g er la )V (c ac ov r. K D bH m G Schriftenreihe Strategisches Management Band 57 G m bH ISSN 1617-7762 (c )V er la g D r. K ov ac Verlag Dr. Kova Markus Bundschuh Modellgestützte strategische Planung von Produktionssystemen in der Automobilindustrie Ein flexibler Planungsansatz für die Fahrzeughauptmodule Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang bH Verlag Dr. Kova (c )V er la g D r. K ov ac G m Hamburg 2008 VERLAG DR. KOVA FACHVERLAG Leverkusenstr. 13 · FÜR WISSENSCHAFTLICHE 22761 Hamburg E-Mail [email protected] · · LITERATUR Tel. 040 - 39 88 80-0 · Fax 040 - 39 88 80-55 Internet www.verlagdrkovac.de Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN: 1617-7762 ISBN: 978-3-8300-3794-1 Zugl.: Dissertation, Universität Augsburg, 2007 © VERLAG DR. KOVA in Hamburg 2008 Umschlagillustration: © BMW Group. Abdruck mit freundlicher Genehmigung. bH Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, fotomechanische Wiedergabe, Aufnahme in Online-Dienste und Internet sowie Vervielfältigung auf Datenträgern wie CD-ROM etc. nur nach schriftlicher Zustimmung des Verlages. (c )V er la g D r. K ov ac G m Gedruckt auf holz-, chlor- und säurefreiem Papier Alster Digital. Alster Digital ist alterungsbeständig und erfüllt die Normen für Archivbeständigkeit ANSI 3948 und ISO 9706. g er la )V (c ac ov r. K D bH m G Meinen Eltern g er la )V (c ac ov r. K D bH m G Geleitwort Die Installation von Produktionskapazitäten für künftige Produkte ist im Automobilbau mit sehr hohen Investitionen verbunden und hat eine sehr langfristige Wirkung auf die Wettbewerbsposition des Herstellers. Die strategische Planung für diese kritischen Entscheidungen ist in den letzten Jahren erheblich schwieriger geworden, zum einen durch die stark gewachsene Produkt-Vielfalt, zum anderen durch die Globalisierung der Produktionsstandorte und der Märkte. Bei vielen Automobilherstellern sind daher Planungssysteme für diese Aufgabe in der Entwicklung. Die vorliegende Arbeit ist die dritte Dissertation von BMW-Mitarbeitern zu diesem Thema: H ENRICH (2002) hat den grundlegenden Prozess der strategischen Planung und die Rolle von quantitativen Planungsmodellen darin analysiert, F ERBER (2005) hat ein Modell für die Kapazitäts- und Investitionsplanung der Fahrzeugwerke in einem globalen Produktionsnetz entwickelt. Diese Arbeit befasst sich nun mit dem Bereich der Produktion von Motoren, Fahrwerksund Antriebsstrangmodulen, der in der Literatur und in der öffentlichen Wahrnehmung bisher vernachlässigt wurde, obwohl er 50 % zur Wertschöpfung eines Fahrzeugs beiträgt. Sie baut auf den vorgenannten Arbeiten auf, konzentriert sich aber auf die besonderen Schwierigkeiten des Untersuchungsbereichs: (1) Die Module Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang sowie die zugehörigen Komponenten können alle an unterschiedlichen Standorten gefertigt werden, was einen stark vernetzten internen Materialfluss verursacht und die Standort-Entscheidungen komplexer macht. (2) Eine Produktionsanlage besteht aus einer Vielzahl unterschiedlicher Arbeitssysteme, die die Kapazität und den Personalbedarf beeinflussen. (3) Die Konfiguration einer Produktionslage aus geeigneten Arbeitssystemen bestimmt die Flexibilität und den Automatisierungsgrad der Anlage. Markus Bundschuh hat nicht nur ein neuartiges flexibles Optimierungsmodell entwickelt, das sich hinsichtlich der zu bearbeitenden Entscheidungsfelder und des Detaillierungsgrades an die jeweilige strategische Fragestellung anpassen lässt. Er hat es auch in Form eines Anwender-orientierten IT-Tools implementiert, das eine Menü-geführte bH Benutzeroberfläche mit einer Access-Datenbank und dem CPLEX-Solver verbindet. (c )V er la g D r. K ov ac G m Dieses Tool unterstützt sowohl die Planung des globalen Produktionsnetzes als auch die Konfiguration einer komplexen Produktionsanlage, die eine Vielzahl von Prozess- Schritten ausführt, und findet bereits häufige Anwendung in der Praxis. Die Funktionsweise des Modells wird an zwei realistischen Fallstudien eindrucksvoll demonstriert. Die Arbeit ist ein wesentlicher Beitrag zur Forschung im Bereich der strategischen Planung von Produktionssystemen und ein Vorbild für den Einsatz quantitativer Planungsmodelle in der Praxis. Ich wünsche ihr eine weite Verbreitung in Wissenschaft und Praxis. Prof. Dr. Bernhard Fleischmann (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Augsburg, den 8. März 2008 Vorwort Die vorliegende Dissertation entstand im Rahmen meiner dreijährigen Doktorandentätigkeit bei der BMW Group in München in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Produktion und Logistik der Universität Augsburg. An dieser Stelle möchte ich gerne meinen Dank an alle aussprechen, die mich in dieser Zeit begleitet und meinem Promotionsvorhaben zum Erfolg verholfen haben. Allen voran möchte ich mich ganz herzlich bei meinem Dokotorvater, Herrn Prof. Dr. Bernhard Fleischmann, für die intensive und hervorragende Betreuung bedanken. Mit seinen vielfältigen Anregungen und wertvollen Ratschlägen stand er mir bei der Anfertigung der Arbeit stets zur Seite. Für das Zweitgutachten möchte mich gerne bei Herrn Prof. Dr. Axel Tuma und für den Prüfungskommissionsvorsitz bei Herrn Prof. Dr. Robert Klein bedanken. Mein weiter Dank gilt meinen Vorgesetzten bei der BMW Group, Herrn Dr. Udo Bahrke und Herrn Bernd Rudzinski, die das Forschungsprojekt initiiert, begleitet und mir die erforderlichen Freiräume für die Anfertigung der Dissertation gewährt haben. Auch meinen Kollegen der Gruppe Strategie und Strukturplanung (Technologie Antriebs- und Fahrwerkssysteme) bin ich für ihre Unterstützung und das freundschaftlich kollegiale Klima sehr verbunden. Dabei möchte ich insbesondere meine Mentoren, Herrn Martin Tremmel und Herrn Dr. Sven Schumann, hervorheben. In unzähligen Gesprächen haben sie mit ihrem Fachwissen, ihrer Praxiserfahrung und ihrer konstruktiven Kritik diese Arbeit geprägt und wesentlich zu ihrem Gelingen beigetragen. Bedanken möchte ich mich des Weiteren bei Herrn Alexander Hütter und Herrn Christoph Heindel, die mich als Werkstudenten bei der Implementierung des ITPlanungswerkzeugs unterstützt haben. Ein herzliches Dankeschön gilt auch Herrn Dietmar Scheipl für die Rechtschreibkorrektur der Arbeit. Meinen Kollegen des Lehrstuhls Produktion und Logistik der Universität Augsburg bin ich ebenfalls für die freundliche Aufnahme und die vielen kleinen Gefallen sehr verbunden – und natürlich für die gute Zeit auf den Seminaren und Workshops! bH Von ganzem Herzen bedanken möchte ich bei meiner Familie, die mich immer und in (c )V er la g D r. K ov ac G m allem nach Kräften unterstützt und auf die ich immer zählen darf. Dies gilt ganz besonders meinen Eltern, denen ich unglaublich viel verdanke und die mir auch meinen beruflichen Werdegang überhaupt erst ermöglicht haben. Ohne ihre Liebe, ihre Ermutigung und nicht zuletzt auch ihre finanzielle Unterstützung wäre dieser Weg sehr viel steiniger gewesen. Mein letztes Dankeswort gilt Frau Sina Beck, die die Höhen und Tiefen des vergangenen Jahres gemeinsam mit mir durchlebte, die Umschlagsgrafik erstellte, mich beim Korrekturlesen und Formatieren unterstützte und das Jahr 2007 für mich unvergesslich werden ließ. Markus Bundschuh (c )V er la g D r. K ov ac G m bH München, den 5. März 2008 Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis XV Tabellenverzeichnis XIX Abkürzungsverzeichnis XXI 1 Einleitung 1 1.1 Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule: Bedeutung und aktuelle Trends . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.3 Aufgabenstellung und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.4 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung 19 2.1 Begriffliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.1.1 System und Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.1.2 Produktionssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.1.2.1 Begriff in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.1.2.2 Verwendung des Begriffs in dieser Arbeit . . . . . . . . 25 2.1.2.3 Abgrenzung vom Begriff der Supply Chain . . . . . . . 27 2.1.3 Strategische Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen . . . . . . . . . . . . . 30 2.2.2 Determinanten von Produktionssystemen . . . . . . . . . . . . . 34 m 30 r. K ov ac G planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bH 2.2.1 Einordnung und Prozess der strategischen Produktionssystem- (c )V er la g D XI 2.2.2.1 Kapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.2.2.2 Flexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.2.3 Zielsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.2.3.1 Zielgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.2.3.2 Zielrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.2.4 Entscheidungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.2.4.1 Standorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.2.4.2 Belegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.2.4.3 Materialflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2.2.4.4 Werksstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.2.4.5 Technologie/Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.2.4.6 Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2.2.5 Unsicherheiten in der strategischen Produktionssystemplanung . 76 2.3 Modellgestützte Planung mittels gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2.3.1 Begriffliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2.3.2 Qualitative und quantitative Planung . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2.3.3 Prozess der modellgestützten Planung . . . . . . . . . . . . . . . 82 2.3.4 Berücksichtigung von Unsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . 85 2.3.5 Lineare gemischt-ganzzahlige Optimierungsmodelle . . . . . . . 86 2.3.6 Verfahren zur Modellauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2.3.6.1 Analytische Optimierungsverfahren . . . . . . . . . . . 90 2.3.6.2 Post-optimale Analyseverfahren . . . . . . . . . . . . . 93 2.3.6.3 Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.1.1 Allgemeine Branchenmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Funktionale Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3.1.1.2 Strukturelle Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 ov r. K 3.1.2 Spezifische Merkmale von Premiumherstellern . . . . . . . . . . 121 ac G 3.1.1.1 bH 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 97 m 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule (c )V er la g D XII 3.2 Anforderungen an die modellgestützte Planung im Untersuchungsbereich 124 3.2.1 Einordnung des Planungsproblems . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3.2.2 Ableitung von Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur 133 4.1 Literaturüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4.1.1 Fokussierte Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 4.1.2 Integrierte Entscheidungsmodelle ohne Anlagenplanung . . . . . 135 4.1.3 Integrierte Entscheidungsmodelle mit Anlagenplanung . . . . . . 139 4.2 Analyse der integrierten Modelle mit Anlagenplanung . . . . . . . . . . 154 4.3 Handlungsfelder und Eingrenzung der Aufgabenstellung . . . . . . . . . 164 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 167 5.1 Einordnung des Basismodells und Beschreibung des flexiblen Aufbaus . 168 5.2 Mathematische Modellformulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 5.2.1 Modellierung der funktionalen Nebenbedingungen des Basismodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 5.2.1.1 Modellierung der Stücklisten-, Produkt- und Prozessstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 5.2.1.2 Modellierung der Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 5.2.1.3 Standortwahl und Anlagenbetrieb . . . . . . . . . . . . 186 5.2.1.4 Belegungs- und Flexibilitätsplanung von Anlagen . . . . 189 5.2.1.5 Planung der Anlagenkapazitäten . . . . . . . . . . . . . 194 5.2.1.6 Werksstrukturplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 5.2.1.7 Materialflussplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 5.2.1.8 Personalplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 5.2.2 Modellierung der Zielfunktion des Basismodells . . . . . . . . . . 226 5.2.2.1 5.2.2.2 Auszahlungen für Einmalaufwendungen . . . . . . . . . 233 Auszahlungen für fixe und variable Produktionssystem- m Restwerte von Anlagen- und Strukturinvestitionen . . . 241 ov r. K 5.2.3 Erzeugung problemspezifischer Modellvarianten . . . . . . . . . 244 ac G 5.2.2.3 bH kosten sowie für Personalkosten . . . . . . . . . . . . . 238 (c )V er la g D XIII 5.3 Modellimplementierung, Lösungsverfahren und IT-Planungswerkzeug . 253 6 Fallstudien 263 6.1 Optimierung eines Produktionsnetzwerks für Motoren . . . . . . . . . . 263 6.1.1 Beschreibung der Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . 265 6.1.2 Verwendete Modellvariante und Lösung . . . . . . . . . . . . . . 272 6.1.3 Ergebnisse der Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 6.1.4 Post-optimale Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 6.2 Optimierung einer Motormontagelinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 6.2.1 Beschreibung der Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . 280 6.2.2 Verwendete Modellvariante und Lösung . . . . . . . . . . . . . . 283 6.2.3 Ergebnisse der Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 6.2.4 Post-optimale Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 6.3 Validierung anhand eines Beispiels der BMW Group . . . . . . . . . . . 297 301 Literaturverzeichnis 305 r. K ov ac G m bH 7 Zusammenfassung und Ausblick (c )V er la g D XIV 1.2 Wertschöpfungsverschiebung zwischen OEMs und Zulieferern . . . . . 5 1.3 Die zehn größten Automobilherstellerländer 2005/2006 . . . . . . . . . 7 1.4 Auslandsproduktion von deutschen PKW . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.5 Aufbau der Forschungsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.1 Sichtweisen des Begriffs Produktionssystem . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.2 Infrastrukturebenen eines Produktionssystems . . . . . . . . . . . . . . 27 2.3 Abgrenzung der Begriffe Produktionssystem und Supply Chain . . . . . 29 2.4 Produktionssystemplanung im Kontext des Supply Chain Management . 30 2.5 Zusammenwirken strategischer und operativer Entscheidungen . . . . . 32 2.6 Prozess der strategischen Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.7 Determinanten der quantitativen Kapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.8 Anlagenflexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.9 Entscheidungsfelder der Produktionssystemplanung . . . . . . . . . . . 43 2.10 Relevanz von Standortfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.11 Grundtypen globaler Produktionsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.12 Arbeitskosten im internationalen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.13 Flächensystematik nach VDI-Richtlinie 3644 . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.14 Verlustzeiten des Anlagenbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2.15 Personalbedarfsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2.16 Arbeitszeiten im internationalen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2.17 Herausforderungen der Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2.18 Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 m 2 r. K ov ac G 1.1 Modulstruktur eines Automobils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bH Abbildungsverzeichnis (c )V er la g D XV 2.19 Prozess der modellgestützten Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.1 Einordnung des Untersuchungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3.2 Markenprägende Fahrzeugmodule am Beispiel BMW . . . . . . . . . . 121 3.3 Einordnung des Planungsproblems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3.4 Anforderungen an den zu entwickelnden Planungsansatz . . . . . . . . 131 4.1 Struktur des Literaturüberblicks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 5.1 Einordnung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5.2 Erzeugung problemspezifischer Modellvarianten . . . . . . . . . . . . . 169 5.3 Relationen und Kardinalitäten innerhalb einer Produktgruppe . . . . . . 180 5.4 Installierte Kapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 5.5 Relationen und Strukturvariablen der Standort- und Anlagenplanung . . 185 5.6 Modellierung der Normalkapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 5.7 Flächenbedarfe neuer Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 5.8 Primärpersonalbedarf (volumenabhängig) . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 5.9 Primärpersonalbedarf (laufzeitabhängig) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 5.10 In der Zielfunktion berücksichtigte Auszahlungsarten . . . . . . . . . . . 232 5.11 Zielgrößen und Entscheidungsbausteine des Basismodells . . . . . . . 245 5.12 Aggregationsstufen der Anlagenmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . 247 5.13 Primärpersonalbedarf (aggregierte Schichtmodellplanung) . . . . . . . . 252 5.14 Hauptmenü des Planungswerkzeugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 5.15 Masken des Planungswerkzeugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 5.16 Eingabeformular für Arbeitssystemtypdaten . . . . . . . . . . . . . . . . 258 5.17 Zuordnungsformular Anlage-Standort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 5.18 Technisches Layout des Planungswerkzeugs . . . . . . . . . . . . . . . 260 6.1 Untersuchungsbereich Motorenproduktionsnetzwerk . . . . . . . . . . . 264 bH 6.2 Produktionsnetzwerk für Motoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 ov r. K 6.4 Produktionsstückzahlverteilung des R4BNF-Motors . . . . . . . . . . . . 274 ac G m 6.3 Modellvariante für die Optimierung eines Motorenproduktionsnetzes . . 272 (c )V er la g D XVI 6.5 Ergebnis-Matrix der Zuordnung von Anlagen zu Standorten . . . . . . . 275 6.6 Untersuchungsbereich Motormontagelinie . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 6.7 Produktionsstückzahlen der Motormontagelinie . . . . . . . . . . . . . . 283 6.8 Modellvariante für die Optimierung einer Motormontagelinie . . . . . . . 284 6.9 Kumulierte Kapitalwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 6.10 Gewähltes Schichtmodell der Montagelinie . . . . . . . . . . . . . . . . 287 6.11 Anzahl der Arbeitssysteme in der Montagelinie . . . . . . . . . . . . . . 288 6.12 Primärpersonalbedarf der Montagelinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 r. K ov ac G m bH 6.13 Skaleneffekte bei der Anlagenauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 (c )V er la g D XVII g er la )V (c ac ov r. K D bH m G Tabellenverzeichnis 2.1 Bedeutende quantitative und qualitative Standortfaktoren . . . . . . . . 45 2.2 Flächenzuschlagsfaktoren auf die Arbeitssystemfläche . . . . . . . . . . 67 4.1 Strategische Planungsansätze mit Anlagenplanung . . . . . . . . . . . . 140 4.2 Analyse relevanter Modelle – Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4.3 Analyse relevanter Modelle – Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 5.1 Beispiel zur Anlagenmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 5.2 Bezugsgrößen für Sekundär- und Overheadpersonalarten . . . . . . . . 223 5.3 Kalendarisierung von Investitionen (Zinssatz 10 Prozent) . . . . . . . . 234 5.4 Rechte Seiten der Ungleichungen 5.87 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 6.1 Konfigurationsmöglichkeiten für Motoren und Kurbelgehäuse . . . . . . 270 6.2 Konfigurationsmöglichkeiten für Kurbelwellen und Zylinderköpfe . . . . . 271 6.3 Ergebnisse der Netzwerkfallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 6.4 Zinseinfluss auf die Produktion des kR4B-Kurbelgehäuses . . . . . . . . 278 6.5 Vergleich eines manuellen Arbeitssystems mit einer Automatikstation . 282 6.6 Schichtmodelle für den Betrieb der Montagelinie . . . . . . . . . . . . . 282 6.7 Arbeitssystemtypen für Prozessschritt Bedplate lösen“ . . . . . . . . . 285 ” 6.8 Optimierungsergebnisse (Motormontagelinie) . . . . . . . . . . . . . . . 290 6.9 Ergebnisse der Auslegung auf den Drei-Schicht-Betrieb . . . . . . . . . 291 6.10 Ergebnisse der Produktionsstückzahlanalyse . . . . . . . . . . . . . . . 293 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 bH 6.11 Kapitalwerte der Skaleneffektanalyse r. K ov ac G m 6.12 Standortspezifische Schichtmodelldaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (c )V er la g D XIX 6.13 Ergebnisse der Standortanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 r. K ov ac G m bH 6.14 Prozessschrittbezogener Personalbedarf (c )V er la g D XX automatisches Arbeitssystem BAZ Bearbeitungszentrum CKD Completely Knocked Down CNC Computerized Numerical Control E (produzierte) Einheit(en) EDV Elektronische Datenverarbeitung eS2 erweiterter Zwei-Schicht-Betrieb EU Europäische Union FA Fertigungsanlage GATT General Agreement on Tariffs and Trade GE Geldeinheiten GEMA Global Engine Manufacturing Alliance GM General Motors Corporation GOR Gesellschaft für Operations Research e.V. IT Informationstechnologie Mitarbeiter manAS manuelles Arbeitssystem MIP Mixed Integer Program(ming) MML Motormontagelinie MTM Methods-Time-Measurement NAFTA North American Free Trade Agreement NEE Net Equipment Effectiveness ODBC Open Database Connectivity OEE Overall Equipment Effectiveness Original Equipment Manufacturer OPL Optimization Programming Language OR Operations Research ov ac G OEM r. K MA XXI D Linear Program(ming) g LP er la Just-in-Time )V Just-in-Sequence JiT (c JiS m autAS bH Abkürzungsverzeichnis Peugeot Citroen S.A. R4B Reihen-4-Zylinder-Benzin (Motor) R4D Reihen-4-Zylinder-Diesel (Motor) R6B Reihen-6-Zylinder-Benzin (Motor) R6D Reihen-6-Zylinder-Diesel (Motor) S2 Zwei-Schicht-Betrieb S3 Drei-Schicht-Betrieb Te Tausend Euro TE Tausend (produzierte) Einheiten TEEP Total Effective Equipment Productivity TPM Total Productive Maintenance TPS Toyota Produktionssystem TQM Total Quality Management V8B V-8-Zylinder-Benzin (Motor) V8D V-8-Zylinder-Diesel (Motor) V10B V-10-Zylinder-Benzin (Motor) V12B V-12-Zylinder-Benzin (Motor) VBA Visual Basic for Applications VDA Verband der Automobilindustrie e.V. VW Volkswagen AG WTO World Trade Organization r. K ov ac G m bH PSA (c )V er la g D XXII Kapitel 1 Einleitung Powertrain operations play a critical role in an automakers’ overall manufacturing per” formance. Engines and transmissions are not only critical components in automotive production, they also serve as key product differentiators with customers“ (Harbour Consulting, 2005, S. 98). 1.1 Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule: Bedeutung und aktuelle Trends Die Automobilindustrie ist zweifelsohne eine Schlüsselbranche der Weltwirtschaft. Im Jahr 2006 wurden weltweit ca. 70 Mio. Fahrzeuge, davon ungefähr 50 Mio. PKW hergestellt1 . Auch für Deutschland ist und bleibt die Automobilindustrie der bedeutendste Industriezweig. Im Jahr 2006 produzierte die deutsche Automobilindustrie fast elf Millionen PKW und mehr als eine Million Nutzfahrzeuge (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2007, S. 52 f.). Sie beschäftigte im selben Jahr mehr als eine Dreiviertelmillion Menschen und erzielte einen Umsatz von 254 Mrd. e (PKW- und Nutzfahrzeugherstellung: 171 Mrd. e, Zulieferindustrie: 72 Mrd. e, Herstellung von Anhängern und Aufbauten: 11 Mrd. e). In den letzten zehn Jahren hat sich der Umsatz dieser Branche mehr als verdoppelt und ihr Anteil am Gesamtumsatz der deutschen Industrie ist von 13 Prozent auf knapp 19 Prozent gestiegen (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2007, S. 224 f.). Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule zählen neben Karosseriestruktur, Body (Exterior), Interior und Elektrik/Elektronik zu den sieben Hauptmodulen eines Automo- )V er la g D m G ac ov r. K Quelle: Statistiken der European Automobile Manufacturers Association (ACEA), verfügbar unter URL: http://www.acea.be/files/KEY%20FIGURES%202006.pdf (abgerufen am 25.07.2007). (c 1 bH bils (siehe Abbildung 1.1). 1 Einleitung 2 Automobil: Hauptmodul- und Modulstruktur – 7 Hauptmodule, 42 Module 1.Fahrwerk 2. Motor und Aggregate 3. Antriebsstrang 4. Karosseriestruktur 5. Body (Exterior) 6. Interior 1.1 Räder 1.2 Radaufhängung 1.3 Stoßdämpfer & Federung 1.4 Lenkung 1.5 Tragende Elemente 1.6 Bremssystem 2.1 Grundmotor 2.2 Motornebenaggregate 2.3 Kühlung 2.4 Abgasanlage 2.5 Beatmung/ Gemischversorgung 2.6 Kraftstoffversorgung 3.1 Getriebe 3.2 Antriebswellen und Achsgetriebe 4.1 Fahrgastzelle 4.2 Vorderwagen 4.3 Hinterwagen 5.1 Dach 5.2 Kotflügel 5.3 Front- und Heckklappe 5.4 Frontend/ Rearend 5.5 Türen 5.6 Fenster/ Glas 5.7 Beleuchtung 5.8 Schließanlage 5.9 Wischanlage 5.10 Anbauteile 6.1 Sitze 6.2 Dach 6.3 Cockpit 6.4 Insassenschutz 6.5 Tür 6.6 Pedalanlage 6.7 Verkleidung/ Akustik 6.8 Innenraumbelüftung 7. Elektrik/Elektronik 7.1 Stromversorgung 7.2 Kommunikation/Entertainment 7.3 Motormanagement 7.4 Fahrwerks-/Antriebselektronik 7.5 Komfortelektronik 7.6 Sicherheitselektronik 7.7 Bordnetz-/Bussystem Quelle: Mercer Studie „Automobiltechnologie 2010“, Mercer Wertschöpfungsmodell 2015, zitiert nach Verband der Automobilindustrie e.V., 2004, S.43 Abbildung 1.1: Modulstruktur eines Automobils Im Branchendurchschnitt entfallen fast 50 Prozent der gesamten Wertschöpfung eines Fahrzeugs2 auf die Hauptmodule Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2004, S. 44). Darüber hinaus wird das Markenprofil vieler Premiumhersteller, ob es nun schwerpunktmäßig durch Dynamik und Sportlichkeit oder eher durch Komfort und Sicherheit gekennzeichnet ist, in großem Maße durch diese Hauptmodule geprägt. Durch gezielte Eigenleistung in Entwicklung und Produktion können die Automobilhersteller hier Alleinstellungsmerkmale und entscheidende Wettbewerbsvorteile realisieren (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2004, S. 30). Die Automobilindustrie ist vielfältigen Trends unterworfen, die große Implikationen für er la g D m G ac ov r. K Light Vehicles, d.h. PKW und leichte Nutzfahrzeuge. Mit den verschiedenen Trends und der Zukunft der Automobilindustrie befasst sich eine Vielzahl aktueller Studien, wie z.B. T HE B OSTON C ONSULTING G ROUP (2001), M ERCER M ANAGEMENT C ONSULTING (2001), V ERBAND DER AUTOMOBILINDUSTRIE E .V. (2003) oder M C K INSEY &C OMPANY (2006 B ). Die Studien V ERBAND DER AUTOMOBILINDUSTRIE E .V. (2004), M C K INSEY &C OMPANY (2006 A ) und R O LAND B ERGER S TRATEGY C ONSULTANTS (2007) betrachten speziell auch Trends und Entwicklungen der Hauptmodule Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang. )V 3 (c 2 bH die Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen besitzen3 : 1.1 Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule: Bedeutung und aktuelle Trends 3 Verbrauchs- und Emissionsreduzierung Die gegenwärtig geführten Diskussionen um den Umwelt- und Klimaschutz sowie um die Verknappung der Ölreserven, die sich in neuen Gesetzen (z.B. Mineralölbesteuerung, Zero Emission Vehicle (ZEV)-Gesetzgebung in Kalifornien4 , CO2 Grenzwerte) niederschlägt und das Umweltbewusstsein der Kunden erhöht hat, betrifft die Fahrzeughauptmodule Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang in besonderem Maße und verlangt nach neuen Ideen. Durch die Entwicklung innovativer Antriebskonzepte können sich die Automobilhersteller einen großen Wettbewerbsvorsprung verschaffen. Dies betrifft sowohl die Entwicklung alternativer Antriebe, wie z.B. HybridAntriebe5 , Wasserstoff-Verbrennungsmotoren oder elektrische Antriebe mit Brennstoffzellen, als auch die Optimierung konventioneller Antriebsformen. Aktuelle Beispiele zur Verbrauchs- und Emissionsreduzierung bei konventionellen Antrieben sind Direkteinspritzverfahren für Ottomotoren, Hubraumreduktion (Downsizing) bei gleichzeitiger Turbo- und/oder Kompressor-Aufladung, wirkungsgradoptimierte Getrieberadsätze, Gewichtsreduzierung bei Motoren und Achsen (Leichtbauweise, Einsatz von Aluminium und Magnesium etc.), Motor-Start-Stopp-Automatik oder die Rückgewinnung und Speicherung von Bremsenergie für elektrische Motornebenaggregate (z.B. Klimakompressor, Wasserpumpe). Der gestiegene Ölpreis, hohe Mineralölsteuern in vielen Ländern und ein höheres Umweltbewusstsein führen dazu, dass die Kunden immer stärker nach verbrauchs- und schadstoffarmen Motoren verlangen, was vor allem in Westeuropa zu einer drastischen Verschiebung des Diesel-Benzin-Verhältnisses beitrug: Im Jahr 2006 betrug der Dieselanteil der deutschen Automobilproduktion 33% – dreimal mehr als vor zehn Jahren. Der Anteil der Dieselfahrzeuge an allen PKW-Neuzulassungen in Deutschland ist 2006 auf ca. 45 Prozent gestiegen6 . In Westeuropa wurden im Jahr 2006 mit einem Anteil von gut 51 Prozent sogar erstmals mehr Diesel- als Benzinfahrzeuge verkauft (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2007, S. 51-54). (c )V er la g D m G ac ov r. K In Kalifornien wurde 1990 mit dem Zero Emission Vehicle (ZEV) Program ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Automobilhersteller verpflichtet, eine vorgeschriebene Quote von emissionsfreien Fahrzeugen (z.B. batterie- oder brennstoffzellenbetriebene Elektrofahrzeuge) zu verkaufen. Die ZEVGesetzgebung wurde von einigen weiteren US-amerikanischen Staaten übernommen und besitzt aufgrund der Größe und Bedeutung des US-Marktes enorme Implikationen für die Automobilhersteller. Für weitere Informationen siehe bspw. die California Air Resources Board Website unter URL: http://www.arb.ca.gov. 5 Hybrid-Antriebe kombinieren Verbrennungs- und Elektromotoren. Die Energie aus Bremsvorgängen und den Schubphasen des Motors wird teilweise zurückgewonnen und zum Betrieb des Elektromotors eingesetzt, wodurch der Kraftstoffverbrauch gesenkt werden kann. 6 Quelle: Jahresbilanz 2006 des Kraftfahrt-Bundesamtes, verfügbar unter URL: http://www.kba. de/Abt3_neu/FZ/Neuzulassungen/Themen_jaehrlich_pdf/Jahresbilanz_2006.pdf (abgerufen am 25.07.2007). bH 4 4 1 Einleitung Leistungswettbewerb Gegenläufig zum gestiegenen Umweltbewusstsein ist der Trend zu immer leistungsfähigeren Motoren. Bei vielen Automobilherstellern, die in den weiteren Ausführungen der vorliegenden Forschungsarbeit auch als OEM (Original Equipment Manufacturer) bezeichnet werden, ist die durchschnittliche Motorleistung in den letzten zehn Jahren um mehr als 30 Prozent gestiegen. Der Zielkonflikt zwischen Verbrauchsund CO2 -Reduzierung auf der einen und Erhöhung der Leistungsfähigkeit auf der anderen Seite wirkt sich insbesondere auf Premiumhersteller aus, deren zentrale Markenwerte häufig durch Dynamik und Sportlichkeit geprägt sind. Ausweitung der Modellpaletten und der Variantenvielfalt Die Kunden wünschen zunehmend maßgeschneiderte“ Produkte, um ihrer Individua” lität und ihrer Vorstellung von Lifestyle“ Ausdruck zu verleihen, was in einer steigenden ” Produktdifferenzierung in vielen Branchen, v.a. in der Konsumgüterindustrie, resultiert. Auch in der Automobilindustrie führt dies zu immer breiteren Fahrzeugmodellpaletten, einer stark ansteigenden Variantenvielfalt sowie kürzeren Lebenszyklen und Entwicklungszeiten. Während bspw. die Marke BMW 1990 vier Baureihen7 besaß, waren es 2007 bereits acht Baureihen mit bis zu vier Karosserieformen und einer theoretischen Anzahl von bis zu 1017 Varianten je Baureihe. Die breitere und tiefere Modellpalette auf der Fahrzeugebene wirkt sich unmittelbar auf die Vielfalt der Fahrwerksmodule aus. Auch die Anzahl der Motorbaureihen und -varianten nimmt dadurch drastisch zu. Weiter abnehmende Wertschöpfungstiefe Nach wie vor ist die Automobilindustrie von einem hohen Wettbewerbs- und Kostendruck geprägt, was einerseits in einer weiteren Reduzierung der Wertschöpfungstiefe, andererseits in der verstärkten Ausschöpfung von Einsparpotenzialen im Produktionssystem resultiert. Die Wertschöpfungstiefe in der Automobilindustrie sinkt bereits seit Ende der 60er Jahre. In den neunziger Jahren kulminierte diese Entwicklung: Binnen fünf Jahren (1995 bis 2000) sank die Wertschöpfungstiefe in der Automobilindustrie von 33,4 auf 23,1 Prozent, im Segment des Kraftwagenbaus von 27,5 auf 16,5 Prozent. Obwohl die Wertschöpfung in der Automobilindustrie bis heute stark zurückgegangen ist, war dies keine einseitige Entwicklung. In den Jahren 2000 bis 2003 erhöhte sich die Eigenleistungstiefe wieder geringfügig, wodurch eine Verbesserung der Kapazitätsauslastung )V er la g D r. K ov Ohne den Z1“, der nur in einer sehr geringen Auflage hergestellt wurde. ” (c 7 ac G m bH bei den Automobilherstellern erreicht werden sollte (vgl. Hild, 2005, S. 45). 1.1 Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule: Bedeutung und aktuelle Trends 5 Wertschöpfungsverschiebung zwischen OEMs und Zulieferern 2002 Zulieferer OEMs Fahrwerk Antriebsstrang 23% 63% 50% Motor Karosseriestruktur OEMs 50% Body (Exterior) 36% 29% -8 80% - 17 64% 59% 45% 55% 85% 20% 96% [%-Punkte] Zulieferer 15% 15% 77% 37% ǻ OEM 2015 41% 71% - 14 - 37 - 26 Interior 16% 84% 14% 14% 86% -2 Elektrik/ Elektronik 16% 84% 16% 84% 0 Quelle: In Anlehnung an Mercer Wertschöpfungsmodell 2015, zitiert in Verband der Automobilindustrie e.V., 2004, S.21 Abbildung 1.2: Wertschöpfungsverschiebung zwischen OEMs und Zulieferern Zukünftig werden die Wertschöpfungsanteile der OEMs zugunsten der Zulieferer weiter abnehmen – bei Volumenherstellern stärker als bei Premiumherstellern. Premiumhersteller benötigen besonders hinsichtlich markenprägender Module Alleinstellungsmerkmale, was eine höhere Eigenleistung in Entwicklung und Produktion bedingt (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2004, S. 19 ff.). Im weltweiten Branchendurchschnitt wird die in Abbildung 1.2 dargestellte Verschiebung der Wertschöpfungsanteile zwischen OEMs und Zulieferern erwartet. Die weiter sinkende Wertschöpfungstiefe trägt zur Verschärfung struktureller Beschäftigungsprobleme bei vielen Automobilherstellern bei. Auf bestehende Überkapazitäten (vgl. Becker, 2005, S. 21-27) und stagnierende oder leicht rückläufige Absatzzahlen in den Hauptmärkten USA, Westeuropa und Japan (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2007, S. 42) sowie auf eine wachsende Beschäftigtenproduktivität in der Automobilindustrie (vgl. Hild, 2005, S. 46) haben viele Hersteller in den vergange- bH nen Jahren mit einem massiven Personalabbau reagiert. Eine andere Möglichkeit, (c )V er la g D r. K ov ac G m die zumindest teilweise zur Lösung des Beschäftigungsproblems beitragen könnte, ist eine veränderte Eigenleistungsstrategie. Wie schon in den Jahren 2000 bis 2003 6 1 Einleitung geschehen, könnten durch eine gezielte Erhöhung der Wertschöpfungstiefe bei den OEMs neue Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden. Für viele Komponenten ist aber die Rückverlagerung von Produktionsumfängen, die im Zuge der Konzentration auf Kernkompetenzen von den OEMs an die Lieferanten abgegeben wurden, nicht sinnvoll. Potenziale für die Erhöhung der Wertschöpfungstiefe bieten dagegen die vielfältigen Innovationen in den Bereichen Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang. Globalisierung der Produktion Hoher Wettbewerbs- und Kostendruck zwingen OEMs und Zulieferer, verstärkt Einsparpotenziale im Produktionssystem auszuschöpfen und resultiert in einer zunehmenden Globalisierung der Produktion. Drastisch geringere Lohnkosten und gleichzeitig längere Arbeitszeiten in vielen Ländern führen dazu, dass die Produktion im Ausland, vor allem in Asien oder Osteuropa, sehr lohnend erscheint. Der Marktanteil der importierten Fahrzeuge deutscher Marken hat sich daher in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt und beträgt heute 23 Prozent. Weniger als die Hälfte der in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge deutscher Marken stammt noch aus inländischer Produktion (vgl. Hild, 2005, S. 44 und Verband der Automobilindustrie e.V., 2007, S. 57). Die Globalisierung der Automobilproduktion ist jedoch nicht nur kosten-, sondern auch in großem Maße marktgetrieben. Die klassischen“ Automobilmärkte USA, Westeuropa ” und Japan stagnieren weitestgehend oder waren leicht rückläufig. Dagegen boomen die sog. BRIC“-Staaten – Brasilien, Russland, Indien und China (vgl. Verband der ” Automobilindustrie e.V., 2007, S. 42). Insbesondere China legt ein bemerkenswertes Wachstum an den Tag. In diesem Land wurde innerhalb eines Jahres die Automobilproduktion um mehr als 25 Prozent gesteigert, was dazu führte, dass im Jahr 2006 China Deutschland von seiner langjährigen Position als drittgrößtes Automobilherstellerland (nach Japan und den USA) verdrängte, wie Abbildung 1.3 zeigt. Mit einer Ausweitung der Produktion in China um 44 Prozent im gleichen Zeitraum (siehe Abbildung 1.4) hat die deutsche Automobilindustrie dieser Entwicklung wesentlich Vorschub geleistet (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2006, S. 187 und Verband der Automobilindustrie e.V., 2007, S. 230). Allgemein wuchs die Auslandsproduktion der deutschen Hersteller im Zeitraum von 1995 bis 2004 um 93 Prozent – die Produktion in Deutschland dagegen nur um ca. 19 Prozent (vgl. Hild, 2005, S. 43). Fast die Hälfte aller (weltweit verkauften) Fahrzeuge deutscher Automobilhersteller wird im Ausland hergestellt – Tendenz weiter steigend (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2007, S. 53). In der Vergangenheit betraf die Auslandsproduktion schwerpunktmäßig die Herstellung bH von Fahrzeugen. Durch die hohen Wachstumsraten erreichen aber viele Auslands- (c )V er la g D r. K ov ac G m standorte mittlerweile eine Größe, ab welcher auch die Ansiedlung der Komponentenproduktion sinnvoll sein kann. 1.1 Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule: Bedeutung und aktuelle Trends 7 Die zehn größten Automobilherstellerländer 2005 / 2006 14 +6% -5% 2005 12 Mio. Einheiten 2006 10 k.A. = keine Angabe 8 +26% 0% 6 +3% 4 -11% 0% +8% -4% k.A. 2 C hi D eu na ts ch la nd Sü dk or ea Fr an kr ei ch Sp an ie n B ra si lie n K an ad a M ex ik o U SA Ja pa n 0 Eigene Darstellung; Datenbasis: Verband der Automobilindustrie e.V., 2007, S.230 und Verband der Automobilindustrie e.V., 2006, S. 187 Abbildung 1.3: Die zehn größten Automobilherstellerländer 2005/2006 Hierzu eignen sich große und variantenreiche Komponenten mit hohem Wert, wie Motoren oder Achsen. Die Ansiedlung der Komponentenproduktion im Ausland trägt darüber hinaus durch die Erhöhung der lokalen Wertschöpfungstiefe auch zum leichteren Erreichen von oftmals geforderten Local Content Anteilen8 bei. Fazit Auch wenn die Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen bisher nicht im Schwerpunkt von wirtschafts- und produktionswissenschaftlichen Betrachtungen in der Automobilindustrie stand und mit dem Begriff Automobilindustrie“ häufig ” erst die Fahrzeugherstellung oder nur die Endmontage assoziiert ist, verdient dieses milliardenschwere und hochinnovative Segment aufgrund seiner großen Bedeutung ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Die hier betrachteten Hauptmodule prägen das Markenprofil vieler Hersteller in entscheidendem Maße und besitzen großes Potenzial für die Realisierung von Wett- )V er la g D r. K ov Siehe hierzu Abschnitt 2.2.4.1. (c 8 ac G m bH bewerbsvorteilen. Trotz der reduzierten Wertschöpfungstiefe ist die Entwicklung und 1 Einleitung 8 Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen nach wie vor Kernkompetenz nahezu aller OEMs und wird auch zukünftig ihre hohe Bedeutung beibehalten. Die strategische Planung effizienter und flexibler Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule ist somit eine zentrale Aufgabe für die nachhaltige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit eines Automobilherstellers. Die Lösung dieser ohnehin komplexen Aufgabe wird zusätzlich durch die zuvor angesprochenen Trends und die hochdynamischen Umweltbedingungen (d.h. die äußeren Einflüsse) erschwert, die massive Implikationen auf die Gestaltung der Produktionssysteme haben. Auslandsproduktion von deutschen PKW nach Ländern 2006 +7% Tausend Einheiten 700 +44% -5% 600 2005: 4,23 Mio. PKW +13% 2006: 4,75 Mio. PKW (+12%) 500 +8% 400 +3% +16% +26% +28% 300 +10% +19% -6% 200 100 U K Lä nd er üb r. o SA U ik n ie M ex Po le n Sü da fr ik a Sl ow ak ei ch Ts B el g ep . n h. si ec ra R lie na hi B C Sp an i en 0 Quelle: VDA-Statistiken, zitiert nach Verband der Automobilindustrie e.V, 2007, S. 54 (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Abbildung 1.4: Auslandsproduktion von deutschen PKW 1.2 Problemstellung 1.2 9 Problemstellung Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind interne Produktionssysteme von Automobilherstellern für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule, wobei der Betrachtungsschwerpunkt auf Premium-Automobilherstellern liegt. Ein Produktionssystem beinhaltet alle Elemente, die zur Herstellung eines bestimmten Produktionsprogramms erforderlich sind. Es umfasst die Infrastruktur (Produktionsnetzwerk, Werke und Anlagen), die Prozesse und Methoden, das beteiligte Personal sowie die Organisation des Zusammenwirkens aller Produktionssystemelemente (vgl. Henrich, 2002, S. 124). Die strategische Planung von Produktionssystemen involviert Grundsatzentscheidungen hinsichtlich Infrastruktur und Personal, welche die Rahmenbedingungen der Produktion und ihre Wirtschaftlichkeit auf längere Sicht prägen und damit große Auswirkungen auf die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens haben. Allgemein wirft die strategische Produktionssystemplanung eine Vielzahl verschiedener Fragestellungen auf, die unterschiedliche Elemente eines Produktionssystems betreffen, wie z.B.: • Wie sieht die optimale Strategie für den Aufbau bzw. die Weiterentwicklung eines Produktionssystems aus? • Wie viele Produktionsstandorte werden benötigt? Welche Standorte in welchen Ländern sind am geeignetsten? • In welchem Land, an welchem Standort und auf welcher Anlage sollen welche Produkte hergestellt werden? • Welche Technologien und Anlagen sollen an welchem Standort eingesetzt werden? • Wie hoch soll der Automatisierungsgrad einer Produktionsanlage sein? • Soll ein Kapazitätsengpass durch zusätzliche Investitionen oder besser durch eine Verlängerung der Anlagenlaufzeit und damit höheren Personalkosten behoben werden? • Welche Flexibilitätspotenziale sind im Hinblick auf unsichere Umweltbedingungen erforderlich? Die verschiedenen Fragestellungen verdeutlichen die Komplexität und Vielschichtigkeit bH des in dieser Arbeit behandelten Planungsproblems, das eine Vielzahl interdependen- (c )V er la g D G ac ov r. K Gestaltung von Produktionssystemen sind Standort-, Materialfluss-, Werksstruktur-, m ter Entscheidungen beinhaltet. Die zentralen strategischen Entscheidungsfelder zur 10 1 Einleitung Belegungs-, Technologie-/Anlagen- und Personalplanung. Viele dieser Entscheidungen sind mit hohen Investitionen verbunden und kurz- bis mittelfristig irreversibel. Die einzelnen Entscheidungen wirken sich auch unterschiedlich auf das Zielsystem der strategischen Produktionssystemplanung aus, das konfliktäre Zielgrößen enthält. Der starke Wettbewerbs- und Kostendruck in der Automobilindustrie verlangt z.B. nach hochwirtschaftlichen Produktionssystemen. Die veränderlichen wirtschaftlichen, gesetzgeberischen, technologischen und soziodemografischen Umweltbedingungen erfordern ein großes Maß an Flexibilität. Aus der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen resultieren Beschäftigungs- und Umweltschutzziele, die gerade in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen haben. Die Schwierigkeit besteht darin, die konfliktären Zielbeziehungen bei der Planung miteinander in Einklang zu bringen. Der Aufbau von Flexibilitätspotenzialen, die Beschäftigungssicherung bei bestehenden Überkapazitäten und steigender Produktivität sowie die Maßnahmen zum Schutz der Umwelt wirken sich, zumindest kurz- und mittelfristig, nicht immer positiv auf das Ziel der Wirtschaftlichkeit aus. Die strategische Produktionssystemplanung basiert darüber hinaus auf einer Vielzahl produktions-, betriebs- und volkswirtschaftlicher Daten. Die Datenqualität ist dabei entscheidend für das Treffen der richtigen Entscheidungen. Der lange Planungshorizont und der häufig internationale Planungskontext bedingen erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich vieler Parameter. Zuverlässige Wahrscheinlichkeitsverteilungen sind häufig nicht verfügbar. Dies betrifft bspw. die Absatzentwicklung auf der Fahrzeugebene oder die Entwicklung der Wechselkurse und Faktorkosten. Im Bereich Motor ist vor allem das Verhältnis zwischen Diesel- und Benzinmotoren ein schwer prognostizierbarer Parameter mit großen Auswirkungen auf das Produktionssystem. So erschweren und verteuern die konstruktiven und technologischen Unterschiede zwischen Diesel- und Benzinmotoren den Aufbau eines mixflexiblen Produktionssystems in der Großserienproduktion. Die zentrale Problemstellung und Herausforderung der strategischen Produktionssystemplanung für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule besteht somit darin, dass eine Vielzahl stark interdependenter und kurz- bis mittelfristig irreversibler Entscheidungen mit hoher Tragweite für die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigungssituation eines Unternehmens in einem unsicheren und hochdynamischen Umfeld getroffen werden muss. Die Planungsintervalle und die dafür zur Verfügung stehende Zeit verkürzen sich dabei zunehmend. Das Management sowie die Strategie- und Planungsstellen in den Unternehmen müssen mit der hohen und weiter zunehmenden Planungskomplexität und bH -unsicherheit adäquat umgehen, um die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig sichern zu (c )V er la g D r. K ov ac G m können. Mit traditionellen Planungsansätzen sind diese Herausforderungen häufig nicht ausreichend beherrschbar, wie aktuelle Umfragen bestätigen. 1.3 Aufgabenstellung und Zielsetzung 11 So zählen Unternehmen in der Automobilindustrie das Fehlen adäquater Bewertungsmethoden, mit welchen verfügbare Informationen in eine objektive Entscheidungsbasis überführt werden können, und den daraus resultierenden hohen Zeitaufwand zu den größten Schwierigkeiten bei strategischen Standortentscheidungen (vgl. KPMG, 2005, S. 16). Die Entwicklung innovativer Planungsmethoden und -techniken, mit welchen robuste Strategien für den Aufbau oder die Weiterentwicklung eines Produktionssystems erarbeitet werden können, ist daher von hoher Bedeutung. Dieser Aufgabe widmet sich die vorliegende Forschungsarbeit. 