datenbestände, welche Auskunft über Lebenslauf, Zeugnisse, Aus- und Weiterbildung oder das Verhalten des Arbeitnehmers geben. Vor der Revision bestand eine solche Pflicht zur Anmeldung nur dann, wenn die betroffenen Personen keine Kenntnis von der Datensammlung hatten. Für Unternehmen stellte sich somit die Frage der Anmeldepflicht bis dahin praktisch nicht, da Mitarbeiter im Allgemeinen darüber in Kenntnis sind, dass eine entsprechende Personalakte über sie geführt wird. Seit der Revision gilt jedoch, dass die Kenntnis der betroffenen Von verschiedenen Seiten und Lehrmeinungen wurde in der Vergangenheit postuliert, dass diese partiellen gesetzlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers zur Datenbearbeitung umfassend genug seien, um sie von einer Anmeldepflicht auszunehmen. In der Zwischenzeit hat auch der EDÖB eine Erklärung publiziert und sich dieser Meinung angeschlossen. Gemäß EDÖB seien die gesetzlichen Pflichten zur Datenbearbei- 02/09 101 Aufsätze/Beiträge tung umfassend genug, weshalb das Personalwesen grundsätzlich von einer Anmeldepflicht ausgenommen sei. Ausnahme von der Anmeldepflicht gilt nicht unbeschränkt Der EDÖB führt aber auch aus, dass diese Ausnahme selbstredend nicht für alle Datensammlungen gelten könne, insbesondere nicht für solche, die sich nicht auf gesetzliche Verpflichtungen stützen. Erhebt und bearbeitet somit ein Arbeitgeber Daten oder Profile, für welche er keine gesetzliche Grundlage besitzt (z.B. systematischer Background-Check eines Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses und ohne besondere Veranlassung), so müsste diese Datensammlung mangels genügender gesetzlicher Grundlage beim EDÖB angemeldet werden. Dasselbe müsste gelten, wenn ein Arbeitgeber mehr Daten oder Profile über Arbeitnehmer sammelt, als er für seine eigenen Zwecke benötigt und diese Daten dann an in- oder ausländische Konzerngesellschaften zur Nutzung für deren eigene Zwecke übermittelt. Bei der grenzüberschreitenden Bekanntgabe von Personendaten ist zudem bereits aus anderen (in Art. 6 DSG genannten) Gründen Vorsicht angezeigt. Danach wird nämlich abschließend aufgelistet, unter welchen Voraussetzungen Personendaten in ausländische Staaten bekannt gegeben werden dürfen, wenn diese keine Datenschutzgesetzgebung kennen, die einen angemessenen Schutz gewährleistet. Schließlich stellt sich noch die Frage, ob eine Pflicht zur Anmeldung besteht, wenn Datensammlungen im Rahmen eines Outsourcings durch Dritte bearbeitet werden (z.B. wenn die gesamte Lohnbuchhaltung und -administration an eine externe Gesellschaft ausgegliedert wird). Zumindest für den Fall, 102 02 / 09 dass sich der Dritte in der Schweiz befindet und keine Daten ins Ausland bekanntgegeben werden, dürfte eine Pflicht zur Anmeldung entfallen, sofern und solange der Dritte diese Daten nur im Auftrag des Arbeitgebers und im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers bearbeitet und nicht für eigene Zwecke oder für Zwecke Dritter (z.B. Weitergabe an Marketingfirma) benutzt (Art. 1 1a Abs. 3 lit. b. i.V.m. Art. 1 0a Abs. 1 DSG). Wird jedoch eine ausländische Gesellschaft damit beauftragt und erfolgt somit eine Bekanntgabe von Daten ins Ausland, ist im Einzelfall abzuklären, ob und in welchem Umfang eine Pflicht zur Anmeldung besteht und welche weiteren Voraussetzungen zu erfüllen sind. Fazit Arbeitgeber dürfen hierzulande davon ausgehen, dass Personaldossiers grundsätzlich nicht beim EDÖB angemeldet werden müssen. Diese Ausnahme von der Anmeldepflicht gilt jedoch nicht pauschal und unbeschränkt. Führen Arbeitgeber z.B. Datensammlungen von Mitarbeitern, welche besonders schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile enthalten, und lassen sich die Datensammlungen nicht auf eine gesetzliche Verpflichtung stützen, so besteht in der Regel eine Anmeldepflicht. Eine solche Pflicht kann insbesondere auch bestehen, wenn ein Arbeitgeber besonders schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile über Mitarbeiter in einem Umfang sammelt, welcher objektiv über das von der Gesetzesbestimmung Zulässige hinausgeht und diese dann an in- oder ausländische Konzerngesellschaften übermittelt. Schließlich sollte auch bei der Bekanntgabe von Personendaten an Dritte immer geprüft werden, ob nicht dennoch eine Anmeldepflicht besteht. Aufsätze/Beiträge Herzlich Willkommen Nathalie Oberthür Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leserinnen und Leser, mit diesem Heft nimmt ein neues Redaktionsmitglied die Mitarbeit auf: Frau Rechtsanwältin Dr. Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Sozialrecht, beim RPO Rechtsanwälte in Köln. Frau Dr. Oberthür wurde ja bekanntlich in der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im vergangenen Jahr in den Geschäftsführenden Ausschuss gewählt. bei mir die Bearbeitung der Beiträge angesiedelt ist, das Stichwortverzeichnis, die Koordinierung der Redaktionsarbeit und die sonstige Geschäfts- und Verwaltungstätigkeit. Sie können sich also weiterhin in allen die AE betreffenden Fragen an mich wenden. Ich bin sicher, diese neue Redaktionsstruktur wird Ihnen nützen! Berlin, Juni 2009 Frau Kollegin Oberthür wird sich zukünftig, von Ausnahmen und meiner gelegentlichen Mitwirkung abgesehen, mit dem bereits routinierten Kollegen Roland Gross aus Leipzig bei der Erstellung des Entscheidungsteils abwechseln, während Ihr Dr. Hans-Georg Meier Fachanwalt für Arbeitsrecht Ein Überblick über die derzeit vor dem Bundesarbeitsgericht anhängigen Verfahren zum Umfang der Unterrichtungspflicht beim Betriebsübergang Rechtsanwälte Dr. Hans-Georg Meier/Gunnar Becker I. Einleitung und Problemaufriss Bereits unmittelbar nach Inkraftreten des § 613a Abs. 5 BGB im Jahr 2002 entbrannte im Schrifttum ein Streit darüber, worüber genau und in welcher Tiefe die Arbeitnehmer informiert werden müssten. Einige Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts1 haben diesbezüglich erste Maßstäbe gesetzt. Nach wie vor sind aber viele Einzelheiten umstritten, was nicht zuletzt die Zahl der anhängigen Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht zeigt. Zur Arbeitserleichterung der Leser wird im Folgenden ein Überblick über die derzeit anhängigen Verfahren zum Umfang der Unterrichtungspflicht beim Betriebsübergang gegeben. II. Inhalt der Unterrichtungspflicht 1. Allgemeines Die Unterrichtungspflicht geht schon nach bisheriger Rechtsprechung über den Wortlaut des § 613a Abs. 5 BGB hinaus. Im Einzelnen betrifft das: Name und Anschrift des Betriebsübernehmers Zunächst müssen Name und Anschrift des Betriebsübernehmers vollständig wiedergegeben werden, damit er für die Arbeitnehmer identifizierbar wird. Offen ist bislang, ob diese Anforderungen auch für inländische Betriebserwerber gelten. Einige Landesarbeitsgerichte2 problematisierten dies, da das Bundesarbeitsgericht formulierte,3 diese Angabe habe „insbesondere“ bei ausländischen Betriebsübernehmern zu erfol- 1 Vgl. BAG v. 31.01.2008 – 8 AZR 1116/06, NZA 2008, 642 ff.; BAG v. 14.12.2006 – 8 AZR 763/05, NZA 2007, 682 ff.; BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 305/05, BAGE 119, 91 ff.; BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 303/05, BAGE 119, 81 ff. 2 LAG München v. 09.10.2008 – 4 Sa 412/08, EzA-SD 2009, Nr. 4, 13 (Az.: 8 AZR 978/08); LAG Düsseldorf v. 29.04.2008 – 6 Sa 1809/07, NZA-RR 2008, 625 ff. (Az.: 8 AZR 538/08); LAG München v. 17.04.2008 – 4 Sa 1063/07, AuR 2008, 226 f. (Az.: 8 AZR 357/08). 3 Vgl. BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 305/05, BAGE 119, 91 ff.: „[ ... ] insbesondere bei ausländischen Erwerbern [ ... ]“. 02/09 103 Aufsätze/Beiträge gen. Nichtsdestotrotz entschieden die Landesarbeitsgerichte, dass die vollständige Nennung der Erwerberdaten auch bei inländischen Betriebsübernehmern erforderlich sei. Im Text die Personen zu nennen, an die der Widerspruch zu richten wäre, sei zur Identifizierung des Betriebsübernehmers daher nicht ausreichend und undeutlich.4 Darüber hinaus müssten die Angaben eindeutig sein, d. h. im Unterrichtungstext dürften keine weiteren Firmen genannt werden, da dies aus Sicht der Arbeitnehmer zu Missverständnissen über die Person des Betriebsübernehmers führe.5 Nicht zuletzt diskutierte das Landesarbeitsgericht München, ob zur Klärung hinsichtlich des genauen Umfangs eines Hinweises auf den Übernehmer und die mitzuteilenden Daten eine Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof notwendig wäre, was letztendlich aber verneint wurde6. Beschreibung der Verhältnisse des Betriebsübernehmers Die Informationspflicht über den Betriebsübernehmer erschöpft sich aber nicht in der Nennung von Namen und Anschrift. Daneben sei ein deutlicher Hinweis notwendig, ob sich der Erwerber noch in der Gründung befinde.7 Sofern dies der Fall sei, müsse ggf. ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass der Betriebsübernehmer nicht Teil eines Konzerns sei, sofern bei den Arbeitnehmern ein entsprechender Eindruck erweckt werde.8 Des Weiteren müssten persönlich haftende Gesellschafter des Erwerbers genannt werden.9 Nicht zuletzt ist nach Auffassung mehrer Landesarbeitsgerichte ein Hinweis auf das haftende Stammkapital der Gesellschafter des Betriebsübernehmers erforderlich.10. 2. Grund für den Betriebsübergang Nach § 613 Abs. 5 Nr. 2 BGB ist über den Grund für den Betriebsübergang zu unterrichten. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts11 müssen demnach die unternehmerischen Gründe für den Betriebsübergang zumindest schlagwortartig mitgeteilt werden. Was das Bundesarbeitsgericht damit meinte, bleibt unklar. Der Hinweis auf das Rechtsgeschäft, z.B. ein Kaufvertrag, ist nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts München nur dann genügend, wenn der Betriebsübergang nur auf diesem Kaufvertragsschluss beruht. Sofern darüber hinaus noch weitere vertragliche Vereinbarungen zwischen Betriebsveräußerer und Erwerber bestünden, die sonstige wesentliche Punkte regelten (z.B. Übergang von Marken- und Patentrechten auf ein anderes Unternehmen) und dem Kaufvertrag lediglich ein Ergänzungscharakter beizumessen wäre, sei auch auf diese Verträge und deren Ausgestaltung hinzuweisen.12 Gehe der Betrieb aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten über, sei ggfs. zusätzlich mitzuteilen, ob eine Restrukturierung des Betriebs dem bisherigen Inhaber nicht, sondern nur dem Übernehmer möglich sei. Außerdem sei darüber zu informieren, wie letzterer die Sanierung vollbringen wolle.13 104 02 / 09 3. Folgen des Betriebsübergangs Von besonderer Relevanz ist die ordnungsgemäße Information über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB. 3.1. Rechtliche Folgen Zunächst müsse ausdrücklich erläutert werden, dass der Betriebsübernehmer in die Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses eintrete. Ein bloßer Hinweis darauf, dass die bishe- 4 LAG München v. 19.09.2008 – 3 Sa 128/08 (Az.: 8 AZR 1032/08). 5 LAG München v. 19.09.2008 – 3 Sa 128/08 (Az.: 8 AZR 1032/08). 6 LAG München v. 01.10.2008 – 11 Sa 49/08 (Az.: 8 AZR 763/08). 7 LAG München v. 09.10.2008 – 4 Sa 412/08, EzA-SD 2009, Nr. 4, 13 (Az.: 8 AZR 978/08); LAG München v. 04.06.2008 – 11 Sa 48/08, EzA-SD 2008, Nr. 17, 9-10 (Az.: 8 AZR 48/08); LAG Düsseldorf v. 29.04.2008 – 6 Sa 1809/07, NZA-RR 2008, 625 ff. (Az.: 8 AZR 538/08); LAG München v. 17.04.2008 – 4 Sa 1063/07, AuR 2008, 226 f. (Az.: 8 AZR 357/08). 8 LAG München v. 09.10.2008 – 4 Sa 412/08, EzA-SD 2009, Nr. 4, 13 (Az.: 8 AZR 978/08); LAG Düsseldorf v. 29.04.2008 – 6 Sa 1809/07 (Az.: 8 AZR 538/08), NZA-RR 2008, 625 ff. 9 LAG München v. 09.10.2008 – 4 Sa 412/08, EzA-SD 2009, Nr. 4, 13 (Az.: 8 AZR 978/08); LAG München v. 04.06.2008 – 11 Sa 48/08, EzA-SD 2008, Nr. 17, 9-10 (Az.: 8 AZR 48/08); LAG Düsseldorf v. 29.04.2008 – 6 Sa 1809/07, NZA-RR 2008, 625 ff. (Az.: 8 AZR 538/08); LAG München v. 17.04.2008 – 4 Sa 1063/07, AuR 2008, 226 f. (Az.: 8 AZR 357/08). 10 LAG München v. 09.10.2008 – 4 Sa 412/08, EzA-SD 2009, Nr. 4, 13 (Az.: 8 AZR 978/08); LAG München v. 04.06.2008 – 11 Sa 48/08, EzA-SD 2008, Nr. 17, 9-10 (Az.: 8 AZR 48/08); LAG Düsseldorf v. 29.04.2008 – 6 Sa 1809/07, NZA-RR 2008, 625 ff. (Az.: 8 AZR 538/08); LAG München v. 17.04.2008 – 4 Sa 1063/07, AuR 2008, 226 f. (Az.: 8 AZR 357/08). 11 BAG v. 14.12.2006 – 8 AZR 763/05, NZA 2007, 682 ff. 12 LAG München v. 09.10.2008 – 4 Sa 412/08, EzA-SD 2009, Nr. 4, 13 (Az.: 8 AZR 978/08); LAG München v. 04.06.2008 – 11 Sa 48/08, EzA-SD 2008, Nr. 17, 9-10 (Az.: 8 AZR 48/08); LAG München v. 17.04.2008 – 4 Sa 1063/07, AuR 2008, 226 f. (Az.: 8 AZR 357/08). 13 LAG München v. 19.09.2008 – 3 Sa 128/08 (Az.: 8 AZR 1032/08). Aufsätze/Beiträge rigen Dienstjahre „anerkannt“ werden, sei nicht ausreichend. Denn diese Formulierung erwecke den Eindruck, der Eintritt in die Arbeitsverhältnisse sei vom Willen des Betriebsübernehmers abhängig, obwohl er hierzu gesetzlich verpflichtet ist.14 Die Unterrichtung über die gemeinsame Haftung vom bisherigen Arbeitgeber und neuem Inhaber sei zwingend und müsse vollständig sein. Beide Personen können sich nicht darauf berufen, eine Unterrichtungspflicht bestehe nur für aus ihrer Sicht nachteilige Folgen des Betriebsübergangs für die Arbeitnehmer.15 Der isolierte Hinweis auf den Erwerbereintritt in die bestehenden Arbeitsverhältnisse reiche für die Unterrichtung über die Gesamthaftung nicht aus.16 Die Belehrung über die gesamtschuldnerische Haftung sei keine komplexe Rechtsfrage im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, so dass von ihr nicht abzusehen sei.17 Der Hinweis über die Weitergeltung der Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen habe ebenfalls eindeutig zu sein. Diesbezüglich ist nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts München ein Hinweis, dass der Betriebsrat weiterarbeitete bzw. örtliche Betriebsvereinbarungen bis zu einer eventuellen Neuregelung unverändert weiter gelten würden, nicht ausreichend. Erforderlich sei vielmehr die Information, dass die Betriebsvereinbarungen Bestandteil der Einzelarbeitsverträge werden.18 Die Unterrichtung sollte zudem einen Hinweis auf den Kündigungsausschluss anlässlich des Betriebsübergangs (§ 613a Abs. 4 BGB) enthalten. Ob hiervon ggf. Ausnahmen zulässig sind, ließ das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ausdrücklich offen.19 Das Gericht problematisierte diesen Punkt, da das Bundesarbeitsgericht20 in einer Entscheidung etwas missverständlich formulierte, indem es nur von einer „grundsätzlichen“ Hinweispflicht auf den Kündigungsausschluss anlässlich des Betriebsübergangs sprach. Der Hinweis auf § 613a Abs. 4 BGB werde jedenfalls nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf nicht durch die Anmerkung erfüllt, den betroffenen Arbeitnehmern werde sowohl beim Veräußerer als auch beim Erwerber nicht betriebsbedingt gekündigt.21 3.2. Wirtschaftliche Folgen Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung, die Arbeitnehmer über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Betriebsübernehmers im Einzelnen zu unterrichten. Etwas anderes kann nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts22 aber dann gelten, wenn sich im Zuge des Betriebsübergangs die haftungsrechtliche Situation für die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer verschlechtert. Daraus folgert die Instanzrechtsprechung, über sämtliche mittelbare wirtschaftlich nachteilige Folgen müsse unterrichtet werden, sofern sie von Bedeutung für die Entscheidung der Arbeitnehmer seien, z.B. wenn – für den Firmenwert wesentliche Marken- und Patentrechte nicht mit übergehen, sondern aufgrund eines Rahmenvertrages auf Dritte übertragen werden.23 – eine Verpflichtung des Veräußerers zu Ausgleichszahlungen für übernommene Verbindlichkeiten nicht an den Erwerber, sondern Dritte, besteht.24 – die Zahlung eines sog. negativen Kaufpreises, d. h. dass ein Erwerber für die Übernahme Geld bekommt, vereinbart wird (den Arbeitnehmern werde so deutlich, dass der übergehende Betrieb nicht „viel wert“ sei).25 – es an einer an Patronatserklärung und/oder Garantien der Konzernmutter mangelt und der Betriebsübernehmer eine Tochter ist.26 – der Betriebsübernehmer keine Tochterfirma des Konzerns ist, sofern er den Eindruck erweckt.27 14 LAG Düsseldorf v. 18.08.2008 – 17 Sa 1546/07 (Az.: 8 AZR 762/08). 15 LAG München v. 10.01.2008 – 2 Sa 397/07 (Az.: 8 AZR 152/08); LAG Köln v. 27.11.2007 – 9 Sa 146/07, AE 2009, 51 (Az.: 8 AZR 217/08); LAG München v. 24.10.2007 – 11 Sa 395/07 (Az.: 8 AZR 873/07); LAG Düsseldorf v. 19.09.2007 – 7 (11) Sa 1068/06, LAGE § 613a BGB 2002 Nr. 16 (Az.: 8 AZR 869/07). 16 LAG München v. 24.10.2007 – 11 Sa 395/07 (Az.: 8 AZR 873/07). 17 LAG Düsseldorf v. 19.09.2007 – 7 (11) Sa 1068/06, LAGE § 613a BGB 2002 Nr. 16. 18 LAG München v. 17.04.2008 – 4 Sa 1063/07, AuR 2008, 226 f. (Az.: 8 AZR 357/08). 19 LAG Düsseldorf v. 19.09.2007 – 7 (11) Sa 1068/06, LAGE § 613a BGB 2002 Nr. 16 (Az.: 8 AZR 869/07). 20 Vgl. BAG v. 13.07.2006 – 8 AZR 303/05, BAGE 119, 81 ff. 21 LAG Düsseldorf v. 19.09.2007 – 7 (11) Sa 1068/06, LAGE § 613a BGB 2002 Nr. 16 (Az.: 8 AZR 869/07). 22 Vgl. BAG v. 31.01.2008 – 8 AZR 1116/06, NZA 2008, 642 ff. 23 LAG München v. 09.10.2008 – 4 Sa 412/08, EzA-SD 2009, Nr. 4, 13 (Az.: 8 AZR 978/08); LAG München v. 17.04.2008 – 4 Sa 1063/07, AuR 2008, 226 f. (Az.: 8 AZR 357/08). 24 LAG München v. 25.06.2008 – 11 Sa 1208/07 (Az.: 8 AZR 584/08). 25 LAG München v. 09.10.2008 – 4 Sa 412/08, EzA-SD 2009, Nr. 4, 13 (Az.: 8 AZR 978/08). 26 LAG München v. 19.09.2008 – 3 Sa 128/08 (Az.: 8 AZR 1032/08). 27 Vgl. Nachweise in Fn 8. 02/09 105 Aufsätze/Beiträge Nicht zuletzt müsse auf das haftende Kapital des Betriebsübernehmers bzw. dessen Gesellschafter hingewiesen werden.28 4. Widerspruchsrecht und Folgen Hinweise auf die Folgen des ausgeübten Widerspruchs müssen richtig sein und dürfen sich nicht in Mutmaßungen erschöpfen, um so Druck auf die betroffenen Arbeitnehmer auszuüben, damit diese ihr Widerspruchsrecht nicht wahrnehmen. Etwaige Verstöße gegen diese Anforderungen machen die Unterrichtung über den Betriebsübergang nach Auffassung einiger Instanzgerichte unrichtig. Konkret wurden die Hinweise bemängelt, die Ausübung des Widerspruchsrechts führe zwangsläufig zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne jegliche finanzielle Entschädigung29 oder zur Kürzung des Arbeitsentgelts um die Dauer der Kündigungsfrist30 sowie durch Ausübung des Widerspruchsrechts seien Leistungen der Bundesagentur für Arbeit in Frage gestellt.31 III. Fazit Nach wie vor herrscht erhebliche Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Unterrichtungspflichten nach § 613a Abs. 5 BGB. Die anhängigen Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht werden hoffentlich bald praxisnahe Leitlinien schaffen und somit einen Beitrag zur Rechtssicherheit leisten. 28 Vgl. Nachweise in Fn 10. 29 LAG München v. 26.08.2008 – 4 Sa 135/07 (Az: 8 AZR 886/08). 30 LAG Düsseldorf v. 18.08.2008 – 17 Sa 1546/07 (Az.: 8 AZR 762/08). 31 LAG München v. 26.08.2008 – 4 Sa 135/07 (Az: 8 AZR 886/08); LAG Düsseldorf v. 18.08.2008 – 17 Sa 1546/07 (Az.: 8 AZR 762/08). Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Arbeitsrecht zur Befristung des Widerspruchsrechts im Falle eines Betriebsübergangs* Mitglieder des Ausschusses: Rechtsanwälte/innen Prof. Dr. Heinz Josef Willemsen, Düsseldorf (Vorsitz und Berichterstatter) Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Stuttgart Paul-Werner Beckmann, Herford Dr. Susanne Clemenz, Gütersloh Prof. Dr. Björn Gaul, Köln Roland Gross, Leipzig Angela Leschnig, Würzburg Dr. Stefan Lunk, Hamburg Dr. Hans-Georg Meier, Berlin Dr. Ulrike Schweibert, Frankfurt Dr. Uwe Silberberger, Düsseldorf Regina Steiner, Frankfurt zuständige DAV-Geschäftsführerin: Dr. Katharina Freytag, Berlin Der DAV setzt sich dafür ein, die Frist für einen nachträglichen Widerspruch seitens der Arbeitnehmer im Falle eines Betriebsübergangs angemessen zu begrenzen. 106 02 / 09 Nach § 613a Abs. 5 BGB haben der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem solchen Übergang betroffenen Arbeitnehmer über bestimmte Punkte vorab in Textform zu unterrichten. Die einmonatige Frist, binnen der ein Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen und damit dessen Übergang verhindern kann, beginnt nach § 613a Abs. 6 BGB erst nach Zugang des Unterrichtungsschreibens zu laufen. Hieraus hat der für Fragen des Betriebsübergangs zuständige 8. Senat des BAG geschlossen, dass nur eine in jeder Hinsicht vollständige und zutreffende Information nach § 613a Abs. 5 BGB den Lauf dieser, für die Praxis eminent wichtigen Frist in Gang setzen könne. Dies führt angesichts der erheblichen Anforderungen an die Angaben nach § 613a Abs. 5 BGB und des sehr hohen Risikos, dass dabei auch einem durchaus redlich handelnden Veräußerer Fehler unterlaufen können, zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit. So ist es ohne weiteres möglich, dass Arbeitnehmer noch viele Monate oder sogar Jahre nach dem tatsächlich erfolgten Betriebsübergang die Unrichtigkeit * Berlin, im März 2009, Stellungnahme Nr. 20/2009 abrufbar unter www.anwaltverein.de Personalien des Unterrichtungsschreibens rügen und den bisherigen Inhaber auf rückwirkende Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit ihm verklagen. Die Folgen sind vor allem für mittelständische Unternehmen desaströs, weil sie unter Umständen nachträglich Lohn für nicht erhaltene Arbeit zahlen, teure Sozialpläne für die Entlassung widersprechender Arbeitnehmer aufstellen und bereits aufgelöste Rückstellungen für Pensionszahlungen in Millionenhöhe erneut bilden müssen. Das kann dazu führen, dass die Insolvenz des Unternehmens, das einen Betrieb oder Betriebsteil übernommen hatte, diejenige des übertragenden Unternehmens und den Verlust der dort verbliebenen Arbeitsplätze unmittelbar nach sich zieht. Die Ursache hierfür muss noch nicht einmal von dem übertragenden Unternehmen selbst gelegt worden sein, sondern kann z.B. auch auf fehlerhaften oder unvollständigen Angaben von Erwerberseite beruhen. Mit dem Rechtsinstitut der Verwirkung kann, wie die seither ergangene Rechtsprechung zeigt, diesem Problem nicht ausreichend begegnet werden. Der Arbeitsrechtsausschuss des DAV hat daher bereits in seiner Stellungnahme zum Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes von Februar 2007 (Stellungnahme Nr. 5/2007) vorgeschlagen, für die (nachträgliche) Ausübung des Widerspruchsrechts bei Betriebsübergang eine gesetzliche Höchstfrist einzuführen, die grundsätzlich mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Übergangs zu laufen beginnt. Dieser Vorschlag wird vor dem Hintergrund der augenblicklichen Wirtschafts- und Finanzkrise noch einmal aufgegriffen; er steht in vollem Einklang mit dem europäischen Recht, zumal der deutsche Gesetzgeber ohnehin über die Vorgaben der Betriebsübergangsrichtline hinausgegangen ist. Nach Auffassung des Ausschusses sollte die Höchstfrist sechs Monate, gerechnet ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs, betragen. Sie sollte jedoch im Falle vollständig unterbliebe- ner Unterrichtung erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, ab dem der Arbeitnehmer von dem tatsächlichen Übergang erfährt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hiervon hätte Kenntnis erlangen können. Durch die Normierung einer Höchstfrist wird erreicht, dass die Adressaten des Unterrichtungsschreibens sich zeitnah mit allen Konsequenzen eines Betriebsübergangs auseinandersetzen und etwaige Unklarheiten unverzüglich geltend machen. Damit wird einerseits dem Interesse der Arbeitnehmerseite an einer ausreichenden und zutreffenden Information Rechnung getragen, andererseits aber verhindert, dass Betriebsübergange oder -teilübergänge für die beteiligten Arbeitgeber zu einem unkalkulierbaren Risiko werden. An der Möglichkeit, solche Umstrukturierungen rechtssicher zu gestalten, haben nicht nur die Unternehmen, sondern auch ihre Beschäftigten ein elementares Interesse. Der Gesetzgeber ist daher aufgerufen, hierfür die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Anmerkung: Einzelne Mitglieder des Ausschusses sind – gewöhnlich aus rechtspolitischen Gründen – wegen Stellungnahmen des Ausschusses persönlich kritisiert worden. Da das regelmäßig wegen des gleichen Themas aus beiden interessierten Lagern erfolgt, sieht sich der Ausschuss dadurch insgesamt hinsichtlich der Neutralität und der Sachbezogenheit seiner Arbeit bestätigt. Der Hinweis ist allerdings angezeigt: Der Ausschuss ist stets um eine einstimmige Stellungnahme bemüht. Sie ist aber nicht ausnahmslos gegeben. Der Ausschuss wird auch weiterhin weder mit abweichenden Stellungnahmen arbeiten noch Abstimmungsergebnisse veröffentlichen. Ob sich einzelne Mitglieder zu ihrer persönlichen Sicht oder zu ihrem Abstimmungsverhalten erklären, bleibt allein ihrer Entscheidung überlassen. (me) 75 Jahre – Kanzlei in Marburg Notare, Rechtsanwälte, Fachanwälte Dr. Geilhof, Schlaeger, Faecks & Kollegen Älter werden ist für sich allein gesehen kein Verdienst. Bringt jedoch eine mittelstädtische Universitätsstadtkanzlei ein Dreivierteljahrhundert auf die Zeitschiene, rechtfertigt dies den Blick zurück mit einem Quäntchen Stolz und zugleich mit Zuversicht die Ausschau nach vorne in die Zukunft. Immerhin reichen 75 Jahre Vergangenheit in die Zeit vor der Gründung aller Bundesländer (1946) und vor Verkündung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (1949) zurück. 1933 ist zwar für uns Deutsche als Jahr des Beginns der Naziherrschaft kein Ruhmesjahr. Vielleicht bedeutet es aber ein Moment heilsamer Nüchternheit, sich zu vergegenwärtigen, dass auch in den zwölf Jahren des politisch-moralischen Niedergangs in Deutschland Familien, Wirtschaftsunternehmen und eben auch Rechtsanwaltskanzleien gegründet und erfolgreich am Leben erhalten wurden. Nach dem II. Weltkrieg, als die Kräfte sich zum Wiederaufbau sammelten und unter dem Gelöbnis „nie wieder Krieg von deutschem Boden aus“ Handel und Wandel zu wirken begangen, nahm die Kanzlei Dres. Kaufmann & Geilhof, wie sie damals hieß, mit ihren wirtschaftsrechtlich-zivilrechtlichen Schwerpunkten in 02/09 107 Inhalt: Entscheidungen besonderem Maße auch an der Entwicklung des Arbeitsrechts teil. Dieses seit 1971/1972 von dem Unterzeichner begleitete Engagement für das wachsend bedeutsame Fachgebiet des Arbeits- und Dienstrechts, von dem ehemaligen, hessenweit als Referendararbeitsgemeinschaftsleiter bekannten BAG-Richter Dr. Hans Feller mit Rat und Tat unterstützt, fand 1981 seinen Niederschlag in der Mitgründung der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitsrecht im DAV, danach in regelmäßiger Teilnahme an ihren Halbjahresveranstaltungen, in der Beschickung der AE, des verdienstvollen Meier-Dienstes, mit selbst erstrittenen Judikaten, nicht zuletzt mit der einen oder anderen Veröffentlichung zu arbeitsrechtlichen Themen. Im Jubiläumsjahr ist das Arbeits- und Dienstrecht, an dem drei Anwälte von neun teilhaben, zukunftsträchtiges Existenzelement unserer altersmäßig gut gestaffelten Kanzlei. 75 Jahre sind uns längst nicht genug. Fridhelm Faecks Rechtsanwalt und Notar Inhaltsverzeichnis der Entscheidungen Seite Seite Allgemeines Vertragsrecht 122. Einfühlungsverhältnis, Verpflichtung zur Arbeitsleistung, Vergütung, Sittenwidrigkeit 123. AGB-Kontrolle, Transparenzgebot, Abgeltung von Mehrarbeit, übliche Vergütung 124. AGB-Kontrolle, Inhaltskontrolle, Bezugnahmeklausel, Vorrang künftiger Tarifregelungen, Gleichbehandlungsgrundsatz 125. Widerrufsvorbehalt, PKW-Nutzung, Vertragsauslegung 126. Arbeitnehmerhaftung, Dienstfahrzeug, Unfall, Vertragliche Haftung des Arbeitnehmers für die Selbstbeteiligung, Abtretungsanspruch wegen Vorteilsausgleich 127. Gleichbehandlung, Lohnerhöhung als Kompensation einer Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich 128. Gleichbehandlung, Bankzulage, Arbeiter und Angestellte, verschiedene Entgeltsysteme 129. Betriebliche Altersversorgung, Gleichbehandlung, Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten, Versorgungsbedarf 130. Schriftformklausel, betriebliche Übung, nachträglicher Freiwilligkeitsvorbehalt 131. Bezugnahmeklausel, öffentlicher Dienst, Haustarifvertrag 132. Arbeitsverhältnis, nichteheliche Lebensgemeinschaft, Anspruch auf rückständige Vergütung 133. Aufklärungspflicht des Arbeitsgebers, Altersteilzeit, Beihilfeanspruch, Schadensersatz 111 111 111 111 112 112 112 113 113 113 113 114 Bestandsschutz 134. Kündigungsschutz, Wartezeit, Betriebszugehörigkeit, Vorbeschäftigung als Leiharbeitnehmer 114 108 02 / 09 135. Direktionsrecht, Festlegung der Arbeitszeit, Beschränkung auf Frühschicht zur Kinderbetreuung, Wegfall der Zweckbestimmung 136. Direktionsrecht, Einstweilige Verfügung, Unterlassungsanspruch, Beschäftigungsanspruch bei Änderungskündigung, Abwehrinteresse des Arbeitnehmers 137. Betriebsbedingte Kündigung, Verhältnismäßigkeit, Vorrang des Direktionsrechts, Freikündigen von Arbeitsplätzen 138. Betriebsbedingte Kündigung, Darlegungslast des Arbeitsgebers, konkrete betriebliche Umsetzung unternehmerischer Konzepte 139. Betriebsbedingte Kündigung, Betriebsübergang, notwendige Kausalität des Betriebsübergangs für die Rechtswidrigkeit der Kündigung; Unmöglichkeit anderweitiger Beschäftigung; Erwerberkonzept; Massenentlassungsanzeige, Rechtzeitigkeit, Sperrfristwirkung 140. Kündigung, Altersdiskriminierung, Sozialauswahl, Bildung von Altersgruppen 141. Kündigung, Altersdiskriminierung, Sozialauswahl, Punkteschema 142. Kündigung, betriebsübergreifende Sozialauswahl, konzernbezogener Kündigungsschutz 143. Aufhebungsvertrag, Anfechtung, Androhung einer betriebsbedingten Kündigung, Betriebsstilllegung, Kausalität bei Einräumung einer Bedenkzeit 144. Kündigungserklärung, Zurückweisung mangels Vollmachtsurkunde, Geschäftsführer mit Gesamtvertretungsbefugnis 145. Verhaltensbedingte (außerordentliche) Kündigung, Leistungsbereich, Verantwortung für nachgeordnete Mitarbeiter, Interessenabwägung 114 114 115 116 118 120 120 120 120 121 122 Inhalt: Entscheidungen Seite Seite 146. Verhaltensbedingte Kündigung, sexuelle Belästigung, Abmahnung, Verhältnismäßigkeit 147. Verhaltensbedingte (außerordentliche) Kündigung, Berufskraftfahrer, Alkoholverbot, „Wick MediNait“ 148. Verhaltensbedingte Kündigung, Arbeitsverweigerung, formwidrig beantragte Elternzeit; Voraussetzung des besonderen Kündigungsschutzes 149. Verhaltensbedingte Kündigung, Schlechtleistung, Abmahnung, Verhältnismäßigkeit 150. Personenbedingte (außerordentliche) Kündigung, Schwerbehinderung, Vorrang behinderungsgerechter Beschäftigung 151. Krankheitsbedingte Kündigung, betriebliches Eingliederungsmanagement, Beweislast 152. Verhaltensbedingte (außerordentliche) Kündigung, Nutzung eines Firmen-LKW zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit, Verdachts-/ Tatkündigung 153. Verhaltensbedingte (außerordentliche) Kündigung, Gleitzeitmanipulation, Arbeitszeitbetrug, Darlegungslast des Arbeitgebers auch zu entlastenden Umständen, Anhörung des Personalrats 154. Verdachtskündigung, Sachverhaltsaufklärung vor Kündigungsausspruch, Berücksichtigung nachträglich bekannt gewordener Umstände 155. Außerordentliche Kündigung, Ermittlungen des Arbeitgebers, Kündigungserklärungsfrist 156. Änderungskündigung, Einhaltung der Kündigungsfrist, keine Umdeutung, keine Auslegung des Änderungsangebots 157. Kündigungsfrist, Altersdiskriminierung, Betriebszugehörigkeit vor Vollendung des 25. Lebensjahres, kein Vertrauensschutz 158. Befristung, mittelbare Vertretung, gedankliche Zuordnung zur Vertretungsaufgabe, Anforderung an die Prognose zur Rückkehr des Vertretenen, Kettenbefristung 159. Befristung, mittelbare Vertretung, Änderung der Arbeitsaufgaben durch technischen Fortschritt 160. Personalrat, Angabe des Befristungsgrundes, Berufung auf andersartigen Befristungsgrund 123 123 123 124 124 124 124 124 126 126 126 127 129 131 131 Betriebsverfassungsrecht / Personalvertretungsrecht 161. Betriebsratswahl, Anfechtung, freigestellter BRVorsitzender als leitender Angestellter 131 162. Betriebsratswahl, Anfechtung, Vollmachtsvorlage im Beschlussverfahren 132 163. Betriebsrat, Kosten, Einstweilige Verfügung, Verfügungsgrund, Vorschusszahlung, Erforderlichkeit eines Beraters bei Betriebsänderungen, Kosten eines ortsfremden Rechtsanwalts 133 164. Betriebsrat, Kosten, Einstweilige Verfügung, betriebliche Beschwerdestelle 165. Betriebsrat, Sachmittel, Ausstattung mit PC, Erforderlichkeit 166. Betriebsratsschulung, Anrechnung ersparter Verpflegungskosten 167. Unterlassungsanspruch, Verstoß gegen Betriebsvereinbarung, Arbeitszeitkonten 168. Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht, betriebliches Eingliederungsmanagement, Vorlage ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 169. Betriebsrat, doppeltes Zustimmungsersetzungsverfahren, Einstellung von Leiharbeitnehmern, gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung im Konzern, Gewerbsmäßigkeit, konzerninterne AÜGGesellschaft, Umgehungsverbot 170. Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht, Anhebung der Arbeitszeit als Einstellung 171. Sozialplan, Auslegung von Betriebsvereinbarungen, Begriff der Altersrente, Überbrückungsfunktion der Abfindung, Begrenzung der Sozialplanleistung für rentennahe Jahrgänge, Altersdiskriminierung 172. Einigungsstelle, Annexkompetenz, Errichtung einer ständigen Einigungsstelle durch Einigungsstellenspruch 173. Anrufung der Einigungsstelle, offensichtliche Unzuständigkeit durch bestehende Betriebsvereinbarung 174. Anrufung der Einigungsstelle, offensichtliche Unzuständigkeit bei Zuständigkeitskonkurrenz zwischen örtlichem Betriebsrat und Konzernbetriebsrat 175. Betriebsratsanhörung, bewusst falsche Unterrichtung, fehlende Mitteilung entlastender Umstände, Mitteilung der Kündigungsfrist 176. Personalratsanhörung, Probezeitkündigung, Mitteilung zusätzlicher Vereinbarungen 177. Schwerbehindertenvertreter, Schulungsanspruch, , Zuständigkeit im Beschlussverfahren 178. Annahmeverzug, Freistellung eines BR-Mitglieds, Zustimmungsersetzungsverfahren 179. Weiterbeschäftigung eines Jugend- und Auszubildendenvertreters, Auflösungsantrag, Prognose der Beschäftigungsmöglichkeiten 135 135 135 135 135 136 136 136 138 138 139 139 139 139 140 140 Tarifvertragsrecht 180. Auslegung eines Firmentarifvertrages, Rationalisierungsschutz, Kündigungsverbot 140 181. Tarifliches Vergütungssystem, BAT, Lebensaltersstufen, Altersdiskriminierung 141 02/09 109 Inhalt: Entscheidungen Seite 182. Betriebliche Vergütungsordnung, Nachwirkung bei Wegfall der Tarifbindung, Übergang zu freien Vergütungsvereinbarungen, Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats 141 183. Streik, Wahrung des Kampfmittelgleichgewichts, „Flashmob-Aktionen“ als Arbeitskampfmittel 141 184. Tariffähigkeit, Gewerkschaftseigenschaft der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) 141 Prozessuales 185. Örtliche Zuständigkeit des Arbeitsortes, § 48 Abs. 1a ArbGG, Zahlungsklage 186. Rechtsweg, Organvertreter, sic-non-Fall 187. Rechtsweg, Geschäftsführer, Organstellung nach Insolvenzeröffnung 188. Rechtsweg, Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit bei Arbeitnehmer-Geschäftsführer 189. Rechtsweg, Zusammenhangsklage, Arbeitnehmerdarlehen 190. Klagefrist, Kündigung, Schriftform 191. Protokollierter Vergleich, unerkannter Berechnungsfehler, Beschwerde gegen Berichtigung 192. Meinungsäußerung im Prozess, Beleidigung oder Wahrnehmung berechtigter Interessen, Richter bzw. Beamtenbeleidigung 193. Berufung, Versäumung der Berufungsfrist, Umdeutung in Anschlussberufung 194. Berufungsfrist, Anwaltsverschulden bei Fristenberechnung, Wiedereinsetzung, 195. Nichtzulassungsbeschwerde, Divergenz, Anforderungen an die Beschwerdebegründung 196. Anordnung persönlichen Erscheinens, Ordnungsgeld, Zurechnung eines Verschuldens des Prozessvertreters 197. Prozesskostenhilfe, Berücksichtigung einer gezahlten Abfindung 198. Prozesskostenhilfe, Mutwilligkeit, Klageerweiterung, Beiordnung in Zeugnisrechtsstreit 199. Prozesskostenhilfe, Keine Bewilligung nach Abschluss des Rechtsstreits 200. Prozesskostenhilfe, Fristsetzung zur Vervollständigung des Antrags 142 142 142 142 142 143 143 143 145 145 145 145 146 146 146 146 Sonstiges 201. Sozialversicherungspflicht, Beitragsrecht Unwiderrufliche Freistellung von der Arbeitsleistung, Beschäftigungsverhältnis, 146 202. Rechtsprechungsänderung: Verfall des Urlaubsanspruchs, Langzeiterkrankung 148 203. Freistellungsanspruch, Teilnahme an Sitzungen der Gewerkschaft, Direktionsrecht bei Lage der Arbeitszeit 149 110 02 / 09 Seite 204. Teilzeitarbeit, Aufstockungsanspruch, Konkurrenz mit internen betriebsfremden Arbeitnehmern, Anspruchsänderung in Schadenersatz 205. Teilzeit, Aufstockungsanspruch, unternehmerisches Konzept, Systemgastronomie 206. Teilzeit, Aufstockungsanspruch, unternehmerisches Konzept 207. Fehlerhaft unterbliebener Steuerabzug bei Abfindung, Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers, Einwand der Entreicherung, Wertzuwachs durch Luxusaufwendungen 208. Fragerecht des Arbeitgebers, Bewerbung, Vorstrafe / Führungszeugnis, Konkurrentenklage 209. AGG, Bewerbung, Diskriminierung wegen Behinderung, Widerlegung der Vermutung 210. AGG, Bewerbung, Diskriminierung wegen Alters, unzureichende Fachkenntnisse 211. AGG, Bewerbung, Diskriminierung durch Frauenförderung 212. Auskunftsanspruch gegenüber Personalberater, Wahrung der Klagefrist, Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung vor Inkrafttreten des AGG, Rechtsweg 213. Öffentlicher Dienst, Vergütung, Tarifvertrag, Gleichbehandlung, Schutz von Ehe und Familie 214. AGG, Entschädigungsanspruch, behinderungsbezogene Benachteiligung durch krankheitsbedingte Kündigung 215. Mobbing, Schadensersatz, Kausalität bei unterlassener Kündigungsschutzklage 216. Mobbing, Schmerzensgeld, Pilot 217. Schmerzensgeld, Ohrfeige 218. Zeugnis, Berichtigungsanspruch, Darlegungsund Beweislast, Verpflichtung zur Rückgabe des ursprünglich erteilten Zeugnisses 219. Zeugnis, Entwurf des Arbeitnehmers, Abweichen aus „wichtigem Grund“ 220. Zeugnis, Vergleich, Anfechtung, Leistungsmängel als verkehrswesentliche Eigenschaft 221. Zeugnis, Widerspruch zwischen Bewertung und Abschlussformel 222. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, Mandantenschutzklausel, freie Berufe (Steuerberater) 223. Betriebliche Altersversorgung, Leistungsmitteilung des PSV, Schadensersatzanspruch 224. Betriebliche Altersversorgung, Witwenrente für Zweit-Ehefrau, zulässige Mehrehe nach moslemischem Recht 225. Betriebliche Altersversorgung, Kapitalwahlrecht, Abfindungsverbot 149 149 150 150 151 151 151 152 152 152 153 153 153 153 153 155 155 155 155 155 155 156 Rechtsprechung Allgemeines Vertragsrecht Seite Streitwert und Gebühren Seite 226. Streitwert, Beschwerde, materielle Beschwer bei zu niedrigem Gegenstandswert 227. Streitwert, wirtschaftliche Identität von Kündigung und Verzugslohnanspruch, bedingter Weiterbeschäftigungsantrag 228. Streitwert, Zwischenzeugnis 229. Streitwert, Kündigungsschutz- und Entfristungsklage 230. Streitwert, Kündigungsschutz- und Entfristungsklage 231. Streitwert, Dienstwagen, Herausgabeverlangen 232. Streitwert, Urlaubsgewährung, einstweilige Verfügung 233. Streitwert, Altersteilzeitvertrag 156 156 156 157 157 157 157 157 Allgemeines Vertragsrecht 122. Einfühlungsverhältnis, Verpflichtung zur Arbeitsleistung, Vergütung, Sittenwidrigkeit 1. Maßgebend für das Vorliegen eines Einfühlungsverhältnisses ist die fehlende Verpflichtung zur Arbeitsleistung bzw. die fehlende Weisungsbefugnis. Will der Arbeitgeber den Bewerber für eine Arbeitsstelle erproben, ist jedoch in der Regel davon auszugehen, dass der Bewerber in den Betriebsablauf eingegliedert wird und den Arbeitsanweisungen unterworfen ist. 2. Die Abrede der Entgeltfreiheit für die geleistete Tätigkeit ist wegen der ungleichen Verhandlungsposition der Vertragsparteien sittenwidrig. ■ Arbeitsgericht Weiden vom 07.05.2008, 1 Ca 64/08 C 123. AGB-Kontrolle, Transparenzgebot, Abgeltung von Mehrarbeit, übliche Vergütung 1. Eine der AGB-Kontrolle unterliegende Vereinbarung, nach der durch die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung alle anfallende Mehrarbeit abgegolten ist, ist unwirksam, weil der Arbeitnehmer nicht erkennen kann, in welcher Höhe er Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung hat (Verstoß gegen Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Inhalt des Vertrags richtet sich in diesem Fall nach den gesetzlichen Vorschriften. 