1.3 Aufgabenstellung und Zielsetzung Die Aufgabe dieser Forschungsarbeit besteht in der Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes für die strategische Planung von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule in der Automobilindustrie. Dabei orientiert sich der Ansatz schwerpunktmäßig an den spezifischen Anforderungen von Premiumherstellern. Mit diesem Planungsansatz sollen einerseits optimale Strategien für den Aufbau bzw. die Weiterentwicklung eines Produktionssystems identifiziert und andererseits alternative Strategien und Umweltbedingungen bewertet werden können. Die Beantwortung dieser unterschiedlichen Fragestellungen kann durch den Einsatz von Optimierungs- und Simulationsmethoden effektiv unterstützt werden. Die Berechnung von Entscheidungsvorschlägen für ideale Strategien geschieht auf Basis mathematischer Modelle mit Hilfe der (mathematischen) Optimierung (vgl. Grünert und Irnich, 2005, S. 6). Sie dient zur Entscheidungsunterstützung bei Planungsproblemen, die mehrere Freiheitsgrade aufweisen. Bei der Optimierung können alle zulässigen Alternativen simultan betrachtet und die optimale Strategie kann direkt mit dem Modell identifiziert werden. Die Bewertung einzelner Strategien und Umweltlagen erfolgt dagegen mittels simulativer Analysen. Unter Simulation versteht man die Nachbildung eines Systems in einem experimentierfähigen Modell, um zu Erkenntnissen zu gelangen, die auf die Wirklichkeit übertragbar sind (vgl. VDI-Richtlinie 3633). Mit der Simulation können die Konsequenzen einzelner, viel versprechender Handlungsalternativen experimentell bewertet werden. Sie erlaubt aber keine direkte Ermittlung der optimalen Lösung (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 3 und S. 223). Im Rahmen dieser Forschungsarbeit gilt es, ein mathematisches Modell zu entwickeln, bH das vielseitig und flexibel zur Optimierung und Simulation der zentralen Fragestellun- (c )V er la g D G ac ov r. K ches Modell muss die spezifischen Eigenschaften und Rahmenbedingungen der Her- m gen der strategischen Produktionssystemplanung eingesetzt werden kann. Ein sol- 12 1 Einleitung stellung von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen adäquat abbilden. Das relevante Zielsystem, die maßgeblichen Entscheidungsfelder sowie die grundlegenden produktions-, betriebs- und volkswirtschaftlichen Daten des Planungsproblems müssen erfasst und ihr Zusammenspiel muss mathematisch beschrieben werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Verknüpfung der Ebene der Produktionsnetzwerkplanung mit der Planung der einzelnen Werke, d.h. der Knoten des Netzwerks. Die Standort- und die Materialflussplanung – zentrale Entscheidungsfelder der Netzwerkplanung – müssen mit den einzelnen Teilplanungsproblemen der strategischen Werksplanung, d.h. der Werksstruktur-, Belegungs-, Technologie-/Anlagen- und Personalplanung, zu einem gesamthaften Ansatz integriert werden. In der Literatur veröffentlichte Modelle werden den spezifischen Anforderungen des hier betrachteten Planungsproblems nicht vollständig gerecht, was die Entwicklung eines geeigneten neuen Modells erfordert. Trotz ihrer vielseitigen Einsatzmöglichkeiten sind in der Praxis der strategischen Produktionssystemplanung quantitative Planungstechniken des Operations Research, wie z.B. Simulation und Optimierung, allgemein eher selten im Einsatz, was in vielen Fällen dem Fehlen adäquater Planungswerkzeuge zugeschrieben werden kann. Zwar existieren kommerzielle Softwaretools, jedoch erfüllen auch sie die Anforderungen des vorliegenden Planungsproblems nicht in ausreichendem Maße. Defizite bestehen vor allem hinsichtlich der adäquaten Abbildung von Investitionen sowie hinsichtlich der Flexibilität, unternehmensspezifische Planungsfragestellungen abbilden und individuell variieren zu können. Auch die Anpassungsfähigkeit der kommerziellen Planungssoftware an unternehmensspezifische Datenstrukturen und Schlüsselkennzahlen ist häufig nicht zufriedenstellend möglich oder mit großem Aufwand und hohen Customizing-Kosten verbunden. Aufbauend auf dem mathematischen Modell gilt es daher, ein anwenderorientiertes IT-Planungswerkzeug für den Praxiseinsatz zu entwickeln, mit welchem die effiziente Erfassung und Verwaltung der planungsrelevanten Daten, ein schnelles Anlegen und Modifizieren von Planungsprojekten sowie eine aussagekräftige Darstellung und Visualisierung der Ergebnisse möglich ist. Mit der Entwicklung eines problemadäquaten Modells und eines darauf aufbauenden Planungswerkzeugs wird das Ziel verfolgt, die Durchführung der Planungsaufgaben in den Strategie- und Planungsstellen der Unternehmen zu erleichtern, die Qualität der Planung weiter zu erhöhen und die Entscheidungsbasis des Managements zu verbessern. Die vorliegende Arbeit soll somit einen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung der (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen leisten. 1.4 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit 1.4 13 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit Die Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes für die strategische Planung von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule erfordert fünf Schritte, an welchen sich der Aufbau dieser Arbeit orientiert: 1. Im ersten Schritt müssen die relevanten begrifflichen und fachlichen Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung gelegt werden, die für das Verständnis der weiteren Ausführungen und für die Entwicklung des Planungsansatzes erforderlich sind (Kapitel 2). 2. Die allgemeinen Grundlagen zur strategischen Produktionssystemplanung werden im zweiten Schritt (Kapitel 3) um die charakteristischen, planungsrelevanten Eigenschaften des Untersuchungsbereichs – die Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen – ergänzt und konkretisiert. Dadurch können die Anforderungen definiert werden, die ein geeigneter Planungsansatz erfüllen muss. 3. Drittens ist zu klären, inwieweit in der Literatur beschriebene Modelle zur Lösung des betrachteten Planungsproblems geeignet sind. Im vierten Kapitel erfolgt daher ein Überblick über den Stand der Forschung. Relevante Modelle werden vorgestellt und im Hinblick auf die zuvor definierten Anforderungen analysiert. 4. Die Literaturanalyse zeigt, dass die bereits verfügbaren Modelle den Anforderungen des hier betrachteten Planungsproblems nicht gerecht werden und die Eigenentwicklung eines problemadäquaten Modells und Planungswerkzeugs erforderlich ist. Dies ist in Kapitel 5 beschrieben. 5. Im letzten Schritt (Kapitel 6) erfolgt die Validierung des Modells. Anhand der Abbildung einer realen Anlage wird gezeigt, dass mit dem Modell Ergebnisse erlangt werden, die sehr gut zur Lösung realer Planungsprobleme eingesetzt werden können. Überdies werden anhand zweier weiterer Fallstudien die Funktionalität und die praktischen Einsatzmöglichkeiten des entwickelten flexiblen Planungsansatzes demonstriert. Zusätzlich zu diesen fünf Schritten werden zum Abschluss der Arbeit die Ergebnisse und Erkenntnisse in einem siebten Kapitel zusammengefasst. Der Aufbau der vorliegenden Forschungsarbeit ist in Abbildung 1.5 dargestellt. Im Folgenden werden die (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Inhalte der einzelnen Kapitel genauer vorgestellt. 1 Einleitung 14 Aufbau der Forschungsarbeit 2. Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung 3. Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule 3.2 Anforderungen an die modellgestützte Planung im Untersuchungsbereich 4. Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur 4.3 Handlungsfelder und Eingrenzung der Aufgabenstellung 5. Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 6. Fallstudien 7. Zusammenfassung und Ausblick Abbildung 1.5: Aufbau der Forschungsarbeit In Kapitel 2 erfolgt die Definition der Hauptbegriffe Produktionssystem“ und strate” ” gische Planung“. Der Begriff des Produktionssystems findet in Literatur und Praxis sehr unterschiedliche Verwendung. Weit verbreitet ist bspw. der Begriff des Toyota ” Produktionssystems (TPS)“, der Prinzipien und Methoden zur Verbesserung der Wertschöpfung in der Produktion (Lean Production) umfasst. Aufgrund der vorherrschenden Bedeutungsvielfalt werden zunächst verschiedene Sichtweisen des Begriffs Produktionssystem“ in der Literatur erörtert. Anschließend wird das Verständnis in ” dieser Arbeit festgelegt und eine Abgrenzung vom Begriff der intra-organisationalen ” Supply Chain“ vorgenommen, der häufig in einem verwandten Kontext gebraucht wird. Darüber hinaus bildet die Erläuterung der relevanten Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung einen weiteren Schwerpunkt des zweiten m bH Kapitels. Hierzu werden die Begriffe Kapazität“ und Flexibilität“ eingeführt und im ” ” Kontext dieser Arbeit erläutert, da sie zentrale Determinanten der Leistungsfähigkeit (c )V er la g D r. K ov ac G eines Produktionssystems darstellen und im Fokus der strategischen Planung stehen. 1.4 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit 15 Im Anschluss daran werden das Zielsystem und die grundlegenden Entscheidungsfelder – Standorte, Materialflüsse, Werksstrukturen, Belegung, Technologie/Anlagen und Personal – vorgestellt. Diese Entscheidungsfelder sind die Stellhebel“ des Mana” gements zum Aufbau der Kapazitäten und Flexibilitätspotenziale eines Produktionssystems. Im letzten Abschnitt des zweiten Kapitels werden die Grundlagen der modellgestützten Planung auf Basis gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle erläutert. Neben der Klärung begrifflicher Grundlagen wird der Prozess der modellgestützten Planung vorgestellt, an welchem sich diese Arbeit orientiert. Die Grundlagen linearer gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle und verschiedener Verfahren zur Modellauswertung (analytische Optimierungsverfahren, post-optimale Analyseverfahren und Simulation) bilden den Abschluss des zweiten Kapitels. Mit der Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen wird in dieser Forschungsarbeit ein milliardenschwerer Sektor der Automobilindustrie mit hoher markenprägender Bedeutung für Premiumhersteller untersucht, der aber bisher kaum Gegenstand der produktionswirtschaftlichen Literatur war. Im dritten Kapitel erfolgen daher die Beschreibung der für die strategische Planung relevanten Merkmale dieses Untersuchungsbereichs und die Ableitung von Anforderungen an einen modellgestützten Planungsansatz. Dazu wird ein verbales Beschreibungsmodell formuliert. Die Basis hierfür bildet die Supply Chain Typologie von M EYR UND S TADTLER (2005), die sowohl funktionale Merkmale zur Beschreibung von Beschaffungs-, Produktions-, Distributions- und Absatzprozessen als auch strukturelle Merkmale zur Beschreibung der Topografie von Produktionsnetzwerken beinhaltet. Die ursprügliche Typologie wurde dabei für eine genauere Beschreibung des Untersuchungsgegenstands modifiziert. Zunächst werden in Kapitel 3 mit der modifizierten Typologie allgemeine Branchenmerkmale der Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen dargestellt und anhand verschiedener Beispiele sowohl von Volumen- als auch von Premiumherstellern illustriert. Anschließend wird auf die Spezifika von Premiumherstellern eingegangen, die im Fokus dieser Arbeit stehen. Auf dem verbalen Beschreibungsmodell aufbauend erfolgen im letzten Abschnitt des dritten Kapitels die Analyse des Planungsproblems und die Ableitung von Anforderungen an einen problemadäquaten modellgestützten Planungsansatz. Um einen Überblick über den Stand der Forschung zu geben und eine Einordnung der vorliegenden Arbeit in den wissenschaftlichen Kontext zu ermöglichen, werden in Kapitel 4 Modelle für die strategische Planung von Supply Chains und Produktions-Distributions-Systemen vorgestellt. Von besonderer Bedeutung für diese bH Forschungsarbeit sind integrierte Modelle, die eine simultane Betrachtung mehrerer (c )V er la g D G ac ov r. K Technologie- bzw. Anlagenplanung beinhalten. Relevante integrierte Modelle mit m Entscheidungsfelder erlauben und darunter speziell solche Modelle, welche die 1 Einleitung 16 Anlagenplanung aus den letzten vier Jahrzehnten werden genauer beschrieben und anhand der zuvor abgeleiteten Anforderungen hinsichtlich ihrer Eignung für die Lösung des hier betrachteten Planungsproblems analysiert. Die Analyse ergibt, dass keiner der vorgestellten Ansätze den Anforderungen der strategischen Produktionssystemplanung für die Hauptmodule Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang vollständig gerecht wird. Obwohl die einzelnen Ansätze jeweils eine Teilmenge der relevanten Aspekte des Planungsproblems behandeln und wertvolle Anregungen liefern, weisen sie verschiedene Defizite auf, woraus sich Handlungsfelder für die Entwicklung eines problemspezifischen Planungsansatzes für den Untersuchungsbereich ergeben. Zum Abschluss dieses Kapitels werden die zentralen Handlungsfelder zusammengefasst und die Aufgabenstellung dieser Arbeit wird eingegrenzt. In Kapitel 5 wird ein praxisorientierter Ansatz für die strategische Planung von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule auf Basis mathematischer Entscheidungsmodelle beschrieben. Eine der Hauptanforderungen an diesen Ansatz ist der vielseitige und flexible Einsatz zur Optimierung und Simulation typischer Planungsfragestellungen. Den Kern des flexiblen Planungsansatzes bildet daher ein übergreifendes Optimierungsmodell (im Weiteren auch als Basismodell“ ” bezeichnet), das Planungsfunktionalitäten für ein breites Spektrum typischer Probleme der strategischen Produktionssystemplanung in der Praxis beinhaltet. Es verbindet die Ebene der Produktionsnetzwerkplanung mit der Ebene der strategischen Werksplanung. Das Basismodell nimmt so eine gesamthafte mathematische Darstellung des Zusammenspiels der bereits genannten zentralen Entscheidungsfelder vor und beschreibt ihre Auswirkungen auf die Minimierung des Kapitalwerts der Investitionen und weiterer direkt zurechenbarer Auszahlungen für die Weiterentwicklung und den Betrieb eines Produktionssystems. Das Modell erlaubt die Abbildung von Produktionssystemen auf der Produktionsnetzwerk-, der Werks- und der Anlagenebene. Dabei spielen die Technologie-/Anlagen- und die Personalplanung eine zentrale Rolle, da sie die primären Determinanten der Produktionssystemkapazitäten und -flexibilitäten sind. Je nach Betrachtungsschwerpunkt und Fragestellung sind unterschiedliche Aggregationsstufen der Anlagenplanung angebracht. Das Optimierungsmodell erlaubt in dieser Hinsicht sowohl die Auswahl alternativer Technologien/Anlagen in Verbindung mit der Planung ihrer Belegung und ihrer Allokation im Produktionsnetzwerk als auch die detaillierte Konfiguration und Kapazitätsplanung von einzelnen Anlagen. Bei der detaillierten Planung der Kapazitäten auf Anlagenebene können insbesondere die Wechselwirkungen zwischen Investitionen auf der einen und einer längeren bH Anlagenlaufzeit, verbunden mit höheren Personalkosten, auf der anderen Seite (c )V er la g D G r. K ov ac Schichtmodellen und Automatisierungsgraden untersuchen. m analysiert werden. Überdies lassen sich die Zusammenhänge zwischen Standorten, 1.4 Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit 17 Das Modell beinhaltet des Weiteren die Abbildung unterschiedlicher Arten der Produktionssystemflexibilität. Neben Belegungs-, Volumen- und Mixflexibilitäten werden insbesondere Aspekte der Nachfolgeflexibilität von Anlagen integriert, die bisher nur in wenigen Modellen enthalten sind. Aus dem übergreifenden Basismodell können durch verschiedene Modifikationsmöglichkeiten, z.B. durch Ausblenden nicht benötigter Entscheidungsfelder und Zielgrößen oder durch Aggregation von Entscheidungen, vielseitig und flexibel problemspezifische Modellvarianten für die verschiedenen Fragestellungen der strategischen Produktionssystemplanung erzeugt werden. Diese Modellvarianten beinhalten dann nur noch die für die jeweilige Problemstellung relevanten Aspekte und können effizient mit Standardsolvern gelöst werden. Das mathematische Modell bildet die Grundlage für die Erstellung eines datenbankbasierten Planungswerkzeugs für den Praxiseinsatz. Das IT-Planungswerkzeug ermöglicht eine anwenderorientierte Modellvariantenauswahl, Dateneingabe, Erfassung von Planungsprojekten und Berechnung. Darüber hinaus unterstützt es die Aufbereitung, Visualisierung und Weiterverarbeitung der Ergebnisse. Die Beschreibung der technischen Implementierung des Modells, der eingesetzten Lösungsverfahren und des entwickelten IT-Planungswerkzeugs bildet einen weiteren Schwerpunkt des fünften Kapitels. Modell und Planungswerkzeug erweitern das Spektrum innovativer Planungstechniken für die strategische Planung in der Automobilindustrie. Während für die Fahrzeugproduktion aktuelle modellgestützte Planungsansätze verfügbar sind, besteht hierzu im Bereich der Komponentenproduktion noch Handlungsbedarf. Der hier entwickelte Ansatz dehnt nun den Einsatzbereich modellgestützter Planungstechniken auf die strategische Planung der Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen aus. Auf einem flexiblen Modell zur integrierten Netzwerk- und Werksplanung aufbauend soll dieser Ansatz zur Bewältigung der steigenden Komplexität der strategischen Produktionssystemplanung in diesem Bereich beitragen. Im Bereich der Fahrzeugproduktion sind insbesondere die kürzlich veröffentlichten Ansätze von F ERBER (2005) und F LEISCHMANN U. A . (2006) bedeutsam, auf denen der hier entwickelte Planungsansatz aufbaut. Die Autoren präsentieren Modelle für die strategische Kapazitäts- und Investitionsplanung globaler Supply Chain Netzwerke von Premiumherstellern und fokussieren dabei auf die Spezifika der Fahrzeugproduktion, speziell auf die Produktionsstufen Rohbau, Lack und Montage (siehe hierzu auch Abschnitt 4.1.3). Die in diesen Modellen beschriebene langfristige Planung der Belegung, Kapazitäten und Investitionen in einem globalen Produktionsnetzwerk bH auf Basis eines dynamischen Modells mit einer Kapitalwert-Zielfunktion sowie unter (c )V er la g D G ac ov r. K der strategischen Planung von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und m Einsatz von Standardsolvern wird in dieser Arbeit im Hinblick auf die Anforderungen 18 1 Einleitung Antriebsstrangmodule weiterentwickelt. Der hier behandelte Untersuchungsbereich bedingt dabei wichtige Unterschiede. Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal besteht darin, dass das betrachtete Planungsproblem ein wesentlich komplexeres, übergreifendes Modell verlangt, das neben der Produktionsnetzwerkplanung ebenfalls die Beantwortung verschiedener Fragestellungen sowohl auf der Werks- als auch der Anlagenebene erlaubt. Derartige Planungsprobleme erfordern auch eine detailliertere Modellierung der Produktionsprozesse und -anlagen als bei F ERBER (2005) und F LEISCHMANN U. A . (2006). Mit dem hier vorgestellten Modell ist daher neben der Auswahl alternativer Technologien/Anlagen ebenfalls die Konfiguration von Anlagen in Abhängigkeit von Standort und Schichtmodell möglich. Überdies werden auch die Entscheidungsfelder der Personal- und Werksstrukturplanung explizit berücksichtigt. In Kapitel 6 werden der entwickelte modellgestützte Planungsansatz und seine flexiblen Einsatzmöglichkeiten für verschiedene Fragestellungen der strategischen Produktionssystemplanung demonstriert. Dazu werden zwei Fallstudien für typische Problemstellungen in realistischen Größenordnungen vorgestellt. Die erste Fallstudie befasst sich auf einer höher aggregierten Planungsebene mit der Optimierung eines internationalen Produktionsnetzwerks für Motoren. Gegenstand der zweiten Fallstudie ist die Optimierung einer Motormontagelinie hinsichtlich ihrer Konfiguration und der Auswahl eines geeigneten Schichtmodells in den einzelnen Produktionsperioden. Hier stehen Automatisierungsentscheidungen, d.h. die Trade-offs zwischen Investitionen und Personalkosten, im Vordergrund. Dazu wird eine detailliertere Modellvariante des Basismodells eingesetzt. Für beide Fallstudien konnte unter Verwendung eines Standardsolvers eine optimale Lösung berechnet werden. Ergänzend wurden in beiden Fällen verschiedene Sensitivitätsanalysen sowie simulative Analysen durchgeführt, um bspw. die Robustheit der errechneten optimalen Lösung zu untersuchen oder um die Auswirkungen einzelner Strategien zu ermitteln. Über die beiden Fallstudien hinaus wird im sechsten Kapitel eine Modellvariante für die Anlagenplanung anhand des Vergleichs mit einer realen Motormontagelinie der BMW Group validiert. Zum Abschluss werden in Kapitel 7 die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zusammengefasst sowie ihr Beitrag für Forschung und Praxis dargelegt. Es wird ebenfalls ein Ausblick auf weitere interessante Themenfelder gegeben, die nicht im Rahmen dieser Arbeit behandelt werden konnten, aber einen Ansatzpunkt für weitere (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Forschungsvorhaben bilden können. Kapitel 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Die strategische Planung des Produktionssystems eines Unternehmens ist neben der Produktionsprogrammplanung, d.h. der Festlegung von Art und Menge der innerhalb einer bestimmten Periode herzustellenden Produkte, ein elementarer Bestandteil der strategischen Produktionsplanung. Gegenstand der strategischen Produktionsplanung sind alle langfristig orientierten Aktivitäten, die sich auf die Gestaltung und Erhaltung einer wettbewerbsfähigen Produktion konzentrieren (vgl. Zäpfel, 1989, S. 2 und S. 115). Dabei ist es Aufgabe der Produktionssystemplanung, die erforderlichen Infrastrukturen, personellen und materiellen Ressourcen, Prozesse und organisatorischen Rahmenbedingungen bereitzustellen, um das Produktionsprogramm möglichst effektiv und effizient realisieren zu können. In diesem Kapitel werden die Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung dargestellt. Dazu werden zunächst in Abschnitt 2.1 grundlegende Begriffe erörtert und deren Verwendung in der vorliegenden Arbeit festgelegt, bevor in Abschnitt 2.2 auf die relevanten Grundlagen der strategischen Produktionssystemplanung eingegangen wird. In Abschnitt 2.3 werden Methoden der modellgestützten Planung, speziell Methoden der gemischt-ganzzahligen Optimierung, erläutert, die für den Einsatz in der strategischen Produktionssystemplanung (c )V er la g D r. K ov ac G m bH sehr gut geeignet sind. 20 2.1 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Begriffliche Grundlagen Der Begriff Produktionssystem“ ist einer der Hauptbegriffe der vorliegenden For” schungsarbeit. Im nachfolgenden Abschnitt soll dieser Begriff, der in Wissenschaft und Praxis sehr unterschiedlich verwendet wird, genauer beleuchtet werden. Dazu werden zunächst dessen Wortbestandteile – Produktion und System – kurz erläutert, bevor der Begriff des Produktionssystems in der Literatur analysiert und dessen Verwendung in dieser Arbeit festgelegt wird. 2.1.1 System und Produktion Unter einem System versteht man [...] eine Menge von Elementen (Objekten), die ” durch Beziehungen (Relationen) miteinander verknüpft sind“ (Klein und Scholl, 2004a, S. 29). Das System ist von seiner Umwelt real oder gedanklich durch Systemgrenzen abgetrennt (vgl. Dyckhoff, 1994, S. 3, DIN 19226). Es lässt sich in der Regel durch die Wahl engerer Systemgrenzen in verschiedene Teilsysteme (Subsysteme) strukturieren, die jeweils eine Teilmenge der Elemente mit den entsprechenden Relationen enthalten. Die einzelnen Elemente eines Systems werden über Attribute (Eigenschaften) beschrieben, die verschiedene Ausprägungen aufweisen können. Die Menge der Relationen eines Systems bildet dessen Struktur (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 29). Der Begriff Produktion“ wird definiert als [...] der Prozeß, bei dem zum Zweck der ” ” Erstellung von Gütern Produktionsfaktoren kombiniert und transformiert werden. Die Menge der in die Produktion eingehenden Produktionsfaktoren wird auch als Input, der Kombinations- und Transformationsprozeß als Produktionsprozeß, und die hergestellten Güter werden als Produkte oder Output bezeichnet“ (Domschke u. a., 1997, S. 4). Die eingesetzten Produktionsfaktoren sind z.B. menschliche Arbeitsleistung, Informationen, Betriebsmittel9 , Material, Dienstleistungen und Energie (vgl. Hahn und Laßmann, 1999, S. 3). In dieser Forschungsarbeit wird die Betrachtung auf die industrielle Stückgüterproduktion eingeschränkt, zu welcher die Produktion von Motoren, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen zählt. Die Produktionsprozesse in diesem Bereich umfassen häufig zwei elementare Produktionsstufen: Einzelteilefertigung und Montage. )V er la g D m G ac ov r. K Nach VDI-R ICHTLINIE 2815 bezeichnet der Begriff Betriebsmittel“ die [...] Gesamtheit aller beweg” ” lichen und unbeweglichen Anlagen, Geräte und Einrichtungen, die zur betrieblichen Leistungserstellung dienen“ (vgl. VDI-Richtlinie 2815). Dazu zählen neben den Maschinen, Vorrichtungen, Werkzeugen, Mess- und Prüfeinrichtungen auch Transportmittel, Lagereinrichtungen sowie Grundstücke und Gebäude (vgl. Corsten, 2007, S. 11). (c 9 bH Unter (Einzelteile-)Fertigung wird die Herstellung materieller Güter mit geometrisch 2.1 Begriffliche Grundlagen 21 bestimmter Gestalt aus verschiedenen Grundstoffen durch schrittweise Veränderung der Form oder der Stoffeigenschaften verstanden (vgl. Hahn und Laßmann, 1999, S. 8; siehe hierzu auch DIN 8580, Eversheim und Spur, 1996, S. 11-1 ff. oder Fritz und Schulze, 1998, S. 1 ff.). Sie bezieht sich auf die unmittelbare materielle Veränderung von Einsatzgütern (vgl. Schneeweiß 2002, S.8). Die Montage umfasst die Gesamtheit aller Tätigkeiten zum Zusammenbau von Einzelteilen und/oder Baugruppen zu Erzeugnissen (vgl. Hegenscheidt, 2002, B3-10, Hahn und Laßmann, 1993, S. 229). 2.1.2 Produktionssystem 2.1.2.1 Begriff in der Literatur Der Begriff Produktionssystem“ ist besonders in der wirtschafts- und ingenieurwissen” schaftlichen Literatur sehr weit verbreitet, ohne dass hierzu ein allgemein akzeptiertes Verständnis existiert. Je nach Untersuchungsschwerpunkt und Systemgrenze werden mit dem Begriff des Produktionssystems sehr unterschiedliche Bedeutungsinhalte verbunden. In der Literatur lassen sich vier grundlegende Sichtweisen unterscheiden: Produktionsprozessorientierte Sichtweise In der Literatur ist der Produktionssystembegriff häufig direkt auf den Transformationsprozess von (Einsatz-)Gütern in Produkte bezogen. Nach Z SCHOCKE (1974) ist ein Produktionssystem demnach ein ökonomisches System, das aus Gütern (Waren, Sachen und Dienstleistungen) besteht und Güter herstellt. Die Güter werden aus der Umgebung des Systems entnommen bzw. an die Umgebung abgegeben (vgl. Zschocke, 1974, S. 35). Ähnliche Definitionen finden sich bei Schiemenz und Schönert, 2005, S. 9 f. und Schiemenz, 1996, S. 895. H OITSCH (1993 A ), K ALUZA (1994) und C ORSTEN (2007) verstehen unter einem Produktionssystem (bzw. einem produktionswirtschaftlichen System) ein Subsystem eines Unternehmens, welches durch das Produktionsprogramm (Output), den Leistungserstellungsprozess (Throughput) und die dafür erforderlichen Produktionsfaktoren (Input) bestimmt wird. Es steht in einem engen Zusammenhang mit anderen betrieblichen Subsystemen, wie z.B. für Beschaffung, Distribution und Absatz (vgl. Hoitsch, 1993a, S. 1-8, Kaluza, 1994, S. 53 f. und Corsten, 2007, S. 2-9). Infrastrukturell geprägte Sichtweise bH Unter der Infrastruktur eines Produktionssystems werden die zur Durchführung des (c )V er la g D G ac ov r. K Anlagen mit jeweiligen Kapazitäten und Flexibilitäten, Lagerungs-, Materialfluss- und m Leistungserstellungsprozesses benötigten physischen Elemente, wie z.B. Standorte, 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung 22 Handlingseinrichtungen, sowie die Organisation des Zusammenwirkens der physischen Elemente verstanden (vgl. Günther und Tempelmeier, 2003, S. 5. f.). S CHILDT (1994), E VERSHEIM (1996), DYCKHOFF (2003), F LEISCHMANN U. A . (2005), REFA E .V. (1990) oder KOSTURIAK UND G REGOR (1995) fokussieren bei der Verwendung des Begriffs des Produktionssystems auf die infrastrukturellen Aspekte. So versteht S CHILDT (1994) unter einem Produktionssystem die gesamte räumliche Struktur, in welcher alle Prozesse der Produktion und die damit verbundenen betrieblichen Aktivitäten realisiert werden (vgl. Schildt, 1994, S. 10). Nach E VERSHEIM (1996) kann der Begriff des Produktionssystems je nach Wahl der Systemgrenze einen Unternehmensverbund (aus mehreren rechtlich selbständigen Unternehmen), ein einzelnes Unternehmen, einzelne Produktionsbereiche (wie z.B. Dreherei) oder einzelne Arbeitsplätze bezeichnen. E VERSHEIM (1996) unterscheidet dabei zwischen elementaren Produktionssystemen und Produktionssystemen höherer Ordnung. Elementare Produktionssysteme sind die kleinsten, eigenständig Produktionsaufgaben erfüllenden Einheiten. Produktionssysteme höherer Ordnung werden durch Zusammenfassung elementarer Produktionssysteme gebildet (vgl. Eversheim, 1996, S. 1536 f.). Die Systemgrenze eines Produktionssystems kann aber auch über einen Unternehmensverbund hinausgehen und für eine makroökonomische Betrachtung auf ganze Branchen (Industriesektoren), Volkswirtschaften oder gar die Weltwirtschaft ausgedehnt werden (vgl. Eichhorn, 1993, S. 3443, Schiemenz, 1996, S. 896). DYCKHOFF (2003) betrachtet Betriebe bzw. Unternehmen als Produktionssysteme, deren Innenstruktur wiederum aus mehreren Produktions(sub)systemen, wie z.B. Werken, Anlagen oder Arbeitsplätzen, zusammengesetzt ist (vgl. Dyckhoff, 2003, S. 4). F LEISCHMANN U. A . (2005) haben ein enger gefasstes Verständnis und verstehen unter einem Produktionssystem das Layout, die Maschinen und die Materialflüsse zwischen den Maschinen innerhalb eines Werkes (vgl. Fleischmann u. a., 2005, S. 89). In anderen Veröffentlichungen ist der Begriff des Produktionssystems noch enger gefasst und wird weitestgehend mit Produktionsanlagen oder Arbeitssystemen10 gleichgesetzt (siehe bspw. REFA E .V. (1990), KOSTURIAK UND G REGOR (1995) oder Z AHN UND S CHMID (1996)). Methodisch-konzeptionelle Sichtweise Die methodisch-konzeptionelle Sichtweise zielt ab auf die Prinzipien und Instrumente zur Planung, Durchführung und Kontrolle des Produktionsprozesses, wie z.B. Methoden der schlanken Produktion (Lean Production), zu welchen Kaizen, Total Quality m er la g D r. K ov ac G Zu den Begriffen der Produktionsanlage und des Arbeitssystems siehe Abschnitt 2.1.2.2. Siehe hierzu bspw. W OMACK U. A . (1990) oder O ELTJENBRUNS (2000). )V 11 (c 10 bH Management (TQM), Just-in-Time oder Kanban zählen11 . 2.1 Begriffliche Grundlagen 23 Beispiele für eine methodisch-konzeptionelle Sichtweise finden sich bei B ARTH (2005) oder in der Automobilindustrie. B ARTH (2005) sieht ein Produktionssystem als [...] ein ” methodisches Regelwerk für die Gestaltung von Produktion und sämtlicher sie begleitender Prozesse [...]“ (Barth, 2005, S. 270). Auch in der Automobilindustrie wird der Begriff des Produktionssystems in vielen Fällen für eine Menge von Instrumenten und Methoden für die Planung, Durchführung und Kontrolle der Produktionsprozesse verwendet. Im Vordergrund stehen dabei häufig die Ansätze der schlanken Produktion, die durch das sogenannte Toyota Produktions” system“ stark geprägt wurden12 . Für einen Vergleich verschiedener methodischkonzeptioneller Aspekte von ausgewählten Produktionssystemen in der Automobilindustrie (Ford, DaimlerChrysler, Opel, BMW, Audi und Bosch) siehe bspw. Institut f. Angewandte Arbeitswissenschaft e.V., 2000, Kap. 4. Neben der produktionswirtschaftlichen Sichtweise existiert auch eine sozial- und organisationswissenschaftliche Sicht, die ebenfalls methodisch-konzeptionell geprägt ist. J ÜRGENS (1995) versteht bspw. unter einem Produktionssystem [...] a set of new ” practices and new forms of work and process organisation“ (Jürgens, 1995, S. 298). Es bildet den konzeptionellen Rahmen für die Organisation und Strukturierung der betrieblichen und sozialen Prozesse eines Unternehmens (vgl. Jürgens, 2002, S. 2). Integrierte Sichtweise Auch wenn für viele Fragestellungen eine rein prozessorientierte, infrastrukturelle oder methodisch-konzeptionelle Sichtweise ausreicht, wird eine solche Eingrenzung dem systemtheoretischen Gedanken des Begriffs Produktionssystem“ nicht wirklich ge” recht. Diesem Begriff muss vielmehr eine integrierte Sichtweise zugrunde liegen, die alle für den Produktionsprozess erforderlichen physischen Elemente des Systems, deren Zusammenwirken sowie die Instrumente und Methoden zur Planung, Durchführung und Kontrolle der für die Leistungserstellung erforderlichen Prozesse beinhaltet. Eine integrierte Sichtweise muss bedeutende prozessuale, infrastrukturelle und methodisch-konzeptionelle Aspekte miteinander verbinden. Ein solches integriertes Verständnis findet sich z.B. bei S KINNER (1985), nach welchem bei der Gestaltung von Produktionssystemen sowohl die Hardware“, d.h. die ” Werke, Maschinen, Prozesstechnologien etc., als auch die für die Produktionssteuerung, Lagerhaltung, Qualitätskontrolle oder das Personalmanagement erforderlichen )V er la g D G ac ov r. K Für weitere Ausführungen zum TPS siehe bspw. M ONDEN (1983), O HNO (1983) oder O ELTJENBRUNS (2000). (c 12 m bH Methoden und Instrumente betrachtet werden müssen (vgl. Skinner, 1985, S. 95). 24 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung H ENRICH (2002) präsentiert folgende, auf einem integrierten Verständnis basierende Definition für die Automobilindustrie: Das Produktionssystem eines Automobilherstellers besteht aus der Sum” me aller Elemente, die zur Fertigung der Produkte [...] (Fahrzeuge und Komponenten) benötigt werden und auf die der Hersteller direkten Einfluss ausübt, sowie deren Beziehungen zueinander. Dazu gehören das weltweite Netzwerk aller Produktionsstandorte, strategischen Partnern und der First Tier Zulieferer13 , sowie die zentralen Planungsstellen und die logistischen Verbindungen dazwischen. Es umfasst sowohl Strukturen und Prozesse als auch die beteiligten Menschen und deren Organisation“ (Henrich, 2002, S. 124). Die vier Sichtweisen des Begriffs des Produktionssystems sind in Abbildung 2.1 zusammengefasst. Produktionssystem Produktionsprozessorientierte Sicht Infrastrukturell geprägte Sicht Methodischkonzeptionelle Sicht TPS Input KAIZEN Throughput TQM KANBAN Output JUST-IN-TIME Integrierte Sichtweise )V er la g D G ac ov r. K Anmerkung des Autors: Die direkten Lieferanten auf der ersten Stufe der Lieferkette werden als First ” Tier Zulieferer“ bezeichnet. (c 13 m bH Abbildung 2.1: Sichtweisen des Begriffs Produktionssystem 2.1 Begriffliche Grundlagen 2.1.2.2 25 Verwendung des Begriffs in dieser Arbeit In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff des Produktionssystems im bereits zitierten Verständnis von H ENRICH (2002) gebraucht, da es die Forderung nach einer integrierten Sichtweise erfüllt und außerdem bedeutende branchenspezifische Charakteristika der Automobilindustrie, wie globale Produktionsnetzwerke oder intensive Kooperationen mit First Tier Zulieferern, beinhaltet. Obwohl in dieser Forschungsarbeit ein solches integriertes Verständnis zugrunde gelegt wird, stehen die personellen und infrastrukturellen Aspekte von Produktionssystemen im Vordergrund der weiteren Betrachtungen. Der vom Personal getragenen Infrastruktur von Produktionssystemen kommt eine enorme strategische Bedeutung zu, da sie unmittelbar die Wirtschaftlichkeit und Flexibilität und somit die Wettbewerbsfähigkeit von Produktionssystemen in großem Maße beeinflusst (vgl. Günther und Tempelmeier, 2003, S. 5 f.). Die methodisch-konzeptionellen Aspekte stellen dabei wichtige Grundlagen und Rahmenbedingungen für die Planung, Organisation und Steuerung der infrastrukturellen und personellen Ressourcen dar und werden daher als Eingangsgrößen für die Planung angesehen. Im Folgenden werden vier Hierarchieebenen der Infrastruktur von Produktionssystemen unterschieden, die im Rahmen der strategischen Planung betrachtet werden müssen: • Produktionsnetzwerk: Die oberste Ebene ist die Produktionsnetzwerkebene. Unter einem Produktionsnetzwerk wird die Zusammenarbeit mehrerer Produktionsstandorte innerhalb eines Unternehmens (intra-organisationales Produktionsnetzwerk) verstanden14 . • Standorte/Werke: Unter einem Standort wird nach J ACOB (1967) ein geographischer Ort verstanden, an welchem Güter hergestellt oder verwertet werden (vgl. Jacob, 1967, S. 235). Bei der strategischen Produktionssystemplanung steht die Gütererstellung an Produktionsstandorten im Vordergrund der Betrachtungen (die auch die Ver- )V er la g D m G ac ov r. K In einem weiteren, am Supply Chain Begriff orientierten Verständnis (siehe Abschnitt 2.1.2.3) kann auch die auf den Produktionsprozess abzielende partnerschaftliche Kooperation verschiedener, rechtlich selbständiger Unternehmen als (inter-organisationales) Produktionsnetzwerk bezeichnet werden (vgl. Zantow, 2000, S. 26 oder Hernández u. a., 2002, B3-20). Netzwerke rechtlich selbständiger Unternehmen werden häufig auch als Unternehmensnetzwerke bezeichnet (vgl. Zundel, 1999, S. 41, Schröder, 2003, S. 29-33, Sydow und Möllering, 2004, S. 18 f.). Neben realen Unternehmensnetzwerken existieren auch virtuelle Netzwerke. Diese stellen einen projekthaften, virtuellen Zusammenschluss selbständiger Unternehmen auf Basis moderner Informations- und Telekommunikationstechnologie dar, um die unternehmensspezifischen Kernkompetenzen mit größtmöglicher Flexibilität für alle Beteiligten nutzbar zu machen (siehe hierzu bspw. T UMA (1998) oder F RIEDL U. A . (2003)). (c 14 bH wertung bezogener Güter und Leistungen einschließt). Die Begriffe Werk“ und ” 26 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung (Produktions-) Standort“ werden in den weiteren Ausführungen synonym ver” wendet15 . • Produktionsanlagen: Die Produktionsanlagen stellen die dritte Ebene im Produktionssystem dar. Sie können als Gebrauchsgüter definiert werden, die zur Durchführung mehrerer Arbeitsoperationen oder zur Bereitstellung der für die Durchführung des Produktionsprozesses erforderlichen technischen Basis- und Schutzfunktionen eingesetzt werden (vgl. Hahn und Laßmann, 1993, S. 218). Eine Anlage dient zur Herstellung einer bestimmten Menge von (Zwischen- oder End-)Produkten, was in der Regel die sukzessive Durchführung mehrerer Arbeitsfolgen beinhaltet, die im Arbeitsplan16 des betreffenden Produkts detailliert beschrieben sind. Zur Durchführung der Arbeitsfolgen werden unterschiedliche Arten von Arbeitssystemen, d.h. aus Betriebsmitteln und Arbeitskräften gebildete Systeme, wie z.B. Bearbeitungszentrum, Drehzentrum, Handarbeitsplatz usw., eingesetzt. Dabei wird zwischen ergänzenden Arbeitssystemtypen (für unterschiedliche Arbeitsfolgen) und ersetzenden Arbeitssystemtypen (Alternativen für eine bestimmte Arbeitsfolge) differenziert. Je Arbeitssystemtyp können zur Erhöhung der Kapazität der Anlage mehrere Arbeitssysteme eingesetzt werden. Eine Anlage kann somit als ein System verketteter oder unverketteter Arbeitssysteme zur Durchführung ergänzender und/oder ersetzender Arbeitsfolgen im Produktionsprozess verstanden werden. Aufgrund des Untersuchungsbereichs der industriellen Stückgüterproduktion in dieser Arbeit steht die Betrachtung von fertigungs- und montagetechnischen Anlagen im Vordergrund der weiteren Ausführungen: – Fertigungstechnische Anlagen [...] bewirken die Formgebung und Eigen” schaftsänderung von Stoffen sowie deren Zusammenbau“ (Hahn und Laßmann, 1993, S. 225). Beispiele für fertigungstechnische Anlagen sind Transferstraßen oder flexible Fertigungssysteme. – Montagetechnische Anlagen (Montageanlagen) stellen eine Kombination aus fertigungs-, füge- und handhabungstechnischen Anlagen dar. Darüber hinaus werden mit einem solchen Anlagentyp auch Kontroll- und Justiertätigkeiten durchgeführt (vgl. Warnecke, 1979, S. 278 und Spur, 1986, S. 5, zitiert )V er la g D m G ac ov r. K Für eine genauere Abgrenzung der Begriffe Werk“, Fabrik“ und Betrieb“ siehe bspw. Schmigalla, 1995, ” ” ” S. 33-38. Ein Arbeitsplan beschreibt die Abfolge von Arbeitsoperationen zur Produktion eines Teiles und enthält Angaben zu Material, Vorgabezeiten, Betriebsmittel etc. Er bildet die Basis für die Kapazitätsplanung und somit die Grundlage für die Personal-, Anlagen- und Werksstrukturplanung (vgl. Worbs u. a., 2002, S. B3-53). (c 16 bH nach Hahn und Laßmann, 1993, S. 229). 15 2.1 Begriffliche Grundlagen 27 • Arbeitssysteme: Die vierte und unterste Ebene von Produktionssystemen sind die einzelnen Arbeitssysteme, die durch Zuordnung von Arbeitskräften und Betriebsmitteln (z.B. Maschinen und Werkzeuge) gebildet werden und elementare Produktionsaufgaben erfüllen. Sie stellen die kleinsten produktiven (wertschöpfenden) Einheiten im Produktionsprozess dar (vgl. Günther und Tempelmeier, 2003, S. 13, Dangelmeier, 1999, S. 41). Abbildung 2.2 zeigt die vier voranstehend beschriebenen Infrastrukturebenen von Produktionssystemen. Die an einem Standort angesiedelten Subsysteme eines Produktionssystems (Werk, Anlagen, Arbeitssysteme) werden auch als betriebliches Produktionssystem, die standortübergreifenden Teilbereiche als überbetriebliches Produktionssystem bezeichnet (vgl. Dyckhoff und Spengler, 2005, S. 23). Produktionssystem Netzwerk Werke Produktionsanlagen Arbeitssysteme Abbildung 2.2: Infrastrukturebenen eines Produktionssystems 2.1.2.3 Abgrenzung vom Begriff der Supply Chain Das hier verwendete, weit gefasste Verständnis eines Produktionssystems, das auch globale Netzwerke von Produktionsstätten einschließt, muss vom Begriff der Supply Chain abgegrenzt werden, der teilweise in einem verwandten Kontext benutzt wird. bH Unter einer Supply Chain kann nach C HRISTOPHER (2005) ein [...] network of ” organizations that are involved, through upstream and downstream linkages, in the dif- (c )V er la g D G ac ov r. K in the hands of the ultimate consumer“ verstanden werden (Christopher, 2005, S. 17). m ferent processes and activities that produce value in the form of products and services 28 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Ein wesentlicher Bestandteil des Supply Chain Konzepts ist die ganzheitliche und unternehmensübergreifende Planung, Steuerung und Kontrolle der Strukturen und Prozesse für die betrieblichen Kernfunktionen Beschaffung, Produktion, Distribution und Absatz der beteiligten Unternehmen (vgl. Cooper u. a., 1997, Corsten und Gössinger, 2001, S. 83). Eine Supply Chain besteht demnach aus mindestens zwei rechtlich selbständigen Unternehmen, die durch Material-, Informations- und Finanzflüsse miteinander verbunden sind (inter -organisationale Supply Chain). In einem engeren, intraorganisationalen Verständnis wird der Supply Chain Begriff auch auf ein Unternehmen mit mehreren, häufig global verteilten Produktionsstätten verwendet (vgl. Stadtler, 2005, S. 9). In diesem engeren Verständnis stehen die Planung, Steuerung und Kontrolle der Beschaffungs-, Produktions-, Distributions- und Absatzprozesse eines einzelnen Unternehmens im Vordergrund. In der vorliegenden Arbeit ist der Produktionssystembegriff noch enger gefasst als der einer intra-organisationalen Supply Chain und bezieht sich auf die Personen und infrastrukturellen Elemente, die zur Durchführung der einzelwirtschaftlichen Produktionsprozesse erforderlich sind. Dies beinhaltet auch die Materialflüsse von Lieferanten und zu Kunden, die bei der Bewertung unterschiedlicher Produktionssystemkonfigurationen zu berücksichtigen sind. Weitere Planungsfelder der Funktionsbereiche Beschaffung, Distribution und Absatz liegen jedoch außerhalb des Betrachtungsumfangs dieser Arbeit und stellen, ebenso wie die methodisch-konzeptionellen Aspekte, bedeutende Rahmenbedingungen und Vorgaben für die Planung, Steuerung und Kontrolle eines Produktionssystems dar. Umgekehrt beeinflusst das Produktionssystem auch die Bereiche Beschaffung, Distribution und Absatz. Abbildung 2.3 zeigt die vier Infrastrukturebenen eines Produktionssystems im Kontext einer Supply Chain. 2.1.3 Strategische Planung Der Begriff Planung“ ist allgemein definiert als [...] die geistige Vorwegnahme ” ” zukünftiger Handlungsalternativen, deren Bewertung anhand zu verfolgender Zielsetzungen und die dementsprechende Auswahl einer oder mehrerer zu realisierender Alternativen (Lösungen)“ (Domschke u. a., 1997, S. 1). Die Planung dient somit zur Entscheidungsvorbereitung und -findung durch die Auswahl guter Lösungen oder der besten Lösung(en) (vgl. Domschke u. a., 1997, S. 1, Fleischmann u. a., 2005, S. 81). bH Sie ist gekennzeichnet als ein [...] auf der Grundlage unvollkommener Informationen ” durchgeführter, zukunftsorientierter, grundsätzlich systematischer und rationaler ac G m Prozess zur Lösung von (Entscheidungs-)Problemen unter Beachtung subjektiver (c )V er la g D r. K ov Ziele“ (Scholl, 2001, S. 9). 2.1 Begriffliche Grundlagen 29 Inter-organisationale Supply Chain 1st Tier-Lieferanten B P A Intra-organisationale Supply Chain Beschaffung (B) Produktion (P) Distribution/ Absatz (A) Kunden B P A Untersuchungsbereich Produktionssystem Netzwerk Werke Produktionsanlagen Arbeitssysteme Abbildung 2.3: Abgrenzung der Begriffe Produktionssystem und Supply Chain Der langfristig (länger als zwei Jahre) orientierte Prozess der Planung für in der Zukunft entstehende Entscheidungsprobleme wird als strategische Planung bezeichnet17 . Im betriebswirtschaftlichen Kontext ist es das Ziel der strategischen Planung, Maßnahmenpläne zu entwickeln, die unter der Beachtung erwarteter Entwicklungen von Umweltbedingungen die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens nachhaltig sichern sollen. Die auf der strategischen Ebene getroffenen Entscheidungen bilden die Vorgaben für die mittel- und kurzfristige Planung, die in der Literatur häufig als taktische und operative Planung bezeichnet werden18 . Von der operativen zur strategischen Planungsebene nehmen die Länge des (c )V er la g D m G ac ov r. K Für den Begriff Strategie“ existiert eine Vielzahl von Definitionen. Für diese Arbeit ist die Definition nach ” A NSOFF (1965) zweckmäßig, nach welcher eine Strategie alle Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung des Unternehmenserfolgs umfasst (vgl. Ansoff, 1965, S. 103). Für eine ausführliche Diskussion des Strategiebegriffs siehe bspw. H INTERHUBER (2004). 18 Diese Dreiteilung der Planungsebenen geht auf das Konzept von A NTHONY (1965) zurück. Die Bezeichnungen der Planungsebene als strategisch, taktisch und operativ ist im betriebswirtschaftlichen Schrifttum weit verbreitet (z.B. D OMSCHKE U. A . (1997) oder Z ÄPFEL (2001)) und wird auch in dieser Arbeit verwendet. Andere Autoren weichen von der Dreiteilung bzw. der Bezeichnung der Ebenen ab. F LEISCHMANN U. A . (2005) unterscheiden zwar auch drei Planungsebenen und bezeichnen die langfristige Ebene als strategisch, die mittel- und die kurzfristige Ebene werden aber als operational bezeichnet. Auf die Bezeichnung taktisch“ für die mittelfristige Ebene verzichten die Autoren, da dieser Begriff in der ” Literatur mit unterschiedlichen Inhalten belegt ist (vgl. Fleischmann u. a., 2005, S. 82). Andere Autoren unterscheiden dagegen nur zwei Ebenen oder verwenden eine noch detailliertere Einteilung (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 18). bH 17 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung 30 Planungshorizonts, das Aggregationsniveau und das Ausmaß der Planungsunsicherheiten zu, während die Planungsfrequenz abnimmt (vgl. Meyr, 2004, S. 452). 