2. § 612 Abs. 2 BGB gilt auch, wenn eine Vergütungsvereinbarung unwirksam ist. Die tarifvertraglich vorgesehene Vergütung für Mehrarbeit ist nicht die übliche Vergütung im Sinne von § 612 Abs. 2 BGB, wenn der Arbeitgeber auch mit vergleichbaren Arbeitnehmern Pauschallohnvereinbarungen 234. Streitwert, Abgeltungsklausel, Schmiergeldannahme, bezifferbare Forderung 235. Streitwert, Vergleich, Wert der Freistellung, Verlängerung der Kündigungsfrist 236. Streitwert, Vergleich, Austrittsklausel, Erweiterung des Urlaubsanspruchs 237. Streitwert, Vergleich, Austrittsklausel, Freistellung 238. Streitwert, Beschlussverfahren, Untersagung von Betriebsratstätigkeit, einstweilige Verfügung 239. Streitwert, Beschlussverfahren, Einstellung, Zustimmungsersetzungsverfahren 240. Streitwert, Beschlussverfahren, Einrichtung einer Einigungsstelle 241. Streitwert, Festsetzung im Urteil, Anfechtung 242. Kosten, Erstattungsfähigkeit, Berufungsverfahren, Stillhalteabkommen 157 157 157 158 158 158 158 158 158 abgeschlossen hat. Sofern keine Tarifverträge angewendet werden, entspricht vielmehr die Fortzahlung der vereinbarten Vergütung bei Leistung von Mehrarbeit der Üblichkeit. ■ Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 11.07.2008, 9 Sa 1958/07 (Revision anhängig unter dem Az. 5 AZR 678/08) 124. AGB-Kontrolle, Inhaltskontrolle, Bezugnahmeklausel, Vorrang künftiger Tarifregelungen, Gleichbehandlungsgrundsatz 1. Eine arbeitsvertragliche Klausel, nach der zukünftige Tarifregelungen den Vertragsbestimmungen vorgehen, auch wenn die einzelvertragliche Vereinbarung günstiger ist, ist nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. 2. Sofern ein Arbeitnehmer geltend macht, dass die im Arbeitsvertrag vereinbarte Bezugnahmeklausel unwirksam ist, ist der Arbeitgeber berechtigt, ihn anders zu stellen als die Arbeitnehmer, die eine Anwendbarkeit auch verschlechternder tariflicher Regelungen gegen sich gelten lassen. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 22.04.2008, 9 Sa 1445/07 125. Widerrufsvorbehalt, PKW-Nutzung, Vertragsauslegung 1. Zur Auslegung eines im Vertrag beschriebenen Widerrufsgrundes kann auch auf die Bedingungen zurückgegriffen werden, die der Einräumung der (widerrufenen) Leistung zugrunde gelegt wurden. 2. Bei dem Widerruf einer Nutzungsüberlassung eines Firmenwagens „aus wirtschaftlichen Gründen“ kann zur näheren Konkretisierung dieses Begriffs auf die Bestimmungen zur 02/09 111 Rechtsprechung Allgemeines Vertragsrecht Gebrauchsüberlassung und die dort aufgestellten Voraussetzungen zurückgegriffen werden. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 24.11.2008, 2 Sa 1462/08 126. Arbeitnehmerhaftung, Dienstfahrzeug, Unfall, Vertragliche Haftung des Arbeitnehmers für die Selbstbeteiligung, Abtretungsanspruch wegen Vorteilsausgleich Aus den Entscheidungsgründen: Der Vergütungsforderung des Klägers stand ein Anspruch der Beklagten gegen den Kläger auf Zahlung einer Selbstbeteiligung von € 500 gegenüber. Denn der Kläger hat mit dem ihm überlassenen Dienstfahrzeug schuldhaft einen Unfall verursacht. 1. Gemäß Ziffer 3 des Dienstwagen-Überlassungsvertrages hat der Dienstwagenfahrer bei einem selbstverschuldeten Unfall mit dem vollkaskoversicherten Dienstwagen eine Selbstbeteiligung von € 500 selbst zu tragen. Darin liegt die Vereinbarung einer Schadenspauschale mit dem Zweck, den Schadensbeweis zu ersparen. Die Vollkaskoversicherung tritt ein, wenn durch einen selbstverschuldeten Unfall ein Schaden entsteht. Wenn eine Schadensregulierung aus dem Vollkaskodeckungsbereich gezahlt wird, wird die vereinbarte Selbstbeteiligung fällig. Die Überprüfung der Verschuldensfrage wird dem Kfz-Versicherer, der über die notwendige fachliche Kompetenz verfügt, übertragen. Der Arbeitgeber hat die Kosten der Kaskoversicherung und im Schadensfall die durch den Kfz-Versicherer vorgenommene Höherstufung in der Kfz-Haftpflichtversicherung zu tragen, während die Ersatzpflicht des Arbeitnehmers auf € 500 beschränkt wird, wenn der Vollkaskoversicherer eintritt, aber auch nur dann. 2. Anhaltspunkte, die gegen die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung sprechen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich um eine keine Vertragspartei in unverhältnismäßiger Weise belastende Vereinbarung. Die Beklagte als Arbeitgeberin hat mit der Vollkaskoversicherung des vom Kläger genutzten Dienstfahrzeuges eine angemessene Vorsichtsmaßnahme zum Ersatz bzw. zur Reduzierung etwaiger Unfallschäden an dem Fahrzeug getroffen. Ohne eine solche Kfz-Vollkaskoversicherung müsste die Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers für die entstandenen Schäden und der daraus folgende Umfang eines gegen den Arbeitnehmer gerichteten Schadensersatzanspruchs gegebenenfalls im Einzelnen in oft mühevoller Weise geklärt werden. Unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB hätte der Arbeitnehmer einen von ihm verursachten Schaden in vollem Umfang bzw. gegebenenfalls in erheblichem Umfang zu tragen. Durch Ziffer 3 des Dienstwagenüberlassungsvertrags wird die Haftung des Arbeitnehmers beschränkt auf einen maßvollen Umfang. ... 3. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abtretung von Ansprüchen gegen die Streithelferin 112 02 / 09 (Haftpflichtversicherung des Unfallgegners) in Höhe von € 500. Selbst wenn Quotenvorrechtsansprüche der Beklagten gegen die Streithelferin bestünden, wäre die Beklagte nicht aus nebenvertraglicher Pflicht unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu deren Abtretung verpflichtet. Die vorliegend in Ziffer 3 des Dienstwagenüberlassungsvertrages von den Parteien vereinbarte Schadenpauschalierung ist, wie oben dargelegt, durchaus im Interesse des Klägers als Dienstwagenfahrer getroffen worden. Dadurch wird dessen Haftung, wie gerade bei dem streitigen Unfallgeschehen deutlich ersichtlich, auf einen geringen Restanteil reduziert. Die Beklagte hat damit ihre Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger ausreichend erfüllt. Eine Veranlassung zur Verschaffung eines weiteren Vorteils durch Abtretung eines etwaigen Quotenvorrechtsanspruchs ist daher nicht gegeben. ■ Arbeitsgericht Hamburg vom 22.04.2008, 20 Ca 174/07 eingereicht von Rechtsanwalt Volkhard Ferchland, Hainstraße 74, 35216 Biedenkopf, Tel.: 06461/95900, Fax: 06461/959025 [email protected]; www.spfw.de 127. Gleichbehandlung, Lohnerhöhung als Kompensation einer Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich Der Arbeitgeber darf Arbeitnehmer von einer Lohnerhöhung ausnehmen, die einer Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich nicht zugestimmt haben, wenn mit der Lohnerhöhung die Kompensation der Schlechterstellung derjenigen Arbeitnehmer, die einer Erhöhung der Arbeitszeit zustimmten, bezweckt wird und mit der Lohnerhöhung keine Überkompensation eintritt. ■ Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 15.12.2008, 9 Sa 467/08 128. Gleichbehandlung, Bankzulage, Arbeiter und Angestellte, verschiedene Entgeltsysteme § 31 Abs. 4 BBankG, der die Gewährung der Bankzulage nur an Beamte und Angestellte, nicht auch an Arbeiter vorsieht, verstößt derzeit nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die gewählte Differenzierung nach dem Status Arbeiter oder Angestellter ist zwar problematisch. Sie ist aber jedenfalls übergangsweise noch als sachlich gerechtfertigt anzusehen. Obwohl seit dem 01.10.2005 für Angestellte und Arbeiter ein gemeinsamer Manteltarifvertrag gilt, sind die getrennten Vergütungssysteme noch nicht aufgehoben. Die Eingruppierungsregelungen für Arbeiter und Angestellte, auf die die Einstufung in die Entgeltgruppen basiert, sind noch nicht zusammengefasst und vereinheitlicht. Wenn aber die Eingruppierung noch nicht zusammenfassend geregelt ist, bestehen nach wie vor für Angestellte und Arbeiter unterschiedliche Vergütungssysteme. Eine solche unterschiedliche Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen für Arbeiter und Angestellte durch Tarifvertrag kann dann aber ein sachlicher Anknüpfungspunkt Rechtsprechung Allgemeines Vertragsrecht für eine Ungleichbehandlung bei einzelnen Leistungen sein. Verwiesen wird auf BAG vom 17.12.1992, 6 AZR 91/92, NZA 1993, 708; BAG vom 09.12.1987, 4 AZR 458/87, ZTR 1988, 178. ■ Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 26.08.2008, 13 Sa 138/08 129. Betriebliche Altersversorgung, Gleichbehandlung, Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten, Versorgungsbedarf 1. Eine allein an den unterschiedlichen Status von Arbeitern und Angestellten anknüpfende Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten in der betrieblichen Altersversorgung verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz. Versorgungsschuldner konnten jedoch bis einschließlich zum 30.6.1993 darauf vertrauen, eine allein an den unterschiedlichen Status von Arbeitern und Angestellten anknüpfende Differenzierung sei noch zulässig (BAG 10.12.2002 – 3 AZR 3/02). 2. Eine Ungleichbehandlung in der betrieblichen Altersversorgung kann auch wegen eines unterschiedlichen Versorgungsbedarfs sachlich gerechtfertigt sein. Eine derartige Differenzierung steht in Übereinstimmung mit den üblichen Zwecken betrieblicher Versorgungswerke (BAG vom 10.12.2002 – 3 AZR 3/02). 3. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann die statusbezogene Kennzeichnung in einer Versorgungsordnung Kürzel für eine dahinterstehende, sachlich gerechtfertigte Unterscheidung sein. Ein solcher Ausnahmefall liegt bei einem Großunternehmen, das sowohl Angestellte mit einfachen, als auch Arbeiter mit anspruchsvoller Tätigkeit beschäftigt, nicht vor. 4. Die im Streitfall nach diesen Grundsätzen zu überprüfende Versorgungsordnung, wonach Arbeiter und Angestellte hinsichtlich des Steigerungssatzes, um den sich die Betriebsrente für jedes anrechenbare Dienstjahr erhöht, unterschiedlich behandelt werden, verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz. Diese am Status anknüpfende Ungleichbehandlung der Arbeiter hinsichtlich der Bewertung der anrechenbaren Dienstjahre ist nicht ausnahmsweise wegen eines unterschiedlichen Versorgungsbedarfs von Arbeitern und Angestellten gerechtfertigt. Denn dieser Differenzierungsgrund steht im Widerspruch zu der im Streit stehenden Versorgungsordnung. Darüber hinaus führt die am Status anknüpfende typisierende Regelung bei einer beträchtlichen Zahl von betroffenen Arbeitern zu einer stärkeren Belastung und damit unzulässigen Benachteiligung gegenüber den Angestellten. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 27.03.2008, 13 Sa 39/08 130. Schriftformklausel, betriebliche Übung, nachträglicher Freiwilligkeitsvorbehalt Aus dem Tatbestand: Seit 1997 zahlte der Beklagte mit der Novemberabrechnung ein volles Weihnachtsgeld. Erstmals für das Jahr 2004 ging der Beklagte dazu über, den Jahresbetrag in zwölf monatliche Teilbeträge aufzuspalten. Ab dem Jahr 2005 ging der Beklagte dazu über, in die Novemberabrechnung folgenden Text aufzunehmen: „Bezüglich der Sonderzuwendung gilt zukünftig folgende Regelung: Die Zahlung erfolgt freiwillig. Die Zahlung der ersten Rate(n) begründet keinen Anspruch auf die weiteren Raten.“ Aus den Entscheidungsgründen: Der Anspruch auf die jeweils im November fällige Einmalzahlung ist durch eine jahrelange gleichförmige betriebliche Übung entstanden, die eine entsprechende konkludente Vertragsänderung zur Folge hatte. Eine einzelarbeitsvertraglich vereinbarte einfache Schriftformklausel, wie sie auch in dem Formular-Arbeitsvertrag der Parteien enthalten ist, kann im Zusammenhang mit einer Vertragsergänzung aufgrund betrieblicher Übung auch konkludent abbedungen werden. Eine gegenläufige betriebliche Übung, die den ursprünglichen Vertragszustand wiederherstellen soll, wird – nicht anders, als dies bei der betrieblichen Übung selbst auch der Fall ist – erst nach dreijähriger, vom Arbeitnehmer unwidersprochen hingenommener gegenläufiger Praxis wirksam. Schließlich kann ein arbeitsvertraglicher Anspruch, und sei er auch erst im Laufe des Vertragsverhältnisses aufgrund betrieblicher Übung entstanden, nicht durch einen einseitig erklärten späteren Freiwilligkeitsvorbehalt außer Kraft gesetzt werden, wenn der Arbeitnehmer diesem rechtzeitig widerspricht. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 18.07.2007, 7 Sa 385/07 131. Bezugnahmeklausel, öffentlicher Dienst, Haustarifvertrag Durch eine im Bereich des öffentlichen Dienstes gebräuchliche allgemeine Bezugnahmeklausel auf die jeweiligen Verbandstarifverträge wird auch auf die von derselben Gewerkschaft mit einem ehemaligen Verbandsmitglied abgeschlossenen Haustarifverträge verwiesen, wenn nach dem Inhalt der Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis „außerdem die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung finden sollen“. ■ Landesarbeitsgericht Nürnberg vom 12.11.2008, 4 Sa 760/08 132. Arbeitsverhältnis, nichteheliche Lebensgemeinschaft, Anspruch auf rückständige Vergütung Vereinbaren Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein Arbeitsverhältnis, so ist durch Auslegung des Verhaltens der Parteien zu ermitteln, wie weit eine von der Lebensgemeinschaft zu trennende separate Rechtsbeziehung eines Arbeitsverhältnisses reichen soll und den Grundsatz der Nichtausgleichung innerhalb der Lebensgemeinschaft verdrängen soll. Dies kann dazu führen, dass lange Zeit nicht ausgezahlte Nettobeträge des abgerechneten Arbeitslohns 02/09 113 Rechtsprechung Bestandsschutz bei Ende der Lebensgemeinschaft nicht nachgefordert werden können. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 14.03.2008, 4 Sa 1585/07 133. Aufklärungspflicht des Arbeitsgebers, Altersteilzeit, Beihilfeanspruch, Schadensersatz 1. Dem Arbeitgeber können nach Treu und Glauben besondere Auskunfts- und Aufklärungspflichten als arbeitsvertragliche Nebenpflichten obliegen. Inhalt und Umfang dieser Aufklärungs- und Informationspflichten sind unter Abwägung der beiderseitigen Interessen und Möglichkeiten nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zu bestimmen. Da jeder Vertragspartner für die Wahrnehmung seiner Vermögensinteressen grundsätzlich selbst zu sorgen hat, besteht eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers nur bei einem besonderen, dem Arbeitgeber erkennbaren Aufklärungsbedarf des Arbeitnehmers. 2. Erklärt sich der Arbeitnehmer ausdrücklich in einer gesonderten und insoweit ergänzten Vertragsregelung mit der Einbeziehung eines Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeitarbeit einverstanden, kann er sich nicht auf eine Aufklärungspflichtverletzung des Arbeitgebers berufen, wenn dieser ihn nicht darüber informiert hat, dass aus den tariflichen Regelungen auch eine Reduzierung des Beihilfeanspruchs für den Fall der Inanspruchnahme von Altersteilzeit entsprechend dem dann verringerten Arbeitszeitquotienten folgt. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 30.09.2008, 13 Sa 64/08 Bestandsschutz 134. Kündigungsschutz, Wartezeit, Betriebszugehörigkeit, Vorbeschäftigung als Leiharbeitnehmer Die Beschäftigungszeit als Leiharbeitnehmer ist bei Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem ehemaligen Entleiher bei erlaubter gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung nicht auf die sechsmonatige Wartezeit anzurechnen. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 27.11.2008, 10 Sa 486/08 135. Direktionsrecht, Festlegung der Arbeitszeit, Beschränkung auf Frühschicht zur Kinderbetreuung, Wegfall der Zweckbestimmung Hat der Arbeitgeber in einem Zweischichten-Betrieb einer Arbeitnehmerin den ausschließlichen Einsatz in der Frühschicht zugestanden, damit sie sich um ihre vormittags betreuten Kinder nachmittags kümmern kann, entfällt der Anspruch auf diesen Einsatz mit dem Wegfall des familiären Grundes. Es bedarf keiner Änderungskündigung, wenn die Zweckbestimmung der Kinderbetreuung als Sonderregelung gegenüber dem betrieblichen Zweischichtsystem abredeimmanent ist. 114 02 / 09 Landesarbeitsgericht Köln vom 03.04.2008, 10 Sa 1352/07 ■ 136. Direktionsrecht, Einstweilige Verfügung, Unterlassungsanspruch, Beschäftigungsanspruch bei Änderungskündigung, Abwehrinteresse des Arbeitnehmers Aus den Entscheidungsgründen: ... 1. Es fehlt vorliegend am Verfügungsanspruch. Wenn zugunsten der Verfügungsklägerin unterstellt wird, dass die Verfügungsbeklagte sie nicht vor dem 01.10.2008 in F. einsetzen kann, weil die Kündigungsfrist erst am 30.09.2008 ende, so steht der Klägerin kein entsprechender Unterlassungsanspruch als Anspruch i.S.v. § 194 BGB zu. Die Zuweisung einer nach dem Vertrag nicht geschuldeten Arbeit ist unwirksam. Dem Arbeitgeber steht kein Anspruch auf eine vertraglich nicht geschuldete Leistung zu. Der Arbeitnehmer kann eine dem Arbeitgeber nicht geschuldete Arbeit ohne weiteres verweigern. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine vertraglich nicht geschuldete Arbeit zu, so kann der Arbeitnehmer als vermeintlicher Schuldner diese Arbeit ohne weiteres verweigern und eine negative Feststellungsklage in Bezug auf die streitigen Arbeitspflicht erheben und andererseits den Gläubiger auf Erfüllung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs durch vertragsgemäße Beschäftigung in Anspruch nehmen. Es besteht weder ein Bedürfnis noch ein Rechtsgrund für einen weiteren selbstständigen und einklagbaren arbeitsvertraglichen Anspruch im Sinne von § 194 BGB auf Unterlassen einer nicht vertragsgemäßen Beschäftigung (LAG München vom 01.12.2004 -5 Sa 913/04). 2. Auch ein Verfügungsgrund ist nicht gegeben. a) Es ist bereits zweifelhaft, ob eine Untersagungsverfügung zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist, wenn mit der Verfügungsklägerin davon ausgegangen wird, dass diese jedenfalls vor dem 30.09.2008 keine Arbeitsleistung in F. schuldet. Besteht keine entsprechende arbeitsvertragliche Pflicht, so kann die Verfügungsklägerin die nicht geschuldete Arbeit verweigern, ohne dass es zum Schutze vor dieser Arbeitspflicht und den mit dieser Arbeit verbundenen Belastungen bzw. gegen die Irreversibilität einmal geleisteter Arbeit noch des Rechtsschutzes durch eine Unterlassungsverfügung bedürfte (LAG Berlin-Brandenburg vom 06.08.2008 – 21 SaGa 1471/08). Es wird regelmäßig als zumutbar angesehen, dass der Arbeitnehmer einer arbeitsvertragswidrigen Anweisung zunächst nachkommt oder sie verweigert und deren Rechtmäßigkeit sodann in einem Hauptsacheverfahren richtig überprüfen lässt. Soweit die Verfügungsklägerin auf das ihr unzumutbare Risiko einer ggf. rechtswidrigen Arbeitsverweigerung abstellt, ist fraglich, ob es Zweck der streitigen Verbotsverfügung sein kann, eine quasi gutachterliche gerichtliche Feststellung zu treffen, dass sie die Arbeit in F. nicht schuldet. b) Sieht man von diesen grundsätzlichen Bedenken bei einer auf das Unterlassen der Zuweisung einer vertraglich nicht Rechtsprechung Bestandsschutz geschuldeten Tätigkeit gerichteten einstweiligen Verfügung ab, ist ein Verfügungsgrund nur dann zu bejahen, wenn – von den Fällen der offenkundigen Rechtswidrigkeit abgesehen (kritisch dazu LAG Düsseldorf vom 01.06.2005 – 12 Sa 352/05, MDR 2005, 1419) – der Arbeitnehmer gegenüber Weisungen zu Inhalt, Ort und Art der Arbeitsleistung ein gesteigertes Abwehrinteresse hat, welches gegen das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung der erteilten Weisung abzuwägen ist. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn darum gestritten wird, ob der Arbeitnehmer seine Tätigkeit fortan an einem anderen als dem bisherigen Arbeitsort verrichten soll. In einem solchen Fall kommt ein Verfügungsgrund in Betracht, wenn etwa die Versetzung den Arbeitnehmer an der Vollendung einer für sein berufliches Fortkommen wichtigen Arbeit hindert oder ihn von der Teilnahme am Erfolg seiner bisherigen Leistung ausschließt oder den Erwerb weitergehender beruflicher Qualifikation vereitelt, also zur Abwehr wesentlicher Nachteile erforderlich ist (Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 2. Aufl. 2007, I Rn 51, m.w.N.). Daneben können Umstände des Familienstandes wie das Vorhandensein und die Anzahl schulpflichtiger Kinder bedeutsam sein (LAG Hamm vom 05.02.2008 – 11 SaGa 4/08). c) Von einer auf der Hand liegenden Unwirksamkeit des Einsatzes der Verfügungsklägerin in F. bereits vor dem 01.10.2008 kann nicht ausgegangen werden. ... Soweit die Verfügungsklägerin argumentiert, der Betriebsrat habe ihrer Versetzung ab dem 01.07.2008 nach F. nicht zugestimmt, ist zwar richtig, dass eine ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats erfolgte Versetzung individualrechtlich unwirksam ist. ... Beim Arbeitsgericht B. sind aber – bezogen auch auf die Verfügungsklägerin – Anträge der Verfügungsbeklagten auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung, dass die Versetzungsmaßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§§ 99 Abs. 4, § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG), anhängig. Es steht nicht offensichtlich fest, dass die Verfügungsbeklagte die Versetzungsmaßnahme weder vorläufig noch endgültig aufrechterhalten darf. Ist ein Einsatz der Verfügungsklägerin bis zum 30.09.2008 nach alledem nicht offensichtlich rechtswidrig, bedarf es eines gesteigerten Abwehrinteresses, die Maßnahme dennoch für einen befristeten Zeitraum zu untersagen, sowie eine Interessenabwägung. Schon ersteres ist nicht ersichtlich. Soweit die Verfügungsklägerin auf ihre persönliche Situation und die Unzumutbarkeit der Fahrtwege verweist, leuchtet nicht ein, inwieweit sich diese Umstände für den Zeitraum bis 30.09.2008 im Sinne eines nicht zu ersetzenden Nachteils auswirken sollen. Trotz Obsiegens im Änderungskündigungsschutzrechtsstreit hat die Verfügungsklägerin keinen Anspruch, zu den bisherigen Bedingungen weiterbeschäftigt zu werden, weil sie die Änderungskündigung unter Vorbehalt nach § 2 KSchG angenommen hat (BAG vom 18.01.1990 – 2 AZR 183/89). Insoweit muss sich die bei einer Untersagungsverfügung notwendige „gesteigerte Unzumutbarkeit“ gerade auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum beziehen. Die Wegstrecke nach F. sowie die mit einem Pendeln verbundenen Belastungen bestehen nach dem 30.09.2008 ebenso wie bis zu diesem Zeitpunkt. Besonders schwerwiegende Interessen an einer dringlichen Regelung, in F. nicht vor dem 01.10.2008 eingesetzt zu werden, können daher darin nicht gesehen werden. Unerträgliche finanzielle Mehrbelastungen sind nicht glaubhaft gemacht, zumal der Verfügungsklägerin Anspruch auf eventuelle Kompensationsleistungen aus dem Sozialplan vom 14.12.2007 zustehen dürften. Dies gilt ebenso unter Berücksichtigung der Argumentation der Verfügungsklägerin, dass sie bei einer Verweigerung des Einsatzes in F. Gefahr laufe, wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung abgemahnt oder gar fristlos gekündigt zu werden. Das Risiko einer rechtlichen Fehleinschätzung und die hiermit verbundenen Folgen erfüllen nicht per se das Tatbestandsmerkmal des wesentlichen Nachteils nach § 940 ZPO. ■ Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 12.08.2008, 16 SaGa 1366/08 eingereicht von Rechtsanwalt Dr. Gisbert Seidemann, Budapester Straße 40, 10787 Berlin, Tel.: 030/2545910, Fax: 030/25459166 [email protected]; www.advocati.de 137. Betriebsbedingte Kündigung, Verhältnismäßigkeit, Vorrang des Direktionsrechts, Freikündigen von Arbeitsplätzen Aus dem Tatbestand: Die Beklagte hatte entschieden, die Telefonservicezentralen (TSZ) verschiedener Betriebsstätten in K. zu zentralisieren. Der Versetzung eines in der TSZ beschäftigten, langfristig erkrankten Betriebsratsmitglieds hat der Betriebsrat nicht zugestimmt. ... Die Beklagte bot deshalb der Klägerin einen Arbeitsplatz in der TSZ an. Da die Klägerin das Angebot nicht angenommen hat, hat sich die Beklagte gezwungen gesehen, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Aus den Entscheidungsgründen: Die zulässige Klage ist begründet. Die Kündigungserklärung des Beklagten vom 15.05.2008 ist unwirksam mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats und sozialer Rechtfertigung. ... dd) Die Kündigung ist auch unwirksam wegen fehlender sozialer Rechtfertigung im Sinne von § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG. Zwar begründet auch ein dringendes betriebliches Erfordernis, das einer Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers entgegensteht, die soziale Rechtfertigung einer Kündigung. So kann beispielsweise die Umsetzung einer gestaltenden Unternehmerentscheidung zu einem Überhang an Arbeitskräften führen. Entscheidend ist allerdings, ob sich die behaupteten Kündigungsgründe im Betrieb dahin auswirken, dass für die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers kein Bedürfnis mehr besteht. Die Umsetzung der Entscheidung muss sich dergestalt auf die Beschäftigungsmöglichkeit auswirken, dass rechnerisch ein Überhang 02/09 115 Rechtsprechung Bestandsschutz an Arbeitskraft vorhanden sein muss, durch den unmittelbar oder mittelbar das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers wegfällt. Hieran fehlt es in dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall gerade in Ansehung des Sachvortrags des Beklagten. Die Verlagerung der Arbeitsplätze der TSZ des Betriebes M. nach K. betreffen den Arbeitsplatz der Klägerin nicht originär. Die Klägerin war in der Vergangenheit – wenn überhaupt – nur aushilfsweise in der TSZ beschäftigt Der Umstand, dass der Betriebsrat der Versetzung der in der TSZ beschäftigten Betriebsrätin H. widersprochen hat, lässt keinesfalls den Schluss zu, die Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin sei innerbetrieblich weggefallen: Frau H. ist seit langem arbeitsunfähig erkrankt. Eine Rückkehr an den Arbeitsplatz ist höchst ungewiss. Die Freikündigung des Arbeitsplatzes der Klägerin zu Gunsten von Frau H. ist in Ansehung der Tatsache der völligen Ungewissheit der Rückkehr von Frau H. in den Betrieb nicht notwendig. ee) Schlussendlich ist die Kündigung des Beklagten vom 15.05.2008 sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, da sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Die von dem Beklagten beabsichtigte Änderung der Arbeitsbedingungen – Zuweisung des Tätigkeitsortes K. – ist seitens des Beklagten durch Ausübung des Weisungsrechts erreichbar. Es bedurfte keiner Kündigungsmaßnahme. Das Direktionsrecht erlaubt es dem Arbeitgeber, die Einzelheiten der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistungen zu bestimmen, soweit diese nicht anderweitig geregelt sind. Sein Umfang bestimmt sich vor allem nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages. Es kann einzelvertraglich innerhalb bestimmter Grenzen erweitert werden, soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht, § 106 GewO. ... Unter Anwendung der oben aufgestellten Grundsätze ergibt sich in dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall, dass der Beklagte der Klägerin eine Tätigkeit am Standort K. durch Ausübung seines in § 2 des Arbeitsvertrages ausbedungenen Direktionsrechts rechtmäßig zuweisen kann. Hierzu ist weder ein Einverständnis der Klägerin, noch der Ausspruch einer Änderungskündigung des Beklagten erforderlich. Der Ausspruch einer Beendigungskündigung erweist sich deshalb als unverhältnismäßig. Die Parteien streiten ausschließlich um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bereits diese Bestandsgefährdung verbietet es, die Kündigung als verhältnismäßig zu betrachten, obwohl es ihrer nicht bedurfte. Denn eine Veränderung der Arbeitsbedingungen wie vom Beklagten angedacht ist von der Klägerin bereits auf Grund der Ausübung des Direktionsrechts des Beklagten geschuldet. Dies gilt auch dann, wenn die Respektierung eines vom Arbeitgeber in Anspruch genommenen Direktionsrechts durch den Arbeitnehmer nicht erwartet wird (vgl. BAG vom 06.09.2008 – 2 AZR 369/06, BB 2008, 896, zu dem vergleichbaren Sachverhalt der „überflüssigen“ Änderungskündigung). ■ Arbeitsgericht Mannheim vom 20.08.2009, 9 Ca 276/08 116 02 / 09 (Das Urteil ist rechtskräftig.) eingereicht von Rechtsanwalt Andreas Philipps, L 11,12, 68161 Mannheim, Tel.: 0621/155893, Fax: 0621/27611 [email protected]; www.RAPhilippps.de 138. Betriebsbedingte Kündigung, Darlegungslast des Arbeitsgebers, konkrete betriebliche Umsetzung unternehmerischer Konzepte Aus den Entscheidungsgründen: 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können sich dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. ... Es versteht sich von selbst, dass sich diese Anforderung an den Vortrag des Arbeitgebers nicht darin erschöpft, irgendeine theoretische Konzeption vorzubringen, die für sich betrachtet frei von logischen oder rechnerischen Fehlern sein mag. Vielmehr muss das vorgebrachte unternehmerische Konzept auch und gerade in den Auswirkungen auf den Beschäftigungsbedarf schlüssig sein. D.h. es muss nachvollziehbar dargelegt werden, dass die dargestellte Personalplanung bei unterstellter tatsächlicher Umsetzung der zugrundeliegenden Konzeption in Ansehung der innerbetrieblichen Alltagsgegebenheiten (Erfahrungswerte über Personalausfall infolge von Urlaub und Arbeitsunfähigkeit o.a.) und der äußeren Rahmenbedingungen wie etwa der terminlichen oder mengenmäßigen Vorgaben von Kunden umgesetzt werden kann und aus diesem Grunde nicht unvernünftig oder willkürlich, sondern realistisch ist. 2. Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Beklagten zur Rechtfertigung ihrer Kündigung nicht gerecht. Die Beklagte hat zwar eine für sich betrachtet nachvollziehbare Konzeption dargetan, wie sie in personeller Hinsicht auf die Stilllegung der Trockner sowie der alten Absackanlage, die Anschaffung der neuen Absackanlage und den von ihr zusätzlich vorgebrachten Auftragsrückgang zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung reagieren wollte. Dass aus diesem Konzept aber der Wegfall von drei Arbeitsplätzen oder genauer der Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers resultiert, ist nicht schlüssig dargetan. a) Die Beklagte hat es als einen festen Bestandteil ihres unternehmerischen Konzeptes dargestellt, drei Springerarbeitsplätze, die zuvor durch Leiharbeitskräfte besetzt gewesen seien, künftig wieder mit eigenen Mitarbeitern zu besetzen. Aus diesem Grunde mache der rechnerische Wegfall von rund sechs Arbeitsplätzen in der Produktion lediglich die Kündigung von drei Arbeitsverhältnissen erforderlich. In dem mit Schriftsatz vom 05.12.2008 im Detail erläuterten Konzept sind demgegenüber lediglich noch zwei sogenannte Springerarbeitsplätze vorgesehen. Erläutert hat die Beklagte dies damit, dass der ursprünglich auf dem dritten Springerarbeitsplatz vorgesehene Arbeitnehmer auf den Arbeitsplatz des zum 01.01.2009 in die Freistellungsphase der Altersteilzeit gehenden Arbeitnehmers R gewechselt sei. All dies – so ist Rechtsprechung Bestandsschutz es ausdrücklich im Schriftsatz der Beklagten zu lesen – sei das organisatorische Modell zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs gewesen. Das ist in sich widersprüchlich – Bedarf es nun des Einsatzes von zwei oder drei Springern? – und konzeptionell nicht nachvollziehbar. – Wieso auch nur noch zwei Springer, wo doch zuvor drei eingesetzt waren und eine Reduktion des Arbeitskräftebedarfs bei den Springern nicht dargetan ist, sondern im Rahmen der Erläuterung des Erhalts von drei Arbeitsplätzen durch Wiederbesetzung der bisherigen Springerstellen mit eigenen Mitarbeitern als unverändert unterstellt wurde? b) Darüber hinaus hat die Beklagte ihr unternehmerisches Konzept in seiner Durchführbarkeit auch insoweit nicht schlüssig erläutert, als es um den lediglich einschichtigen Betrieb der neuen Absackanlage geht. Mit ihrem Konzept hat die Beklagte zwar die Position bezogen, dass die Absackanlage lediglich einschichtig betrieben werden solle. Diese unternehmerische Konzeption ist auch als solche nicht zu hinterfragen, wohl aber im Hinblick auf ihre Durchführbarkeit und Dauerhaftigkeit im oben erläuterten Sinne schlüssig darzulegen. Das ist der Beklagten nicht gelungen. Der Kläger hat behauptet, ein lediglich einschichtiger Betrieb der Absackanlage sei nicht durchführbar. Zur Untermauerung seines Vorbringens hat er Schichtbelegungspläne für die Zeit ab 01.08.2008 vorgelegt, die nach seiner Interpretation belegen, dass die Absackanlage nicht nur in der Frühschicht, sondern – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auch in der Mittagschicht, teils sogar in der Nachtschicht betrieben worden sei. Dieses Parteivorbringen des Klägers zu den tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten ist geeignet, die Schlüssigkeit des unternehmerischen Konzepts der Beklagten im Hinblick auf die Durchführbarkeit des lediglich einschichtigen Betriebs der neuen Absackanlage In Frage stellen. Die Beklagte hat diesem Parteivorbringen entgegengehalten, die überreichte Aufstellung sei „missverständlich und irreführend“ und „spiegele die Umsetzung der organisatorischen Entscheidung nicht wieder“. Der letztzitierten Feststellung kann nicht widersprochen werden. Damit ist jedoch der Vortrag des Klägers nicht zu Fall gebracht, sondern lediglich eine zutreffende Schlussfolgerung formuliert. Angesichts dieses Befundes hätte es der Beklagten oblegen, der detaillierten Darlegung des Klägers ebenso detailliert entgegenzutreten und darzustellen, dass und warum ihr ursprüngliches Konzept des lediglich einschichtigen Betriebs in der Zeit nach dem Auslaufen der Kündigungsfrist entgegen dem Eindruck der vom Kläger vorgelegten Auflistung tatsächlich durchführbar war und durchgeführt wurde. Das hat die Beklagte nicht getan. Offenbar kann sie das auch nicht. Denn mit weiterem Schriftsatz vom 15.01.2009 hat sie zugestanden, dass die Absackanlage tatsächlich größtenteils in Früh- und Spätschicht betrieben wurde, und zur Begründung vorgebracht, dass dies zur Abarbeitung eines Sonderauftrags bis zum 21.02.2009 erforderlich gewesen sei. Weshalb aber gerade in einem „Sonderauftrag“ der sachliche Grund dafür gelegen hat, die ursprüngliche unternehmerische Konzeption des lediglich einschichtigen Betriebes der Absackanlage (nur) vorübergehend aufzugeben und der mehrschichtige Betrieb nicht etwa augenfälliger Ausdruck eines in der Praxis nicht dauerhaft durchführbaren Schichtenkonzeptes ist, hat die Beklagte nicht ansatzweise erläutert. Es ist nicht einmal dargetan, was die Beklagte unter einem „Sonderauftrag“ in Abgrenzung zu Normalaufträgen versteht. Angesichts dessen hilft es auch nicht weiter, wenn die Beklagte mit Schriftsatz vom 05.12.2008 die Durchführbarkeit ihres unternehmerischen Konzepts mit einer jahresbezogenen Kapazitätsberechnung zu belegen sucht. Es mag sein, dass sich die Jahreskapazität der Anlage auf einen durchschnittlich einschichtigen Betrieb umrechnen lässt. Dass ein solch durchschnittlich einschichtiger Betrieb sich aber mit den realen Betriebsanforderungen in Einklang bringen ließe, also eine hierauf aufbauende Schichtplanung gemessen an den betrieblichen Produktionsanforderungen ein durchführbares Konzept darstellt, lässt sich nicht feststellen. Der Beklagten war von dem Berufungsgericht mit Hinweisbeschluss vom 14.11.2008 explizit und in Ansehung der von Klägerseite während der mündlichen Verhandlung vorgelegten Auflistung über die Schichtbelegung an der Absackanlage aufgegeben worden, die genaue Gestaltung der Schichtplanung zu erläutern und darzulegen, welche Arbeiten konkret an der früheren Absackanlage mit welchen Zeitanteilen angefallen waren, und unter Einordnung in ein gegebenenfalls neugestaltetes Schichtsystem vorzutragen, welche Arbeitszeitanteile künftig zu erwarten sind. Dem hat die Beklagte nicht entsprochen. Es wurde zwar eine jahresbezogene Kapazitätsplanung für das Jahr 2008 dargestellt. Wie sich diese geplante Auslastung der neuen Absackanlage in Ansehung der terminlichen und mengenmäßigen Kundenvorgaben aber dergestalt über das Jahr verteilen ließe, das durchgängig oder zumindest weit überwiegend ein nur einschichtiger Einsatz der Anlage zur Abarbeitung der jeweils anstehenden Aufträge genügen würde, lässt das Vorbringen der Beklagten nicht erkennen. Eine solche Darstellung ist jedoch unabdingbar. Denn eine noch so eingängige und augenfällige Durchschnittsverteilung der geplanten Auslastung der Anlage auf das Jahr taugt als Basis für die Prognose des tatsächlich anfallenden Arbeitskräftebedarfs nichts, wenn Aufträge der Kunden fristgebunden abgearbeitet werden müssen und dies nur möglich ist, wenn die Absackanlage eben nicht nur in der Frühschicht, sondern auch in Spät- und teilweise sogar Nachtschicht betrieben wird. ■ Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 23.01.2009, 10 Sa 1237/08 eingereicht von Rechtsanwalt Christian Puhr-Westerheide, Beethovenstraße 21, 47226 Duisburg, Tel.: 02065/30000, Fax: 02065/300050 [email protected]; www.ra-npp.de 02/09 117 Rechtsprechung Bestandsschutz 139. Betriebsbedingte Kündigung, Betriebsübergang, notwendige Kausalität des Betriebsübergangs für die Rechtswidrigkeit der Kündigung; Unmöglichkeit anderweitiger Beschäftigung; Erwerberkonzept; Massenentlassungsanzeige, Rechtzeitigkeit, Sperrfristwirkung Zum Sachverhalt: Der Beklagte 1) betrieb eine Diskothek und beschäftigte dort eine Reihe von Türstehern, u.a. den Kläger. Mit Rücksicht auf das Verhalten der Türsteher entzog die Ordnungsbehörde dem Beklagten 1) die Konzession für den Gaststättenbetrieb mit Anordnung der sofortigen Vollziehung im Dezember 2006. Der Beklagte 1) stellte zunächst vorläufig den Gaststättenbetrieb ein. Im April 2007 wurde die Konzessionsentziehung rechtskräftig. Am 24. April 2007 erstattete der Beklagte zu 1) eine Massenentlassungsanzeige und kündigte am 25. April 2007 u.a. den Kläger zum 30. Juni 2007. Im Juli 2007 eröffnete der Beklagte zu 2) an gleicher Stelle wieder eine Diskothek, jedoch ohne eigene Türsteher, sondern unter Inanspruchnahme der Dienste eines externen Sicherheitsunternehmens. Der Kläger nimmt den Beklagten zu 2) auf Weiterbeschäftigung in Anspruch. Klage und Berufung blieben erfolglos. Aus den Entscheidungsgründen: II. ... 2. ... a) Die Kündigung vom 25.04.2007 ist nicht wegen Verstoßes gegen die §§ 17,18 KSchG rechtsunwirksam. Der Beklagte zu 1) hat vor Ausspruch der Kündigung der Arbeitsagentur die beabsichtigten Kündigungen angezeigt. Er war befugt, eine Kündigung zum 30.06.2007 auszusprechen, weil die Agentur für Arbeit die Sperrfrist für Entlassungen auf den 26.04.2007 festgesetzt hat. Die Festsetzung einer Entlassungssperre nach § 18 KSchG hat nicht zur Folge, dass Kündigungen, die innerhalb der Sperrzeit ausgesprochen werden, rechtsunwirksam sind. Folge einer Entlassungssperre kann allenfalls sein, dass ein Arbeitsverhältnis aufgrund einer wirksamen Kündigung im Sperrzeitraum nicht wirksam beendet werden kann (LAG Bremen, Urteil vom 21.05.2008 – Az.: 2 Sa 199/07; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.03.2008 – Az: 19 Sa 41/07: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.12.2007 – Az.: Ziffer 6 Sa 1846/07 – LAGE § 18 KSchG Nr. 2). Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 25.04.2007 wird aber erst zum 30.06.2007 herbeigeführt, mithin nicht innerhalb des Zeitraumes der Entlassungssperre. ... b) Die Kündigung vom 25.04.2007 scheitert nicht an § 613a BGB – wobei letztlich dahingestellt bleiben kann, ob ein Betriebsübergang vorliegt, weil auch bei Annahme eines Betriebsübergangs die Übernahme der Diskothek durch die Beklagte zu 2) nicht der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist. Sie wäre mithin nicht kausal. aa) Nach § 613a Abs. 4 BGB ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils unwirksam. Das Recht 118 02 / 09 zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt dagegen unberührt. Eine Kündigung erfolgt wegen des Betriebsübergangs, wenn dieser der tragende Grund, nicht nur der äußere Anlass für die Kündigung ist. § 613a Abs. 4 BGB hat gegenüber § 613a Abs. 1 BGB Komplementärfunktion. Die Norm soll als spezialgesetzliche Regelung des allgemeinen Umgehungsverbots verhindern, dass der in § 613a Abs. 1 BGB angeordnete Bestandsschutz durch eine Kündigung unterlaufen wird. Das Kündigungsverbot ist dann nicht einschlägig, wenn neben dem Betriebsübergang ein sachlicher Grund vorhanden ist, der „aus sich heraus“ die Kündigung zu rechtfertigen vermag (vgl. BAG Urt. v. 18.07.1996 – 8 AZR 127/94 – AP Nr. 147 zu § 613a BGB). Er schützt nicht vor Risiken, die sich jederzeit unabhängig vom Betriebsübergang aktualisieren können und führt insbesondere nicht zur Lähmung der als notwendig erachteten unternehmerischen Maßnahmen. Aus diesem Grunde hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich anerkannt, dass eine Veräußererkündigung wegen Rationalisierungen aufgrund eines Sanierungskonzepts des Erwerbers möglich ist und nicht gegen § 613a Abs. 4 BGB verstößt (vgl. BAG Urt. v. 20.03.2003 – 8 AZR 97/02 – AP Nr. 250 zu § 613a BGB m.w.N). Sinn und Zweck der Regelungen in § 613a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BGB ist es nicht, den Erwerber auch bei einer aufgrund betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkte voraussehbar fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit zu verpflichten, das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer noch einmal künstlich zu verlängern, bis er selbst die Kündigung aussprechen kann. Es bedarf jedoch eines verbindlichen Konzepts oder Sanierungsplans des Erwerbers, dessen Durchführung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bereits greifbare Formen angenommen hat. So genügt allein die Forderung des Erwerbers, die Belegschaft vor dem Betriebsübergang zu verkleinern, nicht. Die Kündigungsmöglichkeit des Veräußerers hängt auch nicht davon ab, dass er selbst das Erwerberkonzept bei Fortführung des Betriebs hätte durchführen können (vgl. BAG Urt. v. 20.03.2003 – 8 AZR 97/02 – AP Nr. 250 zu § 613a BGB). bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für den vorliegenden Fall Folgendes: Die Weiterführung beziehungsweise Neueröffnung und damit ein ev. Betriebsübergang der Diskothek ist nicht der Grund für die Kündigung des Klägers. Dessen Kündigung und die der bislang vom Beklagten zu 1) beschäftigten Türsteher – möglicherweise in Verbindung damit, dass der Beklagte zu 1) nicht mehr weiter als Betreiber auftrat – sind vielmehr die Voraussetzungen dafür, dass die Schließung des Betriebes nicht auf Dauer erfolgen musste. Die Wiederaufnahme des Betriebes der Diskothek hat insofern nicht die Kündigung des Klägers bedingt, sondern dessen Kündigung war die Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Betriebes. In einer Entscheidung des LAG Bremen vom 09.09.2008 (Az.: 1 Sa 44/08) hat die 1. Kammer in einem gleichgelagerten Parallelverfahren hierzu Folgendes ausgeführt, was die ungeteilte Zustimmung der 2. Kammer findet: Rechtsprechung Bestandsschutz „Aufgrund der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 17.04.2007 stand fest, dass der Betrieb ... sowohl von dem Beklagten zu 1. als auch von einem etwaigen Betriebsübernehmer nur dann weitergeführt werden könnte, wenn die bisherigen Türsteher des Beklagten zu 1. – der Kläger wurde in dem Beschluss des OVG namentlich insoweit genannt – nicht mehr beschäftigt würden. In dem Beschluss des OVG Bremen wurde die sofortige Vollziehung der Verfügung des Stadtamtes (Widerruf der Gaststättenkonzession des Beklagten zu 1. und Aufforderung zur Einstellung des Betriebes sowie Androhung der zwangsweisen Schließung des Betriebes für den Fall seiner Fortsetzung) damit begründet, dass Tatsachen eingetreten seien, die die Annahme rechtfertigen würden, dass der Beklagte zu 1. die für den Betrieb der Diskothek erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze. Zentraler Teil der Begründung war, dass die genannten Türsteher wegen aufgetretener Gewalttätigkeiten unzuverlässig seien und der Betreiber der Diskothek sich dies zurechnen lassen müsse. Es wurde bewertet, ob der Beklagte zu 1. den ernsthaften Versuch gemacht habe, sich von den Türstehern zu trennen. Sogar die Vergabe der Türsteheraufgaben an die Firma … genügte dem OVG wegen der weitgehenden Identität der als Türsteher beschäftigten Personen nicht. Aufgrund dieses Beschlusses des OVG Bremen stand fest, dass weder der Beklagte 1. noch ein etwaiger Betriebserwerber die erforderliche Gaststättenkonzession erhalten würde, wenn weiterhin der namentlich im Beschluss erwähnte Kläger sowie andere Türsteher beschäftigt würden. Deshalb konnte ein Weiterführungskonzept nur so aussehen, dass – abgesehen von einem Verkauf der Immobilie und damit einer völligen Betriebsänderung – diese Türsteher nicht mehr beschäftigt würden und dieser Tätigkeitsbereich von anderen hätte übernommen werden müssen. Da gegen den Beschluss des OVG Bremen vom 17.04.2007 auch kein Rechtsmittel gegeben war, bestand auch keine Möglichkeit eines anderen Vorgehens mehr. Tatsächlich ist unstreitig die Gaststättenkonzession an die Beklagte zu 2. erst erteilt worden, nachdem ein ganz anderes Sicherheitskonzept erstellt wurde, das u.a. vorsah, dass eine Sicherheitsfirma mit eigenem Personal beauftragt würde. Dies bestätigt die Richtigkeit der Prognose, dass ein etwaiger Betriebsübernehmer den Betrieb nur aufgrund eines Erwerberkonzeptes würde durchführen können, das vorsehen müsste, dass man sich von den bisherigen Türstehern endgültig trennte. Unterstellt, das Vorbringen des Klägers, schon im Zeitpunkt der Kündigung oder bis Auslaufen der Kündigungsfrist ihm gegenüber hätte festgestanden, dass die Beklagte zu 2. die Diskothek weiterführen würde, wäre richtig, dann hätte dieses Erwerberkonzept bereits greifbare Formen angenommen. Auch der Kläger geht nach seinem Vorbringen in der Berufungsinstanz davon aus, dass die Kündigung ausgesprochen worden sei, um die Betriebsveräußerung, und zwar ohne die Türsteher zu ermöglichen. Danach wäre die Kündigung des Beklagten zu 1. nicht wegen eines etwaigen Betriebsübergangs erfolgt, sondern wegen der anzustrebenden und vollzogenen Änderung des Sicherheitskonzepts und der Durchführung der Sicherheitsstruktur ohne eigenes Personal. 3. Die Kündigung vom 25.04.2007 ist auch sozial gerechtfertigt. Sie ist durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb entgegenstehen bedingt. In dem oben angegebenen Urteil des LAG Bremen führt die 1. Kammer weiter aus: ... Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die ausgesprochene fristgemäße Kündigung dadurch hätte verhindert werden können, dass er z.B. an der Garderobe weiterbeschäftigt worden wäre. In dem Beschluss des OVG Bremen vom 17.04.2007 war zum Ausdruck gebracht worden, dass sich der Beklagte zu 1. endgültig von den bei ihm beschäftigten Türstehern trennen müsse, damit die bei diesen gegebene Unzuverlässigkeit sich nicht im Rahmen der Konzessionsgewährung auswirken könnte. Deshalb hätte der Beklagte zu 1. und ein etwaiger Betriebserwerber den Kläger auch nicht an anderer Stelle weiterbeschäftigen können. Darüber hinaus hat der Kläger auch nicht hinreichend vorgetragen, dass ein anderer freier Arbeitsplatz für ihn zur Verfügung gestanden hätte. Zwar muss der Arbeitnehmer keinen konkreten freien Arbeitsplatz benennen, aber er muss angeben, wie er sich seine anderweitige Beschäftigung vorstellt (vgl. BAG Urt. v. 01.03.2007 – 2 AZR 650/05 – AP Nr. 164 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG Urt. v, 06.11.1997 – 2 AZR 253/97). Der Kläger hat insoweit aber lediglich Tätigkeiten angegeben, die er neben seiner Türstehertätigkeit ausgeübt hat. Dies genügt nicht für die Annahme eines anderen freien Arbeitsplatzes, auf dem eine Fortbeschäftigung möglich wäre (vgl. BAG Urt. v. 24.06.2004 – 2 AZR 326/03). Auch diese Ausführungen macht sich das Berufungsgericht uneingeschränkt zu Eigen. Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit anderen Aufgaben innerhalb der Diskothek für die Beklagte zu 2) ein zu hohes Risiko dargestellt hätte. Angesichts des entschiedenen Handelns des Stadtamtes in der Vergangenheit wäre zu besorgen gewesen, dass die Behörde ein derartiges Vorgehen als Umgehung der für die Konzessionierung der Diskothek notwendigen Bedingungen angesehen und entsprechende Konsequenzen gezogen hätte. ■ Landesarbeitsgericht Bremen vom 10. Dezember 2008, 2 Sa 125/08 eingereicht von Rechtsanwalt Dr. Volker Hertwig, Contrescarpe 10, 28203 Bremen, Tel.: 0421/33581-0, Fax: 0421/321970 [email protected]; www.wagner-ohrt.de 02/09 119 Rechtsprechung Bestandsschutz 140. Kündigung, Altersdiskriminierung, Sozialauswahl, Bildung von Altersgruppen 1. Verstößt eine ordentliche Kündigung gegen Diskriminierungsverbote des AGG (§§ 1 – 10 AGG), so kann dies zur Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 KSchG führen. Dem steht § 2 Abs. 4 AGG nicht entgegen. 2. Die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG vorgesehene Berücksichtigung des Lebensalters als Sozialdatum stellt eine an das Alter anknüpfende unterschiedliche Behandlung dar. Sie ist jedoch nach § 10 Satz 1, 2 AGG gerechtfertigt. 3. Auch die Bildung von Altersgruppen kann nach § 10 Satz 1, 2 AGG durch legitime Ziele gerechtfertigt sein. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn die Altersgruppenbildung bei Massenkündigungen aufgrund einer Betriebsänderung erfolgt. ■ Bundesarbeitsgericht vom 06.11.2008, 2 AZR 523/07 141. Kündigung, Altersdiskriminierung, Sozialauswahl, Punkteschema 1. § 2 Abs. 4 AGG ist nicht europarechtswidrig. Der Diskriminierungsschutz kann im geltenden nationalen Recht durch eine europarechtskonforme Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes erreicht werden. 2. Das in Art. 2 Abs. 1 RL 2000/78/EG enthaltene europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung steht der Verwendung einer Punktetabelle zur Sozialauswahl (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG), die eine lineare Berücksichtigung des Lebensalters vorsieht, nicht im Wege, wenn sie durch legitime Ziele gerechtfertigt ist (vgl. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG). 3. Einer Einzelfallprüfung im Hinblick auf die individuellen Chancen auf dem Arbeitsmarkt bedarf es auch nach Inkrafttreten des AGG nicht. Die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG sind auch bei einer typisierten Betrachtungsweise, wie sie einem Punkteschema eigen ist, erfüllt (im Anschluss an BAG vom 19.06.2007 – 2 AZR 304/06; BAG vom 06.09.2007 – 2 AZR 387/06). ■ Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 16.04.2008, 2 Sa 1/08 142. Kündigung, betriebsübergreifende Sozialauswahl, konzernbezogener Kündigungsschutz Verfügt ein Konzern über eine Einheit, die der konzerninternen und -externen Arbeitnehmerüberlassung dient, hat die Sozialauswahl ausnahmsweise auch dann nicht rein betriebsbezogen zu erfolgen, wenn die betroffenen Arbeitnehmer ihrem Betrieb administrativ zugeordnet bleiben. ■ Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 08.11.2006, 17 Sa 475/06 120 02 / 09 143. Aufhebungsvertrag, Anfechtung, Androhung einer betriebsbedingten Kündigung, Betriebsstilllegung, Kausalität bei Einräumung einer Bedenkzeit Aus den Entscheidungsgründen: 1. Eine Drohung i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB setzt objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Auch in der Ankündigung einer ordentlichen Kündigung liegt eine Drohung, denn auch die ordentliche Kündigung bringt stets für den Arbeitnehmer Nachteile mit sich. Die Beklagte hat für den Fall der Nichtannahme der vorbereiteten Verträge ausdrücklich eine Kündigung angekündigt. Das ist eine Drohung im vorstehend erläuterten Sinne. ... 2. Die Beklagte meint, ihre Drohung, sei jedenfalls nicht widerrechtlich gewesen. Auch mit dieser Auffassung geht sie fehl. Eine Drohung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Es ist nicht erforderlich, dass die angekündigte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte (BAG vom 30.09.1993 – 2 AZR 268/93). Die Beklagte konnte und durfte zum damaligen Zeitpunkt eine Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen. Das Bundesarbeitsgericht erkennt mit seiner Rechtsprechung zur Fallgruppe der betriebsbedingten Kündigung wegen Betriebsstilllegung schon eine beabsichtigte Betriebs- oder Abteilungsstilllegung ausnahmsweise als ein dringendes betriebliches Erfordernis i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG an, wenn bei Ausspruch der Kündigung auf Grund einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Prognose davon auszugehen ist, dass zum Zeitpunkt des Kündigungstermins eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr besteht. Dabei muss die der entsprechenden Prognose zugrunde liegende Entscheidung bereits zum Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein und die Schließung des Betriebs oder der Betriebsabteilung aus Sicht der Arbeitsvertragsparteien zum Kündigungszeitpunkt bereits feststehen und greifbare Formen angenommen haben. Ist dies nicht der Fall, kann eine zum Wegfall des Arbeitsplatzes und zur fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit führende Prognose vor dem Ablauf der Kündigungsfrist nicht erfolgreich gestellt werden (BAG vom 12.04.2002 – 2 AZR 256/01, NZA 2002, 1205). Deswegen ist eine Kündigung wegen Betriebsschließung nicht sozial gerechtfertigt, solange der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss lediglich erwogen, aber noch nicht endgültig gefasst hat. ... Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten waren dafür die Voraussetzungen (noch) nicht gegeben. Es stand gerade noch nicht fest, ob es zu der angestrebten Verschmelzung kommen oder diese aufgrund außerhalb ihres Einwirkungskreises liegender Umstände scheitern würde. Demgemäß stand auch noch nicht endgültig fest, ob die Klägerin aufgrund eines Betriebsüberganges aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden würde oder die Beklagte Rechtsprechung Bestandsschutz wegen des Wegfalls der bei ihr angesiedelten Beschäftigungsmöglichkeiten Kündigungen würde aussprechen müssen. Der maßgebliche Beweggrund der Arbeitgeberin für den (verfrühten) Ausspruch von Kündigungen liegt vielmehr darin, dass Vorkehrungen für den Fall getroffen werden sollten, dass die parallel verfolgte (und im hiesigen Fall nach den Erklärungen der Beklagtenvertreter sogar präferierte) Variante der Verschmelzung scheitern sollte. Das begründet kein legitimes dringendes betriebliches Erfordernis. ... 3. Schließlich dringt die Beklagte auch nicht mit dem Einwand durch, es fehle an der erforderlichen Kausalität zwischen Drohung und Annahme der Angebote durch den Kläger. ... Ihre Auffassung meint sie mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 28.11.2007 (Az. 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348) untermauern zu können. Dabei versteht sie die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes jedoch gänzlich falsch. Das lässt schon ein Blick auf die Leitsätze der Entscheidung erkennen: ... Danach besteht zunächst kein Zweifel, dass allein die Einräumung einer Bedenkzeit nicht geeignet ist, die Kausalität zwischen der widerrechtlichen Drohung und dem Arbeitnehmerhandeln zu beseitigen. Es bedarf vielmehr des Hinzutretens weiterer Umstände. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes nicht entnehmen, dass ein solch besonderer Umstand schon darin liegt, dass der Arbeitnehmer die Bedenkzeit dazu genutzt hat, Rechtsrat einzuholen, oder er einen solchen auf Grund der Dauer der eingeräumten Bedenkzeit zumindest hätte einholen können. Nicht in dieser genutzten oder ungenutzten Möglichkeit sieht das Bundesarbeitsgericht den erforderlichen besonderen Umstand, sondern vielmehr darin, dass der Anfechtende die Bedenkzeit dazu genutzt hat, die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung durch aktives Verhandeln – z. B. neue eigene Angebote – erheblich zu seinen Gunsten zu beeinflussen. ■ Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 12.12.2008, 10 Sa 1100/08 eingereicht von Rechtsanwalt Rüdiger Matyssek, Düsseldorfer Straße 21, 40878 Ratingen, Tel.: 02102/7114012, Fax: 02102/7114047 [email protected] 144. Kündigungserklärung, Zurückweisung mangels Vollmachtsurkunde, Geschäftsführer mit Gesamtvertretungsbefugnis Aus dem Tatbestand: Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung der Beklagten. Der am 15.11.1954 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 13.10.1987 bei der Beklagten ... beschäftigt. ... Mit Schreiben vom 15.11.2007 ... Mit Schreiben vom 22.11.2007 ..., welches von einem Geschäftsführer sowie dem Personalleiter der Beklagten mit dem Zusatz „i.V.“ unterschrieben ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30.06.2008. Mit Schreiben vom 23.11.2007 ... wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Kündigungsschreiben wegen Fehlens einer Vollmacht gemäß § 174BGB zurück. Das Schreiben ist der Beklagten am 26.11.2007 zugegangen. Mit seiner am 26.11.2007 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Rechtswirksamkeit der ordentlichen Kündigung. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Kündigung bereits wegen Verstoßes nach § 174 BGB rechtsunwirksam sei. Der Kläger macht geltend, der Geschäftsführer, der das Kündigungsschreiben unterschrieben habe, sei nach dem Handelsregister nur gesamtvertretungsberechtigt und habe daher mit einem zweiten Geschäftsführer oder einem Prokuristen unterschreiben müssen. Da der Personalleiter X das Kündigungsschreiben nicht allein, sondern zusammen mit dem Geschäftsführer unterschrieben habe, bringe die Beklagte gerade zum Ausdruck, dass sie den Personalleiter nicht allgemein mit einer Vollmacht zum Ausspruch von Kündigungen versehen habe. Entsprechendes sei auch im Betrieb nicht bekannt gemacht worden. ... Die Beklagte macht geltend, wenn der Personalleiter die Befugnis habe, entsprechende Kündigungen allein zu unterschreiben, so könne die zusätzliche Unterschrift eines Geschäftsführers nicht dazu führen, dass der Personalleiter in seiner Befugnis beschränkt werde. Die Beklagte wende bei Kündigungsschreiben das 4-Augen-Prinzip an. Dies bedeute, dass neben dem zuständigen Personalleiter noch eine weitere Person unterschreiben solle. Dies könne auch die Personalleiterin für den Angestelltenbereich sein. In jedem Fall müsse jemand aus der Personalleitung unterschreiben. Im Fall des Ausspruchs von Kündigungen benötige der Geschäftsführer eine Unterschrift der Personalleitung. Es sei auf die Vertretungsbefugnis des Personalleiters abzustellen, der im Einzelfall entscheiden könne, ob er einen weiteren Geschäftsführer, einen Prokuristen, einen Handlungsbevollmächtigten oder die weitere Personalleiterin unterschreiben lasse. ... Aus den Entscheidungsgründen: Die zulässige Klage ist begründet. Die Kündigung der Beklagten vom 22.11.2007 ist unwirksam, weil mit dem Kündigungsschreiben eine Vollmachtsurkunde nicht vorgelegt worden ist und der Kläger diesen Mangel unverzüglich gerügt hat. Gemäß § 180 BGB ist bei einem einseitigen Rechtsgeschäft eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Eine nachträgliche Genehmigung wie bei Verträgen gemäß § 177 BGB wäre bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen, wie der Kündigung, nur möglich, wenn derjenige, welchem gegenüber das Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäftes nicht beanstandet hat. Beanstanden ist gleichbedeutend mit unverzüglichem Zurückweisen im Sinne des § 174 BGB (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB § 180 Rn 1) Gemäß § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das 02/09 121 Rechtsprechung Bestandsschutz ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Dieses ist vorliegend durch Bevollmächtigte vorgenommen worden. Bevollmächtigte sind diejenigen, die nicht als gesetzliche Vertreter, sondern aufgrund einer gemäß § 167 BGB erteilten Vollmacht handeln. Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die durch mehrere Geschäftsführer gesetzlich vertreten wird. (§ 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz). Auch nach dem Vortrag der Beklagten steht dem Geschäftsführer A keine Einzelvertretungsbefugnis zu, vielmehr kann er lediglich mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen handeln. Somit ist davon auszugehen, dass auch der Geschäftsführer A bei Unterzeichnung des Kündigungsschreibens nicht als allein vertretungsberechtigter gesetzlicher Vertreter, sondern allenfalls als rechtsgeschäftlich bevollmächtigter Vertreter gehandelt hat. Der Kläger hat den Mangel der Vollmacht unverzüglich gerügt. Dies ist durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2007, welches der Beklagten am 26.11.2007 zugegangen ist, geschehen. Die Erforderlichkeit der Vorlegung einer Vollmacht entfällt nicht dadurch, dass einer der Unterzeichner des Kündigungsschreibens eine Stellung bekleidet, mit der das Kündigungsrecht verbunden zu sein pflegt. Das Bundesarbeitsgericht hat die Entbehrlichkeit der Vorlegung einer Vollmacht insbesondere dann angenommen, „wenn ein gekündigter Arbeitnehmer Kenntnis davon hat, dass sein Erklärungsgegner die Stellung des Personalabteilungsleiters inne hat“ (BAG, Urteil vom 29.10.1992 – 2 AZR460/92, AP Nr. 10 zu § 174 BGB). Die in der Bestellung zum Personalleiter möglicherweise liegende Mitteilung an die Belegschaft, dass die betreffende Person zum Ausspruch von Kündigungen bevollmächtigt sei, war vorliegend jedenfalls nicht so offensichtlich, dass es der Beifügung einer Vollmacht nicht bedurft hätte. Denn jedenfalls hat der Personalleiter X von einer ihn zur Einzelvertretung ermächtigenden Vollmacht keinen Gebrauch gemacht, sondern jeweils nur als Zweitunterzeichner neben einem jeweils anderen Mitunterzeichner mit unterschrieben. Vertreten zwei Personen den Arbeitgeber nach außen gemeinsam, dann ist auf jede dieser Personen § 174 BGB anwendbar, ist der Arbeitnehmer bezüglich einer Person vom Vollmachtgeber nicht von dessen Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt worden, dann ist die Kündigung allein deswegen unwirksam, wenn eine Vollmacht nicht vorgelegt worden war und der Arbeitnehmer die Kündigung unverzüglich zurückgewiesen hat ( vgl. dazu LAG Berlin, Urteil vom 28.06.2006, – 15 Sa 632/06). Auch wenn die Beklagte betont, dass es sich um eine in- 122 02 / 09 terne Vorsichtsmaßnahme handele, wenn Kündigungsschreiben von jeweils zwei Personen unterschrieben würden, so bedeutet dies jedoch nichts anderes, als dass sie geregelt hat, dass beim Ausspruch von Kündigungen die Beklagte von jeweils zwei Personen gemeinsam vertreten wird. ■ Arbeitsgericht Gelsenkirchen vom 30.04.2008, 2 Ca 2415/07, rkr. eingereicht von Rechtsanwalt Joachim Sturm, Hansastraße 18 – 20, 46236 Bottrop, Tel.: 02041/22197, Fax: 02041/27405 [email protected]; www.sturm-tietze.de 145. Verhaltensbedingte (außerordentliche) Kündigung, Leistungsbereich, Verantwortung für nachgeordnete Mitarbeiter, Interessenabwägung Aus den Entscheidungsgründen: Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 13.03.2008 konnte das Arbeitsverhältnis nicht beenden, denn die Beklagte hatte hierzu keinen wichtigen Grund. ... 1. Die Beklagte legt dem Kläger leistungsbedingtes Fehlverhalten im Zusammenhang mit Durchhandelsgeschäften zur Last, die nicht von dem Kläger, sondern von dem ihm unterstellten Gruppenleiter S getätigt wurden und bei denen die erforderlichen Kreditlinien nicht vorgelegen haben und die auch nicht korrekt in das EDV-System eingegeben bzw. verschleiernd umgebucht sein sollen. Die Pflichtwidrigkeit des Klägers habe darin gelegen, bereits aufgrund von Telefonaten und E-Mails des Gruppenleiters S ab dem 06.12.2007 gewusst zu haben, dass erforderliche Linien (Kreditlinien) nicht vorgelegen haben, dies dann jedoch nicht zum Anlass genommen zu haben, seinem Vorgesetzten, dem Risiko-Controlling oder der Revision Mitteilung zu machen, sondern vielmehr seinen Gruppenleiter weiter gewähren ließ, was zu einem Schaden von inzwischen dreistelliger Millionenhöhe geführt habe. 2. Das von der Beklagten reklamierte pflichtwidrige Verhalten des Klägers vermag jedenfalls eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht zu rechtfertigen. Bei der Prüfung des wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB hat das Gericht zu Gunsten der Beklagten die behaupteten Pflichtwidrigkeiten des Klägers als wahr unterstellt. Dennoch ist der Beklagten zuzumuten, das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Das dem Kläger vorgeworfene pflichtwidrige, nachlässige Verhalten stellt nach Auffassung der Kammer schon keinen wichtigen Grund zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses dar. Zu bedenken ist, dass der Kläger von den hier streitigen Geschäften erst im Nachhinein erfuhr, die Beachtung zuvor einzuhaltender Kreditlinien also nicht mehr möglich war. Dass der Kläger seinerzeit seinem Gruppenleiter nicht derartige Geschäfte ohne vorherige Einholung entsprechender Kreditlinien untersagt und ferner nicht schon ab Mitte Dezember 2007 weitere Stellen über eventuell sich ergebende Risiken informiert hat, erscheint leichtfertig und ist pflichtwidrig. Es mag seine Erklärung darin finden, dass im Hinblick auf eine ange- Rechtsprechung Bestandsschutz dachte weitere Ausdehnung der Geschäfte der Auftraggeber letztlich auch im Interesse der Beklagten nicht „verschreckt“ werden sollte. Das mag den Kläger nicht rechtfertigen. Es nimmt seinem Verhalten jedoch den Teil der Schwere des Vorwurfs, der erforderlich ist, um eine fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen und eine Unzumutbarkeit des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist begründen zu können, zumal der Arbeitsvertrag eine Freistellung vorsieht. Für den Kläger streitet zudem seine gut zwanzigjährige unbeanstandete Betriebszugehörigkeit zur Beklagten, ferner dass er seiner Ehefrau und seinen drei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist. Das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat demgegenüber zurückzutreten. ■ Arbeitsgericht Hannover vom 17.12.2008, 2 Ca 151/08 Ö eingereicht von Rechtsanwalt Dr. Peter Schrader, Podbielskistraße 33, 30163 Hannover, Tel.: 0511/215556332, Fax: 0511/215556343 [email protected] 146. Verhaltensbedingte Kündigung, sexuelle Belästigung, Abmahnung, Verhältnismäßigkeit Nach dem in § 12 Abs. 3 AGG übernommenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat bei sexuellen Belästigungen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses – von Extremfällen abgesehen – regelmäßig eine Abmahnung vorauszugehen. Sind mehrere Maßnahmen geeignet und möglich, die Benachteiligung infolge sexueller Belästigung für eine Arbeitnehmerin abzustellen, so hat der Arbeitgeber diejenige zu wählen, die den Täter am wenigsten belastet. Dies gilt umso mehr, wenn in der Dienststelle eine Dienstvereinbarung gilt, die gestufte Gegenmaßnahmen des Arbeitgebers für den Fall sexueller Belästigungen vorsieht. ■ Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 25.11.2008, 1 Sa 547/08 147. Verhaltensbedingte (außerordentliche) Kündigung, Berufskraftfahrer, Alkoholverbot, „Wick MediNait“ Der – mindestens grob fahrlässige – Verstoß eines Berufskraftfahrers gegen das absolute Alkoholverbot bei Gefahrguttransporten ist auch ohne vorangegangene Abmahnung geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 19.03.2008, 7 Sa 1369/07 148. Verhaltensbedingte Kündigung, Arbeitsverweigerung, formwidrig beantragte Elternzeit; Voraussetzung des besonderen Kündigungsschutzes Aus den Entscheidungsgründen: Die zulässige Klage ist begründet. Die streitgegenständliche Kündigung ist unwirksam ... Es kann vorliegend zunächst dahingestellt bleiben, ob der Klägerin nach Ablauf der Schutzfrist des § 9 MuSchG ab diesem Zeitpunkt der Sonderkündigungsschutz nach § 18 BEEG auch ohne vorherige schriftliche Antragstellung zu Gute kommt. Selbst unterstellt der Klägerin stünde der Sonderkündigungsschutz nach § 18 BEEG nicht zu, würde die Nichterbringung der Arbeitsleistung nach Ablauf der achtwöchigen Schutzfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG im konkreten Fall nicht geeignet sein, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs 1 BGB darzustellen. 1. Eine beharrliche Arbeitsverweigerung ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Allerdings setzt sie in der Person des Arbeitnehmers im Willen eine Nachhaltigkeit voraus. Der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass der Arbeitnehmer eine Weisung unbeachtet lässt, sondern die beharrliche Arbeitsverweigerung setzt voraus, dass eine intensive Weigerung des Arbeitnehmers vorliegt. Der Kündigungszweck ist zukunftsbezogen ausgerichtet, weil mit der verhaltensbedingten Kündigung das Risiko weiterer Vertragsverletzungen ausgeschlossen werden soll. Entscheidend ist, ob eine Wiederholungsgefahr besteht oder ob das vergangene Ereignis sich auch künftig belastend auswirkt. 2. An dieser negativen Prognose fehlt es vorliegend. Soweit die Beklagte hierzu ausführt, dass die Klägerin trotz Arbeitsverpflichtung nicht erschienen sei, sondern geschwiegen habe, ist dies zwar in tatsächlicher Hinsicht zutreffend. In rechtlicher Hinsicht rechtfertigt dies aber nicht die negative Prognose, dass die Klägerin auch zukünftig weiterhin ihre Arbeitsleistung unberechtigt nicht erbringen werde und damit die Annahme einer beharrlichen Arbeitsverweigerung in Betracht kommt. Die Klägerin ist davon ausgegangen, dass durch sie rechtswirksam Elternzeit beantragt worden sei. Dies hat die Beklagte auch nicht in Abrede gestellt. Diese Auffassung mag zwar im Hinblick auf das Leistungsverweigerungsrecht eine rechtliche Fehleinschätzung gewesen sein. Aber zumindest folgt hieraus ohne weitere Anhaltspunkte, z.B. durch eine Weigerung auf eine entsprechende Arbeitsaufforderung oder eine Abmahnung, nicht die erforderliche negative Prognose für eine beharrliche Arbeitsverweigerung. Die Beklagte hat nach Ablauf der achtwöchigen Schutzfrist des § 6 MuSchG und dem anschließenden Fehlen der Klägerin nichts unternommen, um diese auf ihren Pflichtenverstoß aufmerksam zu machen. Es erfolgt für einen Zeitraum von über drei Monaten nicht einmal eine entsprechende Arbeitsaufforderung. Sie schwieg vielmehr ebenso, wie die Klägerin selbst. Es war daher im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung völlig offen, wie die Klägerin sich weiterhin in Kenntnis ihres Rechtsirrtums verhalten hätte. Möglich wäre z.B. die nunmehr formwirksame Beantragung der Elternzeit und eine Überbrückung der sieben Wochen Vorlaufzeit gewesen. ... ■ Arbeitsgericht Nürnberg vom 28.01.2009, 8 Ca 5071/08 02/09 123 Rechtsprechung Bestandsschutz eingereicht von Rechtsanwalt Bertram Bauer, Reitbahn 3, 91522 Ansbach, Tel.: 0981/9712700, Fax: 0981/97127030 [email protected]; www.rae-pbw.de 149. Verhaltensbedingte Kündigung, Schlechtleistung, Abmahnung, Verhältnismäßigkeit 1. Auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistungen sind nach vorheriger Abmahnung geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. 2. Der Arbeitgeber kann frei darüber entscheiden, ob er ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers abmahnen will oder nicht. Allerdings hat er den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Danach ist die Ausübung eines Rechts unzulässig, wenn sie der Gegenseite unverhältnismäßig große Nachteile zufügt und andere, weniger schwerwiegende Maßnahmen möglich gewesen wären, die den Interessen des Berechtigten ebenso gut Rechnung getragen hätten oder ihm zumindest zumutbar gewesen wären. 3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann nur in eng begrenzten Fällen zu der Unwirksamkeit einer Abmahnung führen. Maßgeblich ist, ob sich der Arbeitnehmer pflichtwidrig verhalten hat oder nicht. Eine Abmahnung ist nicht schon deswegen unzulässig, weil der Arbeitgeber über den erhobenen Vorwurf auch hinwegsehen könnte. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 25.04.2008, 11 Sa 74/08 150. Personenbedingte (außerordentliche) Kündigung, Schwerbehinderung, Vorrang behinderungsgerechter Beschäftigung Auch wenn die schwerbehinderte Arbeitnehmerin ihre vertraglich geschuldete Tätigkeit (hier: Kinderpflegerin) nicht mehr ausüben kann, rechtfertigt dies keine personenbedingte Kündigung, wenn der Arbeitgeber ihr eine behinderungsgerechte Beschäftigung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX anbieten kann. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 19.06.2008, 13 Sa 1540/07 151. Krankheitsbedingte Kündigung, betriebliches Eingliederungsmanagement, Beweislast 1. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt worden ist, liegt beim Arbeitgeber. Daher muss der Arbeitgeber den Zugang eines Schreibens, mit dem der Arbeitnehmer zu einem Wiedereingliederungsgespräch eingeladen worden ist, beweisen. 2. Besteht die Möglichkeit, dass der Umfang häufiger Kurzerkrankungen durch ein erfolgreiches Eingliederungsmanagement zurückgeht, ist eine ohne ein betriebliches Eingliederungsmanagement ausgesprochene personenbedingte Kündigung rechtsunwirksam. 124 02 / 09 Landesarbeitsgericht Köln vom 08.09.2008, 5 Sa 618/08 ■ 152. Verhaltensbedingte (außerordentliche) Kündigung, Nutzung eines Firmen-LKW zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit, Verdachts-/Tatkündigung 1. Eine als Verdachtskündigung ausgesprochene Kündigung kann auch als Tatkündigung Bestand haben (Anschluss an BAG vom 6.12.2001 – 2 AZR 496/00, NZA 2002, 847). 2. Beabsichtigt der Arbeitnehmer, während der von ihm angegebenen Arbeitszeit in erheblichem Umfang einen FirmenLkw zur Durchführung von privaten Möbeltransporten über erhebliche Entfernungen und unter Nutzung des vom Arbeitgeber gestellten Treibstoffs zu verwenden, kann dies eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 10.03.2008, 14 Sa 1356/07 153. Verhaltensbedingte (außerordentliche) Kündigung, Gleitzeitmanipulation, Arbeitszeitbetrug, Darlegungslast des Arbeitgebers auch zu entlastenden Umständen, Anhörung des Personalrats Aus den Entscheidungsgründen: Die Klage ist begründet. Die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB liegen nicht vor. 1. Das beklagte Land beruft sich auf eine Tatkündigung wegen erwiesener Gleitzeitmanipulationen des Klägers. ... Manipulationen bei der Arbeitszeiterfassung sind an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen. Nach der Rechtsprechung des BAG können Gleitzeitmanipulationen wie etwa der Stempeluhrmissbrauch eine ordentliche und je nach den Umständen außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an (BAG vom 24.11.2005 – 2 AZR 39/05; BAG vom 12.08.1999 – 2 AZR 832/98). 2. Nach Auffassung der Kammer hat das beklagte Land einen Missbrauch des Klägers in Bezug auf das für seinen häuslichen Arbeitsplatz eingerichtete Buchungssystem nicht nachgewiesen. a) Dies gilt zunächst für die Vorwürfe betreffend den 22. und 23.07.2008. Nach Auffassung der Kammer ist für diese Tage nicht ausgeschlossen, dass der Kläger zu den Zeiten, die sich aus den Zeiterfassungsausdrucken ergeben, tatsächlich im Büro war und sich dort angemeldet hat. Für den Ausspruch einer Tatkündigung ist erforderlich, dass die vorgeworfene Tat erwiesen ist. Aufgabe des darlegungspflichtigen Arbeitgebers in diesem Zusammenhang ist es, alternative Möglichkeiten auszuräumen. Wie das beklagte Land klargestellt hat, ist es durch die Einrichtung des häuslichen Zelterfassungssystems auch möglich geworden, dass sich der Kläger an seinem Rechtsprechung Bestandsschutz Dienst-PC und nicht am Zeiterfassungsterminal des Dienstgebäudes anmeldet. Rein technisch ist es daher möglich, dass der Kläger, wie von ihm behauptet, zu den erfassten Zeiten bereits im Büro war und sich dort über den Dienst-PC angemeldet hat. Die Regelungen der einschlägigen Betriebsvereinbarung verbieten ein solches Vorgehen nicht. Nach § 11 der „Dienstvereinbarung Nr. 3 Arbeitszeitflexibilisierung“ hat sich der Mitarbeiter persönlich anzumelden. Dies mag auf das Zeiterfassungsterminal im dritten Stock zugeschnitten sein, untersagt jedoch nicht ein Anmelden über den Dienst-PC. Der Umstand, dass der Kläger entgegen seiner sonstigen Gewohnheit und entgegen der vereinbarten Präsenzzeit ab 08:30 Uhr bereits vor 08:00 Uhr morgens im Büro gewesen sein will, widerlegt die Version des Klägers nicht. Erst recht belegt dieser Umstand nicht, dass sich der Kläger tatsächlich bereits zu Hause angemeldet und dann erst ins Büro gefahren ist. Bloße Vermutungen und Ungewöhnlichkeiten reichen zum Beleg einer Pflichtverletzung nicht aus. Auch die Tatsache, dass als erster Zutritt laut Erfassungssystem an den Tagen 22.07. und 23.07.2008 eine Zeit 09:02 Uhr bzw. 09:01 Uhr vermerkt ist, belegt nicht, dass der Kläger das Bürogebäude erst zu diesem Zeitpunkt betreten hat. Dem beklagten Land ist zuzugeben, dass aufgrund des Erfordernisses, das Gebäude mit Hilfe eines Chips zu betreten, einiges dafür spricht, dass der Kläger das Gebäude erst kurz nach 09:00 Uhr und nicht bereits vor 08:00 Uhr betreten hat. Wie der Kläger – insoweit unbestritten – angeführt hat, ist es jedoch durchaus möglich, das Dienstgebäude auch ohne Erfassung durch das Zutrittssystem zu betreten, etwa wenn das Gebäude gemeinsam mit Kollegen betreten wird und diese ihren eigenen Chip einsetzen. Auch wenn das beklagte Land von einer nur „theoretischen Möglichkeit“ spricht, bleibt ein denkbarer alternativer Sachverhalt, der vom darlegungs- und beweispflichtigen Arbeitgeber nicht ausgeräumt wurde. ... b) Auch die Unregelmäßigkeiten der Tage 26.-28.08.2008 belegen eine Gleitzeitmanipulation des Klägers nicht. Voraussetzung für den Nachweis einer Gleitzeitmanipulation ist, dass die Erbringung von Arbeitsleistung im streitigen Zeltraum ausgeschlossen ist. Nach Auffassung der Kammer ist dem Kläger nicht zweifelsfrei zu widerlegen, dass er am 26., 27. und 28.08.2008 vor Betreten des Dienstgebäudes als Arbeitszeit anzuerkennende Dienstreisen durchgeführt hat. Zwar scheint es auch nach den Angaben des Klägers keine zwingenden Gründe gegeben zu haben, just an diesen drei Tagen die Haltepunkte in Essen und Ratingen anzufahren. Auch ist nach dem wechselseitigen Vortrag der Parteien die Zuständigkeit für die einzelnen Fördervorhaben nicht ganz geklärt. Es ist dem Kläger jedoch nicht zu widerlegen, dass er unter den gegebenen Umständen nach entsprechender Prüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, bei dem Anfahren der einzelnen Haltepunkte handele es sich um eine dienstlich veranlasste oder jedenfalls im dienstlichen Interesse liegende Maßnahme, die seiner Aufgabenbeschreibung zuzuordnen und daher als Arbeitsleistung anzuerkennen ist. Das beklagte Land hat ledig- lich angeführt, es sei bei der Bearbeitung von Fördervorhaben „üblich“, nur nach dem Vier-Augen-Prinzip den Stand der Baumaßnahme vor Ort zu überprüfen. Ein Verbot, dies auch zu anderen Zeiten, etwa während des Laufs der Zweckbindungsfrist, alleine zu tun, hat es nicht behauptet. ... Dass der Kläger die angeblichen Dienstgeschäfte weder im Outlook-Kalender vermerkt noch mit Kollegen abgesprochen oder in die Förderakten eingetragen hat, ist eine weitere Unregelmäßigkeit, die zwar weiteres Indiz sein kann, aber ebenfalls nicht belegt, dass der Kläger die Dienstreisen nicht unternommen hat. ... c) Auf die häufigen Widersprüche des Klägers bei der Konfrontation mit den Unregelmäßigkeiten im Gespräch vom 02.09.2008 sowie im Vergleich zu seinen Ausführungen im Prozess kann sich das beklagte Land insgesamt nicht stützen. Zwar ist dem beklagten Land zuzugeben, dass der Kläger widersprüchliche Angaben gemacht hat. Auch ein Vergleich das Dienstreiseabrechnungsantrages vom 02.09.2008 mit den Angaben aus dem Gespräch vom 02.09.2008 zeigt Widersprüche auf. So will der Kläger zuerst an zwei Tagen mit dem Auto gefahren und u.a. einen Haltepunkt in Essen-Werden angefahren haben. Im Dienstreiseantrag sind jedoch nur noch ein Dienstgang mit dem Dienst-PKW und der Haltepunkt Essen-Borbeck angegeben. Auch sind Widersprüche zwischen den Zutrittszeiten ausweislich der Zeiterfassungsausdrucke und den Zeitangaben auf dem Abrechnungsantrag erkennbar. Dem beklagten Land ist ebenfalls zuzugeben, dass der Kläger die Haltepunkte Ratingen-Hösel und Essen-Süd mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln nach den vorgelegten Fahrplanauskünften zeitlich gar nicht angefahren haben kann. Auf alle diese Widersprüche kann das beklagte Land seine Kündigung aber bereits deshalb nicht stützen, weil hierzu der Personalrat nicht in ausreichend konkreter Weise angehört wurde. Denn in der Personalratsanhörung ist lediglich pauschal ein Hinweis auf den Dienstreiseantrag und auf angebliche Widersprüchlichkeiten enthalten. Mit der Anforderung, dass sich der Personalrat/Betriebsrat mit den Angaben des Arbeitgebers ein eigenes Bild zu den Kündigungsgründen machen können muss, sind diese pauschalen Angaben nicht zu vereinbaren. Nach Auffassung der Kammer ist dem Kläger ebenfalls nicht zu widerlegen, dass er entsprechend seiner Angabe im Termin zur mündlichen Verhandlung tatsächlich alle drei Haltepunkte mit dem eigenen PKW angefahren hat. Nach den Klarstellungen des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung will er den PKW im Abrechnungsantrag deshalb nicht aufgeführt haben, weil ohnehin ein dienstlicher Anlass zur Nutzung des privaten PKW nicht gegeben war. ... Zuletzt stellen auch die Widersprüche innerhalb des Gesprächs am 02.09.200B nach Auffassung der Kammer allenfalls ein Indiz, nicht jedoch einen Beleg für die Gleitzeitmanipulationen des Klägers dar. Zwar hat der Kläger am 02.09.2008 erst nach mehrmaligem Nachfragen zugegeben, am 26., 27. und 28.08.200S nicht bereits frühmorgens im Büro gewesen zu sein, sondern sich zu Hause eingestempelt und dann Dienstgänge verrichtet zu haben. Die Kammer 02/09 125 Rechtsprechung Bestandsschutz meint auch nicht, dass diese Widersprüchlichkeiten als bloße „Denkblockade“ heruntergespielt werden können. Gleichwohl ist die Kammer der Auffassung, dass diese Unstimmigkeiten und der Verlauf des Gesprächs am 02.09.2008 keinen tauglichen Nachweis des darlegungsbelasteten beklagten Landes für einen vorsätzlichen Gleitzeitbetrug darstellen. ... ■ Arbeitsgericht Düsseldorf vom 16.12.2008, 10 Ca 5702/08 eingereicht von Rechtsanwalt Rüdiger Matyssek, Düsseldorfer Straße 21, 40878 Ratingen, Tel.: 02102/7114012, Fax: 02102/7114047 [email protected] Anmerkung: Das Urteil ist rechtskräftig. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts verdeutlichen die besondere Notwendigkeit einer vorsorglichen Verdachtskündigung in zweifelhaften Fällen. (OB) 154. Verdachtskündigung, Sachverhaltsaufklärung vor Kündigungsausspruch, Berücksichtigung nachträglich bekannt gewordener Umstände 1. Spricht ein Arbeitgeber eine fristlose, hilfsweise fristgemäße Verdachtskündigung aus, ohne alles Erforderliche zur Aufklärung des Sachverhaltes getan zu haben, kann er die notwendige Aufklärung nicht mehr im Kündigungsschutzprozess nachholen und in den Prozess einführen, nachdem in der Güteverhandlung auf die mangelnde Aufklärung hingewiesen wurde. Die vollständige Aufklärung des Sachverhalts ist Wirksamkeitsvoraussetzung. Es bleibt die Möglichkeit des Ausspruchs einer neuer fristgemäßen Verdachtskündigung. 