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 2.2.1 Einordnung und Prozess der strategischen Produktionssystemplanung Abbildung 2.4 zeigt, wie sich die strategische Produktionssystemplanung in die Gesamtstruktur der Planungsaufgaben des Supply Chain Management einordnen lässt. Strategische Produktionssystemplanung im Kontext des Supply Chain Management langfristig • Materialprogramm mittelfristig • Personalplanung kurzfristig Beschaffung • Personaleinsatzplanung • Lieferantenauswahl Produktion • Strategische Produktionssystemplanung Distribution • Physische Distributionsstruktur • Kooperationen • Materialbedarfsplanung • Verträge • Materialbestellung Materialfluss • Hauptproduktionsprogramm • Kapazitätsplanung • Losgrößen • Maschinenbelegung • Produktionssteuerung • Distributionsplanung • Lagerbestände • Transportplanung Absatz • Produktprogramm • Strategische Absatzplanung • Mittelfristige Absatzplanung • Kurzfristige Absatzplanung Informationsfluss (c )V er la g D ac r. K ov Abbildung 2.4: Produktionssystemplanung im Kontext des Supply Chain Management G m bH Quelle: In Anlehnung an die Supply Chain Planning Matrix nach FLEISCHMANN U.A. (2000) 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 31 Die Abbildung basiert auf der Supply Chain Planning Matrix (SCP-Matrix) nach F LEISCHMANN U. A . (2000)19 . Die strategische Produktionssystemplanung ist somit eine der grundlegenden, langfristig orientierten Planungsaufgaben eines Industrieunternehmens. Sie besitzt weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit und die zukünftige Wettbewerbsposition und bedarf daher besonders hoher Aufmerksamkeit des Managements. Die infrastrukturellen und personellen Kapazitäten und Flexibilitätspotenziale sind diejenigen Eigenschaften eines Produktionssystems, welche dessen Leistungsfähigkeit grundlegend prägen. Die Planung der Infrastruktur und der langfristigen Personalentwicklung sind daher als die beiden Haupt-Entscheidungsfelder der strategischen Produktionssystemplanung anzusehen. Die infrastrukturellen Entscheidungen betreffen dabei alle Produktionssystemebenen und bestehen bspw. in der Festlegung der Anzahl der Standorte und deren Lokalisierung, der Auswahl von Technologien/Anlagen und der Zuordnung von Produkten zu Anlagen und Standorten. Um eine ganzheitliche Bewertung verschiedener Konfigurationsalternativen von Produktionssystemen zu ermöglichen, müssen neben den infrastrukturellen und personellen Aspekten auch operative Entscheidungen in entsprechend aggregierter Form berücksichtigt werden. Dies betrifft vor allem die Materialflüsse im Produktionsnetzwerk, die aus der Standort- und der Belegungsplanung resultieren und einen großen Einfluss auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Produktionssystemen haben (vgl. Goetschalckx und Fleischmann, 2005, S. 128 f.). In Anlehnung an G OETSCHALCKX UND F LEISCHMANN (2005) sind in Abbildung 2.5 die Verflechtungen strategischer und operativer Entscheidungen und deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit eines Produktionssystems dargestellt. Die im Rahmen der strategischen Produktionssystemplanung zu treffenden Entscheidungen müssen im Einklang mit den übergeordneten Zielen des Unternehmens stehen. Um die Zielübereinstimmung sicherzustellen, wird für den Produktionsbereich eine Produktionsstrategie festgelegt. Produktionsstrategien formulieren unter Maßga” be der jeweils gewählten Unternehmensgesamt- und Geschäftsfeldstrategie [...], welche produktionsrelevanten Fähigkeiten und Potenziale zu entwickeln bzw. zu bewahren sind, um Wettbewerbsvorteile zu realisieren“ (Blecker und Kaluza, 2003, S. 8). Die Grundlagen zur Abstimmung von Unternehmensgesamt- und Produktionsstrategien wurden von S KINNER (1969) gelegt. In einer neueren Arbeit befasst sich H ENRICH (2002) speziell mit der Ausgestaltung von Produktionsstrategien in der Auto- )V er la g D m G ac ov r. K Ursprünglich trennen die Autoren in der SCP-Matrix zwischen Produktionsnetzwerk- und Produktionssystemplanung, was auf einem engeren Verständnis des Begriffs Produktionssystem begründet ist (siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt 2.1.2). (c 19 bH mobilindustrie. 32 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Zusammenwirken strategischer und operativer Entscheidungen (Infra-)Strukturelle Entscheidungen • Standorte • Technologien/ Anlagen • Kapazitäten • Belegung Operative Entscheidungen Materialflüsse (in Beschaffung, Produktion, Distribution) Zielgrößen Investitionen • Kapitalwert (Kosten, Gewinn oder NettoCash-Flows) Finanzielle Variablen • Kosten • Erlöse • Cash-Flow • Transferzahlungen • Zölle • Steuern • Lieferservice/ Kundenzufriedenheit • Risiko • Flexibilität Quelle: In Anlehnung an Goetschalckx und Fleischmann, 2005, S. 128 Abbildung 2.5: Zusammenwirken strategischer und operativer Entscheidungen Die strategische Produktionssystemplanung zeichnet sich im Allgemeinen durch konfliktäre, sowohl qualitative als auch quantitative Zielgrößen (siehe Abschnitt 2.2.3), eine Vielzahl stark interdependenter Entscheidungen (siehe Abschnitt 2.2.4) und erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich einer Vielzahl planungsrelevanter Daten aus. In Anlehnung an R ATLIFF UND N ULTY (1997) durchläuft der Prozess der strategischen Planung in einem solchen Fall iterativ die folgenden Schritte (siehe Abbildung 2.6): 1. Ermittlung von Alternativen: Im ersten Schritt werden viel versprechende strategische Alternativen ermittelt. Hierzu wird zunächst die Menge der theoretisch möglichen Lösungen mittels qualitativer Kriterien eingeschränkt. Lösungsalternativen, die bspw. unternehmenspolitischen Vorgaben oder den Erfahrungen des Managements widersprechen, werden vorab ausgeschlossen. Die verbleibende Menge der Lösungsalternativen kann in quantitativer Hinsicht mittels aggregierter Optimierungsmodelle auf bH eine Menge viel versprechender Strategien weiter eingeschränkt werden, wo- (c )V er la g D G r. K ov ac berücksichtigt werden. m bei verschiedene denkbare äußere Rahmenbedingungen (Umweltbedingungen) 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 33 Prozess der strategischen Planung Qualitative Vorgaben Quantitative Ziele Szenarien Alle Ziele Erzeugung von Alternativen Aggregierte Optimierungsmodelle, Erfahrung und Intuition Evaluation der Alternativen Detaillierte Optimierungsmodelle, Simulation Benchmarking der Ziel- und Ergebnisgrößen Vergleich mit BestPractice-Standards Auswahl von Alternativen Diskussion mit Fachleuten und Entscheidungsträgern Entscheidung Quelle: In Anlehnung an Goetschalckx und Fleischmann, 2005, S. 130 Abbildung 2.6: Prozess der strategischen Planung 2. Evaluation der Alternativen: Die einzelnen Lösungsmöglichkeiten aus der Menge der viel versprechenden Alternativen werden im zweiten Schritt im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit genauer analysiert, wozu detailliertere Optimierungs- und Simulationsmodelle eingesetzt werden können. 3. Benchmarking der Ziel- und Ergebnisgrößen: Die zentralen Ziel- und Ergebnisgrößen der einzelnen Lösungsalternativen werden in diesem Schritt mit Best-Practice-Standards verglichen. Durch den Vergleich mit Wettbewerbern oder mit Best-Practice-Unternehmen anderer Branchen kann so die Leistungsfähigkeit der einzelnen Strategiealternativen besser beurteilt werden. bH 4. Auswahl von Alternativen: (c )V er la g D r. K ov ac G m Im letzten Schritt werden die einzelnen Alternativen unter Berücksichtigung aller quantitativen und qualitativen Zielgrößen vor dem Hintergrund 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung 34 der Benchmarking-Ergebnisse analysiert und die beste Alternative ausgewählt. Überzeugt keine der ursprünglich als viel versprechend eingeschätzten Lösungsmöglichkeiten, wird der Prozess auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse mit zusätzlichen oder modifizierten Alternativen erneut durchlaufen. Unerwünschte Alternativen werden ausgeschlossen. Ein modellgestützter Planungsansatz zur Unterstützung des Prozesses der strategischen Planung erfordert somit unterschiedliche Modelle mit verschiedenen Detaillierungsgraden, die den Anforderungen der einzelnen Planungsphasen angepasst sind. Dieser Anforderung trägt der im Rahmen dieser Forschungsarbeit entwickelte flexible Planungsansatz Rechnung. Er unterstützt unterschiedliche Fragestellungen und Aggregationsniveaus der strategischen Planung von Produktionssystemen und kann daher sowohl zur Erzeugung von Alternativen als auch zur detaillierteren Evaluation der Alternativen eingesetzt werden. 2.2.2 Determinanten von Produktionssystemen Generell besteht die Aufgabe eines Produktionssystems darin, ein bestimmtes Produktionsprogramm nach Art, Menge, Zeitpunkt und Qualität möglichst kostengünstig zu realisieren (vgl. Kaluza, 1994, S. 53). Die Leistungsfähigkeit von Produktionssystemen zur Erfüllung dieser Aufgabe wird durch zwei elementare Eigenschaften geprägt: Kapazität und Flexibilität. Die Bereitstellung ausreichender Kapazitäten und Flexibilitätspotenziale ist daher eine Hauptaufgabe der strategischen Produktionssystemplanung. Im Folgenden werden diese Begriffe im Kontext der vorliegenden Forschungsarbeit erläutert. 2.2.2.1 Kapazität Der Begriff Kapazität“ ist definiert als das Leistungsvermögen einer wirtschaftlichen ” und/oder technischen Einheit beliebiger Art, Struktur und Größe innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts (vgl. Kern, 1962, S. 27). Der Grad der tatsächlichen Nutzung dieses Leistungsvermögens wird als Kapazitätsauslastung bezeichnet (vgl. Sydow und Möllering, 2004, S. 48). Primäre Determinanten der Kapazität eines Produktionssystems sind Personal und Anlagen (vgl. Steven, 1996, S. 876). Sie werden durch sekundäre Faktoren, wie z.B. Material, Energie oder Finanzmittel, ergänzt (vgl. Betge, 1996, S. 852 ff.). Die sekundären bH Faktoren verfügen selbst über kein eigenes Leistungsvermögen. Sie sind daher nicht ac G m kapazitätsbestimmend, wirken aber bei begrenzter Verfügbarkeit restriktiv auf die Ka- (c )V er la g D r. K ov pazität und Auslastung der primären Determinanten (vgl. Kaluza, 1994, S. 55 f.). 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 35 In Literatur und Praxis werden mehrere Kapazitätsarten unterschieden, die sich nach unterschiedlichen Kriterien gliedern lassen: • Funktionale Kriterien: Entsprechend der betrieblichen Kernprozesse können Produktions-, Beschaffungs-, Einlagerungs-, Absatz- und Finanzierungskapazitäten unterschieden werden (vgl. Betge, 1996, S. 854). • Länge des betrachteten Zeitabschnitts: In zeitlicher Hinsicht kann zwischen Perioden- und Totalkapazität differenziert werden. Die Totalkapazität kennzeichnet das Leistungsvermögen der betrachteten Einheit während der gesamten Verfügungsdauer (z.B. Lebensdauer einer Anlage). Die Periodenkapazität wird dagegen auf einzelne Zeitabschnitte innerhalb dieser Verfügungsdauer (z.B. Tag, Monat, Jahr etc.) bezogen (vgl. Kaluza, 1994, S. 55, Betge, 1996, S. 854). • Leistungsumfang: Bezüglich des Leistungsumfangs können Maximal-, Minimal-, Optimal- und Normalkapazität unterschieden werden. Die Maximalkapazität stellt die obere Grenze des durch die technische Beschaffenheit der betrachteten Einheit festgelegten Leistungsvermögens dar. Entsprechend kennzeichnet die Minimalkapazität die untere Grenze. Die Optimalkapazität ist das Leistungsvermögen, mit welchem sich minimale Stückkosten erzielen lassen. Die Normalkapazität beschreibt das planmäßige Leistungsvermögen, auf welches eine betrachtete Einheit unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Kapazitätsbedarfs und von Nutzungsunterbrechungen ausgelegt wird. Aus Sicherheitsgründen und zur Bildung von Leistungsreserven für überdurchschnittliche Kapazitätsbedarfe liegt die Maximalkapazität in der Praxis über der Normalkapazität (vgl. Betge, 1996, S. 855 f., Sydow und Möllering, 2004, S. 48, Kaluza, 1994, S. 55). Bei der Kapazität sind darüber hinaus eine quantitative und eine qualitative Komponente zu unterscheiden. Während die qualitative Komponente die Art und Güte des Leistungsvermögens beschreibt, bezieht sich die quantitative Komponente auf das mengenmäßige Leistungsvermögen (vgl. Corsten, 2007, S. 10 f., Betge, 1996, S. 855). Schwerpunkt dieser Arbeit ist die quantitative Kapazität eines Produktionssystems. Sofern nichts Näheres spezifiziert ist, bezieht sich der Kapazitätsbegriff in den weiteren Ausführungen daher auf die diese Kapazitätskomponente. bH Die quantitative Kapazität eines Systems wird grundsätzlich durch drei Größen be- (c )V er la g D r. K ov ac G m stimmt: Leistungsdauer, Intensität und Kapazitätsquerschnitt (Abbildung 2.7). Die Leistungsdauer gibt die nutzbare Zeit zur Leistungserbringung des betrachteten 36 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Determinanten der quantitativen Kapazität Leistungsdauer quantitative Kapazität Intensität Kapazitätsquerschnitt Abbildung 2.7: Determinanten der quantitativen Kapazität Systems innerhalb einer definierten Zeitspanne an (z.B. die Laufzeit einer Anlage pro Jahr). Der Kapazitätsquerschnitt bezeichnet die Anzahl der leistungserbringenden Einheiten im System (z.B. die Anzahl der Arbeitssysteme in einer Anlage) und die Intensität beschreibt die Geschwindigkeit der Leistungserstellung der einzelnen Elemente des Systems (z.B. die Bearbeitungsgeschwindigkeit eines Arbeitssystems). Die Multiplikation dieser drei Größen ergibt die quantitative Kapazität eines betrachteten Systems (vgl. Betge, 1996, S. 857 ff.; siehe hierzu auch bspw. Corsten, 2007, S. 12 f., Hoitsch, 1993a, S. 6 ff. oder Kaluza, 1994, S. 56 f. und dort zitierte Literatur). 2.2.2.2 Flexibilität Der Begriff Flexibilität“ bezeichnet die Fähigkeit eines Systems, sich effizient ” an veränderliche und schlecht vorhersehbare (Umwelt-)Bedingungen anpassen zu können (vgl. z.B. Günther und Tempelmeier, 2003, S. 4, Schneeweiß, 1996, S. 489, Kaluza, 1993, S. 1173 oder Scholl, 2001, S. 94). Sie ist eine grundlegende Eigenschaft von robusten Produktionssystemen, die in verschiedenen Umweltszenarien eine hohe Zielerreichung aufweisen20 . Die Flexibilität dient als Instrument zum Ausgleich von Informationsdefiziten zum Zeitpunkt der Planung (vgl. Scholl, 2001, S. 94). Sie muss langfristig im Rahmen der (c )V er la g D m G ac ov r. K Unter Robustheit versteht man allgemein die Unempfindlichkeit eines Systems gegenüber sich verändernden Umweltbedingungen (vgl. Schneeweiß, 1992, Kap. 4.5.2). bH strategischen Planung aufgebaut werden, um sie zu späteren Zeitpunkten kurzfristig 20 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 37 (operativ) nutzen zu können (vgl. Schneeweiß, 1996, S. 491). Gerade die strategische Planung ist aufgrund des langen Planungshorizonts durch erhebliche Informationsdefizite gekennzeichnet (siehe Abschnitt 2.2.5), weshalb dem Aufbau von Flexibilitätspotenzialen auf dieser Planungsebene eine große Bedeutung beizumessen ist. Wie bei der Kapazität können verschiedene Flexibilitätsarten unterschieden werden. Für diese Arbeit ist die Unterscheidung in qualitative und quantitative Flexibilität zweckmäßig, die jeweils eine anlagen- und personalbezogene Komponente haben21 . Die Vielseitigkeit des Einsatzes der Mitarbeiter für unterschiedliche Aufgaben wird in der qualitativen Personalflexibilität erfasst, die stark durch die Mitarbeiterqualifikation geprägt ist. Die quantitative Personalflexibilität umfasst die Möglichkeit einer Änderung von Personalbestand und -einsatz sowie Einsatzzeit und Arbeitsintensität (vgl. Kaluza, 1993, S. 1178 ff. und Kaluza, 1994, S. 62 ff.). Die qualitative Anlagenflexibilität beinhaltet die Vielseitigkeit und die Umrüstbarkeit von Anlagen. Vielseitigkeit bezeichnet die Fähigkeit einer Anlage, mit einer vorhandenen Ausrüstung verschiedenartige Objekte bearbeiten oder verschiedenartige Prozessschritte durchführen zu können. Umrüstbarkeit bedeutet, ohne größeren Aufwand zukünftige, technologisch unterschiedliche Fertigungsaufgaben wahrnehmen zu können (vgl. Kaluza, 1993, S. 1178 ff. und Kaluza, 1994, S. 62 ff.). Die quantitative Anlagenflexibilität beschreibt die Anpassungsfähigkeit an veränderte Kapazitätsbedarfe. Neben zeit- und intensitätsmäßigem Anpassungsvermögen beinhaltet diese Flexibilitätsart auch die Erweiterungsfähigkeit (Anpassung des Kapazitätsquerschnitts, z.B. durch Erhöhung der Anzahl an Arbeitssystemen) und die Kompensationsfähigkeit, d.h. die Anpassungsfähigkeit an Veränderungen der anteiligen Zusammensetzung des Produktionsprogramms (vgl. Kaluza, 1993, S. 1178 ff. und Kaluza, 1994, S. 62 ff.). In Bezug auf Produktionsanlagen werden in der Praxis häufig auch Belegungs-, Volumen-, Mix-, und Nachfolgeflexibilität unterschieden22 (siehe Abbildung 2.8). Dabei bezeichnet die Belegungsflexibilität die Art und Anzahl der simultan (ggf. mit Rüstvorgängen) herstellbaren Produkte und setzt vielseitige Anlagen voraus. Mixflexibilität korrespondiert mit der Kompensationsfähigkeit von Mixverschiebungen und Volumenflexibilität mit der quantitativen Anlagenflexibilität. Die Nachfolgeflexibilität beschreibt die Anpassungsfähigkeit bzw. Wiederverwendbarkeit einer Anlage für zukünftige Produktionsaufgaben (z.B. Nachfolgeprodukte). Essenzielle Eigenschaften nachfolgeflexibler Anlagen sind Umrüstbarkeit und Vielseitigkeit. (c )V er la g D m G ac ov r. K Eine ausführliche Diskussion von Flexibilitätsarten findet sich bspw. bei H ORV ÁTH UND M AYER (1986), K ALUZA (1993) oder K ALUZA (1994). 22 In der produktionswirtschaftlichen Literatur existieren verschiedene weitere Möglichkeiten, um die Anlagenflexibilität zu gliedern. So unterscheidet bspw. K IEL (2005) Varianten-, Stückzahl-, Modell-, Anlaufund Technologieflexibilität (vgl. Kiel, 2005, S. 159). bH 21 38 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Flexible Anlagen sind besonders in Produktionssystemen mit unsicheren Produktionsvolumen und Anteilen der einzelnen Produkte am Gesamtvolumen erforderlich. Darüber hinaus spielen die verschiedenen Flexibilitätsarten von Produktionsanlagen eine bedeutende Rolle beim An- und Auslauf von Produkten. Skalierbare, mix- und nachfolgeflexible Produktionsanlagen ermöglichen effiziente An- und Ausläufe, da die Produktionsvolumen des alten Produkts sukzessive reduziert und diejenigen des neuen Produkts gesteigert werden können – mit entsprechender Adaption der Produktionsanlage. AURICH U. A . (2005) beschreiben bspw. wie der Serienauslauf durch modular skalierbare Produktionssysteme verbessert werden kann. Anlagenflexibilität Belegungsflexibilität Produkte t1 Mixflexibilität Volumen t2 Zeit t1 Produkte Volumenflexibilität Volumen t2 Zeit t1 Nachfolgeflexibilität Produkte t2 Zeit t1 t2 Zeit t1 t2 Produktionsperioden Abbildung 2.8: Anlagenflexibilität Die Flexibilität eines Produktionssystems wird jedoch nicht ausschließlich durch Anlagen und Personal, sondern auch durch die Belegungsplanung im Netzwerk bestimmt. Durch eine intelligente Belegungsstrategie kann in einem Produktionsnetzwerk flexibel auf veränderte Bedarfe oder wirtschaftliche Rahmenbedingungen reagiert werden. So können z.B. durch die Herstellung eines Produkts an mehreren Standorten und den Einsatz flexibler Anlagen die Produktionsmengen im Netzwerk schnell variiert und an Marktverschiebungen, veränderte Wechselkurse etc. angepasst werden (siehe Ab- (c )V er la g D r. K ov ac G m bH schnitt 2.2.4.2). 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 2.2.3 39 Zielsystem Ein Zielsystem setzt sich aus Zielgrößen und deren Relationen zusammen. Zwischen den einzelnen Zielgrößen eines Zielsystems können horizontale und vertikale Relationen bestehen. Bei vertikalen Zielrelationen werden Ober- und Unterziele unterschieden. Oberstes Ziel eines Unternehmens ist dessen Erhalt und erfolgreiche Weiterentwicklung aus Sicht aller Anspruchsgruppen des Unternehmens (Stakeholder), wie z.B. Eigen- und Fremdkapitalgeber, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten oder die Öffentlichkeit (vgl. Hahn und Laßmann, 1999, S. 11). Die Unterziele dienen dabei zur Operationalisierung, d.h. zur Konkretisierung und Quantifizierung des Oberziels. Horizontale Zielrelationen beschreiben die Beziehungen zwischen gleichrangigen Zielen, d.h. Zielen auf der gleichen vertikalen Ebene (vgl. Ulrich und Fluri, 1995, S. 97 ff.). Dabei können komplementäre, konkurrierende und indifferente Zielrelationen unterschieden werden. Wirkt sich die Verfolgung eines Ziels positiv auf ein anderes aus, besteht eine komplementäre Zielrelation. Besteht dagegen ein negativer Einfluss auf ein anderes Ziel, spricht man von einer konkurrierenden (konfliktären) Zielrelation. Wirkt sich die Verfolgung des einen Ziels nicht auf die Zielerreichung des anderen aus, sind die Zielgrößen indifferent (vgl. Schiemenz und Schönert, 2005, S. 34). Konfliktäre Zielrelationen werden häufig dadurch gelöst, dass alle bis auf eine Zielgröße zu Nebenbedingungen erklärt werden, die einen vorgegebenen Zielwert erreichen müssen, während die verbleibende Zielgröße unbegrenzt verfolgt wird (vgl. Ulrich und Fluri, 1995, S. 98). 2.2.3.1 Zielgrößen Zur Bewertung, wie gut alternative Produktionssystem-Konfigurationen die Produktionsaufgabe erfüllen, können unterschiedliche Zielgrößen als Maßstäbe herangezogen werden. Dazu eignet sich das Zielsystem der strategischen Produktionsplanung, welche die Produktionssystemplanung als grundlegenden Bestandteil enthält (vgl. Domschke u. a., 1997, S. 8). Dieses Zielsystem leitet sich aus der Produktionsstrategie ab und beinhaltet folgende Zielgrößen (vgl. Hahn und Laßmann, 1999, S. 12 f.): • Monetäre Ziele: Die grundlegende monetäre Zielsetzung der strategischen Produktionssystemplanung eines nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten agierenden Unter- )V er la g D m G ac ov r. K Mit der Kapitalwertmethode können zukünftige Zahlungsströme zum Planungszeitpunkt beurteilt werden, indem sie auf den Planungszeitpunkt abgezinst werden (vgl. Perridon und Steiner, 2004, S. 59 ff.). Der dabei verwendete Zinssatz entspricht einem gewichteten Eigen- und Fremdkapitalkostensatz und drückt die marktorientiert geforderte Mindestverzinsung aus (vgl. Hahn und Laßmann, 1999, S. 16). (c 23 bH nehmens ist die Erwirtschaftung eines maximalen Kapitalwerts23 der Netto- 40 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Einzahlungsüberschüsse in den einzelnen Perioden des Planungshorizonts (vgl. Hoitsch, 1993b, S. 3451, Goetschalckx und Fleischmann, 2005, S. 117). Häufig wird auch die Minimierung des Kapitalwerts der im Planungszeitraum anfallenden Kosten als Maß zur Quantifizierung der monetären Ziele herangezogen. In einem globalen Planungskontext müssen dabei verschiedene, finanzwirtschaftlich relevante internationale Faktoren, wie z.B. Zölle, Steuern, Abgaben oder Wechselkurse berücksichtigt werden (vgl. Goetschalckx und Fleischmann, 2005, S. 117-122). • Sach- und Leistungsziele: Die Sach- und Leistungsziele beziehen sich auf den Output des Produktionssystems. Durch sie soll sichergestellt werden, dass die nach Maßgabe der Kundenbedarfe richtige Menge der richtigen Produkte in der richtigen Qualität und zur richtigen Zeit hergestellt werden kann. Das Qualitätsziel bezieht sich dabei nicht nur auf die an den Kunden abgegebene Produktqualität, sondern auch die Qualität des Produktionsprozesses (vgl. Hahn und Laßmann, 1999, S. 13). Ziel ist es, über stabile Prozesse eine möglichst geringe Variabilität der geforderten Produktqualität zu gewährleisten. Die Erreichung der Sach- und Leistungsziele setzt das Vorhandensein ausreichender Kapazitäten und Flexibilitätspotenziale voraus. Letzteres ist speziell auf der durch Unsicherheiten geprägten strategischen Planungsebene bedeutend. • Sozial- und Umweltschutzziele: Sozial- und Umweltschutzziele drücken die Verantwortung eines Unternehmens gegenüber seinen Mitarbeitern, der Gesellschaft und der (ökologischen) Umwelt aus. Im Hinblick auf die Mitarbeiter beinhalten die Sozialziele im Wesentlichen Erhaltungs- und Entfaltungsziele. Zu den Erhaltungszielen zählt bspw. die Einrichtung sicherer und angemessener Arbeitsbedingungen zur Erhaltung der Gesundheit der Mitarbeiter. Die Entfaltungsziele beinhalten z.B. gerechte Entlohnungssysteme sowie die Möglichkeit zur Weiterentwicklung der individuellen Fähigkeiten der Mitarbeiter. Ein Beispiel für gesellschaftsbezogene Sozialziele ist der Erhalt bzw. die Schaffung von Arbeitsplätzen (vgl. Hahn und Laßmann, 1999, S. 23 ff.). Umweltschutzzielen kommt bereits eine hohe und weiter steigende Bedeutung im Zielsystem von Unternehmen zu. Durch sie soll zur Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Umweltbedingungen beigetragen werden, z.B. durch Reduktion der Schadstoffbelastung von Luft, Boden und Wasser sowie durch verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen (vgl. Hahn )V er la g D m G ac ov r. K Spezielle umweltorientierte Ansätze im Kontext des Supply Chain Management finden sich bspw. bei T UMA U. A . (2004) oder T UMA UND L ETMATHE (2004). (c 24 bH und Laßmann, 1999, S. 25).24 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 2.2.3.2 41 Zielrelationen In der strategischen Produktionssystemplanung bestehen in der Regel komplexe Zielrelationen zwischen den einzelnen Zielgrößen. So sind bspw. die Ziele Wirtschaftlichkeit und Flexibilität teils komplementär, teils konkurrierend. Der Aufbau von Flexibilitätspotenzialen erfordert einerseits personelle und materielle Ressourcen, die über das zum Planungszeitpunkt für die Zielerreichung benötigte Maß hinausgehen und zusätzliche Investitionen oder Kosten verursachen. Andererseits lassen sich durch die geschaffenen Flexibilitätspotenziale zu späteren Zeitpunkten Kosten vermeiden (vgl. Horváth und Mayer, 1986, S. 75). Dazu zählen bspw. Opportunitätskosten für entgangene Umsätze, vermiedene Investitionen durch nachfolgeflexible Anlagen oder die Vermeidung von Personalremanenzen durch flexible Personal- und Arbeitszeitstrukturen. Die Auflösung von Zielkonflikten kann dadurch erfolgen, dass aus dem Zielsystem ein Oberziel gewählt wird, das es zu maximieren oder minimieren gilt unter gleichzeitiger Sicherstellung bestimmter Zielerreichungsgrade in den untergeordneten Zielgrößen. Im Vordergrund dieser Arbeit steht eine primär wirtschaftlich ausgerichtete Planungsaufgabe. Das oberste Ziel besteht dabei in der Maximierung der Wirtschaftlichkeit unter gleichzeitiger Einhaltung gesetzter Sach- und Leistungs- sowie Sozial- und Umweltschutzziele (Unterziele). Für viele wirtschaftlich orientierte Planungsaufgaben können Unterziele in Form von Mindest- oder Höchstwerten (d.h. als Restriktionen), die sich z.B. aus gesetzlichen Vorschriften, Betriebsvereinbarungen oder Selbstverpflichtungen der Unternehmen ableiten lassen, in die Planung einbezogen werden. Sofern sich die Unterziele monetär quantifizieren lassen, können diese grundsätzlich auch Bestandteil der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sein (vgl. Hahn und Laßmann, 1999, S. 25). 2.2.4 Entscheidungsfelder In der Produktionsstrategie eines Unternehmens sind für die einzelnen Elemente und Teilbereiche des Produktionssystems Planungsgrundsätze und Zielvorgaben definiert. Für Automobilhersteller beschreibt H ENRICH (2002) dreizehn Teilstrategien der Produktionsstrategie (vgl. Henrich, 2002, S. 140-153): 1. Kapazitäts- und Flexibilitätsstrategie bH 2. Standortstrategie ac G m 3. Belegungsstrategie (c )V er la g D r. K ov 4. Logistik-/ Materialflussstrategie 42 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung 5. Werksstrukturstrategie 6. Anlagen- und Prozessstrategie 7. Personalstrategie 8. IT-Strategie 9. Anlaufstrategie 10. Umweltstrategie 11. Technologiestrategie25 12. Eigenleistungsstrategie 13. Produktgestaltungsstrategie Hinsichtlich jeder dieser Teilstrategien müssen im Rahmen der strategischen Produktionsplanung verschiedene Entscheidungen getroffen werden. Die strategische Produktionssystemplanung befasst sich dabei schwerpunktmäßig mit der Kapazitätsund Flexibilitätsplanung. Bei vorgegebenen Märkten sind Standort-, Belegungs-, Logistik-/Materialfluss-, Werksstruktur-, Technologie-/Anlagen- und Personalplanung die grundlegenden Entscheidungsfelder (Teilplanungsprobleme) zum Aufbau der entsprechenden Kapazitäten und Flexibilitätspotenziale auf den einzelnen Produktionssystemebenen26 . Anlauf-, Umwelt-, Eigenleistungs-, Produktgestaltungs- und IT-Planung stellen vorgelagerte Entscheidungsfelder für das in dieser Arbeit behandelte Planungsproblem dar: • Eine grundlegende Voraussetzung für die Planung der Kapazitäten und Flexibilitätspotenziale eines Produktionssystems ist die Festlegung des Produktionsprogramms hinsichtlich Art, Periodenbedarfen sowie An- und Auslaufterminen der einzelnen Produkte im strategischen Planungszeitraum. (c )V er la g D m G ac ov r. K H ENRICH (2002) differenziert zwischen Technologie- und Anlagen-/Prozessstrategie. Die Trennung erfolgt deshalb, weil in der Automobilindustrie auf der Fahrzeugebene häufig von den Technologien Rohbau, Lack und Montage gesprochen wird. In der Technologiestrategie erfasst H ENRICH (2002) dementsprechend die spezifischen Eigenschaften dieser Produktionsstufen (vgl. Henrich, 2002, S. 149 f.). Dieser Trennung wird in den weiteren Ausführungen der vorliegenden Forschungsarbeit nicht länger gefolgt, da Anlagen- und Technologiestrategie – und dementsprechend auch deren Planung – untrennbar miteinander verbunden sind. Stattdessen wird im Weiteren von Technologie-/Anlagenplanung bzw. nur Anlagenplanung gesprochen. 26 In dieser Arbeit sind die Märkte, d.h. die Fahrzeugwerke, mit ihren jeweiligen Bedarfen vorgegeben. Die Standortplanung kann bei dieser Vorgabe als ein zentrales Teilplanungsproblem der Kapazitäts- und Flexibilitätsplanung von Produktionssystemen angesehen werden. Stehen dagegen die Märkte noch nicht fest, so dient die Standortplanung auch zur Realisierung von Markteintrittsstrategien und geht in ihrer Bedeutung über den hier betrachteten Aufbau von Kapazitäten und Flexibilitätspotenzialen weit hinaus. bH 25 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 43 • Im Rahmen der IT-Planung sind darüber hinaus die Rahmenbedingungen und Standards für die IT-technische Unterstützung der Produktionsprozesse bereitzustellen. Die konkrete Planung der IT-Infrastruktur und -Systeme ist dagegen ein der strategischen Produktionssystemplanung nachgelagertes Entscheidungsfeld. Die in dieser Forschungsarbeit betrachteten und die ihnen vorgeschalteten Entscheidungsfelder sind in Abbildung 2.9 dargestellt. Entscheidungsfelder der Produktionssystemplanung Vorgelagerte Entscheidungsfelder Kapazitäts- und Flexibilitätsplanung Eigenleistungsplanung Standortplanung Produktgestaltungsplanung Belegungsplanung Anlaufplanung Logistik-/Materialflussplanung Umweltplanung Werksstrukturplanung IT-Planung Technologie-/Anlagenplanung Personalplanung Betrachtungsumfang dieser Arbeit Abbildung 2.9: Entscheidungsfelder der Produktionssystemplanung Die Ergebnisse der vorgelagerten Entscheidungsfelder und die in der Kapazitäts- und Flexibilitätsstrategie festgelegten Prämissen und Regeln (z.B. strategische Kapazitätsreserven, Einsatz belegungsflexibler Anlagen oder Split-Produktion), bilden den Rahmen für die strategische Produktionssystemplanung. Im Folgenden werden die Grundlagen der für diese Arbeit relevanten Entscheidungsfelder Standort-, Belegungs-, Logistik-/Materialfluss-, Werksstruktur-, Technologie-/Anlagen- und Personalplanung beschrieben. Innerhalb dieser Entscheidungsfelder ist die Standortplanung dasjenige Teilplanungsproblem mit den weitreichendsten Auswirkungen für ein Unternehmen. Es determiniert grundlegende Eingangsgrößen der anderen Entscheidungsfelder, wie z.B. Arbeits-, Materialfluss- oder Grundstückskosten, und wirkt sich somit in starkem Maße auf die Belegungs-, (c )V er la g D m G ac ov r. K übergeordneten Bedeutung wird dem nachfolgenden Abschnitt Standorte“ (2.2.4.1) ” in dieser Forschungsarbeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet. bH Materialfluss-, Werksstruktur-, Anlagen- und Personalplanung aus. Aufgrund dieser 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung 44 2.2.4.1 Standorte Grundproblem der Standortplanung Allgemein ist es Aufgabe der Standortplanung, aus einer Menge möglicher Standorte für bestimmte privatwirtschaftliche oder öffentliche Einrichtungen, einen oder mehrere so auszuwählen, dass eine möglichst gute Übereinstimmung zwischen Standortanforderungen und -bedingungen gewährleistet ist, um eine gegebene Zielsetzung (z.B. Wirtschaftlichkeit oder Versorgungssicherheit) zu erreichen (vgl. Domschke, 1996, S. 1914). Im Kontext der strategischen Produktionssystemplanung wird über die Standortplanung die geographische Verteilung der Produktionskapazitäten festgelegt. Dies beinhaltet schwerpunktmäßig Entscheidungen hinsichtlich der Öffnung neuer Standorte, der Erweiterung oder Schließung bestehender Standorte sowie des optimalen Durchführungszeitpunkts der jeweiligen Maßnahmen (vgl. Zäpfel, 2000, S. 146 f.). Mit der Standortplanung wird somit die Struktur eines Produktionssystems auf der Netzwerkebene festgelegt. Der Standortplanung kommt eine hohe strategische Bedeutung zu. Sie bestimmt in großem Maße die langfristigen Rahmenbedingungen für die Durchführung der Produktionsprozesse (z.B. Lohnniveau, Arbeitszeitregelungen, Qualifikationsniveau der Mitarbeiter etc.). Darüber hinaus sind Standortentscheidungen in der Regel mit hohen Investitionssummen (z.B. für Gebäude und Anlagen) verbunden und aus wirtschaftlicher Sicht kurz- bis mittelfristig irreversibel. Die Lokalisierung von Standorten wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst: • Standortbezogene Faktoren: Bei den standortbezogenen Faktoren (Standortfaktoren) können allgemein quantitative und qualitative Faktoren unterschieden werden. Von herausragender Bedeutung sind hier infrastrukturelle Standortfaktoren (z.B. Verkehrsnetze), beschaffungsmarktorientierte Faktoren (z.B. die Verfügbarkeit, Qualität und Kosten von Arbeitskräften, Betriebsmitteln sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen), absatzorientierte Standortfaktoren (z.B. Marktpotenzial oder Konkurrenzsituation) sowie Anreizsysteme, wie z.B. Subventionen oder Steuervergünstigungen (vgl. Domschke und Drexl, 1996, S. 8 f.). Weitere qualitative Standortfaktoren sind bspw. Rechtssicherheit, Einfluss von Gewerkschaften oder politische Stabilität (vgl. Meyer, 2006b, S. 38-42, KPMG, 2005, S. 5)27 . Bedeutende quantitative und bH qualitative Standortfaktoren sind in Tabelle 2.1 dargestellt28 . (c )V er la g D G ac ov r. K Ein umfangreicher Katalog qualitativer Standortfaktoren findet sich bspw. in Hansmann, 1974, S. 171175. 28 Weitere Literatur zu Standortfaktoren findet sich bspw. bei H UMMEL (1997) oder K INKEL (2004). m 27 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 45 Tabelle 2.1: Bedeutende quantitative und qualitative Standortfaktoren Quantitative Standortfaktoren Qualitative Standortfaktoren Transportkosten Grundstück (Lage, Bauvorschriften etc.) Grundstücks- und Erschließungskosten Verkehrslage des Grundstücks Verfügbarkeit von Arbeitskräften (Ausbildungsniveau, Konkurrenzsituation etc.) Gebäudekosten Personalkosten Transportsektor (Speditionen etc.) Beschaffungskosten der Materialien Absatz (Kaufkraft, Wettbewerb etc.) Investitions- und Finanzierungsbereich (Bankplatz, Kreditinstitute etc.) Finanzierungskosten Subventionen Tarifäre Handelsbeschränkungen Einfuhrabgaben etc.) (Zölle, Infrastruktur Nichttarifäre Handelsbeschränkungen (Verwendungsvorschriften, Normen etc.) Steuern Politische Stabilität Absatzpreise Rechtssicherheit Produktivitätsniveau Qualitätsniveau Erweiterte Darstellung basierend auf Hansmann, 2006, S. 108 f. In einer Umfrage unter Unternehmen der Automobilzuliefer-, Maschinenbau- und Elektronikindustrie in den Jahren 2004 und 2005 haben das Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der Technischen Universität Darmstadt in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung McKinsey & Company, Inc. die Relevanz von Standortfaktoren untersucht und das in Abbildung 2.10 dargestellte Ranking ermittelt. • Produkt- und produktionsprozessbezogene Faktoren: Die Attraktivität potenzieller Produktionsstandorte hängt stark von Produkt, Produktionsprozess und Produktionsvolumen ab (vgl. Meyer, 2006b, S. 36). Arbeitsintensive Branchen orientieren sich in der Regel an günstigen Lohnniveaus und vorteilhaften Arbeitszeitbestimmungen. Für kapitalintensive Industrien ist tendenziell ein hohes Qualifikationsniveau der Mitarbeiter ausschlaggebend, um einen möglichst störungsfreien Einsatz bzw. geringe Reparaturzeiten kapitalintensiver Betriebsmittel zu gewährleisten. Materialintensive Branchen müssen sich wiederum an Rohstoffmärkten bzw. Lieferantenstrukturen und kundenorientierte Industrien an der Nähe zu den Absatzmärkten orientieren. Auch bei den produkt- und prozessbezogenen Faktoren können sowohl qualitative als auch quantitative Faktoren unterschieden werden. Bedeutende quantitative Faktoren sind die erforderlichen Inputfaktormengen der Produktion. Dazu zählen m bH vor allem Arbeitskräfte, Betriebsmittel (v.a. Gebäude, Anlagen und Werkzeuge), (c )V er la g D r. K ov ac G Rohstoffe und Vorprodukte (Kaufteile oder eigengefertigte Vorprodukte). 46 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Die Inputfaktormengen determinieren zusammen mit den jeweiligen spezifischen Faktorpreisen die Kosten der Produktion an einem Standort maßgeblich und hängen neben den Produkteigenschaften und dem Produktionsvolumen stark von der eingesetzten Technologie und vom Automatisierungsgrad29 ) ab (vgl. Meyer, 2006b, S. 38 f.). Relevanz von Standortfaktoren Unwichtig 1 Wichtig 2 3 4 Arbeitskosten 3,9 3,7 Marktnähe 3,3 Fachpersonal 3,2 Materialkosten / Lieferanten 3,1 Logistikkosten Lokales Know-how 3,1 3,0 Lieferzeiten 2,9 Lokale Kundenanforderungen 2,9 Wechselkurseffekte 2,8 Handelsbarrieren 2,8 Skaleneffekte Politische / soziale Stabilität 2,7 2,6 Steuern / Subventionen Risiken / Eintrittsbarrieren Landeigentum / Infrastruktur Restrukturierungskosten 5 2,6 2,4 2,3 Quelle: PTW / McKinsey, zitiert in Abele u.a., 2006, S. 220 Abbildung 2.10: Relevanz von Standortfaktoren Neben quantitativen Faktoren wird die Standortwahl auch von qualitativen produkt- und prozessbezogenen Faktoren beeinflusst, zu welchen bspw. die Komplexität und der In- bH novationsgrad von Produkten und Produktionsprozessen zählen, die eine bestimmte )V er la g D r. K ov Anteil der automatisierten Funktionen an der Gesamtheit aller Funktionen (vgl. DIN 19233). (c 29 ac G m Mitarbeiterqualifikation und Prozessbeherrschung am Standort voraussetzen. 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 47 Standortentscheidungen werden neben objektivierbaren (quantitativen oder qualitativen) Faktoren häufig auch von subjektiven Einschätzungen und Präferenzen der Entscheidungsträger30 beeinflusst. Auch das öffentliche Interesse spielt häufig eine große Rolle, da sich Standortentscheidungen stark auf volkswirtschaftliche Größen, wie z.B. auf die Beschäftigung, auswirken (vgl. Henrich, 2002, S. 144 f.). Sie können daher große Imagewirkungen für das betroffene Unternehmen haben und ggf. auch finanzielle Nachteile ( bad will costs“) nach sich ziehen, z.B. durch Streiks, Motivationsverlust ” der Arbeitskräfte oder durch Boykott der Produkte (vgl. The Boston Consulting Group, 2004a, S. 21). Strategien zur Konfiguration von globalen Produktionsnetzwerken Obwohl die Standortplanung bereits seit vielen Jahrzehnten Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen ist, zeigt eine Vielzahl aktueller Publikationen31 und Studien32 , dass die Planung globaler Produktionsnetzwerke aktuell von größter Bedeutung für Wissenschaft und Praxis ist. Dies gilt besonders für die Automobilindustrie, die einen hohen Grad der Globalisierung aufweist (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2005, S. 21 und S. 24 und Kinkel und Zanker, 2007, S. 31 ff.). Für Produktionssysteme mit mehreren Produkten und Produktionsstufen können entsprechend den Charakteristika und Anforderungen jedes Produkts/jeder Produktionsstufe unterschiedliche Standorte attraktiv sein, was zur Herausbildung von (internationalen) Produktionsnetzwerken führen kann (vgl. Meyer, 2006b, S. 38 sowie Jungnickel und Keller, 2003, S. 671). Zur Konfiguration globaler Produktionsnetzwerke können drei elementare Strategien unterschieden werden33 (vgl. Welge und Holtbrügge, 2006, S. 151 ff. sowie Meyer und Jacob, 2006, S. 169-173): (c )V er la g D m G ac ov r. K Einen umfangreichen Standortfaktorenkatalog, der auch verschiedene subjektive Kriterien, wie z.B. Erholungsmöglichkeiten, Vorhandensein kultureller Einrichtungen etc., beinhaltet, präsentiert das D EUTSCHE I NSTITUT F ÜR U RBANISTIK (zitiert in Grabow u. a., 1995, S. 68 f.). 31 Z.B. S PATZ UND N UNNENKAMP (2002), M ÜLLER (2005), F ERBER (2005), F LEISCHMANN U. A . (2006), H ERM (2006), A BELE , E.; K LUGE , J.; N ÄHER , U. (2006) oder K INKEL UND Z ANKER (2007). 32 Z.B. T HE B OSTON C ONSULTING G ROUP (2004 A ), S CHUH U. A . (2004) oder M C K INSEY &C OMPANY (2005). 33 Eine weitere Möglichkeit zur Strukturierung von globalen Produktionsnetzwerken stellen KOUVELIS UND R OSENBLATT (2002) sowie KOUVELIS U. A . (2004) vor. Sie unterscheiden produkt-, prozess- und marktorientierte Produktionsnetzwerke. In produktorientierten Netzwerken fokussieren sich die einzelnen Werke auf ein bestimmtes Produktspektrum und bündeln dort das spezifische Know-how. In prozessorientierten Netzwerken konzentrieren sich die einzelnen Werke auf bestimmte Produktionsprozesse. Dadurch können prozessspezifische Skalen- und Verbundeffekte erzielt werden. In marktorientierten Netzwerken sind die einzelnen Werke bestimmten Absatzmärkten bzw. Kunden zugeordnet. Eine ähnliche Klassifikation für Produktionsnetzwerkstrategien ohne Berücksichtigung internationaler Faktoren wird schon früher von S CHMENNER (1979) vorgeschlagen. bH 30 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung • Konzentration der Produktion in einem Standort ( Weltfabrik“): ” Die Weltfabrik konzentriert alle Produktionsstufen für alle Produkte in einem Standort, von welchem aus die global verteilten Märkte bedient werden. Diese Struktur eignet sich, wenn Transport- und Transaktionskosten gegenüber den durch die Konzentration erzielten Skalen- und Verbundeffekten eine untergeordnete Rolle spielen und wenn weder Imagegründe noch staatliche oder handelspolitische Gründe eine lokale Produktion in den einzelnen Märkten erfordern. Die Vorteile der Weltfabrik bestehen in geringen Produktionskosten, bedingt durch Skalen- und Verbundeffekte, denen andererseits hohe Logistikkosten und längere Lieferzeiten gegenüber stehen. • Lokale Produktion für den lokalen Markt ( Lokal 2“): ” Die lokale Produktion für den lokalen Markt kennzeichnet sich durch mehrere, vertikal integrierte Produktionsstandorte, die jeweils alle Produktionsstufen für die Herstellung der Produkte am entsprechenden Standort beinhalten. Sie bietet sich an bei marktspezifischen Produkten und wenn durch die Bündelung von Produktionsumfängen erzielte Skalen- und Verbundeffekte gegenüber Transportkosten, kurzen Lieferzeiten und Kundennähe eine untergeordnete Rolle spielen. Die Vorteile der lokalen Produktion für den lokalen Markt liegen allgemein in der größeren Nähe zum Kunden, der Ausschöpfung regionaler Wettbewerbsvorteile, kurzen Transportwegen und -zeiten sowie in der Reduzierung/Vermeidung von Zöllen und Wechselkursrisiken. Verglichen mit der Weltfabrik erhöhen sich die Produktionskosten durch geringere Skalen- und Verbundeffekte (z.B. erfordert jeder Standort eigene Overheadstrukturen). • Länderübergreifende Verbundproduktion: Die länderübergreifende Verbundproduktion ist als ein art- und mengenteiliges Produktionssystem mit mehreren Produktionsstandorten gekennzeichnet, zwischen welchen Leistungsverflechtungen bestehen. Jeder Standort enthält die Produktionsstufen für ein bestimmtes Produktionsprogramm und empfängt bzw. liefert Vorprodukte an andere Standorte. Es können folgende Arten des länderübergreifenden Produktionsverbunds unterschieden werden: – Netz: Ein Netz stellt eine sehr allgemeine Struktur dar und besteht aus einer Menge eng verflochtener Produktionsstandorte, die jeweils mehrere Pro- bH duktionsstufen enthalten können und durch einen intensiven, teils wechsel- )V er la g D G ac ov r. K te Technologie- und Belegungsstrategien kann in einem Produktionsnetz m seitigen Austausch von Leistungen gekennzeichnet sind. Durch intelligen- (c 48 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 49 flexibel auf veränderte Bedarfe und wirtschaftliche Rahmenbedingungen reagiert werden. – Kette: In einer Kette konzentrieren sich die global verteilten Standorte jeweils auf einzelne Produktionsstufen. So können für die jeweilige Produktionsstufe lokale Standortvorteile ausgeschöpft sowie Skalen- und Verbundeffekte durch die Konzentration auf eine bestimmte Produktionsaufgabe realisiert werden. Die Kette bedingt andererseits umfangreiche Transporte zwischen den Produktionsstufen und eignet sich daher nur bei hinreichend geringen Transport- und Transaktionskosten. – Nabe-und-Speichen-Struktur (Hub-and-Spoke34 ): Sind sowohl Skalen- und Verbundeffekte als auch Transport- und Transaktionskosten von großer Bedeutung, eignet sich eine Hub-and-Spoke Struktur. Hier werden Produktionsstufen mit größeren Skalen- und Verbundeffekten an einem Standort konzentriert, während die Weiterverarbeitung dezentral in global verteilten Produktionsstätten erfolgt. Die Hub-and-Spoke Struktur wird vor allem zur Realisierung von Postponement-Strategien eingesetzt. Beim Postponement werden variantenarme Basisprodukte zentral gefertigt. Anschließend werden dezentral in den einzelnen Märkten die länder- oder kundenspezifischen Varianten hergestellt. )V er la g D m G ac ov r. K Der Begriff des Hub-and-Spoke-Netzes entstammt der Logistik. Ein Hub-and-Spoke-Netz besteht aus mehreren zentralen Knoten (Hubs) und Endknoten, die über Kanten (Spokes) verbunden sind. In einem solchen Netzwerk erfolgen die Transporte von bzw. zu einem Endknoten (Kunde, Filiale, Regionallager etc.) immer über Hubs, wie z.B. Distributionszentren (vgl. ten Hompel und Heidenblut, 2006, S. 97). Im Gegensatz zur Produktion ist dieser Netzwerktyp in der Distribution häufig durch bidirektionale Materialflüsse entlang der Kanten gekennzeichnet. (c 34 bH Die fünf Grundtypen globaler Produktionsstrukturen sind in Abbildung 2.11 dargestellt. 50 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung hoch Grundtypen globaler Produktionsstrukturen „Weltfabrik“ Werke liefern jeweils global. „Hub and Spoke“ Skaleneffekte und globale Präsenz. „Kette“ SkalenEffekte und Verbundvorteile Konzentration entlang von Fertigungsstufen. „Lokal²“ Lokale Produktion für lokale Märkte. „Netz“ gering Global eng verflochtenes Netzwerk. gering hoch Bedeutung lokaler Anpassung und transaktionaler Kosten = Standort/ Werk = Produktionsprozess/ Fertigungsschritt = Markt Quelle: nach McKinsey/PTW, zitiert in Meyer und Jacob, 2006, S. 170 (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Abbildung 2.11: Grundtypen globaler Produktionsstrukturen 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 51 Globale Standortplanung Bei der Wahl von Produktionsstandorten kommt der Globalisierung35 eine große und weiter steigende Bedeutung zu. Die Globalisierung der Produktion ist primär absatzoder kostengetrieben (vgl. Jacob und Meyer, 2006, S. 15, Tholen und Hemmer, 2004, S. 21, Kinkel u. a., 2004, S. 15, KPMG, 2005, S. 9). So kann die globale Produktion Bestandteil einer Markterschließungsstrategie sein, wenn die Produkte ohne lokale Produktion in den neuen Märkten nicht wettbewerbsfähige Verkaufspreise besitzen, nicht in ausreichendem Maße an die lokalen Bedürfnisse angepasst werden können oder staatliche Anforderungen und Imagegründe eine Produktion im lokalen Markt erforderlich machen (vgl. Meyer, 2006a, S. 23 f.). Eine kostenorientierte Motivation liegt vor, wenn durch eine globale Produktion die Reduktion der Produktions- und Logistikkosten zur Bedienung bestehender Märkte durch Ausnutzung von Faktorkosten- und Produktivitätsvorteilen, geringeren Transportentfernungen oder durch Vermeidung von Transaktionskosten (z.B. für Zölle) angestrebt wird (vgl. Meyer, 2006a, S. 24 f.). Untersuchungen am Beispiel Mittel- und Osteuropa zeigen, dass deutsche Investitionen in diesen Ländern zu 55% aus Kostengründen und zu 45% aus Markterschließungsgründen erfolgen. Für kleine und mittlere Unternehmen spielen mit einem Anteil von 60% Kostengründe die bedeutendere Rolle bei den Investitionen in dieser Region als bei Großunternehmen (vgl. Protsenko und Vincentz, 1999, S. 37 ff., Kaufmann und Menke, 1997, S. 12 ff.). Auch der Zunahme der Automobilproduktion in den osteuropäischen Staaten liegt überwiegend eine kostenorientierte Motivation zugrunde (vgl. Becker, 2005, S. 60, Deutsche Bundesbank, 2004, S. 11). Durch die Öffnung der osteuropäischen Märkte, die EU-Osterweiterung und den steigenden Wohlstand in diesen Ländern gewinnt aber auch die Markterschließung zunehmend an Bedeutung. Neben Kostensenkung und Markterschließung existieren verschiedene sekundäre Gründe für eine Globalisierung der Produktion. Hierzu zählen z.B. die Nähe zu Beschaffungsmärkten und Know-how, die Umgehung von protektionistischen Maßnahmen (z.B. Einfuhrzölle), die Ausnutzung staatlicher Anreizsysteme (z.B. Subventionen) sowie die Risikostreuung, bspw. durch Minimierung von Wechselkursschwankungen mittels operational hedging“ 36 (vgl. Jacob und Meyer, 2006, S. 15 und 22-26 sowie ” Meyer, 2006a, S. 25 f.). (c )V er la g D m G ac ov r. K Unter Globalisierung wird der [. . . ] Prozess der weiträumigen Ausdehnung und Verknüpfung von Ak” tivitäten, der u.a. in einer wachsenden, regionale und nationale Grenzen überschreitenden Bewegung von Gütern, Kapital und Menschen zum Ausdruck kommt“, verstanden (Krätke, 1995, S. 208). Für weitere Ausführungen zu diesem inflationär gebrauchten Begriff siehe bspw. Kutschker und Schmid, 2005, Kap. 5.1 oder Haas und Neumair, 2006, Kap. 1.2 und Kap. 13.1. 36 Beim operational hedging“ erfolgen Einkauf und Produktion so, dass die Währung der Auszahlungen ” für Kosten möglichst weit mit der Währung der Einnahmen übereinstimmt. Je größer diese Übereinstimmung ist, umso geringer ist der Einfluss schwankender Wechselkurse. Einen Überblick über dieses Thema geben bspw. B OYABATLI UND TOKTAY (2004). bH 35 52 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Die Herausbildung globaler Produktionsnetzwerke wird darüber hinaus durch den Abbau handelspolitischer Hemmnisse (bspw. durch die Bestrebungen der Welthandelsorganisation WTO), durch den Ausbau von Verkehrs- und Kommunikationsnetzen sowie durch Fortschritte im Supply Chain Management begünstigt (vgl. Abele u. a., 2006, S. 220, The Boston Consulting Group, 2004a, S. 6, Jacob und Meyer, 2006, S. 9-14). Die Planung globaler Produktionsnetzwerke ist im Vergleich zur Standortplanung auf nationaler Ebene ungleich komplexer, da eine Vielzahl zusätzlicher Faktoren beachtet werden muss, die sich entscheidend auf die Netzwerktopografie auswirken können. Dazu zählen bspw. Arbeitskosten, Mitarbeiterqualifikation, Qualität und Produktivität, Wechselkurse, Steuern und Subventionen sowie tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse (vgl. Ferber, 2005, S. 11 f. und M EYER (2006 B )37 . Die bedeutendsten Einflussfaktoren der globalen Standortplanung werden in den nachfolgenden Ausführungen kurz erläutert. • Arbeitskosten und Mitarbeiterqualifikation: Hauptentscheidungsgröße für viele Standortbewertungen sind die effektiven Kosten eines Unternehmens je geleisteter Arbeitsstunde. Diese Kosten werden als Arbeitskosten bezeichnet und setzen sich aus dem direkten Stundenlohn (inklusive Überstundenzuschläge, Schichtzulagen und regelmäßig gezahlter Prämien) und den Personalzusatzkosten38 zusammen (vgl. Europäische Kommission, 1999, S. 32 f.). Da zwischen verschiedenen Ländern nicht nur erhebliche Unterschiede in den Lohn- und Lohnnebenkostenniveaus bestehen, sondern auch in den effektiven Arbeitszeiten39 , stellen die Arbeitskosten eine gute Kennzahl für den Vergleich verschiedener Standorte dar. An den potenziellen Standorten sind die Höhe der Arbeitskosten, die Arbeitskostenspreizung zwischen geringer und höher qualifizierten Arbeitskräften sowie die Arbeitskostenunterschiede zwischen einheimischen und ausländischen Unternehmen interessant: – Arbeitskostenunterschiede zwischen Standorten: Zwischen vielen Standorten können erhebliche Arbeitskostenunterschiede bestehen (siehe Abbildung 2.12). Während im Jahr 2005 die durchschnittlichen industriellen Arbeitskosten von Produktionsmitarbeitern an 37 Auch auf nationaler Ebene können regionale Unterschiede bei vielen dieser Einflussfaktoren bestehen. In diesen Fällen kann wie bei internationalen Standortplanungsproblemen vorgegangen werden. Die Personalzusatzkosten beinhalten direkte Zusatzkosten (Entlohnung für arbeitsfreie Tage (Urlaub und Feiertage), Sonderzahlungen (z.B. Weihnachtsgeld), sonstige Geldzuschüsse und Naturalleistungen) sowie indirekte Zusatzkosten in Form von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, sonstige Aufwendungen sozialer Art und Kosten der Berufsausbildung (vgl. Europäische Kommission, 1999, S. 32 f.). 39 Während in westeuropäischen Ländern die effektive Jahresarbeitszeit durchschnittlich 1.500 h beträgt, liegt sie in osteuropäischen und asiatischen Ländern bei bis zu 2.300 h (vgl. Meyer, 2006b, S. 51). (c )V er la g D r. K ov ac G m bH 38 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 53 westdeutschen Standorten 27,87 e/h betrugen, lagen sie mit bspw. 3,80 e/h in Polen und 5,04 e/h in Tschechien bei weniger als 20% des westdeutschen Niveaus (vgl. Schröder, 2006a, S. 73-86). Im neu der Europäischen Union (EU) beigetretenen Bulgarien betrugen die Arbeitskosten 2004 sogar weniger als 6% (vgl. Schröder, 2005, S. 19 ff.). Noch extremer fällt der Vergleich mit asiatischen Niedriglohnländern aus: Im Jahr 2004 betrugen die Arbeitskosten in China $0,67 pro Stunde (vgl. Lett und Banister, 2006, S. 41). Arbeitskosten 2005 im internationalen Vergleich (Euro je Arbeitsstunde im verarbeitenden Gewerbe) 29,45 Norwegen 27,87 Deutschland-West 22,16 Österreich 20,47 Großbritannien 19,27 USA Japan 17,9 Deutschland-Ost 17,37 Tschechien 5,04 Ungarn 4,88 4,06 Slowakei Polen China 3,8 <1 Quellen: Institut der deutschen Wirtschaft (Stand: August 2006); Lett und Banister, 2006, S. 41 Abbildung 2.12: Arbeitskosten im internationalen Vergleich Die hohen Arbeitskostendifferenzen zwischen Niedrig- und Hoch- bH lohnländern, gerade für einfache Tätigkeiten, werden auch in den nächsten (c )V er la g D G ac r. K ov Personal werden zwar deutlich schneller steigen, aber auf längere Zeit m Jahrzehnten weiter bestehen bleiben. Die Kosten für höher qualifiziertes 54 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung immer noch weit unter dem Niveau von Hochlohnländern bleiben. In Indien und China wird erwartet, dass die substanziellen Arbeitskostenunterschiede noch in den nächsten fünf Jahrzehnten bestehen bleiben werden (vgl. Meyer, 2006b, S. 51). Aber auch in den neu der EU beigetretenen osteuropäischen Ländern ist nicht mit einer mittelfristigen Angleichung der Arbeitskosten zu rechnen. Volkswirtschaftliche Modellrechnungen zeigen, dass unter Annahme einer Wachstumsrate von 11 Prozent40 die Arbeitskosten der osteuropäischen Länder im Jahr 2020 erst 39% und im Jahr 2030 die Hälfte des westdeutschen Niveaus erreicht haben werden (vgl. Sinn, 2005, S. 20 f.). – Qualifikationsniveaubedingte Arbeitskostenspreizung an einem Standort: Gerade in vielen Niedriglohnländern liegt das Lohnkostenniveau für qualifiziertes Personal (Facharbeiter und Führungskräfte) drastisch über dem Niveau von einfachen Tätigkeiten (vgl. Meyer, 2006b, S. 57 f., Abele u. a., 2006, S. 221). In China können die Arbeitskosten zwischen höher und geringer qualifiziertem Personal im gewerblichen Bereich bis zu Faktor zehn auseinander liegen (vgl. Meyer, 2006b, S. 56 f.). In Indien lagen im Jahr 2003 die durchschnittlichen Arbeitskosten für Personal im Rechnungswesen mit $10 bis $12 ebenfalls um das Zehn- bis Zwölffache über denen für einfache Tätigkeiten in der Produktion. Dennoch liegen die Arbeitskosten für höher qualifiziertes Personal in diesen und anderen Niedriglohnländern um den Faktor zwei bis drei drastisch unter dem Niveau von westeuropäischen oder nordamerikanischen Hochlohnländern. So fielen im Jahr 2003 in den USA für Personal im Rechnungswesen durchschnittlich Arbeitskosten von $26-$30 an (vgl. The Boston Consulting Group, 2004a, S. 16-19). – Arbeitskostenunterschiede zwischen lokalen und ausländischen Unternehmen: Die Verwendung durchschnittlicher landesspezifischer Arbeitskosten, wie sie in vielen Statistiken veröffentlicht sind, kann jedoch das Ergebnis einer Standortbewertung verfälschen. Studien zeigen, dass international produzierende Unternehmen in Niedriglohnländern häufig einen erheblichen Aufschlag auf den Landesdurchschnitt der Arbeitskosten, speziell für knappes, höher qualifiziertes Personal, bezahlen (vgl. Meyer, 2006b, S. 57 f., vgl. Abele u. a., 2006, S. 221). In China bspw. zahlen Niederlassungen internationa- )V er la g D m G ac ov r. K Die Prognosen der EU für den gewogenen Durchschnitt der Wachstumsraten für die osteuropäischen EU-Beitrittsländer lagen in den Jahren 2004-2006 bei weniger als 5 Prozent (vgl. Sinn, 2005, S. 20 f.). (c 40 bH ler Unternehmen ihren Angestellten in Verwaltungsbereichen (Controlling, 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 55 Rechnungswesen usw.) etwa 30 Prozent mehr als Joint Ventures mit einem chinesischen Unternehmen und etwa 50 Prozent mehr als rein chinesische Unternehmen (vgl. Meyer, 2006b, S. 57). Ein weiterer Aspekt für die Abweichung der bei internationalen Unternehmen tatsächlich gezahlten Löhne vom statistischen Landesdurchschnitt ist die Abmilderung der Arbeitskräftefluktuation. Eine höhere Entlohnung motiviert die Mitarbeiter zu einer längeren Verweildauer im Unternehmen, was intensivere Trainingsmaßnahmen rechtfertigt und somit die dortige Durchführung komplexerer Produktionsprozesse erlaubt (vgl. Meyer, 2006b, S. 57 f., Abele u. a., 2006, S. 221). An vielen Standorten ist lokales Fach- und Führungspersonal mit entsprechenden Qualifikationen nur begrenzt verfügbar, weshalb Unternehmen häufig Expatriates41 einsetzen (v.a. beim Aufbau und Anlauf neuer Standorte). Die Arbeitskosten von Expatriates liegen aber nicht nur drastisch über den lokalen Lohnniveaus, sondern auch deutlich über den Lohnniveaus im Heimatland, da die höhere Arbeitserschwernis im Ausland besser entlohnt wird und darüber hinaus noch zusätzliche Versorgungsaufwendungen sowie Aufwendungen für Umzug, Reisen etc. anfallen. Die Arbeitskosten von Expatriates konnten in der jüngeren Vergangenheit das bis zu Zwei- oder Dreifache der Arbeitskosten im Heimatland betragen (vgl. Meyer, 2006b, S. 56). • Material- und Logistikkosten: Ein weiterer Aspekt bei der Standortwahl in einem globalen Kontext sind Materialund Logistikkosten. Materialkosten spielen gerade in der Automobilindustrie aufgrund der geringen Wertschöpfungstiefe der OEMs eine sehr bedeutende Rolle. Auch in anderen Branchen liegt der Materialaufwand an den Herstellungskosten zwischen 50 und 80 Prozent (vgl. Meyer, 2006b, S. 59). In vielen Ländern und Branchen können die Materialkosten durch eine lokale Beschaffung gesenkt werden. Dies rührt im Wesentlichen aus Lohn- und Logistikkostenvorteilen oder vorteilhaften lokalen Wettbewerbsstrukturen. Studien zeigen, dass bspw. bei einer lokalen Beschaffung von Stoffen und Kunststoffen die Materialkosten um 20-30 Prozent gesenkt werden können (vgl. The Boston Consulting Group, 2004a, S. 17). Solche Potenziale können jedoch nicht immer ausgeschöpft werden, da eine lokale Beschaffung oftmals nicht möglich ist. Grundsätzlich können zwei )V er la g D m G ac ov r. K Expatriates sind Mitarbeiter aus Heimatstandorten, die zeitlich befristet in ausländischen Standorten eingesetzt werden. (c 41 bH Materialgruppen unterschieden werden: standardisierte und produktspezifische 56 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Materialien. Während bei standardisierten Materialien häufig auch ein lokaler Bezug möglich ist, stellt sich bei produktspezifischen Materialien die Frage, ob vorhandene lokale Lieferanten das entsprechende Know-how bereits besitzen bzw. zur Herstellung der entsprechenden Komponenten durch den OEM ertüchtigt werden können oder ob bestehende Lieferanten zum Aufbau eines Werks in der Nähe des Auslands-Standorts veranlasst werden können. Ist dies nicht möglich, muss eine globale Belieferung erfolgen (vgl. Meyer, 2006b, S. 60). Letzteres verursacht häufig hohe Logistikaufwendungen, welche die Faktorkostenvorteile überkompensieren können. Für eine weitere Diskussion der Logistikkosten siehe Abschnitt 2.2.4.3. • Produktivität und Qualität: Standortvorteile, wie z.B. niedrige Faktorkosten, sind ebenfalls nur dann nutzbar, wenn eine hinreichende Produktivität und Qualität in der Produktion erreicht werden kann. Basis für volkswirtschaftliche Produktivitätsberechnungen sind häufig die Lohnstückkosten, d.h. das Verhältnis von Arbeitskosten zur Bruttowertschöpfung42 . Die Lohnstückkosten zeigen, ob die gezahlten Löhne durch eine entsprechende Produktivität gerechtfertigt sind und spiegeln somit die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes wider. Rechnerisch hohe Produktivitäten resultieren aber nicht zwangsläufig aus einer hohen Mitarbeiterproduktivität, sondern können auch das Ergebnis einer hochautomatisierten Produktion sein (vgl. Schröder, 2006b, S. 74). Niedriglohnländern wird häufig eine geringe Produktivität zugeschrieben, was aber in vielen Fällen weniger vom Standort, als vielmehr vom Unternehmen abhängt. In Osteuropa erreichten Produktionsstandorte deutscher Firmen Ende der 90er Jahre zwar nur 60% des Produktivitätsniveaus der deutschen Standorte, aber die Produktivität im Landesdurchschnitt lag bei nicht einmal einem Viertel des deutschen Niveaus (vgl. Marin, 2004, S. 8). Bei optimalem Einsatz von Know-how, Rekrutierung möglichst hoch qualifizierter Arbeitskräfte (bzw. Einsatz von Expatriates) und entsprechender Betriebsführung lassen sich Produktivitäten ähnlich wie in Hochlohnländern erreichen. Dies bestätigen Studien der Unternehmensberatungen B OSTON C ONSULTING G ROUP und M C K INSEY & C OMPANY43 (vgl. Meyer, 2006b, S. 61 ff.). Ähnliches gilt für die in Niedriglohnländern erreichbare Qualität (vgl. Meyer, 2006b, S. 61, The Boston Consulting Group, 2004a, S. 6 und S. 25), was Bei- (c )V er la g D m G ac ov r. K Die Bruttowertschöpfung im Sinne der amtlichen Kostenstatistik ergibt sich aus der Differenz des Bruttoproduktionswertes (Summe der produzierten Güter inkl. Vorleistungen) und der fremdbezogenen Vorleistungen (vgl. Hild, 2005, S. 45). 43 M C K INSEY & C OMPANY untersuchten bspw. die Automobilindustrie in Indien und Mexiko sowie Unternehmen der Elektronikindustrie (zitiert in Meyer, 2006b, S. 61 ff.). bH 42 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 57 spiele aus der Bekleidungsindustrie (Adidas: Produktion von Outdoorjacken in China), der Haushaltsgeräteindustrie (Bosch Siemens Hausgeräte: Produktion von Waschmaschinen in der Türkei) und der Automobilindustrie (Valeo: Produktion von elektrischen Systemen in Mexiko) belegen (vgl. The Boston Consulting Group, 2004b, S. 12). • Handelshemmnisse, Wechselkurse, Steuern und Subventionen: Handelshemmnisse verfolgen grundsätzlich den Zweck, durch Erhöhung der Einfuhrkosten die Preisrelation zwischen inländischen und importierten Gütern künstlich zu verändern, um so den inländischen Markt zu schützen (vgl. Haas und Neumair, 2006, S. 67). Dabei können tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse unterschieden werden. Unter tarifären Handelshemmnissen sind alle Arten von Zöllen oder spezifischen Abgaben für grenzüberschreitenden Güterverkehr zu subsumieren (vgl. Senti, 1992, S. 122). Nichttarifäre Handelshemmnisse umfassen alle weiteren Maßnahmen, die den internationalen Güterhandel beeinträchtigen, aber nicht Zöllen oder sonstigen Grenzabgaben zuzurechnen sind (vgl. Koch, 2006, S. 133). Zölle sind die wichtigsten tarifären Handelshemmnisse. Die Bundeszollverwaltung definiert Zölle als Abgaben oder Steuern, die bei der Einfuhr von Waren in ein Land oder einen Wirtschaftsraum (z.B. EU) oder bei der Ausfuhr von Waren erhoben werden44 . Importzölle haben dabei den größten Einfluss bei der Gestaltung globaler Produktionsnetzwerke in der Automobilindustrie. Importzölle sind als Prozentsatz des importierten Warenwerts (einschließlich der Frachtkosten bis zur Grenze des Ziellandes) definiert. Der Prozentsatz (Zolltarif) hängt im Wesentlichen von der Art des importierten Produkts sowie von Ursprungs- und Zielland ab (vgl. Hübner, 2007, S. 83 und dort zitierte Literatur). Die Zollsätze für Vorprodukte liegen in der Regel deutlich unter denen von Fertigprodukten, da die Vorprodukte im Land noch weiterverarbeitet werden und durch die lokale Wertschöpfung Arbeitsplätze und Steuereinnahmen entstehen. Darüber hinaus gehen die Zölle der Vorprodukte in die Preise der heimischen Fertigprodukte ein und schwächen somit deren Wettbewerbsposition gegenüber importierten Fertigwaren. Aus protektionistischen Beweggründen werden für letztere daher in der Regel höhere Zölle erhoben (vgl. Ferber, 2005, S. 17 und Koch, 2006, S. 131). Werden bspw. Motoren aus den USA in die EU importiert, so be- er la g D m G ac ov r. K Siehe URL: http://www.zoll.de/b0_zoll_und_steuern/a0_zoelle/index.html (Abruf: 04.04.2007). Quelle: Online-Zolltarifdatenbank (TARIC) der Europäischen Kommission unter URL: http://ec. europa.eu/taxation_customs/dds/de/tarhome.htm (Stand 05.04.2007). Suchkriterien: Kraftfahrzeuge der TARIC-Position 8703 sowie Hub- und Rotationskolbenmotoren mit Fremdzündung für die industrielle Montage u.a. von Kraftfahrzeugen der TARIC-Position 8703. )V 45 (c 44 bH trägt der Zolltarif 2,7%. Bei (kompletten) Fahrzeugen liegt er dagegen bei 10%45 . 58 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Viele Länder gehören zu Wirtschaftsräumen, zwischen welchen spezifische Zollabkommen existieren. Dabei kann zwischen Freihandelszonen (z.B. NAFTA46 ) und Zollunionen (z.B. EU) unterschieden werden. Freihandelszonen charakterisieren sich durch völlige Beseitigung von Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen zwischen ihren Mitgliedsländern. Gegenüber Drittstaaten herrschen individuelle Regelungen je Mitgliedsland. Zollunionen ergänzen den internen Freihandel um einheitliche externe Zolltarife und eine einheitliche Handelspolitik gegenüber Drittstaaten (vgl. Koch, 2006, S. 41). Eine hohe Bedeutung für die Bemessung der Zollsätze haben Local Content Bestimmungen und Ursprungsregeln. Local Content Bestimmungen regeln den Anteil der Wertschöpfung (üblicherweise gemessen in Prozent des Warenwerts), der in einem bestimmten Land erbracht werden muss, um in den Vorteil eines vergünstigten Importzollsatzes zu kommen. Ursprungsregeln treten an die Stelle landesspezifischer Local Content Bestimmungen im Falle des Zusammenschlusses von Staaten zu Freihandelszonen. Die Ursprungsregeln bezeichnen den lokal zu erbringenden Anteil der Wertschöpfung, um das Ursprungszeugnis eines bestimmten Herstellungslandes zu bekommen. Sie sind im Rahmen von Freihandelsabkommen bedeutend, um festzulegen, wann ein Produkt als innerhalb der Freihandelszone hergestellt gilt, um von der Zollfreiheit profitieren zu können (vgl. Koch, 2006, S. 143 f., Hauser und Schanz, 1995, S. 127 f. und Averyt und Ramagopal, 1999, S. 40 f.). Neben den Regelungen der großen Wirtschaftsräume existiert eine enorme Vielfalt an bilateralen Abkommen zwischen einzelnen Staaten (z.B. Präferenzzollabkommen). In internationalen Produktionsnetzwerken kann die Zollbelastung verringert werden, wenn die importierten Waren in gleichem oder verändertem Zustand (z.B. durch Weiterverarbeitung) wieder exportiert werden (dies wird als aktive Ver” edelung“ bezeichnet), oder wenn die importierten Waren ganz oder teilweise aus zuvor exportierten Waren bestehen, die im Ausland weiterverarbeitet wurden (dieser Fall wird als passive Veredelung“ bezeichnet). Im ersten Fall werden ” gezahlte Zölle entweder rückerstattet (Zollrückvergütung) oder gar nicht erst erhoben (Nichterhebungsverfahren). Im zweiten Fall muss lediglich die Differenz zwischen dem Wert der veredelten und dem Wert der zuvor exportierten Waren er la g D m G ac ov r. K NAFTA steht für North American Free Trade Agreement. Siehe URLs: http://www.zoll.de/b0_zoll_und_steuern/a0_zoelle/h0_zollverfahren_mit_wirt/ index.html, http://www.zoll.de/b0_zoll_und_steuern/a0_zoelle/h0_zollverfahren_mit_wirt/ b0_aktive_veredelung/index.html und http://www.zoll.de/b0_zoll_und_steuern/a0_zoelle/ h0_zollverfahren_mit_wirt/d0_passive_veredelung/index.html (abgerufen am 04.04.2007). )V 47 (c 46 bH verzollt werden47 . 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 59 Obwohl weltweit die Zölle durch GATT48 -Zollsenkungsrunden und die Bestrebungen der Welthandelsorganisation49 (WTO) stark gesunken sind – von durchschnittlich 40 - 50 Prozent für Industriegüter in den 50er Jahren bis auf heute durchschnittlich 4 Prozent50 – haben sie in der Automobilindustrie dennoch einen großen Einfluss bei der Planung von Produktionsnetzwerken (vgl. Ferber, 2005, S. 16). Mit der Senkung der weltweiten Zollniveaus haben andererseits nichttarifäre Handelshemmnisse an Bedeutung gewonnen, deren Spektrum viel breiter ist als das der tarifären. Unter die nichttarifären Handelshemmnisse fallen die folgenden Tatbestände (vgl. Kutschker und Schmid, 2005, S. 415 ff.): – Preisbezogene Maßnahmen (z.B. Einfuhrgebühren) – Mengenbezogene Maßnahmen: (z.B. Einfuhrkontingente) – Explizite Beteiligung des Staates am Handel (z.B. Subventionierung inländischer Erzeugnisse) – Regulative Bestimmungen (z.B. Normen, Verwendungs- und Kennzeichnungsvorschriften, Sicherheitsbestimmungen) – Administrative Beschränkungen (z.B. Beglaubigungsvorschriften) Nichttarifäre Handelshemmnisse sind sehr vielfältig, schnell veränderlich, schwer kalkulierbar und bergen daher ein hohes Maß an Unsicherheit für international tätige Unternehmen (vgl. Haas und Neumair, 2006, S. 67). Global agierende Unternehmen unterliegen darüber hinaus Wechselkursrisiken, die einen großen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit und die Wettbewerbsfähigkeit haben. Gerade die Automobilindustrie ist durch ihren hohen Exportanteil von Wechselkursschwankungen stark betroffen (vgl. Williamson, 2001, S. 449). In den meisten Fällen werden Wechselkursrisiken über den Einsatz von Finanzierungsinstrumenten abgesichert (sog. financial hedging“). Dies ist aber nur in be” grenztem Maße und für eine bestimmte Zeitspanne möglich, verursacht zusätzliche Kosten und hat aufgrund der damit in der Regel verbundenen Kreditaufnahme erhebliche Auswirkungen auf die finanziellen Spielräume eines Unternehmens (vgl. Meyer, 2006a, S. 50)51 . 48 GATT steht für General Agreement on Tariffs and Trade. Die Mitgliedsländer der WTO haben sich zu Zollsenkungsmaßnahmen verpflichtet. Zölle dürfen nicht ohne die Zustimmung der Mitgliedsstaaten erhöht werden (vgl. von Tucher, 1999, S. 96 f.). 50 Importzölle liegen in der Regel zwischen 5 Prozent und 10 Prozent, können aber auch bis zu 200 Prozent (z.B. in Malaysia) betragen (vgl. Ferber, 2005, S. 17 in Anlehnung an die Market Access Database der Europäischen Kommission unter URL: http://mkaccdb.eu.int/mkaccdb2/indexPubli.htm. 51 Grundlagen zur Wechselkursabsicherung finden sich bspw. bei FASTRICH UND H EPP (1991) oder B REUER (2000). (c )V er la g D r. K ov ac G m bH 49 60 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Eine andere Möglichkeit zur Absicherung gegen Wechselkursschwankungen, die als langfristig wirkungsvoller angesehen wird, stellt das sogenannte operatio” nal hedging“ dar (siehe hierzu bspw. C OPELAND UND J OSHI (1996)). Dies kann durch den Aufbau globaler Beschaffungs- und Produktionsnetzwerke erreicht werden. Durch eine Anpassung der Beschaffungs- und Produktionsmengen in einem flexiblen Netzwerk kann ungünstigen Wechselkursentwicklungen entgegengewirkt werden. Voraussetzung hierfür sind strategische Kapazitätsreserven, um die Beschaffungs- und Produktionsmengen kurzfristig erhöhen zu können (vgl. Lowe u. a., 2002, S. 573 ff.). Da Steuern von Standort zu Standort stark variieren können, beeinflusst die Standortwahl ebenfalls die steuerliche Position eines Unternehmens. Bei der Standortwahl sind Kostensteuern (z.B. Grund- oder Grunderwerbsteuer) und Erfolgssteuern (z.B. Körperschaft- oder Gewerbeertragsteuer) von Bedeutung52 . Kostensteuern schlagen sich direkt in den Investitionen oder Faktorkosten nieder. Erfolgssteuern bemessen sich an den erwirtschafteten Gewinnen eines Unternehmens. Neben der Höhe der Steuersätze unterscheiden sich die Standorte hinsichtlich weiterer steuerrechtlicher Regelungen, welche die Höhe der steuerrechtlich relevanten Kosten und Gewinne beeinflussen. Bei der Produktionssystemplanung spielen neben Kostensteuern insbesondere Abschreibungsregelungen für Gebäude und Anlagen eine große Rolle für die steuerliche Belastung eines Unternehmens. Subventionen sind staatliche Maßnahmen finanzieller Art, um einem Unternehmen Anreize zu bieten, sich an einem bestimmten Standort anzusiedeln. Es lassen sich drei grundlegende Subventionsarten identifizieren: Finanzzuschüsse (z.B. Investitionszulagen), verbilligte Kredite und Steueranreize (vgl. Hansmann, 1974, S. 79 f., Kouvelis und Rosenblatt, 2002, S. 257-272). Art und Höhe der Subventionen müssen in der Regel fallspezifisch mit der Regierung des )V er la g D m G ac ov r. K Auf eine steuerrechtlich exakte Klassifikation verschiedener Steuerarten wird hier verzichtet. Stattdessen orientieren sich die weiteren Ausführungen an den finanzwirtschaftlichen Auswirkungen der Steuern (in Anlehnung an Perridon und Steiner, 2004, S. 93-97). (c 52 bH jeweiligen Landes ausgehandelt werden (vgl. Meyer, 2006b, S. 79). 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 2.2.4.2 61 Belegung Die Belegungsplanung betrifft sowohl die Netzwerk- als auch die Anlagenebene von Produktionssystemen. Hier müssen Entscheidungen getroffen werden, welches Produkt welcher Anlage und welche Anlage welchem Standort zugeordnet werden soll (vgl. Goetschalckx und Fleischmann, 2005, S. 121). Im Rahmen der Belegungsstrategie werden Vorgaben für die Belegungsplanung, z.B. hinsichtlich der Art und Anzahl der Produkte, die auf einer Anlage hergestellt werden sollen bzw. hinsichtlich der Zuordnung von Anlagen zu Standorten, erarbeitet. Bei höheren Produktionsvolumen bzw. zum Risikoausgleich können über strategische Split-Regeln Produktionsvolumen auf mehrere Produktions(sub)systeme (Anlagen, Standorte) verteilt werden (vgl. Henrich, 2002, S. 145 f., Ferber, 2005, S. 23 f.). Die Belegungsplanung ist besonders in der Großserien- und Massenproduktion von strategischer Bedeutung, da die Produktionsanlagen (und ggf. auch die Werksstrukturen, wie z.B. in der Prozessindustrie) an ein bestimmtes Produktspektrum angepasst werden müssen. Eine Veränderung der Produktionsaufgabe ist dann häufig kurzfristig nicht möglich und erfordert besonders in kapitalintensiven Branchen hohe Zusatzaufwendungen und längere Umbauzeiten. Die Belegungsplanung hat einen großen Einfluss auf die Flexibilität des Produktionssystems. J ORDAN UND G RAVES (1995) zeigen, dass die Flexibilität eines einstufigen Produktionssystems in der Automobilindustrie stark durch die Zuordnung von Produkten zu Standorten beeinflusst werden kann. Ausgehend von der Zuordnung eines Fahrzeugtyps zu genau einem unflexiblen Produktions(sub)system (Anlage, Standort), wird in einer weiteren Untersuchung jeder Fahrzeugtyp einem zweiten System zugeordnet. Dadurch entsteht eine geschlossene Zuordnungskette von Fahrzeugen zu Produktions(sub)systemen, die nun eine limitierte Belegungsflexibilität besitzen und mehrere Produkte herstellen können. Dieses Prinzip wird als chaining“ bezeichnet. Die ” Autoren zeigen, dass durch diese geschlossene Zuordnungskette ähnlich gute Ergebnisse hinsichtlich Umsatz und Nutzungsgrad der Anlagen erzielt werden können wie bei Produktionssystemen mit vollständiger Belegungsflexibilität (d.h., jedes (Teil-) Produktionssystem kann alle Produkte herstellen). G RAVES weitern das Konzept von J ORDAN UND UND TOMLIN (2003) er- G RAVES (1995) auf mehrstufige Produktions- systeme. Auch in diesem Fall kann durch ein intelligentes Belegungskonzept eine höhere Flexibilität von Supply Chains erreicht werden53 . Ein aktuelles Beispiel für ein belegungsflexibles Produktionsnetzwerk in der Automo- )V er la g D m G ac ov r. K S HEIKHZADEH U. A . (1998) wenden dieses chaining“-Konzept auf der operationalen Planungsebene ” an und zeigen, dass mit einer geschlossenen Zuordnungskette von Produktionsaufträgen zu Maschinen ähnlich gute Ergebnisse hinsichtlich Durchlaufzeit und ablaufbedingten Lagerbeständen erzielt werden können wie mit vollständig flexiblen Maschinen. (c 53 bH bilindustrie beschreiben M C K INSEY &C OMPANY (2006 B ): Um eine unerwartet hohe 62 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Nachfrage nach dem Hybridfahrzeug Prius“ befriedigen zu können, lagerte der Auto” mobilhersteller Toyota im Jahr 2005 die Produktion des Modells Camry“, das im glei” chen Werk wie der Prius“ hergestellt wird (Werk Tsutsumi), in das amerikanische Werk ” Georgetown aus. Dadurch konnten schnell die erforderlichen Zusatzkapazitäten für den Prius“ geschaffen und gleichzeitig die Auslastung des amerikanischen Werkes ” verbessert werden (vgl. McKinsey&Company, 2006b, S. 4). 2.2.4.3 Materialflüsse Eng mit der Standort- und Belegungsplanung verknüpft ist die Materialflussplanung. Die Materialflüsse verbinden die Produktionsstandorte mit ihren Lieferanten und Kunden und ermöglichen auch den Austausch von Gütern zwischen den Standorten im Produktionsnetzwerk. Die Materialflussplanung ist eine mittel- und kurzfristige Planungsaufgabe, die aber in entsprechend aggregierter Form auch auf der strategischen Ebene berücksichtigt werden muss, da alternative ProduktionsnetzwerkKonfigurationen nur in Verbindung mit den entsprechenden Materialflusskosten sinnvoll bewertet werden können54 (vgl. Goetschalckx und Fleischmann, 2005, S. 128 f. sowie Fleischmann, 2005, S. 229 und S. 233). Gegenstand der Materialflussplanung ist die Gestaltung des Transportnetzwerks und der darin ablaufenden Prozesse für die Versorgung der Standorte mit Material und für die Distribution der an einem Standort hergestellten Güter (vgl. Fleischmann, 2002, S. A3-45). Ziel der Materialflussplanung ist es, für eine vorgegebene Transportleistung und ggf. für vorgegebene Standorte unter Einhaltung bestimmter Lieferzeiten die Kosten für Transporte, Umschlagsprozesse sowie für Bestände in Lagern und in der Logistikpipeline zu minimieren (vgl. Fleischmann A3-46). Die Transportkosten sind variable Kosten, die vor allem über das Transportgut (Volumen und Gewicht, Gefahrgut, Kühlgut etc.), die Sendungsgröße (Komplett- oder Teilladungen), die Transportentfernung, den Transportweg (Land, Wasser, Luft, gebrochene Transporte) sowie die Art und Kapazität des Transportmittels beeinflusst werden. Zusätzlich entstehen variable Kosten für den Warenumschlag in Lagern und Distributionszentren. Über die Transport- und Umschlagkosten hinaus entstehen Investitionen und fixe Kosten für die Errichtung und den Betrieb von Lagern und Distributionszentren sowie für die Anschaffung und den Betrieb von Transportmitteln (vgl. Fleischmann, 2002, S. A346). Größere Transportentfernungen bedingen höhere Lagerbestände. Aufgrund der länge- bH ren Transportdauer muss häufig von Auftragsfertigung auf eine Belieferung aus La- )V er la g D r. K ov Siehe hierzu Abbildung 2.5. (c 54 ac G m gern übergegangen werden. Vor allem bei der Produktion variantenreicher Produkte 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 63 mit schlecht prognostizierbarer Nachfrage sind zur Sicherung der Versorgung für jede Variante je nach Wiederbeschaffungszeit und Nachfragemuster erhebliche Sicherheitsbestände erforderlich. Neben höheren Investitionen und Kosten für größere Lagerstrukturen entstehen Opportunitätskosten für in Beständen gebundenes Kapital. Gerade bei Produkten mit kurzen Lebenszyklen und hoher Änderungsrate können darüber hinaus signifikante Obsoletkosten entstehen, wenn die Lagerbestände überaltern. Neben den erhöhten Lagerbeständen an den Standorten im Produktionsnetzwerk erhöhen sich auch die Bestände in der globalen Logistikpipeline mit größer werdenden Distanzen im Netzwerk und erhöhen das Obsoletrisiko zusätzlich (vgl. Meyer, 2006b, S. 76 f.). Im Rahmen der Materialflussplanung werden in dieser Arbeit nur die Kosten für Transport und Handling der Produkte erfasst. Die Planung der Lagerbestände und entsprechende Lagerhaltungskosten werden der taktischen und der operationalen Planungsebene zugerechnet und in einem strategischen Modell nicht berücksichtigt (vgl. hierzu auch Fleischmann u. a., 2006, S. 197). Dennoch werden in dieser Arbeit Investitionen und fixe Kosten für entsprechende Lagerstrukturen im Rahmen der Werksstrukturplanung betrachtet. Personalkosten für die Bewirtschaftung von Lagern sind Bestandteil der (Sekundär-)Personalplanung. 2.2.4.4 Werksstrukturen Mit der Werksstrukturplanung wird die Standortebene von Produktionssystemen gestaltet. Sie beinhaltet die Gebäude- und Flächenplanung, die Planung der Werksinfrastruktur sowie die Layoutplanung (innerbetriebliche Standortplanung) als Hauptaufgaben. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Gebäude- und Flächenplanung, die Aufgaben der strategischen Planungsebene sind, während die Layoutplanung eher der taktischen Planungsebene zuzurechnen ist. Die Planung der Werksinfrastruktur wird bei der Gebäude- und Flächenplanung mitberücksichtigt. Gebäude- und Flächenplanung Gegenstand der Gebäudeplanung ist die Planung der für das Produktionssystem erforderlichen Bauten. Dabei können Geschoss-, Hallen- und Flächenbauten als grundlegende Arten des Industriebaus unterschieden werden (vgl. Worbs u. a., 2002, S. B3-47 f.). Geschossbauten weisen den Vorteil auf, dass sie eine sehr gute Grundstücksausnutzung bieten, weshalb sie sich besonders bei Platzmangel und hohen Grundstücks- bH preisen eignen. Allerdings lassen sie in den oberen Geschossen nur eine beschränk- (c )V er la g D G ac ov r. K sind erschwert. Hallenbauten sind eingeschossige Gebäude, die sich besonders für die m te Bodenbelastung zu und die vertikalen Materialflüsse (zwischen den Geschossen) 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung 64 Unterbringung von großen und schweren Betriebsmitteln oder Produkten eignen. Dabei können Leichtbauhallen und schwere Hallenkonstruktionen (z.B. mit Hallenkränen oder großer Spannweite) unterschieden werden. Flächenbauten entstehen durch eine Aneinanderreihung von Hallen- oder Flachbauten. Sie erlauben bei entsprechendem Säulenraster eine hohe Layoutflexibilität und eignen sich besonders für transportintensive Bereiche oder Betriebe mit häufigen Modifikationen des Produktionsanlagenbestandes (vgl. Worbs u. a., 2002, S. B3-48). Hallen- bzw. Flächenbauten benötigen deutlich größere Grundflächen als Geschossbauten. Andererseits sind die Bauwerkskosten, gerade bei Leichtbauhallen, geringer und die Layoutflexibilität höher als bei Geschossbauten. Schwerpunkt der Flächenplanung ist die Quantifizierung der Größe der erforderlichen Flächen an den einzelnen Standorten im Produktionsnetzwerk. Ziel ist es, ausgehend von einem festgelegten Produktionsprogramm gesicherte Flächenbedarfe nach Art und Größe abzuleiten (vgl. VDI-R ICHTLINIE 3644). Voraussetzung für die Flächenplanung ist eine Strukturierung der unterschiedlichen Flächenarten (vgl. Grundig, 2000, S. 84). In der Literatur existieren verschiedene Flächensystematiken, wie z.B. nach DIN 277 oder VDI-R ICHTLINIE 3644. Die weiteren Ausführungen zur Flächenplanung orientieren sich an der Flächensystematik nach VDI-R ICHTLINIE 3644, die in Abbildung 2.13 dargestellt ist. Basis der VDI-Systematik ist die Grundstücksfläche, d.h. der abgegrenzte Teil eines Geländes, der für ein Unternehmen zur Verfügung steht. Er lässt sich in unbebaute und bebaute Grundstücksfläche unterteilen. Für diese Arbeit ist hauptsächlich die bebaute Fläche interessant, aus welcher sich die Brutto-Grundrissfläche eines Standorts ergibt. Die Brutto-Grundrissfläche umfasst die Summe aller Grundrissflächen der Geschosse in Industriebauten und kann in Konstruktions- und Netto-Grundrissfläche untergliedert werden. Die Konstruktionsfläche ist dabei der Teil der Brutto-Grundrissfläche, welcher die Querschnittsflächen aller tragenden und umschließenden Bauwerkskonstruktionen, wie z.B. Wände oder Stützen, enthält und für keine weiteren Nutzungen zur Verfügung steht (vgl. Worbs u. a., 2002, S. B3-46). Die Netto-Grundrissfläche gliedert sich in: • Nutzflächen: – Hauptnutzflächen (Produktions-, Lager-, Büro- und Sonderflächen) – Nebennutzflächen (Sanitär- und Sozialflächen, wie z.B. Pausenräume) • Funktionsflächen (für Einrichtungen der Werksinfrastruktur, wie z.B. Ver- und Ent- m bH sorgungsanlagen für Heizung, Klima und Energie) (c )V er la g D r. K ov ac G • Verkehrsflächen (in Gebäuden) 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 65 Flächensystematik nach VDI-Richtlinie 3644 unbeb. Nutzflächen Produktionsflächen Versorgungsflächen Verkehrsflächen Lagerflächen Parkplatzflächen Reserveflächen unbebaute Flächen Sonderflächen Grün-/ Freiflächen Konstruktionsflächen Grundstücksfläche bebaute Flächen Hauptnutzflächen Büroflächen Nebennutzflächen Sozialflächen Nutzflächen BruttoGrundrissflächen NettoGrundrissflächen Funktionsflächen Verkehrsflächen Quelle: in Anlehnung an VDI-Richtlinie 3644 Hauptverkehrsflächen Sanitärflächen Verkehrsflächen allgemein sonstige Flächen Abbildung 2.13: Flächensystematik nach VDI-Richtlinie 3644 Zur Planung des Bedarfs der einzelnen Flächenarten können verschiedene kennzahlenbasierte Methoden eingesetzt werden, die sich in globale und detaillierte Flächenbedarfsermittlungsverfahren unterteilen lassen (vgl. Grundig, 2000, S. 85 f.): • Globale Flächenbedarfsermittlungsverfahren: Globale Flächenbedarfsermittlungsverfahren werden v.a. in frühen Planungsphasen eingesetzt, wenn die einzelnen betrieblichen Funktions- und Struktureinheiten noch nicht exakt spezifiziert sind (vgl. Wirth u. a., 2000, S. 28 und Grundig, 2000, S. 85). Der Berechnungsansatz lautet (vgl. Schmigalla, 1995, S. 231): F läche = Bezugsgrösse · F lächenkennzahl (2.1) Dazu werden in einem ersten Schritt die Ist-Flächen der bestehenden Strukturen ermittelt und daraus, ggf. nach einer Bereinigung, Flächenkennzahlen für die Planung gebildet. Dabei können verschiedene Bezugsgrößen verwendet wer- bH den, wie z.B. die Anzahl der Mitarbeiter, Arbeitssysteme oder Lagerplätze. Im (c )V er la g D G ac ov r. K Multiplikation der Flächenkennzahlen mit den Planwerten der entsprechenden m zweiten Schritt erfolgt die Berechnung des zukünftigen Flächenbedarfs durch 66 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Bezugsgrößen (vgl. Wirth u. a., 2000, S. 79). Ein Beispiel für diese Verfahren ist die Flächenbedarfskalkulation nach VDI-R ICHTLINIE 3644. • Detaillierte Flächenbedarfsermittlungsverfahren: Detaillierte Flächenbedarfsermittlungsverfahren55 basieren auf der Kenntnis von Art und Anzahl der eingesetzten Funktions- und Struktureinheiten, speziell der Anlagen und Arbeitssysteme. Basis dieser Verfahren bilden die Arbeitsplatz- bzw. Maschinengrundflächen, die mittels Zuschlagsfaktoren (z.B. für Freiflächen, Verkehr oder Lagerung) nach dem Bottom-Up-Prinzip in Flächen höherer Ordnung (z.B. Produktions-, Netto-Grundriss- oder Brutto-Grundrissflächen) umgerechnet werden. Der Berechnungsansatz lautet (vgl. Schmigalla, 1995, S. 236): F läche = Grundf läche · Zuschlagsf aktor (2.2) Die Zuschlagsfaktoren beinhalten häufig eine Vielzahl an Einflussgrößen und müssen individuell für die spezifischen Anforderungen des zu planenden Produktionssystems ermittelt werden (vgl. Aggteleky, 1990, S. 582 und Grundig, 2000, S. 85 f.). Zu dieser Gruppe von Verfahren zählt bspw. die Methode nach S CHMIGALLA (1995), mit welcher ausgehend von der Anzahl der Arbeitssysteme und ihrer Flächen über entsprechend definierte Zuschlagsfaktoren Flächen höherer Ordnung approximiert werden können. Dazu wird in einem ersten Schritt die Maschinenarbeitsplatzfläche (in dieser Arbeit als Arbeitssystemfläche bezeichnet) aus der Maschinengrundfläche und einem Zuschlagsfaktor für Bedienung, Wartung, Bereitstellung sowie Ver- und Entsorgung des Arbeitssystems errechnet. Analog wird in einem zweiten Schritt die Produktionsfläche je Arbeitssystem durch Multiplikation der Maschinenarbeitsplatzfläche mit entsprechenden Zuschlagsfaktoren für Qualitätssicherung, Zwischenlager etc. (siehe Tabelle 2.2) berechnet (vgl. Schmigalla, 1995, S. 236-239). Die gesamte Produktionsfläche eines Werks(teils) ergibt sich schließlich aus dem Produkt der arbeitssystemtypspezifischen Produktionsfläche und der Anzahl der Arbeitssysteme. Planung der Werksinfrastruktur Die Werksinfrastruktur bildet die Schnittstelle zwischen Gebäuden und Produktionsanlagen. Sie dient zur Bewältigung des zur Durchführung der Produktionsprozesse erfor- )V er la g D m G ac ov r. K Weitere Ausführungen zu detaillierten Flächenbedarfsermittlungsverfahren siehe bspw. R OCKSTROH (1978), PAPKE (1980), S CHMIGALLA (1995) oder G RUNDIG (2000). (c 55 bH derlichen Flusses von Personen, Material und Energie. Zur Werksinfrastruktur zählen 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 67 Tabelle 2.2: Flächenzuschlagsfaktoren auf die Arbeitssystemfläche Flächenkategorie Zuschlagsfaktor Bereitstellungs- und Zwischenlager 1,20 - 1,40 Transport 1,25 - 1,45 Qualitätssicherung 1,13 Techn. Versorgungseinrichtungen 1,10 Frei- und Zusatzflächen 1,10 - 1,20 Datenbasis: Schmigalla, 1995, S. 239 Ver- und Entsorgungsanlagen (für Strom, Wasser, Druckluft, Kühl- und Schmiermittel, Heizung, Klima etc.) mit ihren entsprechenden Leitungsnetzen, Einrichtungen für Kommunikation und Sicherheit (Telefon- und Datenleitungen, Brandschutzeinrichtungen etc.), Sozialeinrichtungen (Kantine, Pausenräume etc.), innerbetriebliche Transportsysteme (z.B. Elektrohängebahnen, Förderbänder) sowie Lagersysteme für Beschaffung, Produktion und Distribution) (vgl. Olschewski, 2005, S. 20 f.). 2.2.4.5 Technologie/Anlagen Anlagen sind neben Personal die primär kapazitäts- und flexibilitätsbestimmenden Elemente des Produktionssystems. Die strategische Technologie-/Anlagenplanung umfasst schwerpunktmäßig die Festlegung der einzusetzenden Anlagentypen (Anlagentechnologien) und der jeweiligen Kapazitäten. Sie weist starke Wechselwirkungen mit der Standort-, Belegungs-, Werksstruktur- und Personalplanung auf. Planung der Anlagentypen Die Planung der Anlagentypen, die unterschiedliche Anlagen- und Produktionstechnologien repräsentieren, hat große Auswirkungen auf die Kapazität und Flexibilität des Produktionssystems. In den meisten Fällen können Produktionsprozesse mit verschiedenen Technologien bzw. Anlagen realisiert werden (z.B. mit Transferstraßen oder flexiblen Fertigungssystemen). Das Spektrum der Anlagentypen in der industriellen Praxis ist dabei sehr breit, da jede Branche, jede Produktionsaufgabe und die jeweiligen unternehmensspezifischen Anforderungen individuell angepasste Anlagen erfordern. Zur Systematisierung dieses breiten Anlagenspektrums können bspw. die Klassifikationsschemata von H AHN UND L ASSMANN (1993) oder B ECKER (1996) herangezogen (c )V er la g D r. K ov ac G m bH werden. 