2. Die Wirksamkeit der Verdachtskündigung kann – entgegen BAG (Urteil vom 28.11.2007 – 5 AZR 952/06) – nicht von später bekannt gewordenen oder eingetretenen be- oder entlastenden Umständen abhängen. Die entgegenstehende Auffassung bedeutet einen Bruch mit der Zivilrechtsdogmatik, da die Wirksamkeit der Kündigung als Gestaltungsrecht von Umständen abhängig gemacht wird, die, wenn auch subjektiv, nach dem Ausspruch der Kündigung eintreten. ■ Landesarbeitsgericht Bremen vom 01.08.2008, 4 Sa 53/08 (rkr.) 155. Außerordentliche Kündigung, Ermittlungen des Arbeitgebers, Kündigungserklärungsfrist 1. Der Beginn der Ausschlussfrist nach § 626 Abs. 2 BGB wird nicht durch weitere Ermittlungen des Arbeitgebers zur Aufklärung einer dem zu kündigenden Arbeitnehmer vorgeworfenen Straftat hinausgeschoben, wenn von vorneherein damit zu rechnen ist, dass sie keine zusätzlichen Erkenntnisse bringen. 2. Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer nach seiner telefonischen Anhörung angeregt hatte, sich noch einmal im Betrieb zusammenzusetzen, führt nicht dazu, dass er rechts- 126 02 / 09 missbräuchlich handelt, wenn er sich auf die Nichteinhaltung der Frist nach § 626 Abs. 2 BGB beruft. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 10.08.2008, 9 Sa 480/08 156. Änderungskündigung, Einhaltung der Kündigungsfrist, keine Umdeutung, keine Auslegung des Änderungsangebots Aus den Entscheidungsgründen: Die von der Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung ist nicht sozial gerechtfertigt. Eine Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn die Änderung des bisherigen Arbeitsvertrages unvermeidbar ist und die neuen Bedingungen für den Arbeitnehmer annehmbar sind. Es ist zu prüfen, ob die Änderung des Arbeitsvertrages unabweisbar geworden ist, und ob die vorgesehenen Änderungen dem Gekündigten zumutbar sind. ... 1. Das Angebot der Beklagten, der Kläger solle vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu erheblichen schlechteren Bedingungen weiterarbeiten, ist sozial ungerechtfertigt. Da die Kündigung erst am 01.03.2008 zugegangen ist, wurde die ordentliche Kündigungsfrist nicht eingehalten. Eine ordentliche Kündigung wirkt erst zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Daran hat sich auch das Änderungsangebot des Arbeitgebers bei einer ordentlichen Änderungskündigung zu orientieren. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet auf einen Teil der ihm zustehenden Kündigungsfrist zu verzichten und vorzeitig in eine Vertragsänderung mit schlechteren Arbeitsbedingungen einzuwilligen (vgl. BAG v. 21.04.2005 – 2 AZR 244/04). Das Änderungsangebot sieht vor, dass der Kläger eine erhebliche Gehaltsminderung hinnehmen muss. ... Diese Lohnabsenkung wirkt zu einem Zeitpunkt, an dem die Frist der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht abgelaufen ist. 2. Die Kammer ist auch der Auffassung, dass eine Auslegung des Änderungsangebotes nicht möglich ist, denn insoweit ist die Rechtslage bei einer Änderungskündigung nicht vergleichbar mit einer Beendigungskündigung. Es ist zutreffend, dass bei einer ordentlichen Beendigungskündigung in aller Regel die Auslegung so erfolgt, dass sie das Arbeitsverhältnis zum zutreffenden Termin beenden soll. Mit einer solchen Auslegung wird dem arbeitgeberseitigen Willen Rechnung getragen, das Arbeitsverhältnis jedenfalls mit Ablauf der einschlägigen Kündigungsfrist zu beenden. Bei einem vorfristigen Änderungsangebot kann nicht von dem mutmaßlichen Willen des Arbeitgebers ausgegangen werden, die neuen Arbeitsbedingungen vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist gelten zu lassen (vgl. BAG v.21.09.2006 – 2 AZR 220/06). Der Arbeitnehmer kann von seiner Sicht aus nicht beurteilen, ob nicht schon das Änderungsangebot des Arbeitgebers damit stehen und fallen soll, dass die neuen Arbeitsbedingungen schon zu dem in dem Kündigungsschreiben genannten Termin gelten. Das Interesse des Arbeitnehmers, der bei einer Änderungs- Rechtsprechung Bestandsschutz kündigung sich innerhalb einer kurzen Zeit entscheiden muss, ob er die neuen Arbeitsbedingungen annimmt oder ablehnt, erfordert eine enge Auslegung des Änderungsangebotes des Arbeitgebers. Es ist schon aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich, das zweifelsfrei klargestellt ist, zu welchen neuen Arbeitsbedingungen das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Arbeitgebers fortbestehen soll. Aus diesen Gründen ist die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt. ■ Arbeitsgericht Mönchengladbach vom 21.10.2008, 1 Ca 833/08 eingereicht von Rechtsanwältin Silke Ruttkamp, Im Mediapark 6, 50670 Köln, Tel.: 0221/3550510, Fax: 0221/35505135 [email protected]; www.rpo-rechtsanwaelte.de 157. Kündigungsfrist, Altersdiskriminierung, Betriebszugehörigkeit vor Vollendung des 25. Lebensjahres, kein Vertrauensschutz Aus den Entscheidungsgründen: Die Berufung hat in der Sache Erfolg. 1. Die Kündigung vom 17.10.2006 vermochte das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Berücksichtigung der tariflichen Kündigungsfrist nach § 15 Abs. 2 MTV-EH, der jedenfalls kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, erst zum 31.05.2007 zu beenden. Danach beträgt die Kündigungsfrist 7 Monate, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als 15 Jahre bestanden hat. Für die Berechnung der Beschäftigungsdauer waren unabhängig von dem Lebensalter der Klägerin sämtliche Zeiten seit Beginn des Arbeitsverhältnisses anzurechnen. Die Einschränkung in § 15 Abs. 2 Satz 4 MTV-EH, der die Nichtberücksichtigung von Zeiten vor der Vollendung des 25. Lebensjahres vorsieht, ist – ebenso wie der gleichlautende § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB – wegen Verstoßes gegen den europarechtlichen Gleichheitssatz nicht anzuwenden. 2. a) Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung, wie er auch in der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABI. EG 2000 L 303 S. 16) ausgeformt ist, ist die unmittelbare und mittelbare Diskriminierung u.a. wegen des Alters verboten. Dabei bezieht sich der Begriff „Alter“ auf das Lebensalter. Das Gleichbehandlungsgebot verbietet mithin nicht nur eine Ungleichbehandlung wegen hohen Alters, sondern jede Anknüpfung an das Alter, sofern sie nicht durch eine Rechtfertigung ausnahmsweise gestattet ist (Annuß, BB 2006, 325). § 15 Abs. 2 Satz 4 MTV-EH regelt seinerseits, dass für die Bestimmung der jeweils maßgeblichen tariflichen Kündigungsfristen nur solche Betriebszugehörigkeitszeiten berücksichtigt werden, die ab Vollendung des 25. Lebensjahres zurückgelegt worden sind. Mit dieser Vorschrift erfahren jüngere Arbeitnehmer allein aufgrund ihres Lebensalters eine weniger günstige Behandlung als ältere Arbeitnehmer. ... Es liegt damit eine Ungleichbehandlung in mehreren Konstellationen vor, die an das Alter anknüpft und die sich im Übrigen als bereits unmittelbare Diskriminierung darstellt. b) Ein Rechtfertigungsgrund für diese Ungleichbehandlung liegt nicht vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Primärrecht und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 78/2000/EG, auf die als primärrechtskonforme Regelung zur Auslegung zurückgegriffen werden kann, eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulassen, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Sinn und Zweck verlängerter Kündigungsfristen ist es, die berufliche Existenz der vom Arbeitsplatzverlust betroffenen, länger beschäftigten, in der Regel älteren Arbeitnehmer sichern zu wollen: Die Anpassung an eine veränderte berufliche Situation, die Suche nach einer anderen Arbeitsstelle und der möglichst nahtlose Übergang in eine neue Beschäftigung soll mit den längeren Kündigungsfristen erleichtert werden (vgl. BVerfG v.16.11.1982 – 1 BvL 16/75, BVerfGE 62, 256). Ein solches Ziel kann es jedoch nicht rechtfertigen, die von den Arbeitnehmern in jüngeren Jahren erdienten Betriebszugehörigkeitszeiten nicht in Betracht zu ziehen (Annuß, BB 2006, 325; Wolff, FA 2006, 260). Denn wenn es Ziel ist, den älteren Arbeitnehmern eine längere Kündigungsfrist zu gewähren, wird dieses Ziel durch die Altersgrenze nicht erreicht. Jedenfalls für diejenigen (älteren) Arbeitnehmer, die ihre Betriebszugehörigkeit vor dem 25. Lebensjahr begonnen haben, bleiben diese Zeiten für ihre Kündigungsfristen außer Betracht. Für sie gilt im Ergebnis dieselbe Kündigungsfrist, wie für gleichaltrige Arbeitnehmer, die ihre Beschäftigung erst mit vollendetem 25. Lebensjahr begonnen haben. c) Ein besonderer, die Ungleichbehandlung rechtfertigender Schutz älterer Arbeitnehmer liegt auch nicht darin, dass der Arbeitgeber bei anstehenden betriebsbedingten Kündigungen seine Auswahlentscheidung an der Dauer der Kündigungsfrist ausrichten könnte. Einem solchen Auswahlkriterium stünden die gesetzlichen Regelungen zur Sozialauswahl entgegen. Insofern erschöpft sich der Zweck der tariflichen Regelung, ebenso wie bei § 622 Abs. 2 BGB darin, jüngeren Arbeitnehmern den Vorteil der verlängerten Kündigungsfristen vorzuenthalten. Das ist jedoch kein legitimes Ziel aus den Bereichen der Beschäftigungspolitik oder des Arbeitsmarktes. d) Soweit für die Regelung ins Feld geführt wird, sie könne die Einstellung jüngerer Arbeitnehmer erleichtern, weil der Arbeitgeber bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses an kürzere Kündigungsfristen gebunden wäre und sie diene damit der beruflichen Eingliederung von Jugendlichen (so Tavakoli/Westhauser, DB 2008, 702), stellte dies indes eine indirekte Diskriminierung älterer Arbeitnehmer dar, denen bei einer Bewerbung um einen Arbeitsplatz dieser „Vorteil“ abginge. Dass diese aber von Arbeitslosigkeit weniger betroffen wären, lässt sich nicht unterstellen. Die Regelung in § 15 Abs. 3 TzBfG wäre sonst überflüssig gewesen. Im Übrigen ist die Zeitspanne sehr lang gefasst, während derer kein erweiterter Kündigungsschutz erworben werden kann, so dass der Zusammenhang 02/09 127 Rechtsprechung Bestandsschutz zum jugendlichen Alter des Arbeitnehmers verloren geht (Kamanabrou, RdA 2007, 207). e) Auch bei einer Gesamtbetrachtung der tariflichen Regelungen (so zu § 622 BGB Tavakoli/Westhauser, DB 2008, 702) lässt sich ein ausreichender Rechtfertigungsgrund nicht erkennen. Die Altersgrenze trifft nämlich junge Menschen ungleich. Jene Gruppe, die ohne oder nach nur kurzer Berufsausbildung früh eine Arbeitstätigkeit aufnimmt, ist härter betroffen als die andere Gruppe, die nach langer Ausbildung erst später in den Beruf eintritt (vgl. hierzu auch LAG Schleswig-Holstein v. 28.05.2008 – 3 Sa 31/08). Insofern ist mit der überwiegenden Meinung (zu der gleichlautenden Vorschrift in § 622 Abs. 2 BGB) davon auszugehen, dass § 15 Abs. 2 Satz 4 MTV-EH eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters enthält (vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 28.05.2008 – 3 Sa 31/08; ErfK-MüllerGlöge, 7. Aufl. 2007, § 622 BGB Rz 2; APS, 3. Aufl. 2007, Rz 54a; Schleusener, NZA 2007, 358; Wendeling-Schröder, NZA 2007, 139; Kamanabrou, RdA 2007, 207; Preis, NZA 2006, 401, 406; Annuß, BB 2006, 325; Wolff, FA 2006, 260; Waltermann, NZA 2005, 1265; Löwisch, FS für Schwerdtner 2003, 769; a.A. Tavakoli/Westhauser, DB 2008, 702; Müller-Thele/Neu, MDR 2008, 537) 3. Verstößt die tarifliche Regelung in § 15 Abs. 2 Satz 4 MTVEH mithin gegen das europarechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, so ist die Vorschrift nicht anzuwenden. Dies ergibt sich aus der Einordnung des europarechtlichen Verbots der Diskriminierung wegen des Alters als einen allgemeinen Grundsatz des Europarechts. Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob § 7 Abs. 2 AGG, der Bestimmungen in Vereinbarungen für unwirksam erklärt, die gegen das im AGG geregelte Benachteiligungsverbot verstoßen, auch auf solche tarifvertragliche Vorschriften anzuwenden ist, die Bestimmungen des Kündigungsrechts betreffen (so Löwisch, BB 2006, 2189; Schleusener, NZA 2007, 358; Meinel/Heyn/Herms, AGG, § 10 Rz 30) oder ob § 2 Abs. 4 AGG das Kündigungsrecht allgemein und damit auch tarifliche Kündigungsregelungen aus seinem Geltungsbereich ausnimmt, wobei für letzteres die Stellung des § 4 Abs. 2 AGG im „Allgemeinen Teil“ des AGG sprechen würde, konnte dahinstehen. Ist eine Norm des nationalen Rechts mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar, führt dies nicht zu ihrer Nichtigkeit, sondern zu ihrer Unanwendbarkeit (BAG v. 18.02.2003 – 1 ABR 2/02, BAGE 105, 32). a) Sämtliches Gemeinschaftsrecht, sowohl Primär- als auch Sekundärrecht, beansprucht Vorrang vor dem nationalen Recht. Dieser Anwendungsvorrang beruht auf dem Rechtsanwendungsbefehl des Zustimmungsgesetzes zum EG-Vertrag und ist durch Art. 23 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich legitimiert (BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83 „Solange II“). Der Vorrang besteht nicht nur gegenüber staatlich gesetztem Recht, sondern auch gegenüber Tarifnormen (BAG v. 18.02.2003 – 1 ABR 2/02 – BAGE 105, 32; EuGH v. 7.2.1991 – C-184/89 „Nirnz“). Er führt dazu, dass ein nationales Gericht entgegenstehendes nationales Recht ohne weiteres außer Anwendung lassen muss. Es bedarf dazu nicht einer vorherigen Beseitigung der 128 02 / 09 gemeinschaftsrechtswidrigen Vorschrift durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in einem gerichtlichen Verfahren (EuGH v. 07.02.1991 – C-184/89 „Nirnz“; ErfK-Wissmann, 8. Aufl. 2008 – Vorbem. zum EG Rz 30). Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip im Hinblick auf die Nichtanwendung nationaler Normen durch die Gerichte liegt darin nicht, da dies auf dem Anwendungsvorrang beruht, der seinerseits verfassungsrechtlich legitimiert ist. b) Der Anwendungsvorrang setzt allerdings eine unmittelbare Geltung und Wirkung des Gemeinschaftsrechts voraus. Dabei sind im Arbeitsrecht nur solche Normen des Gemeinschaftsrechts unmittelbar anwendbar, die Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder zwischen ihnen und staatlichen Stellen begründen können (BAG vom 18.02.2003 – 1 ABR 2/02). Dies wird für Richtlinien jedenfalls im hier maßgeblichen Verhältnis zwischen privaten Arbeitsvertragsparteien verneint. Etwas anderes gilt jedoch für das primäre Gemeinschaftsrecht. Dieses bedarf keiner Umsetzung durch die Richtlinie und kann Ansprüche zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber begründen wie z.B. die Verbote der Diskriminierung, die sich zum einen unmittelbar aus dem EG-Vertrag ergeben (Art. 39 EG, Art. 141 EG) aber auch als ungeschriebene allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts bestehen können (vgl. dazu ErfK-Wissmann, a.a.O Rz 8). Solchem primären Gemeinschaftsrecht kommt – innerhalb der verfassungsrechtlichen Ermächtigung nach Art. 23 GG – Anwendungsvorrang vor entgegenstehendem – früherem oder späterem – innerstaatlichen Recht zu (Kreft, RdA 2006 Sonderbeilage Heft 6, 38). c) Auch dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters kommt vorliegend eine solcher Anwendungsvorrang zu, mit der Folge, dass die entgegenstehende tarifliche Altersgrenze von 25 Jahren in § 15 Abs. 2 Satz 4 MTV-EH nicht angewendet werden kann. Mit der Rechtssprechung des EuGH (Urteil vom 22.11.2005 – C-144/04 „Mangold“, NZA 2005, 1345) und des BAG (Urteil vom 26.04.2006 – 7 AZR 500/04, AP Nr. 23 zu § 14 TzBfG) ist davon auszugehen, dass das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen ist. ... d) Mit der Zuordnung des Verbots der Altersdiskriminierung zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts hat der Europäische Gerichtshof nicht die ihm übertragenen Kompetenzen überschritten (BAG vom 26.04.2006 – 7 AZR 500/04 – a.a.O). ... Mithin ist die Rechtsprechung des EuGH zu dem primärrechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung auch für die Frage der Anwendbarkeit der tariflichen Altersgrenze bei der Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten für die Berechnung der Kündigungsfristen verbindlich. f) Aus diesen Gründen folgt, dass im vorliegenden Fall die tarifvertragliche Vorschrift zur Altersgrenze nicht anwendbar ist. Die vorrangig zu prüfende Möglichkeit einer europarechtskonformen Auslegung schied aufgrund des eindeutigen Wortlautes aus. Die Nichtanwendung der tariflichen Regelungen hat zur Folge, dass bei der Berechnung der Rechtsprechung Bestandsschutz Kündigungsfrist Betriebszugehörigkeitszeiten der Klägerin vor dem 25. Lebensjahr anzurechnen sind. 4. Grundsätze des Vertrauensschutzes stehen der Nichtanwendung der Regelung zur Kappung der Betriebszugehörigkeitsjahre bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob es Vertrauensschutz für Diskriminierungshandlungen überhaupt geben kann. Denn dies würde bedeuten, dass der Diskriminierungstatbestand zu Lasten des sich gerade wehrenden Diskriminierten perpetuiert würde. Jedenfalls aber konnte die Beklagte bei Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung nicht in schutzwürdiger Weise auf die Vereinbarkeit der tariflichen Norm mit Europarecht vertrauen. Allein die Existenz einer tariflichen Regelung und einer gleichlautenden gesetzlichen Regelung begründet für sich genommen noch nicht ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten, das die Anwendung der diskriminierenden Regelung im vorliegenden Prozess rechtfertigen könnte. Die Wirksamkeit tariflicher Regelungen ist Gegenstand zahlreicher arbeitsgerichtlicher Verfahren, in denen deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht auf dem Prüfstand steht. Auch § 7 Abs. 2 AGG führt zu einer (rückwirkenden) Unwirksamkeit gleichheitswidriger tariflicher Vorschriften. Die maßgebliche und in ihrer Bedeutung umfassend diskutierte Entscheidung des EuGH (Mangold) ist weit vor Ausspruch der hier streitgegenständlichen Kündigung vom 17.10.2006 ergangen. Die Auswirkungen dieser Entscheidungen und die Vereinbarkeit der gleichlautenden gesetzlichen Vorschrift in § 622 Abs. 2 Satz 2 BGG wurde umfassend diskutiert. Die gesetzliche Regelung wurde damals in der Literatur einhellig als nicht europarechtskonform angesehen (vgl. Waltermann, NZA 2005, 1265; Preis, NZA 2006, 401; Annuß, BB 2006, 325; Wolff, FA 2006, 260). Auch die Klägerin hat bereits unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Beklagten gegenüber die Unwirksamkeit der Kündigungsfristen geltend gemacht. Schon von daher konnte ein schutzwürdiges Vertrauen nicht begründet werden. ■ Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 26.08.2008, 7 Sa 252/08 eingereicht von Rechtsanwalt Dr. Gisbert Seidemann, Budapester Straße 40, 10787 Berlin, Tel.: 030/2545910, Fax: 030/25459166 [email protected]; www.advocati.de Anmerkung: Zur Anwendbarkeit von § 622 BGB vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 31.07.2008 – 10 Sa 295/08. (OB) 158. Befristung, mittelbare Vertretung, gedankliche Zuordnung zur Vertretungsaufgabe, Anforderung an die Prognose zur Rückkehr des Vertretenen, Kettenbefristung Aus den Entscheidungsgründen: Die Befristung ist nicht durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt. a) Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (vgl. Urteil vom 18. April 2007 – 7 AZR 255/06), der sich die Berufungskammer anschließt, liegt der Grund für die Befristung in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend wegen Krankheit oder aus sonstigen Gründen ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Teil des Sachgrundes ist daher eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des zu erwartenden Mitarbeiters. Davon kann grundsätzlich ausgegangen werden, weil in der Regel damit zu rechnen ist, dass der Vertretene nach Beendigung der Freistellung oder Erkrankung seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird. Auch eine wiederholte Befristung wegen der mehrfachen Verhinderung der zu vertretenden Stammkraft steht der Prognose des künftigen Wegfalls des Vertretungsbedarfs nicht entgegen. Nur wenn der Arbeitgeber im Ausnahmefall aufgrund ihm vorliegender Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass die zu vertretende Stammkraft überhaupt wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wird, kann dies dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nur vorgeschoben ist. Dann kann die Befristung unwirksam sein. Der Sachgrund der Befristung setzt nicht voraus, dass der befristet zur Vertretung eingestellte Mitarbeiter die Aufgaben der vorübergehend ausfallenden Stammkraft erledigt. Der Vertreter kann auch mit anderen Aufgaben betraut werden. Denn die befristete Beschäftigung zur Vertretung lässt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt. Der Arbeitgeber kann bei einem vorübergehenden Ausfall eines Stammarbeitnehmers darüber bestimmen, ob er den Arbeitsausfall überhaupt überbrücken will, ob er im Wege der Umverteilung die von dem zeitweilig verhinderten Arbeitnehmer zu erledigenden Arbeitsaufgaben anderen Mitarbeitern zuweist oder ob er dessen Aufgaben ganz oder teilweise von einer Vertretungskraft erledigen lässt. Der zeitweilige Ausfall eines Mitarbeiters und die dadurch bedingte Einstellung einer Ersatzkraft können auch mit einer Umorganisation verbunden sein, die dazu führt, dass ein völlig neuer Arbeitsplan erstellt wird, nach dem die Aufgaben des zeitweilig ausfallenden Mitarbeiters einem dritten Mitarbeiter übertragen werden, dieser für andere Aufgaben nicht mehr zur Verfügung steht und für diese anderen Aufgaben nunmehr eine Ersatzkraft eingestellt wird. Die vom Arbeitgeber anlässlich der vertretungsbedingten befristeten Einstellung vorgenommene Umorganisation kann auch dazu führen, dass infolge des nunmehr geschaffenen Arbeitsplans ein nach seinem Inhalt neuer Arbeitsplatz entsteht, der nach der bisherigen Arbeitsorganisation noch nicht vorhanden war. Der Sachgrund der Vertretung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung des Vertreters voraus. Der Einsatz des befristet beschäftigten Arbeitnehmers muss wegen des Arbeitskräfte- 02/09 129 Rechtsprechung Bestandsschutz bedarfs erfolgen, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Mitarbeiters entsteht. Das Erfordernis eines Kausalzusammenhangs soll gewährleisten, dass der Vertretungsfall für die Einstellung des befristet beschäftigten Arbeitnehmers ursächlich und der vom Arbeitgeber geltend gemachte Sachgrund der Vertretung nicht nur vorgeschoben ist. Fehlt der Kausalzusammenhang, ist die Befristung nicht durch den Sachgrund der Befristung gerechtfertigt. Die befristete Einstellung beruht dann nicht auf dem durch die Abwesenheit des Vertretenen geschaffenen vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung des Vertreters. Die Anforderungen an die Darlegung des Kausalzusammenhangs durch den Arbeitgeber richten sich dabei nach der Form der Vertretung. Nimmt der Arbeitgeber den Vertretungsfall zum Anlass für eine befristete Beschäftigung, ist aufgrund der Umstände bei Vertragsschluss zu beurteilen, ob der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausfallenden Arbeitnehmers zurückzuführen ist. In den Fällen der unmittelbaren Vertretung hat der Arbeitgeber darzulegen, dass der Vertreter nach dem Arbeitsvertrag mit Aufgaben betraut worden ist, die zuvor dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer übertragen waren. Wird die Tätigkeit des zeitweise ausfallenden Arbeitnehmers nicht von dem Vertreter, sondern einem anderen Arbeitnehmer oder mehreren anderen Arbeitnehmern ausgeübt (mittelbare Vertretung), hat der Arbeitgeber zur Darstellung des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen. Nimmt der Arbeitgeber den Ausfall des Mitarbeiters zum Anlass, die Aufgaben in seinem Betrieb oder seiner Dienststelle neu zu verteilen, so muss er zunächst die bisher dem vertretenen Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben darstellen. Anschließend ist die Neuverteilung dieser Aufgaben auf einen oder mehrere andere Arbeitnehmer zu schildern. Schließlich ist darzulegen, dass sich die dem Vertreter zugewiesenen Tätigkeiten aus der geänderten Aufgabenzuteilung ergeben. Da der Arbeitgeber aufgrund seines Organisationsrechts in seiner Entscheidung über die Umverteilung der Arbeitsaufgaben des zeitweise ausfallenden Mitarbeiters frei ist, kann er von der Neuverteilung der Arbeitsaufgaben absehen und dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Tätigkeiten übertragen, die der vertretene Arbeitnehmer zu keiner Zeit ausgeübt hat. Der für den Sachgrund der Vertretung notwendige Kausalzusammenhang besteht in diesem Fall, wenn der Vertreter mit Aufgaben betraut wird, die von dem Vertretenen nach dessen Rückkehr ausgeübt werden könnten. Der Arbeitgeber muss nach dem Arbeitsvertrag berechtigt sein, dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer im Falle seiner Weiterarbeit oder nach seiner Rückkehr nicht dessen bisherige Tätigkeiten, sondern einen anderen Aufgabenbereich zuzuweisen. Werden dem Vertreter die Aufgaben des zu vertretenden Arbeitnehmers auf diese Weise weder unmittelbar noch mittelbar übertragen, liegt der für eine auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gestützte Befristungsabrede erforderliche Kausal- 130 02 / 09 zusammenhang nur vor, wenn der Arbeitgeber bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten gedanklich zuordnet. Nur dann beruht die Einstellung des Vertreters auf der Abwesenheit des zu vertretenden Arbeitnehmers (BAG vom 18.04.2007 – 7 AZR 255/06). Die gedankliche Zuordnung des Arbeitgebers, welchem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer die vom Vertreter ausgeübten Tätigkeiten übertragen werden könnten, muss erkennbar sein (Anmerkung: Vgl. dazu auch LAG Schleswig-Holstein vom 17.12.2008 – 6 Sa 315/08.). Die Verdeutlichung der Überlegungen des Arbeitgebers kann beispielsweise durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag oder im Rahmen der Beteiligung der Arbeitnehmervertretung bei der Einstellung erfolgen. Diese Festlegung bildet die Grundlage für die gerichtliche Kontrolle der Befristungsabrede. Ohne eine erkennbare Festlegung des Arbeitgebers kann nicht beurteilt werden, ob der Sachgrund der Vertretung tatsächlich vorliegt oder nur vorgeschoben ist. Der Sachgrund der Vertretung wurde bejaht, wenn die Zuordnung zwischen einem zeitweilig abwesenden Arbeitnehmer und dem Vertreter aus der Angabe im Arbeitsvertrag ersichtlich war und der Arbeitgeber tatsächlich und rechtlich die Möglichkeit hatte, dem ausfallenden Mitarbeiter bei seiner Rückkehr die Aufgaben des Vertreters im Wege des Direktionsrechts zu übertragen. Eine fachliche Austauschbarkeit zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter reicht hingegen nicht aus. Allein aus der befristeten Einstellung eines nach Ausbildung und Erfahrungswissen mit dem vertretenen vergleichbaren Arbeitnehmer kann nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit geschlossen werden, dass der Vertragsschluss auf den Vertretungsfall zurückzuführen ist (vgl. BAG vom 18.04.2007, a.a.O.). b) Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte nicht ausreichend substantiiert einen die Befristung rechtfertigenden Sachgrund der Vertretung dargelegt. Aufgrund der Vielzahl der befristeten Verträge, welche die Beklagte mit dem Kläger in dem Zeitraum Mai 2001 bis Juni 2007 geschlossen hat, sind an die Substantiierung eines Befristungsgrundes besonders hohe Anforderungen zu stellen. Der Beklagten ist darin zu folgen, dass aufgrund der im Februar 2007 mit den Mitarbeitern ... getroffenen Vereinbarungen über die Gewährung von Freizeit als Ausgleich für zuvor geleistete Mehrarbeit in dem Zeitraum 1. Juli 2007 bis 31. August 2007 ein Vertretungsbedarf bestand. Der Kläger hat die Mitarbeiter ... nicht unmittelbar vertreten, denn er war nicht während der jeweiligen Abwesenheitszeiten dieser Mitarbeiter in deren Zustellbezirken als Zusteller eingesetzt. Die Beklagte hat eine mittelbare Vertretung nicht dargelegt, da sie nicht die Vertretungskette zwischen den Mitarbeitern ... und dem Kläger aufgezeigt hat. Insoweit ist nicht ausreichend, dass sowohl der Kläger als auch die benannten Mitarbeiter als Zusteller für die Beklagte tätig waren. Eine Aufgabenumverteilung wurde nicht behauptet. Dass der in anderen Zustellbezirken eingesetzte Kläger gerade den durch Rechtsprechung Personalvertretungsrecht den zeitweiligen Ausfall der Mitarbeiter ... entstehenden Vertretungsbedarf abgedeckt hat, wurde nicht aufgezeigt. Nach den Ausführungen und Erläuterungen der Beklagten im Termin kann sie diese Kette nicht im Einzelnen aufzeigen. Eine gedankliche Zuordnung der Beklagten, welchem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer die vom Vertreter ausgeübte Tätigkeit übertragen werden könnte, wie vom BAG in seiner Entscheidung vom 18. April 2007 für ausreichend erachtet, ist vorliegend nicht erkennbar. So enthält der Arbeitsvertrag keine entsprechende Angabe. Dass die Beklagte den Mitarbeitern ... bei ihrer Rückkehr jeweils die Aufgaben des Klägers im Wege des Direktionsrechts übertragen könnte, reicht nicht aus. Eine fachliche Austauschbarkeit zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter genügen nicht. Allein aus der befristeten Einstellung eines nach Ausbildung und Erfahrungswissen mit dem Vertretenen vergleichbaren Arbeitnehmers kann nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit geschlossen werden, dass der Vertragsschluss auf den Vertretungsfall zurückzuführen ist. Wenn, wie vorliegend, zwischen den Parteien über einen längeren Zeitraum eine Vielzahl befristeter Verträge abgeschlossen wurden – der Kläger hat 21 im Zeitraum Mai 2001 bis Juni 2007 geschlossene Arbeitsverträge vorgelegt –, sind an die Darlegung und Substantiierung des Befristungsgrundes strenge Anforderungen zu stellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Häufigkeit und die bisherige Gesamtbefristungsdauer Indizien für das Fehlen eines Sachgrundes sein (BAG vom 11.12.1991 – 7 AZR 431/90, AP Nr. 141 zu § 620 BGB Befristeter Vertrag; BAG vom 11.11.1998 – 7 AZR 328/97). An den Grund der Befristung sind nach mehrmaliger Befristung strenge Anforderungen zu stellen (KR-Lipke, 8. Aufl., § 14 TzBfG, Rz 107, m.w.N.). Diesen stärkeren Anforderungen an das Vorliegen eines Befristungsgrundes der Vertretung genügt der vorliegende Sachvortrag der Beklagten jedoch nicht. ■ Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 25.11.2008, 16 Sa 868/08 eingereicht von Rechtsanwalt Friedemann Koch, Marburger Straße 16, 10789 Berlin, Tel.: 030/21248990, Fax: 030/212489920 [email protected]; www.friedemann-koch.de 159. Befristung, mittelbare Vertretung, Änderung der Arbeitsaufgaben durch technischen Fortschritt Der für das Vorliegen des Befristungsgrundes der Vertretung erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung des Vertreters liegt auch dann vor, wenn sich die Arbeitsaufgaben seit dem Arbeitsausfall der Stammkraft durch den technischen Fortschritt ändern, soweit der Arbeitgeber tatsächlich und rechtlich die Möglichkeit hatte, dem Vertretenen bei seiner Rückkehr die Aufgaben der Vertretungskraft im Wege des Direktionsrechts zu übertragen. Gleichermaßen unschädlich ist es, wenn die Vertretungskraft im Wege des tarifvertraglich vorgesehenen Zeitaufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe als die Stammkraft aufrückt. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 26.06.2008, 10 Sa 799/07 160. Personalrat, Angabe des Befristungsgrundes, Berufung auf andersartigen Befristungsgrund 1. Nach dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 PersVG Brandenburg ist der Arbeitgeber durch die typologisierende Bezeichnung des Befristungsgrundes auf diesen festgelegt. Damit ist gewährleistet, dass der Arbeitgeber den Sachgrund in einer etwaigen Auseinandersetzung mit dem Arbeitnehmer nicht gegen einen Sachgrund austauschen kann, zu dem der Personalrat seine Zustimmung nicht erteilt hat. 2. § 14 Abs. 2 TzBfG ist ein andersartiger Rechtfertigungsgrund für eine Befristung als die Geltendmachung eines Sachgrundes nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TzBfG. Das Nachschieben dieses Rechtfertigungsgrundes nach § 14 Abs. 2 TzBfG ist dem Arbeitgeber daher verwehrt. ■ Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 19.09.2008, 13 Sa 932/08 Betriebsverfassungsrecht / Personalvertretungsrecht 161. Betriebsratswahl, Anfechtung, freigestellter BRVorsitzender als leitender Angestellter Ein langjährig freigestellter Betriebsratsvorsitzender ist nicht leitender Angestellter i.S.v. § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG. Er hat die nach dem BetrVG gegebenen Gestaltungs- und Mitbestimmungsräume wahrzunehmen, jedoch nicht die unternehmerischen Grundentscheidungen zu treffen. Ebenso wenig ist maßgeblich, wie der Arbeitgeber seine Betriebsratsmitglieder sieht („auf gleicher Augenhöhe“). Auch wenn bei der Ausübung von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten durchaus – quasi als „Nebenprodukt“ – eine Mitgestaltung unternehmerischer Entscheidungen in Betracht kommt, ist diese Möglichkeit der Einflussnahme auf unternehmerische Entscheidungen nicht durch einen Arbeitsvertrag begründet, sondern durch die gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungstatbestände des BetrVG. Im Übrigen geht diese Einflussnahme nicht von dem Vorsitzenden, sondern dem Betriebsrat als Gremium aus. ■ Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 16.06.2008, 9 TaBV 14/07 02/09 131 Rechtsprechung Betriebsverfassungsrecht 162. Betriebsratswahl, Anfechtung, Vollmachtsvorlage im Beschlussverfahren Aus den Gründen: Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der im Wahlbezirk 26 der Arbeitgeberin am 30.11. und 01.12.2007 durchgeführten Betriebsratswahl. ... Mit beim Arbeitsgericht per Fax am 15.12.2007 eingegangenem Schriftsatz vom 14.12.2007 focht die Arbeitgeberin die Betriebsratswahl zunächst gegenüber dem Wahlvorstand an, danach mit beim Arbeitsgericht am 10.03.2008 eingegangenem Schriftsatz gegenüber dem Betriebsrat. Der Antragsschriftsatz ist wie folgt unterschrieben: Personalabteilung Unterschrift i.V. Sch. Eine Vollmachtsurkunde war nicht beigefügt. Mit Schriftsatz vom 07.03.2008 reichte die Arbeitgeberin eine so genannte „Generalvollmacht“ vom 15.07.2002 nach, die unterzeichnet vom Prokuristen St. folgenden Wortlaut hat: „Herrn Sch. wird hiermit Generalvollmacht zur Wahrnehmung aller arbeitsrechtlichen Angelegenheiten ... erteilt. Diese Vollmacht gilt bis auf Widerruf.“ Herr Sch. ist zugelassener Rechtsanwalt. Mit beim Arbeitsgericht am 25.03.2008 eingegangenem Schriftsatz vom 19.03.2008 legte die Arbeitgeberin einen Handelsregisterauszug über die Prokurabestellung des Herrn St. vor. ... Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 09.04.2008 den Antrag der Arbeitgeberin mit der Begründung zurückgewiesen, die Arbeitgeberin habe die Zweiwochenfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nicht eingehalten. Zwar habe die Arbeitgeberin innerhalb der Zweiwochenfrist die Antragsschrift beim Arbeitsgericht eingereicht. Jedoch handele es sich nicht um eine wirksame Anfechtung, da eine Unterzeichnung „i.V. Sch.“ den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht werde. Aufgrund des Sinns und Zwecks der Ausschlussfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG könnten Handlungen eines Vertreters ohne Vorlage einer Vollmacht grundsätzlich nur innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist nachträglich genehmigt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Ausführungen unter II des Beschlusses Bezug genommen und verwiesen. ... B. ... II. Der Antrag der Arbeitgeberin ist unbegründet. 1. Die Arbeitgeberin hat jedoch die Betriebsratswahl innerhalb der Ausschlussfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG wirksam angefochten. a) Danach kann der wahlanfechtungsberechtigte Arbeitgeber nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, die Wahl beim Arbeitsgericht anfechten. Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht kann sich dabei der Arbeitgeber durch einen bei ihm Beschäftigten vertreten lassen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 79 ZPO in der Fassung des Gesetzes bis zum 30.06.2008; nunmehr § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ArbGG in der seit 132 02 / 09 01.07.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12.12.2007 (BGBl I, S. 2840, 2852 f.)). Nach § 80 Abs. 1 ZPO in der vorliegend maßgebenden alten Fassung bzw. § 80 Satz 1 ZPO n. F. hat der Bevollmächtigte die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben. Sofern es sich bei dem Bevollmächtigten nicht um eine als Rechtsanwalt auftretende Person handelt, kann das Gericht ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht dem Wahlanfechtungsbegehren des Arbeitgebers nicht entsprechen (§ 88 Abs. 2 ZPO). Das Vorliegen der Vollmacht ist als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens – vorliegend: Von Amts wegen – zu prüfen. Freilich ist die Erteilung der Vollmacht, wie in § 89 Abs. 2 ZPO vorausgesetzt wird, an keine besondere Form gebunden. Die in § 80 Abs. 1 ZPO verlangte Schriftform dient nur dem Nachweis (BGH, Urteil vom 07.03.2002 – VII ZR 193/01 – NJW 2002, 1957, zu II 2 der Gründe = Rn 12). Da § 89 ZPO, der als Sonderregelung den §§ 172 ff. BGB vorgeht (BGH, Urteil vom 18.12.2002 – VIII ZR 72/02 – NJW 2003, 963 ff., zu II 3 der Gründe = Rn 18), auch gilt, wenn der Vertreter Vollmacht hat, sie aber nicht nachweisen kann, obwohl er nach Maßgabe des § 88 ZPO muss, kann die vertretene Partei durch Vorlage der Vollmacht die Prozesshandlung rückwirkend genehmigen (BGH, Beschluss vom 19.07.1984 – X ZB 20/83 – NJW 1987, 130, zu II 3b der Gründe = Rn 11). b) Nach diesen Grundsätzen hat die Arbeitgeberin die Betriebsratswahl innerhalb der Zweiwochenfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG wirksam angefochten. aa) Der ersichtlich nicht als Rechtsanwalt für die Arbeitgeberin aufgetretene bevollmächtigte Arbeitnehmer S., worauf § 88 Abs. 2 ZPO abstellt, hat innerhalb der nach Bekanntmachung des endgültigen Wahlergebnisses am 08.12.2007 mit Wirkung ab 09.12.2007 zu laufen begonnenen Zweiwochenfrist die Betriebsratswahl mit beim Arbeitsgericht per Fax am 17.12.2007 eingegangenem Schriftsatz vom 14.12.2007 angefochten (§ 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, §§ 18, 41 WO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB). Zwar war die für die Arbeitgeberin vom bevollmächtigten Arbeitnehmer S. vorgenommene Prozesshandlung der Anfechtung der Betriebsratswahl zunächst schwebend unwirksam. Jedoch wurde die Prozesshandlung rückwirkend auf den Zeitpunkt ihrer Vornahme nachträglich geheilt. Die Arbeitgeberin hat nämlich mit Schriftsatz vom 07.03.2008 eine zugunsten des Herrn S. am 15.07.2002 ausgestellte Generalvollmacht vorgelegt. Darüber hinaus hat sie durch Vorlage eines Handelsregisterauszuges die Prokuristenstellung des die Generalvollmacht ausstellenden Herrn S. belegt. Außerdem hat die Arbeitgeberin zweitinstanzlich mit Schriftsatz vom 28.08.2008 eine von ihrem Inhaber zugunsten des Herrn S. für das vorliegende Verfahren im Original vorgelegte Prozessvollmacht eingereicht. Angesichts der Vorlage des Originals der als Spezialvollmacht (vgl. zur Begrifflichkeit Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 167 Rn 5) ausgestalteten Prozessvollmacht Rechtsprechung Personalvertretungsrecht bedarf es keiner Auslegung der inhaltlichen Reichweite der Generalvollmachten vom 15.07.2002 und 02.06.2003. bb) Die materiell-rechtliche Wirkung der verfahrensrechtlichen Anfechtungsfrist gebietet vorliegend keine teleologische Reduktion des Wortlautes des § 89 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ZPO hinsichtlich der Rückwirkung einer nachträglichen Zustimmung (Genehmigung). Auf der Grundlage der systematischen Auslegung, wonach mangels anderweitiger Anhaltspunkte von der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auszugehen ist, deckt sich die Wortbedeutung der Genehmigung im Sinne von § 89 Abs. 1 ZPO mit derjenigen des § 184 BGB. Die gegenteilige Erkenntnis des Arbeitsgerichts weicht von der festgestellten Wortbedeutung des Tatbestandsmerkmales Genehmigung ab. Jedoch liegt eine so genannte Ausnahmelücke (vgl. Rüthers, Rechtstheorie, 4. Aufl., Rn 903, auch teleologische Lücke genannt; Rüthers, a.a.O., Rn 848; E. A. Kramer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl., S. 170) als methodologische Voraussetzung einer teleologischen Reduktion nicht vor (vgl. auch Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 4. Aufl., S. 79). Der Gesetzgeber hat bei der Formulierung des § 89 Abs. 1 ZPO eine für den Anwendungsbereich verfahrensrechtlicher Ausschlussfristen mit materiell-rechtlicher Wirkung erforderliche Einschränkung oder „Ausnahmeklausel“ nicht übersehen. Der Textsinn der Wirkungsweise einer Genehmigung bedarf nämlich im Lichte des erkennbaren Normzwecks des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG vorliegend keiner Einschränkung (Richter, Rechtsphilosophie, 3. Aufl., Se. 30). Die Rechtsfigur der Wahlanfechtung dient in erster Linie der Rechtssicherheit (BAG, Beschluss vom 13.11.1991 – 7 ABR 18/91 – AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG 1972, zu B II 1a der Gründe = Rn 22). Die kurze Anfechtungsfrist und auch die Tatsache, dass nicht ein einzelner Arbeitnehmer allein zur Anfechtung berechtigt ist, liegen im Interesse der Rechtssicherheit (vgl. dazu BT-Drucksache VI/2729, S. 21). Mit der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung und Bedeutung des Betriebsrates wäre es unvereinbar, wenn die Gültigkeit seiner Wahl immer wieder in Zweifel gezogen werden könnte und es längere Zeit ungewiss bliebe, ob er überhaupt rechtmäßig amtiert (BAG, Beschluss vom 13.11.1991 – 7 ABR 8/91 – AP Nr. 20 zu § 19 BetrVG 1972, zu B der Gründe = Rn 13 f.). Für die Wahrung der Frist bedarf es nicht des Eintrittes der Rechtshängigkeit innerhalb der Zweiwochenfrist (BAG, Beschluss vom 25.06.1974 – AP Nr. 3 zu § 19 BetrVG 1972; siehe dazu auch § 167 ZPO), ebenso wenig muss die Anfechtung beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht, geschweige denn in der richtigen Verfahrensart erfolgt sein; es muss in Kauf genommen werden, dass damit nach Fristablauf nicht unmittelbar festgestellt werden kann, ob eine Anfechtung erfolgt ist (z.B. GK/BetrVG-Kreutz, 8. Aufl., § 19 Rn 78). Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts (vgl. zur strukturell vergleichbaren Bestimmung des § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG; BVerwG, Beschluss vom 01.12.2003 – 6 P 11/03 – NZA-RR 2004, 389 ff., zu II 2c der Gründe = Rn 20) wusste der Betriebsrat auch ohne Vorlage einer von der Arbeitgeberin ausgestellten Prozessvollmacht innerhalb der gesetzlichen Anfechtungsfrist, dass die Betriebsratswahl, unbeschadet der Frage, ob zu Recht oder zu Unrecht, der gerichtlichen Überprüfung unterworfen ist. Insofern ist es aus der objektivierten Sicht des Betriebsrates unerheblich, ob bereits innerhalb der Anfechtungsfrist alle Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen oder nicht. Der Betriebsrat muss sich vergegenwärtigen, dass bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren der Anfechtung der Betriebsratswahl der Ausgang unentschieden ist. 2. Der Einhaltung der Anfechtungsfrist steht es nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin ihren Anfechtungsantrag innerhalb der Zweiwochenfrist gegen den Wahlvorstand gerichtet hat. Ihrer Korrektur mit Schriftsatz vom 07.03.2008 hätte es nicht einmal bedurft, denn das Arbeitsgericht hätte von Amts wegen gem. § 83 Abs. 3 ArbGG den in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung durch die begehrte Entscheidung unmittelbar betroffenen Betriebsrat beteiligen müssen (BAG, Beschluss vom 24.05.1965 – 1 ABR 1/65 – AP Nr. 14 zu § 18 BetrVG; BAG, Beschluss vom 13.03.1984 – 1 ABR 49/82 – AP Nr. 9 zu § 83 ArbGG 1979, zu B der Gründe = Rn 18; BAG, Beschluss vom 19.09.1985 – 6 ABR 4/85 – AP Nr. 12 zu § 19 BetrVG 1972, zu II der Gründe = Rn 24). Allein der Betriebsrat ist durch die begehrte Entscheidung in seinem Bestand betroffen. ... ■ Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 21.11.2008, 7 TaBV 3/08 eingereicht von Rechtsanwalt Dr. Ehrenfried Goericke, Charlottenstraße 49, 72764 Reutlingen, Tel.: 07121/489-235, Fax: 07121/489-444 [email protected]; www.rwt-gruppe.de 163. Betriebsrat, Kosten, Einstweilige Verfügung, Verfügungsgrund, Vorschusszahlung, Erforderlichkeit eines Beraters bei Betriebsänderungen, Kosten eines ortsfremden Rechtsanwalts Aus den Entscheidungsgründen: Der Beteiligte zu 1) (Betriebsrat) begehrt von der Beteiligten zu 2) (Arbeitgeberin) die Bezahlung von Honoraren eines externen anwaltlichen Beraters im Rahmen einer Betriebsänderung sowie die Leistung eines Vorschusses auf weitere zu erwartende Beraterhonorare. Nach §§ 2a, 80 Abs. 1 ArbGG ist das gewählte Beschlussverfahren die richtige Verfahrensart. ... Auch im Beschlussverfahren ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich zulässig, § 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG. ... Die Anträge sind jedoch unbegründet. ... Für einen derartigen Zahlungsanspruch fehlt es, unabhängig vom Vorliegen eines Verfügungsanspruchs, bereits am notwendigen Verfügungsgrund im Sinne des § 85 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 940 ZPO. Danach sind einstweilige Verfügungen nur zur Abwendung wesentlicher Nachteile zulässig. 1. Ein Verfügungsgrund besteht nur, wenn die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers ohne eine alsbaldige einstwei- 02/09 133 Rechtsprechung Betriebsverfassungsrecht lige Regelung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Zur Abwendung dieser Gefahr muss die einstweilige Verfügung erforderlich sein. Dabei kommt eine einstweilige Verfügung, die auf Grund ihres Leistungsausspruchs einen endgültigen Zustand schaffen würde, nur ausnahmsweise in Betracht. Angesichts dieser Tatsache ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Es kommt insoweit darauf an, ob die glaubhaft gemachten Gesamtumstände es in Abwägung der beiderseitigen Belange zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich erscheinen lassen, eine sofortige Regelung zu treffen (vgl. LAG Hamm vom 08.07.2005 – 13 TaBV 119/05). Dabei sind das Gewicht des drohenden Verstoßes und die Bedeutung der umstrittenen Maßnahme einerseits für den Arbeitgeber und andererseits für die Belegschaft angemessen zu berücksichtigen. Bei dieser Abwägung können die Anforderungen an den Verfügungsgrund umso geringer sein, desto schwerer und offensichtlicher die drohende oder bestehende Rechtsverletzung ist. 2. Gemessen hieran besteht kein Verfügungsgrund. Vorliegend streiten die Beteiligten nicht grundsätzlich über die Frage, ob der Betriebsrat berechtigt ist, einen externen Berater im Rahmen der Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans anlässlich der anstehenden Betriebsänderung hinzuzuziehen. Vielmehr wendet die Arbeitgeberin ein, die mit dem externen Berater vereinbarten Honorarsätze und der Umstand, dass dieser seinen Kanzleisitz in O. hat und zusätzliche Reisekosten hinzuträten, ... (übersteige das erforderliche Maß). In der arbeitsrechtlichen Literatur wird die Frage, ob die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines externen Beraters nach § 111 Satz 2 BetrVG im Einzelfall zu überprüfen ist, nicht einheitlich beantwortet. Während einerseits vertreten wird, dass § 111 Satz 2 BetrVG die Vorschrift des § 80 Abs. 3 BetrVG durch Wegfall der Notwendigkeit vorheriger Verständigung mit dem Arbeitgeber und des Nachweises der Erforderlichkeit im Einzelnen erweitere (ErfK-Kania, § 111 BetrVG Rn 22a; DKKDäubler, BetrVG, 9. Aufl., § 111 Rn 135g; Däubler, AuR 2001, 285), sind andere der Auffassung, dass der Betriebsrat bei der Hinzuziehung eines externen Beraters nach § 111 Satz 2 BetrVG unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls prüfen muss, ob die Heranziehung des Beraters auch unter Berücksichtigung der dem Arbeitgeber hierdurch entstehenden Kosten erforderlich ist (Fabricius-Oekter, GKBetrVG, 7. Aufl., § 111 Rn 160; Fitting, BetrVG, 23. Aufl., § 111 Rn 123; Oekter, NZA 2002, 465; Reichold, NZA 2001, 857). Zwar enthält § 111 Satz 2 BetrVG – im Gegensatz zu § 80 Abs. 3 BetrVG – keine Einschränkung des Inhalts, dass die Hinzuziehung externen Sachverstandes dem Betriebsrat nur möglich ist, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Doch spricht viel dafür, dass auch die Heranziehung externer Berater nach § 111 Satz 2 BetrVG durch den Betriebrat notwendig und erforderlich sein muss, weil die Kostenübernahme durch den Arbeitgeber wegen fehlender Regelung in § 111 Satz 2 BetrVG sich allein 134 02 / 09 aus der Vorschrift des § 40 Abs. 1 BetrVG ergeben kann, die ihrerseits jedoch auf die erforderlichen und notwendigen Kosten beschränkt ist (vgl. LAG Hamm vom 26.08.2005 – 10 TaBV 152/04, ZIP 2005, 2269; Annuß, NZA 2001, 367; Oekter, NZA 2002, 465). 3. Losgelöst von der Frage der Erforderlichkeit und der Hinzuziehung eines Beraters als solcher, ist der Arbeitgeber jedenfalls nur zur Tragung derjenigen Kosten verpflichtet, die erforderlich und verhältnismäßig sind (Fabricius-Oekter, a.a.O., § 111 Rn 164; Annuß, NZA 2001, 367; Bauer, NZA 2001, 375). Die Frage der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der entstandenen Kosten ist zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens streitig. ... Die Klärung dieser streitigen Fragen hat zunächst in einem Hauptsacheverfahren zu erfolgen. Dieses ist dem Betriebsrat auch zumutbar. Es liegen nämlich keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Betriebsratsarbeit insgesamt oder die Wahrnehmungen der Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan anlässlich der anstehenden Betriebsänderung wesentlich erschwert würde, wenn die vorliegende einstweilige Verfügung nicht erginge. Der Betriebsrat hat weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass eine Fortsetzung der Beratung durch Rechtsanwalt B gefährdet sei, wenn dessen Honorare nicht – vorläufig – befriedigt würden. Die Beteiligte zu 2) hat mit Schreiben vom 09.12.2008 darauf hingewiesen, dass sie nicht bereit sei, Honorarsätze zu zahlen, die die marktüblichen Honorare in Hannover überstiegen. Gleichwohl hat der Berater seine Beratungsleistung fortgesetzt. Demgemäß war ihm bei der Erbringung seiner letzten Beratungsleistungen bewusst, dass es zu streitigen Auseinandersetzungen mit der Beteiligten zu 2) über die Höhe seiner Honorare kommen werde. Auch der Umstand, dass der Betriebsrat nach allgemeiner Auffassung nicht vermögensfähig ist und er nicht über erforderlichen Mittel verfügt, um die streitigen Honorarforderungen vorzustrecken, bedingt vorliegend keinen Verfügungsgrund. Zwar mag den einzelnen Betriebsratsmitgliedern, die dem Beschluss zum Abschluss des Beratervertrages zugestimmt haben, eine persönliche Haftung drohen (vgl. Fitting, BetrVG, 23. Aufl., § 1 Rn 205 f.). Dieses Risiko hat der Beteiligte zu 1) jedoch selber herbeigeführt. Zwar entscheidet der Betriebsrat über die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes selbst in eigener Verantwortung unter pflichtgemäßer Berücksichtigung der objektiven Gegebenheiten und Würdigung aller Umstände. ... Dabei gilt jedoch ebenfalls der Grundsatz, dass bei Gleichwertigkeit die kostengünstigere Lösung zu wählen ist. Beauftragt der Betriebsrat ein nicht am Gerichtsort ansässiges Anwaltsbüro mit der Beratung, obwohl am Gerichtsort gleich qualifizierte Anwälte ansässig und zur Mandatsübernahme bereit sind, sind Fahrtkosten des beauftragten Anwalts nur zu erstatten, wenn das beauftragte Anwaltsbüro besondere, über das normale Maß hinausgehende Sachkompetenz in der für die Auseinandersetzung maßgebliche Rechtsfrage hat. Diese Besonderheiten hat der Betriebsrat näher darzu- Rechtsprechung Personalvertretungsrecht legen. Entgegen des vorstehenden Grundsatzes hat sich der Betriebsrat vorliegend für die Beauftragung eines nicht am Standort des Betriebes ansässigen Anwaltsbüros entschieden und überdies sich auf vergleichsweise hohe Honorarsätze verständigt. Hiervon muss das Gericht zumindest ausgehen, weil der Betriebsrat auf das Bestreiten der Arbeitgeberin zur Marktüblichkeit der vereinbarten Honorarsätze nicht hinreichend substantiiert unter Heranziehung der Mittel der Glaubhaftmachung erwidert hat. In einem solchen Fall wäre es geboten, dass sich der Betriebsrat im Vorfeld mit dem Arbeitgeber abstimmt, um die Frage der Kostentragung zu klären. Wenn der Betriebrat diese Möglichkeit nicht in Anspruch nimmt und sogleich einen nicht ortsansässigen Berater beauftragt, führt die Realisierung des Risikos, der Arbeitgeber könnte mit der getroffenen Auswahl und der zugrunde liegenden Honorarvereinbarung nicht einverstanden sein, nicht automatisch zu einem für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund. ■ Arbeitsgericht Hannover vom 16.01.2009, 1 BVGa 1/09 eingereicht von Rechtsanwalt Dr. Peter Schrader, Podbielskistraße 33, 30163 Hannover, Tel.: 0511/215556332, Fax: 0511/215556343 [email protected] 164. Betriebsrat, Kosten, Einstweilige Verfügung, betriebliche Beschwerdestelle Der Betriebsrat hat mangels Erforderlichkeit keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten, die durch ein einstweiliges Verfügungsverfahren auf Sicherung eines Mitbestimmungsrechts bei der Errichtung und Besetzung der betrieblichen Beschwerdestelle nach § 13 AGG entstanden sind. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 22.07.2008, 7 TaBV 8/08 165. Betriebsrat, Sachmittel, Ausstattung mit PC, Erforderlichkeit 1. Bei der Prüfung, ob die Ausstattung mit einem PC nebst Grundzubehör für die Betriebsratsarbeit erforderlich erscheint, kann der Betriebsrat regelmäßig darauf verweisen, dass eine solche seit langem dem allgemeinen Bürostandard entsprechende Ausstattung bei der Anfertigung, Vervielfältigung und Versandvorbereitung des Schreibwerks zu einer exorbitanten Zeitersparnis bei gleichzeitiger erheblicher Qualitätssteigerung führt, der raum- und platzsparenden Archivierung großer Datenmengen dient sowie die Möglichkeiten eröffnet, vorhandene Daten nach bestimmten Suchkriterien auszuwerten und eine vereinfachte und kostengünstige Art direkter textlicher Kommunikation zur Verfügung zu stellen. 2. Überwiegende Interessen des Arbeitgebers, die einer Ausstattung des Betriebsrats mit PC-Technik entgegenstehen könnten, sind demgegenüber – außer vielleicht bei finanz- schwachen Kleinbetrieben – im Regelfall nicht zu erkennen. Dies gilt insbesondere für das Kostenargument, zumal die PC-Ausstattung des Betriebsrats sich wegen der damit verbundenen Zeitersparnis mittel- und langfristig tendenziell auch für den Arbeitgeber kostensparend auswirken kann. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 09.01.2008, 7 TaBV 25/08 166. Betriebsratsschulung, Anrechnung ersparter Verpflegungskosten 1. Nimmt ein Betriebsratsmitglied an einer Betriebsratsschulung teil, kann der Arbeitgeber bei der Erstattung der notwendigen Verpflegungskosten die Ersparnis eigener Aufwendungen des Betriebsratsmitgliedes anrechnen. Die Höhe der Anrechnung bestimmt sich nicht nach den Lohnsteuerrichtlinien, sondern nach § 2 Abs. 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung (entgegen BAG vom 28.06.1995 – 7 ABR 55/94). 2. Eine weitere Anrechnung ersparter Aufwendungen hat nicht zu erfolgen. Der Seminarteilnehmer muss sich keine Ersparnis für die Getränke, die er während der Seminarstunden zu sich genommen hat, anrechnen lassen. Gleiches gilt für die ersparten Aufwendungen für Fahrten zwischen seinem Wohnort und der Arbeitsstätte. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 25.04.2008, 11 TaBV 10/08 167. Unterlassungsanspruch, Verstoß gegen Betriebsvereinbarung, Arbeitszeitkonten Verstößt der Arbeitgeber mehrfach und über einen erheblichen Zeitraum (hier 1 1/2 Jahre) gegen die zulässige Schwankungsbreite von Arbeitszeitkonten, die durch Betriebsvereinbarung geregelt sind, begründet dies einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 07.05.2008, 3 TaBV 85/07 168. Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht, betriebliches Eingliederungsmanagement, Vorlage ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 1. Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX unterliegen nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Da durch Gespräche mit Beschäftigten über deren Erkrankung häufig schlicht geklärt werden soll, ob der Beschäftigte den Anforderungen seines Arbeitsplatzes noch gewachsen ist bzw. ob in Zukunft mit weiteren Störungen des Austauschverhältnisses zu rechnen ist, und dies keine Maßnahme des Gesundheitsschutzes darstellt, sondern sich lediglich auf die individuelle (künftige) Leistungsfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers bezieht, scheidet hier ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG aus. Gleiches gilt für die Einbestellung von Arbeitnehmern zum 02/09 135 Rechtsprechung Betriebsverfassungsrecht Betriebsarzt, wenn die der Feststellung der individuellen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers dient. 2. Eine allgemeine Anordnung des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern, im Falle einer Erkrankung ein ärztliches Attest vorzulegen, so dass eine gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Frage der betrieblichen Ordnung (vgl. BAG vom 25.01.2000 – 1 ABR 3/99) vorliegt, scheidet aus, wenn der Arbeitgeber im zurückliegenden Jahr von über 1.200 Arbeitnehmern lediglich drei Beschäftigten, darunter zwei Auszubildenden, sogenannte Attestauflagen erteilt hat. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 01.04.2008, 3 TaBV 1/08 (Rechtsbeschwerde anhängig unter dem Az. 1 ABR 45/08) 169. Betriebsrat, doppeltes Zustimmungsersetzungsverfahren, Einstellung von Leiharbeitnehmern, gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung im Konzern, Gewerbsmäßigkeit, konzerninterne AÜG-Gesellschaft, Umgehungsverbot 1. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, noch während des Laufs eines gerichtlichen Verfahrens über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates für dieselbe Stelle mit einem neuen Besetzungsvorgang nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu beginnen. 2. Das AÜG ist auf die Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen nicht anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend nicht bei seinem Arbeitgeber leistet. Vorübergehend bezieht sich auf das NichtTätigwerden beim Vertragsarbeitgeber. 3. Gewerbsmäßig i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG ist jede auf eine gewisse Dauer angelegte und auf die Erzielung unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile gerichtete selbständige Überlassungstätigkeit. 4. Der Betriebsrat kann einer personellen Maßnahme die Zustimmung versagen, wenn die Maßnahme selbst gegen ein Gesetz, einen Tarifvertrag oder eine sonstige Norm verstößt. Verstöße gegen die Erlaubnispflicht zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung berechtigen zur Zustimmungsverweigerung gemäß § 99 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG. 5. Ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrates kann sich auch aus § 242 BGB i.V.m. § 99 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG ergeben. Die im Konzernverbund gewählten vertraglichen und unternehmensrechtlichen Vereinbarungen sind rechtsmissbräuchlich und verstoßen gegen das aus § 242 BGB ergebende Umgehungsverbot. Sie sind darauf gerichtet, mittels der nur ihren Namen hergebenden, jedoch sonst nicht agierenden konzerneigenen Verleiherin, das Vergütungsniveau bei dem Arbeitgeber zu unterschreiten und von ihr selbst ausgewählte, mit gleichen Tätigkelten betraute, aber vertraglich bei dem „Verleiher“ angesiedelte Busfahrer im Verhältnis zu bei ihr angestellten Stammarbeitnehmern ungleich zu behandeln. 6. Indizien für unzulässige Umgehungskonstruktionen im Zu- 136 02 / 09 sammenhang mit der Gründung von konzerninternen AÜGGesellschaften sind beispielsweise Personalunion in der Geschäftsführung, 100 %-ige Gesellschaftsbeteiligung an dem Unternehmen, von dem hauptsächlich Arbeitnehmer entliehen werden, keine örtliche Trennung der Gesellschaften, kein eigener Betrieb der Überlassungsgesellschaft, kein werbendes Auftreten des Verleihers am Markt. ■ Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein vom 18.06.2008, 3 TaBV 8/08 eingereicht von Rechtsanwalt Dr. Ulrich Brötzmann, Bonifaziusplatz 1b, 55118 Main, Tel.: 06131/618156, Fax: 06131/618157 [email protected]; www.kanzlei-broetzmann.de Anmerkung: Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Az. beim BAG: 1 ABR 67/08; vgl. auch a.A.: LAG Niedersachsen. vom 20.02.2007 – 9 TaBV 107/05 und vom 28.02.2006 – 13 TaBV 56/05, beide rkr. (OB) 170. Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht, Anhebung der Arbeitszeit als Einstellung Eine für die Dauer von mehr als einem Monat vorgesehene Erhöhung der Arbeitszeit eines Arbeitnehmers von mindestens zehn Stunden pro Woche ist eine nach § 99 Abs 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung. ■ Bundesarbeitsgericht vom 09.12.2008, 1 ABR 74/07 171. Sozialplan, Auslegung von Betriebsvereinbarungen, Begriff der Altersrente, Überbrückungsfunktion der Abfindung, Begrenzung der Sozialplanleistung für rentennahe Jahrgänge, Altersdiskriminierung Aus den Entscheidungsgründen: Die Regelungen der Konzernbetriebsvereinbarung (KBV) verstoßen weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen Diskriminierungsverbote. Gem. Nr. 3.2 KBV hat die Beklagte Mitarbeitern, die bei Kündigungsausspruch höchstens 60 volle Monate vor Beginn des „frühestmöglichen gesetzlichen Renteneintritts“ stehen, für die Zeit zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses und dem „frühestmöglichen Bezug einer gesetzlichen Altersrente“ Bruttozahlungen zu leisten. Diese berechnen sich für die Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld nach der Differenz zwischen diesem und dem bisherigen Nettoverdienst und für die Zeit danach in Höhe von 90 % der bisherigen Nettomonatsvergütung. 1. Für die Berechnung der Bruttozahlungen i.S.v. Nr. 3.2 KBV ist die Zeit „bis zum frühestmöglichen Bezug einer gesetzlichen Altersrente“ zu berücksichtigen. Nach der Begriffsbestimmung in Nr. 5.1 KBV ist der Zeitpunkt des frühestmöglichen Bezugs einer gesetzlichen Altersrente „der Beginn des Monats, ab dem der jeweilige Mitarbeiter eine gesetzliche Altersrente beanspruchen kann, in der Regel der Beginn des Kalendermonats nach dem Kalendermonat, in dem der Mitarbeiter das 63. Rechtsprechung Personalvertretungsrecht Lebensjahr vollendet“. Für die Klägerin ist der Berechnung – anders als nach dem angenommenen „Regelfall“ – die Zeit bis zum Ende des Monats August 2006 zugrunde zu legen. In diesem Monat vollendete sie ihr 60. Lebensjahr. Vom 01.09.2006 ab hat sie deshalb die Möglichkeit, Altersrente für Frauen vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Auch diese Rente und nicht nur die „Regelaltersrente“ ist eine Altersrente i.S.v. Nr. 3.2 KBV. Der Umstand, dass ihre vorzeitige Inanspruchnahme mit Abschlägen verbunden ist, steht dem nicht entgegen. Das ergibt die Auslegung. ... Danach ist der Zeitpunkt des frühestmöglichen Bezugs einer Altersrente in Nr. 3.2 KBV derjenige, zu welchem nach den Vorschriften des SGB VI erstmals eine vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente möglich ist. ... Daran ändert nichts der Umstand, dass die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente gem. § 77 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI zu einem für jeden Monat um 0,003 niedrigeren Zugangsfaktor als Faktor 1 führt. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass Nr. 3.2 KBV wegen dieser Konsequenz dahin zu verstehen wäre, der Zeitpunkt des frühestmöglichen Bezugs einer Altersrente sei entgegen dem eindeutigen Wortsinn derjenige, zu welchem die Rente mit mindestens dem Zugangsfaktor 1 bezogen werden könne. Die Vorschrift des § 77 SGB VI trat bereits am 01.01.1992 in Kraft. Sie war den Parteien der KBV bei deren Abschluss im Oktober 2004 bekannt. Hätten diese auf den Zeitpunkt der Möglichkeit des Bezugs von Altersrente ohne gesetzliche Abschläge abstellen wollen, ist davon auszugehen, dass sie das deutlich zum Ausdruck gebracht hätten. ... 2. Die in Nr. 3.2 KBV geregelte Abkehr von der Bemessung einer Abfindung nach einer absoluten Anzahl von Monatsgehältern, wie sie in Nr. 3.1 KBV für die Gruppen der 50 bis 54 Jahre und der 55 bis 57 Jahre alten Mitarbeiter vorgesehen ist, verletzt weder den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch Diskriminierungsverbote. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben die Betriebsparteien bei der Aufstellung eines Sozialplans einen weiten Spielraum für die Beurteilung des Ausmaßes der mit einer Betriebsänderung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer und die Festlegung eines angemessen Nachteilsausgleichs. Sie können grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob, in welchem Umfang und in welcher Weise sie die entstandenen Nachteile ausgleichen oder mildern wollen. Sie können im Rahmen ihres Ermessens nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden und sind nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile auszugleichen. Die Betriebsparteien haben allerdings die Grenzen von Recht und Billigkeit nach § 75 Abs. 1 BetrVG und die Funktion eines Sozialplans nach § 112 Abs. 1 BetrVG zu beachten. Recht und Billigkeit verlangen insbesondere die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen bei vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. b) Nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dient der Sozialplan dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen. Diesem Zweck dient nach ständiger Rechtsprechung des BAG auch eine im Sozialplan vorgesehene Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Sie stellt kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit geleisteten Dienste dar, sondern soll künftige wirtschaftliche Nachteile ausgleichen oder doch mildem (BAG vom 13.03.2007 – 1 AZR 262/06; BAG vom 12.11.2002 - 1 AZR 58/02). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch angesichts der in jüngster Zeit geäußerten Kritik (Temming, RdA 2008, 205; Preis, Gutachten für den 67. Deutschen Juristentag 2008) fest. Sowohl ein vollständiger Ausgleich als auch eine bloße Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, erfordern die Betrachtung von deren zukünftiger wirtschaftlicher Situation und nicht ihrer in der Vergangenheit erbrachten Leistungen und erdienten Besitzstände. Das wird insbesondere an der Bestimmung des § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 Satz 1 BetrVG deutlich. Danach hat die Einigungsstelle bei der Bemessung von Leistungen nach dem Sozialplan die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. c) Mit dem Zweck des Ausgleichs oder der Milderung künftiger Nachteile muss auch eine Gruppenbildung bei der Berechnung von Abfindungen und eine insoweit unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer zu vereinbaren sein. Die Betriebsparteien haben diese Anforderungen beachtet. aa) Eine erste Gruppe bilden die bei Kündigungsausspruch entweder weniger als 50 Jahre alten oder weniger als 15 Jahre beschäftigten Mitarbeiter. Sie erhalten auf einen Höchstbetrag begrenzte Abfindungen, bemessen nach einer bestimmten, von Lebensalter und Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängigen Anzahl von Monatsgehältern. Eine weitere Gruppe bilden die mindestens 50 Jahre aber weniger als 58 Jahre alten Mitarbeiter mit mehr als 15 Jahren Betriebszugehörigkeit. Sie erhalten entweder 18 oder 21 Bruttomonatsverdienste. Eine dritte Gruppe bilden die mindestens 58 Jahre alten Mitarbeiter mit mehr als 15 Jahren Betriebszugehörigkeit, die bei Kündigungsausspruch höchstens 60 Monate vor dem frühestmöglichen gesetzlichen Rentenbezug stehen. Sie erhalten Abfindungen auf der Grundlage von Ausgleichsbeträgen bis zum frühestmöglichen Rentenbezug und ggf. Vergünstigungen bei der Altersversorgung oder, wenn eine unverfallbare Anwartschaft auf Altersversorgung fehlt, bei mindestens zwanzigjähriger Betriebszugehörigkeit zusätzlich zwölf Bruttomonatsgehälter. bb) Die vorgenommene Gruppenbildung verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die unterschiedliche Behandlung ist sachlich gerechtfertigt. Ihr liegen tatsächliche Umstände zugrunde, 02/09 137 Rechtsprechung Betriebsverfassungsrecht die die Betriebsparteien bei der Bemessung der Sozialplanleistungen berücksichtigen durften. Auf der Basis eines begrenzten Sozialplanvolumens soll den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe gewährt werden. Die Betriebsparteien durften pauschalierend annehmen, dass Arbeitnehmer, die nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zunächst Arbeitslosengeld und im unmittelbaren Anschluss daran – vorzeitig – Altersrente beziehen können, in einem vertretbaren Umfang wirtschaftlich abgesichert sind. Die mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile sind für sie typischerweise deutlich geringer als für diejenigen, die nach dem Wegfall von Arbeitslosengeld einen Zeitraum von u.U. bis zu drei Jahren ohne eine solche Rentenabsicherung wirtschaftlich überbrücken müssen. Bei der Bemessung der Sozialplanleistungen durften die Betriebsparteien auf diesen Umstand Bedacht nehmen und ihre Regelung eines Nachteilsausgleichs für die jeweiligen Arbeitnehmergruppen an ihm ausrichten (BAG vom 31.07.1996 – 10 AZR 45/96; BAG vom 26.07.1988 – 1 AZR 156/87). cc) Die Betriebsparteien durften die Gruppengrenzen so ziehen, wie sie dies in Nr. 3 KBV getan haben. Zwar können dabei im Grenzfall und Einzelvergleich Unterschiede entstehen, die der jeweiligen realen Situation der betreffenden Arbeitnehmer nicht vollständig entsprechen. Solche Konsequenzen sind jedoch mit jeder Stichtagsregelung und Gruppenbildung verbunden. Sie sind hinzunehmen, wenn die Gruppenbildung und die Einführung eines Stichtags als solche und wenn zudem die Grenzziehung zwischen den Gruppen am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar sind. Es war sachlich vertretbar, die Grenze bei denjenigen Arbeitnehmern zu ziehen, die im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs 58 Jahre alt waren. Für diese Arbeitnehmer war der durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehende Nachteil einigermaßen zuverlässig vorherzusehen und durch Aufstockungsbeträge zu staatlichen Leistungen konkret berechenbar. 3. Die Regelungen in Nr. 3.2 KBV verstoßen nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. a) In diesem Zusammenhang sind die Bestimmungen des am 18.08.2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ebenso wenig unmittelbar zu berücksichtigen wie § 75 Abs. 1 BetrVG in seiner seit dem 18.08.2006 geltenden Fassung. Die KBV wurde schon im Oktober 2004 geschlossen. b) Ein gemeinschaftsrechtliches Verbot der Altersdiskriminierung steht Nr. 3.2 KBV nicht entgegen. Ein von den Gerichten der Mitgliedstaaten zu beachtendes Verbot setzt voraus, dass die möglicherweise diskriminierende Behandlung einen gemeinschaftsrechtlichen Bezug aufweist. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 war vor dem Ablauf ihrer – für Deutschland bis zum 02.12.2006 verlängerten – Umsetzungsfrist jedenfalls in den Fällen, in denen die in Rede stehende Maßnahme nicht der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts diente, nicht geeig- 138 02 / 09 net, den gemeinschaftsrechtlichen Bezug herzustellen (EuGH vom 23.09.2008 – C-427/06 „Bartsch“). Die KBV wurde vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie abgeschlossen und war keine mitgliedstaatliche Maßnahme zu deren Umsetzung. Darauf, ob die Regelung in Nr. 3.2 KBV andernfalls durch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie gerechtfertigt wäre, kommt es nicht an. c) Nr. 3.2 KBV verletzt nicht das in § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auch schon in seiner bis zum 17.08.2006 geltenden Fassung enthaltene Verbot, Arbeitnehmer wegen Überschreitung bestimmter Altersgrenzen zu benachteiligen. Die an das Alter anknüpfende Regelung in Nr. 3.2 KBV ist sachlich gerechtfertigt. Sie beruht, wie dargelegt, auf der typisierenden Beurteilung der Betriebsparteien, dass die Arbeitnehmer ab dem Zeitpunkt, zu welchem sie vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen können, geringere wirtschaftliche Nachteile erleiden. Es liegt im Regelungsermessen der Betriebsparteien, ab diesem Zeitpunkt keine Leistungen aus dem Sozialplan mehr vorzusehen. ... ■ Bundesarbeitsgericht vom 30.09.2008, 1 AZR 684/07 eingereicht von Rechtsanwalt Prof. Dr. Klaus Neef, Podbielskistraße 33, 30163 Hannover, Tel.: 0511/215556333, Fax: 0511/215556343 172. Einigungsstelle, Annexkompetenz, Errichtung einer ständigen Einigungsstelle durch Einigungsstellenspruch Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 BetrVG kann durch Betriebsvereinbarung eine ständige Einigungsstelle errichtet werden, dies aber nur durch eine freiwillige und nicht erzwingbare Betriebsvereinbarung. Dies bedeutet, dass eine ständige Einigungsstelle nicht durch Spruch einer Einigungsstelle gegen den Willen einer Betriebspartei eingesetzt werden darf. Soweit vertreten wird, dass die Befugnis der Einigungsstelle zur Errichtung einer solchen ständigen Einigungsstelle aus der Regelung zu einem Themenkomplex der erzwingbaren Mitbestimmung aufgrund der Annexkompetenz der Einigungsstelle zulässig sei (LAG Schleswig-Holstein vom 14.12.2006 – 4 TaBV 21/06), wird dem nicht gefolgt. Das gilt auch im Zusammenhang mit Wochendienstplänen. Unüberwindliche praktische Schwierigkeiten stehen der Ausübung des Mitbestimmungsrechts in solchen Fällen nicht entgegen. Den Betriebsparteien ist es durchaus zuzumuten, für Eilfälle entsprechende Vorsorge zu treffen. ■ Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 23.06.2008, 10 TaBV 303/08 173. Anrufung der Einigungsstelle, offensichtliche Unzuständigkeit durch bestehende Betriebsvereinbarung Eine bestehende Betriebsvereinbarung zum Regelungsgegenstand steht im Rahmen der „Offensichtlichkeitsprüfung“ des § 98 ArbGG einer Anrufung der Einigungsstelle nur dann nicht entgegen, wenn sie bereits gekündigt ist und Verhandlun- Rechtsprechung Personalvertretungsrecht gen zwischen den Betriebspartnern keine Ergebnisse zeitigen oder die geschlossene Betriebsvereinbarung nicht abschließend und ergänzungsbedürftig ist. ■ Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 29.07.2008, 1 TaBV 47/08 174. Anrufung der Einigungsstelle, offensichtliche Unzuständigkeit bei Zuständigkeitskonkurrenz zwischen örtlichem Betriebsrat und Konzernbetriebsrat Kann eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle unter Beteiligung des örtlichen Betriebsrats als auch des Konzernbetriebsrats zu dem gleichen Regelungsgegenstand nicht festgestellt werden, spricht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass der Betriebsrat vor Ort berufen ist, seine Mitbestimmungsrechte im Einigungsstellenverfahren zu wahren (Umkehrschluss aus §§ 50 Abs. 2, 58 Abs. 2 BetrVG). Die Einigungsstelle ist nur dann mit dem Konzernbetriebsrat zu errichten, wenn dieser offensichtlich zuständig ist. Eine parallele Einrichtung von zwei Einigungsstellen widerspricht der Zielsetzung des besonderen Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens. ■ Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 26.08.2008, 1 TaBV 62/08 175. Betriebsratsanhörung, bewusst falsche Unterrichtung, fehlende Mitteilung entlastender Umstände, Mitteilung der Kündigungsfrist 1. Der Betriebsrat muss richtig, vollständig und wahrheitsgemäß unterrichtet werden. Zwar reicht es, wenn der Arbeitgeber die aus seiner Sicht maßgebenden Kündigungsgründe im Einzelnen benennt. Eine Kündigung ist jedoch gemäß § 102 Abs 1 Satz 2 BetrVG rechtsunwirksam, wenn der Arbeitgeber wissentlich falsche Informationen gibt und/oder entlastende Umstände nicht mitteilt (Anschluss an BAG vom 13.05.2004 – 2 AZR 329/03). 2. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die beabsichtigte Kündigungsfrist grundsätzlich jedenfalls dann mitteilen, wenn diese nicht eindeutig ist, es sei denn, diese ist dem Betriebsrat ohnehin bekannt. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 03.03.2008, 14 Sa 1276/07 176. Personalratsanhörung, Probezeitkündigung, Mitteilung zusätzlicher Vereinbarungen Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei einer beabsichtigten Kündigung in der Probezeit an, wegen eines schon durchgeführten Umzugs nicht mit der kurzen Frist in der Probezeit zu kündigen, sondern das Arbeitsverhältnis erst zu einem späteren Zeitpunkt zu beenden, dann ist dieser Umstand dem Personalrat im Rahmen seines Anhörungsrechts nach Art. 77 Abs. 3 PersVG BY mitzuteilen. Landesarbeitsgericht Nürnberg vom 09.09.2008, 2 Sa 83/07 (Revision anhängig unter dem Az. 6 AZR 828/08) ■ 177. Schwerbehindertenvertreter, Schulungsanspruch, , Zuständigkeit im Beschlussverfahren Aus den Entscheidungsgründen: Über das Feststellungsbegehren des Klägers ist im Urteilsund nicht im Beschlussverfahren zu entscheiden. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG sind die Arbeitsgerichte im Urteilsverfahren zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Bei dem Streit um die Erforderlichkeit der Schulungsveranstaltung handelt es sich um eine solche Streitigkeit. Denn auch wenn der Kläger in seiner Funktion als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen an der Schulung teilnehmen will, so hätte er diese Funktion nicht, wenn er nicht Arbeitnehmer der Beklagten wäre. Die Vorschrift ist aber weit auszulegen, da alle Streitigkeiten erfasst werden sollten, die überwiegend im Arbeitsverhältnis wurzeln (vgl. BAG vom 21.9.1989 – 1 AZR 465/88 – AP Nr. 1 zu § 25 SchwbG 1986). Im Beschlussverfahren sind die Arbeitsgerichte, soweit es die Schwerbehindertenvertretungen betrifft, nach § 2a Abs. 1 Nr. 3 ArbGG demgegenüber für Angelegenheiten aus den §§ 94, 95, 139 des SGB IX zuständig. Der Gesetzgeber hat die Zuständigkeit im Beschlussverfahren in § 2a Ziffer 3a ArbGG hinsichtlich des Schwerbehindertenrechts damit beschränkt auf Angelegenheiten aus diesen explizit aufgeführten Vorschriften. Darin ist ein ausdrücklicher gesetzgeberischer Wille erkennbar, die Verfahren in Streitigkeiten über persönliche Rechte und Pflichten der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen nach § 96 SGB IX nicht im Beschlussverfahren, sondern im Urteilsverfahren durchzuführen. Hätte der Gesetzgeber dies anders gesehen, hätte er die Vorschrift des § 96 SGB IX in § 2a ArbGG aufnehmen können (so auch ArbG Hamburg vom 6.11.2003 – 4 Ca 320/03; a.A. LAG Nürnberg vom 22.10.2007 – 6 Ca 155/07). Auch eine Zuständigkeit im Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG für Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz ist nicht gegeben. Zwar wird der Vertrauensperson der Schwerbehinderten in einzelnen Vorschriften im SGB IX die gleiche persönliche Rechtsstellung eingeräumt wie einem Mitglied des Betriebsrats. Dadurch wird die Vertrauensperson aber nicht zum Betriebsverfassungsorgan (so schon BAG vom 16.08.1977 – 1 ABR 49/76 – AP Nr. 1 zu § 23 SchwbG). ■ Arbeitsgericht Düsseldorf vom 21.10.2008, 1 Ca 833/08 eingereicht von Rechtsanwältin Dr. Nathalie Oberthür, Im Mediapark 6, 50670 Köln, Tel.: 0221/3550510, Fax: 0221/35505135 [email protected]; www.rpo-rechtsanwaelte.de 02/09 139 Rechtsprechung Tarifrecht 178. Annahmeverzug, Freistellung eines BR-Mitglieds, Zustimmungsersetzungsverfahren 1. Der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug, wenn er für die Dauer des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG das zu kündigende Betriebsratsmitglied von der Arbeit freistellt. 2. Hat das zu kündigende Betriebsratsmitglied einen Vorgesetzten mit einer Tätlichkeit bedroht, so kann es für den Arbeitgeber zumutbar sein, für die Dauer des Zustimmungsersetzungsverfahrens das Betriebsratsmitglied einem anderen Vorgesetzten zu unterstellen. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 29.07.2008, 9 Sa 333/08 179. Weiterbeschäftigung eines Jugend- und Auszubildendenvertreters, Auflösungsantrag, Prognose der Beschäftigungsmöglichkeiten Aus den Entscheidungsgründen: Der Auflösungsantrag ist jedoch unbegründet, weil es der Antragstellerin zugemutet werden kann, die Beteiligte zu 1. in einer unbefristeten Vollzeitstelle weiter zu beschäftigen. Die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1. ist der Antragstellerin dann nicht zumutbar, wenn ein ausbildungsadäquater Dauerarbeitsplatz nicht zur Verfügung steht. Die Weiterbeschäftigungspflicht ist dabei nicht an das Vorhandensein einer freien Planstelle gebunden. Entscheidend ist, ob ein ausbildungsadäquater, auf Dauer angelegter und gesicherter Arbeitsplatz zur Verfügung steht (vgl. BVerwG vom 17.05.2000, PersR 2000, 421; BayVGH vom 05.04.2005 – 17 P 04.2517). Für diese Feststellung sind regelmäßig die Vorgaben des Arbeitgebers maßgebend, mit welchem Personal welche Arbeiten verrichtet werden sollen (vgl. BAG vom 06.11.1996 – 7 ABR 54/95). ... In der mündlichen Anhörung hat sich ergeben, dass die Antragstellerin zunächst zum 31.07.2007 mit Änderungen zum 01.09.2007 ein fertiges Stellenkonzept erarbeitet hatte. Unter anderem wurde danach eine 35-Stunden-Stelle bereits am 01.06. zum 01.09.2007 intern ausgeschrieben, die von Frau G. besetzt wurde. Frau G. machte ihrerseits eine unbefristete Vollzeitstelle frei, die in der Folge zum 15.10.2007 mit zwei neu eingestellten Teilzeitkräften, die jeweils einen befristeten Arbeitsvertrag hatten, besetzt wurde. Im April 2008 sollten die Stelle dann zwei aus Sabbatjahr und Elternzeit zurückkehrende unbefristet beschäftigte Kräfte ausfüllen. Diese sind jedoch bis heute nicht in ihr Arbeitsverhältnis zurückgekehrt. Schon die Einstellung von zwei Teilzeitkräften, deren Arbeitszeit zusammen eine Vollzeitstelle ausfüllt, zeigt, dass eine ausbildungsadäquate Dauerarbeitsstelle für die Beteiligte zu 1. vorhanden gewesen war. Dem steht nicht etwa das zum 01.09.2007 gültige Personalkonzept der Antragstellerin entgegen, wie es sich zur Überzeugung des Fachsenats dargestellt hat. Danach waren zum 01.09.2007 die neu ausgeschriebene 35-Stunden-Teilzeitstelle, die von Frau G. besetzt wurde, wie auch deren bisherige Vollzeitstelle vorhanden. Bis dahin war 140 02 / 09 es offen, wer die ausgeschriebene 35-Stunden-Stelle besetzen sollte. So hätte es durchaus weitere Bewerbungen geben können und hat es möglicherweise auch gegeben, so dass auch jemand anders dafür hätte in Frage kommen können. Die bisherige Stelle von Frau G. wäre weiterhin von ihr besetzt und demgemäß zusätzlich als unbefristete Vollzeitstelle zu der ausgeschriebenen 35-Stunden-Teilzeitstelle vorhanden gewesen. Auch als Frau G. auf Letztere umgesetzt worden war, war ihre bisherige Stelle vorhanden, wenn auch zeitweise nicht besetzt. Die Besetzung der ursprünglichen Stelle von Frau G. mit zurückkehrenden Teilzeitkräften war zwar beabsichtigt, organisatorisch jedoch nicht umgesetzt. Die Wiederbesetzung dieser Stelle war in diesem Zeitpunkt vielmehr mit einer hohen Unsicherheit behaftet. Wie die Entwicklung gezeigt hat, haben die erwarteten Rückkehrer ihren Dienst bis heute nicht angetreten. Dabei handelt es sich um keine unvorhersehbare Entwicklung, weil aller Erfahrung nach insbesondere Beurlaubungen von Erziehenden häufig verlängert werden. Demzufolge bleibt auch die Besetzung dieser Stelle mit befristet beschäftigten Teilzeitkräften vorläufig, bis sie zu einem nicht feststehendem Zeitpunkt mit einer unbefristeten Vollzeit- oder mehreren unbefristet beschäftigten Teilzeitkräften besetzt wird. Das aber zeigt, dass mit dieser Stelle bereits am 01.09.2007, aber auch heute noch, eine für die Beteiligte zu 1. ausbildungsadäquate Dauerarbeitsstelle bestand und besteht und von dieser auch besetzt werden kann. Die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1. war deshalb für die Antragstellerin zum 01.09.2007 zumutbar. ■ Bayerischer Verwaltungsgerichtshof vom 25.09.2008, 17 P 07.3394 eingereicht von Rechtsanwalt Matthias Heese, Julius-EchterStraße 8, 97084 Würzburg, Tel.: 0931/65802, Fax: 0931/64711 [email protected]; www.heese-nied.de Tarifvertragsrecht 180. Auslegung eines Firmentarifvertrages, Rationalisierungsschutz, Kündigungsverbot Regeln Tarifvertragsparteien, nachdem sie den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen hatten, für einen späteren Zeitraum einerseits ein Verbot der Produktionsverlagerung und bestimmen sie gleichzeitig, wie Schadensersatz berechnet wird, falls entgegen dem Verbot betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden, spricht dies für die Auslegung, dass ein absolutes Kündigungsverbot nicht gewollt war. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 10.03.2008, 2 Sa 1411/07 Rechtsprechung Tarifrecht 181. Tarifliches Vergütungssystem, BAT, Lebensaltersstufen, Altersdiskriminierung 183. Streik, Wahrung des Kampfmittelgleichgewichts, „Flashmob-Aktionen“ als Arbeitskampfmittel 1. Die Staffelung der Grundvergütung nach Lebensaltersstufen gemäß § 27 A Abs. 1 BAT i.V.m. dem Anwendungstarifvertrag des Landes Berlin vom 31.07.2003 und dem Vergütungstarifvertrag Nr. 35 stellt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters i.S.d. §§ 1, 3 AGG dar. Diese unmittelbare Benachteiligung ist nicht nach den §§ 10, 5, 8 AGG gerechtfertigt. Die tarifvertragliche Staffelung der Grundvergütung ist gem. § 7 Abs. 2 AGG insoweit unwirksam, als sie lediglich wegen des Lebensalters eine geringere Vergütung bei vergleichbarer Tätigkeit ausweist als die höchste Lebensaltersstufe. 2. Bei Verstößen gegen die Benachteiligungsverbote des § 1, 3 AGG sind die leistungsgewährenden, nicht benachteiligenden Tarifvertragsbestimmungen auf diejenigen Personen zu erstrecken, die entgegen den Benachteiligungsverboten von den tariflichen Leistungen ausgeschlossen wurden. Das ist solange anzunehmen, bis die Tarifvertragsparteien selbst eine diskriminierungsfreie Regelung schaffen. ■ Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 11.09.2008, 20 Sa 2244/07 1. Aufrufe einer Gewerkschaft an ihre Mitglieder und andere Personen während eines Streiks im Einzelhandel zu „Flashmob“-Aktionen unterfallen als einen laufenden Arbeitskampf ergänzende Maßnahmen grundsätzlich der in Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit und im engeren Sinne der darin geschützten Freiheit der Wahl der Arbeitskampfmittel. Es handelt sich nicht um Aufrufe zu unzulässigen Betriebsblockaden oder Sabotageaktionen. 2. Die Grenze des Kampfgleichgewichts (Kampfparität) ist durch solche Aufrufe jedenfalls dann nicht überschritten, wenn der Wirkung des Streiks in den Betrieben zuvor durch Einsatz von Leiharbeitnehmern weitgehend ausgewichen und der Streik in der Öffentlichkeit deshalb kaum noch wahrgenommen wurde. 3. Die Zulässigkeit solcher Aufrufe ist im Einzelfall am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen, wobei die Koalitionsbetätigungsfreiheit mit kollidierenden Rechtspositionen des Kampfgegners und Dritter abzuwägen ist. 4. Dem bei solchen Aufrufen durch die Einbeziehung von Nichtmitgliedern erhöhten Exzessrisiko kann die Gewerkschaft im Einzelfall durch umsichtige Vorbereitung und Durchführung der danach erfolgten Aktion ausreichend entgegenwirken. ■ Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 29.09.2008, 5 Sa 967/08 (Revision anhängig unter dem Az. 1 AZR 972/08) 182. Betriebliche Vergütungsordnung, Nachwirkung bei Wegfall der Tarifbindung, Übergang zu freien Vergütungsvereinbarungen, Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats 1. Die ursprünglich kraft Tarifbindung im Betrieb geltenden Grundsätze der tariflichen Vergütungsordnung bleiben auch nach dem Wegfall der Tarifbindung das für den Betrieb maßgebliche Vergütungsschema, ohne dass es einer Transformation durch die Betriebsparteien oder die Arbeitsvertragsparteien bedarf (Bestätigung BAG vom 15.04.2008 – 1 AZR 65/07) 2. Entscheidet sich der Arbeitgeber im Nachwirkungszeitraum eines Tarifvertrages, mit allen neu eingestellten Mitarbeitern frei verhandelte Vergütungsvereinbarungen abzuschließen und den Tarifvertrag nicht mehr anzuwenden, handelt es sich um eine kollektive Maßnahme und eine Änderung der betrieblichen Vergütungsordnung, die der Beteiligung des Betriebsrates bedarf. 3. Daraus folgt nicht zwingend, dass der Arbeitgeber bei Neueinstellungen die Höhe der tariflichen Vergütung beibehalten musste, solange nicht der Betriebsrat einer Änderung der Entlohnungsgrundsätze zugestimmt hatte. Sowohl betriebsverfassungsrechtlich als auch individualrechtlich ist es dem Arbeitgeber möglich, das Gehaltsniveau unter Beibehaltung der bisherigen Eingruppierungssystematik auch ohne Zustimmung des Betriebsrates um bestimmte Prozentsätze insgesamt abzusenken. ■ Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 15.12.2008, 6 TaBV 51/08 184. Tariffähigkeit, Gewerkschaftseigenschaft der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist nicht tariffähig im Sinne des Gesetzes. Es fehlt der CGZP an der erforderlichen „Sozialmächtigkeit“ im Sinne der Rechtsprechung des BAG. Das BAG setzt für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie voraus, dass die jeweiligen sozialen Gegenspieler über eine Durchsetzungskraft gegenüber der tariflichen Gegenseite verfügen. Eine solche Durchsetzungsfähigkeit der CGZP ist nicht festzustellen. Dass die CGZP eine Reihe von Tarifverträgen abgeschlossen hat, führt – im Gegensatz zum Regelfall – nicht zu einer Indizwirkung für eine Sozialmächtigkeit. Denn in der vorliegenden Konstellation der Zeitarbeit muss die Arbeitgeberseite nicht zum Abschluss eines Tarifvertrages „gedrängt“ werden, vielmehr hat sie ihrerseits ein massives eigenes Interesse daran, überhaupt einen Tarifvertrag abzuschließen, weil nur so dem „Equal-Pay-Gebot“ in § 9 Nr. 3 AÜG entgegengewirkt werden kann. Sonstige Merkmale wie beispielsweise die Mitgliederzahl in den Organisationen, sprechen ebenfalls nicht für das Vorliegen einer „Sozialmächtigkeit“. ■ Arbeitsgericht Berlin vom 01.04.2009, 35 BV 17008/08 02/09 141 Rechtsprechung Prozessuales Prozessuales 188. Rechtsweg, Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit bei Arbeitnehmer-Geschäftsführer 185. Örtliche Zuständigkeit des Arbeitsortes, § 48 Abs. 1a ArbGG, Zahlungsklage Aus den Entscheidungsgründen: Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b ArbGG eröffnet, wonach diese ausschließlich zuständig sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Der Kläger gilt gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer, weil er als Geschäftsführer im Betrieb der Beklagten gem. § 35 Abs. 1 GmbHG zu deren Vertretung berufen war. Der Kläger ist durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 08.06.2004 zum Geschäftsführer mit Einzelvertretungsberechtigung bestellt worden. In der gleichzeitigen Bestellung zum Leiter der Niederlassung B. lag ein Angebot zu einem entsprechenden Änderungsvertrag, das der Kläger durch sein entsprechendes Tätigwerden zumindest konkludent angenommen hat. Damit ist sein ab 01.03.2004 begründetes Arbeitsverhältnis als leitender Angestellter nicht beendet worden, was auch am Mangel der Schriftform gem. §§ 125 Satz 1, 623 BGB gescheitert wäre. Wie der Kläger selbst erkannt hat, ist neben dieses Arbeitsverhältnis kein weiteres Rechtsverhältnis getreten. Denn durch die Bestellung zum Geschäftsführer als solche wird noch keine schuldrechtliche Beziehung zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer begründet (BAG vom 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06). Bildete sonach aber das nur inhaltlich geänderte Arbeitsverhältnis des Klägers die Grundlage für seine Geschäftsführerbestellung, kann er sich gegen dessen Kündigung wegen der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht vor den Gerichten für Arbeitssachen wehren. Dies kommt nur in Betracht, wenn sich der Kündigungsadressat in einer klar unterscheidbaren Doppelstellung als Arbeitnehmer und Geschäftsführer befindet (BAG vom 17.01.1985 – 2 AZR 96/84). ■ Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 26.01.2009, 6 Ta 174/09 eingereicht von Rechtsanwalt Thomas Zahn, Budapester Straße 40, 10787 Berlin, Tel.: 030/2545910, Fax: 030/25459166 [email protected]; www.advocati.de Aus den Entscheidungsgründen: Gem. § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 12 ff., 29 ZPO bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit des Gerichts nach dem Wohn- bzw. Firmensitz der beklagten Partei oder auch nach dem Erfüllungsort. Gem. § 48 Abs. 1a ArbGG n.F. ist das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Ist danach ein gewöhnlicher Arbeitsort nicht feststellbar, ist das ArbG örtlich zuständig, von dessen Bezirk aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Danach ergibt sich Folgendes: Der Kläger war Betriebsinspektor und Projektleiter, in diesem Rahmen nahm er von zu Hause aus seine Tätigkeit auf. Sein Wohnort liegt in ... (ArbG-Bezirk Münster). Er war bundesweit tätig und hat auch im Rahmen des Projektes K. seit Februar 2008 außerhalb liegende Orte aufgesucht. Ein gewöhnlicher Arbeitsort in ... ist somit nicht feststellbar. Demgemäß war der Rechtsstreit nach Anhörung der Parteien an das zuständige Arbeitsgericht Münster zu verweisen. ■ Arbeitsgericht Hamm vom 02.01.2009, 2 Ca 1993/08 eingereicht von Rechtsanwalt Ralf Gosda, Von-Geismar-Straße 2, 59229 Ahlen, Tel.: 02382/918770, Fax: 02382/9187777 186. Rechtsweg, Organvertreter, sic-non-Fall Es handelt sich um einen sic-non-Fall, der die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründet, wenn ein Kläger nach Erlöschen seines Vorstandsamtes die Beschäftigung als Arbeitnehmer begehrt, weil ein Vertrag über die Arbeitsinhalte durch mündliche Vertragsannahme und Weiterbeschäftigung über das Erlöschen der Vorstandsfunktion hinaus zustande gekommen sei. Ob dies zutrifft ist in der Hauptsache und nicht im Zuständigkeitsverfahren zu klären. Rückständige Vergütung, die teilweise aus der Vorstandszeit herrührt, kann dann als Zusammenhangsklage ebenfalls vor den Arbeitsgerichten geltend gemacht werden. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 10.09.2008, 2 Ta 153/08 187. Rechtsweg, Geschäftsführer, Organstellung nach Insolvenzeröffnung Ein GmbH-Geschäftsführer mutiert nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zum Arbeitnehmer des Insolvenzverwalters, wenn er seine Arbeitskraft bei einer Betriebsfortführung zur Verfügung stellt. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 25.09.2008, 2 Sa 162/08 142 02 / 09 189. Rechtsweg, Zusammenhangsklage, Arbeitnehmerdarlehen I. Die Klägerin macht einen Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 5.000,00 Euro gegen den Beklagten geltend. Zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung am 15.08.2005 war die Klägerin Arbeitnehmerin des Beklagten. II. Der von der Klägerin beschrittene Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist nicht gegeben. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne von § 13 GVG liegt nicht vor. Vielmehr handelt es sich um eine Streitigkeit, für die nach § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG die Arbeitsgerichte zuständig sind. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG sind die Gerichte für Arbeits- Rechtsprechung Prozessuales sachen ausschließlich zuständig für Ansprüche zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus Darlehen, die sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer wechselseitig anlässlich eines Arbeitsverhältnisses gewähren, wenn das Darlehen selbst mit dem Arbeitsverhältnis in einem inneren Zusammenhang steht (Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 22.03.2006, 3 Ta 86/06; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Koch, 9. Aufl. 2009, § 2 ArbGG, Rn 26) . Im vorliegenden Rechtsstreit behauptet der Beklagte, die Gewährung eines Darlehens sei allein aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses erfolgt. Dafür, dass ein solcher unmittelbarer rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis nicht bestanden hat und somit eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte eröffnet wäre, bietet die Klägerin keinen Beweis an. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet wäre, lässt sich daher nicht feststellen. Vielmehr folgt aus dem engen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsverhältnis und dem Arbeitnehmerdarlehen die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG. ■ Amtsgericht Villingen-Schwenningen vom 7.01.2009, 5 C 448/09 eingereicht von Rechtsanwalt Jochen Link, Niedere Straße 63, 78050 Villingen-Schwenningen, Tel.: 07721/331 66, Fax: 07721/331 97 [email protected]; www.law4u.de 190. Klagefrist, Kündigung, Schriftform Die Formunwirksamkeit einer Kündigungserklärung per E-Mail kann auch außerhalb der Drei-Wochen-Frist geltend gemacht werden. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 19.03.2008, 7 Sa 919/07 191. Protokollierter Vergleich, unerkannter Berechnungsfehler, Beschwerde gegen Berichtigung Wird der Text eines protokollierten gerichtlichen Vergleichs, der in der mündlichen Verhandlung „vorgelesen und genehmigt“ worden ist, nachträglich wegen eines bei der Protokollierung unerkannt gebliebenen Rechenfehlers abgeändert, so kann dagegen analog § 319 Abs. 3 ZPO sofortige Beschwerde eingelegt werden. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 15.05.2008, 9 Ta 91/08 (Rechtsbeschwerde anhängig unter dem Az. 3 AZB 64/08) 192. Meinungsäußerung im Prozess, Beleidigung oder Wahrnehmung berechtigter Interessen, Richter bzw. Beamtenbeleidigung Sachverhalt: In einem Zivilverfahren richtete ein Frührentner, von Beruf Lokführer, ein Schreiben an die zuständige Richterin: „Ich stelle es Ihnen zum Vorteil, dass Ihr Intelligenzquotient wohl nur mit dem Durchschnitt zu bewerten ist, da Sie sich ansonsten nicht zu einer derartigen Begründung hinreißen lassen könnten. Von der Sache her gehören Sie auf das Arbeitsamt, da Sie wohl trotz Ihrer Qualifikation nicht Ihrer Aufgabe gewachsen sein dürften.“ Anlass für dieses Schreiben des Angeklagten war ein Beschluss der Richterin am Landgericht ... gewesen, mit dem er nicht einverstanden gewesen war und über den er sich subjektiv sehr erregt hatte, wie das gesamte achtseitige „Protestschreiben“ ergibt. Die Richterin stellte Strafantrag wegen Beleidigung und das heimische Amtsgericht verurteilte den Schreiber zu einer Geldstrafe. Das LG Cottbus sprach ihn dagegen frei und räumte dabei mit diversen Vorurteilen auf, die auch in der Justiz durchaus verbreitet scheinen. Entscheidungsgründe: ... III. Der Angeklagte war aus Rechtsgründen freizusprechen. Zu Unrecht und ohne nähere Begründung, insbesondere ohne die erforderliche Abwägung von Meinungsfreiheit und Ehrenschutz, hat das Amtsgericht diese Unmutsäußerung des Angeklagten als Beleidigung gewertet. Der Angeklagte hat das Schreiben eingeräumt und sich dahin eingelassen, dass er hiermit nicht die Absicht gehabt hätte, die Richterin ... in ihrer Ehre herabzusetzen, sondern lediglich seinen Unmut über eine von dieser Richterin verantwortete richterlichen Entscheidung zum Ausdruck bringen wollte. Es sei „nicht persönlich gemeint“ gewesen, er habe sich nicht anders zu helfen gewusst. Bereits in seiner Stellungnahme zur Anklageschrift hatte der Angeklagte betont, seine Aussage sei „im Sinn der freien Meinungsäußerung“ zu verstehen und nicht als Beleidigung gedacht gewesen. Die Rechtssprechung lässt – insbesondere bei Rechtsanwälten – derartige Unmutsäußerungen „im Kampf ums Recht“, auch wenn sie „im Eifer des Gefechts“ über das Ziel hinausschießen, sehr weitgehend zu, solange keine Formalbeleidigungen oder keine offensichtliche Schmähkritik vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall. Zum einen ist die Meinungsäußerung, dass die Richterin ... „nur“ über einen durchschnittlichen Intelligenzquotienten verfüge, schon objektiv nicht beleidigend. Denn ca. 68% der Bevölkerung verfügen per definitionem nach der überwiegend anerkannten Wechslerskala über einen durchschnittlichen Intelligenzquotienten von 100 Punkten mit einer Standardabweichung von +/- 15 Punkten (vgl. Wikipedia, Freie Enzyklopädie, Stichwort „Intelligenzquotien“) und es 02/09 143 Rechtsprechung Prozessuales kann nicht beleidigend sein, für eine Person anzunehmen, was für die Mehrheit der Bevölkerung objektiv zutrifft. Im Übrigen ist die Kammer auch davon überzeugt, dass es keiner überdurchschnittlichen Intelligenz bedarf, um das Abitur abzulegen, ein Jurastudium zu absolvieren und richterlicher Tätigkeit nachzugehen. Die Kammer ist aufgrund langjähriger Erfahrung mit einer Vielzahl von Juristen und von Kollegen der Überzeugung, dass es jedem durchschnittlich intelligenten Menschen bei einem gewissen Fleiß möglich ist, erfolgreich die höhere Schulbildung und ein Jurastudium zu absolvieren und beanstandungsfrei richterlicher Tätigkeit nachzugehen. Dass richterliche Tätigkeit Hochintelligenten mit einem überdurchschnittlichen IQ vorbehalten wäre, entspricht keinem Erfahrungssatz. Auch die Auffassung des Angeklagten, dass die Richterin K besser auf dem Arbeitsamt aufgehoben wäre, ist objektiv nicht beleidigend, sondern mit ihrer Begründung sogar durchaus vorsichtig formuliert, weil der Angeklagte ihr sowohl ihre juristische Qualifikation durchaus zugesteht als auch die vorsichtige Formulierung „dürften“ gebraucht. Im Übrigen lässt sich die Äußerung nicht nur so (böswillig) interpretieren, dass die Richterin K infolge mangelnder Qualifikation aus dem Dienst entfernt werden und als Arbeitssuchende sich auf dem Arbeitsamt melden müsste, sondern sie kann durchaus auch so verstanden werden, dass der Angeklagte der Auffassung ist, dass die Richterin ... statt richterlicher Tätigkeit nachzugehen, besser einer Tätigkeit auf dem Arbeitsamt nachgehen sollte. Es ist gerichtsbekannt, dass bei den Arbeitsagenturen, insbesondere in leitenden Positionen, auch Volljuristen beschäftigt sind, die gesellschaftlich kein oder nur geringfügig geringeres Ansehen genießen als Volljuristen, die im richterlichen Dienst tätig sind. Insoweit kann auch eine solche Äußerung schon objektiv nicht als Beleidigung gewertet werden, zumal es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht, dass von mehreren möglichen Interpretationen nicht zulasten des Angeklagten diejenige gewählt werden darf, die zu einer Strafbarkeit führt, wenn auch eine Auslegung möglich ist, die zu einer Straflosigkeit des Angeklagten führt: Entscheidet ein Gericht unter mehreren möglichen Deutungen einer Äußerung sich für eine dem sich Äußernden zum Nachteil gereichenden Auslegung, ohne die anderen in Betracht kommenden Auslegungen unter Angabe überzeugender Gründe auszuschließen, so wird durch diese Vorgehensweise die Freiheit der Meinungsäußerung verkannt (BVerfG, Beschluss 1 BVr 40/86 vom 19.04.1990; BVerfG E 82, 43 ff. (51); BVerfG, Beschluss 1 BVr 126/91 vom 14.07.1993). Im Übrigen wären die Äußerungen des Angeklagten, selbst dann, wenn man sie als objektiv beleidigend qualifizieren wollte, nach § 193 StGB wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt. Bei der Anwaltschaft geht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Obergerichte insoweit sehr weit. Das Kammergericht hat entschieden, dass die Äußerung eines Anwalts „die Justiz kann sich nach 144 02 / 09 Auffassung des Unterzeichneten weder Richter leisten, welche zu dumm sind, noch solche, welche absichtlich Fehlurteile produzieren ... “ als von § 193 StGB gedeckt betrachtet (KG Berlin, 5. Strafsenat, 1 Ss 204/95, Beschluss vom 20.09.1996). Diese Äußerung, die das Kammergericht bei einem Anwalt nach § 193 StGB als gerechtfertigt angesehen hat, ist wesentlich härter als die Formulierung, die der Angeklagte hier in Bezug auf die Richterin ... gebraucht hat. Auch das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass übertreibende Bewertungen des Gläubigerverhaltens wie „Wucher“ oder „erpressen“ in einem Anwaltsschriftsatz noch durch Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt sein können (OLG Köln, 1. Strafsenat, Urteil vom 20.02.1979 – 1 Ss 69/79). In einer neuen – allerdings auch nach Auffassung der Kammer sehr weitgehenden – Entscheidung hat das BVerfG (1 BvR 1318/07) am 05.12.2008 einstimmig beschlossen, dass selbst die Bezeichnung „Dummschwätzer“ nicht notwendig den Tatbestand der Beleidigung erfüllt, sondern nach § 193 StGB gerechtfertigt sein kann, wenn nicht die notwendige kontextorientierte Analyse der Aussage ergibt, dass im Einzelfall in der Güterabwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehre dem Ehrenschutz der Vorrang gebührt. Unabhängig davon könne eine Aussage nur dann als Schmähkritik gewertet werden, „wenn es sich um eine Äußerung handelt, deren diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass sie in jedem denkbaren Zusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint“ und daher kontextunabhängig stets als persönlich diffamierende Schmähung aufgefasst werden muss, „wie dies möglicherweise bei der Verwendung besonders schwerwiegender Schimpfwörter – etwa aus dem Bereich der Fäkalsprache – der Fall sein kann (BVerfG 1 BvR 1318/07 v. 05.12.2008, Zit. nach juris, Rz 16). Seit der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfG, StV 2000, 414 f. m.w.N. ist anerkannt, dass die Meinungsfreiheit grundsätzlich dem Persönlichkeitsschutz vorgeht, zumal bei einer Abwägung zugunsten eines Rechtsanwalts ins Gewicht fällt, dass dieser „im Kampf ums Recht“ auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte zur Unterstreichung seiner Rechtsposition gebrauchen darf (BVerfG a.a.O.). Wenn dies einem Organ der Rechtspflege erlaubt ist, von dem man erwarten kann, dass es seine Worte sorgfältiger wählt als ein wenig gebildeter Lokomotivführer und Frührentner, so muss dies erst recht für die Unmutsäußerungen einer Naturpartei gelten; diese kann nicht in vergleichbaren Situationen strenger beurteilt werden als ein gebildetes Organ der Rechtspflege, das dazu ausgebildet und gewohnt ist, seine Worte sorgfältig zu setzen. Es ist anerkannt, dass eine herabsetzende Äußerung erst dann den Charakter einer Schmähung annimmt, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, Beschluss 1 BVr 1165/89 vom 26.06.1990; BVerfG 82, 272 (284); BVerfG, Beschluss 1 BVr 1917/04 vom 23.08.2005). Rechtsprechung Prozessuales Dies ist hier schon objektiv nicht der Fall. Umso weniger wäre der Nachweis der subjektiven Tatseite zu führen, da der Angeklagte bestritten hat, dass es ihm um die Diffamierung der Richterin ... gegangen sei. Schließlich ist festzuhalten, dass es für Beamtete oder in einem beamtenähnlichen Verhältnis wie Richter stehende im öffentlichen Dienst beschäftigte Personen keinen gesteigerten Ehrenschutz gegenüber der durchschnittlichen Bevölkerung gibt. Ein besonderer Tatbestand der Richter- oder Beamtenbeleidigung existiert entgegen verbreiteten Fehlvorstellungen in Teilen der Bevölkerung nicht. Es ist kaum vorstellbar, dass ein Angeklagter deshalb verurteilt werden würde, weil er Zweifel an der Qualifikation eines Automechanikers, eines Klempnermeisters oder Zahntechnikers übt, sofern dies nicht in formal beleidigender Form oder in Form verbotener Schmähkritik erfolgt. Gleiches muss auch für Richter gelten. In einem Staatswesen, das sich nicht autoritär und obrigkeitsstaatlich, sondern als demokratischer Rechtsstaat versteht, sind Organe der Justiz nicht der Kritik der Bevölkerung generell enthoben, sondern sie müssen sich wie jede andere Berufsgruppe auch in den hier nicht überschrittenen zulässigen Grenzen der Meinungsfreiheit auch mit deutlichen Worten Kritik gefallen lassen, ohne hierauf sogleich mit Strafanzeigen wegen Beleidigung zu reagieren. Der gegen den Angeklagten erhobene Vorwurf der Beleidigung ließ sich daher weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht aufrechterhalten, so dass er mittels sich aus § 467 Abs. 1 StPO ergebener Kostenfolge aus Rechtsgründen freizusprechen war. ■ Landgericht Cottbus vom 27. Januar 2009, 25 Ns 278/08 193. Berufung, Versäumung der Berufungsfrist, Umdeutung in Anschlussberufung Eine verspätet eingelegte Berufung kann in eine unselbständige Anschlussberufung umgedeutet werden, wenn deren Zulässigkeitsvoraussetzungen gewahrt sind und dem (Anschluss-) Berufungskläger aus der Umdeutung keine Rechtsnachteile entstehen können. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 21.11.2007, 7 Ta 647/07 194. Berufungsfrist, Anwaltsverschulden bei Fristenberechnung, Wiedereinsetzung, Zurechenbares Anwaltsverschulden ist gegeben, wenn der Anwalt bei Aktenvorlage vor Ablauf der Berufungsfrist die korrekte Fristberechnung nicht überprüft (Anschluss BAG vom 31.01.2008 – 8 AZR 27/07). Auf den Beginn der 5-Monatsfrist nach § 66 Abs 1 ArbGG ist § 222 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar, da nur die Berufungseinlegungsfrist als solche eine Notfrist darstellt. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 28.07.2008, 2 Sa 545/08 195. Nichtzulassungsbeschwerde, Divergenz, Anforderungen an die Beschwerdebegründung Aus den Entscheidungsgründen: Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig, denn sie ist nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form begründet worden. Zur ordnungsgemäßen Begründung einer auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde gehört, dass der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung sowie einen hiervon abweichenden abstrakten, also fallübergreifenden Rechtssatz aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte anführt und konkret und fallbezogen darlegt, dass das anzufechtende Urteil auf dieser Abweichung beruht (BAG vom 15.09.2004 – 4 AZN 281/04, BAGE 112, 35). Ein Beschwerdeführer genügt seiner Begründungslast nicht schon dadurch, dass er die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abweichenden Erwägungen des Landesarbeitsgerichts wiedergibt. Hat das Landesarbeitsgericht seiner Subsumtion keinen Obersatz vorangestellt, muss der Beschwerdeführer den sich aus den einzelfallbezogenen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ergebenden Rechtssatz selbst formulieren (BAG vom 14.02.2001 -9 AZN 878/00, AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 42). Zur ordnungsgemäßen Begründung einer solchen Beschwerde ist in aller Regel erforderlich, dass konkret und im Einzelnen begründet wird, warum das Landesarbeitsgericht von dem betreffenden Rechtssatz ausgegangen sein muss (BAG vom 06.12.2006 – 4 AZN 529/06, AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 51; BAG vom 04.06.2008 – 4 AZN 704/07). 2. Die Beschwerdebegründung genügt nicht diesen Anforderungen. ... ■ Bundesarbeitsgericht vom 29.12.2008, 4 AZN 535/08 eingereicht von Rechtsanwalt Dr. Stephan Pauly, KurtSchumacher-Straße 16, 53113 Bonn, Tel.: 0228/6209010, Fax: 0228/6209091 [email protected]; www.paulypartner.de 196. Anordnung persönlichen Erscheinens, Ordnungsgeld, Zurechnung eines Verschuldens des Prozessvertreters Aus den Entscheidungsgründen: Zwar hat das Arbeitsgericht die Klägerin zum Kammertermin am 20.05.2008 ordnungsgemäß zum persönlichen Erscheinen geladen. Die Klägerin ist gleichwohl zum Termin nicht erschienen. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist jedoch ermessensfehlerhaft. Die Klägerin war zum Erscheinen in der Kammerverhandlung vom 20.05.2008 aufgrund einer stationären Behandlung tatsächlich verhindert. Die Klägerin hat ihr Fehlen nunmehr hinreichend entschuldigt ... Zwar wäre es der Klägerin möglich gewesen, den Hinderungsgrund bereits vor dem Termin dem Arbeitsgericht mitzuteilen, wozu sie auch verpflichtet gewesen wäre. Die Klägerin hat aber ausweislich 02/09 145 Rechtsprechung Sonstiges der eingereichten Unterlagen ihren Prozessbevollmächtigten über ihre Verhinderung unterrichtet, der diese jedoch an das Gericht nicht weitergegeben hat. Die Nichtweitergabe durch den Prozessbevollmächtigten war pflichtwidrig, da dieser das Gericht im Vorfeld auf das Nichterscheinen der Klägerin hätte hinweisen müssen. Die Klägerin ihrerseits hatte damit aus ihrer Sicht alles getan, um ihr Erscheinen zu entschuldigen. Das Verschulden des Prozessvertreters ist der Partei jedoch nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO hinzuzurechnen. Das Nichterscheinen zum Termin trotz Ladung zum persönlichen Erscheinen ist ein persönliches Fehlverhalten der Partei und hat mit der Wirkung der Prozessvollmacht gemäß § 85 ZPO nichts zu tun. ■ Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 25.11.2008, 16 Ta 411/08 eingereicht von Rechtsanwalt Christian Puhr-Westerheide, Beethovenstraße 21, 47226 Duisburg, Tel.: 02065/30000, Fax: 02065/300050 [email protected]; www.ra-npp.de 197. Prozesskostenhilfe, Berücksichtigung einer gezahlten Abfindung Übersteigt eine gezahlte Abfindung das doppelte Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 SGB XII, so ist der übersteigende Anteil als Vermögen nach § 115 ZPO zu berücksichtigen (im Anschluss an BAG vom 24.04.2006 – 3 AZB 12/05, NZA 2006, 751). ■ Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 01.10.2008, 15 Ta 1984/08 198. Prozesskostenhilfe, Mutwilligkeit, Klageerweiterung, Beiordnung in Zeugnisrechtsstreit 1. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, der für ihn der Kostspieligere ist. Regelmäßig ist daher die Anstrengung eines neuen Prozesses statt einer Klageerweiterung mutwillig, wenn nicht ausnahmsweise für die Erhebung einer zweiten Klage nachvollziehbare Gründe bestehen. 2. Besondere Gründe, die der Beiordnung eines Rechtsanwalts entgegenstehen, können vorliegen, wenn ein Rechtsstreit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht sehr einfach gelagert ist. Hierunter fällt die Klage auf Erteilung eines Zeugnisses jedenfalls bis zur Durchführung des Gütetermins. Der bedürftigen Partei kann es zumutbar sein, den Gütetermin ohne Vertretung durch einen Rechtsanwalt wahrzunehmen, um abzuwarten, ob die beklagte Partei Einwendungen gegen den geltend machten Anspruch erhebt. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 11.07.2008, 11 Ta 185/08 146 02 / 09 199. Prozesskostenhilfe, Keine Bewilligung nach Abschluss des Rechtsstreits Prozesskostenhilfe darf nur für ein bevorstehendes oder laufendes Verfahren bewilligt werden. Nach Beendigung der Instanz kommt eine Bewilligung grundsätzlich nicht mehr in Betracht. Ein erst nach Instanzbeendigung eingereichter Antrag ist daher zurückzuweisen. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 25.11.2008, 10 Ta 197/08 200. Prozesskostenhilfe, Fristsetzung zur Vervollständigung des Antrags Liegt vor Beendigung der Instanz ein unvollständiger Antrag vor und setzt das Arbeitsgericht daraufhin eine angemessene Frist zur Vervollständigung, muss diese Frist von der Partei gewahrt werden. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 27.08.2008, 9 Ta 150/08 Sonstiges 201. Sozialversicherungspflicht, Beitragsrecht Unwiderrufliche Freistellung von der Arbeitsleistung, Beschäftigungsverhältnis, Aus den Entscheidungsgründen: Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Versicherungspflicht des Klägers endete nicht bereits mit seiner Freistellung von der Arbeit, sondern bestand bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fort. ... Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung ist u.a. wer gegen Entgelt beschäftigt ist. Ebenso besteht Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung für gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte. Beide Versicherungspflichttatbestände setzen damit eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV voraus. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Sie erfordert damit stets den Vollzug eines entsprechenden Rechtsverhältnisses. Der für die Annahme einer Beschäftigung und deren Fortbestand erforderliche „Vollzug“ besteht zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes idealtypisch in der realen Erbringung der „versprochenen Dienste“ i.S.v. § 611 BGB. Indessen kann die tatsächliche Arbeitsleistung insbesondere, wenn das Arbeitsverhältnis bereits in der Vergangenheit tatsächlich vollzogen worden war, durch andere Umstände ersetzt werden. Dies ergibt sich im Licht des Schutzzwecks der Sozialversicherung bereits aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats und wird durch die neuere Rechtsentwicklung bestätigt. aa) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, setzt eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung voraus. Deren Erbringung ist für die Annahme eines „Vollzuges“ zwar stets hinreichend, kei- Rechtsprechung Sonstiges nesfalls aber immer notwendig. Im Sinne der ausreichenden Gewährleistung öffentlichrechtlichen Versicherungsschutzes liegt vielmehr ein ausreichender Vollzug auf die Erbringung abhängiger Arbeit gerichteter Rechtsverhältnisse u.a. auch dann vor, wenn der Dienstverpflichtete bei Fortbestand des rechtlichen Bandes aufgrund gesetzlicher Anordnung oder durch eine besondere vertragliche Abrede von seiner – damit jeweils als grundsätzlich weiter bestehend vorausgesetzten – Leistungspflicht befreit wird. Soweit die Versicherungspflicht darüber hinaus Entgeltlichkeit erfordert, kann dieser Voraussetzung folgerichtig auch dadurch genügt werden, dass sich ein Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer entsprechenden vertraglichen Regelung oder aufgrund spezialgesetzlicher Anordnung ergibt. § 7 Abs. 1a SGB IV, der im Sinne einer übergreifenden Regelung Zweifel am (Fort-) Bestehen einer entgeltlichen Beschäftigung im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit beseitigen soll, bestätigt dies heute exemplarisch für die dort spezialgesetzlich erfasste Fallgruppe der Freistellung von der Arbeitspflicht bei durchgehender Entgeltzahlung auf der Grundlage von Wertguthaben. Im Übrigen wurde auch im Gesetzgebungsverfahren davon ausgegangen, dass es einer Regelung für weitere Fälle fehlender Arbeitserbringung wie etwa bei Erholungsurlaub, Krankheit oder einer Freistellung für Bildungsmaßnahmen unter Entgeltfortzahlung nicht bedürfe und insofern von der Fortgeltung einer „gefestigten Rechtsprechung“ auszugehen, sei, in die nicht eingegriffen werden solle (BT-Drucks 13/9741 S. 9). bb) So ist innerhalb des in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnisses seit langem unbestritten, dass (gegen Arbeitsentgelt) „beschäftigt“ auch derjenige bleibt, der etwa nach § 275 Abs. 1 BGB, §§ 1 ff. BUrIG von der Verpflichtung zur Arbeit frei wird (BSG vom 15.12.1971 – 3 RK 87/68, BSGE 33, 254, speziell zum Fortbestehen der versicherungspflichtigen Beschäftigung bei Erholungsurlaub BSG vom 26.3.1980 – 3RK 9/79, USK 8062, und bei Annahmeverzug des Arbeitgebers BSG vom 26.11.1985 – 12 RK 51/83, BSGE 59, 183). Ebenso besteht eine Beschäftigung fort, wenn die Arbeitsvertragsparteien einverständlich am Arbeitsverhältnis festhalten, um es nach einer Zeit der Freistellung von der Arbeitsleistung fortzusetzen (vgl. zur Freistellung zur Durchführung eines Studiums BSG vom 12.11.1975 – 3/12 RK 13/74, BSGE 41,24; zur Fortführung während einer Wehrübung BSG vom 14.9.1989 – 4 RA 56/88, BSGE 65; 266; zur Aufrechterhaltung trotz Inhaftierung des Arbeitnehmers BSG vom 18.4.1991 – 7 RAr 106/90, BSGE 68, 236). Auch derartige Sachverhalte gewährleisten hiernach in einem für die Annahme einer Beschäftigung ausreichenden Maß gleichermaßen eine gemeinsame Bestätigung des vertraglichen Bandes wie insbesondere ein hinreichendes Substitut für die Arbeitspflicht. cc) Das BSG hat darüber hinaus eine Sozialversicherungspflicht begründende Beschäftigung dann angenommen, wenn bei einer einseitigen Freistellung von der Pflicht zur Erbringung abhängiger Arbeit eine anschließende Fortset- zung der Beziehungen mit Blick auf eine bereits konkretisierte Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr beabsichtigt war. So hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 18.9.1973 (12 RK 15/72, BSGE 36, 16) eine (entgeltliche) Beschäftigung für den Fall bejaht, dass dem Arbeitnehmer schon vor der erstmaligen Aufnahme der Arbeit gekündigt und das vereinbarte Arbeitsentgelt bei gleichzeitiger Freistellung von der Arbeitspflicht bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses bezahlt worden war. Dieses Ergebnis ist ebenso für den Fall bestätigt worden, dass der Konkursverwalter das Arbeitsverhältnis nach Konkurseröffnung fristgemäß gekündigt und den Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung von der Arbeit freigestellt hat (BSG vom 26.11.1985 – 12RK 51/83, BSGE 59, 183). dd) Ebenso ist die Rechtsprechung schließlich von einer begrenzten Fortsetzung bzw. Beendigung der Beschäftigung in Übereinstimmung mit dem Arbeitsverhältnis ausgegangen, wo über den Bestand des letzteren im Rahmen arbeitsgerichtlicher Verfahren gestritten wurde. Wird daher um die Rechtmäßigkeit der Kündigung in einem arbeitsgerichtlichen Prozess gestritten, als dessen Ergebnis (durch Vergleich oder Urteil) sich bei Annahmeverzug des Arbeitgebers ein nach der Einstellung der Arbeit liegendes Ende des Arbeitsverhältnisses ergibt, ist dieser Zeitpunkt auch für die Sozialversicherung maßgeblich (BSG vom 25.9.1981 – 12RK 58/80, BSGE 52, 152). Diese Rechtsprechung wurde mit Urteil vom 25.10.1990 (12 RK 40/89, HV-INFO 1991, 789) ausdrücklich auch auf Fälle der hier vorliegenden Art erstreckt. Legen folglich die Parteien im arbeitsgerichtlichen Vergleich bei entgeltlicher Freistellung des Arbeitnehmers von jeglicher Arbeitsleistung bis dahin einen zeitlich nach dem Vergleichsschluss liegenden künftigen Zeitpunkt für das Ende des Arbeitsverhältnisses fest, ist hierdurch – und nicht bereits mit dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses – gleichzeitig das Ende der Beschäftigung bestimmt. Dabei wurde jeweils hingenommen, dass eine Wiederaufnahme der tatsächlichen Arbeitsleistung nicht mehr vorgesehen war und andererseits in Rechnung gestellt, dass es einer Vereinbarung über die Freistellung gerade nicht bedurft hätte, hätten sich die Beteiligten bereits zum Zeitpunkt ihres Abschlusses endgültig und insgesamt von ihren vertraglichen Bindungen lösen wollen. ee) Auch diese Wertung der oberstgerichtlichen Rechtsprechung wird durch mittlerweile zum 01.01.1998 erfolgte Anpassungen der Gesetzeslage, hier die Regelungen über das Ende der Mitgliedschaft bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung in § 190 Abs. 2 SGB V und das Ende des Versicherungspflichtverhältnisses nach dem Recht der Arbeitsförderung in § 24 Abs. 4 SGB III bestätigt. Die Versicherungspflicht Beschäftigter und folglich auch die sie begründende entgeltliche Beschäftigung enden hiernach grundsätzlich mit dem Ende des „Beschäftigungsverhältnisses“. Die Bewertung vollzieht sich damit wesentlich nach dem Bestand des Rechtsverhältnisses, im Arbeitsrecht also des Arbeitsverhältnisses (vgl. zur grundsätzlichen Deckungsgleich- 02/09 147 Rechtsprechung Sonstiges heit von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis etwa BSG vom 28.9.1993 – 11 RAr 69/92, BSGE 73, 126): Maßgeblich ist daher auch für das Ende der Beschäftigung grundsätzlich nicht bereits „die Einstellung der tatsächlichen Arbeitsleistung, sondern das kumulative Entfallen sowohl des arbeitsvertraglichen Bandes wie auch sonstiger Umstände, die im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung dessen Vollzug im vorstehend beschriebenen Sinne begründen. Dies entspricht seinerseits spiegelbildlich den gesetzlichen Regelungen für den Beginn der Mitgliedschaft (§ 186 Abs. 1 SGB V, § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB III), deren Wortlaut – bestätigt durch die sog. Materialien (BT-Drucks 13/9741 S. 12) – ebenfalls hinreichend deutlich verlautbart, dass es auch insofern einer tatsächlichen Erbringung von Arbeit u.a. dann nicht bedarf, wenn der Arbeitnehmer zu dem im Arbeitsvertrag festgelegten Zeitpunkt arbeitsunfähig erkrankt oder zunächst von der Arbeitsverpflichtung freigestellt ist. ... gg) Es sind keine durchgreifenden Gründe für die Auffassung erkennbar, dass bei einem einvernehmlichen und unwiderruflichen Verzicht auf die Arbeitsleistung entgegen der vorstehend dargestellten Rechtslage eine Beschäftigung bereits mit dem Ende der tatsächlichen Arbeitsleistung entfallen könnte. Auch in diesem Falle besteht der Arbeitsvertrag fort und soll nach dem Willen der Parteien mit den jeweiligen Pflichten – jedenfalls zeitlich begrenzt – grundsätzlich fortbestehen. Die aufgeführte Rechtsprechung ist daher durchgehend davon ausgegangen, dass das sozialversicherungsrechtliche Schutzbedürfnis in Fällen der vorliegenden Art wie in allen sonstigen Zeiten, für die gesetzliche oder vertragliche Regelungen Rechtsfolgen gerade hinsichtlich einer als bestehend vorausgesetzten Arbeitspflicht begründen und Entgelt auf besonderer Grundlage gezahlt wird, nicht geringer ist als bei tatsächlicher Erfüllung der arbeitsrechtlichen Hauptpflicht des Arbeitgebers und dem rechtlich unmittelbar hierdurch begründeten Erwerb von Entgeltansprüchen. Ebenso finden die Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers und dessen Eingliederung in einen ihm vorgegebenen Arbeitsablauf auch in einer derartigen Lage noch hinreichend Ausdruck und sind hier nicht etwa stärker reduziert als in sonstigen Fällen der fortbestehenden Beschäftigung bei unterbrochener Arbeitsleistung. ... hh) Die Rechtsprechung des BSG zur Beschäftigungslosigkeit im leistungsrechtlichen Sinne vermag die Auffassung der Revision ebenfalls nicht zu stützen. Die Auslegung des Begriffs der „Beschäftigung“ in der Sozialversicherung hat nach der Rechtsprechung sowohl der für die Leistungen als auch für das Beitragsrecht zuständigen Senate des BSG funktionsdifferent zu erfolgen. Die Beschäftigungslosigkeit und damit der Begriff der Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinne in der Arbeitslosenversicherung unterscheidet sich von dem Begriff der Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinne (vgl. zum leistungsrechtlichen Begriff der Beschäftigung exemplarisch BSG vom 28.9.1993 – 11 Rar 69/92, BSGE 73, 126). Die Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinne ist 148 02 / 09 unabhängig vom Bestand eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts durch die tatsächliche Nichtbeschäftigung des Versicherten, das heißt die fehlende Arbeitsleistung, gekennzeichnet (BSG vom 26.11.1985 – 12 RK 51/83, BSGE 59, 183; BSG vom 25.4.2002 – B 11 AL 100/01 R, BSGE 89, 243; BSG vom 17.10.2002 – B 7 AL 16/02 R; BSG vom 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R, BSGE 92, 74). Selbst wenn Beschäftigungslosigkeit im leistungsrechtlichen Sinne gegeben ist, schließt dies das Vorliegen einer Beschäftigung im beitragsrechtlichen Sinne nicht aus. ... ■ Bundessozialgericht vom 24.09.2008, B 12 KR 22/07 R eingereicht von Rechtsanwalt Thomas Karl, Beethovenstraße 24, 67061 Ludwigshafen, Tel.: 0621/568031, Fax: 0621/569905 [email protected]; www.kanzlei-lu.de 202. Rechtsprechungsänderung: Verfall des Urlaubsanspruchs, Langzeiterkrankung 1. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer im Krankheitsurlaub nicht berechtigt ist, während eines Zeitraums, der in die Zeit des Krankheitsurlaubs fällt, bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. 2. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. 3. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Für die Berechnung der entsprechenden finanziellen Vergütung ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, maßgebend. ■ Europäischer Gerichtshof vom 20.01.2009, C-350/06 („Schultz-Hoff“) und C-520/06 Rechtsprechung Sonstiges Anmerkung: Anschluss: BAG vom 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 (OB). 203. Freistellungsanspruch, Teilnahme an Sitzungen der Gewerkschaft, Direktionsrecht bei Lage der Arbeitszeit Ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung zur Teilnahme an der Ortsvorstandssitzung einer Gewerkschaft besteht außerhalb des Geltungsbereiches eines den Anspruch regelnden Tarifvertrages nicht. Er ergibt sich auch nicht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Der Arbeitnehmer hat lediglich einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber, dass dieser bei der Dienstplangestaltung im Rahmen der Ausübung billigen Ermessens auf die zeitlich lange im Voraus terminierten Sitzungen des Ortsvorstandes bei der Einteilung Rücksicht nimmt. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 20.11.2008, 2 Sa 328/08 204. Teilzeitarbeit, Aufstockungsanspruch, Konkurrenz mit internen betriebsfremden Arbeitnehmern, Anspruchsänderung in Schadensersatz Aus den Entscheidungsgründen: Nach § 9 TzBfG hat der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen. 1. ... Dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, der Erhöhung seiner regelmäßigen Arbeitszeit auf 37 Stunden (Vollzeitstelle) in der Woche zuzustimmen, kann jedoch nicht entsprochen werden, ohne dass es darauf ankommt, ob die weiteren Voraussetzungen des § 9 TzBfG erfüllt sind. Denn die Beklagte hat den in Frage stehenden Arbeitsplatz mit Wirkung zum 28.06.2006 mit ... besetzt. Damit ist ein eventueller Anspruch des Klägers erloschen, und zwar unabhängig davon, ob die Beklagte bei der Besetzung der Stelle die Vorgaben des § 9 TzBfG beachtet hat (vgl. Sievers, TzBfG, 2. Aufl., § 9 Rn 8 m.w.N.). 2. Jedoch steht dem Kläger nach §§ 275 Abs. 1 und 4, 280 BGB ein Schadensersatzanspruch wegen Unmöglichkeit zu, da zu seinen Gunsten die weiteren Voraussetzungen des § 9 TzBfG erfüllt waren, als die Beklagte die Besetzung der Stelle vorgenommen hat. Die Beklagte hätte dem Kläger diese Stelle übertragen müssen. Bei der ausgeschriebenen Stelle handelte es sich um einen entsprechenden freien Arbeitsplatz. Ein solcher liegt vor, wenn der zu besetzende und vom Arbeitnehmer gewünschte Arbeitsplatz dem vertraglich vereinbarten Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers und damit seiner Eignung und Qualifikation entspricht (BAG vom 08.05.2007 – 9 AZR 874/06, NZA 2007, 1349). Letztere Voraussetzung ist vor- liegend ohne weiteres erfüllt. Es geht um die Verlängerung der Arbeitszeit des Klägers als Rechtssekretär bei im Übrigen unveränderter Tätigkeit und unveränderten Arbeitsbedingungen. Dass es sich um einen freien Arbeitsplatz handelt, hat das Arbeitsgericht ausführlich begründet. Mit Recht macht der Kläger geltend, er sei im Vergleich zur Rechtssekretärin ... gleich geeignet. ... Allerdings hat der Anspruch des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers nach Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit aus dringenden betrieblichen Gründen oder wegen Arbeitszeitwünschen anderer Arbeitnehmer zurückzutreten. Zu den dringenden betrieblichen Gründen gehört ein vorrangiger Rechtsanspruch anderer Arbeitnehmer auf den in Frage stehenden Arbeitsplatz. Ein solcher besteht, wenn ein betriebsbedingt gekündigter Arbeitnehmer auf einem freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte, auf den sich zugleich ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer beworben hat. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Das Arbeitsverhältnis mit ... war zum Zeitpunkt der Besetzung der in Frage stehenden Stelle nicht gekündigt. Freilich handelte es sich bei ... ebenfalls um eine teilzeitbeschäftigte Bewerberin auf die freie Vollzeitstelle. Wäre zwischen ihr und dem Kläger eine Auswahlentscheidung zu treffen gewesen, so wäre die Besetzung der Stelle mit ... nicht zu beanstanden. Es hätte billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB entsprochen, der sozial schutzwürdigeren ... , die ihrem Ehemann und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, die Vollzeitstelle zu übertragen. ... war jedoch eine betriebsfremde Arbeitnehmerin. Die Arbeitszeitwünsche betriebsfremder Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber den Arbeitszeitwünschen seiner Arbeitnehmer nicht entgegenhalten (Sievers, a.a.O., § 9 Rn 16; Laux, in: Laux/Schlachter, TzBfG, § 9 Rn 57). ■ Landesarbeitsgericht Hamm vom 06.11.2008, 16 Sa 875/08 eingereicht von Rechtsanwalt Paul-Werner Beckmann, Arndtstraße 8, 32052 Herford, Tel.: 05221/91470, Fax: 05221/53228 [email protected]; www.rechtsanwaelte-bmh.de (Das Urteil ist rechtskräftig) 205. Teilzeit, , Aufstockungsanspruch, unternehmerisches Konzept, Systemgastronomie 1. § 9 TzBfG gibt dem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber für ihn einen Arbeitsplatz mit einem höheren Arbeitszeitkontingent extra schafft, der im unternehmerischen Organisationskonzept nicht vorgesehen ist. Es stellt nämlich grundsätzlich einen Bestandteil der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit dar, den Arbeitskräfteeinsatz zu organisieren und den vorhandenen Arbeitskräftebedarf nach eigenem Gutdünken auf Voll- und Teilzeitarbeitsstellen zu verteilen. Das Unterlaufen der Rechte eines Teilzeitarbeitnehmers wird durch 02/09 149 Rechtsprechung Sonstiges eine Missbrauchskontrolle verhindert. Der Arbeitgeber kann einem Verlängerungswunsch nach § 9 TzBfG daher nur entgegenhalten, dass er nach seinem unternehmerischen Organisationskonzept nur Teilzeitkräfte beschäftigen wolle, wenn es hierfür arbeitsplatzbezogene Erfordernisse gibt (Anschluss an BAG vom 15.08.2006 – 9 AZR 8/06; BAG vom 13.02.2007 – 9 AZR 575/05). 2. Die Behauptung eines Arbeitgebers der Systemgastronomie, sein unternehmerisches Organisationskonzept sehe es vor, im Servicebereich grundsätzlich nur Teilzeitkräfte zu beschäftigen, ist als lediglich vorgeschoben zu werten, wenn tatsächlich diverse mit einem Teilzeitvertrag ausgestattete Servicekräfte über lange Zeiträume gleichbleibend im Umfang von weit mehr als einer Vollzeitstelle eingesetzt werden. 3. Der Arbeitgeber kann dem Aufstockungsverlangen eines mit einem Teilzeitarbeitsvertrag ausgestatteten Arbeitnehmers nicht entgegenhalten, es fehle an einer freien Vollzeitstelle, wenn er den Arbeitnehmer an dessen eigenen sogenannten „Teilzeitarbeitsplatz“ über 3,5 Jahre gleichbleibend mit durchschnittlich mehr als 184 Stunden/Monat beschäftigt hat. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 02.04.2008, 7 Sa 864/07 206. Teilzeit, Aufstockungsanspruch, , unternehmerisches Konzept Will ein Arbeitgeber einem Aufstockungsverlangen eines Arbeitnehmers entgegenhalten, er wolle dort ausschließlich Teilzeitkräfte beschäftigen, muss dies arbeitsplatzbezogene Gründe haben. Daran fehlt es, wenn auf diesen Arbeitsplätzen unterschiedliche Arbeitszeitmodelle praktiziert werden und der Arbeitgeber in Stellenanzeigen ohne Beschränkung auf Teilzeittätigkeit neue Arbeitskräfte sucht. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 06.10.2008, 5 Sa 964/08 207. Fehlerhaft unterbliebener Steuerabzug bei Abfindung, Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers, Einwand der Entreicherung, Wertzuwachs durch Luxusaufwendungen Aus den Entscheidungsgründen: a) Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist in Höhe der geltend gemachten Forderung bereichert. Die Beklagte hat € 1.167,90 erlangt. Unstreitig hat sie den Abfindungsbetrag von € 3.900 brutto = netto in voller Höhe ausbezahlt bekommen. Bei richtiger Abrechnung hätte sich indes nur ein Nettoauszahlungsbetrag von € 2.732,10 ergeben, sodass eine Überzahlung ... eingetreten ist. Der Arbeitgeber hat auch die abzuführende Lohnsteuer in Höhe von € 1.167,90 nachentrichtet und ist damit seiner Pflicht zum Steuerabzug (nachträglich) nachgekommen. Hierdurch ist die Steuerschuld der Beklagte erloschen und sie war insbesondere nicht 150 02 / 09 mehr selbst zur Nachentrichtung der Steuer gegenüber den Steuerbehörden verpflichtet. ... b) Es ist auch nicht davon auszugehen, dass eine bewusste Überzahlung seitens der Klägerin stattgefunden hat. Nach § 814 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Es ist lebensfremd anzunehmen, dass jemand bewusst zuviel auszahlt, obwohl er weiß, dass er nur zu einer geringeren Leistung verpflichtet ist. Bei lebensnaher Betrachtungsweise spricht vielmehr alles dafür, dass die Auszahlung aufgrund eines Irrtums in der Lohnbuchhaltung erfolgt ist. Die Beklagte trägt auch nicht vor, dass die Klägerin in positiver Kenntnis der bestehenden Steuerschuld zum damaligen Zeitpunkt die Auszahlung in voller Höhe veranlasst hätte. c) Nach § 818 Abs. 2 BGB schuldet der Empfänger von Geld grundsätzlich Wertersatz, da die einzelnen Münzen bzw. Scheine nicht mehr vorhanden sind. Im Ergebnis bedeutet das, dass die Beklagte einen entsprechenden Geldbetrag an die Klägerin zu zahlen hat. Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich auf den Einwand der Entreicherung, § 818 Abs. 3 BGB, berufen. Zunächst ist allerdings davon auszugehen, dass die Beklagte nicht als bösgläubig i.S.v. § 819 BGB angesehen werden kann, so dass der Beklagten grundsätzlich der Einwand der Entreicherung offen steht. Bösgläubigkeit verlangt positive Kenntnis bezüglich der Tatsachen, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Bloße Zweifel lösen die verschärfte Haftung nicht aus. Gemessen an diesen Anforderungen ist es nicht ausreichend, wenn die Klägerin pauschal darauf abstellt, dass Angestellte schon wissen müssten, dass eine Abfindung der Steuerpflicht unterliege. Dies kann in der Allgemeinheit schon deshalb nicht behauptet werden, weil bis vor einigen Jahren die Auszahlung einer Abfindung noch begünstigt war. ... Die Beklagte ist im vorliegenden Fall nach wie vor bereichert und kann sich daher nicht erfolgreich auf § 818 Abs. 3 BGB berufen. Will sich der Empfänger rechtsgrundlos erhaltener Lohn- oder Gehaltsbezüge auf den Einwand der Entreicherung berufen, muss er im Einzelnen Tatsachen darlegen, aus denen sich ergibt, dass die Bereicherung weggefallen ist und keine notwendigerweise angefallenen Ausgaben erspart worden sind (BAG vom 18.09.1986 – 6 AZR 517/83, AP Nr. 5 zu § 812 BGB). Der Entreicherungseinwand entfällt allerdings, falls der Bereicherungsschuldner mit dem Erlangten noch bei sich vorhandene Vermögenswerte geschaffen hat. Gemessen an diesen Anforderungen hat die Beklagte nicht schlüssig behauptet, entreichert zu sein. In Wesentlichen hat sie vorgebracht, dass sie einen Havaneser-Welpen zum Preis von € 1.000 gekauft habe und sie diese Ausgabe nicht getätigt hätte, wenn sie gewusst hätte, dass sie nicht den vollen Betrag erhalte. Wie die Beklagte auf Nachfrage einräumte, ist der Hund bei ihr nach wie vor vorhanden. Damit hat die Beklagte mit dem überzahlten Geld einen Vermögenswert geschaffen, der nach wie vor in ihrem Vermögen vorhanden ist. Die Sache Rechtsprechung Sonstiges ist auch insbesondere nicht untergegangen oder verschlechtert, hierfür sind jedenfalls keine Anhaltspunkte vorhanden. Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, dass sie sich hilfsweise darauf beruft, das Geld für die allgemeine Lebenshaltung verbraucht zu haben. Zunächst ist hier festzuhalten, dass sie sich hier nicht auf die Grundsätze eines Anscheinsbeweises für eine Entreicherung bei geringfügigen Lohnüberzahlungen im Arbeitsverhältnis berufen kann. Denn Zahlungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind nicht mit unbemerkt bleibenden geringen Überzahlungen des laufenden Arbeitsentgeltes, die typischerweise sofort für konsumtive Zwecke verbraucht werden, gleichzusetzen (BAG vom 11.08.1998 – 9 AZR 83/91, AP Nr. 22 zu § 812 BGB). Selbst wenn man aber zu Gunsten der Beklagten von Letzterem ausginge, änderte sich am Ergebnis nichts. Denn wenn die Beklagte das Geld für ihre alltägliche Lebensführung verbraucht hätte, hätte sie insofern anderweitige notwendige Ausgaben erspart, was gleichfalls der Annahme einer Entreicherung entgegensteht (Küttner-Griese, Personalhandbuch, 15. Aufl., Entgeltrückzahlung Rz 8). d) Der Bereicherungsanspruch der Klägerin ist auch nicht gemäß §§ 387, 389 BGB durch Aufrechnung erloschen. Der Beklagten steht keine Schadensersatzforderung zu, mit der sie die Aufrechnung erklären kann. Zwar ist es richtig, dass bei vertraglichen Rückzahlungsverpflichtungen der Arbeitnehmer mit Schadensersatzansprüchen aufrechnen kann, wenn er in Folge einer zunächst fehlerhaften Entgeltabrechnung und Auszahlung im Vertrauen auf deren Richtigkeit Ausgaben tätigt, die er bei Kenntnis der Entgeltüberzahlung nicht gemacht hätte. Zu denken sind hierbei allerdings in erster Linie an Fälle, in denen der Bereicherungsschuldner finanzielle Aufwendungen im Vertrauen auf die Richtigkeit der Zahlung macht, um etwa das Erlangte instand zu setzen oder zu erhalten. Darum geht es hier aber nicht. Bei reinen Lohnüberzahlungen entsteht dem Arbeitnehmer in aller Regel vielmehr überhaupt kein Schaden. Denn bei richtiger Festsetzung der Bezüge hätte der Bereicherungsschuldner im Ergebnis den gleichen Betrag erhalten, der ihm nach Erstattung der Überzahlung auch jetzt noch verbleibt. Ein Schaden kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Arbeitnehmer finanziell etwa anders disponiert hätte, wenn er die richtige Auszahlungshöhe gekannt hätte. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Arbeitnehmer durch die Überzahlung zu Ausgaben veranlasst worden ist, die er bei richtiger Lohnberechnung niemals gemacht hätte und von denen auch kein Vorteil mehr verblieben ist. Im vorliegenden Fall ist es indes gerade so, dass durch den Kauf des Hundes nach wie vor ein Vorteil verblieben ist, der sich in dem Besitz des Hundes und wertmäßig in Höhe des aufgewendeten Kaufpreises widerspiegelt. Nach dem im Schadensrecht geltende Grundsatz der „Vorteilsausgleichung“ ist insbesondere eine isolierte Betrachtung dergestalt unzulässig, dass lediglich auf den Rückzahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von € 1.167,90 als vermeintliche Schadensposition abgestellt wird, ohne dass gleichzeitig der Vorteil und Wertzuwachs mit ins Auge gefasst wird, den die Beklagte mit diesem Geld finanziert hat. ■ Arbeitsgericht Wiesbaden vom 04.09.2008, 4 Ca 1808/08 eingereicht von Rechtsanwalt Rolf Krügermeyer-Kalthoff, Rösrather Straße 568, 51107 Köln, Tel.: 0221/8804060, Fax: 0221/80040629 [email protected]; www.eisenbeis-rechtsanwaelte.de 208. Fragerecht des Arbeitgebers, Bewerbung, Vorstrafe / Führungszeugnis, Konkurrentenklage 1. Aus Anlass der Bewerbung eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin auf eine vom öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle braucht eine Vorstrafe nicht nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG offenbart zu werden, wenn sie nicht gemäß § 32 Abs. 2 BZRG in ein polizeiliches Führungszeugnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BZRG einzutragen ist (im Anschluss an BAG vom 21.02.1991 – 2 AZR 449/90; offen gelassen in BAG vom 27.07.2005 – 7 AZR 508/04) 2. Dementsprechend muss auch eine Frage nach einer derartigen Vorstrafe nicht richtig beantwortet werden bzw., wenn sie richtig beantwortet wird, darf der Arbeitgeber die nun offenbarte Vorstrafe nicht zu Ungunsten des Bewerbers berücksichtigen. Eine Ausnahme hiervon wird allenfalls dann zu machen sein, wenn die Vorstrafe auf einem Gebiet liegt, das mit der laut Arbeitsvertrag vom Arbeitnehmer zu verrichtenden Tätigkeit unmittelbar zusammenhängt (vgl. früher BAG vom 07.02.1964 – 1 AZR 251/63) ■ Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 24.04.2008, 11 Sa 2101/07 209. AGG, Bewerbung, Diskriminierung wegen Behinderung, Widerlegung der Vermutung Der Arbeitgeber, der entgegen § 82 Abs. 2 Satz 2 SGB IX einen schwerbehinderten Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen hat, kann das Nichtvorliegen einer behinderungsbedingten Benachteiligung beweisen, wenn der Bewerber die in der Stellenausschreibung geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten nicht besitzt. ■ Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 24.04.2008, 4 Sa 1077/07 210. AGG, Bewerbung, Diskriminierung wegen Alters, unzureichende Fachkenntnisse Die Erklärung eines Arbeitgebers gegenüber einer älteren Stellenbewerberin, die von ihr angegebenen EDV-Kenntnisse seien veraltet, stellt keinen Umstand dar, der eine Benachteiligung wegen Alters vermuten lässt ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 27.08.2008, 9 Sa 649/08 02/09 151 Rechtsprechung Sonstiges 211. AGG, Bewerbung, Diskriminierung durch Frauenförderung Weist der öffentliche Arbeitgeber in einer ansonsten geschlechtsneutral gehaltenen Ausschreibung (Sportlehrer/-in) darauf hin, dass „ein besonderes Interesse an Bewerbungen von Frauen bestehe“, werden hierdurch männliche Stellenbewerber nicht unzulässig benachteiligt, wenn in der für die Stelle maßgeblichen Vergleichsgruppe Frauen unterrepräsentiert sind. Die Unterrepräsentanz einer Merkmalsgruppe ist ein ausgleichsfähiger Nachteil i.S.d. § 5 AGG. ■ Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 12.11.2008, 12 Sa 1102/08 212. Auskunftsanspruch gegenüber Personalberater, Wahrung der Klagefrist, Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung vor Inkrafttreten des AGG, Rechtsweg 1. Zum Auskunftsanspruch eines Stellenbewerbers gegen ein Personalberatungsunternehmen über die Identität eines potentiellen Arbeitgebers wegen einer Stellenanzeige, in der sich u. a. der Satz befindet: „Das ideale Alter liegt zwischen Mitte und Ende 30.“ 2. Solange die Identität des potentiellen Arbeitgebers nicht bekannt ist, läuft die Klagefrist des § 61b ArbGG jedenfalls dann nicht, wenn diese Frist bei der Auskunftsklage zur Ermittlung der Identität eingehalten wurde. 2. Ein Anspruch auf Entschädigung wegen „Altersdiskriminierung“ besteht jedenfalls vor Inkrafttreten des AGG nicht. 3. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen für Klagen, die sich nicht gegen den – potentiellen – Arbeitgeber richten, sondern isoliert gegen eine Personalberatungsgesellschaft, bleibt offen, ob nicht eher die ordentlichen Gerichte zuständig wären (so Diller, NZA 2007, 649). ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 17.04.2008, 10 Sa 21/08 213. Öffentlicher Dienst, Vergütung, Tarifvertrag, Gleichbehandlung, Schutz von Ehe und Familie Aus dem Tatbestand: Die Klägerin hatte bis zum 31.09.2005 gem. § 50 BAT Sonderurlaub aus familiären Gründen (Kindererziehung) in Anspruch genommen. Für beide Kinder hatte sie im September 2005 Kindergeld bezogen. Als sie ab dem 01.10.2005 ihre Arbeit wieder aufnahm, galt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), der keine kinderbezogenen Entgeltbestandteile mehr vorsieht. Der kommunale Arbeitgeber, eine südwestdeutsche Landeshauptstadt, berief sich gegenüber der Klägerin auf den Wortlaut von § 11 TVÜ-VkA. Er lehnte im Fall der Klägerin die in bestimmten Fällen als Besitzstand weiter gewährten kinderbezogenen Entgeltbestandteile ab, weil die Klägerin im September 2005 gar keine Bezüge gehabt habe. Im gerichtli- 152 02 / 09 chen Verfahren berief sich der Arbeitgeber ergänzend auf den Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 31.03.2008 zum TVÜ-VkA. In einer Protokollerklärung zu § 11 TVÜ-VkA haben die Tarifvertragsparteien geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Unterbrechung der Entgeltzahlung im Monat September 2005 für das Entstehen des Anspruchs auf Besitzstandszulage unschädlich sein soll. Der von der Klägerin in Anspruch genommene Sonderurlaub zur Kindererziehung zählt ausweislich der Protokollerklärung nicht zu diesen Gründen. Aus den Entscheidungsgründen: § 11 TVÜ Abs. 1 i.V.m. der Protokollnotiz Ziff. 1 ist unwirksam, soweit Arbeitnehmer von der Zahlung kindergeldbezogener Entgeltbestandteile ausgenommen werden, die sich im Stichmonat September 2005 im Sonderurlaub aus familiären Gründen befunden haben. ... a) Durch die Tarifparteien ist nunmehr geklärt, dass Sonderurlaube, deren Erteilung nicht im dienstlichen oder betrieblichen Interesse des Arbeitgebers lag, nicht unschädlich sind. Für eine ergänzende oder erläuternde Tarifvertragsauslegung ist angesichts der Protokollnotiz kein Raum mehr. Sonderurlaube aus familiären Gründen nach § 50 Abs. 1a) BAT sind nicht aus betrieblichen oder dienstlichen Gründen gewährt. ... b) Die Klägerin wird dadurch gleichheitswidrig benachteiligt gegenüber den Arbeitnehmern, denen aus anderen, insbesondere betrieblichen Gründen Sonderurlaub im Stichmonat September 2005 erteilt wurde. Der Gleichheitssatz verbietet es, wesentlich gleichliegende Sachverhalte ohne sachlichen Grund unterschiedlich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung liegt vor, wenn sich für die vorgenommene Differenzierung kein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund finden lässt, wenn also die Regelung als willkürlich anzusehen ist. ... Die Pflicht, den allgemeinen Gleichheitssatz zu beachten, erlangt dabei für den öffentlich-rechtlichen Dienstherrn und für den Bereich des Schutzes von Ehe und Familie über Art. 6 Abs. 1 GG besondere Bedeutung. Dessen Handeln ist anders als die in freiheitlicher Selbstbestimmung erfolgende Tätigkeit eines Privaten stets dem Gemeinwohl verpflichtet. Eine willkürliche Ungleichbehandlung kann dem Gemeinwohl nicht dienen (BVerfG vom 13.6.2006 – 1 BvR 1160/03). ... Art. 6 Abs. 1 GG erlegt aller staatlichen Ordnung in Bezug auf Ehe und Familie nicht nur eine Schutzpflicht vor Eingriffen, sondern eine Schützpflicht auf, so dass alle staatliche Ordnung mithin auch der öffentlich-rechtliche Dienstherr eine aktive Rolle in Bezug auf familiäre Belange einnehmen muss. Dieses bedeutet, dass der öffentliche Dienstherr die grundrechtlich gewährleistete Pflicht hat, familiären Belangen eine besondere Beachtung zu schenken, auch und gerade auf der Ebene der Normsetzung. Mindestens fordert Art. 6 Abs. 1 GG hinsichtlich der Differenzierungsgründe i.S.d. oben genannten Rechtsprechung eine besondere Beachtung des Gleichheitssatzes, wenn familiäre Belange durch eine staatliche Maßnahme tangiert sind, so dass eine Benachteiligung aus familiären Gründen Rechtsprechung Sonstiges am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen ist. Dem widerspräche eine Regelung eklatant, wenn familiäre Gründe zu einem negativen Kriterium bei der Bemessung von Entgeltbestandteilen führen würden. ... Der Ausschluss eines Bestandsschutzes von Entgeltbestandteilen, die selbst familiär begründet sind, bei Urlaubszwecken, die familiär begründet sind, ist nicht nur in sich widersprüchlich und unverständlich, sondern auch gleichheitswidrig, nämlich unverhältnismäßig wenn nicht willkürlich. Das Interesse, aus familiären Gründen Sonderurlaub zu nehmen, ist entgegen der Vorstellung der Tarifparteien nicht ein privates ungeschütztes Interesse des Arbeitnehmers, sondern schützenswertes Interesse der staatlichen Ordnung gemäß den Wertungen und der Verpflichtung des Art. 6 Abs. 1 GG. Wenn vorliegend eine Teilhabe am Bestandsschutz bei ohnehin familienbedingt anfallenden Entgeltbestandteilen stattfindet, dann müssen gerade Sonderurlaube aus familiären Gründen aus Gleichheitsgründen dem Schutz unterfallen, den auch andere schützenswerte Interessen erfahren. ■ Arbeitsgericht Stuttgart vom 15.10.2008, 22 Ca 2223/08 eingereicht von Rechtsanwalt Gerhard Jeandrée, Griegstraße 27B, 70195 Stuttgart, Tel.: 0711/162600, Fax: 0711/1626018 [email protected] 214. AGG, Entschädigungsanspruch, behinderungsbezogene Benachteiligung durch krankheitsbedingte Kündigung 1. Der Begriff der „Behinderung“ i.S.d. § 1 AGG ist nicht identisch mit dem Begriff der „Behinderung“ i.S.d. § 2 Abs 1 S 1 SGB 9. Eine bloße Krankheitsanfälligkeit, die nicht dazu führt, dass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und im Betrieb über einen Zeitraum von langer Dauer (hier: ein Monat jährlich) beeinträchtigt wird, stellt keine „Behinderung“ i.S.d. § 1 AGG dar. 2. Kündigt ein Arbeitgeber einen an einem Grundleiden erkrankten Arbeitnehmer, diskriminiert er diesen nicht wegen einer „Behinderung“ i.S.d. § 1 AGG, wenn die Kündigung allein wegen der betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen infolge von krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers ausgesprochen wird. ■ Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 14.05.2008, 12 Sa 256/08 geltend gemachten Schaden. Denn allein ursächlich für den Verlust dieser Verdienstansprüche ist es, dass der Kläger versäumt hat, rechtzeitig gegen die ausgesprochene Kündigung Kündigungsschutzklage zu erheben oder zumindest rechtzeitig einen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zu stellen. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 10.03.2008, 14 Sa 1251/07 216. Mobbing, Schmerzensgeld, Pilot 1. Ein Schmerzensgeldanspruch wegen Mobbinghandlungen kommt nur in Betracht, wenn der Schädiger die Rechtsgüter des Betroffenen systematisch und zielgerichtet mit einiger Intensität und Dauer verletzt. 2. Beschwert sich der Copilot einer Passagiermaschine in seinem flight report darüber, dass ihn der Flugkapitän während des Fluges im Cockpit fortwährend verbal herabgewürdigt und schließlich sogar noch körperlich bedroht habe, liegt darin ein Vorgang, der die Flugsicherheit tangiert und daher die Fluggesellschaft zum Eingreifen veranlassen muss. 3. Ergreift die Fluggesellschaft daraufhin, obwohl der Flugkapitän die Vorwürfe bestritten hat, eine objektive Aufklärung aber nicht mehr möglich ist, Sanktionen gegenüber diesem (vorübergehende Suspendierung vom Flugbetrieb, später Beiordnung von Piloten mit Trainingslizenz als Copiloten), die dieser als ehrverletzend empfindet, liegen darin keine zum Schadensersatz verpflichtenden Mobbinghandlungen, auch wenn die Sanktionen das Maß des unbedingt Erforderlichen überschreiten. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 07.05.2008, 7 Sa 1404/07 217. Schmerzensgeld, Ohrfeige Versetzt ein vorgesetzter Schichtleiter im Rahmen einer verbalen Auseinandersetzung über Arbeitspflichten einem Mitarbeiter eine Ohrfeige, hat er an den Arbeitnehmer ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen. Führt die Ohrfeige zu keinerlei weiteren Verletzungsfolgen, ist ein Schmerzensgeld von € 800 als Mindestbetrag angemessen; muss sich der Geschlagene hingegen in ärztliche Behandlung begeben, ist ein mehrfach höheres Schmerzensgeld angemessen. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 27.10.2008, 5 Sa 827/08 215. Mobbing, Schadensersatz, Kausalität bei unterlassener Kündigungsschutzklage 218. Zeugnis, Berichtigungsanspruch, Darlegungs- und Beweislast, Verpflichtung zur Rückgabe des ursprünglich erteilten Zeugnisses Begehrt ein Arbeitnehmer Schadensersatz für entgangene Vergütung wegen einer arbeitgeberseitigen Kündigung, die er auf Mobbing des Arbeitgebers zurückführt, muss er die Kündigung rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist angreifen. Anderenfalls mangelt es schon an einer Kausalität zwischen den behaupteten Mobbinghandlungen und dem Aus den Entscheidungsgründen: Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Nicht das Arbeitsgericht, sondern die Klägerin verkennt die Darlegungs- und Beweislast im Zeugnisberichtigungsprozess. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber als Schuldner des Zeugnisanspruchs nicht stets die 02/09 153 Rechtsprechung Sonstiges Darlegungslast für die seiner Beurteilung zugrunde liegenden Tatsachen. Vielmehr hat nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungslast jede Partei die für sie günstigen Tatsachen vorzutragen. Der Arbeitnehmer, der die Erteilung eines Zeugnisses verlangt, hat deshalb die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich der Zeugnisanspruch ergibt, also die tatsächlichen Voraussetzungen des § 109 GewO. Dem Arbeitgeber obliegt dann als Schuldner, die Tatsachen darzulegen, aus denen sich das Nichtbestehen des Zeugnisanspruchs ergibt. Hierzu gehört auch der Einwand, der Zeugnisanspruch sei i.S.d. § 362 BGB erfüllt. Dieser Last genügt der Arbeitgeber, wenn er darlegt, dass er ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes Zeugnis erteilt hat, dieses also formell ordnungsgemäß ist und den allgemein erforderlichen Inhalt hat, also Angaben zur Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses und zur Führung und Leistung des Arbeitnehmers enthält. Ist der Arbeitnehmer mit dem erteilten Zeugnis nicht einverstanden, kann er vom Arbeitgeber gerichtlich dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Mit einer solchen Klage macht er weiterhin die Erfüllung seines Zeugnisanspruchs geltend und keinen gesetzesfremden Berichtigungsanspruch. Denn der Zeugnisanspruch richtet sich auf ein inhaltlich „wahres“ Endzeugnis. Auch im „Berichtigungsprozess“, mit dem der Arbeitnehmer eine überdurchschnittliche Beurteilung erstrebt, verbleibt es bei der allgemeinen Regel, dass der Arbeitnehmer als derjenige, der einen Anspruch auf eine konkrete Zeugnisformulierung geltend macht, die hierfür erforderlichen Tatsachen vorzutragen hat. Denn § 109 GewO begründet keinen Anspruch auf ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Zeugnis, sondern nur auf ein leistungsgerechtes Zeugnis. Erst wenn der Arbeitnehmer dargelegt hat, leistungsgerecht sei ausschließlich eine überdurchschnittliche Beurteilung, hat der Arbeitgeber die Tatsachen vorzutragen, die dem entgegenstehen sollen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass jede Beurteilung von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist. Sie wird zwangsläufig von den Erfahrungen des Arbeitgebers geprägt, die er mit der Leistung einzelner Arbeitnehmer gewonnen hat. Ein Beurteilungsspielraum ist somit unerlässlich (BAG vom 14.10.2003 – 9 AZR 12/03; ErfK/Müller-Glöge, 9. Aufl., § 109 GewO Rn 80 ff., m.w.N.). Ihrer Darlegungs- und Beweislast ist die Klägerin auch in der Berufungsinstanz nicht nachgekommen. Ebenso wenig wie erstinstanzlich hat die Klägerin in der Berufungsinstanz Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass und bei wem das von ihr geleitete Kreisaltenheim gutes Ansehen genossen haben soll. Dasselbe gilt für das Verlangen einer Bewertung ihrer Leistungen mit dem Prädikat „stets zur vollsten Zufriedenheit“. Insoweit hat die Klägerin nicht einmal ansatzweise Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, jede andere als die von ihr begehrte Spitzenbeurteilung wäre nicht leistungsgerecht. Wenn die Klägerin in diesem Zusammenhang in der Berufungsbegründung ausführt, sie habe Anspruch auf eine „ordentliche Bewertung ihrer Leistung“, verkennt sie offensichtlich, dass ihr mit der von der Beklagten 154 02 / 09 gewählten Formulierung „Die ihr übertragenen Aufgaben erledigte Frau W. stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“ gute Leistungen bescheinigt werden. ... b) Die in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Widerklageantrag kann dahingehend ausgelegt werden, dass die Klägerin verurteilt werden soll, an die Beklagte die ursprünglichen zwei Fassungen des der Klägerin erteilten Zeugnisses, die beide auf den 28.12.2006 datiert sind, herauszugeben. Die Widerklage ist auch begründet. Denn die Beklagte hat nach der Neuerteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses aufgrund der Ziffer 1. des Anerkenntnis- und Endurteils des Arbeitsgerichts vom 17.01.2008 Anspruch auf Rückgabe der „ungültig“ gewordenen Versionen der beiden bis dahin der Klägerin erteilten Zeugnisse. Soweit die Klägerin bislang die Herausgabe der früheren Zeugnisversionen verweigert hat mit der Begründung, sie sei Eigentümerin des Papiers geworden, auf dem die Arbeitszeugnisse geschrieben sind, ist das abwegig und mit der Funktion eines Zeugnisses nicht vereinbar. Das Zeugnis ist eine Wissenserklärung des Arbeitgebers, die dem Arbeitnehmer für seine berufliche Entwicklung und sein berufliches Fortkommen dienen soll. Es ist regelmäßig Bewerbungsunterlage und damit gleichzeitig Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber; zugleich gibt es dem Arbeitnehmer Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistungen beurteilt (BAG vom 12.08.2008 – 9 AZR 632/07 m.w.N.). Ist ein bereits erteiltes Zeugnis – aus welchen Gründen auch immer – zu berichtigen, so vollzieht sich dies nicht im Sinne einer Korrektur des Originals, sondern als Erstellung eines gänzlich neuen Zeugnisses (BAG vom 21.06.2005 – 9 AZR 352/04 – AP BGB § 630 Nr. 31). Die Zeugnisberichtigung ist Erfüllung des Zeugnisanspruchs, weil das zunächst erteilte Zeugnis den Anspruch wegen seiner Mängel noch nicht erfüllt. Ist der Berichtigungsanspruch gegeben, muss der Arbeitnehmer Zug um Zug gegen Erteilung des neuen berichtigten Zeugnisses das alte unrichtige Zeugnis an den Arbeitgeber zurückgeben (LAG Hamm vom 11.07.1996 – 4 Sa 1285/95). Erteilt der Arbeitgeber auf Wunsch des Arbeitnehmers oder aufgrund einer arbeitsgerichtlichen Verurteilung ein neues Zeugnis, ohne auf eine Zug-um-Zug-Rückgabe des alten Zeugnisses zu bestehen, hat er gleichwohl Anspruch auf Herausgabe der unrichtig gewordenen früheren Version(en) des Zeugnisses. Das ergibt sich aus § 241 Abs. 2 BGB als nachvertragliche (nachwirkende) Nebenpflicht, weil zum einen der Arbeitgeber mit der Erteilung eines neuen Zeugnisses sein abgeändertes Zeugnis konkludent für hinfällig erklärt und ein berechtigtes Interesse daran hat, diese „ungültig“ gewordene Wissenserklärung zurückzuholen, während zum anderen kein berechtigtes Interesse eines Arbeitnehmers ersichtlich wäre, im Besitz verschiedener Zeugnisvarianten zu sein. Denn § 109 GewO gibt Anspruch auf ein, aber nicht auf mehrere Zeugnisse. Im Übrigen verhält sich die Klägerin treuwidrig nach § 242 BGB, wenn sie von der Beklagten eine „Verbesserung“ des Rechtsprechung Sonstiges ihr erteilten Zeugnisses verlangt, sich dann aber weigert, die „schlechtere“ Version an die Beklagte zurückzugeben. ■ Landesarbeitsgericht München vom 11.11.2008, 8 Sa 298/08 eingereicht von Rechtsanwalt Dr. Dieter Straub, Brienner Straße 11, 80333 München, Tel.: 089/238070, Fax: 089/23807110 [email protected]; www.cms-hs.com 219. Zeugnis, Entwurf des Arbeitnehmers, Abweichen aus „wichtigem Grund“ Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einem gerichtlichen Vergleich, ein Arbeitszeugnis nach einem Formulierungsvorschlag des Arbeitnehmers zu erteilen, von dem er nur aus wichtigem Grund abweichen darf, dann sind Abweichungen nur gestattet, soweit der Vorschlag Schreibfehler oder grammatikalische Fehler oder inhaltlich unrichtige Angaben enthält, für die der Arbeitgeber darlegungs- und beweispflichtig ist. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 02.01.2009, 9 Ta 530/08 220. Zeugnis, Vergleich, Anfechtung, Leistungsmängel als verkehrswesentliche Eigenschaft Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einem gerichtlichen Vergleich, dem Arbeitnehmer ein Arbeitszeugnis mit der zusammenfassenden Leistungsbeurteilung „zu meiner vollen Zufriedenheit“ zu erteilen, und stellt er erst danach erhebliche Leistungsmängel des Arbeitnehmers fest, so kann dies den Arbeitgeber zu einer Anfechtung des gerichtlichen Vergleich wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Arbeitnehmers nach § 119 Abs. 2 BGB berechtigen. In diesem Fall ist der ursprüngliche Rechtsstreit fortzusetzen. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 07.05.2008, 9 Ta 126/08 221. Zeugnis, Widerspruch zwischen Bewertung und Abschlussformel Auch nach der Rechtsprechung des BAG (20.02.2001 – 9 AZR 44/00) darf eine Schlussformel in einem Zeugnis nicht in Widerspruch zum sonstigen Zeugnisinhalt stehen. Das ist der Fall, wenn einem Arbeitnehmer bei im Übrigen überdurchschnittlichem Zeugnisinhalt (nur) für die „Zukunft alles Gute“ gewünscht wird, ohne dass Dank für die vergangene Zusammenarbeit ausgesprochen wird. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 29.02.2008, 4 Sa 1315/07 222. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, Mandantenschutzklausel, freie Berufe (Steuerberater) 1. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses darf ein angestellter Steuerberater, wenn kein wirksames nachvertragliches Wett- bewerbsverbot vereinbart ist, seinem bisherigen Arbeitgeber Konkurrenz machen und in dessen Kundenstamm eindringen. Mandantenschutzklauseln ohne Karenzentschädigung sind unwirksam. 2. Mandantenübernahmeklauseln ohne Karenzentschädigung stellen jedenfalls dann eine Umgehung i.S.v. § 75d Satz 2 HGB dar, wenn die Konditionen so gestaltet sind, dass sich die Bearbeitung der Mandate wirtschaftlich nicht lohnt. Eine zeitlich unbefristete Mandantenübernahmeklausel ist unwirksam. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 14.04.2008, 5 Sa 413/08 223. Betriebliche Altersversorgung, Leistungsmitteilung des PSV, Schadensersatzanspruch 1. Die Mitteilung des Pensionssicherungsvereins (PSV) nach § 9 Abs 1 BetrAVG stellt weder einen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsakt noch ein (privatrechtliches) konstitutives oder deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. 2. Ein Schadensersatzanspruch gegen den PSV aufgrund eines unrichtigen Leistungsbescheides kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn a) der Bescheid auf einer – nicht notwendig schuldhaft – falschen Einschätzung der Rechtslage durch den PSV beruht, b) der Versorgungsberechtigte den Sachverhalt wahrheitsgemäß und vollständig mitgeteilt hat, und c) der Empfänger des Leistungsbescheides im Vertrauen auf dessen Richtigkeit Vermögensdispositionen getroffen oder zu treffen unterlassen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 06.05.2008, 9 Sa 1576/07 (Revision anhängig unter dem Aktenzeichen 3 AZR 546/08) 224. Betriebliche Altersversorgung, Witwenrente für Zweit-Ehefrau, zulässige Mehrehe nach moslemischem Recht Aus den Entscheidungsgründen: Die Klägerin kann von der Beklagten ab 01.01.2005 die Zahlung einer Witwenrente verlangen. 1. Nach § 6 der Beihilferichtlinien und § 5 der Ruhegeldbestimmungen steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch zu, wenn sie als Witwe des Herrn ... anzusehen ist. Unter diesen Begriff der Witwe fallen auch weitere Ehefrauen aus einer nach ausländischem Recht wirksam geschlossenen Mehrehe. Der Einwand der Beklagten, hiermit sei nur die erste (und in der Regel einzige) Ehefrau gemeint, trifft nicht zu. Das lässt sich insbesondere nicht den Beihilferichtlinien nach den Grundsätzen der Auslegung von Betriebsvereinbarungen entnehmen. ... Eine Witwe ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Frau, deren Mann gestorben ist. Dabei spielt es keine Rolle, mit wie vielen Frauen der Mann verheiratet war. Anhaltspunkte, die für ein davon abweichendes Verständnis in den Betrieben der D. AG sprechen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen. ... Beachtlich ist allerdings 02/09 155 Rechtsprechung Streitwert und Gebühren das Argument der Beklagten, eine Mehrheit von Ehefrauen des Arbeitnehmers könne zu einer unvorhergesehenen Erhöhung des Gesamtvolumens der Witwenversorgung führen. Das trifft zu. Durch die sowohl in den Beihilferichtlinien als auch den Ruhegeldbestimmungen enthaltene Wiederverheiratungsklausel wird der Fall nicht erfasst. Sie gelten nur für den Fall der Wiederheirat der Witwe, das heißt des Anspruchsberechtigten bei der Hinterbliebenenversorgung. Aufgrund der unterschiedlichen Versorgungssituation kommt hier auch dann keine analoge Anwendung in Betracht, wenn man die Mehrehe der späteren Wiederverheiratung gleichstellt (vgl. dazu: BSG vom 07.07.1998 – B 5 RJ 58/97, SozR 3-1300 § 45 Nr. 18). Es spricht daher vieles für das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke; allerdings gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Lückenfüllung in einem vollständigen Ausschluss der zweiten Ehefrau von der Anspruchsberechtigung bestanden hätte. Der Interessenlage des Arbeitgebers kann auch durch eine Aufteilung des Anspruchs unter den Witwen, so wie dies im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung vorgesehen ist, Rechnung getragen werden. 2. Die Klägerin ist auch Witwe, da sie mit Herrn ... wirksam verheiratet war. Nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB unterliegen die Voraussetzungen der Eheschließung für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. Maßgebend ist also das Personalstatut der Verlobten. Da es hier um die Eheschließung zweier syrischer Staatsangehöriger geht, kommt insoweit syrisches Recht zur Anwendung. Es lässt – im hier interessierenden Fall – eine Mehrehe zu. Als Verstoß gegen Art. 6 EGBGB (ordre public) wird das nach herrschender Meinung, der sich die Kammer anschließt, nicht angesehen (Palandt-Heldrich, BGB, Art. 6 EGBGB, Rz 20). ■ Arbeitsgericht Stuttgart vom 19.11.2008, 14 Ca 4082/08 eingereicht von Rechtsanwalt Gerhard Jeandrée, Griegstraße 27B, 70195 Stuttgart, Tel.: 0711/162600, Fax: 0711/1626018 [email protected] 225. Betriebliche Altersversorgung, Kapitalwahlrecht, Abfindungsverbot Die Ausübung eines bereits in der Altersversorgungszusage vorgesehenen Kapitalwahlrechts fällt nicht unter das Verbot des § 3 Abs. 1 BetrAVG. Dessen Ausübung ist eine Form der Erfüllung des Anspruchs. Als Abfindung unzulässig ist ausschließlich einen nachträgliche vertragliche Abänderung der gegebenen Zusage. ■ Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 09.12.2008, 11 Sa 1580/07 B (Revision anhängig unter dem Az. 3 AZR 24/09) Streitwert und Gebühren 226. Streitwert, Beschwerde, materielle Beschwer bei zu niedrigem Gegenstandswert Orientiert sich der für ein Verfahren festzusetzende Gegenstandswert an der Monatsvergütung des Arbeitnehmers und legt dieser gegen die Gegenstandswertfestsetzung Beschwerde mit der Begründung ein, sein ihm arbeitsvertraglich zugesagtes Gehalt sei unangemessen niedrig gewesen, so ist die Beschwerde bereits mangels erforderlicher Beschwer unzulässig; der Beschwerdeführer begehrt damit in Wirklichkeit nicht die Beseitigung einer (vermeintlich) materiellen Benachteiligung, sondern die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes, mit der Folge, dass damit sein Prozessbevollmächtigter auch eine höhere Vergütung geltend machen kann. Mit dieser Begründung könnte allenfalls der Rechtsanwalt selbst Beschwerde einlegen, nicht jedoch die Partei. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 16.09.2008, 1 Ta 158/08 227. Streitwert, wirtschaftliche Identität von Kündigung und Verzugslohnanspruch, bedingter Weiterbeschäftigungsantrag 1. Wirtschaftliche (Teil-)Identität zwischen einem Kündigungsschutzantrag und geltend gemachten Lohnansprüchen kann nur soweit entstehen, wie die Bewertung des Kündigungsschutzantrags reicht, also in Abhängigkeit von der Bestandsdauer des Arbeitsverhältnisses im Kündigungszeitpunkt für einen kongruenten Deckungszeitraum von ein, zwei oder drei Monaten nach dem vermeintlichen Ende des Arbeitsverhältnisses. Darüber hinausgehende Zahlungsanträge (etwa ab dem 4. Monat nach der vermeintlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses) sind eigenständig zu bewerten. ( ... ) 4. Beantragt ein Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag, „sofern der Arbeitgeber im Gütetermin nicht zu Protokoll erkläre, ihn weiterzubeschäftigen, sofern ein Klage stattgebendes Urteil ergehe“, so ist dieser Antrag jedenfalls dann nicht gesondert zu bewerten, wenn die Parteien im Gütetermin nach Unterbreitung eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags übereinstimmend erklären, nach § 278 Abs. 6 ZPO vorgehen zu wollen und aus diesem Grunde beantragen, Kammertermin nur auf ihren weiteren Antrag zu bestimmen. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 16.01.2009, 1 Ta 229/08 228. Streitwert, Zwischenzeugnis Der Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses ist im Hinblick auf dessen vorübergehende Bedeutung sowie seinen im Vergleich zu einem Schlusszeugnis geringe- 156 02 / 09 Rechtsprechung Streitwert und Gebühren ren wirtschaftlichen Wert grundsätzlich nur mit einem halben Bruttomonatsgehalt zu bewerten. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 02.09.2009, 1 Ta 155/08 229. Streitwert, Kündigungsschutz- und Entfristungsklage Streiten die Parteien in einem Verfahren sowohl um die Wirksamkeit einer Kündigung als auch um die Unwirksamkeit einer vertraglich vereinbarten Befristung des Arbeitsverhältnisses, dann handelt es sich hierbei grundsätzlich um zwei rechtlich unterschiedliche Streitgegenstände, die auf einem nicht identischen Sachverhalt beruhen und die deshalb auch gesondert zu bewerten sind. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 01.10.2008, 1 Ta 181/08 230. Streitwert, Kündigungsschutz- und Entfristungsklage Bei gleichzeitigem Kündigungsschutz- und Entfristungsantrag kommt es für den Wert des Entfristungsantrages auf den Differenzzeitraum zwischen dem Kündigungs- und dem Befristungs-Endtermin an. Danach beträgt der Wert des Antrags bei einem Differenzzeitraum von bis zu sechs Monaten ein Bruttomonatsgehalt, bei einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten zwei Bruttomonatsgehälter und bei einem Zeitraum von mehr als zwölf Monaten drei Bruttomonatsgehälter. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 11.12.2008, 1 Ta 220/08 231. Streitwert, Dienstwagen, Herausgabeverlangen Verlangt ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Herausgabe eines diesem zur Verfügung gestellten Firmenwagens, so bemisst sich der Wert dieses Verlangens auch dann gemäß § 6 ZPO nach dem Verkehrswert der herauszugebenden Sache, also hier des Firmenwagens, wenn der Arbeitgeber diesen nur geleast hat. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 16.10.2008, 1 Ta 190/08 232. Streitwert, Urlaubsgewährung, einstweilige Verfügung Der Streitwert eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, den Urlaub innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu gewähren, ist – unabhängig davon, ob es sich dabei um eine vermögensrechtliche oder nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handelt – nicht mit dem Hilfswert von € 4.000 gemäß § 23 Abs. 3 RVG festzusetzen. Vielmehr ist das für die Dauer des Urlaubs zu zahlende Entgelt bei der Wertfestsetzung heranzuziehen (entgegen LAG Köln vom 23.09.1991 – 3 Ta 183/91). ■ Landesarbeitsgericht Bremen vom 22.10.2008, 1 Ta 61/08 233. Streitwert, Altersteilzeitvertrag Der Streitwert für den vom Arbeitnehmer begehrten Abschluss eines Altersteilzeitvertrages richtet sich regelmäßig nach der Dreimonatsvergütung aus § 42 Abs. 4 GKG. Werden mittels Hilfsantrag mehrere Vertragsvarianten angeboten, erhöht dies den Streitwert dann nicht, wenn dem ein einheitliches Angebot des Arbeitnehmers zu Grunde liegt. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 28.01.2009, 2 Sa 875/08 234. Streitwert, Abgeltungsklausel, Schmiergeldannahme, bezifferbare Forderung Streiten die Parteien um die Wirksamkeit einer wegen Annahme von Schmiergeldzahlungen ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung und schließen sie im unmittelbaren Anschluss an eine zu diesen Vorwürfen und zur Höhe derartiger Zahlungen durchgeführte Beweisaufnahme einen Beendigungsvergleich mit Abgeltungsklausel, so führt ein von der Abgeltungsklausel erfasster Schadensersatzanspruch zu einer entsprechenden Erhöhung des Vergleichswertes, wenn sich die Schadenshöhe infolge der Beweisaufnahme beziffern lässt, da die Einleitung eines Schadensersatzprozesses gegen den Arbeitnehmer dann nicht mehr nur theoretisch erscheint. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 20.10.2008, 1 Ta 177/08 235. Streitwert, Vergleich, Wert der Freistellung, Verlängerung der Kündigungsfrist 1. Auch der Wert der in einem Beendigungsvergleich vereinbarten widerruflichen Freistellung des Arbeitnehmers ist grundsätzlich mit 10 % des auf den Freistellungszeitraum entfallenden Bruttomonatsentgelts zu bemessen. 2. Einigen sich die Parteien dabei auf eine „Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der ausgesprochenen Kündigung zum ...“ und bestimmen als Endtermin einen nach dem Kündigungsendtermin liegenden Zeitpunkt, so begründet dies keinen Mehrwert des Vergleichs, da sie auch in diesem Fall eine Regelung über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 42 Abs 4 S 1 GKG treffen. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 17.10.2008, 1 Ta 192/08 236. Streitwert, Vergleich, Austrittsklausel, Erweiterung des Urlaubsanspruchs Räumen die Parteien in einem Beendigungsvergleich dem im Vergleichszeitpunkt arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer ein vorzeitiges Sonderbeendigungsrecht ein und vereinbaren sie ferner, dass ihm auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit bis zum Beendigungstermin oder bei vorzeitiger Beendigung der volle Urlaubsabgeltungsanspruch zustehen soll, rechtfertigt dies die Veranschlagung eines Vergleichsmehrwerts. 02/09 157 Rechtsprechung Streitwert und Gebühren Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 05.11.2008, 1 Ta 171/08 ■ 237. Streitwert, Vergleich, Austrittsklausel, Freistellung Vereinbaren die Parteien in einem Beendigungsvergleich die Freistellung des Arbeitnehmers unter Anrechnung eventueller Urlaubsansprüche, und räumen die Parteien dem Arbeitnehmer darüber hinaus für die Freistellungsphase ein einseitiges Sonderbeendigungsrecht ein, so kommt diesem Sonderkündigungsrecht mangels Widerruflichkeit der Freistellung kein eigenständiger Wert zu. ■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 21.10.2008, 1 Ta 176/08 es sich um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 RVG. 2. Bei nicht-vermögensrechtlichen Streitigkeiten richtet sich der Streitwert in erster Linie nach der Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller. Die offensichtliche Unzuständigkeit einer Einigungsstelle spricht gegen eine herausgehobene Bedeutung des Einigungsstellenverfahrens, die zu einer Überschreitung des Regelwertes von § 23 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 RVG führen könnte. 3. Auch bei nicht-vermögensrechtlichen Streitigkeiten kommt dem Gesichtspunkt der rechtlichen Schwierigkeit der Angelegenheit allenfalls der Stellenwert eines untergeordneten Hilfsgesichtspunkts zu. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 22.09.2008, 7 Ta 188/08 238. Streitwert, Beschlussverfahren, Untersagung von Betriebsratstätigkeit, einstweilige Verfügung Der Streitwert eines Beschlussverfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit welcher einem bestimmten BR-Mitglied untersagt werden soll, sein BR-Amt auszuüben, richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (hier: € 4.000). Auf das persönliche Einkommen des betroffenen BR-Mitglieds kommt es nicht an. Ein Abschlag wegen der Verfahrensart des einstweiligen Rechtsschutzes erscheint hier aber im Regelfall nicht angebracht. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 24.09.2008, 10 Ta 200/08 239. Streitwert, Beschlussverfahren, Einstellung, Zustimmungsersetzungsverfahren Der Streitwert eines Beschlussverfahrens auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung eines Arbeitnehmers richtet sich nicht nach dem Vierteljahresverdienst des Einzustellenden, sondern nach den Regeln über nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten, entspricht im Zweifel also dem Hilfswert von € 4.000. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 15.05.2008, 7 Ta 114/08 240. Streitwert, Beschlussverfahren, Einrichtung einer Einigungsstelle 1. Bei dem Verfahren nach § 98 ArbGG über die Errichtung einer betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstelle handelt 158 02 / 09 241. Streitwert, Festsetzung im Urteil, Anfechtung Gegen die Streitwertfestsetzung in einem arbeitsgerichtlichen Urteil ist eine besondere Anfechtung nicht statthaft, sofern das Arbeitsgericht ausschließlich den Rechtsmittelstreitwert und nicht gleichzeitig auch den Gebührenstreitwert festgesetzt hat. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 09.12.2008, 9 Ta 440/08 242. Kosten, Erstattungsfähigkeit, Berufungsverfahren, Stillhalteabkommen 1. Nach Einlegung der Berufung darf ein Berufungsbeklagter seinen Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren mandatieren, auch wenn der Berufungskläger die Berufung nur „fristwahrend“ eingelegt hat. 2. Der Erstattung der entstandenen Verfahrensgebühr steht nicht entgegen, dass die Berufung zurückgenommen wurde, bevor sich die Prozessbevollmächtigten des Berufungsbeklagten in dem Berufungsverfahren bestellt hatten oder ansonsten nach außen in Erscheinung getreten waren. 3. Ein Stillhalteabkommen kommt nicht bereits dadurch zustande, dass die Prozessbevollmächtigten des Berufungsbeklagten die Bitte der Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers, sich zunächst nicht zu bestellen, nicht beantworten. ■ Landesarbeitsgericht Köln vom 11.12.2008, 9 Ta 494/08 Rezensionen Rezensionen Ulrich Preis Der Arbeitsvertrag Handbuch der Vertragspraxis und -gestaltung Verlag Dr. Otto Schmidt, 3. Aufl. 2009, 1894 Seiten geb., EUR 149,00 ISBN 978-3-504-42031-4 Die 2. Auflage dieses Werkes erschien 2005, also zu einer Zeit, als das Schuldrechtsreformgesetz bereits zwei Jahre in Kraft war, sich aber nur wenige Entscheidungen mit seinen Auswirkungen befasst hatten. Im Jahre 2009 ist zwar einiges geklärt, vieles aber immer noch offen. Ein Werk wie dieses bleibt deshalb weiterhin unverzichtbar, um die Argumente für und wider von Vertragsklauseln zu erarbeiten und möglichst bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen die zu erwartende weitere Rechtsentwicklung zu berücksichtigen. Eine komplette Überarbeitung erfolgte in den Teilen Arbeitsentgelt, Arbeitszeit, Aufhebungsvertrag, Befristung des Arbeitsverhältnisses, geringfügige Beschäftigung, Direktionsrecht und Tätigkeitsbeschreibung, Sonderzahlungen, Verweisungsklauseln und Vorbehalte und Teilbefristung. Neu aufgenommen wurden die Stichworte Aufwendungsersatz, Internet, Telekommunikation und Vertragsänderungsabreden. Selbstverständlich angepasst wurden die Musterempfehlungen zu Ausschlussfristen, Altersgrenze, Direktionsrecht und Vertragsstrafen. Gegliedert ist das Werk weiterhin in drei Teile, die zunächst Grundlagen und allgemeine Praxis der Vertragsgestaltung sowie die damit zusammenhängenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen behandeln, sodann eine ausführliche Vorstellung einzelner Problemfelder und schließlich eine umfangreiche Sammlung von Vertragsmustern einschließlich eines englischsprachigen. Die Vertragsmuster erstrecken sich immerhin über 153 Buchseiten und sollten daher nahezu alle in der Praxis vorkommenden Regelungserfordernisse berücksichtigen. Dem Nutzer bleibt es dann überlassen, die richtige Gewichtung vorzunehmen: Will ich ein weites Direktionsrecht zugunsten eines sofortigen flexiblen Einsatzes oder sehe ich eine größere Gefahr in der dadurch hervorgerufenen Ausweitung der Sozialauswahl. Auf solche Fragen wird der Nutzer hingewiesen. Entscheiden muss er sich dann allein. Dr. Hans-Georg Meier Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin BVerfGK 10 – Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Eine Auswahl. Band 10. Herausgegeben vom Verein der Richter des Bundesverfassungsgerichts C.F. Müller Verlagsgruppe Hüthig-Jehle-Rehm; 2008, XII, 598 Seiten, gebunden, Einzelbezug: EUR 59,00, zur Fortsetzung EUR 49,00 ISBN 978-3-8114-9810-5 (auch als CD-Rom erhältlich) Diese im Jahre 2004 vom Verlag begonnene amtliche Sammlung erfasst sämtliche Rechtsgebiete, vom Ausländerrecht bis zum Zivilrecht, ausgewählt von den jeweiligen Berichterstattern in den Kammern. Die bisher erschienenen zehn Bände sind im Volltext auch auf CD-Rom erhältlich und mit Such- und Bearbeitungsmodi versehen. Der Band 10 reicht zeitlich von Dezember 2006 bis März 2007 und erfasst 80 Entscheidungen, davon allerdings nur drei mit direktem arbeitsrechtlichen Bezug und alle drei waren für die Beschwerdeführer erfolglos. Die Altersgrenze für Verkehrspiloten wurde gehalten, ebenso die Untersagung von gewerkschaftlichen Aktionen in Polizeidienststellen und die Bürgenhaftung des Hauptunternehmers für Mindestlohnansprüche gebilligt. Es empfiehlt sich aber auch immer der Blick in andere Rechtsgebiete, insbesondere in prozessuale Grundsätze, die auch im Arbeitsrecht gelten. Hier bietet sich die Einsicht in die Entscheidung Nr. 62 zur Verwerfung einer Anhörungsrüge mit Rücksicht auf den Vorrang der fachgerichtlichen Kontrolle an und die Nr. 39 zur Anforderung an eine Nichtzulassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht rügte die Überspannung an die Darlegungslast des Beschwerdeführers. Aber auch die Entscheidung Nr. 35 zur Altersgrenze bei Verkehrspiloten weckt den Vergleich mit arbeitsrechtlicher Rechtsprechung. Das Bundesverfassungsgericht hielt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, die pauschale Altersgrenze sei ungerechtfertigt, weil etwaige Bedenken gegen die Leistungsfähigkeit durch in kurzen Abständen stattfindende Tauglichkeitsuntersuchungen für Piloten wirksam ausgeschlossen würden, an allgemeinen Erkenntnissen über den altersbedingten Leistungsabbau fest „angesichts der besonderen Interessen und der Schutzbedürftigkeit der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Sicherheit des gewerblichen Flugverkehrs“. Dem noch nicht altersgeschädigten geneigten Leser dieser Zeitschrift wird dabei vielleicht die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts, Nr. 169 in AE Nr. 3/2008 einfallen. Damals wurde das Verhalten einer Arbeitnehmerin gebilligt, die das Erschleichen eines Arbeitsplatzes im Sicherheitsbereich des Flughafens Frankfurt eines sich illegal in Deutschland aufhaltenden und unter falschem Namen handelnden Familienangehörigen ver- 02/09 159 Rezensionen schwieg. Die besonderen Interessen und das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit im Flugverkehr scheint einem sehr weiten Beurteilungsrahmen zu unterliegen. Im Ergebnis empfiehlt sich also immer wieder der Blick über den Tellerrand und dazu sind die Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen ein geeignetes Mittel. Dr. Hans-Georg Meier Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht Verlag Dr. Otto Schmidt, 3. Aufl. 2008, 1179 Seiten, gebunden, inkl. CD, EUR 99,00 EAN 9783504426668 Im Gegensatz zu dem auch musterorientierten „Arbeitsvertrag“, herausgegeben von Preis, das überwiegend von NichtAnwälten stammt, sind hier ausschließlich Fachanwälte für Arbeitsrecht tätig geworden. Dementsprechend strikt praxisorientiert ist das Werk. Es gibt eine übersichtliche Einführung zum einzelnen Vertragsgegenstand. Sodann folgt die passende Klausel, die in ihren unterschiedlichen Auswirkungen erläutert wird. Der besondere Nutzwert für den Praktiker wird betont durch die beigefügte CD, auf der alle Muster und Formulare abrufbar sind. Das Anwaltsformularbuch beschränkt sich jedoch nicht auf das Individualarbeitsrecht, sondern erfasst in seinen insgesamt sechs Teilen auch das Betriebsverfassungsrecht, Tarifrecht und Arbeitskampf, Mitbestimmungsrecht und das Arbeitsgerichtsverfahren. Im Individualarbeitsrecht folgt das Werk in seinem Aufbau dem Ablauf eines Arbeitsverhältnisses. Es beginnt also mit der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses, stellt dann in den unterschiedlichsten Varianten Arbeitsverträge und besondere Vertragsformen dar, widmet sich anschließend den Fragen des Bestands, also etwa Urlaub, Krankheit und Elternzeit. Es schließen sich an die verschiedenen Beendigungsformen und dieser Teil endet wie das Arbeitsverhältnis mit dem Zeugnis und dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Ebenso aufgebaut ist das Betriebsverfassungsrecht. Es beginnt mit der Errichtung des Betriebsrates, setzt sich fort mit der internen Organisation und u.a. der Betriebsversammlung, wendet sich dann umfangreich mitbestimmungsrechtlichen Vereinbarungen zu und schließlich der Einigungsstelle. Zu den Betriebsvereinbarungsmustern gehören jetzt auch Vorschläge zu einer Ehtikrichtlinie und einer Whistleblowing-Hotline, von denen man sich nur wünschen kann, möglichst selten Derartiges bearbeiten zu müssen. Der Teil Arbeitsgerichtsverfahren beginnt mit dem Muster einer Honorarvereinbarung, wird fortgesetzt mit der Frage der richtigen Gestaltung eines Klagerubrums (bei dem es selbstverständlich keine „Firma“ gibt, die klagt oder beklagt wird), erörtert dann die Frage, ob es taktisch sinnvoll ist, vor der Gü- 160 02 / 09 teverhandlung eine Klageerwiderung zu fertigen und ob man dazu gar gezwungen werden könnte, hilft mit dem Muster einer sofortigen Beschwerde gegen die beliebte und meist doch unberechtigte Aussetzung eines Kündigungsschutzverfahrens wegen vorgreiflichen Strafverfahrens und auch an einer Anhörungsrüge nach § 78a ArbGG fehlt es nicht. Die weiteren Instanzen werden dargestellt einschließlich eines Musters zur Stellungnahme in einem Vorlageverfahren an den EuGH. Beim Betriebsübergang besteht schon wieder ein kleiner Bedarf für eine Neuauflage, seit der EuGH mit der Entscheidung vom 12. Februar 2009 „Klarenberg“ dem Kriterium der Aufrechterhaltung der Identität einen guten Teil seiner Wirkung entzogen hat. Im Übrigen aber dürften den vorgeschlagenen Informationsmustern auch in den zurzeit anstehenden über 30 dem BAG zur Entscheidung vorliegenden Verfahren kein Schaden zugefügt werden. Auch das Muster eines Widerspruchsschreibens ist vorhanden und geboten, weil es zugleich die Frage bearbeitet, welche sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen von einem Widerspruch ausgehen. Mit großer Freude kann man feststellen, dass die Autoren allesamt Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV sind, regelmäßig an den Tagungen teilnehmen, oft auch vortragend, was sich in diesem Buch niederschlägt: praxisnäher unter Beachtung der wissenschaftlichen Anforderungen kann man ein Formularbuch nicht gestalten! Dr. Hans-Georg Meier Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin Schwab/Weth (Hrsg.) Kommentar zum Arbeitsgerichtsgesetz Verlag Dr. Otto Schmidt, 2. Aufl. 2008, gebunden, 2704 Seiten, EUR 168,00 ISBN 978-3-504-42660-6 Die 2. Auflage dieses Großkommentars zum Arbeitsgerichtsgesetz ist wiederum erstellt von Autoren aus der Richterschaft, von Professoren aber auch von drei Fachanwälten für Arbeitsrecht. Der Begriff des Großkommentars ist zu Recht gewählt, wie schon die Seitenzahl belegt, was zudem aber auch die umfassende Darstellung des erörterten Rechtsgebiet zeigt. Notwendig wurde die zweite Auflage durch die seit der Erstauflage 2004 bis zur Drucklegung im September 2007 umfassende neue Rechtsprechung und die gesetzgeberischen Aktivitäten zum internationalen Verfahren, zu gerichtlichen elektronischen Dokumenten und der elektronischen Akte, der sofortigen Beschwerde wegen verspäteter Absetzung des Berufungsurteils, der Möglichkeit zur Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der sofortigen Beschwerde. Neben dem eigentlichen Objekt der Besprechung, nämlich dem Arbeitsgerichtsgesetz, wird auch in gesonderten Beiträgen auf das arbeitsrechtliche Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und dem EuGH eingegangen sowie auf das Verfahren vor der Einigungsstelle. Mag auch Impressum das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und dem EuGH kaum einen Nutzer betreffen, die Ausführungen zur Einigungsstelle geben dem Teilnehmer an einem solchen Verfahren Halt. Ansonsten bleibt es bei dem bewährten Aufbau. Zuerst werden allgemeine Vorschriften erörtert, dann der Aufbau der Gerichte für Arbeitssachen in allen Instanzen. Ebenfalls durch die Instanzen wird das eigentliche Verfahren dargestellt, individualrechtlich wie auch das Beschlussverfahren. Auch das Impressum AE-Arbeitsrechtliche Entscheidungen Herausgeber, Chefredaktion- und Anschrift: Rechtsanwalt Dr. Hans-Georg Meier Budapester Straße 40 10787 Berlin Telefon (030) 25 45 91 55 Telefax (030) 25 45 91 66 E–Mail: [email protected] Redaktion: Rechtsanwalt Roland Gross Petersstr. 15 04105 Leipzig Telefon (0341) 984 62-0 Fax (0341) 984 62-24 E–Mail: [email protected]; www.advo-gross.de Rechtsanwältin Dr. Nathalie Oberthür Kanzlei RPO Rechtsanwälte Im Mediapark 6 50670 Köln Telefon (0221) 355051-50 Fax (0221) 355051-35 E–Mail: [email protected] www.rpo-rechtsanwaelte.de und die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DeutschenAnwaltverein (Adresse s. unten) Geschäftsführender Ausschuss: Dr. Jobst-Hubertus Bauer (Vors.) Geschäftsstelle: c/o Dr. Johannes Schipp Münsterstraße 21 33330 Gütersloh Telefon (0 52 41) 90 33-0 Telefax (0 52 41) 1 48 59 Deutscher AnwaltVerein Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht Geschäftsstelle Dr. Katharina Freytag Littenstraße 11 10179 Berlin Telefon (030) 72 61 52-0, Sekr. 134 Telefax (030) 72 61 52-195 Verlag: Deutscher AnwaltVerlag Wachsbleiche 7 53111 Bonn Telefon: (0228) 9 19 11-0 Telefax: (0228) 9 19 11-23 E–Mail: [email protected] Anzeigen sales friendly Verlagsdienstleistungen Bettina Roos Siegburger Str. 123 53229 Bonn Telefon: (0228) 9 78 98-0 Telefax: (0228) 9 78 98-20 E–Mail: [email protected] Gültig ist die Preisliste Nr. 4 vom 1.1.2007 Lektorat Anne Krauss Satz Cicero Computer GmbH, 53225 Bonn Druck Hans Soldan Druck GmbH, 45356 Essen Erscheinungsweise Die AE erscheint vierteljährlich Schiedsverfahren von Beginn bis hin zur Aufhebungsklage wird ausführlich erörtert. Das Gewicht des Werkes in Kilogramm entspricht seinem wissenschaftlichen Wert und ersetzt beim Transport aus der Bibliothek in das Arbeitszimmer zehn Minuten Fitness-Studio. Wer sich vertieft mit den hier erörterten Rechtsfragen befassen muss, was zum Glück nicht so häufig ist, der findet in diesem Buch die Unterstützung, die er braucht. Dr. Hans-Georg Meier Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin Bezugspreise 2009 Inland € 96,– (zzgl. Versand) Einzelheft € 25,– (zzgl. Versand) Alle Preise verstehen sich inkl. Mehrwertsteuer. Der Abonnementpreis wird im Voraus in Rechnung gestellt. Das Abonnement verlängert sich zu den jeweils gültigen Bedingungen um ein Jahr, wenn es nicht 8 Wochen vor Ablauf des Bezugsjahres gekündigt wird. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitsrecht erhalten die AE im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Urheber- und Verlagsrecht Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge – auch die bearbeiteten Gerichtsentscheidungen und Leitsätze – sind urheberrechtlich geschützt. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken und ähnlichen Einrichtungen. Kein Teil dieser Zeitschrift darf außerhalb der Grenzen des Urhebergesetzes ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsanlagen verwendbare Sprache, übertragen werden. Namentlich gezeichnete Artikel müssen nicht die Meinung der Redaktion wiedergeben. Manuskripte und Einsendungen sind bitte an die Redaktionsanschrift zu senden. Manuskripte Die AE beinhaltet aktuelle arbeitsrechtliche Entscheidungen sowie Beiträge für die Anwaltspraxis. Manuskripte sind an die Redaktionsanschrift zu richten. Unverlangt eingesandte Manuskripte – für die keine Haftung übernommen wird – gelten als Veröffentlichungsvorschlag zu den Bedingungen des Verlages. Es werden nur unveröffentlichte Originalarbeiten übernommen. Die Verfasser erklären sich mit einer nicht sinnentstellenden redaktionellen Bearbeitung durch den Herausgeber einverstanden. Mit der Annahme eines Manuskriptes erwirbt der Verlag vom Verfasser das ausschließliche Recht zur Veröffentlichung und Verwertung. Eingeschlossen ist insbesondere auch das Recht zur Einspeicherung in Datenbanken sowie das Recht zur weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen Zwecken im Wege eines fotomechanischen oder eines anderen Verfahrens. 02/09 161 Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis (Zahlenangaben sind lfd. Nummern der Entscheidungen) Abfindung Lohnsteuer – 207 Abmahnung Verhältnismäßigkeit – 149 Abtretung Vorteilsausgleich – 126 AGB-Kontrolle Inhaltskontrolle – 124 Mehrarbeitsvergütung – 123 Transparenzgebot – 123 AGG Altersdiskriminierung 140, 141, 157, 181, 210 anzuwendende Regelung – 181 ausgleichsfähiger Nachteil – 211 Frauenförderung – 211 Klagefrist – 212 Personalberater – 212 Rechtsweg – 212 Schwerbehinderung – 209 Widerlegung der Vermutung – 209 Altersdiskriminierung Sozialplan – 171 Vergütungssystem – 181 Änderungskündigung Auslegung – 156 überflüssige – 137 Vorbehaltsannahme – 136 vorfristige Bedingungsänderung – 156 Anfechtung Aufhebungsvertrag – 143 Bedenkzeit – 143 Betriebsratswahl – siehe dort Drohung – 143 Kausalität – 143 Prozessvergleich – 220 Annahmeverzug Betriebsratsmitglied – 178 unzumutbare Annahme der Arbeitskraft – 178 Arbeitnehmerhaftung Kraftfahrzeugschaden – 126 Arbeitnehmerstatus Lebensgemeinschaft – 132 Arbeitnehmerüberlassung Konzern – 169 Arbeitskampf Flashmob-Aktion – 183 Kampfparität – 183 Verhältnismäßigkeit – 183 Arbeitsvertrag Auslegung – 125 Arbeitsverweigerung beharrliche – 148 Aufhebungsvertrag Anfechtung – 143 Aufklärungspflicht des Arbeitgebers Tarifvertrag/Inhalt – 133 Aufstockungsanspruch (§ 9 TzBfG) billiges Ermessen – 204 Schadensersatz – 204 162 02 / 09 unternehmerisches Konzept – 205, 206 Vorrangsbestimmung – 204 Auslegung Arbeitsvertrag – 125 Betriebsvereinbarung – 171 Kündigungsverbot – 180 Prozesshandlung – 197 Prozessvergleich – 219 Tarifvertrag – 180 Widerrufsvorbehalt – 125 Außerordentliche Kündigung Arbeitszeitbetrug – 152, 153 Frist nach § 626 Abs. 2 BGB – 155 Interessenabwägung – 145 personenbedingte – 150 Privatnutzung, Dienst-LKW – 152 Schlechtleistung – 145 Verdacht – 152 Befristung des Arbeitsverhältnisses Kettenbefristung – 158 Personalratsanhörung – 160 Prognose – 158 Sachgrund – 160 Vertretung mittelbar – 158, 159 Bereicherungsrecht Entreicherung – 207 Berufungsfrist Versäumung – 193 Berufungsinstanz Anschlussberufung – 193 Kostenerstattung – 242 Stillhalteabkommen – 242 Beschlussverfahren doppeltes Zustimmungsersetzungsverfahren – 169 einstweilige Verfügung – 163 Passivrubrum – 162 Unterlassungsanspruch – 167 Vollmacht – 162 Betriebliche Altersversorgung Gleichbehandlung – 129 Kapitalwahlrecht – 225 Leistungsmitteilung – 223 Schadenersatzpflicht des PSV – 223 Witwenrente bei Mehrehe – 224 Betriebliche Übung gegenläufige – 130 Betriebliches Eingliederungsmanagement Mitbestimmung – 168 Betriebliche Vergütungsordnung Nachwirkung des TV – 182 Betriebsänderung Sachverständiger – 163 Betriebsbedingte Kündigung anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit – 137, 139 Betriebsübergang – 139 Darlegungslast – 138 Erwerberkonzept – 139 Massenentlassung – 139 Rationalisierung – 137 unternehmerische Entscheidung – 138 Stichwortverzeichnis Verhältnismäßigkeit – 137 Betriebsrat Anhörung zur Kündigung – 153, 175, 176 Betriebsratskosten – siehe dort Sachmittel – siehe Betriebsratskosten Schulung – siehe Betriebsratsschulung Unterlassungsanspruch – 167 Zuständigkeitskonkurrenz – 174 Betriebsratskosten einstweilige Verfügung – 163 Erforderlichkeit – 164, 165 PC- 165 Sachverständiger – 163 Verhältnismäßigkeit – 163 Kostenerstattung im Arbeitsgerichtsverfahren Berufung – 242 Krankheitsbedingte Kündigung Behinderungsdiskriminierung – 214 betriebliches Eingliederungsmanagement – 151 Kündigung siehe auch unter betriebsbedingte-, krankheitsbedingte-, verhaltensbedingte, außerordentliche und personenbedingte Änderungskündigung – siehe dort Betriebsratsanhörung – 153, 175 Personalratsanhörung – 153 Betriebsratsmitglied außerordentliche Kündigung – 178 Kündigungserklärung E-mail – 190 Gesamtvertretungsbefugnis – 144 Schriftform – 190 Zurückweisung mangels Vollmacht – 144 Betriebsratsschulung Verpflegungskosten – 166 Kündigungsfrist Umdeutung – 156 Betriebsratswahl Anfechtung – 161, 162 Kündigungsschutz konzernweite Beschäftigungspflicht – 142 Betriebsübergang Erwerberkonzept – 139 Kausalität für Kündigung – 139 Kündigungsschutzgesetz Beschäftigungszeit als Leiharbeitnehmer – 134 Wartezeit – 134 Betriebsvereinbarung Auslegung- 171 Kündigungsschutzklage Klagefrist bei E-mail-Kündigung – 190 Darlegungs- und Beweislast Zeugnis – 218, 219 Lebenspartnerschaft Arbeitsverhältnis – 132 Nichtausgleich von Leistungen – 132 Dienst-Pkw Widerruf der Privatnutzung – 125 Direktionsrecht Arbeitsort – 137 Arbeitszeit – 203 billiges Ermessen – 203 einstweilige Verfügung – 136 Feststellungsinteresse – 136 gewerkschaftliche Betätigung – 203 vertragswidrige Beschäftigung – 136 Einfühlungsverhältnis Definition – 122 Vergütung – 122 Einigungsstelle Annexkompetenz – 172 offensichtliche Unzuständigkeit – 173, 174 Regelungsmacht – 172 ständige – 172 Fragerecht des Arbeitgebers Vorstrafen – 208 Freistellung Beschäftigungsverhältnis – 201 gewerkschaftliche Betätigung (für) – 203 Sozialversicherung – 201 Freiwillige Leistung nachträglicher Vorhalt – 130 Gewerkschaft Tariffähigkeit – 184 Gleichbehandlung Arbeiter/Angestellter – 128, 129 betriebliche Altersversorgung – 129 öffentlicher Dienst – 213 Sachgrund – 124, 127, 128, 213 Unternehmensverbot – 213 Leitender Angestellter Betriebsratsvorsitzender – 161 Lohnsteuer Erstattungsanspruch des Arbeitgebers – 207 Massenentlassung Anzeige – 139 Sperrfrist – 139 Mitbestimmung des Betriebsrates in personellen Angelegenheiten Arbeitnehmerüberlassung – 169 Arbeitszeiterhöhung – 170 Einstellung – 170 Umgehungsverbot – 169 Mitbestimmung des Betriebsrates in sozialen Angelegenheiten Arbeitszeit – 167 Ordnung im Betrieb – 168 Betriebliche Vergütungsordnung – 182 Mobbing Kausalität – 215 Schadensersatz – 215, 216 Schmerzensgeld – 216 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot Mandantenschutzklausel – 222 Nichtzulassungsbeschwerde Anforderung an Begründung – 195 Divergenz – 195 Öffentlicher Dienst Bezugnahme auf Tarifvertrag – 131 Ordnungsgeld persönliches Erscheinen – 196 Örtliche Zuständigkeit Außendienstmitarbeiter – 185 Jugend- und Auszubildendenvertretung Auflösung des Arbeitsverhältnisses – 179 Personalrat Anhörung vor Kündigung – 153, 176 Mitbestimmung bei Befristung – 160 Konzernbetriebsrat Zuständigkeitskonkurrenz – 174 Personenbedingte Kündigung Schwerbehinderter – 150 02/09 163 Stichwortverzeichnis Persönliches Erscheinen siehe Ordnungsgeld Protokollberichtigung Rechtsmittel – 191 Prozesskostenhilfe Abfindung – 197 Anwaltsbeiordnung – 198 einfach gelagerter Fall – 198 mutwillige Rechtsverfolgung – 198 nach Verfahrensende – 199 verspätete Einreichung von Unterlagen – 200 Prozessvergleich Auslegung – 219 Berichtigung – 191 Prozessvortrag Grenzen der Meinungsäußerung – 192 Rechtsweg Arbeitnehmerdarlehen – 189 Geschäftsführer – 187, 188 Organvertreter – 186, 187 Personalberater – 212 sic-non-Fall – 186 Zusammenhangsklage – 186 Schmerzensgeld Schadensersatz – 217 Schriftform konkludente Aufhebung – 130 Schwerbehinderte Bewerbung – 209 Kündigung – 150 Schwerbehindertenvertretung Schulungsanspruch – 177 Sexuelle Belästigung Kündigung – 147 Sittenwidrig Einfühlungsverhältnis – 122 Vergütungsabrede – 122 Sozialauswahl Altersgruppen – 140, 141 betriebsübergreifend – 142 konzernbezogen – 142 Punkteschema – 141 Sozialplan Altersdiskriminierung – 171 Rentenanspruch – 171 Sozialversicherungsrechtlicher Status unwiderrufliche Freistellung – 201 Steuern Lohnsteuerlast – 207 Streitwert Altersteilzeitverlangen – 233 Ausgleichsklausel – 234 Beschlussverfahren – siehe dort Dienst-Pkw – 231 einstweilige Verfügung – 232 Herausgabeanspruch – 231 Kündigungsschutzverfahren – siehe dort Urlaubsgewährung – 232 Vergleich mit nicht rechtshängigen Ansprüchen – 234 Zwischenzeugnis – 228 Streitwert im Beschlussverfahren 164 02 / 09 Betriebsratstätigkeit – 238 Einigungsstelle, Errichtung – 240 einstweilige Verfügung gegen Betriebsratsmitglied – 238 personelle Einzelmaßnahme – 239 Streitwerte im Kündigungsschutzverfahren Entfristungsklage neben Kündigungsschutz – 229, 230 Freistellungsvereinbarung – 235, 237 Vergleichsmehrwert – siehe Vergleichswert Vergütungsanspruch neben – 227 Weiterbeschäftigungsanspruch – 227 Streitwertfestsetzung Beschwerde – 241 Beschwerdebefugnis – 226 Urteilsfestsetzung – 241 Tarifvertrag Bezugnahmeklausel – 124, 131 Kündigungsverbot – 180 Nachwirkung – 182 Teilzeitarbeitnehmer Aufstockungsanspruch – 204, 205, 206 Überstunden Vergütungsausschluss, vertraglicher – 123 Urlaubsanspruch Krankheit -202 Verfall – 202 Verdachtskündigung Anforderung – 154 Verhältnis zur Tatkündigung – 152 Vergleichswert Ausgleichsklausel – 234 Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche – 234 Einbeziehung nicht streitiger Ansprüche – 236, 237 Sonderaustrittsrecht – 236, 237 Urlaubsanspruch – 236, 237 Verlängerung der Kündigungsfrist – 235 Vergütungshöhe angemessene/übliche – 123 Verhaltensbedingte Kündigung Abmahnung, entbehrliche – 147 Alkoholgenuss – 147 Arbeitsverweigerung (siehe auch dort) – 148 entlastende Umstände – 153 Interessenabwägung – 145 Leistungsmangel – 145, 149 sexuelle Belästigung – 147 Verdacht – 154 Vorstrafe Fragerecht des Arbeitgebers – 208 Wahrnehmung berechtigter Interessen Beleidigung – 192 Widerrufsvorbehalt Pkw-Nutzung – 125 wirtschaftliche Gründe – 125 Zeugnis abweichende Vereinbarung – 219 Berichtigungsanspruch – 218, 221 Darlegung- und Beweislast- Zeugnis – 218 Herausgabepflicht – 218 Schlussformel – 221 widersprüchlicher Inhalt – 221 Zug-um-Zug-Leistung – 218