68 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Bedeutende Kriterien zur Beschreibung unterschiedlicher Anlagentypen sind: • Technische Kriterien: Anordnung und Verkettung der Arbeitssysteme, Art der Steuerung etc. • Automatisierungsgrad: Anteil der automatisierten Funktionen an der Gesamtheit aller Funktionen (vgl. DIN 19233) • Leistungsfähigkeit: Produktionsgeschwindigkeit, Parallelbearbeitung (gleichzeitige Bearbeitung mehrerer Werkstücke oder gleichzeitige Durchführung mehrerer Bearbeitungsschritte), störungsbedingte Verfügbarkeit • Betriebs- und personalwirtschaftliche Parameter: Investitionen, variable Produktionskosten (z.B. für Werkzeuge und Betriebsstoffe), Kosten für Wartung und Instandhaltung, Personalbedarf etc. Die einzelnen Anlagentypen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer betriebswirtschaftlichen Kennzahlen (Investitionen, fixe und variable Betriebskosten etc.), ihrer kapazitiven Grunddaten (Produktionsgeschwindigkeit, Verfügbarkeit etc.), ihrer Auswirkungen auf Produktionsflächen und Personal sowie hinsichtlich ihrer Belegungs-, Mix-, Volumen- und Nachfolgeflexibilitäten. Durch die Wahl der Anlagentypen werden somit neben der Flexibilität und qualitativen Kapazitätsaspekten bereits wesentliche Grundlagen für die nachfolgend beschriebene Planung der quantitativen Anlagenkapazitäten festgelegt. Planung der quantitativen Anlagenkapazitäten56 Basis für die Auslegung der Anlagenkapazitäten ist der Kapazitätsbedarf, welcher durch die Anlagenbelegung, d.h. die Art und Menge der in einer bestimmten Periode herzustellenden Produkte, determiniert wird (siehe Kapitel 2.2.4.2). Der Kapazitätsbedarf kann über die benötigte Produktionszeit quantifiziert werden und errechnet sich aus dem Produkt der Planzeit je herzustellender Einheit und dem Produktionsvolumen. Zur Bestimmung der Planzeit je herzustellender Einheit kann die Betriebsmittelzeit je Einheit nach der REFA-Systematik für Betriebsmittel eingesetzt werden. Sie besteht aus den Sollzeiten aller erforderlichen Ablaufabschnitte, die für die planmäßige Herstellung einer Einheit erforderlich sind. Dies beinhaltet die Hauptnutzungszeiten (z.B. Bearbeitungszeiten für Zerspanungsvorgänge), die Nebennutzungszeiten (z.B. für Prüfen, Spannen und Lösen des Werkstücks) sowie Brachzeiten für ablaufbedingtes Unterbrechen (z.B. Auskühlen des Werkstücks nach thermischer Be- )V er la g D m G ac ov r. K Sofern nichts Näheres spezifiziert ist, beziehen sich die Begriffe Kapazität, Kapazitätsbedarf, Kapazitätsangebot etc. auf die quantitative Kapazität. (c 56 bH handlung). Darüber hinaus sind in der Betriebsmittelzeit je Einheit anteilig Zeiten für 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 69 störungsbedingte Unterbrechungen oder für zusätzliche Nutzungen (z.B. Nacharbeit), sog. Betriebsmittel-Verteilzeiten berücksichtigt (vgl. REFA e.V., 1997, Kap. 1). Die Betriebsmittelzeit je Einheit ist somit abhängig vom herzustellenden Produkt, von der eingesetzten Produktionsanlage sowie von arbeitsorganisatorischen Aspekten. Dem Kapazitätsbedarf steht das Kapazitätsangebot einer Produktionsanlage gegenüber, das über die drei Größen Leistungsdauer, Intensität und Kapazitätsquerschnitt determiniert wird (siehe Abschnitt 2.2.2.1). Die Intensität wird über die Auswahl des Anlagentyps festgelegt, wodurch neben der Belegungs-, Volumen- und Nachfolgeflexibilität auch die grundlegenden kapazitiven Eigenschaften der Anlagen bestimmt werden. Darauf aufbauend erfolgt die Bestimmung der Leistungsdauer der Anlage (Anlagenlaufzeit) und des Kapazitätsquerschnitts (Anzahl der Arbeitssysteme) einer Anlage. Die Anlagenlaufzeit ergibt sich aus der Wahl des Schichtmodells und ist stark standortabhängig. Sie errechnet sich aus der gesamten Zeit der Betrachtungsperiode (z.B. bei Jahresperioden 24 Stunden pro Tag und 365 Tage pro Jahr) abzüglich der Zeiten, in welchen kein Betrieb vorgesehen ist (z.B. Entfall der dritten Schicht im Zweischichtbetrieb, Wochenenden, Feiertage, Betriebsruhe) und der geplanten Standzeiten (z.B. für Pausen oder Wartung). Aufgrund verschiedener Ursachen steht aber nur ein Teil der Anlagenlaufzeit für die tatsächliche Wertschöpfung und die erforderlichen Nebenzeiten zur Verfügung. Störungen und Ausschuss sind Beispiele für nicht wertschöpfende Zeitanteile an der Laufzeit. Darüber hinaus mindern Rüstzeiten den für die Produktion zur Verfügung stehenden Anteil der Laufzeit, auch wenn sie für die Leistungserstellung erforderlich sind (vgl. Nakajima, 1995, S. 35). Abbildung 2.14 zeigt die Verlustzeiten des Anlagenbetriebs nach dem in W EIGERT (2004) beschriebenen Schema (vgl. Weigert, 2004, S. 27). Zur Erfassung der Größe kapazitätsmindernder Verlustzeiten existieren verschiedene Methoden und Kennzahlen. Nach der bereits beschriebenen REFA-Methode werden sie in Form von Betriebsmittel-Verteilzeiten als (prozentualer) Aufschlag auf die Betriebsmittel-Grundzeiten erfasst. Weitere Kennzahlen zur Erfassung von kapazitätsmindernden Verlusten sind z.B. die technische Verfügbarkeit und der Gesamtnutzungsgrad nach VDI-R ICHTLINIE 3423 oder die Verfügbarkeitskennzahlen nach VDIR ICHTLINIE 4004 B LATT 4 (vgl. Weigert, 2004, Kap. 3.3 und dort zitierte Literatur). Viele dieser Methoden bzw. Kennzahlen erfassen aber nur einen Teil der in der Realität anfallenden kapazitätsmindernden Verluste und sind daher für die Kapazitätsplanung weniger geeignet. So erfasst die REFA-Verteilzeit bspw. keine Rüstzeitverluste, die stattdessen gesondert ermittelt werden müssen (vgl. REFA e.V., 1997, Kap. 1). Auch bH erfolgt bei vielen Kennzahlen keine Erfassung von Effizienzverlusten (z.B. Leerlauf) (c )V er la g D r. K ov ac G m oder Qualitätsverlusten (Ausschuss). Eine gesamthafte Erfassung aller kapazitätsmindernden Verluste inklusive Rüstzeiten ist dagegen mit den Produktivitätskennzahlen 70 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Verlustzeiten des Anlagenbetriebs über OEE berücksichtigte Verluste Rüstverluste Leistungsverluste Prozessfehler Nettoproduktivzeit Nutzbare Betriebszeit Netto-Betriebszeit Betriebszeit Störungen Laufzeit Gesamtverfügbarkeit 24-7 kein Betrieb Nutzbare Betriebsmittelzeit für die Gutteileherstellung Abbildung 2.14: Verlustzeiten des Anlagenbetriebs des Total Productive Maintenance (TPM) Ansatzes möglich, speziell mit der Kennzahl Overall Equipment Effectiveness57 (OEE), die als prozentualer Abschlag von der Anlagenlaufzeit definiert ist58 (vgl. Weigert, 2004, S. 26-29). Die OEE beinhaltet die Produktionsbereitschaft (Erfassung von anlagenbedingten Störungen), die Leistungseffizienz (Erfassung von Effizienzverlusten, wie z.B. Leerlauf oder geringere Produktionsgeschwindigkeit), die geplante Verfügbarkeit (Erfassung von Rüstverlusten) und die Qualitätsrate (Erfassung von Ausschussverlusten) von Anlagen bzw. Arbeitssystemen (vgl. Weigert, 2004, S. 52 ff.). Die OEE wird stark durch die Anzahl, Anordnung und Art der Verkettung der Arbeitssysteme innerhalb einer Anlage beeinflusst. Im Betrieb kann sie nach Gleichung 2.3 ermittelt werden (vgl. Wehrheim, 1999, S. 3): OEE = Anzahl Gutteile · P lanzeit je Einheit · 100 [%] Lauf zeit (2.3) (c )V er la g D m G ac ov r. K Trotz der Verwendung der Bezeichnung Effectiveness“ handelt es sich bei der OEE um eine Kennzahl ” zur Beschreibung der Effizienz (vgl. Weigert, 2004, S. 27 f.) 58 Neben der OEE enthält der TPM-Ansatz die Kennzahlen Net Equipment Effectiveness (NEE) und Total Effective Equipment Productivity (TEEP). Für weitere Ausführungen siehe N AKAJIMA (1995). bH 57 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 71 In der betrieblichen Praxis koexistieren häufig verschiedene Verfahren zur Ermittlung von Kapazitätsangebot und -bedarf (z.B. für die Personalbedarfsrechnung und die Anlagenplanung). Je nach den eingesetzten Verfahren ist darauf zu achten, dass die Erfassung der relevanten Größen konsistent erfolgt. Dies betrifft vor allem die kapazitätsmindernden Verluste, bei welchen die Gefahr der Doppelerfassung (z.B. in Form von Betriebsmittel-Verteilzeiten bei der Planzeitermittlung und in der OEE) oder der Vernachlässigung relevanter Größen besteht. Inkonsistenzen können unter Umständen zu Kapazitätsproblemen (Engpässe oder Unterauslastungen) führen und hohe Kosten nach sich ziehen. 2.2.4.6 Personal Schwerpunkt der Personalplanung auf der strategischen Ebene ist die Ermittlung der benötigten Mitarbeiter zur Durchführung der Produktionsprozesse (z.B. Maschinenbediener, Mitarbeiter für manuelle Montagetätigkeiten), für produktionsnahe Bereiche (z.B. Lager, Materialversorgung, Wartung und Instandhaltung) sowie für dispositive Aufgaben, wie z.B. Planung, Führung oder Organisation (vgl. Grundig, 2000, S. 78). Gegenstand der folgenden Ausführungen ist die Planung der personellen Kapazitäten und Flexibilitätspotenziale eines Produktionssystems. Planung der Personalkapazitäten Die Planung der Personalkapazitäten basiert auf der Personalbedarfsrechnung für die einzelnen betrieblichen Aufgabenarten, die je nach Branche und Unternehmen sehr unterschiedlich sein können. Allgemein können dispositive und ausführende Aufgaben unterschieden werden. Dispositive Aufgaben beinhalten Planungs-, Steuerungsund Kontrollaufgaben. Ausführende Aufgaben dienen unmittelbar oder mittelbar zur Leistungserstellung im Produktionssystem (vgl. Hahn und Laßmann, 1993, S. 8). Unmittelbar ausführende Tätigkeiten umfassen bspw. manuelle Montagetätigkeiten oder die Bedienung von Betriebsmitteln. Mittelbar ausführende Tätigkeiten beinhalten bspw. Wartungs-, Instandhaltungs-, oder Logistikaufgaben. Dispositiv tätige Mitarbeiter werden in dieser Arbeit als Overheadpersonal, unmittelbar ausführend tätige Mitarbeiter als Primärpersonal und mittelbar ausführend tätige Mitarbeiter als Sekundärpersonal bezeichnet. Das Grundprinzip der Ermittlung des Personalbedarfs für eine bestimmte Aufgabe folgt bH einer dreistufigen Vorgehensweise (vgl. Hahn und Laßmann, 1993, S. 41-44): ac G m 1. Zuerst ist der Brutto-Personalbedarf, d.h. die Gesamtheit der zur Ausführung ei- (c )V er la g D r. K ov ner Aufgabe benötigten Arbeitskräfte, zu bestimmen. 72 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung 2. Im zweiten Schritt erfolgt die Ermittlung des zukünftigen Personalbestands über die Fortschreibung des gegenwärtigen Personalbestands unter Berücksichtigung der erwarteten Zu- und Abgänge. 3. Im dritten Schritt wird durch Abgleich von Brutto-Personalbedarf und erwartetem zukünftigen Personalbestand der Netto-Personalbedarf (Personalfehlbestand oder Personalüberhang) ermittelt. Der Netto-Personalbedarf ist anschließend durch Maßnahmen der Personalbeschaffung (von außerhalb des Unternehmens oder innerhalb von anderen Organisationseinheiten) bzw. Personalfreisetzung zu decken. Personalbedarfsentwicklung Personalbestand Brutto-Personalbedarf Ziel-Bestand NettoPersonalbedarf Ist-Bestand zukünftiger Personalbestand Planungszeitpunkt Zukünftiger Zeitpunkt Zeit Quelle: Grundig, 2000, S. 83 Abbildung 2.15: Personalbedarfsermittlung Für die Ermittlung des Brutto-Personalbedarfs existieren verschiedene Verfahren, angefangen von Expertenschätzungen, z.B. mittels Delphi-Methode59 , bis hin zu verschiedenen Berechnungsmethoden (vgl. Kropp, 1997, Kap. 7.4.2, Hentze und Kammel, 2001, Kap. 3.2). Ein Beispiel für letztere ist die betriebsmittelorientierte Berechnungsmethode, bei welcher der Personalbedarf leistungs- und technologieabhängig von der Art und Anzahl der zu besetzenden Arbeitssysteme abgeleitet wird. Dazu werden arbeitssystemspezifische Personalbesetzungskoeffizienten verwendet (vgl. Kropp, 1997, S. 632 f.). bH In der Praxis weit verbreitet sind arbeits- und zeitwirtschaftliche Berechnungsmetho- )V er la g D r. K ov Zur Delphi-Methode siehe bspw. H ÄDER (2002). (c 59 ac G m den. Die dafür erforderlichen Daten (Produktionsmengen, Planzeiten je hergestellter 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 73 Einheit etc.) werden bereits größtenteils durch die Fertigungsplanung bereitgestellt (vgl. Hentze und Kammel, 2001, S. 207). Die Basis dieser Verfahren bilden Planzeiten für die Durchführung unterschiedlicher Arbeitsaufgaben. Analog zur Planzeitermittlung bei Betriebsmitteln kann nach der REFAMethode für den Menschen eine Grundzeit je hergestellter Einheit ermittelt werden, die sich aus der beeinflussbaren Tätigkeitszeit60 (z.B. Be-/Entladen der Maschine), der unbeeinflussbaren Tätigkeitszeit (z.B. selbsttätige Bearbeitungszeit der Maschine) und der Wartezeit für ablaufbedingte Unterbrechungen zusammensetzt (vgl. REFA e.V., 1997, S. 42-48). Auch hier müssen verschiedene nicht wertschöpfende Verlustzeiten berücksichtigt werden. Dies erfolgt bei der Personalbedarfsplanung üblicherweise über einen prozentualen Aufschlag auf die Grundzeit in Form von Verteilzeiten (vgl. Luczak, 1998, S. 656). Bei den Verteilzeiten werden persönlich und sachlich bedingte Verteilzeiten unterschieden. Sachliche Verteilzeiten treten in Zusammenhang mit der Arbeitsaufgabe auf, wie z.B. Störungen oder organisatorische Verluste (Dienstbesprechungen etc.). Persönliche Verteilzeiten haben dagegen keinen Zusammenhang mit der Arbeitsaufgabe. Beispiele hierfür sind Kaffee- und Zigarettenpausen, kurze Mitarbeitergespräche oder Toilettengänge (vgl. REFA e.V., 1997, S. 27, S. 44 und S. 50 f. ). Grundzeit und Verteilzeiten ergeben die Zeit je Einheit, welche die Basis der Ermittlung des BruttoPersonalbedarfs darstellt. Dieser kann nach Gleichung 2.4 berechnet werden (in Anlehnung an Kossbiel, 1993, S. 3134): P ersonalbedarf Brutto = Zeit je Einheit · P roduktionsmenge P eriodenarbeitszeit je M itarbeiter (2.4) Die Periodenarbeitszeit eines Mitarbeiters aus Gleichung 2.4 wird über gesetzliche, tarif- und individualvertragliche Regelungen sowie Betriebsvereinbarungen bestimmt. Sie hängt stark vom Produktionsstandort (Feiertage, Urlaubsanspruch, gesetzliche Arbeitszeit etc.), dem Schichtmodell (z.B. Zeitgutschriften für Nachtarbeit) und dem Einfluss von Arbeitnehmerorganisationen bzw. -mitbestimmungsmöglichkeiten ab. Abbildung 2.16 zeigt einen internationalen Vergleich der Jahressollarbeitszeit im verarbeitenden Gewerbe. Zusätzlich ist ein Brutto-Personalbedarf für Rüsttätigkeiten zu ermitteln, da Rüstzeiten nach REFA nicht in den Verteilzeiten und somit nicht in der Zeit je Einheit berücksichtigt )V er la g D m G ac ov r. K Die Vorgabezeiten für manuelle, beeinflussbare Tätigkeiten können mit REFA-Zeitaufnahmen und deren Gewichtung mit Leistungsgraden ermittelt werden (vgl. Luczak, 1998, Kap. 23.5 und 23.6 und REFA e.V., 1997, Kap. 3). Andere Möglichkeiten zur Ermittlung sind Systeme vorbestimmter Zeiten, wie z.B. MTM (Methods-Time-Measurement) oder die Work Factor Methode (siehe hierzu bspw. Luczak, 1998, Kap. 23.7). (c 60 bH sind (vgl. REFA e.V., 1997, S. 42 f.). 74 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Jahressollarbeitszeit 2004 im internationalen Vergleich (Stunden pro Jahr) China 2.200 2.013 Japan 1.902 USA 1.840 Polen 1.800 Ungarn Slowakei 1.744 Österreich 1.736 Norwegen 1.725 Deutschland-Ost 1.725 Tschechien 1.718 1.704 Großbritannien Deutschland-West 1.601 Quelle: Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (Stand: 2005) Abbildung 2.16: Arbeitszeiten im internationalen Vergleich Arbeits- und zeitwirtschaftliche Berechnungsmethoden setzen formalisierbare Tätigkeiten mit bekannten, gut strukturierbaren und zeitlich gut erfassbaren Arbeitsinhalten voraus (vgl. Kropp, 1997, S. 632). Diese Verfahren eignen sich daher hauptsächlich für unmittelbar ausführende Tätigkeiten (Primärpersonal). Viele mittelbar ausführende oder dispositive Tätigkeiten können hingegen oft nicht über Vorgabezeiten erfasst werden. So kann bspw. die Reparatur eines Betriebsmittels je nach Schaden unterschiedlich lange dauern. Auch die Zeit für planerisch-kreative Aufgaben kann nur schwer zuverlässig vorab quantifiziert werden. Zur Ermittlung der Brutto-Personalbedarfe für Sekundär- und Overheadpersonal können stattdessen Kennzahlenmethoden eingesetzt werden. Dazu müssen je nach zu planendem Aufgabenkomplex sinnvolle Bezugsgrößen gewählt und entsprechende Kennzahlen ermittelt werden (vgl. Kropp, 1997, S. 622-625). Die Bezugsgrößen müssen möglichst einfach identifizierbar, objektivierbar und quanti- bH fizierbar sein. Darüber hinaus stellen sie Plan- bzw. Zukunftsgrößen dar und müssen (c )V er la g D r. K ov ac G m daher möglichst gut prognostiziert werden können. 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 75 Folgende Bezugsgrößen sind möglich (in Anlehnung an Kropp, 1997, S. 622 f.): • Mengenbezogene Größen: Produktionsstückzahlen etc. • Aufgabenbezogene Größen: Reparaturvorfälle, Wareneingänge etc. • Betriebsmittel- und prozessbezogene Größen: Art und Anzahl Arbeitssysteme, Gebäude, Flächen etc. • Personelle Größen: Anzahl der primären Mitarbeiter etc. Die erforderlichen Kennzahlen können aus Expertenschätzungen, Branchenwerten, technologischen Vorgaben, Wettbewerbsvergleichen, Benchmarkinganalysen, Durchschnitts- und Erfahrungswerten abgeleitet werden und sind stark fallspezifisch (Branche, Unternehmen, Bereich, Aufgabenkomplex etc.). Sie sind grundsätzlich zukunftsorientiert und legen anzustrebende Soll-Werte auf Basis zukünftiger Organisationsstrukturen und Arbeitsweisen sowie gewünschter Produktivitäten fest (vgl. Kropp, 1997, S. 625). Die bisherigen Ausführungen zur Brutto-Personalbedarfsberechnung bezogen sich auf den sog. Einsatz-Brutto-Personalbedarf, der für die Durchführung der betrieblichen Aufgabenkomplexe erforderlich ist. Dabei sind nicht wertschöpfende Zeiten innerhalb der Arbeitszeit über die Verteilzeiten berücksichtigt, nicht aber Abwesenheitszeiten, die z.B. durch Krankheit entstehen. Dafür ist ein Reserve-Brutto-Personalbedarf zu ermitteln, mit welchem diese Abwesenheitszeiten kompensiert werden können. Dies erfolgt im Allgemeinen mittels einer durchschnittlichen Fehlzeitenquote auf Basis des EinsatzBrutto-Personalbedarfs (vgl. Hentze und Kammel, 2001, S. 193). Die Fehlzeitenquote erfasst dabei alle Abwesenheitszeiten, welche die nominelle Mitarbeiterarbeitszeit reduzieren und für die ein Vertretungsbedarf entsteht. Sie beinhaltet im Wesentlichen Krankheitstage sowie Zeiten für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen (vgl. Kutscher u. a., 1996, S. 48 ff.). Planung der Personalflexibilität Zur Gewährleistung einer möglichst guten Anpassung der Personalkapazitäten an den Personalbedarf müssen personelle Flexibilitätspotenziale geschaffen werden. Einen hohen Stellenwert haben dabei flexible Arbeitszeitmodelle, über welche eine Flexibilisierung der Arbeitszeitgrenzen und eine dementsprechend bessere Anpassung des Arbeitsangebots an den tatsächlichen Bedarf ermöglicht werden. Dazu zählen bspw. Teilzeitarbeit, variable Schichtzeiten, gleitende Wochenenden oder Jahresarbeitszeit- )V er la g D m G ac ov r. K Für weitere Ausführungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung siehe z.B. Drumm, 2000, Kap. 6 oder Hamm, 2001, Kap. 4. (c 61 bH verträge (vgl. Günther, 1989 oder Hamm, 2001, S. 62 ff.)61 . 76 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Einen weiteren bedeutenden Aspekt der Personalflexibilität stellt die Mitarbeiterqualifikation dar. Höher qualifiziertes Personal kann vielseitiger im Betrieb eingesetzt werden, wodurch schnelle Personalkapazitätsausgleiche zwischen verschiedenen Organisationseinheiten auch bei variierenden Arbeitsinhalten (innerhalb arbeitsrechtlicher Grenzen) möglich sind. Eine dritte Möglichkeit zum Aufbau personeller Flexibilitätspotenziale ist der Einsatz von Zeitarbeitskräften nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Dieser Weg wird vor allem kurz- und mittelfristig zum Ausgleich von Personalbedarfsspitzen bei Personal mit Standardqualifikationen eingesetzt, wenn langfristig ein Aufbau eigener Personalkapazitäten nicht gewünscht ist (vgl. Drumm, 2000, S. 329). Viele Unternehmen setzen Zeitarbeitskräfte aber auch dauerhaft ein - vor allem in der Produktion (vgl. D UDENH ÖFFER UND B ÜTTNER (2006)). Neben der Schaffung von Flexibilitätspoten- zialen können mit Zeitarbeitskräften häufig auch Arbeitskostenvorteile realisiert werden, z.B. wenn die Zeitarbeitskräfte nach einem günstigeren Tarifvertrag entlohnt werden können oder wenn die Entleihgebühr durch staatliche Subventionen im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik gesenkt werden kann (siehe hierzu bspw. O CHEL (2003)). 2.2.5 Unsicherheiten in der strategischen Produktionssystemplanung Bei der strategischen Planung von Produktionssystemen bestehen aufgrund des langen Planungshorizonts und des häufig multinationalen Kontexts in der Regel erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf die Entwicklung der Nachfragemengen sowie der wirtschaftlichen, technischen, gesetzlichen und sozialen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern. Globalisierungsbedingte Risiken Eine Globalisierung von Unternehmensaktivitäten erhöht die Komplexität der Unternehmensabläufe in hohem Maße. Dies wird vor allem durch nationale und internationale Gesetze und Standards, eine veränderte Wettbewerbssituation, veränderte Kundenanforderungen und größere Logistiknetzwerke verursacht. Aber auch kulturelle Unterschiede sowie unterschiedliche Einstellungen und Erwartungen der Arbeitskräfte an ausländischen Standorten erhöhen die Komplexität der Prozesse im Unternehmen. Die gestiegene Komplexität kann sich bspw. in höheren Kosten in administrativen Bereichen (Verwaltung, Transaktionen etc.), höheren Risiken oder geringerer Produkt- bH und Lieferqualität niederschlagen, was schließlich zu Umsatz- und Gewinnnachteilen ac G m und einem niedrigeren Börsenwert führen kann (vgl. PricewaterhouseCoopers, 2006, (c )V er la g D r. K ov S. 33-35). 2.2 Strategische Planung von Produktionssystemen 77 In einer weltweiten Befragung von Vorstandsvorsitzenden großer Unternehmen ermittelte die Unternehmensberatung P RICE WATERHOUSE C OOPERS die in Abbildung 2.17 dargestellte Einschätzung der Manager hinsichtlich verschiedener Herausforderungen der Globalisierung (vgl. PricewaterhouseCoopers, 2006, S. 8). Herausforderungen der Globalisierung Gesetzl. Überregulierung 8 26 37 27 Handelsschranken 9 27 37 26 Politische Instabilität 10 31 36 21 Soziale Instabilität 11 32 35 21 33 34 15 30 15 Verlust geistigen Kapitals 16 Wechselkursrisiken 17 Korruption 18 31 28 21 Terrorismus 19 31 27 21 36 - % + keine Herausforderung geringe Herausforderung signifikante Herausforderung eine der größten Herausforderungen Quelle: PriceWaterhouseCoopers, 2006, S. 8 Abbildung 2.17: Herausforderungen der Globalisierung Investitionen in Auslandsstandorte – speziell in Niedriglohnländern – sind oftmals mit höheren Risiken verbunden. Niedriglohnländer kennzeichnen sich oftmals durch mangelnde politische und soziale Stabilität, anfälligere Infrastrukturen (z.B. Energieversorgung oder Straßennetz), schlecht prognostizierbare Faktorpreisentwicklung oder mangelnde Verlässlichkeit in Steuer- und Abgabensysteme, wodurch die Amortisation der getätigten Investitionen gefährdet wird (vgl. Meyer, 2006b, S. 58 f.). Falsch eingeschätzte Risiken können beim Aufbau globaler Produktionsnetzwerke in vielen Fällen zu großen Verlusten führen und zwingen ggf. zu einer teuren Rückverla- bH gerung der Produktionsumfänge. K INKEL U. A . (2004) untersuchten die Verlagerungs- (c )V er la g D G ac r. K ov bes in den Jahren 2001 bis 2003 und stellen fest, dass bei Großunternehmen auf m und Rückverlagerungspraxis deutscher Unternehmen des verarbeitenden Gewer- 78 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung durchschnittlich 3,5 Verlagerungen eine Rückverlagerung erfolgte (vgl. Kinkel u. a., 2004, S. 27 f.). In der Automobilzulieferindustrie hatten 6 Prozent der Unternehmen im gleichen Zeitraum Teile ihrer zuvor ins Ausland verlagerten Produktion wieder nach Deutschland zurückverlagert. Im Zeitraum 1999 bis 2001 waren es sogar 12 Prozent (vgl. Kinkel und Zanker, 2007, S. 23 f.). Die Hauptgründe für Rückverlagerungen liegen in Qualitätsproblemen, falsch eingeschätzten Kosten- und Preisentwicklungen, Flexibilitäts- und Lieferfähigkeitsproblemen sowie in zu hohen Betreuungs-, Koordinationsund Administrationskosten der Auslandsstandorte (vgl. Kinkel und Zanker, 2007, S. 27-30). Finanzielle Risiken in globalen Produktionsnetzwerken müssen daher bei der Investitionsentscheidung berücksichtigt werden, z.B. indem der Kalkulationszinssatz bei der Kapitalwertberechnung über entsprechende (standortspezifische) Risikoauf- oder -abschläge angepasst wird (vgl. Meyer, 2006b, S. 58 f.). Risiken aus dem langen Planungshorizont Neben der Prognose der Entwicklung internationaler Rahmenbedingungen existieren weitere Quellen der Unsicherheit, die mit steigendem Planungshorizont zunehmen. Dazu zählen vor allem Unsicherheiten in den Bedarfsprognosen. Dies betrifft besonders die Automobilindustrie, eine hochdynamische Branche, die in großem Maße durch Gesetzgebung und Umwelttrends beeinflusst wird. Strategische Planungsaktivitäten müssen darüber hinaus häufig zu Zeitpunkten durchgeführt werden, zu welchen die zu beplanenden Produktionssystemelemente noch nicht vollständig spezifiziert sind. Dies betrifft besonders das (technische) Produktdesign und die Produktionstechnologie. In diesen Fällen müssen die erforderlichen Planungsdaten durch Ableitungen aus vergangenen Daten oder durch Expertenschät- (c )V er la g D r. K ov ac G m bH zungen gewonnen werden. 2.3 Modellgestützte Planung mittels gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle 2.3 79 Modellgestützte Planung mittels gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle 2.3.1 Begriffliche Grundlagen Modellgestützte Planung bezeichnet den Einsatz von Modellen zur Gestaltung und Erklärung (komplexer) realer Systeme (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 29). Ein Modell ist [...] ein (vereinfachtes) Abbild eines realen Systems oder Problems (= Urbild)“ (Klein ” und Scholl, 2004a, S. 30). In einem Modell werden nur die für das jeweilige Planungsproblem relevanten Elemente und Relationen des betrachteten Systems abgebildet. Weniger wichtige Elemente und Relationen werden bei der Modellierung im Rahmen eines Abstraktionsprozesses vernachlässigt (siehe Abbildung 2.18). Der gewählte Abstraktionsgrad bestimmt sowohl die erreichbare Lösungsgenauigkeit als auch die Komplexität und Handhabbarkeit des Modells (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 30). Modellierung System Modell Abstraktion Relevanter Teil des Systems Abbildung 2.18: Modellierung Modelle existieren in vielfältigen Erscheinungsformen. K LEIN UND S CHOLL (2004 A ) beschreiben ein morphologisches Schema zur Klassifizierung von Modellen (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 31-37). Einsatzzweck, Messniveau, Informationssicherheit und Zeitbezug sind dabei wesentliche Kriterien zur Beschreibung von Modellen: • Einsatzzweck: bH Nach dem Einsatzzweck können Beschreibungs-, Erklärungs- und Entschei- (c )V er la g D G ac ov r. K Elemente und Relationen realer Systeme. Eine Erklärung oder Prognose rea- m dungsmodelle unterschieden werden. Beschreibungsmodelle beschreiben die 80 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung ler Vorgänge ist mit Beschreibungsmodellen nicht möglich. Zu diesem Zweck werden Erklärungsmodelle eingesetzt, welche die Gesetzmäßigkeiten oder hypothetischen Wirkungszusammenhänge des zugrunde liegenden Systems abbilden. Entscheidungsmodelle sind formale (mathematische) Darstellungen von Planungsproblemen. Sie beinhalten in ihrer einfachsten Form eine Menge möglicher Handlungsalternativen (Lösungsmenge) sowie eine Zielfunktion zu deren Bewertung. Entscheidungsmodelle können in Optimierungsmodelle62 und Simulationsmodelle unterteilt werden. Optimierungsmodelle werden zur Identifizierung einer oder mehrerer optimaler Lösungen des Planungsproblems eingesetzt. Simulationsmodelle dienen dagegen zur Bewertung einzelner Alternativen der Lösungsmenge (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 31 f.). • Messniveau: Hinsichtlich des Messniveaus lassen sich quantitative und qualitative Modelle unterscheiden. Quantitative (mathematische) Modelle stellen die Elemente und Attribute des realen Systems in Form von Variablen und Parametern dar. Die Struktur des realen Systems wird durch Verknüpfung dieser Variablen in Form von Gleichungen und/oder Ungleichungen abgebildet. Die Parameter dieser Modelle werden mittels Intervall-, Ratio- oder Absolutskalen gemessen. Quantitative Modelle können mit analytischen Methoden ausgewertet werden. Im Gegensatz dazu enthalten qualitative Modelle (ggf. neben quantitativen Bestandteilen) nominaloder ordinalskalierte Informationen. Dadurch ist eine direkte analytische Auswertung bzw. eine objektive Validierung nicht möglich. Erst durch Ersetzen der qualitativen Attribute mit geeigneten intervall-, ratio- oder absolutskalierten Attributen (Quantifizierung) können analytische Verfahren eingesetzt werden. Die Quantifizierung ist jedoch häufig nur schwer oder nicht möglich (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 32-35 f.). • Berücksichtigung von Unsicherheiten: Viele Planungsprobleme weisen Unsicherheiten hinsichtlich verschiedener Informationen auf. Werden die Unsicherheiten direkt in die Modellformulierung integriert, handelt es sich um ein stochastisches Modell. Wird von den Informationsunsicherheiten abstrahiert oder sind alle Informationen sicher, so handelt es sich um ein deterministisches Modell (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 35). • Zeitbezug: Modelle mit Berücksichtigung des Zeitbezugs werden als dynamische Modelle, bH solche ohne Berücksichtigung der zeitlichen Entwicklung als statische Modelle )V er la g D r. K ov Zum Begriff der Optimierung siehe Abschnitt 2.3.5. (c 62 ac G m bezeichnet (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 36). 2.3 Modellgestützte Planung mittels gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle 2.3.2 81 Qualitative und quantitative Planung Das Messniveau der Daten ist eine bedeutende Eigenschaft zur Charakterisierung von Planungsansätzen. Wie im vorangegangenen Abschnitt gezeigt, können quantitative und qualitative Planungsansätze unterschieden werden. Planungsprobleme in der Praxis sind in vielen Fällen sehr komplex und erfordern sowohl die Berücksichtigung qualitativer als auch quantitativer Informationen. Je nach Messniveau müssen entsprechende Verfahren zur Modellauswertung eingesetzt werden. Qualitative Verfahren, wie z.B. Checklistenverfahren, sind rein deskriptiver Natur und ermöglichen keine Messung des Zielerreichungsgrades verschiedener Alternativen. Sie werden bspw. in der Standortplanung zur Vorselektion von Alternativen eingesetzt, indem solche Alternativen, die definierte Ausschlusskriterien verletzen, ausgefiltert werden (vgl. Meyer (2006) S. 74 f.). Ein Beispiel für den Einsatz von Checklistenverfahren zur Standortplanung in der Automobilindustrie findet sich bei AUTSCHBACH (1997). Ansätze, die sowohl qualitative als auch quantitative Informationen enthalten, werden als semi-quantitative Verfahren bezeichnet. Zu dieser Gruppe von Methoden zählt bspw. die häufig eingesetzte Nutzwertanalyse63 . Sie erlaubt die Ordnung einer Menge von Handlungsalternativen im Hinblick auf ein multidimensionales Zielsystem entsprechend den Präferenzen der Entscheidungsträger. Dazu werden die Zielerreichungsgrade der einzelnen Handlungsalternativen hinsichtlich der unterschiedlichen Zielsetzungen ermittelt und jeweils mit Nutzengewichten multipliziert, welche die Präferenzen der Entscheidungsträger widerspiegeln sollen (vgl. Zäpfel, 1989, S. 309 ff., Bamberg und Coenenberg, 2004, S. 62 f.). Problematisch sind dabei die Annahmen der kardinalen Messbarkeit des Nutzens und der Nutzenunabhängigkeit der einzelnen Zielkriterien (vgl. Zäpfel, 1989, S. 309 ff.). In der Praxis lassen sich darüber hinaus in vielen Fällen keine eindeutigen Präferenzrelationen der Entscheidungsträger ermitteln (vgl. Bamberg und Coenenberg, 2004, S. 63). Oberste Zielsetzung des in dieser Arbeit behandelten Problems der strategischen Planung von Produktionssystemen für Motoren-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule ist die Identifikation der wirtschaftlichsten Lösung (siehe Abschnitt 2.2.3). Verschiedene Alternativen müssen in verschiedenen Umweltszenarien64 auf ihre monetären Auswirkungen hin überprüft werden, um eine gute oder optimale Lösung aufzeigen zu können. Das bedeutet, dass modellgestützte Planungsansätze im Verständnis dieser Arbeit auf quantitativen (mathematischen) Entscheidungsmodellen basieren. Der Be- er la g D m G ac ov r. K Für detailliertere Ausführungen zur Nutzwertanalyse siehe bspw. Z ANGEMEISTER (1976). Ein Szenario ist das Bild einer denkbaren Zukunftssituation, das systematisch und nachvollziehbar aus der gegenwärtigen Situation abgeleitet wird (vgl. Geschka, 1999, S. 521). )V 64 (c 63 bH griff Modell“ bezieht sich daher in den weiteren Ausführungen auf diesen Modelltyp. ” 82 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Qualitative Informationen werden im Planungsprozess bei der Vorselektion von Lösungsalternativen berücksichtigt und bilden zusammen mit den quantitativen Ergebnissen des Modells die Entscheidungsbasis für das Management65 . Gerade für die strategische Planung von Produktionssystemen sind quantitative Verfahren auf Basis gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle (im Englischen mixed integer programming (MIP) models“) von hoher Bedeutung66 : There exist ” ” many papers on quantitative techniques for the improvement and optimization of supply chains [...], and mixed integer programming models are among the most widely used techniques“ (Goetschalckx u. a., 2002, S. 3). Durch Abbildung des Planungsproblems in einem Optimierungsmodell können die Elemente und Relationen quantitativ beschrieben und gute oder optimale Lösungen ermittelt werden. Unsicherheiten bezüglich verschiedener Parameter können mit Hilfe der Modelle analysiert und die daraus entstehenden Chancen und Risiken bewertet werden (vgl. Goetschalckx und Fleischmann, 2005, S. 117-120). Bevor auf gemischt-ganzzahlige Optimierungsmodelle näher eingegangen wird (Abschnitt 2.3.5), erfolgt im nachfolgenden Abschnitt 2.3.3 die Beschreibung des Prozesses der (quantitativen) modellgestützten Planung. 2.3.3 Prozess der modellgestützten Planung Der Prozess der modellgestützten Planung ergänzt den in Abschnitt 2.2 dargestellten Prozess der strategischen Planung nach R ATLIFF UND N ULTY (1997). In der Literatur werden verschiedene Prozessschemata für die modellgestützte Planung vorgeschlagen67 . Für die Aufgabenstellung dieser Arbeit ist das Schema nach D OMSCHKE UND D REXL (2005) sehr gut geeignet (siehe Abbildung 2.19). Es beinhaltet sechs elementare Schritte zur Problemstrukturierung, Modellbildung und Lösung, um mit Hilfe von Entscheidungsmodellen gute oder optimale Lösungen für ein reales Planungsproblem zu erhalten. Der Aufbau der vorliegenden Forschungsarbeit orientiert sich an diesen Prozessschritten, deren Hauptaspekte in den nachfolgenden Ausführungen kurz skizziert werden (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 1 f.): 65 Siehe hierzu Abbildung 2.5. Projektplanungs-, Warteschlangen- oder Petrinetzmodelle können neben Optimierungsmodellen ebenfalls Basis für quantitative Planungsansätze sein (vgl. Grünert und Irnich, 2005, S. 9). 67 Siehe hierzu bspw. die Ausführungen in Schneeweiß, 1992, Kap. 1, Berens u. a., 2004, Kap. 3.3 oder Klein und Scholl, 2004a, S. 52-57. (c )V er la g D r. K ov ac G m bH 66 2.3 Modellgestützte Planung mittels gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle 83 Prozess der modellgestützten Planung Erkennen und Analysieren eines Problems Bestimmen von Zielen und Handlungsalternativen Datenbeschaffung Rückkopplung Formulieren eines mathematischen Modells Lösungsfindung Bewertung der Lösung Abbildung 2.19: Prozess der modellgestützten Planung 1. Erkennen und Analysieren eines Problems: Ausgangspunkt der modellgestützten Planung ist das Auftreten eines Problems, d.h. der Abweichung eines aktuellen oder erwarteten Zustands von einem angestrebten, durch Ziele beschriebenen Zustand. Da zur Problemlösung Entscheidungen getroffen werden müssen, wird auch von einem Entscheidungsproblem gesprochen (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 1). Zur Lösung des Entscheidungsproblems ist dessen genaue Analyse erforderlich, damit im zweiten Schritt Ziele und Alternativen zur Zielerreichung bestimmt werden können. Die Analyse und Beschreibung des in dieser Arbeit betrachteten Entscheidungsproblems erfolgt in Abschnitt 3.1. 2. Bestimmen von Zielen und Handlungsalternativen: Ausgehend von der Analyse des Problems müssen in diesem Schritt die relevanten Ziele, Entscheidungsfelder und Rahmenbedingungen beschrieben und verschiedene Wege zur Zielerreichung voneinander abgegrenzt werden (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 1). Unterschiedliche Handlungsalternativen werden im Folgenden auch als Strategien bezeichnet. Die Menge der Strategien bildet den Lösungsraum des Entscheidungsmodells. bH In Abschnitt 3.2 werden die Anforderungen und Rahmenbedingungen eines mo- ac G m dellgestützten Ansatzes für die strategische Planung von Produktionssystemen (c )V er la g D r. K ov für die Hauptmodule Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang definiert. 84 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung 3. Formulierung eines mathematischen Modells: In diesem Schritt erfolgt die Formulierung eines Entscheidungsmodells für das Planungsproblem. Der Prozess der Erstellung von Entscheidungsmodellen erfordert selbst wiederum den Einsatz verschiedener Modelle. So werden z.B. Beschreibungs- und Erklärungsmodelle zur Strukturierung des Planungsproblems und zur Gewinnung von Informationen eingesetzt (Domschke und Drexl, 2005, S. 3). Die Formulierung des mathematischen Modells erfolgt in Abschnitt 5.2. 4. Datenbeschaffung: Damit mit einem Modell geeignete Lösungen für ein Planungsproblem gefunden werden können, müssen verlässliche Daten vorhanden sein. Die Qualität der Daten ist neben der Qualität des Modells entscheidend für die mit dem Ansatz erreichbare Lösungsgüte. Daher sollten Quelle, Genauigkeit und Aktualität der Daten stets kritisch überprüft werden. Die Beschaffung von Daten über zukünftige Umweltbedingungen erfordert häufig den Einsatz von Prognosemodellen (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 1). 5. Lösungsfindung: Unter Verwendung von an das jeweilige Entscheidungsproblem angepassten Verfahren erfolgt in diesem Schritt die Lösung des Modells. Als Ergebnis erhält man eine (mehrere) gute oder optimale Lösung(en) des Planungsproblems (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 2). Mit anschließenden Experimenten (z.B. Simulation oder post-optimale Analyseverfahren) können die Ergebnisse weiter analysiert werden (z.B. im Hinblick auf ihre Robustheit unter verschiedenen Umweltszenarien). In Abschnitt 5.3 werden die Implementierung und das eingesetzte Lösungsverfahren für das im Rahmen dieser Forschungsarbeit entwickelte Modell beschrieben. 6. Bewertung der Lösung: Der letzte Schritt besteht in der Bewertung der Eignung der mit dem Modell ermittelten Lösung(en) für das reale Planungsproblem. Dieser Prozess wird als Validierung bezeichnet. Ein Entscheidungsträger muss auf Grundlage des Modells die Auswirkungen unterschiedlicher Handlungsalternativen mit hinreichender Genauigkeit antizipieren können (vgl. Corsten u. a., 2005, S. 7). Die Validierung ist besonders im Hinblick auf die im Rahmen der Abstraktion im Modell ver- bH nachlässigten Elemente des realen Systems durchzuführen und das Modell als (c )V er la g D G ac ov r. K 2005, S. 2). Im letzten Fall muss der modellgestützte Planungsprozess iterativ ab m akzeptabel oder verbesserungsbedürftig einzustufen (vgl. Domschke und Drexl, 2.3 Modellgestützte Planung mittels gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle 85 einer bestimmten Stufe erneut durchlaufen werden, bis eine akzeptable Lösung gefunden ist. Insbesondere strategische Modelle weisen höhere Aggregationsniveaus auf, weshalb ihre Ergebnisse stets kritisch und mit technisch-kaufmännischem Sachverstand interpretiert werden müssen. Die Optimalität einer mit dem Modell gewonnenen Lösung bezieht sich auf eine rein quantitative Sichtweise unter den getroffenen Rahmenbedingungen. Die optimale Lösung des Modells muss aber nicht zwangsläufig auch für die Realität die beste Lösung darstellen. Die Modelle stellen lediglich Analyse- und Entscheidungsunterstützungswerkzeuge für Planungsabteilungen der Unternehmen dar (vgl. Goetschalckx und Fleischmann, 2005, S. 134 f.). Die Validierung des in dieser Arbeit entwickelten Modells erfolgt anhand von Fallstudien in Kapitel 6. 2.3.4 Berücksichtigung von Unsicherheiten Ein wesentliches Merkmal der Planung ist ihre Zukunftsbezogenheit. Zum Planungszeitpunkt liegen daher in der Regel keine gesicherten Informationen über die relevanten Daten vor. Stattdessen müssen für die Planung Prognosen verwendet werden, deren Qualität umso stärker sinkt, je länger der Planungshorizont ist. Aus diesem Grund ist die strategische (Produktionssystem-)Planung in besonderem Maße mit Unsicherheiten behaftet. Zur Berücksichtigung von Unsicherheiten der Planungsdaten können zwei grundlegende Möglichkeiten unterschieden werden (vgl. Scholl, 2001, Kap. 5.2 sowie Klein und Scholl, 2004a, S. 379 ff.): • Einwertige oder indirekte Berücksichtigung der Unsicherheit: Mit dieser Methode wird jeder unsichere Parameter durch einen deterministischen Wert ersetzt. Bei Risikoneutralität werden die Erwartungswerte der stochastischen Parameter verwendet. Bei Risikoaversion oder Risikofreude werden die Erwartungswerte über pauschale Sicherheitsauf- oder -abschläge, welche die Risikopräferenzen der Entscheidungsträger widerspiegeln sollen, modifiziert68 . • Mehrwertige oder direkte Berücksichtigung der Unsicherheit: Mit dieser Methode werden Unsicherheiten im Modell explizit berücksichtigt. Dies erfolgt entweder über eine Zufallsvariable für jeden unsicheren Parameter oder )V er la g D m G ac ov r. K Dies wird auch als Korrekturverfahren bezeichnet und v.a. für die Investitionsplanung vorgeschlagen (siehe hierzu Domschke und Scholl, 2005, Kap 6.2.3.1). (c 68 bH in verdichteter Form über eine Menge von Szenarien mit jeweiligen Eintritts- 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung 86 wahrscheinlichkeiten. Es ergeben sich komplexe stochastische Entscheidungsmodelle, welche die Risikopräferenzen der Entscheidungsträger in der Zielfunktion berücksichtigen. Welcher Ansatz gewählt werden sollte, hängt vom individuellen Planungsproblem ab und beruht auf der Prognosegenauigkeit der Daten (Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Zufallsvariablen bzw. Szenariobildung und Ermittlung von Eintrittswahrscheinlichkeiten), der Quantifizierbarkeit der Risikopräferenzen der Entscheidungsträger und letztlich auf der Abwägung zwischen Aufwand und Mehrwert einer komplexen stochastischen Betrachtung (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 379 f.). In der Praxis fehlen häufig zuverlässige stochastische Daten, mit welchen der Vorteil einer detaillierten stochastischen Betrachtung überhaupt erst nutzbar gemacht werden kann. Darüber hinaus sind die Verfahren zur Lösung stochastischer Modelle derzeit häufig noch nicht in der Lage, reale Planungsprobleme adäquat lösen zu können (vgl. Grünert und Irnich, 2005, S. 5 f.). Im Gegensatz dazu bieten kommerzielle Softwarepakete sehr leistungsstarke Algorithmen für die deterministische Optimierung an, weshalb eine einwertige Berücksichtigung von Unsicherheiten mit deterministischen Ersatzwertmodellen in der Praxis vorherrscht (vgl. Scholl, 2001, S. 186). Die einwertige Berücksichtigung der Unsicherheiten wird in der Regel um post-optimale Analysemethoden (siehe Abschnitt 2.3.6.2), vor allem Sensitivitätsanalysen, ergänzt. Mit Sensitivitätsanalysen kann bspw. eine (näherungsweise) Abschätzung der Auswirkungen, die sich durch die Ersetzung stochastischer Parameter durch deterministische Ersatzwerte ergeben, vorgenommen werden (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 382 f.). 2.3.5 Lineare gemischt-ganzzahlige Optimierungsmodelle G R ÜNERT UND I RNICH (2005) definieren Optimierung als eine [...] auf quantitativen ” mathematischen Modellen beruhende Technik zur Berechnung von Entscheidungsvorschlägen“ (Grünert und Irnich, 2005, S. 6). Optimierung dient zur Entscheidungsunterstützung bei Planungsproblemen, die mehrere Freiheitsgrade aufweisen. Die Freiheitsgrade werden in einem Optimierungsmodell in Form von (Entscheidungs-)Variablen abgebildet, welchen durch einen Optimierungsalgorithmus Werte aus dem zulässigen Bereich derart zugeordnet werden, dass )V er la g D m G ac ov r. K Operations Research (OR) befasst sich mit der Formulierung von Optimierungsmodellen und der Entwicklung softwareunterstützter Lösungs- und Analyseverfahren (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 1). Die Gesellschaft für Operations Research (GOR) e.V. definiert OR wie folgt: Unter Operations Research ” wird allgemein die Entwicklung und der Einsatz quantitativer Modelle und Methoden zur Entscheidungsunterstützung verstanden. Operations Research ist geprägt durch die Zusammenarbeit von Mathematik, Wirtschaftswissenschaften und Informatik“(https://gor.uni-paderborn.de, Abruf: 23.07.2006). (c 69 bH die Zielfunktion einen optimalen Wert annimmt69 (vgl. Kallrath, 2002, S. 1). 2.3 Modellgestützte Planung mittels gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle 87 Ein Optimierungsmodell ist eine formale (mathematische) Darstellung eines realen Systems, mit welcher quantitative Sachverhalte über Zahlen, Variablen und Funktionen (zur Abbildung der Relationen eines Systems) abstrahiert dargestellt werden können. Es beinhaltet in seiner einfachsten Form eine Menge möglicher Handlungsalternativen (Lösungsmenge) sowie mindestens eine Zielfunktion zu deren Bewertung. Die Lösungsmenge ist dabei implizit über ein System von Nebenbedingungen (Restriktionen) beschrieben (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 31 und 43-49). Neben den Variablen beinhalten die Zielfunktion(en) und die Nebenbedingungen vorgegebene, nicht beeinflussbare Daten, die im Folgenden als Parameter bezeichnet werden (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 43). Die Parameter repräsentieren Informationen über gegenwärtige und zukünftige Tatbestände, die im jeweiligen Planungskontext als unveränderlich angenommen werden. Die Menge der Daten beschreibt somit die Umweltbedingungen des Entscheidungsmodells (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 6). Die Wirkungszusammenhänge zwischen den Variablen und den Parametern müssen in den Funktionen der Zielfunktion(en) und Nebenbedingungen geeignet abgebildet werden. Optimierungsmodelle werden in den meisten Fällen als lineare Modelle formuliert, d.h. alle Funktionen zur Beschreibung von Zielfunktion(en) und Nebenbedingungen sind linear. Viele Entscheidungsprobleme aus der Praxis weisen allerdings nicht-lineare Zusammenhänge auf, wie z.B. Skalen- oder Verbundeffekte. Sind mindestens eine Zielfunktion oder eine Funktion zur Beschreibung der Nebenbedingungen nicht-linear, so liegt ein nicht-lineares Optimierungsmodell vor (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 44). Die Behandlung solcher Modelle ist jedoch häufig sehr komplex und erfordert in der Regel hohen Rechenaufwand (eine Schwierigkeit besteht z.B. in der Unterscheidung zwischen lokalen und globalen Extremwerten der Zielfunktion). In vielen technischen und wirtschaftlichen Fällen lassen sich dagegen mit einfacheren linearen Modellen hinreichend gute Approximationen formulieren, für welche oft auch für große Probleminstanzen effiziente Lösungsverfahren und Standardsoftware existieren (vgl. Neumann und Morlock, 2004, S. 536). Gemischt-ganzzahlige Optimierungsmodelle sind durch zwei Klassen von Variablen gekennzeichnet: reellwertige und ganzzahlige Variablen70 . In vielen Planungsproble- )V er la g D m G ac ov r. K Sind alle Variablen des Optimierungsmodells reellwertig und alle Zielfunktionen sowie alle Funktionen zur Beschreibung der Restriktionen linear, so spricht man von einem linearen Optimierungsmodell oder LP-Modell (vom Englischen linear programming“). Das Formulieren und Lösen von LP-Modellen wird als ” lineare Optimierung oder lineare Programmierung bezeichnet. Sind dagegen alle Variablen eines Modells ganzzahlig, wird dies als ganzzahlige (lineare) Optimierung bezeichnet (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 7 f.). Ist dabei die Menge der diskreten Alternativen endlich, spricht man auch von kombinatorischer Optimierung (vgl. Neumann und Morlock, 2004, S. 380 ff.). Diese Klasse von Optimierungsproblemen umfasst Zuordnungs-, Reihenfolge-, Gruppierungs- und Auswahlprobleme (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 120 ff.). (c 70 bH men der Praxis existiert hinsichtlich bestimmter Entscheidungen kein kontinuierlicher 88 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Bereich zulässiger Handlungsalternativen, sondern eine Menge diskreter Alternativen, welche mit ganzzahligen Variablen modelliert werden können (vgl. Neumann und Morlock, 2004, S. 380 ff.). Bei den ganzzahligen Variablen kann zwischen allgemeinen ganzzahligen Variablen (0, 1, 2, ...) und Binärvariablen, die nur die Werte 0 oder 1 annehmen können, unterschieden werden. Die Variablen (reellwertig oder ganzzahlig) sind dabei in der Regel aus algorithmischen Gründen als nicht-negativ definiert. Gemischt-ganzzahligen Optimierungsmodellen kommt gerade bei der strategischen Planung von Produktionssystemen eine große Bedeutung zu, da sich mit den kontinuierlichen Variablen z.B. Entscheidungen über Produktionsmengen und Materialflüsse abbilden lassen, über die Binärvariablen dagegen Ja-Nein-Entscheidungen oder logische Bedingungen modelliert werden können (vgl. Kallrath, 2002, S. 10). Damit können strukturelle Entscheidungen, wie z.B. die Öffnung und Schließung von Werken oder die Zuordnung von Produkten zu Anlagen und Anlagen zu Werken, in einem Modell formuliert werden. Seien x der Vektor der reellwertigen Entscheidungsvariablen x = (x1 , ..., xn ), y der Vektor der ganzzahligen Entscheidungsvariablen y = (y1 , ..., yp ), gj (x, y ) eine lineare Funktion zur Beschreibung einer Restriktion j = 1, ..., m und Fi (x, y ) eine zu maximierende oder minimierende lineare Zielfunktion i = 1, ..., k, so lässt sich ein lineares gemischt-ganzzahliges Optimierungsmodell allgemein wie folgt formal darstellen (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 44): M aximiere (M inimiere) Fi (x, y ) ∀ i = 1, ..., k (2.5) unter den Nebenbedingungen: ⎧ ⎪ ⎨ ≤ gj (x, y ) = ⎪ ⎩ ≥ ⎫ ⎪ ⎬ ⎪ ⎭ 0 ∀ j = 1, ..., m, (2.6) x ∈ n +, (2.7) y ∈ n +. (2.8) Die im (Un-)Gleichungssystem 2.6 dargestellten Nebenbedingungen werden auch als bH funktionale (oder strukturelle) Nebenbedingungen bezeichnet (vgl. Hillier und Lieber- (c )V er la g D r. K ov ac G m man, 2005, S. 34). 2.3 Modellgestützte Planung mittels gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle 89 Optimierungsmodelle mit einer Zielfunktion werden als einkriteriell, solche mit mehreren Zielfunktionen als multikriteriell bezeichnet. Bei multikriteriellen Optimierungsmodellen mit konfliktären Zielen besteht das Problem, dass durch die Verbesserung einer Zielfunktion immer mindestens die Erfüllung eines anderen Ziels verschlechtert wird. Für ein multikriterielles Optimierungsproblem kann somit nur dann eine optimale Lösung ermittelt werden, wenn die Zielfunktionen untereinander nicht in Konflikt stehen (indifferente oder komplementäre Zielfunktionen) oder aber der Zielkonflikt gelöst werden kann, indem die Ziele nach ihrer Bedeutung in eine eindeutige Reihenfolge (lexikographische Ordnung) gebracht werden (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 48). Ein kritischer Aspekt von Optimierungsmodellen ist deren Lösbarkeit. Sie können in Modelle, die sich mit polynomialem Rechenaufwand bzw. polynomialer Rechenzeitkomplexität lösen lassen (Probleme der Klasse P ) und Optimierungsmodelle, für welche kein Verfahren mit polynomialem Rechenaufwand besteht (Probleme der Klasse N P ), unterschieden werden. Bei letzteren steigt der Rechenaufwand in der Regel exponentiell mit der Problemgröße, d.h. mit der Anzahl der Variablen und Nebenbedingungen. N P -Probleme sind ab einer bestimmten Größe nur schwer lösbar und erfordern häufig einen enormen, für praktische Probleme inakzeptablen Rechenaufwand (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 125 ff., Neumann und Morlock, 2004, S. 189 ff.). Gemischt-ganzzahlige Optimierungsmodelle gehören zur Klasse der N P -Probleme. Bei diesen Modellen ist der Haupteinflussfaktor auf die Rechenzeitkomplexität die Anzahl der ganzzahligen Variablen, insbesondere die Anzahl der nicht-binären ganzzahligen Variablen. Die Anzahl der funktionalen Nebenbedingungen, welche die Rechenzeitkomplexität von LP-Modellen (siehe hierzu Fußnote 70) determiniert, ist dagegen von nachrangiger Bedeutung (vgl. Hillier und Lieberman, 2005, S. 502). 2.3.6 Verfahren zur Modellauswertung Zur Lösung bzw. Auswertung gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle können analytische Optimierungsverfahren und Simulationsmethoden eingesetzt werden. Mit Optimierungsmethoden können anhand des Modells aus einer definierten Lösungsmenge optimale oder gute Lösungen für das Planungsproblem identifiziert werden. Optimierungsverfahren können um post-optimale Analyseverfahren, wie z.B. die Sensitivitätsanalyse oder die parametrische Programmierung, ergänzt werden, um bspw. die Robustheit einer gefundenen Lösung zu analysieren. Simulationsmethoden dienen (c )V er la g D r. K ov ac G m bH dagegen zur Prognose bzw. Bewertung vorgegebener Strategien. 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung 90 2.3.6.1 Analytische Optimierungsverfahren Analytische Optimierungsverfahren für (gemischt-)ganzzahlige Optimierungsprobleme lassen sich in zwei große Gruppen einteilen - exakte und heuristische Verfahren (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 432 f.): • Exakte Verfahren: Optimierungsverfahren werden als exakt bezeichnet, wenn sie die Bestimmung der optimalen Lösung in einer endlichen Anzahl von Iterationsschritten ermöglichen (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 126). Im Folgenden wird ein Überblick über bedeutende Verfahren der kombinatorischen Optimierung gegeben, die sich für die Lösung (gemischt-)ganzzahliger Optimierungsprobleme eignen (vgl. Neumann und Morlock, 2004, S. 392). Verfahren der kombinatorischen Optimierung beinhalten häufig auch exakte Verfahren der linearen Optimierung, wie z.B. den Simplexalgorithmus oder InteriorPoint-Methoden (hierzu zählen bspw. die Ellipsoid-Methode nach K HACHIJAN (1979) oder die von K ARMARKAR (1984) entwickelte Projektionsmethode). Auf eine Darstellung der exakten Verfahren der linearen Optimierung wird verzichtet und auf die Operations Research Literatur verweisen71 . Die Verfahren der kombinatorischen Optimierung lassen sich in Entscheidungsbaumverfahren, Schnittebenenverfahren, Verfahren der dynamischen Optimierung und kombinierte Verfahren unterteilen (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 459)72 . – Entscheidungsbaumverfahren: Entscheidungsbaumverfahren (auch als Suchbaumverfahren bezeichnet) können auf vollständiger und unvollständiger (impliziter) Enumeration des Planungsproblems basieren. Bei der vollständigen Enumeration werden alle diskreten Lösungsalternativen analysiert, weshalb sie sich nur für kleinere Optimierungsprobleme eignet. Bei der unvollständigen (impliziten) Enumeration werden sukzessiv Teilmengen des Lösungsraumes identifiziert, die keine optimale Lösung enthalten und von einer detaillierten Betrachtung ausgenommen werden können (vgl. Neumann und Morlock, 2004, S. 392 ff.). Das Basisverfahren der unvollständigen Enumeration ist das Branch&Bound Verfahren, bei welchem das Ausgangsproblem mit Hilfe eines Suchbaumes durch Verzweigung (branching) schrittweise in kleinere Probleme zerlegt wird, für welche sich mittels Bildung und Lösung von (c )V er la g D m G ac ov r. K Siehe bspw. D OMSCHKE UND D REXL (2005), N EUMANN UND M ORLOCK (2004) oder H ILLIER UND L IEBERMAN (2005). 72 Für eine detailliertere Beschreibung von Verfahren der kombinatorischen Optimierung und deren Anwendung siehe bspw. S CHRIJVER (2003), N EUMANN UND M ORLOCK (2004) oder G R ÜNERT UND I RNICH (2005). bH 71 2.3 Modellgestützte Planung mittels gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle 91 LP-Relaxationen73 Schranken zur Abschätzung des günstigsten erreichbaren Zielfunktionswertes in dieser Teilmenge der zulässigen Lösungen berechnen lassen (bounding). Anhand dieser Schranken können nicht relevante Teilmengen des Lösungsraums eliminiert werden (für eine detailliertere Beschreibung des Branch&Bound Verfahrens siehe bspw. Neumann und Morlock, 2004, S. 392 ff., Klein und Scholl, 2004a, Kap. 9.4.3, Grünert und Irnich, 2005, Kap. 3.3, Domschke und Drexl, 2005, Kap. 6.4). – Schnittebenenverfahren: Bei Schnittebenenverfahren werden für die LP-Relaxation des gemischtganzzahligen Optimierungsmodells zusätzliche zulässige Ungleichungen (Schnittebenen) erzeugt, mit welchen nicht relevante Teilmengen des Lösungsraums weggeschnitten“ werden. Diese Ungleichungen werden ” dem Modell statisch oder dynamisch hinzugefügt (vgl. Kallrath, 2002, S. 64 und 269). Ein Beispiel hierzu ist das Verfahren von Gomory, das bspw. bei Neumann und Morlock, 2004, Kap. 3.1.3 detailliert dargestellt ist. Die Bestimmung von Schnittebenen ist im Allgemeinen stark problemspezifisch. – Dynamische Optimierung: Die dynamische Optimierung wird auf Probleme angewandt, für welche die Ermittlung einer optimalen Lösung über eine Folge voneinander abhängigen Entscheidungen getroffen werden kann. Das Planungsproblem wird so in mehrere Stufen zerlegt, die sequentiell gelöst werden. Dabei werden nur die für die jeweilige Stufe relevanten Entscheidungsalternativen berücksichtigt. Für die dynamische Optimierung existiert kein Algorithmus, der auf eine breite Klasse von Problemen anwendbar ist. Das allgemeine Lösungsprinzip der dynamischen Optimierung muss individuell an die Charakteristika des jeweiligen Planungsproblems angepasst werden (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 157). – Kombinierte Verfahren: Kombinierte Verfahren verbinden Elemente von Entscheidungsbaumund Schnittebenenverfahren, wie z.B. das Branch&Cut-Verfahren74 (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 127). (c )V er la g D m G ac ov r. K Relaxation bedeutet, dass einige oder alle Nebenbedingungen des Modells weggelassen oder gelockert werden (vgl. Neumann und Morlock, 2004, S. 385). Bei der LP-Relaxation werden die Ganzzahligkeitsbedingungen weggelassen und alle Variablen als reellwertig behandelt. Das relaxierte Modell kann dann mit Verfahren der linearen Optimierung, wie z.B. der Simplex-Methode, einfacher gelöst werden. Der Lösungsraum des relaxierten Problems umfasst alle Lösungen des Ursprungsproblems, der Zielfunktionswert des relaxierten Problems ist dabei gleich oder besser als der des Ursprungsproblems (vgl. Grünert und Irnich, 2005, S. 62 f.). 74 Siehe hierzu bspw. Neumann und Morlock, 2004, S. 533 f. oder PADBERG (2001). bH 73 92 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung • Heuristische Verfahren: Heuristische Verfahren (Heuristiken) werden definiert als [...] eine sinnvolle ” und anwendbare Regel oder Vorschrift, die zu einem erfolgversprechenden und machbaren Lösungsvorschlag für ein Problem führt“ (Klein und Scholl, 2004a, S. 47). Heuristiken werden auf das Planungsproblem individuell angepasst und besonders bei Optimierungsproblemen mit nicht-polynomialer Rechenzeitkomplexität eingesetzt. Während mit exakten Verfahren optimale Lösungen gefunden werden können, ist dies mit Heuristiken nicht garantiert. Sie liefern im Allgemeinen nur suboptimale Lösungen, dafür aber mit polynomialer Rechenzeitkomplexität (vgl. Neumann und Morlock, 2004, S. 402 ff.). Heuristische Verfahren lassen sich in Eröffnungsverfahren, Verbesserungsverfahren, unvollständig exakte Verfahren und relaxationsbasierte Verfahren unterteilen. Mit Eröffnungsverfahren wird eine (erste) zulässige Lösung des Planungsproblems identifiziert. Verbesserungsverfahren (lokale Suchverfahren) bauen auf einer gegebenen Lösung auf und versuchen diese sukzessive zu verbessern. Zu dieser Gruppe zählen z.B. die Verfahren Simulated Annealing und Tabu Search sowie genetische Algorithmen. Da das Grundprinzip dieser Verfahren auf eine Vielzahl von Problemen angewendet werden kann, werden sie als Metastrategien (Metaheuristiken) bezeichnet. Zu den unvollständig exakten Verfahren zählt z.B. der vorzeitige Abbruch eines Branch&Bound Verfahrens, wenn eine bestimmte Rechenzeitgrenze oder eine hinreichend kleine Zielfunktionslücke75 erreicht ist. Bei relaxationsbasierten Verfahren werden Nebenbedingungen, wie z.B. die Ganzzahligkeitsbedingungen von Variablen, entfernt (Relaxation) und anschließend, statt mit Verfahren der kombinatorischen Optimierung, mit Methoden der linearen Optimierung gelöst. In einem anschließenden Schritt erfolgt die Rundung der relaxierten Variablen auf ganzzahlige Werte unter Beachtung der Zulässigkeit der gerundeten Lösung. Darüber hinaus sind auch Kombinationen aus den geschilderten grundlegenden heuristischen Verfahren möglich (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 127-132 sowie Klein und Scholl, 2004a, S. 459 f.)76 . (c )V er la g D m G ac ov r. K Über die Berechnung von oberen und unteren Schranken in jeder Iteration des Branch&Bound Verfahrens kann die maximale Abweichung der besten bisher gefundenen Lösung zur optimalen Lösung, die sog. Zielfunktionslücke, errechnet werden. 76 Einen Überbilck über heuristische Verfahren findet sich z.B. bei D OMSCHKE UND S CHOLL (2006). Weiterführende Literatur zu Metaheuristiken findet sich u.a. bei M ICHALEWICZ UND F OGEL (2004), D ERIGS (2004), G ONZ ÁLEZ (2006) oder D R ÉO (2006). bH 75 2.3 Modellgestützte Planung mittels gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle 2.3.6.2 93 Post-optimale Analyseverfahren In vielen praktischen Fragestellungen sind die Parameter des Optimierungsmodells mit Unsicherheiten behaftet. Eine Möglichkeit zur Berücksichtigung der Unsicherheiten ist die Formulierung eines stochastischen Modells. Eine andere Möglichkeit besteht darin, im Modell für die unsicheren Parameter einen deterministischen Ersatzwert anzusetzen und die am Ersatzwertmodell gewonnene optimale Lösung mittels post-optimaler Analyseverfahren auf Veränderungen der Eingangsdaten zu untersuchen. Zu dieser Gruppe von Verfahren zählen die Sensitivitätsanalyse und die parametrische Optimierung (vgl. Neumann und Morlock, 2004, S. 118 f.). Im Rahmen der Sensitivitätsanalyse wird untersucht, wie sich die Zielgrößen bei der Modifikation von Parametern verhalten. Dazu können ein oder mehrere Parameter unter Konstanz der restlichen variiert werden. Eine andere Anwendungsmöglichkeit der Sensitivitätsanalyse ist die Berechnung kritischer Parameterwerte, bei welchen die Zielfunktion vorgegebene Schranken überschreitet. Mit der Sensitivitätsanalyse lässt sich ermitteln, wie stark die Parameter schwanken können, bis eine optimale Lösung ihre Optimalitätseigenschaft verliert und wie stark der Einfluss einzelner Parameter auf die Zielfunktion ist (vgl. Scholl, 2001, Kap. 5.2.1.2 sowie Klein und Scholl, 2004a, S. 317). Sie dient daher auch zur Ausrichtung der Planungstechniken und Konzentration des Planungsaufwandes auf Parameter mit hoher Bedeutung. Bei der Sensitivitätsanalyse werden nur Schwankungen der Ausgangsdaten betrachtet, bei welchen sich die optimale Lösung qualitativ nicht ändert. Qualitativ gleiche Lösungen besitzen die gleiche Struktur, d.h. sie repräsentieren den gleichen Eckpunkt des Lösungspolyeders77 . Der Lösungsraum kann sich aber mit den Parametern verändern (z.B. Skalierung des Lösungsraums durch Veränderung der rechten Seiten der Funktionsgleichungen von Restriktionen). Bei der parametrischen Optimierung werden dagegen Datenänderungen betrachtet, die zu einer qualitativ unterschiedlichen optimalen Lösung führen (Übergang auf einen anderen Eckpunkt des Lösungsraumes). Häufig werden dabei nur solche Daten betrachtet, die sich proportional zu einem (reellwertigen) Parameter ändern (vgl. Neumann und Morlock, 2004, S. 119). 2.3.6.3 Simulation Der Begriff Simulation“ ist definiert als [...] die Nachbildung eines Systems mit seinen ” ” dynamischen Prozessen in einem experimentierfähigen Modell, um zu Erkenntnissen (c )V er la g D m G ac ov r. K Der Lösungsraum von LP-Modellen ist eine konvexe Menge, deren Ränder über lineare Funktionen beschrieben sind. Im Falle einer allseitig abgeschlossenen Menge wird diese als konvexes Polyeder bezeichnet. Durch die Linearität der Zielfunktion ist die optimale Lösung eines LP-Modells stets ein Eckpunkt des konvexen Polyeders (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 435 ff.). bH zu gelangen, die auf die Wirklichkeit übertragbar sind“ (VDI-R ICHTLINIE 3633). 77 94 2 Grundlagen der modellgestützten strategischen Produktionssystemplanung Simulationsmodelle dienen zur Beschreibung und Erklärung der Zusammenhänge zwischen Input- und Outputgrößen von Systemen (vgl. Fleischmann u. a., 2005, S. 81). Nach D OMSCHKE UND D REXL (2005) können drei grundlegende Simulationsarten un- terschieden werden (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 223 ff.)78 : • Monte Carlo Simulation: Monte Carlo Simulation wird zur Analyse statischer Probleme mit bekannten Wahrscheinlichkeitsverteilungen eingesetzt. • Kontinuierliche Simulation: Die kontinuierliche Simulation wird zur Modellierung und Analyse von Systemen eingesetzt, deren Zustandsvariablen sich kontinuierlich mit der Zeit ändern können. Sie basieren häufig auf Differentialgleichungen, die den Zusammenhang zwischen Zeitfortschritt und Änderung der Zustandsvariablen beschreiben. • Diskrete Simulation (discrete event simulation): Dieser Simulationstyp wird zur Modellierung dynamischer Systeme eingesetzt. Das System wird dabei über zeitabhängige Zustandsvariablen beschrieben, die sich nur zu bestimmten, endlich vielen (diskreten) Zeitpunkten ändern können. Mit der Simulation können unterschiedliche Handlungsalternativen und Szenarien eines zu verbessernden Systems bewertet und miteinander verglichen werden. Die einzelnen Alternativen sind dabei vorab zu definieren und werden nicht über die Simulation erzeugt (vgl. Grünert und Irnich, 2005, S. 9). Mit analytischen Optimierungsverfahren können alle zulässigen Lösungen, die implizit über die Nebenbedingungen definiert sind, simultan betrachtet und die optimale Lösung kann direkt am Modell gewonnen werden. Bei der Simulation sind dagegen wiederholte Experimente erforderlich, wenn diese Methode zur Lösung von Entscheidungsproblemen eingesetzt werden soll. Erst durch den nachgeschalteten Ergebnisvergleich der simulierten Handlungsalternativen kann aus der betrachteten Teilmenge des Lösungsraums die beste Alternative identifiziert werden. Dies garantiert jedoch nicht das Finden der optimalen Lösung. Beim Einsatz von Simulationsverfahren hängt somit die Lösungsgüte stark von der Anzahl der untersuchten Alternativen und Szenarien ab. Der Einsatz der Simulation in der modellgestützten Planung ist insbesondere dann sinnvoll, wenn analytische Verfahren zur Lösung von Optimierungsmodellen zu komplex oder zu aufwändig sind (z.B. nicht-polynomiale Rechenzeitkomplexität von Optimierungsverfahren oder Einsatz komplexer Heuristiken) und eine weitere Vereinfa- )V er la g D m G ac ov r. K In der Literatur werden verschiedene, abweichende Klassifikationsschemata für Simulationsarten vorgestellt (siehe hierzu bspw. die Klassifikation in Law und Kelton, 2000, S. 5 f.). (c 78 bH chung des Modells den Kern des Planungsproblems verfälscht. Die Simulation bietet 2.3 Modellgestützte Planung mittels gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle 95 dann eine gute Möglichkeit, die Konsequenzen einzelner, vielversprechender Handlungsalternativen experimentell zu ermitteln (vgl. Domschke und Drexl, 2005, S. 3 und S. 223). Simulation bietet sich ebenfalls an, wenn bereits konkrete Vorstellungen (Expertenwissen, Managementpräferenzen etc.) über mögliche Lösungsalternativen bestehen und es diese zu bewerten gilt (vgl. Laval u. a., 2005, S. 242). Simulation wird daher in den weiteren Ausführungen dieser Forschungsarbeit als [...] ” die Analyse des formalen Modells eines Systems mit Hilfe von Berechnungsexperimenten verstanden“ (Ullmann, 1996, S. 106). Simulation und analytische Optimierungsver- (c )V er la g D r. K ov ac G m bH fahren sind somit weniger konkurrierende als vielmehr ergänzende Verfahren. g er la )V (c ac ov r. K D bH m G Kapitel 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule Gegenstand dieses Kapitels ist die Beschreibung des Untersuchungsbereichs dieser Forschungsarbeit, die sich mit internen Produktionssystemen von Automobilherstellern für die Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen befasst. Im Vordergrund stehen dabei Premiumhersteller, wie z.B. BMW, Audi, DaimlerChrysler79 oder Porsche. In Abschnitt 3.1 werden zuerst allgemeine Branchenmerkmale dargestellt und anhand verschiedener Beispiele sowohl von Premiumherstellern als auch von Volumenherstellern (Renault, General Motors, Ford, PSA Peugeot Citroën, Fiat und Toyota) veranschaulicht. Anschließend werden spezifische Merkmale von Premiumherstellern aufgezeigt. Auf diesem Beschreibungsmodell aufbauend wird in Abschnitt 3.2 die Einordnung des Planungsproblems vorgenommen und die Anforderungen an einen modellgestützten Planungsansatz für die strategische Planung von Motor-, Fahrwerks- und Antriebs- )V er la g D m G ac ov r. K Nach Angaben der DaimlerChrysler AG übernahm das Private Equity-Unternehmen Cerberus Capital Management am 3. August 2007 die Aktienmehrheit an der Chrysler Group. Damit wurde die im Mai 2007 bekannt gegebene Trennung von DaimlerChrysler vollzogen. Die in diesem Kapitel verwendeten Angaben beziehen sich noch auf das Unternehmen DaimlerChrysler. (c 79 bH strangmodulen werden definiert. 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule 98 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 3.1.1 Allgemeine Branchenmerkmale Während zur Fahrzeugproduktion zahlreiche Veröffentlichungen existieren (z.B. H ENRICH (2002), F ERBER (2005) oder F LEISCHMANN U. A . (2006), um nur einige der aktuellen Veröffentlichungen zu nennen), standen Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule bisher kaum im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen (Ausnahmen sind bspw. W HITNEY VERDING (2001) oder J AYARAMAN UND U. A . (1998), B USSMANN UND S IE - G UNAL (1997)), obwohl gerade in diesen Be- reichen knapp 50%80 der Wertschöpfung81 am Fahrzeug erzeugt wird. Aufgrund der großen Unterschiede zwischen verschiedenen Automobilherstellern, z.B. hinsichtlich Strategie, Produktionsvolumen oder Produktionsprogramm, unterscheiden sich auch deren Produktionssysteme erheblich. Abstrahiert von unternehmensspezifischen Merkmalen sollen mit dem folgenden (verbalen) Beschreibungsmodell die für die strategische Planung bedeutenden Eigenschaften der Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen in der Automobilindustrie aufgezeigt und mit Beispielen aus der Praxis veranschaulicht werden. Zur strukturierten Beschreibung von Produktionssystemen existieren in der Literatur verschiedene Produktionstypologien mit umfangreichen Merkmalskatalogen, wie z.B. bei K RYCHA (1996), A DAM (1998) oder K ISTNER UND S TEVEN (2001). Sie beinhalten jedoch häufig keine Merkmale zur Charakterisierung der Netzwerkebene. Aus diesem Grund basiert das in dieser Arbeit verwendete Klassifikationsschema zur Beschreibung der betrachteten Produktionssysteme auf der Supply Chain Typologie von M EYR UND S TADTLER (2005). Diese beinhaltet neben wesentlichen funktionalen Merkmalen zu Beschaffung, Produktion und Distribution zusätzlich noch strukturelle Merkmale zur Beschreibung der Netzwerktopografie (vgl. Meyr und Stadtler, 2005, S. 66-71). Neben der Anwendung auf inter- und intra-organisationale Supply Chains eignet sich diese Typologie auch für die Beschreibung von Produktionssystemen im Sinne der in dieser Arbeit zugrunde gelegten Definition (siehe Abschnitt 2.1.2.2). (c )V er la g D m G ac ov r. K Eigene Berechnung auf Basis der vom Verband der Automobilindustrie ermittelten Wertschöpfungsstrukturen. Siehe hierzu Verband der Automobilindustrie e.V., 2004, S. 44. 81 Unter Wertschöpfung versteht die vom Verband der Automobilindustrie herausgegebene Studie Future ” Automotive Industry Structure (FAST) 2015 – die neue Arbeitsteilung in der Automobilindustrie“ [...] ” sämtliche Leistungen der Zulieferkette bis einschließlich der Leistungen des OEMs [...], ohne Berücksichtigung der reinen Rohstoffe und von Abschreibungen. Wertschöpfung in diesem Verständnis umfasst demnach alle Leistungen der OEMs, der Zulieferer über alle Zulieferstufen, der EngineeringDienstleister, Logistikdienstleister, Montagedienstleister etc. Einbezogen werden Leistungen der Vorund der Serienentwicklung, der Modulfertigung und -montage bis hin zur Fahrzeugmontage.“ Vertriebsleistungen, Verkaufsmargen von OEMs und Händlern sowie Ersatzteile sind nicht Bestandteil der Wertschöpfung im Verständnis der FAST-Studie (Verband der Automobilindustrie e.V., 2004, S. 13). bH 80 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 99 Einordnung des Untersuchungsbereichs Funktionale Merkmale: - Absatz und Distribution Anz. Produktgruppen Variantenanzahl Lebenszykluslänge Stücklistenstruktur Standardisierung Kunden Entkopplungspunkte Zukünftige Bedarfe Distributionsstruktur gering mittel hoch gering mittel hoch kurz mittel lang konvergierend divergierend seriell gemischt standardisiert kundenspezifisch organisationsintern organisationsextern engineer t. o. manufacture t. o. assemble t. o. deliver t. o. bekannt unbekannt einstufig mehrstufig - Produktion Repetitionstyp Produktionsstufen Organisation Fertigungsanlagen Anlagenflexibilität Automatisierung Personalflexibilität Einzelproduktion Serienproduktion Massenproduktion einstufig mehrstufig Werkstattproduktion Fließfertigung Gruppenproduktion Mehrmaschinensystem Flex. Fertigungssystem Transferstraße Belegungsflex. Mixflex. Volumenflex. Nachfolgeflex. gering mittel hoch gering mittel hoch - Beschaffung Fremdbezug (Anzahl) Fremdbezug (Art) Bezugstyp gering standardisiert single sourcing mittel hoch kundenspezifisch multiple sourcing Strukturelle Merkmale: Netzwerkstruktur Werksgröße Globalisierungsgrad Weltfabrik Lokal² einheitlich gering Netz mittel Hub & Spoke Kette unterschiedlich hoch t.o. = to order Abbildung 3.1: Einordnung des Untersuchungsbereichs Um den Untersuchungsbereich dieser Arbeit adäquat beschreiben zu können, wird die ursprüngliche Typologie von M EYR UND S TADTLER (2005) etwas abgewandelt: Die Typologie wird an einigen Stellen modifiziert, nicht relevante Merkmale werden weggelassen und zusätzliche relevante Merkmale werden ergänzt. In Abbildung 3.1 ist diese abgewandelte Typologie zusammenfassend dargestellt. bH Die Merkmalsausprägungen von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und (c )V er la g D ac r. K ov Die Analyse des Untersuchungsbereichs zeigt, dass die in dieser Arbeit behandelten G m Antriebsstrangmodule sind darin hervorgehoben. 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule 100 Produktionssysteme eine sehr heterogene und komplexe Struktur besitzen, die in vielen Fällen gleichzeitig mehrere Ausprägungsformen eines Merkmals beinhaltet. Gerade der Produktionsbereich ist durch ein Nebeneinander unterschiedlichster Organisationsformen, Repetitionstypen, Verfahren und Produktionsanlagen gekennzeichnet. In den folgenden Ausführungen werden die einzelnen Merkmale und ihre Ausprägungen genauer erläutert. 3.1.1.1 Funktionale Merkmale Die funktionalen Merkmale charakterisieren die betrieblichen Kernprozesse Beschaffung, Produktion, Absatz und Distribution einer Supply Chain bzw. eines Produktionssystems. Im Folgenden werden die spezifischen Ausprägungen dieser Prozesse in Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule erläutert. Absatz und Distribution Absatz- und Distributionsbereich eines Produktionssystems können über die Merkmale Anzahl hergestellter Produktgruppen“, Variantenanzahl“, Produktlebenszy” ” ” kluslänge“, Stücklistenstruktur“, Grad der Standardisierung der Produkte“, Kunden“, ” ” ” Lage der Entkopplungspunkte“, Kenntnis zukünftiger Bedarfe“ und Distributionsstruk” ” ” tur“ beschrieben werden (vgl. Meyr und Stadtler, 2005, S. 67-70): 1. Anzahl hergestellter Produktgruppen Zur Beschreibung des Merkmals Anzahl hergestellter Produktgruppen“ werden die or” dinal skalierten Attribute gering, mittel oder hoch verwendet82 . Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule weisen im Hinblick auf dieses Merkmal Mehrprodukt-Produktionsprogramme mit einer mittleren Anzahl von Produktgruppen auf, die sich teilweise sehr stark unterscheiden. Es liegt somit ein heterogenes Produktionsprogramm vor, das in Endproduktgruppen (z.B. Motor, Getriebe, Achse etc.) und Vorproduktgruppen (z.B. Getriebegehäuse, Radsatz, Kurbelgehäuse, Pleuel, Zylinderkopf usw.) unterteilt werden kann. • Motor: Bei den Vorproduktgruppen ist im Bereich Motor die Eigenproduktion der fünf Motorkernteile ( 5 C“ 83 ) Zylinderkopf, Kurbelgehäuse, Kurbelwelle, Pleuel und ” (c )V er la g D m G ac ov r. K Eine geringe Anzahl von Produktgruppen, oft nur die Einprodukt-Herstellung, findet sich bspw. bei der Erzeugung von Strom und Wasser. Im Gegensatz dazu ist eine hohe Anzahl von Produktgruppen (teilweise mehrere hundert) charakteristisch für die Konsumgüterindustrie (vgl. Meyr und Stadtler, 2005, S. 77). 83 Motorkernteile werden häufig sowohl in der Praxis als auch der Fachliteratur in Anlehnung an die englischen Bezeichnungen als 5 C“ bezeichnet: Cylinder Head (Zylinderkopf), Crank Case (Kurbelgehäuse), ” Crankshaft (Kurbelwelle), Connecting Rod (Pleuel) und Camshaft (Nockenwelle). bH 82 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 101 Nockenwelle weit verbreitet (vgl. Whitney u. a., 1998, S. 32). Dies gilt besonders für viele Volumenhersteller (siehe hierzu bspw. die Untersuchungen von Harbour Consulting, 2005, S. 124-127). Aber auch Premiumhersteller, wie z.B. Audi, produzieren alle Motorkernteile in Eigenfertigung84 . Andere OEMs, vor allem Volumenhersteller, integrieren darüber hinaus noch weitere Motorkomponenten in ihr Produktionsprogramm. Die General Motors Corporation (GM) stellt bspw. für bestimmte Motorbaureihen auch Ansaug- und Abgaskrümmer, Wasser- und Ölpumpen sowie Kolbenbolzen in Eigenfertigung her. Auch bei DaimlerChrysler werden Ansaugkrümmer, Öl- und Wasserpumpen sowie Kolben für Chrysler-Motoren hergestellt. Ähnliches gilt auch für Ford Motor Corporation (vgl. Harbour Consulting, 2005, S. 124-127). • Fahrwerk: Im Bereich Fahrwerk existieren von Hersteller zu Hersteller sehr unterschiedliche Produktionsprogramme und Eigenleistungsportfolios. BMW stellt bspw. Vorderund Hinterachsen, Achsgetriebe (Differenzialgetriebe), Bremsscheiben sowie Gelenkwellen und jeweils deren zentrale Komponenten, wie z.B. Achsträger oder Radsätze, in Eigenfertigung her85 . Bei DaimlerChrysler werden für MercedesBenz-Fahrzeuge neben Bremsscheiben, Achsen und Achsgetrieben auch Schaltund Automatikgetriebe hergestellt. Auch für diese Produkte werden zentrale Komponenten (Getriebegehäuseteile, Radsätze, Achslenker usw.) in Eigenfertigung hergestellt86 . 2. Variantenanzahl Jede Produktgruppe (z.B. Motor) umfasst mehrere Baureihen (z.B. Reihen-6-ZylinderBenzin-Motor (R6B)), die sich weiter in verschiedene Derivate (z.B. R6B-Motor mit Direkteinspritzung) und Varianten für unterschiedliche Fahrzeugbaureihen und Länder unterteilen lassen87 . Die hergestellten Produkte weisen eine hohe Anzahl von Varianten auf, da diese an unterschiedliche Fahrzeuge und Marktcharakteristika (z.B. Klima, gesetzliche Regelungen, Fahrverhalten) angepasst werden müssen. So weisen z.B. (c )V er la g D m G ac ov r. K Quelle: Unternehmensinformationen der Audi Hungaria Kft., verfügbar unter URL: http://www.audi. hu/deu/termekek/termekek.html (abgerufen am 24.11.2005). 85 Quelle: Unternehmensinformationen der BMW Group, verfügbar unter URL: http://www. bmw-werk-dingolfing.de/dingolfing/htdocs/lowband/com/de/produktion/content_fahrwerk_ dynamik.html (abgerufen am 24.11.2005), Pressemeldung der BMW Group vom 15.11.2005: BMW ” Group gewinnt Ludwig-Erhard-Preis 2005: Wichtigste deutsche Auszeichnung für Unternehmensqualität“. 86 Quelle: Unternehmensinformationen der DaimlerChrysler AG, verfügbar unter URL: http: //werk-untertuerkheim.daimlerchrysler.com/Projects/c2c/channel/documents/231354_ Einleger_PAC_RZ.pdf (abgerufen am 08.06.2006), http://werk-untertuerkheim.daimlerchrysler. com/Projects/c2c/channel/documents/231352_Einleger_PGE_RZ.pdf (abgerufen am 08.06.2006); Werner, 2006, o.S.. 87 Bei manchen Produktgruppen entfällt die mittlere Strukturierungsebene der Derivate. bH 84 102 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule Achsgetriebe-Radsätze bei der BMW Group mehr als 100 Varianten, manche Motorbaureihen mehrere hundert Varianten auf88 . Trotz Bestrebungen zur Standardisierung und Variantenreduktion ist in den nächsten Jahren mit einem weiteren Anstieg der Varianten aufgrund des immer weiter zunehmenden Trends nach möglichst individuellen Produkten, der Ausweitung der Fahrzeugmodellpaletten sowie neuer Antriebstechnologien (Hybridantriebe, Wasserstoffmotoren etc.) zu rechnen. 3. Lebenszykluslänge Der Lebenszyklus der betrachteten Produkte ist lang und beträgt je nach Komponente fünf bis über zehn Jahre. Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule sind häufig an den Fahrzeuglebenszyklus von ca. 5-7 Jahren89 gekoppelt. Im Zuge von Gleichteile- oder Plattformstrategien vieler Hersteller, welche den Einsatz bestimmter Komponentenbaureihen in einer größeren Anzahl von Fahrzeugmodellen und deren Nachfolgern vorsehen, ist eine zunehmende Entkopplung von Komponenten- und FahrzeugmodellLebenszyklen möglich. Dies gilt besonders für Motorbaureihen, die in vielen Fällen unabhängig von einzelnen Fahrzeugmodellen sind90 und stattdessen in einer großen Zahl unterschiedlicher Modelle eingesetzt werden. So wurde bspw. die R6B-Motorbaureihe der BMW Group im Jahr 2004 in allen Fahrzeugbaureihen der Marke BMW eingesetzt (vgl. Kühne und Iglsböck, 2004, o.S.). Aufgrund des Einsatzes in mehreren Fahrzeugbaureihen und deren zeitlich versetzten An- und Ausläufen können die Lebenszyklen von Motoren mehr als zehn Jahre betragen. Wie allgemein in der Automobilindustrie ist aber auch bei Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen eine Tendenz zur Verkürzung der Lebenszyklen festzustellen. Innerhalb der Produktlebenszyklen können die einzelnen Komponentenbaureihen in mehrjährigen Abständen kleinere und größere technische Überarbeitungen erfahren, was ggf. einen größeren Umbau der Produktionsanlagen erfordert. Darüber hinaus kann es zu einer mehrjährigen Überlappung der Produktion einer Komponente mit ihrer Nachfolgerkomponente kommen (bis die Vorgängerin entweder mit allen Fahrzeugbaureihen, in denen sie eingesetzt wird, ausläuft oder im Rahmen von Fahrzeugmodellüberarbeitungen durch die Nachfolgerin ersetzt wird). Die Kammlinienstückzahl solcher Komponenten wird entsprechend langsamer erreicht als im Fahrzeugbereich. Dies gilt vor allem für Motoren und erfordert angepasste An- und Auslaufstrategien91 . (c )V er la g D m G ac ov r. K Quelle: Unternehmensinformationen der BMW Group, verfügbar unter URL: http://www. bmw-werk-dingolfing.de/dingolfing/htdocs/lowband/com/de/produktion/content_fahrwerk_ dundf.html (abgerufen am 24.11.2005) und http://www.bmw-werk-muenchen.de/lowband/com/de/ produktion/content_motorenbau.html (abgerufen am 24.11.2005). 89 Vgl. Ferber, 2005, S. 35. 90 Die Zuordnung eines Motors zu einem Fahrzeugtyp erfolgt auf der Variantenebene des Motors durch Festlegung der entsprechenden Abgasanlage, Lenkhilfepumpe usw. 91 Zur Produktionsumstellung beim Auslauf eines Vorgänger- und Anlauf eines Nachfolgerprodukts siehe bspw. VON WANGENHEIM (1998) oder R ISSE (2003). bH 88 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 103 4. Stücklistenstruktur Das Merkmal Stücklistenstruktur“ beschreibt die Relationen der Vor- und Endprodukte. ” Hier können konvergierende, divergierende, serielle und gemischte92 Stücklistenstrukturen unterschieden werden (vgl. Meyr und Stadtler, 2005, S. 69). Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule weisen schwerpunktmäßig konvergierende Stücklistenstrukturen auf. In einigen Fällen können auch gemischte Strukturen bestehen. So kann bspw. eine Pleuelbaureihe in mehreren Motorbaureihen (z.B. in 4- oder 6-Zylinder-Motoren) eingesetzt werden. Im Zuge von Gleichteilestrategien ist mit einer Zunahme der Bedeutung gemischter Stücklistenstrukturen zu rechnen. 5. Grad der Standardisierung Hinsichtlich des Grads der Standardisierung lassen sich Standardprodukte und nach individuellen Kundenwünschen spezifizierte Produkte unterscheiden (vgl. Meyr und Stadtler, 2005, S. 69). Bei den in Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule hergestellten Produkten handelt es sich um Standarderzeugnisse mit einer abgeschlossenen Menge möglicher Varianten. Der Fahrzeugkäufer wählt über die Konfiguration seines Fahrzeugs die entsprechenden Komponenten aus dieser Variantenmenge direkt (z.B. im Falle der Motorisierung) oder indirekt (z.B. bei Achsen oder Gelenkwellen) aus, ohne aber einen direkten Einfluss auf deren Gestaltung zu haben. 6. Kunden Die Kunden können in organisationsinterne und -externe Kunden unterschieden werden. Da in dieser Forschungsarbeit interne Produktionssysteme von Automobilherstellern für die Herstellung von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen betrachtet werden, sind ihre Hauptkunden dementsprechend intern und bestehen in den jeweiligen Fahrzeugwerken des Herstellers. Die Fahrzeugproduktion erfolgt dabei zunehmend in global verteilten Produktionsnetzwerken der OEMs, was große Implikationen auf den Globalisierungsgrad93 der Komponentenproduktion hat (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2007, S. 52 ff. und Kinkel und Zanker, 2007, S. 55 ff.). Der Verkauf an externe Kunden nimmt dagegen nur einen geringen Anteil ein (z.B. im Jahr 2005 bei DaimlerChrysler im Werk Untertürkheim ca. 5% des Umsatzes (vgl. Werner, 2006, o.S.)). (c )V er la g D m G ac ov r. K Konvergierende Stücklistenstruktur : Jedes Produkt kann mehrere Vorgängerprodukte und maximal ein Nachfolgerprodukt haben. Divergierende Stücklistenstruktur : Jedes Produkt hat maximal ein Vorgängerprodukt, aber mehrere Nachfolgerprodukte. Serielle Stücklistenstruktur : Jedes Produkt hat maximal ein Vorgänger- und ein Nachfolgerprodukt. Gemischte Stücklistenstruktur : Kombination aus divergierenden, konvergierenden und seriellen Stücklistenstrukturen (vgl. Meyr und Stadtler, 2005, S. 69). 93 Siehe hierzu das entsprechende Merkmal Grad der Globalisierung“ in Abschnitt 3.1.1.2. ” bH 92 104 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule 7. Lage der Entkopplungspunkte In der Typologie von M EYR UND S TADTLER (2005) ist das Merkmal Lage der ” Entkopplungspunkte“ den strukturellen Merkmalen zugeordnet. Da in dieser Arbeit intra-organisationale Produktionssysteme Gegenstand der Untersuchung sind und die Entkopplungspunkte innerhalb des betrachteten einzelwirtschaftlichen Produktionssystems interessieren, wird dieses Merkmal hier den funktionalen Attributen zugeordnet. Die Lage der Entkopplungspunkte beschreibt den Punkt des Übergangs von der anonymen zur kundenauftragsbezogenen Produktion, die von Produktgruppe zu Produktgruppe variieren kann. Im Allgemeinen lassen sich folgende Ausprägungsformen identifizieren (vgl. Meyr und Stadtler, 2005, S. 70): • Engineer-to-order: vollständig kundenauftragsbezogene Produktion bereits ab der Entwicklung/Konstruktion • Manufacture-to-order: anonyme Entwicklung/Konstruktion mit kundenauftragsbezogener Teilefertigung und Montage • Assemble-to-order: anonyme Entwicklung/Konstruktion und Teilefertigung mit kundenauftragsbezogener Montage • Deliver-to-order: vollständig anonyme Entwicklung/Konstruktion, Teilefertigung und Montage; Zuordnung eines Kundenauftrags erst im Lager In Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule herrschen die Ausprägungsformen assemble-to-order und deliver-to-order vor. Während die Produktion der Einzelteile anonym auf Basis von Bedarfsprognosen erfolgt, können vielen Produkten (z.B. Motoren und Achsen) zu Beginn der Montage bereits konkrete Kundenaufträge (Fahrzeugaufträge) zugeordnet werden. In vielen Fällen erfolgt dann die Belieferung der Fahrzeugwerke nach dem Just-in-Time-Prinzip (JiT) oder dem Just-inSequence-Prinzip (JiS), sofern es die Auftragsdurchlaufzeiten in der Produktion und die Transportzeiten zu den Fahrzeugwerken zulassen. Andererseits werden Produkte für Fahrzeugwerke, die außerhalb der Just-in-Timeoder Just-in-Sequence-Reichweite (z.B. in Übersee) liegen, auf der Basis von Verkaufsprognosen der Fahrzeuge hergestellt. In diesen Fällen werden in den entsprechenden Fahrzeugwerken Bestände vorgehalten, um die in der Regel kurzen Lieferzeiten der kundenauftragsbezogenen Fahrzeugproduktion gewährleisten zu können. (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Diese Bestände steigen stark mit der Variantenanzahl an. 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 105 8. Kenntnis zukünftiger Bedarfe Zukünftige Bedarfe können entweder bekannt sein (z.B. geschlossene Verträge) oder unbekannt und mit Unsicherheiten behaftet sein (vgl. Meyr und Stadtler, 2005, S. 68 f.). Die strategischen Mengengerüste für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule, die im Gesamtkontext von Automobilherstellern als Sekundärbedarf anzusehen sind und sich aus den Bedarfen auf der Fahrzeugebene ableiten, sind unbekannt. Die Fahrzeugprognosen auf der strategischen Planungsebene basieren auf historischen Verkaufszahlen, bereits eingegangenen Aufträgen sowie spezifischem Vertriebs- und Marketingwissen über zukünftiges Kundenkaufverhalten (vgl. Meyr, 2004, S. 452-459). Fahrzeugbedarfsprognosen für strategische Planungshorizonte von zehn Jahren oder länger sind naturgemäß mit einem hohen Maß an Unsicherheit behaftet (siehe hierzu auch Ferber, 2005, S. 35). Dies gilt dementsprechend auch für den sekundären Komponentenbedarf. Da auf der Komponentenebene aber oftmals mehrere Alternativen, wie z.B. unterschiedliche Motorisierungen oder Getriebearten, möglich sind, müssen zusätzlich noch die Anteile der einzelnen Alternativen an den Stückzahlen der einzelnen Fahrzeugmodelle prognostiziert werden (vgl. Meyr, 2004, S. 454). Diese Anteile unterliegen ihren eigenen, schlecht prognostizierbaren Trends, wie z.B. dem Trend zu Dieselmotoren in den vergangenen Jahren, und stellen zusätzliche Quellen der Unsicherheit dar. Allgemein gilt, dass sich auf strategischer Planungsebene keine verlässlichen Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die Fahrzeug- und Komponentenbedarfe ableiten lassen, weshalb in der Automobilindustrie häufig auf Szenariomethoden (z.B. Betrachtung des erwarteten, des günstigsten und des schlechtesten Falles) zurückgegriffen wird (vgl. Eppen u. a. (1989), Ferber, 2005, S. 85 und Fleischmann u. a., 2006, S. 85.). 9. Distributionsstruktur Die Distribution der Endprodukte kann je nach Entfernung und Transportmenge einstufig (direkt vom Hersteller zum Kunden) oder mehrstufig (über Lager und Distributionszentren) erfolgen (vgl. Meyr und Stadtler, 2005, S. 68). Bei der Herstellung von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen kann beides zutreffend sein. Bei der BMW Group werden bspw. die CKD-Werke94 über das Distributionszentrum in Wackersdorf mit den betrachteten Fahrzeugmodulen sowie weiteren Fahrzeugkomponenten versorgt, während andere Fahrzeugwerke (auch in Übersee) direkt von den Komponenten-Werken beliefert werden. So werden z.B. in München hergestellte Motoren direkt in das Werk Spartanburg in den USA geliefert95 . (c )V er la g D m G ac ov r. K CKD steht für completely knocked down“. In CKD-Werken werden vollständig zerlegte Fahrzeuge an” geliefert und nur montiert. 95 Quelle: BMW Group, verfügbar unter URL: http://www.bmw-werk-muenchen.de/lowband/com/de/ produktion/content_motorenbau_zahlen.html (abgerufen am 24.11.2005). bH 94 106 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule Produktion Zur Beschreibung der Produktion werden aus der Supply Chain Typologie von M EYR UND S TADTLER (2005) die Merkmale Repetitionstyp“, Organisation des Produk” ” tionsprozesses“ und Arbeitszeitflexibilität“ herangezogen. Die Arbeitszeitflexibilität ” wird um den Einsatz von Zeitarbeitskräften ergänzt und beides unter dem Merkmal Personalflexibilität“ dargestellt. Darüber hinaus werden die genannten Merkmale um ” die Merkmale Produktionsstufen, Produktionsprozess und Fertigungsverfahren“ sowie ” Arten von Produktionsanlagen und Automatisierungsgrad“ und Anlagenflexibilität“ ” ” ergänzt: 1. Repetitionstyp Hinsichtlich des Repetitionstyps können Einzel-, Serien- und Massenproduktion unterschieden werden. Während bei der Einzelproduktion kundenindividuelle Einzelstücke produziert werden, bedeutet Massenfertigung die kontinuierliche Herstellung bestimmter Produkte in großen Mengen über einen längeren Zeitraum. In der Serienproduktion wird nach der Vorbereitung der Produktionsanlagen (Rüsten) eine begrenzte Anzahl von Teilen (Los) hergestellt (vgl. Meyr und Stadtler, 2005, S. 67 f.). Dies kann in Klein-, Mittel- und Großserien erfolgen. Die Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen beinhaltet verschiedene Repetitionstypen, die von Kleinserien (z.B. Komponenten für Luxusfahrzeuge) über Mittel- und Großserien (z.B. Komponenten für Mittelklassefahrzeuge) bis zur Massenproduktion, wie z.B. bei Pleueln mit Faktor vier bis zwölf je Motor96 , reichen. 2. Produktionsstufen, Produktionsprozess und Fertigungsverfahren Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule bestehen aus den beiden großen Produktionsstufen Einzelteilefertigung und Montage. Innerhalb jeder dieser beiden Produktionsstufen existieren verschiedene mehrstufige Produktionsprozesse (Abfolge von Arbeitsoperationen). Zur Durchführung dieser Prozessschritte kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz. Nach DIN 8580 lassen sich sechs Hauptgruppen von Fertigungsverfahren unterscheiden: Urformen, Umformen, Trennen, Fügen, Beschichten und Stoffeigenschaften ändern (vgl. DIN 8580). Montageprozesse bestehen hauptsächlich aus Füge- und Handhabungsverfahren und können weitere Hilfs-, Mess- und Prüfvorgänge beinhalten (vgl. DIN 8593-0). Bei der Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen kommen fast alle Haupt-Fertigungsverfahren zum Einsatz. Heterogenität und Volumenbandbreite )V er la g D m G ac ov r. K So werden bspw. bei Audi im Motorenwerk Györ pro Tag bis zu 12.000 Pleuel hergestellt (vgl. Audi Hungaria Motor Kft, 2005, S. 6). (c 96 bH des Produktionsprogramms sowie die Verwendung verschiedenster Materialien (Stahl, 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 107 Aluminium, Magnesium etc.) bedingen den Einsatz eines sehr breiten Spektrums von bis zu 100 verschiedenen Fertigungsverfahren97 . Dabei kommt in der Einzelteilefertigung der Gruppe der Trenn-, vor allem der Zerspanungsverfahren (z.B. Bohren, Fräsen, Drehen, Schleifen, Honen etc.), eine große Bedeutung zu98 . Im Fahrwerks- und Antriebsstrangbereich, speziell bei der Herstellung von Achsträgern oder Gelenkwellen, kommen auch Umform- und Schweißverfahren in größerem Umfang zum Einsatz99 . Viele mechanische Bauteile müssen darüber hinaus zur Festigkeitssteigerung gehärtet werden, andere wiederum werden beschichtet (z.B. zur Verschleißreduzierung). 3. Organisation des Produktionsprozesses Nach der Organisation des Produktionsprozesses lassen sich Werkstatt-, Gruppenund Fließproduktion als bedeutendste Ausprägungsformen der industriellen Stückgüterproduktion unterscheiden100 (vgl. Günther und Tempelmeier, 2003, S. 17 f. sowie Meyr und Stadtler, 2005, S. 67): • Bei der Werkstattproduktion werden Arbeitssysteme mit gleichartigen Funktionen zu einer Werkstatt gruppiert (Funktions- bzw. Verrichtungsprinzip). • Bei der Fließproduktion werden die einzelnen Arbeitssysteme nach dem Objektprinzip, d.h. nach der Reihenfolge der an einem bestimmten Produkt oder einer bestimmten Produktgruppe durchzuführenden Arbeitsoperationen, angeordnet. • Die Gruppenproduktion stellt eine Mischung aus Fließ- und Werkstattproduktion mit wahlfreien Materialflüssen dar und wird zur Komplettbearbeitung einer Gruppe ähnlicher Produkte eingesetzt. (c )V er la g D m G ac ov r. K Quelle: Unternehmensinformationen der Renault S.A., verfügbar unter URL: http://www.renault.com/ renault_com/en/images/11301%2011301_DP_voyageCleon_03_06_GB_tcm1120-352794.pdf (abgerufen am 30.05.2006). 98 Quelle: Unternehmensinformationen der BMW Group, verfügbar unter URL: http://www. bmw-werk-steyr.at/deutsch/produktion/mechanische_fertigung/content_mechanische_ fertigung.html (abgerufen am 24.11.2005), http://www.bmw-plant-hamshall.co.uk/deutsch/ production_pages/machining/body.html (abgerufen am 24.11.2005), Unternehmensinformationen der DaimlerChrysler AG, verfügbar unter URL: http://werk-untertuerkheim.daimlerchrysler. com/Projects/c2c/channel/documents/231354_Einleger_PAC_RZ.pdf (abgerufen am 08.06.2006), http://werk-untertuerkheim.daimlerchrysler.com/Projects/c2c/channel/documents/231352_ Einleger_PGE_RZ.pdf (abgerufen am 08.06.2006). 99 Quelle: Unternehmensinformationen der DaimlerChrysler AG, verfügbar unter URL: http: //werk-untertuerkheim.daimlerchrysler.com/Projects/c2c/channel/documents/231354_ Einleger_PAC_RZ.pdf (abgerufen am 08.06.2006). 100 Als weitere Organisationsformen existieren noch die Baustellen- und die Werkbank- bzw. Standplatzproduktion (siehe hierzu bspw. Hernández u. a., 2002, S. B3-13 f.), die aber in der Automobilindustrie kaum eine Rolle spielen. bH 97 108 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule Viele Produkte in den Bereichen Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang werden in Großserien- oder Massenfertigung hergestellt, weshalb die Produktionsprozesse schwerpunktmäßig nach dem Fließprinzip organisiert sind. Kleinserienproduktionsbereiche (z.B. für Luxusfahrzeuge) und hochflexible Produktionsbereiche sind andererseits nach dem Werkstatt- oder Gruppenprinzip organisiert. 4. Arten von Produktionsanlagen und Automatisierungsgrad Die Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen ist grundsätzlich sehr kapitalintensiv, d.h. sie ist mit erheblichen Investitionen, hohen fixen und variablen Kosten sowie einer langen Kapitalbindung (z.T. über mehrere Produktlebenszyklen) verbunden. Z.B. wurden für die Produktion eines neuen Reihen-4-ZylinderDiesel-Motors bei Renault im Werk Cléon in den Jahren 2005 und 2006 insgesamt 300 Mio. e für neue Anlagen und Werkzeuge sowie für Umbaumaßnahmen bestehender Linien investiert101 . Ford investierte in den Jahren 2000 und 2001 mehr als 180 Mio. e in Transferstraßen und flexible Fertigungssysteme für die Produktion von Kurbelgehäusen und Zylinderköpfen im kanadischen Werk Windsor102 . Die Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen ist allgemein durch den Einsatz unterschiedlichster Produktionsanlagen gekennzeichnet: • Einzelteilefertigung: In der Einzelteilefertigung können hochflexible, unverkettete CNC-Mehrmaschinensysteme für Kleinstserien, flexible Fertigungssysteme für Klein- und Mittelserien sowie flexible und starre Transferstraßen für die Großserien- und Massenproduktion zum Einsatz kommen: – Mehrmaschinensysteme aus unverketteten Einzelmaschinen bestehen oft aus standardisierten Vielzweckmaschinen. Sie besitzen eine sehr hohe Belegungs-, Volumen- und Nachfolgeflexibilität (siehe hierzu die Ausführungen zum Merkmal Anlagenflexibilität“), weisen aber aufgrund mangeln” der Verkettung und losweiser Produktion (in der Regel mit vorgeschalteten Rüstvorgängen je Los) eine geringere Leistungsfähigkeit auf als andere Anlagentypen. – Zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit bei gleichzeitig hoher Flexibilität wurden flexible Fertigungssysteme entwickelt. Ein flexibles Fertigungssystem beinhaltet mehrere, sich funktional ergänzende oder ersetzende Bearbei- (c )V er la g D m G ac ov r. K Quelle: Unternehmensinformationen der Renault S.A., verfügbar unter URL: http://www.renault.com/ renault_com/en/images/11301%2011301_DP_voyageCleon_03_06_GB_tcm1120-352794.pdf (abgerufen am 30.05.2006). 102 Quelle: Unternehmensinformationen der Thyssen Krupp AG, verfügbar unter URL: http://www. thyssenkrupp.com/de/presse/art_detail.html&eid=tk_pnid224 (abgerufen am 19.06.2006). bH 101 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 109 tungszentren103 und ggf. auch Sondermaschinen, die über ein automatisches, flexibles und maschinenunabhängiges (außenverkettetes) Materialflusssystem verbunden sind und über ein gemeinsames Informationssystem gesteuert werden. Hinzu kommen maschinenunabhängige Werkstückund Werkzeugspeichereinrichtungen. Dies ermöglicht eine gleichzeitige automatische Komplettbearbeitung mehrerer verschiedenartiger Werkstücke mit wahlfreiem Materialfluss innerhalb des flexiblen Fertigungssystems (vgl. Hahn und Laßmann, 1999, S. 51 f., Tempelmeier und Kuhn, 1993, S. 6 f., Krycha, 1996, S. 1621). – Wesentliche Merkmale von Transferstraßen sind die Anordnung der Bearbeitungsstationen nach dem Fließprinzip und der einheitliche, getaktete Materialfluss (vgl. Günther und Tempelmeier, 2003, S. 16). Es können starre und flexible Transferstraßen unterschieden werden. Starre Transferstraßen sind in der Regel Sondermaschinen aus mehreren Arbeitssystemen (Transferstraßenstationen) mit synchronem104 , innenverkettetem Materialfluss, die an die spezifischen Eigenschaften eines bestimmten Produkts oder Produktspektrums angepasst sind. Flexible Transferstraßen sind aus fest miteinander verketteten, mehrachsigen CNC-Maschinen (oder Bearbeitungszentren) aufgebaut und erlauben die Herstellung eines größeren, aber dennoch relativ stark begrenzten Produktspektrums in wahlfreier Reihenfolge (vgl. Tempelmeier und Kuhn, 1993, S. 7). Sie kennzeichnen sich weiter durch lose Taktfertigung und dementsprechend asynchronem Materialfluss. Transferstraßen zeichnen sich durch hohe Leistungsfähigkeit, aber nur relativ geringe Flexibilität aus. Sie können häufig nur eine eng begrenzte Anzahl von Produkten gleichzeitig herstellen. Belegungswechsel oder die Erhöhung des Kapazitätsquerschnitts durch Hinzufügen von weiteren Arbeitssystemen erfordern in der Regel große Umbaumaßnahmen und sind daher sehr aufwändig und häufig unwirtschaftlich. Bei der Einzelteilefertigung von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen kommen alle genannten Anlagentypen zum Einsatz. So werden bspw. bei der BMW Group Motorkernteile teils auf flexiblen Fertigungssystemen, teils auf HighRunner-Transferstraßen hergestellt105 . Radsätze werden auf dagegen unverket- (c )V er la g D m G ac ov r. K Bearbeitungszentren sind um automatische Werkzeug- und Werkstückwechseleinrichtungen erweiterte CNC-Maschinen mit eigenem Steuerungsrechner. In einer Aufspannung des Werkstücks können hintereinander verschiedene Bearbeitungsgänge durchgeführt werden (z.B. Bohr- und Fräsbearbeitungen) (vgl. Hahn und Laßmann, 1999, S. 51). 104 Von synchronem Materialfluss spricht man, wenn sich die Werkstücke nur simultan fortbewegen können (starre Verkettung) (vgl. Günther und Tempelmeier, 2003, S. 16). 105 Quelle: BMW Group, verfügbar unter URL: http://www.bmw-werk-muenchen.de/lowband/com/de/ produktion/content_motorenbau_zahlen.html (abgerufen am 24.11.2005). bH 103 110 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule teten Mehrmaschinensystemen in Flow Shop Anordnung hergestellt, d.h. alle Produkte durchlaufen die Werkstätten in der gleichen Reihenfolge. Trotz der schwindenden Bedeutung von Transferstraßen in der Automobilindustrie (vgl. Mercer Management Consulting, 2001) werden sie noch in vielen Motorenwerken zur Massenfertigung von Pleueln für Großserienmotoren eingesetzt. Häufig werden auch sog. Hybridsysteme verwendet, die sich aus verketteten Bearbeitungszentren und einem Transferstraßenteil zusammensetzen. Dabei werden für Bearbeitungsschritte, die sich im Laufe des Lebenszyklus im Rahmen von technischen Überarbeitungen ändern können, die flexiblen Bearbeitungszentren eingesetzt. Unveränderliche oder gering veränderliche Bearbeitungsschritte, die eine dementsprechend geringere Flexibilität benötigen, werden mit effizienteren Transferstraßen bearbeitet. So verbinden Hybridsysteme Effizienz und Flexibilität auf eine intelligente Weise. Solche Systeme werden bspw. bei der BMW Group oder bei PSA Peugeot Citroën für die Kurbelgehäuse- und Kurbelwellenfertigung eingesetzt106 . Die Automatisierungsgrade in der Einzelteilefertigung sind im Allgemeinen sehr hoch und liegen bei 90-95%107 . In der Einzelteilefertigung können Taktzeiten bis zu 24 s realisiert werden108 . Bei der Pleuelherstellung sind beim Einsatz von Transferstraßen Taktzeiten im einstelligen Sekundenbereich möglich, wie z.B. 7,5 Sekunden im PSA Peugeot Citroën Motorenwerk in Douvrin109 . • Montage: Produktionsanlagen in der Montage (Montagelinien) sind in der Regel nach dem Fließprinzip aufgebaut und bestehen aus einer Reihe von Montage- und Prüfstationen, die über ein Fördersystem für Werkstücke miteinander verkettet sind. Die Arbeitsfolgen an den einzelnen Stationen können entweder manuell, halbautomatisch oder automatisch durchgeführt werden. Zur Automatisierung werden vor allem Roboter für das Handling und Fügen der Teile sowie Verschraubungsstationen eingesetzt (vgl. Jayaraman und Gunal, 1997, S. 759 und Bussmann und (c )V er la g D m G ac ov r. K Vgl. Kühne und Iglsböck, 2004, o.S. und Cooperation Between PSA Peugeot Citroën and BMW Group. Industrial Cooperation Day. 21.06.2005. Douvrin, verfügbar unter URL: http://www.psa-peugeot-citroen.com/document/presse_dossier/PK_PSA_BMWGroup_June2005_ eng1119344514.pdf (abgerufen am 12.06.2006). 107 Quelle: Unternehmensinformationen der BMW Group, verfügbar unter URL: http://www. bmw-werk-muenchen.de/lowband/com/de/produktion/content_motorenbau_zahlen.html (abgerufen am 24.11.2005), http://www.bmw-plant-hamshall.co.uk/deutsch/production_pages/ machining/body.html (abgerufen am 24.11.2005). 108 Quelle: Unternehmensinformationen der Renault S.A., verfügbar unter URL: http://www.renault.com/ renault_com/en/images/11301%2011301_DP_voyageCleon_03_06_GB_tcm1120-352794.pdf (abgerufen am 30.05.2006). 109 Quelle: Cooperation Between PSA Peugeot Citroën and BMW Group. Industrial Cooperation Day. 21.06.2005. Douvrin, verfügbar unter URL: http://www.psa-peugeot-citroen.com/document/ presse_dossier/PK_PSA_BMWGroup_June2005_eng1119344514.pdf (abgerufen am 12.06.2006). bH 106 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 111 Sieverding, 2001, S. 169). In der Montage liegen die Automatisierungsgrade deutlich unter denen der Einzelteilefertigung. Selbst in hochautomatisierten Montagelinien für Großserienmotoren liegen die Automatisierungsgrade selten höher als 50%110 . In der Reihen-4-Zylinder-Dieselmotor-Montagelinie von Renault im Werk Cléon sind bspw. von 144 Montagestationen nur 51 vollständig und 30 teilweise automatisiert. In der Montagelinie für kleine 4-Zylinder-Motoren bei PSA Peugeot Citroën im französischen Werk Douvrin sind 50% der Arbeitsplätze automatisiert111 . Bei BMW im Werk München betragen die Automatisierungsgrade bis zu 30%112 . In der Motormontage sind Taktzeiten bis zu 20s möglich113 . 5. Anlagenflexibilität Viele Produktionsprozesse in den beiden Produktionsstufen Einzelteilefertigung und Montage können grundsätzlich auf unterschiedlichen Anlagentypen durchgeführt werden. Die Vorteilhaftigkeit eines bestimmten Anlagentyps hängt dabei von mehreren Faktoren ab, wie z.B. Produktionsmenge, Lohnkostenniveau, Anlagenbelegung oder Variantenanzahl. Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die geforderte Flexibilität des Produktionssystems, die maßgeblich durch die Produktionsanlagen geprägt wird. Im Folgenden werden Belegungs-, Mix-, Volumen- und Nachfolgeflexibilität von Anlagen genauer betrachtet: • Belegungsflexibilität: In Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule reicht das Spektrum von hochflexiblen Anlagen bis hin zu unflexiblen, mit nur einer Baureihe belegten High-Runner-Linien. Ein Beispiel für den Einsatz von Anlagen mit hoher Belegungsflexibilität in der Motormontage ist Porsche. Hier werden alle Motorvarianten für die Modelle Boxster und 911 im Modell-Mix über die gleichen Montagelinien gefertigt114 . Ein weiteres Beispiel ist die hochflexible Montagelinie für Klein- und Mittelserien- (c )V er la g D m G ac ov r. K In der Praxis werden die Automatisierungsgrade häufig nicht wie in DIN 19233 definiert über die Anzahl der automatisierten Prozessschritte, sondern über die Grundzeiten der automatisierten Prozessschritte angegeben. 111 Quelle: Cooperation Between PSA Peugeot Citroën and BMW Group. Industrial Cooperation Day. 21.06.2005. Douvrin, verfügbar unter URL: http://www.psa-peugeot-citroen.com/document/ presse_dossier/PK_PSA_BMWGroup_June2005_eng1119344514.pdf (abgerufen am 12.06.2006). 112 Quelle: Unternehmensinformationen der BMW Group, verfügbar unter URL: http://www. bmw-werk-muenchen.de/lowband/com/de/produktion/content_motorenbau_zahlen.html (abgerufen am 24.11.2005). 113 Quelle: Unternehmensinformationen der Renault S.A., verfügbar unter URL: http://www.renault.com/ renault_com/en/images/11301%2011301_DP_voyageCleon_03_06_GB_tcm1120-352794.pdf (abgerufen am 30.05.2006). 114 Quelle: Unternehmensinformationen der Porsche AG, verfügbar unter URL: http://www.porsche.com/ germany/aboutporsche/994d6b22-b842-41f7-80e5-bc02cd7487f3/n76/n637/n641 (abgerufen am 6.12.2005). bH 110 112 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule motoren bei BMW im Werk München, wo simultan R6B-, V10B-, V12B- und V8DMotoren montiert werden können. Eine ähnliche Belegungsflexibilität weist die Einzelteilefertigung der Kernteile dieser Motoren auf, die überwiegend auf hochflexiblen, verketteten Bearbeitungszentren durchgeführt wird115 . Auch die Ford Motor Corporation liefert ein weiteres Beispiel für den Einsatz flexibler Anlagen in der Einzelteilefertigung. Im Motorenwerk Cleveland werden flexible Fertigungssysteme aus Zellen von bis zu acht werksübergreifend standardisierten Bearbeitungszentren eingesetzt. Dadurch ist eine schnelle Umrüstung zwischen verschiedenen Produkten sowie eine flexible Durchführung von An- und Ausläufen möglich. Ebenso können Lose unterschiedlicher Größenordnungen produziert werden – von wenigen Prototypen bis hin zur Großserienproduktion. Darüber hinaus wird durch die werksübergreifende Standardisierung eine Flexibilität im Produktionsnetzwerk geschaffen, die es erlaubt, mehrere Baureihen an verschiedenen Orten herstellen zu können116 . Starre Transferstraßen, die häufig bei der Massenfertigung von Pleueln für Großserienmotoren eingesetzt werden, weisen dagegen die geringste Belegungsflexibilität in der Einzelteilefertigung auf. Häufig kann nur eine Baureihe mit begrenzter Variantenanzahl hergestellt werden. Zwischen den bereits beschriebenen hoch- und unflexiblen Anlagen existiert eine Vielzahl von Anlagen mit limitierter Belegungsflexibilität. Diese Anlagen sind für die Produktion einer bestimmten Menge von Baureihen ausgelegt. Eine Erweiterung der Flexibilität solcher Anlagen über das installierte Maß hinaus ist in vielen Fällen nicht oder nur mit erheblichen Zusatzinvestitionen möglich. • Mixflexibilität: Zwischen den Produkten der in dieser Arbeit betrachteten Produktgruppen bestehen oft Substitutionseffekte, was ein Produktionssystem mit ausreichender Mixflexibilität erfordert. Insbesondere bei Diesel- und Benzinmotoren können Verschiebungen der Anteile an der Gesamtproduktionsmenge (Mixverschiebungen) bei mangelnder Flexibilität zu größeren Problemen führen, da zwischen diesen beiden Motorarten große technologische Unterschiede (Einspritz- und Brennverfahren, Verbrennungsdrücke etc.) existieren. Dies resultiert häufig in verschiedenen Materialien der Motorkomponenten (z.B. (c )V er la g D m G ac ov r. K Quelle: Unternehmensinformationen der BMW Group, verfügbar unter URL: http://www. bmw-werk-muenchen.de/lowband/com/de/produktion/content_motorenbau.html (abgerufen am 24.11.2005). 116 Interviews mit den Ford-Managern Dave Szczupak (Vice President for Powertrain Operations) und Roman Krygier (Group Vice President for Global Manufacturing), zitiert in Smith, P.L.: “Engine Plant Revs Up Production. Ford Motor’s flexible-manufacturing strategy pays off for its newly reopened Cleveland Engine Plant No. 1.“, Online-Artikel verfügbar unter URL: http://www.americanmachinist.com/304/ Issue/Article/False/8556/Issue (abgerufen am 20.06.2006). bH 115 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 113 Aluminium-Magnesium-Verbund-Kurbelgehäuse bei BMW Reihen-6-ZylinderBenzin-Motoren und Aluminium-Kurbelgehäuse bei BMW Reihen-6-ZylinderDiesel-Motoren) sowie unterschiedlichem technischen Design (z.B. Kurbelgehäusekonzept, unterschiedliche Lochmaße bzw. Stegbreiten zwischen den Zylindern) und wirkt sich auf die Produktionsprozesse und Anlagen aus. Je größer diese Unterschiede sind bzw. je geringer die Kommunalität der Produkte ist, umso komplexer und kapitalintensiver gestaltet sich die Realisierung mixflexibler Produktionsanlagen für Diesel- und Benzinmotoren. Ohne flexible Anlagen besteht aber bei einer größeren Verschiebung des Diesel-Benzin-Verhältnisses die Gefahr des simultanen Auftretens von Überkapazitäten und Kapazitätsengpässen. • Volumenflexibilität: Die Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen ist ein Bereich mit hohen Bedarfsunsicherheiten. Daher ist neben der Belegungsflexibilität die Volumenflexibilität der Anlagen von herausragender Bedeutung. In der Einzelteilefertigung zeigt das genannte Beispiel der Ford Motor Corporation, wie durch modularisierte flexible Fertigungssysteme große Volumenbandbreiten effizient erreicht werden können. Flexible Fertigungssysteme sind häufig skalierbare Anlagen, deren Kapazität durch zusätzliche Arbeitssysteme erweitert werden kann. Dies ist jedoch bei starren Transferstraßen nicht möglich oder häufig mit unwirtschaftlich hohem Aufwand verbunden. Montagelinien sind wiederum aufgrund ihres modularen Aufbaus und der geringeren Automatisierung innerhalb gewisser Grenzen skalierbar. Darüber hinaus kann in der Montage in bestimmten Bandbreiten durch Umtaktung der Linien flexibler auf Schwankungen des Produktionsvolumens reagiert werden als in der Einzelteilefertigung. • Nachfolgeflexibilität: Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule kennzeichnen sich durch eine hohe Kapitalintensität der Produktion und einer damit verbundenen längeren Amortisationszeit der Anlagen. Häufig sind mehrere technische Überarbeitungen der Produkte während ihres Lebenszyklus erforderlich und Nachfolgerprodukte müssen zusammen mit ihren Vorgängern oftmals über einen mehrjährigen Zeitraum überlappend produziert werden. Dies erfordert nachfolgeflexible Anlagen, die mit möglichst geringem Aufwand veränderte oder neue Produktionsaufgaben in der Zukunft wahrnehmen können. Der Vorteil nachfolgeflexibler Produktionsanlagen wird an folgendem Beispiel besonders deutlich: Bei Renault im Motorenwerk Cléon konnte für 1,6 Mio. e ei- bH ne bestehende Pleuelfertigungslinie für die Produktion eines neuen Reihen-4- (c )V er la g D r. K ov ac G m Zylinder-Diesel-Motors umgebaut werden, während für eine neue Anlage Investitionsmittel von ca. 17 Mio. e erforderlich gewesen wären. Insgesamt konnten in 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule 114 diesem Werk drei bestehende Linien für die neuen Produktionsaufgaben umgebaut werden – mit entsprechend großen Einsparungen117 . 6. Personalflexibilität Die Arbeitszeitflexibilität und der Einsatz von Zeitarbeitskräften sind bedeutende Größen für eine flexible Anpassung der Personalkapazitäten an den Personalbedarf. In der Automobilindustrie eingesetzte Maßnahmen zur Arbeitszeitflexibilisierung sind bspw. Pausendurchläufe, flexible Schichtsysteme oder Wochenendschichten (vgl. Lehndorff, 2001, S. 9-13). Eine Übersicht über die Schichtsysteme verschiedener Komponentenwerke in der europäischen Automobilindustrie findet sich bspw. bei L EHN DORFF (2001). Die Arbeitszeitflexibilität in der Automobilindustrie kann grundsätzlich als verhältnismäßig hoch eingestuft werden (vgl. Haipeter und Lehndorff, 2005, S. 142 sowie Ferber, 2005, S. 36). Der Einsatz von Zeitarbeitskräften ist in der Automobilindustrie sowohl bei OEMs als auch bei Zulieferern weit verbreitet. Einer Studie des CAR-Center Automotive Research der Fachhochschule Gelsenkirchen zufolge greifen 86% der befragten Unternehmen dieser Branche auf Leiharbeitnehmer zurück. Schwerpunkt des Einsatzes ist die Produktion. Aber auch in Logistik, Verwaltung und Entwicklung werden Zeitarbeitskräfte eingesetzt. In der Produktion der untersuchten Unternehmen stammen 17% der Hilfskräfte und 7% der Facharbeiter von Zeitarbeitsfirmen. Ein Drittel der in dieser Studie befragten Unternehmen setzt in der Produktion Zeitarbeitskräfte auch dauerhaft und nicht nur zur Überbrückung von Personalbedarfsspitzen ein. Bei höher qualifizierten Arbeitskräften und in kaufmännischen Bereichen liegt der Anteil der Zeitarbeitskräfte dagegen nur bei rund 3% (vgl. Dudenhöffer und Büttner, 2006). Der Deutsche Gewerkschaftsbund ermittelt für die Automobilindustrie gesamthaft einen durchschnittlichen Zeitarbeitskräfteanteil von 15%. Bei einzelnen Automobilzulieferern existieren dagegen Leiharbeitnehmerquoten von bis zu 50% (vgl. Deutscher Gewerkschaftsbund, 2005, S. 2 f.). Beschaffung Zur Charakterisierung der Materialbeschaffungsprozesse in Produktionssystemen für )V er la g D m G ac ov r. K Quelle: Unternehmensinformationen der Renault S.A., verfügbar unter URL: http://www.renault.com/ renault_com/en/images/11301%2011301_DP_voyageCleon_03_06_GB_tcm1120-352794.pdf (abgerufen am 30.05.2006). (c 117 bH Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule werden die Merkmale Anzahl und Art ” der fremdbezogenen Produkte“ sowie Bezugstyp“ aus der Typologie von M EYR UND ” S TADTLER (2005) herangezogen: 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 115 1. Anzahl und Art der fremdbezogenen Produkte Die Anzahl der fremdbezogenen Produkte hängt von der Eigenleistungsstrategie eines Unternehmens ab und wird mit den ordinal skalierten Attributen gering, mittel und hoch beschrieben (vgl. Meyr und Stadtler, 2005, S. 66). In Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule haben viele Endprodukte (z.B. Achsen oder Motoren) komplexe Produktstrukturen und setzen sich aus einer großen Zahl von verschiedenen mechanischen und/oder elektrisch-elektronischen Einzelteilen und Baugruppen zusammen. So bestehen bspw. bei der BMW Group im Werk München montierte Motoren (6-, 8-, 10- und 12-Zylindermotoren) aus durchschnittlich ca. 450 Komponenten118 . Kleinere 4-Zylinder-Motoren bei PSA Peugeot Citroën oder Renault bestehen dagegen aus ca. 250-350 Komponenten119 . Je nach Eigenleistungsstrategie des betreffenden Automobilherstellers werden die benötigten Vorprodukte in unterschiedlichem Umfang fremdbezogen. Die Eigenleistungstiefe in den Bereichen Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang ist dabei als gering bis mittel einzustufen. Für das Jahr 2002 wird der Branchendurchschnitt der Wertschöpfungstiefe in der Automobilindustrie im Bereich Motor mit 50%, im Bereich Antriebsstrang mit 37% und im Bereich Fahrwerk mit 23% beziffert. Es wird erwartet, dass die Wertschöpfungstiefen der OEMs in den nächsten Jahren im Zuge der fortschreitenden Konzentration auf Kernkompetenzen weiter sinken werden. Wie in Abbildung 1.2 bereits dargestellt, werden bis zum Jahr 2015 für das Hauptmodul Motor nur noch 36%, für den Bereich Fahrwerk 15% und für das Hauptmodul Antriebsstrang 20% Wertschöpfungstiefe bei den OEMs erwartet (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2004, S. 21). Im Bereich Motor betrifft diese Reduzierung der Wertschöpfungstiefe häufig die Kernteile Pleuel und Nockenwelle (siehe auch die Untersuchungen von Harbour Consulting, 2005, S. 124-127). So bezieht bspw. die BMW Group ihre Nockenwellen schwerpunktmäßig von der Firma Mahle, an welche im Jahr 2003 die zentrale Nockenwellenfertigung der BMW Group im Werk Berlin im Rahmen eines Mehrheits-Joint Ventures überging120 . Hinsichtlich der Art der fremdbezogenen Produkte werden standardisierte Kaufteile (Normteile, wie z.B. Schrauben) und spezifische Kaufteile unterschieden (vgl. Meyr und (c )V er la g D m G ac ov r. K Quelle: Unternehmensinformationen der BMW Group, verfügbar unter URL: http://www. bmw-werk-muenchen.de/lowband/com/de/produktion/content_motorenbau_zahlen.html (abgerufen am 24.11.2005). 119 Quelle: Unternehmensinformationen der Renault S.A., verfügbar unter URL: http://www.renault. com/renault_com/en/images/11301%2011301_DP_Cleon_03_06_GB_tcm1120-352794.pdf (abgerufen am 30.05.2006) und Cooperation Between PSA Peugeot Citroën and BMW Group. Industrial Cooperation Day. 21.06.2005. Douvrin, verfügbar unter URL: http://www.psa-peugeot-citroen.com/document/ presse_dossier/PK_PSA_BMWGroup_June2005_eng1119344514.pdf (abgerufen am 12.06.2006). 120 Presseinformation zum Geschäftsverlauf 2003 des MAHLE Konzerns, Stuttgart/Bad Cannstatt, 19.01.2004. bH 118 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule 116 Stadtler, 2005, S. 66). In Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule ist der überwiegende (wertmäßige) Anteil der fremdbezogenen Teile und Baugruppen hochspezifisch und den Anforderungen der jeweiligen Produkte und Hersteller angepasst. 2. Bezugstyp Hinsichtlich des Bezugstyps können single sourcing (ein einzelner Lieferant für ein bestimmtes Zukaufteil) und multiple sourcing (mehrere Lieferanten für ein bestimmtes Zukaufteil) unterschieden werden (vgl. Meyr und Stadtler, 2005, S. 66). Da für viele Komponenten, insbesondere im Fahrwerks- und Antriebsstrangbereich, mehrere Lieferanten in verschiedenen Ländern zur Auswahl stehen, kann der Fremdbezug sowohl in single als auch multiple sourcing erfolgen, was von der Struktur des Produktionsnetzwerks, den Beschaffungspreisen und Risikoüberlegungen abhängt. Dementsprechend kann bei Auslandsstandorten der Fremdbezug (vor allem von Standardteilen) häufig auch über lokale Lieferanten erfolgen. Im Allgemeinen ist die Anzahl der Lieferanten sehr groß. Das DaimlerChrysler Werk Untertürkheim wird z.B. von mehr als 700 Lieferanten mit Teilen versorgt (vgl. Werner, 2006, o.S.). 3.1.1.2 Strukturelle Merkmale Hinsichtlich der Struktur von Supply Chains unterscheiden M EYR UND S TADTLER (2005) zwei Merkmalsgruppen: Topografie“ und Integration/Koordination“. In dieser ” ” Arbeit spielen nur die Topografiemerkmale eine Rolle, da das intra-organisationale Produktionssystem eines Unternehmens im Mittelpunkt der Betrachtungen steht. Merkmale aus der Gruppe Integration/Koordination, wie z.B. rechtliche Selbständigkeit der Supply Chain Elemente oder Machtverteilung, sind hier somit nicht relevant. Die Topografie des Produktionssystems kann im Wesentlichen über die Merkmale Netz” werkstruktur“, Werksgröße“ und Grad der Globalisierung“ charakterisiert werden: ” ” Netzwerkstruktur Auf der Netzwerkebene können fünf Grundtypen von Produktionsstrukturen in einem globalen Kontext unterschieden werden: Weltfabrik, lokale Produktion für den lokalen Markt, Netz, Kette und Hub-and-Spoke (siehe Abschnitt 2.2.4). Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule bestehen auf der Netzwerkebene bH oft aus mehreren, z.T. international verteilten Produktionsstätten. So produziert bspw. (c )V er la g D G ac ov r. K ken Steyr, München und Hams Hall. Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule werden in m die BMW Group Motoren für die Marken BMW, Mini und Rolls-Royce in den Wer- 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 117 den Werken Berlin, Landshut und Dingolfing hergestellt121 . DaimlerChrysler produziert Motoren für die PKWs der Marken Mercedes-Benz und Maybach in den Werken Untertürkheim122 und Berlin-Marienfelde. Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule werden schwerpunktmäßig in Untertürkheim, Gaggenau (mit Werksteil Rastatt) und Hamburg hergestellt123 . Viele Volumenhersteller besitzen sehr große Produktionsnetzwerke. Renault verfügte 2006 bspw. weltweit über 16 Produktionsstandorte für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule und General Motors besaß in diesem Jahr weltweit über 38 Produktionsstätten124 . Der 2005 neu gegründete Geschäftsbereich Fiat Powertrain Technologies der Fiat Group produziert mit ca. 19.000 Mitarbeitern in acht Ländern und 16 Werken jährlich etwa 2,5 Mio. Benzin- und Dieselmotoren und 2 Mio. Getriebe125 . Toyota produziert Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule weltweit in zwölf Ländern126 . Hersteller wie Audi und Porsche fertigen dagegen aufgrund der wesentlich geringeren Stückzahlen und der stärker geografisch konzentrierten Fahrzeugproduktion fast alle Motoren an einem Standort – Audi im ungarischen Werk Györ und Porsche im schwäbischen Zuffenhausen. An vielen Standorten werden sowohl Zwischen- als auch Endprodukte hergestellt. Einige Hersteller, wie z.B. BMW, praktizieren auch eine Splitproduktion einzelner Produkte an mehreren Standorten. Reihen-6-Zylinder-Benzin-Motoren werden bei BMW bspw. an den Standorten München und Steyr montiert127 . Andere Beispiele für eine Splitproduktion finden sich bei Ford und General Motors128 . Bei einer Produktion im Netzwerk können Einzelteilefertigung und Montage räumlich 121 Quelle: Websites der BMW Group bzw. Websites der einzelnen BMW-Werke. Werksverbund aus den Produktionsstätten Untertürkheim, Bad Cannstatt, Brühl, Mettingen, Sirnau, Hedelfingen und Zuffenhausen (vgl. Werner, 2006, o.S.). 123 Quelle: Unternehmensinformationen der DaimlerChrysler AG, verfügbar unter URL: http://www. daimlerchrysler.com/dccom/1,,0-5-8792-49-0-0-0-0-0-0-0-0-7155-0-0-0-0-0-0-0,00.html (abgerufen am 19.06.2006). 124 Quelle: Unternehmensinformationen der Renault S.A., verfügbar unter URL: http://www.renault. com/renault_com/en/images/Renault%20Atlas_March%202006_tcm1120-314675.pdf (abgerufen am 30.05.2006) und Unternehmensinformationen der General Motors Corporation, verfügbar unter URL: http://www.gm.com/automotive/gmpowertrain/about/index.htm (abgerufen am 30.05.2006). 125 Quelle: Unternehmensinformationen der Fiat Group, verfügbar unter URL: http://www.fptpowertrain. com/eng/chi_siamo.htm (Stand 2006) und http://www.fiatgroup.com/comuni/php/file_get.php? w=TYDEX5B410VWQ7D84ZO1 (abgerufen am 24.07.2006). 126 Quelle: Unternehmensinformationen der Toyota Motor Corporation, verfügbar unter URL: http://www. toyota.co.jp/en/about_toyota/manufacturing/worldwide.html (abgerufen am 19.06.2006), http: //www.toyota.co.jp/en/about_toyota/manufacturing/index.html (abgerufen am 19.06.2006). 127 Quelle: Unternehmensinformationen der BMW Group, verfügbar unter URL: http://www. bmw-werk-muenchen.de/lowband/com/de/produktion/content_motorenbau_zahlen.html (abgerufen am 24.11.2005), http://www.bmw-werk-steyr.at/deutsch/unternehmen/palette/content_ palette.html (abgerufen am 24.11.2005). 128 Ford produziert den 4.6 L V8 SOHC Motor in den nordamerikanischen Werken Windsor und Romeo. GM produziert den 4.3 L V6 Motor in den nordamerikanischen Werken Romulus und Tonawanda (vgl. Harbour Consulting, 2005, S. 124 und S. 126). (c )V er la g D r. K ov ac G m bH 122 118 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule voneinander getrennt erfolgen, weshalb sich die Standorte häufig auch untereinander mit Zwischenprodukten beliefern. So verarbeitet das BMW-Motorenwerk in Steyr bspw. Komponenten anderer BMW-Werke129 . Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule keinen einheitlichen Netzwerktyp aufweisen. Große Volumenhersteller wie Ford, GM oder Toyota produzieren überwiegend nach der Strategie lokale Produktion für den lokalen Markt“, da viele der weltweit verteil” ten Fahrzeugwerke oder Werkscluster in einer bestimmten Region über die kritische ” Masse“ verfügen, die einen Aufbau lokaler Komponenten-Produktionsstätten rechtfertigt. Andererseits ist für die Premiumhersteller Porsche und Audi der Typ Weltfabrik“ ” am zutreffendsten, während BMW wiederum in einem Netz“ produziert, das durch den ” wechselseitigen Austausch von Leistungen gekennzeichnet ist. Wie allgemein bei Zulieferern in Automobilindustrie sind auch die Standortmöglichkeiten von Produktionsstätten für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule stark durch die Lage der Fahrzeugwerke beeinflusst130 . Die Produktion komplexer, großer und variantenreicher (Haupt-)Module wie Achsen und Motoren ist aus Logistikanforderungen (z.B. JiS/JiT) tendenziell in der Nähe großer Fahrzeugwerke angesiedelt (vgl. The Boston Consulting Group, 2004b, S. 19). Ausnahmen bilden (CKD-)Werke in Übersee, deren Volumen oft nicht für den Aufbau eigener Komponenten-Werke ausreicht. Werksgröße In der Praxis bestehen große Unterschiede hinsichtlich der Größe von Produktionsstätten für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule. Eine von W HITNEY U. A . (1998) durchgeführte Untersuchung von 18 Motorenwerken zeigt, dass die Investitionssummen der betrachteten Werke zwischen $500 Mio. und $1 Mrd., die Produktionskapazitäten zwischen 200.000 und 700.000 Einheiten pro Jahr und die Personalstärken zwischen 300 und 1.000 Mitarbeitern liegen (vgl. Whitney u. a., 1998, S. 2). In anderen Beispielen aus der Praxis zeigt sich, dass Investitionssummen, Produktionsvolumen und Personalstärke noch deutlich darüber hinausgehen können. Bei der BMW Group wurden bspw. in das Motorenwerk Steyr131 zwischen 1979 und 2004 ca. 3 Mrd. e für Produktionseinrichtungen und ein Dieselmotorenentwicklungszentrum (c )V er la g D m G ac ov r. K Quelle: Unternehmensinformationen der BMW Group, verfügbar unter URL: http://www. bmwgroup.com/bmwgroup_prod/d/0_0_www_bmwgroup_com/produktion/produktionsnetzwerk/ produktionsstandorte/werk_steyr.html (abgerufen am 01.12.2005). 130 Nach einer Studie der KPMG haben bei 88% der Automobilzulieferer die Kundenwünsche der OEMs oder der großen 1st-Tier-Systemzulieferer einen wesentlichen Einfluss auf die Wahl der Produktionsstätten, die häufig eine Präsenz in unmittelbarer Umgebung verlangen. Aus diesem Grunde weisen manche Zulieferer Produktionsnetzwerke mit bis zu 200 Standorten auf (vgl. KPMG, 2005, S. 6 und S. 9). 131 Steyr ist das größte Motorenwerk der BMW Group. Dort werden Reihen-6-Zylinder-Benzin-, Reihen-4Zylinder-Diesel- und Reihen-6-Zylinder-Diesel-Motoren gefertigt und Dieselmotoren entwickelt. bH 129 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 119 investiert132 . Mit ca. 2.600 Mitarbeitern werden dort ungefähr 3.000 Motoren am Tag produziert133 . Bei DaimlerChrysler werden im Werksverbund Untertürkheim mit ca. 4.700 Mitarbeitern pro Jahr ca. 1 Mio. Motoren hergestellt. Des Weiteren sind dort ca. 3.000 Personen in der Getriebeproduktion und ca. 3.700 Personen in der Achsenproduktion beschäftigt (vgl. Werner, 2006, o.S.). In dem Joint Venture Global Engine Manufacturing Alliance“ (GEMA) von Hyundai, ” DaimlerChrysler und Mitsubishi werden in weltweit fünf Motorenwerken gemeinsam entwickelte Vierzylinder-Motoren hergestellt. Insgesamt soll das planmäßige Produktionsvolumen dieses Werksverbunds 1,8 Mio. Motoren pro Jahr betragen, wodurch nach Unternehmensangaben erhebliche Skaleneffekte realisiert werden können. Die beiden für DaimlerChrysler produzierenden US-amerikanischen GEMA-Werke in Dundee, Michigan, stellen dabei mit ca. 530 Mitarbeitern 840.000 Motoren pro Jahr her. Die Investitionen in die beiden Werke betrugen zusammen $804 Mio. (vgl. Marquez, 2006, S.22). Die genannten GEMA-Daten zeigen die hohe Effizienz dieser neuen Standorte auf. Allgemein kombinieren Motorenwerke sowohl hohe Investitionen und hohe Fixkosten im Bereich der Einzelteilefertigung (aufgrund der kapitalintensiven und hochautomatisierten Anlagen) als auch hohe variable Kosten im Bereich der gering- bis mittelautomatisierten Motormontage. Ein bedeutender Kostentreiber ist dabei die steigende Variantenanzahl, da für die notwendige Flexibilität z.B. höhere Investitionen in flexible Betriebsmittel erforderlich sind (vgl. Whitney u. a., 1998, S. 4 und S. 18). Grad der Globalisierung Wie allgemein in der Automobilindustrie erfolgen auch im Bereich der Motoren-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule Absatz, Produktion und Beschaffung global. Um Kostensenkungspotenziale im Produktionssystem ausschöpfen und neue Märkte erschließen zu können, erfolgt zunehmend eine Globalisierung der Fahrzeugproduktion. Die meisten OEMs produzieren ihre Automobile in globalen Produktionsnetzwerken. Europäische, aber auch asiatische Hersteller, haben in der jüngeren Vergangenheit Produktionskapazitäten in osteuropäischen EU-Ländern (v.a. in Polen, Ungarn oder der Tschechischen Republik) aufgebaut134 (vgl. Kinkel und Zanker, 2007, S. 55). (c )V er la g D m G ac ov r. K Quelle: BMW Group, verfügbar unter URL: http://www.bmw-werk-steyr.at/deutsch/unternehmen/ fakten/content_fakten.html (abgerufen am 24.11.2005), http://www.bmw-werk-steyr.at/ deutsch/unternehmen/daten/content_daten.html (abgerufen am 24.11.2005). 133 Quelle: Unternehmensinformationen der BMW Group, verfügbar unter URL: http://www. bmwgroup.com/bmwgroup_prod/d/0_0_www_bmwgroup_com/produktion/produktionsnetzwerk/ produktionsstandorte/werk_steyr.html (abgerufen am 01.12.2005). 134 Beispiele: Toyota und PSA Peugeot Citroën stellen gemeinsam Kleinwagen in Kolin in der Tschechischen Republik her; Hyundai, PSA Peugeot Citroën und Volkswagen produzieren in der Slowakischen Republik; Audi und Suzuki in Ungarn. bH 132 120 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule Aufgrund der Größe des Marktes und der niedrigen Arbeitskosten weist insbesondere China als Produktionsstandort ein bemerkenswertes Wachstum auf. In diesem Land wurde zwischen 2005 und 2006 die Automobilproduktion um mehr als 25 Prozent gesteigert (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2006, S. 187 und Verband der Automobilindustrie e.V., 2007, S. 230). Chinesische Hersteller (wie z.B. Brilliance) wachsen in großem Maße und versuchen auch europäische Märkte zu erschließen. Aber auch die ausländischen OEMs tragen mit dem Aufbau neuer oder einer Erweiterung bestehender Standorte erheblich zu diesem Wachstum bei. So hat auch die deutsche Automobilindustrie ihre chinesischen Produktionskapazitäten zwischen 2005 und 2006 um 44 Prozent gesteigert (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2006, S. 187 und Verband der Automobilindustrie e.V., 2007, S. 230). Zulieferer investieren in noch größerem Umfang in ausländische Produktionsstandorte. Dies ist einerseits dadurch bedingt, dass die OEMs von ihren Zulieferern erwarten, auch im Ausland in der Nähe ihrer Fahrzeugwerke vertreten zu sein. Andererseits zwingt der hohe Kostendruck auf die Zulieferer zur Ausschöpfung von Arbeitskostenvorteilen in Niedriglohnländern (vgl. KPMG, 2005 und Kinkel und Zanker, 2007, S. 32 und S. 55 ff.). Diese Entwicklung ist auch für die Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen – große und variantenreiche Komponenten mit hohem Wert und teilweise hohen manuellen Montageumfängen – zutreffend. Die steigende Produktion dieser Hauptmodule in Niedriglohnländern belegt auch eine Studie der Boston Consulting Group am Beispiel der USA. Während die Beschaffung bzw. Produktion von Teilen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule aus bzw. in Niedriglohnländern in der jüngeren Vergangenheit noch weniger stark ausgeprägt war, nahmen die Importe aus Niedriglohnländern in den letzten Jahren deutlich zu. Dies betrifft besonders Importe von Komponenten für Getriebe und Antriebsstrangsysteme (vgl. The Boston Consulting Group, 2004a, S. 11). Bezogen auf den Standort Deutschland schätzt die Unternehmensberatung Boston Consulting Group Kostenvorteile von 5 bis 15% bei einer Produktion von Motoren und Motorkomponenten in Niedriglohnländern (vgl. The Boston Consulting Group, 2004b, S. 20). Insgesamt betrug der Anteil der Importe der deutschen Automobilindustrie aus Niedriglohnländern am Gesamtwert der in dieser Branche in Deutschland produzierten und importierten Waren im Jahr 2003 12% (vgl. The Boston Consulting Group, 2004b, (c )V er la g D r. K ov ac G m bH S. 10). 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 3.1.2 121 Spezifische Merkmale von Premiumherstellern Premiumhersteller stellen andere Anforderungen an ihre Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule als Volumenhersteller. Dies resultiert vor allem aus der markenprägenden Bedeutung der Hauptmodule Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang, den Produktionsstückzahlen und der Netzwerkstruktur: Bedeutung der betrachteten Hauptmodule bei Premiumherstellern Im Allgemeinen stellen die Kunden an Premiummarken höhere Anforderungen hinsichtlich Komfort, Sicherheit und Qualität als an Volumenmarken, wofür sie auch bereit sind, einen höheren Preis zu bezahlen. Dies gilt weitestgehend unabhängig vom Markenprofil eines Premiumherstellers. Darüber hinaus existieren noch individuelle, markenprofilabhängige Kundenanforderungen an die einzelnen Hersteller, welche die OEM-Wertschöpfungsstrategie stark beeinflussen (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2004, S. 34). Markenprägende Fahrzeugmodule am Beispiel BMW Hohe Eigenleistung sinnvoll BMW markenprägende Module Fahrwerks-/ Antriebselektronik Kommunikation/ Entertainment Komfortelektronik Beleuchtungsanlage Bordnetz-/ Bussystem Antriebswellen/ Achsgetriebe Dachsystem (Exterior) Abgasanlage Dach (Interior) Fahrgastzelle Fenster/Glas Sicherheitselektronik Bremssystem Beatmung/ Gemischaufbereitung Getriebe Lenkung Insassenschutz Sitze Frontend/ Rearend Hinterwagen Motor Stoßdämpfer/ Federung Motornebenaggregate Räder Kraftstoffversorgung Kotflügel Cockpit Stromversorgung Schließanlage Pedalanlage Radaufhängung Türen (Interior) Verkleidung/ Akkustik Tragende Elemente Wischanlage Türen (Exterior) Motormanagement Vorderwagen = Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang Kühlung Hohe Fremdleistung sinnvoll Modul mit geringer BMW-Markenprägung Premiummarken-relevante Module Innenraumbelüftung Quelle: In Anlehnung an „Mercer Wertschöpfungsmodell 2015“, zitiert in Verband der Automobilindustrie e.V., 2004, S.35 Front-/ Heckklappe Anbauteile Abbildung 3.2: Markenprägende Fahrzeugmodule am Beispiel BMW bH Ob sich das Markenverständnis der einzelnen Premiumhersteller nun schwer- (c )V er la g D G ac ov r. K heit kennzeichnet: Motorisierung und Fahrwerk spielen stets eine zentrale Rolle in der m punktmäßig durch Dynamik und Sportlichkeit oder eher durch Komfort und Sicher- 122 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule Schärfung des Markenprofils und in der Differenzierung vom Wettbewerb. Durch gezielte Eigenleistung (besonders in der Entwicklung, aber auch in der Produktion) können diesen Hauptmodulen exklusive Eigenschaften verliehen und Wettbewerbsvorteile erzielt werden (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2004, S. 30). In Abbildung 3.2 ist die Markenprägung von Fahrzeugmodulen am Beispiel von BMW dargestellt. Im Bereich Motor existiert darüber hinaus ein ausgeprägter Leistungswettbewerb zwischen Premiumherstellern. Immer größere Fahrzeuge und gestiegene Kundenansprüche an Leistung und Fahrdynamik verlangen nach immer größeren Triebwerken. Andererseits müssen Verbrauch und Emissionen von Fahrzeugen aufgrund gesetzlicher Regelungen und gestiegenem Umweltbewusstsein stark reduziert werden. Die konfliktären Ziele Leistung und Verbrauchs-/Emissionsreduzierung verlangen daher nach innovativen Antriebskonzepten und -technologien, wie z.B. dem Einsatz neuer Werkstoffe (z.B. Aluminium-Magnesium-Verbund-Kurbelgehäuse bei BMW R6BMotoren), effizientere Einspritzverfahren, Motoraufladung, Einsatz von Hybridtechnologie oder Wirkungsgradoptimierung bei Getrieben und anderen Antriebsstrangmodulen. Innovative Antriebstechnologien erfordern andererseits innovative Produktionsprozesse und -technologien, für welche die OEMs die erforderlichen Kompetenzen entwickeln und gegenüber dem Wettbewerb bewahren müssen. Im Zuge der stärkeren Konzentration auf die Eigenfertigung markenprägender Hauptmodule bei Premiumherstellern wird die Wertschöpfung bei Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen daher weniger stark sinken als bei Volumenherstellern (vgl. Verband der Automobilindustrie e.V., 2004, S. 19). Produktionsstückzahlen Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen Premium- und Volumenherstellern sind die Produktionsstückzahlen und ihre Implikationen auf die Kapazität und Flexibilität des Produktionssystems. Premiumhersteller weisen im Vergleich zu Volumenherstellern oder Volumenmarken wesentlich geringere Produktionsstückzahlen auf. Während die größten Volumenhersteller General Motors und Toyota im Jahr 2006 Fahrzeugproduktionsstückzahlen von ca. 9,2 Mio. Einheiten (GM) bzw. 7,7 Mio. Einheiten (Toyota) aufwiesen135 (vgl. General Motors Corporation, 2007, S. 4 und Toyota Motor Corporation, 2006, S. 2), betrugen die Stückzahlen beim größten Premiumhersteller, der BMW Group, ca. 1,4 Mio. Einheiten (vgl. BMW Group, 2007, S. 2 f.). Diese Stückzahlen übertragen sich entsprechend )V er la g D m G ac ov r. K Im ersten Quartal 2007 verkaufte Toyota erstmals mehr Fahrzeuge als General Motors. Toyota könnte somit im Jahr 2007 nach 76 Jahren die Marktführerschaft von General Motors übernehmen (Quelle: Financial Times Deutschland, Online-Meldung vom 24.04.2007, verfügbar unter URL: http://www.ftd. de/unternehmen/autoindustrie/:Toyota%20GM/190617.html, abgefrufen am 01.08.2007). (c 135 bH auch auf die Fahrzeugkomponenten. 3.1 Beschreibung des Untersuchungsbereichs 123 Eine Ausnahme hierbei bildet die Audi AG, bei der 2006 mehr als doppelt so viele Motoren wie Fahrzeuge der Marke Audi produziert wurden, da andere Marken des Volkswagen-Konzerns ebenfalls aus dem Motorenwerk Györ beliefert werden (siehe AUDI AG (2007) und AUDI H UNGARIA M OTOR K FT (2007)). Bei vielen Automobilherstellern existieren darüber hinaus große Stückzahlunterschiede zwischen den einzelnen Fahrzeugbaureihen. Dies ist bei Premiumherstellern besonders stark ausgeprägt, da sie fast alle Fahrzeugklassen136 – von der unteren Mittelklasse bis zur Ober- bzw. Luxusklasse – bedienen. So wurden z.B. bei der BMW Group im Jahr 2006 im Segment der Luxusklasse in Goodwood (Großbritannien) 847 Rolls-Royce Fahrzeuge, aber über 508.000 3er verkauft (vgl. BMW Group, 2007, S. 2 f. und 16). Bei der Audi AG waren es im gleichen Jahr in der Luxusklasse 2.100 Fahrzeuge der Marke Lamborghini und ca. 230.000 A3-Fahrzeuge in der Mittelklasse (vgl. Audi AG, 2007, S. 145). Diese Volumenunterschiede übertragen sich auch auf die Bedarfe der in dieser Arbeit betrachteten Komponenten und verlangen dem Produktionssystem ein hohes Maß an Flexibilität ab. Netzwerkstruktur Im Vergleich zu Volumenherstellern ergeben sich für Premiumhersteller aus den geringeren Produktionsstückzahlen deutlich kleinere Produktionsnetzwerke. Hinsichtlich der Netzwerkstruktur sind für Premium-OEMs die Typen Weltfabrik“ und Netz“ von ” ” größerer Bedeutung als z.B. lokale Produktion für den lokalen Markt“. Darüber hinaus ” sind die Netzwerke geografisch stärker konzentriert. So liegen die Motor-, Fahrwerksund Antriebsstrangproduktionsstandorte von BMW, Porsche, Audi und Mercedes-Benz in Mittel- und Osteuropa. Dies liegt im Wesentlichen darin begründet, dass die Hauptbzw. Stamm-Fahrzeugwerke dieser Premiumhersteller ebenfalls in dieser Region liegen und dass die Volumen in Übersee-Fahrzeugwerken oftmals bisher zu klein waren, um den Aufbau einer lokalen Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen zu rechtfertigen. Durch das starke Wachstum der Automobilmärkte in Indien und China könnte sich dies in naher Zukunft ändern. Je nach Marktpotenzial bietet sich dann in den Wachstumsregionen der Aufbau lokaler Vollwerke für die Einzelteilefertigung und Montage der in dieser Arbeit betrachteten Komponenten oder eine Huband-Spoke Struktur mit konzentrierter (Einzelteile-)Fertigung und dezentraler Montage )V er la g D m G ac ov r. K Das Kraftfahrtbundesamt unterscheidet zehn Fahrzeugklassen: Mini, Kleinwagen, Untere Mittelklasse, Mittelklasse, Obere Mittelklasse, Oberklasse, Geländewagen, Cabriolets/Roadster, VAN und Utility Vehicles. Siehe hierzu die Informationen auf der Homepage des Kraftfahrtbundesamtes (www.kba.de). In anderen Veröffentlichungen wird häufig zusätzlich von der Luxusklasse gesprochen, die bspw. RollsRoyce oder Maybach enthält. (c 136 bH an. 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule 124 3.2 Anforderungen an die modellgestützte Planung im Untersuchungsbereich 3.2.1 Einordnung des Planungsproblems Voraussetzung für die Ableitung von Anforderungen an einen problemadäquaten modellgestützten Planungsansatz ist die Analyse des Planungsproblems, die auf Basis der Typologie von K LEIN UND S CHOLL (2004 A )137 erfolgt. Abbildung 3.3 zeigt die cha- rakteristischen Merkmale des Problems der strategischen Planung von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule. Einordnung des Planungsproblems Planungsgegenstand Funktionsbereiche Geltungsbereich Programmplanung Potenzialplanung Produktion Absatz / Distribution Beschaffung Netzwerk Reichweite Prozessplanung Werk strategisch Informationsstand Planungshäufigkeit Sicherheit Anlage taktisch Risiko Arbeitssystem operativ Ungewissheit Spielsituation Einmalplanung Routineplanung extern veranlasst intern veranlasst aktive Planung reaktive Planung Planungsanlass Abbildung 3.3: Einordnung des Planungsproblems Das Planungsproblem lässt sich wie folgt beschreiben: • Gegenstand der Planung: Hinsichtlich des Gegenstands der Planung kann zwischen Programm-, Prozessund Potenzialplanung differenziert werden. Die Programmplanung bezieht sich auf die art-, mengen- und qualitätsmäßige Festlegung der je Planungsperiode herzustellenden Produkte und Dienstleistungen. Die Prozessplanung umfasst die Festlegung der Art und der Abfolgen von Aktivitäten, die zur Leistungserstellung und -verwertung (z.B. Beschaffungs-, Produktions- oder Auftragsabwicklungsprozesse) erforderlich sind. Die Potenzialplanung, zu welcher das vorliegende Planungsproblem zählt, umfasst die Planung der Leistungspotenziale von Unternehmen, wie z.B. Anlagen, Personal und Informationen, die zur Erstellung und bH Verwertung der Leistungen benötigt werden (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 15 G ac )V er la g D r. K ov Siehe Klein und Scholl, 2004a, S. 15-19. (c 137 m f.). 3.2 Anforderungen an die modellgestützte Planung im Untersuchungsbereich 125 • Funktionsbereiche: In dieser Arbeit steht das einzelwirtschaftliche Produktionssystem eines Unternehmens im Vordergrund der Planungsaktivitäten. Die Planung kann dabei verschiedene betriebliche Funktionsbereiche (Beschaffung, Produktion, Distribution/Absatz) betreffen. Im Fokus dieser Arbeit steht der Produktionsbereich. Beschaffungs-, Distributions- und Absatzaspekte sind dabei weitestgehend vorgegeben und werden über Restriktionen berücksichtigt. • Geltungsbereich der Planung: Nach dem Geltungsbereich kann sich die Planung auf das gesamte Unternehmen, einzelne Betriebsteile oder einzelne Stellen beziehen (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 17). Der im Rahmen dieser Forschungsarbeit zu erstellende Planungsansatz muss flexibel auf verschiedene Geltungsbereiche von Produktionssystemen anwendbar sein, d.h. auf hoch aggregierter Ebene für die Planung des Produktionsnetzwerks bis hin zur detaillierteren strategischen Planung einzelner Betriebsteile oder Anlagen. • Reichweite der Planung: Das Merkmal der Planungsreichweite besitzt die Ausprägungen strategisch, taktisch und operativ (siehe Abschnitt 2.1.3). Gegenstand dieser Arbeit ist die Behandlung der strategischen Planung von Produktionssystemen mit Planungshorizonten von zehn Jahren oder länger. • Informationsstand der Planung: K LEIN UND S CHOLL (2004 A ) unterteilen den Informationsstand bei Planungs- problemen in Sicherheit, Unsicherheit (Risiko oder Ungewissheit) und Spielsituation. Bei der Planung unter Sicherheit sind alle Daten, Alternativen, Wirkungszusammenhänge und Ziele bekannt. Bei Planung unter Unsicherheit herrschen unvollkommene Informationen bezüglich verschiedener Planungsgrößen. Lassen sich verschiedene Szenarien identifizieren, für welche Eintrittswahrscheinlichkeiten angegeben werden können, so bezeichnet man dies als Planung unter Risiko. Ohne Angabe von Wahrscheinlichkeiten spricht man von Planung unter Ungewissheit. Bei der Planung unter Spielsituationen wird das Verhalten von Konkurrenten mit einbezogen (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 16). Die strategische Planung von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule zählt aufgrund des langen Planungshorizonts sowie der hohen Branchen- und Umweltdynamik zur Planung unter Unsicherheit. Da häufig bH keine objektiven und verlässlichen Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt der ver- ac G m schiedenen Szenarien zur Verfügung stehen, kann das Planungsproblem genau- (c )V er la g D r. K ov er als Planung unter Ungewissheit charakterisiert werden. 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule 126 • Planungshäufigkeit: Hinsichtlich der Planungshäufigkeit werden Einmal- und Routineplanung unterschieden. Im Gegensatz zur Einmalplanung erfolgt die Routineplanung mehrfach, in festen zeitlichen Abständen oder fallweise bei Eintritt bestimmter Ereignisse (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 17). Das vorliegende strategische Planungsproblem zählt schwerpunktmäßig zur Einmalplanung. Zwar finden für das ganze Produktionssystem oder für einzelne Teile immer wieder Planungsaktivitäten statt, jedoch liegen dazwischen meist größere Zeitspannen und die Planung basiert auf unterschiedlichen Rahmenbedingungen, so dass nicht von Routineplanung gesprochen werden kann. Lediglich die mit dem Planungsansatz durchführbare Überprüfung der Produktionssystemkapazitäten im Rahmen periodischer Aktualisierungen der strategischen Mengengerüste hat einen Routineplanungscharakter. • Planungsanlass: Der Anlass der Planung lässt sich in extern veranlasste Planung (z.B. bei Gesetzesänderungen), intern veranlasste Planung (Bewertung neuer Strategien etc.), aktive und reaktive Planung unterteilen (vgl. Klein und Scholl, 2004a, S. 17). Grundsätzlich sind alle Anlässe für das in dieser Arbeit behandelte Planungsproblem bedeutsam. 3.2.2 Ableitung von Anforderungen Aufbauend auf der Beschreibung des Untersuchungsbereichs in Abschnitt 3.1 und der Einordnung des Planungsproblems im vorangegangenen Abschnitt werden im Folgenden die Anforderungen an den zu entwickelnden Planungsansatz definiert: Anforderungen an flexible Einsatzmöglichkeiten in der Unternehmenspraxis Die strategische Produktionssystemplanung wirft eine Vielzahl unterschiedlicher Fragestellungen auf. Diese können sowohl den Umfang der Betrachtungen und die Aggregationsstufe betreffen (z.B. Betrachtung des gesamten Netzwerks, eines Werkes oder einer Anlage) als auch die Fragestellung (Optimierung oder Simulation). So sind z.B. die Identifikation optimaler Strategien, simulative Bewertungen vorgegebener Strategien und Szenarien sowie die Gewinnung von Erkenntnissen über die Stärke des Einflusses bestimmter externer Parameter bedeutende managementrelevante Fragestellungen. Eine der Hauptanforderungen an den zu entwickelnden Planungsansatz ist bH somit der vielseitige und flexible Einsatz zur Optimierung und Simulation typischer Fra- (c )V er la g D ov r. K Ein wesentlicher Aspekt eines Planungsansatzes zur Entscheidungsvorbereitung und ac G m gestellungen auf allen Produktionssystemebenen. 3.2 Anforderungen an die modellgestützte Planung im Untersuchungsbereich 127 -unterstützung in der Unternehmenspraxis ist die Erstellung eines anwenderorientierten IT-Werkzeugs, mit welchem eine effiziente Dateneingabe und Erzeugung von Planungsprojekten mittels Benutzeroberflächen sowie eine managementgerechte Aufbereitung und Visualisierung der Ergebnisse möglich ist. Ein solches IT-Werkzeug trägt wesentlich zur Akzeptanz und zum regelmäßigen Einsatz quantitativer Planungstechniken des Operations Reserach in der Praxis bei. Die wichtigsten Planungsgrößen der Praxis müssen dabei direkt im Modell enthalten sein, um die Auswirkungen einer Veränderung dieser Parameter im Rahmen von Sensitivitätsanalysen effizient beantworten zu können. Managementrelevante Kennzahlen der Unternehmensplanung und -steuerung müssen sich einfach aus dem Modell ableiten lassen. Darüber hinaus müssen unternehmensstrategische Vorgaben, im Unternehmen vorhandenes Expertenwissen und Präferenzen der Entscheidungsträger einfach berücksichtigt werden können. Anforderungen an den Modelltyp Die Planung von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule erfordert sowohl Entscheidungen, die in einem mathematischen Modell mittels diskreten Variablen abgebildet werden müssen (z.B. im Rahmen der Standort- und Belegungsplanung) als auch Entscheidungen, für die kontinuierliche Variablen eingesetzt werden können (z.B. Produktionsmengen- und Materialflussplanung). Für solche Planungsprobleme bietet sich der Einsatz gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle sehr gut an. Da Nicht-Linearitäten die Lösbarkeit von Optimierungsmodellen enorm erschweren (siehe Abschnitt 2.3.5), ist ein Ansatz auf Basis eines linearen Modells am besten geeignet. In vielen Fällen, insbesondere bei strategischen Planungsproblemen, die per se auf aggregierten Daten beruhen, liefern einfachere lineare Modelle hinreichend gute Approximationen für praktische Fragestellungen. Ausgehend von einem bestehenden Produktionssystem muss der Planungsansatz über die Terminierung der einzelnen zu treffenden Entscheidungen den optimalen Entwicklungspfad des Produktionssystems in einem Planungshorizont von zehn Jahren oder länger aufzeigen. Dies erfordert ein dynamisches Modell. Entsprechend der in Literatur und Praxis üblichen Länge der strategischen Planungsperioden von einem (Geschäfts-)Jahr muss somit eine zeitdiskrete Betrachtung von Jahresperioden erfolgen. Gemäß der genannten Anforderungen gilt es, ein dynamisches, lineares, gemischt- (c )V er la g D r. K ov ac G m bH ganzzahliges Optimierungsmodell für das Planungsproblem zu entwickeln. 128 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule Anforderungen an die zu modellierenden Entscheidungsfelder Das Planungsproblem erfordert die Modellierung der Wechselwirkungen zwischen der Netzwerkplanung und der strategischen Planung der Knoten des Netzwerks, d.h. der einzelnen Werke (integrierte Netzwerk- und Knotenplanung). Im Modell müssen daher die Entscheidungsfelder Standort-, Materialfluss-, Werksstruktur-, Belegungs-, Anlagen- und Personalplanung enthalten sein. Dabei müssen folgende Besonderheiten berücksichtigt werden: • Standort- und Materialflussplanung: Produktionssysteme für die Hauptmodule Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang können verschiedene Netzwerkgrundtypen aufweisen. Die einzelnen Werke im Netzwerk können dabei sowohl Vor- als auch Endprodukte herstellen und sich untereinander beliefern. Aus diesen Gründen muss das Teilmodell der Standortplanung die Abbildung einer allgemeinen Netzwerkstruktur ermöglichen. Allerdings werden Reverse Logistics-Aspekte, d.h. Materialflüsse von den Kundenzurück zu den Produktionsstandorten wie es Closed-Loop Supply Chains138 erfordern, nicht betrachtet. • Werksstrukturplanung: Da sich Strukturinvestitionen in Produktions- und Logistikflächen je nach Gebäudetyp stark unterscheiden können, müssen im Rahmen der Werksstrukturplanung unterschiedliche Gebäudeflächenarten modelliert werden können. • Anlagenplanung: Die Modellierung von Produktionsanlagen muss sehr flexibel sein, um dem breiten Anlagenspektrum der Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule Rechnung zu tragen. Unterschiedliche Anlagen und deren Charakteristika hinsichtlich Kapazität, Wirtschaftlichkeit, Auf- und Rückbau müssen abgebildet werden können. Die Anlagenplanung muss daher alle drei Kapazitätdeterminanten, d.h. die Intensität (Auswahl geeigneter Technologien, repräsentiert durch alternative Produktionsanlagen), die Leistungsdauer (Festlegung der Anlagenlaufzeit über die Auswahl eines geeigneten Betriebsschichtmodells) und den Kapazitätsquerschnitt (Anzahl der Anlagen bzw. Arbeitssysteme) integrieren. • Personalplanung: bH Neben der Anlagenplanung ist das Personal die zweite, maßgeblich kapa- )V er la g D r. K ov Zur strategischen Planung von Closed-Loop Supply Chains siehe bspw. L EBRETON (2007). (c 138 ac G m zitätsbestimmende Determinante eines Produktionssystems. Außer dem direkt 3.2 Anforderungen an die modellgestützte Planung im Untersuchungsbereich 129 ausführenden Personal (Primärpersonal) stellen auch Sekundär- und Overheadpersonal, d.h. Personal für unterstützende Tätigkeiten im Produktionsprozess (Wartung, Instandhaltung, Materialversorgung etc.) und Personal für dispositive Tätigkeiten (Planung, Steuerung, Führung etc.), weitere bedeutende Faktoren dar, die bei der strategischen Produktionssystemplanung berücksichtigt werden müssen. Kunden, Bedarfe, Transferpreise der Erzeugnisse, Eigenleistungstiefe, mögliche Lieferanten und Lieferkapazitäten sowie Faktorpreise am Beschaffungsmarkt stellen dagegen im betrachteten Planungsproblem keine beeinflussbaren Entscheidungen dar und werden als Eingangsgrößen angenommen. Die Planung periodenübergreifender Lagerbestände wird der taktisch-operativen Ebene zugerechnet und stellt daher ebenfalls kein Entscheidungsfeld für den zu entwickelnden Ansatz dar, auch wenn verschiedene andere strategische Modelle139 die Lagerbestandsplanung beinhalten (siehe hierzu auch Abschnitt 4.1.2). Für den zu entwickelnden Ansatz wird stattdessen die vollständige Befriedigung der Periodenbedarfe vorausgesetzt. Anforderungen an die Zielfunktion Aufgrund der hohen Kapitalintensität, der langen Kapitalbindung und den inhärenten Unsicherheiten eines strategischen Planungshorizonts von zehn Jahren oder länger sind mit der Produktionssystemplanung erhebliche Risiken verbunden, welche in hohen Renditeerwartungen resultieren. Aus diesem Grund haben die Zeitpunkte von investitions- und kostenwirksamen Entscheidungen sehr große Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des Produktionssystems. Zur Bewertung der Art und des Zeitpunkts von Entscheidungen in einem dynamischen Planungsansatz unter Berücksichtigung vorgegebener Renditeziele ist eine Kapitalwertzielfunktion am besten für die Entscheidungsfindung geeignet. Eine solche dynamische Bewertung von Lösungsalternativen ist in der unternehmerischen Praxis sehr weit verbreitet und wird auch für den zu entwickelnden Planungsansatz vorausgesetzt. Unter den Annahmen vollständiger Befriedigung der Periodenbedarfe und vorgegebener Transferpreise für die Komponenten, die sich top-down aus Kostenzielen auf der Fahrzeugebene ergeben, ist die Einnahmenseite des Produktionssystems fixiert. Durch die Entscheidungsfelder der Produktionssystemplanung wird daher nur die Ausgabenseite beeinflusst. Die Zielfunktion kann sich somit auf die Minimierung aller direkt zurechenbaren Auszahlungen für Investitionen, variable und fixe Kosten für den Aufbau m G ac r. K ov M ARTEL (1993) D UND g (2001), D IABY er la U. A . )V Z.B. G LOVER U. A . (1979), M ARTIN U. A . (1993), B ROWN oder K AMINSKY UND S IMCHI -L EVI (2003). (c 139 bH bzw. die Weiterentwicklung und den Betrieb des Produktionssystems beschränken. 130 3 Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule Anforderungen an die Modellierung der Produktstrukturen und Produktionsprozesse Das Modell muss heterogene, mehrstufige Mehrprodukt-Produktionsprogramme mit gemischter Stücklistenstruktur abbilden können. Dazu müssen die Stücklistenbeziehungen zwischen den einzelnen Produkten mit den jeweiligen Materialbedarfskoeffizienten im Modell abgebildet werden. Hinsichtlich des Produktionsprozesses müssen die spezifischen Charakteristika der mehrstufigen Einzelteilefertigungs- und Montageprozesse adäquat abgebildet werden können. Im Bereich der Einzelteilefertigung betrifft dies vor allem die Modellierung alternativer Technologien in Form verschiedener Produktionsanlagen mit ihren jeweiligen Auswirkungen auf die Effizienz und die Flexibilität des Produktionssystems. Im Bereich der Montage muss darüber hinaus die Optimierung der Automatisierungsgrade von Montageanlagen möglich sein. Aufgrund des strategischen Fokus muss die Modellierung der Produktstrukturen und Produktionsprozesse auf einer geeigneten Aggregationsstufe erfolgen. Diese ist spezifisch für die jeweilige Fragestellung und Produktionssystemebene zu wählen, was ein Modell erfordert, das einfach an unterschiedliche Aggregationsniveaus angepasst werden kann. Anforderungen an die Abbildung produktionswirtschaftlicher Flexibilitätsarten Im Rahmen der Anlagen- und Personalplanung müssen bedeutende produktionswirtschaftliche Flexibilitätsarten (Volumen-, Belegungs-, Mix- und Nachfolgeflexibilität) operationalisiert und im Modell mathematisch abgebildet werden, um so ihre Auswirkungen auf Personal, Infrastruktur und Wirtschaftlichkeit des Produktionssystems evaluieren zu können. Anforderungen an die Modellierung internationaler Faktoren Aufgrund der Produktionssystemplanung in einem internationalen Kontext müssen bedeutende internationale Faktoren im Modell berücksichtigt werden, die sich auf die Struktur und Leistungsfähigkeit des Produktionssystems auswirken können. Neben standortspezifischen Arbeitskosten betrifft dies insbesondere Wechselkurse, Zölle und Arbeitsproduktivitäten. Anforderungen an die Berücksichtigung von Unsicherheiten Unsicherheiten hinsichtlich verschiedener Parameter stellen ein inhärentes Problem bH strategischer Planungsaufgaben dar und müssen daher auf problemadäquate Weise (c )V er la g D G ac r. K ov ten der unsicheren Parameter keine zuverlässigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen. m berücksichtigt werden. Für das vorliegende Planungsproblem existieren für die meis- 3.2 Anforderungen an die modellgestützte Planung im Untersuchungsbereich 131 Aus diesem Grund werden in der Praxis häufig verschiedene Szenarien, z.B. hinsichtlich Bedarfen und der Entwicklung internationaler Rahmenbedingungen (Wechselkurse etc.), definiert und bewertet. Dieser Vorgehensweise muss auch im hier zu entwickelnden Planungsansatz Rechnung getragen werden. Die Basis des modellgestützten Planungsansatzes bildet somit ein deterministisches Modell. Unsicherheiten werden indirekt mittels Szenariosimulation und post-optimaler Analyseverfahren (Sensitivitätsanalysen und parametrische Optimierung) berücksichtigt140 . In Abbildung 3.4 sind die an den zu entwickelnden Planungsansatz gestellten Anforderungen zusammengefasst. Sie bilden die Basis für die Literaturanalyse in Abschnitt 4.2. Anforderungen an den zu entwickelnden Planungsansatz Flexibler Einsatz für Fragestellungen auf allen Produktionssystemebenen Lineares, dynamisches, deterministisches MIP-Modell mit diskreter Zeiteinteilung Integration von Netzwerk- und Knotenplanung unter Minimierung des Kapitalwerts aller Auszahlungen Abbildung eines heterogenen, mehrstufigen Mehrprodukt-Produktionsprogramms mit gemischter Stücklistenstruktur Netzwerk Werke Produktionsanlagen Arbeitssysteme Modellierung von Volumen-, Belegungs-, Mixund Nachfolgeflexibilitätsaspekten Berücksichtigung internat. Faktoren, strategischer Vorgaben und zentraler praxisrelevanter Kennzahlen Indirekte Berücksichtigung von Unsicherheiten (Sensitivitätsanalysen, Szenariosimulation etc.) Erstellung eines anwenderorientierten Planungswerkzeugs )V er la g D G ac ov r. K Zur Generierung von Szenarien eignen sich die Methoden der Szenario-Technik sehr gut. Siehe hierzu bspw. VON R EIBNITZ (1991), G ÖTZE (1993) oder W ILMS (2006). (c 140 m bH Abbildung 3.4: Anforderungen an den zu entwickelnden Planungsansatz g er la )V (c ac ov r. K D bH m G Kapitel 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur Gegenstand dieses Kapitels ist die Analyse bestehender modellgestützter Ansätze für die strategische Planung von Produktions-Distributions-Systemen und Supply Chains in der Operations Research Literatur. Ziel ist es, einen Überblick über den Stand der Forschung zu geben (Abschnitt 4.1), für die vorliegende Planungsproblemstellung relevante Modelle und Lösungsansätze zu analysieren (Abschnitt 4.2) sowie bestehende Handlungsfelder aufzuzeigen und die Aufgabenstellung dieser Arbeit einzugrenzen (Abschnitt 4.3). 4.1 Literaturüberblick Die modellgestützte strategische Planung von Supply Chains bzw. ProduktionsDistributions-Systemen ist Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen in der Operations Research Literatur. Allgemeine Grundlagen zu diesem Themengebiet finden sich bspw. in B EAMON (1998), S HAPIRO (2001), G OVIL UND P ROTH (2002), S IMCHI - L EVI U. A . (2003), C HOPRA UND M EINDL (2004), G OETSCHALCKX UND F LEISCHMANN (2005) oder G EUNES UND PARDALOS (2005). Gegenstand dieser Arbeit ist die Entwicklung eines integrierten Modells, welches eine simultane Netzwerk- und Knotenplanung auf strategischer Ebene ermöglicht. Die bH Netzwerkplanung umfasst die Entscheidungsfelder Standorte und Materialflüsse, die ac G m Knotenplanung die Entscheidungsfelder Werksstruktur, Belegung, Anlagen und Perso- (c )V er la g D r. K ov nal. 134 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur In der Literatur existiert eine Vielzahl von fokussierten Modellen, die sich schwerpunktmäßig mit einzelnen der genannten Entscheidungsfelder befassen, wie z.B. der Standortplanung. Ein kurzer Überblick über Review-Artikel und ausgewählte Modelle zu den einzelnen, für diese Arbeit relevanten Entscheidungsfeldern wird in Abschnitt 4.1.1 gegeben. Die fokussierten Modelle liefern wichtige Grundlagen für die Entwicklung integrierter Modelle, die mehrere Entscheidungsfelder miteinander verknüpfen. Die in der Literatur beschriebenen integrierten Modelle zielen auf sehr unterschiedliche Fragestellungen ab. Nur wenige erlauben aber eine simultane Netzwerk- und Knotenplanung, die alle relevanten Entscheidungsfelder der strategischen Planung von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule beinhaltet. Viele integrierte Modelle lassen insbesondere die Anlagenplanung vermissen, obwohl gerade sie das Produktionssystem sowie dessen Kapazität und Flexibilität maßgeblich determiniert. Wie schon die fokussierten Modelle liefern auch die integrierten Modelle ohne Anlagenplanung wertvolle Erkenntnisse für die Lösung des in dieser Arbeit betrachteten Planungsproblems, weshalb in Abschnitt 4.1.2 ein kurzer Überblick über diese Art von Modellen gegeben wird. Von zentraler Bedeutung für diese Forschungsarbeit sind nun Modelle, die neben anderen Entscheidungsfeldern Aspekte der Anlagenplanung integrieren. Solche Modelle werden in Abschnitt 4.1.3 genauer beschrieben und im Hinblick auf die in Abschnitt 3.2.2 abgeleiteten Anforderungen analysiert. Abbildung 4.1 zeigt die Struktur des im Folgenden vorgestellten Literaturüberblicks. Struktur des Literaturüberblicks Modelle für die strategische Produktionssystemplanung Fokussierte Modelle (Abschnitt 4.1.1) Integrierte Modelle Integrierte Modelle mit Anlagenplanung (Abschnitt 4.1.3) G m bH Integrierte Modelle ohne Anlagenplanung (Abschnitt 4.1.2) (c )V er la g D r. K ov ac Abbildung 4.1: Struktur des Literaturüberblicks 4.1 Literaturüberblick 4.1.1 135 Fokussierte Modelle Zu den einzelnen, in Abschnitt 2.2.4 dargestellten Entscheidungsfeldern der Produktionssystemplanung existiert in der Literatur eine Fülle fokussierter Ansätze. Insbesondere Standortplanungsprobleme wurden in den vergangenen Jahrzehnten intensiv untersucht. Die hierfür entwickelten Ansätze benötigen in der Regel die Materialflussplanung zur Bewertung der Kosten der Standortwahl. Eine allgemeine Einführung in die Thematik der Standortplanung findet sich z.B. bei D REZNER (2004). D OMSCHKE UND D REXL (1985), D OMSCHKE UND UND H AMACHER K RISPIN (1997) sowie DASKIN U. A . (2005) geben einen umfangreichen Literaturüberblick. Aktuelle Entwicklungen werden z.B. in C URRENT U. A . (2004), P LASTRIA (2004), K LOSE UND D REXL (2005) oder S NYDER (2006) aufgegriffen. Zur Planung der Werkebelegung bei vorgegebenem Produktionsnetzwerk existieren bspw. die modellgestützten Ansätze von C OHEN (1991) oder M AZZOLA UND UND L EE (1989), C OHEN UND M OON S CHANTZ (1997). Fokussierte Ansätze zum Gebiet der Anlagenplanung befassen sich schwerpunktmäßig mit der Technologieauswahl (z.B. Bestimmung des optimalen Portfolios aus produktspezifischen und flexiblen Anlagen) und der Planung der Anlagenkapazitäten. Solche Planungsansätze finden sich bspw. bei L I UND T IRUPATI (1994), L I UND T IRUPATI (1995), A HMED UND S AHINIDIS (2002), C HEN U. A . (2002) oder G OYAL UND N ETESSINE (2004). Die Anlagenplanung kann dabei als Spezialfall des allgemeinen Kapazitätsplanungsproblems mit unterschiedlichen Kapazitätsarten angesehen werden. Literatur und Modellierungsaspekte von allgemeinen Kapazitätsplanungsproblemen werden bspw. bei VAN M IEGHEM (2003) oder J ULKA U. A . (2007) vorgestellt. In der Operations Research Literatur finden sich zu fokussierten Ansätzen der Werksstrukturplanung vor allem Layoutplanungsmodelle. Einen Literaturüberblick über dieses Gebiet geben ebenfalls D OMSCHKE UND D REXL (1985) sowie D OMSCHKE UND K RISPIN (1997). Einen Überblick über Aspekte und Ansätze der modellgestützten Personalplanung präsentiert S PENGLER (2006). 4.1.2 Integrierte Entscheidungsmodelle ohne Anlagenplanung In den vergangenen Jahrzehnten wurde eine Vielzahl von Modellen zur integrierten strategischen Planung von Supply Chains bzw. Produktions-Distributions-Systemen G ac PAR - m (1999), UND ov U. A . (2002), G EUNES r. K U. A . D G OETSCHALCKX (1997), E RENG ÜC g UND W ILHELM (2000), G OETSCHALCKX er la UND )V P OWERS (1995), V IDAL (c UND S CHMIDT bH vorgestellt. Über die Veröffentlichungen von V ERTER UND D INCER (1992), G EOFFRION 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur 136 DALOS (2003), M EIXELL UND G ARGEYA (2005) sowie S HEN (2007) kann ein um- fangreicher Überblick über die Literatur zu integrierten Entscheidungsmodellen für das strategische Design von Supply Chains bzw. Produktions-Distributions-Systemen gewonnen werden. Bevor in Abschnitt 4.1.3 die für diese Arbeit relevanten integrierten Modelle mit Anlagenplanung betrachtet werden, wird in den folgenden Ausführungen zunächst ein kurzer Überblick über integrierte Modelle zur strategischen Planung von ProduktionsDistributions-Systemen bzw. Supply Chains ohne Anlagenplanung gegeben. Dabei werden ausgewählte neuere Ansätze ab dem Jahr 2000 vorgestellt141 . Ziel dieses Abschnitts ist es, einen Einblick in die Vielfalt aktueller Themen, Entwicklungen und Trends auf diesem Forschungsgebiet zu geben und die Einordnung der vorliegenden Forschungsarbeit in die Literatur zu integrierten Modellen zu erleichtern: • T SIAKIS U. A . (2001) formulieren ein stochastisches Modell zur Planung der Anzahl, Kapazität und Lage von Produktionsstätten, Lagern und Distributionszentren sowie der Produktions- und Transportmengen in einem mehrstufigen Produktions-Distributions-System. • W OUDA U. A . (2002) beschreiben die Praxisanwendung gemischt-ganzzahliger Optimierungsmodelle bei der Restrukturierung einer Supply Chain für Milch- und Molkereiprodukte. Das Modell integriert die Standort-, Materialfluss- und Belegungsplanung und berücksichtigt auch Transporte von Vorprodukten zwischen verschiedenen Produktionsstandorten. • S ABRI UND B EAMON (2000) sowie K ALLRATH (2002) präsentieren integrier- te Ansätze zur kombinierten strategischen und operativen Planung von Supply Chains. Entscheidungen auf der strategischen Planungsebene betreffen in diesen Modellen bspw. die Öffnung und Schließung von Standorten, während sich die operative Ebene u.a. mit der Lagerbestandsplanung befasst. • KOUVELIS UND R OSENBLATT (2002) stellen ein deterministisches Optimie- rungsmodell für das Design globaler Produktions-Distributions-Netzwerke vor, das eine Reihe internationaler Faktoren wie Subventionen, Steuern, Abschreibungsmöglichkeiten, Zölle, Local Content Bestimmungen und Wechselkurse berücksichtigt. Außerdem wird der Einfluss staatlicher Anreizsysteme in Form von Subventio- )V er la g D m G ac ov r. K Ein Überblick über ältere Modelle kann aus der zu Beginn des Abschnitts 4.1.2 genannten Literatur gewonnen werden. (c 141 bH nen, Finanzierungs- und Steueranreizen auf die Netzwerktopografie analysiert. 4.1 Literaturüberblick 137 • B HUTTA U. A . (2003) veröffentlichen ein integriertes Modell zur Planung von Investitionen, Kapazitäten, Transport- und Produktionsmengen für ein multinationales Unternehmen unter Beachtung von Wechselkursen und Zöllen. • A LONSO -AYUSO U. A . (2003) beschreiben einen stochastischen, strategisch- taktischen Ansatz zur Planung von Supply Chains in zwei Stufen. Auf der ersten, der strategischen Stufe, erfolgt die Bestimmung der Standorte, Kapazitäten, Werkebelegung und Lieferantenauswahl. Auf der zweiten, der taktischen Stufe, werden die Beschaffungs-, Produktions-, Distributions- und Lagermengen innerhalb des auf der ersten Stufe ermittelten Supply Chain Netzwerks bestimmt. Beide Stufen sind über gemeinsame Entscheidungsvariablen gekoppelt. • YAN U. A . (2003) integrieren die Modellierung mehrstufiger Mehrprodukt- Produktionsprogramme mittels logischer Restriktionen in die strategische Planung von Supply Chain Netzwerken. • M EYER (2004) präsentiert ein LP-Modell für die Bestimmung von Transportmengen in einer gegebenen, dreistufigen, globalen Supply Chain aus Lieferanten, Produktionsstätten und Märkten. Neben der Berücksichtigung standortspezifischer Steuersätze und Wechselkurse enthält das Modell mehrere, teils nichtlineare Formulierungen zur Abbildung verschiedener internationaler Faktoren, wie z.B. Zölle, Local Content, Importquoten oder incotermabhängige Transportkosten. • FANDEL UND S TAMMEN (2004) stellen ein Modell zur Planung globaler Supply Chain Netzwerke unter Beachtung von Lebenszyklusaspekten vor. Wesentliche Elemente des Modells sind Investitionsentscheidungen zwischen alternativen Produkten und Entwicklungsprojekten sowie die Analyse des Effekts unterschiedlicher Entwicklungs- und Recyclingstrategien auf das Supply Chain Netzwerk. • B EAMON UND F ERNANDES (2004) sowie F RANCAS UND M INNER (2007) stel- len Modelle zur Standort-, Kapazitäts- und Produktionsplanung von Closed Loop Supply Chains bzw. Produktionsnetzwerken unter Berücksichtigung von Produktrecyclingstrategien vor. • M ELO U. A . (2005) präsentieren ein Modell für die Standortplanung in Sup- ply Chains mit besonderem Schwerpunkt auf der Modellierung von Kapazitätsanpassungsmaßnahmen und modularen Kapazitätsverlagerungen. Darüber hinaus werden Beschaffungs- und Lagerbestandsentscheidungen sowie Budgetbe- bH schränkungen in das Modell integriert. Der Planungsansatz basiert auf einer all- ac G m gemeinen Netzwerkstruktur, die auch Flüsse zwischen allen Supply Chain Kno- (c )V er la g D r. K ov ten zulässt, was die Abbildung von Reverse Logistics Aspekten ermöglicht. 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur 138 • C HAKRAVARTY (2005) formuliert ein Modell zur simultanen Planung von Standorten, Produktions- und Transportmengen sowie Absatzpreisen unter Beachtung verschiedener internationaler Faktoren, wie z.B. Steuern, Zölle, Wechselkurse oder Local Content Restriktionen. • T RUONG UND A ZADIVAR (2005) veröffentlichen ein statisches Modell zur inte- grierten Planung der Eigenleistungstiefe, Lieferanten, Transportmodi, Standorte, Kapazitäten und der Produktion im Ein-Produkt-Fall ohne internationale Faktoren. • S ANTOSO U. A . (2005) stellen einen stochastischen Ansatz für die Planung von Supply Chains unter Unsicherheit vor. Dabei sind Produktions- und Transportkosten, Bedarfe und Kapazitäten Zufallsvariablen mit bekannter Verteilung. Die Entscheidungsfelder des Modells sind die Auswahl von Standorten bzw. Maschinen sowie die Bestimmung der Materialflüsse im Supply Chain Netzwerk. Die Zielfunktion besteht in der Minimierung der Investitionen und der erwarteten variablen Kosten für Produktion und Transport. Das Modell beinhaltet keine internationalen Faktoren. • C ORDEAU U. A . (2006) präsentieren ein statisches, deterministisches und gemischt-ganzzahliges Modell zur integrierten Planung der Standorte und Kapazitäten von Produktionsstätten und Lagern im Kontext eines nationalen Produktionsnetzwerks. Dabei wird ebenfalls die Auswahl von Lieferanten und Transportmodi betrachtet. • A SKAR U. A . (2007) formulieren einen Ansatz für die Flexibilitätsplanung in der Automobilproduktion auf strategisch-taktischer Ebene (Planungshorizont zwischen ein und sieben Jahren). Diese Arbeit befasst sich mit der Planung des Einsatzes verschiedener technischer und arbeitsorganisatorischer Flexibilitätsmaßnahmen (z.B. Anzahl der Schichten pro Woche, Länge der Schichten, Gestaltung der wertschöpfenden Zeit je Schicht) zur Optimierung der Anpassung von Personal- und Produktionskapazitäten an den Bedarf. Der Ansatz integriert Produktions-, Schichtmodell- und Arbeitskräfteplanung. Im Gegensatz zu strategischen Modellen werden aber keine zusätzlichen Investitionen betrachtet. • T SIAKIS UND PAPAGEORGIOU (2008) integrieren operative Aspekte in das stra- tegische Design von globalen Supply Chain Netzwerken. Die operativen Krite- bH rien beziehen sich schwerpunktmäßig auf die Lokalisierung von Produktions- ac G m umfängen und die Verteilung der Arbeitsinhalte in der Supply Chain unter Be- (c )V er la g D r. K ov achtung von Auslastungsrestriktionen. 4.1 Literaturüberblick 139 Neben einer Vielzahl theoretischer Ansätze wurden integrierte Planungsansätze für Praxisanwendungen in den unterschiedlichsten Branchen entwickelt, wie z.B. die Modelle von W OUDA U. A . (2002) und B ROWN U. A . (2001) für die Nahrungsmittelindustrie oder A SKAR U. A . (2007) für die Automobilindustrie. Einen aktuellen Überblick über Literatur zur Optimierung und zum Design von Supply Chains in der Prozessindustrie gibt S HAH (2005). Verschiedene Ansätze widmen sich der Berücksichtigung von Unsicherheiten (z.B. A LONSO -AYUSO U. A . (2003)). Dabei haben vor allem in den letzten Jahren Metho- den der robusten Optimierung Eingang in die Literatur zur strategischen Planung von Supply Chains bzw. Produktions-Distributions-Systemen gefunden (z.B. R EALFF U. A . (2000), B UTLER U. A . (2003) oder H ÜBNER (2007)). C HEN UND C HANG (2006) präsentieren einen anderen Ansatz zur Berücksichtigung unsicherer Informationen, indem sie Fuzzy Logic und mathematische Programmierung in der Supply Chain Planung kombinieren. Einen interessanten konzeptionellen Ansatz zur Berücksichtigung von Unsicherheiten in Supply Chains stellen V IDAL UND G OETSCHALCKX (2000) vor. Sie berücksichtigen Lieferantenzuverlässigkeiten bei der Gestaltung zuverlässiger Supply Chain Netzwerke. B UNDSCHUH U. A . (2003) formulieren einen Ansatz für das Design robuster und zuverlässiger Supply Chains. Neben der Berücksichtigung von Lieferantenzuverlässigkeiten erweitern sie den Ansatz von V IDAL UND G OETSCHALCKX (2000) um den Aspekt der Robustheit einer Supply Chain im Falle von Störungen. Einen aktuellen Überblick über quantitativ orientierte Literatur zur Planung sicherer Supply Chains geben S NYDER U. A . (2006). Die Analyse integrierter Planungsansätze verdeutlicht die vielfältigen Schwerpunkte und Anwendungsbereiche existierender Modelle. Dabei beinhalten viele Modelle Aspekte, die auch für diese Arbeit sehr relevant sind. Dennoch fehlt in diesen Modellen die Abbildung der Anlagenebene von Produktionssystemen, welche die Produktionssystemkapazität und -flexibilität maßgeblich bestimmt. Im nachfolgenden Abschnitt werden daher integrierte Modelle mit Anlagenplanung detaillierter vorgestellt, da sie für die vorliegende Arbeit von grundlegender Bedeutung sind. 4.1.3 Integrierte Entscheidungsmodelle mit Anlagenplanung In den folgenden Ausführungen wird ein chronologischer Überblick über bedeutende integrierte modellgestützte Planungsansätze für das strategische Design von Produktions-Distributions-Systemen und Supply Chains mit Aspekten der Anlagenpla- (c )V er la g D r. K ov ac G m bH nung gegeben (siehe Tabelle 4.1). 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur 140 Tabelle 4.1: Strategische Planungsansätze mit Anlagenplanung Titel der Veröffentlichung PAPAGEORGIOU U. A . (2001) V ERTER UND DASCI (2002) PAQUET U. A . (2004) PAQUET U. A . (2005) M ARTEL (2005) M ARTEL U. A . (2005) W ILHELM U. A . (2005) F ERBER (2005) F LEISCHMANN U. A . (2006) U LSTEIN U. A . (2006) M EYER (2006 A ) J ACOB (2006) H ÜBNER (2007) Supply Chain Optimisation in the Paper Industry Strategic Supply Chain Optimization for the Pharmaceutical Industries The Plant Location and Flexible Technology Acquisition Problem Including Technology Selection Decisions in Manufacturing Network Design Models A Manufacturing Network Design Model Based on Processor and Worker Capabilities The Design of Production-Distribution Networks: A Mathematical Programming Approach International Factors in the Design of Multinational Supply Chains: The Case of Canadian Pulp and Paper Companies Design of International Assembly Systems and Their Supply Chains Under NAFTA Strategische Kapazitäts- und Investitionsplanung in der globalen Supply Chain eines Automobilherstellers Strategic Planning of BMW’s Global Production Network Elkem Uses Optimization in Redesigning Its Supply Chain Globale Produktionsnetzwerke. Ein Modell zur kostenoptimierten Standortwahl Quantitative Optimierung dynamischer Produktionsnetzwerke Strategic Supply Chain Management in Process Industries. An Application to Specialty Chemicals Production Network Design bH E VERETT (2001) m UND W ILHELM (2000) G P HILPOTT UND Design for Global Manufacturing and Assembly A primal decomposition method for the integrated design of multi-period production-distribution systems Strategic, Tactical and Operational Decisions in Multi-national Logistics Networks: A Review and Discussion of Modelling Issues ac S CHMIDT G OETSCHALCKX ov TAYLOR (1997) D OGAN UND (1999) A Scenario Approach to Capacity Planning Global Supply Chain Management at Digital Equipment Corporation r. K A RNTZEN U. A . (1995) PLANETS: A Modeling System for Business Planning D L UCAS (1987) UND E PPEN U. A . (1989) g B REITMAN er la B ROWN U. A . (1987) Entscheidungsmodelle zur Standortplanung der Industrieunternehmen Design and Operation of a Multicommodity Production/Distribution System Using Primal Goal Decomposition )V H ANSMANN (1974) (c Zitation 4.1 Literaturüberblick 141 In den weiteren Ausführungen werden diese Ansätze kurz dargestellt und in Abschnitt 4.2 hinsichtlich der Anforderungen, die die strategische Planung von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule stellt, analysiert. H ANSMANN (1974) entwickelt Entscheidungsmodelle zur integrierten Planung von Produktionssystemen auf nationaler Ebene, die auf einem Grundmodell aufbauen, welches um verschiedene Aspekte erweitert wird. Das Grundmodell ist ein lineares, deterministisches, statisches, gemischt-ganzzahliges Entscheidungsmodell. Die Zielfunktion besteht in der Gewinnmaximierung unter Berücksichtigung von Absatzerlösen, Subventionen, Erträgen aus Finanzinvestitionen, Investitionen und Fixkosten (für Standorte und Anlagen), Materialkosten, variablen Produktions- und Transportkosten sowie Arbeitskosten. Das Modell beinhaltet Entscheidungen hinsichtlich der Öffnung von Standorten, der Anzahl der Betriebsmittel für ein bestimmtes Produktionsverfahren (Technologie- und Kapazitätsplanung), der Produktions- und Absatzmengen, der Höhe zu tätigender Finanzanlagen, der zu beschaffenden Materialmengen sowie des erforderlichen Personals. Das Modell berücksichtigt auf der Anlagenebene alternative technische Verfahren, die durch verschiedene Aggregate bzw. Aggregategruppen repräsentiert werden und die in unterschiedlichen Intensitätsstufen betrieben werden können. Neben der Auswahl des optimalen technischen Verfahrens erfolgt im Rahmen der Anlagenkapazitätsplanung die Bestimmung des Kapazitätsquerschnitts, d.h. der Anzahl der zu beschaffenden funktionsgleichen Aggregate für ein bestimmtes Verfahren, mittels ganzzahliger Variablen. Dabei ist die maximale effektive Produktionszeit der Aggregate im gesamten Planungszeitraum als Datum vorgegeben. Über einen aggregatspezifischen Personalbesetzungsfaktor wird schließlich aus der Anzahl der Aggregate der Primärpersonalbedarf des Produktionssystems ermittelt. Dabei werden unterschiedliche Primärlohngruppen unterschieden. Da das Modell auf die Standortplanung in einem nationalen Kontext abzielt, enthält es keine internationalen Faktoren, berücksichtigt aber Subventionen in Form von Investitionszulagen und verbilligten Krediten. In einer Modellerweiterung werden steuerrechtliche Aspekte diskutiert. Darüber hinaus werden in Modellerweiterungen die Einflüsse unterschiedlicher Konkurrenzsituationen (Monopol, Oligopol, Polypol) sowie die Einflüsse unsicherer und zeitlich veränderlicher Standortfaktoren auf die Standortwahl betrachtet. Zur Lösung wird ein auf Dekomposition basierendes Verfahren verwendet. B ROWN U. A . (1987) präsentieren einen modellgestützten Ansatz für die strategische Planung von Produktions-Distributions-Systemen in der Nahrungsmittelindustrie. Das bH gemischt-ganzzahlige Modell ermöglicht die Abbildung eines zweistufigen Produkti- (c )V er la g D G ac r. K ov verfügen über begrenzte Belegungsflexibilitäten und können jeweils eine Teilmenge m onsprozesses mit unterschiedlichen Anlagen auf jeder Stufe. Die einzelnen Anlagen 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur 142 der zu betrachtenden Produkte mit unterschiedlicher Effizienz herstellen. Die Kapazitätsplanung erfolgt über die Zuordnung von Anlagen mit vorgegebenen Kapazitäten zu Standorten mittels Binärvariablen. Mit diesem Modell kann eine simultane Bestimmung der Standorte, der Zuordnung von Anlagen zu Standorten sowie die Bestimmung der Produktions- und Transportmengen vorgenommen werden. Zielfunktion ist die Minimierung der variablen Produktions- und Transportkosten sowie der Fixkosten für Anlagen und Werke. B REITMAN UND L UCAS (1987) präsentieren eine Methodik zur flexiblen Generierung von gemischt-ganzzahligen Entscheidungsmodellen und deren Auswertung für unterschiedliche Fragestellungen der strategischen Planung in der Automobilindustrie. Betrachtete Planungsfelder sind z.B. Eigen-/Fremdfertigung, Beschaffung, Produktionsprogramm, Standorte und Lieferanten. Darüber hinaus werden auch Aspekte der Anlagen-/Technologieplanung betrachtet. So können für ein Produkt mehrere alternative Produktionsabläufe definiert werden, aus welchen über das mathematische Modell eine Auswahl zu treffen ist. Der Ansatz integriert die Belegungsplanung, indem verschiedene Prozesstypen den Standorten zugewiesen werden können. Die Prozesstypen unterscheiden sich neben variablen und fixen Kosten sowie qualitativem und quantitativem Personalbedarf auch hinsichtlich ihrer Flächenbedarfe. Aspekte der Werksstrukturplanung können somit ebenfalls abgebildet werden. Der Planungsansatz ist deterministisch und berücksichtigt Unsicherheiten indirekt über Szenariotechnik und Sensitivitätsanalysen. Er enthält mehrere internationale Faktoren, wie z.B. Zölle, Wechselkurse, Inflation oder Local Content Restriktionen. Zur Beantwortung verschiedener Fragestellungen können unterschiedliche Zielfunktionen verwendet werden (z.B. Gewinn-, Umsatz-, Auslastungsmaximierung oder Kostenminimierung). B REITMAN UND L UCAS (1987) beschreiben jedoch keine mathematischen Formulierungen und Lösungsverfahren. E PPEN U. A . (1989) formulieren für die Fahrzeugproduktion einen Ansatz für die strategische Planung unter Risiko. Der Ansatz basiert auf einem stochastischen, dynamischen, gemischt-ganzzahligen Modell zur simultanen Bestimmung der Art und der Kapazität der Produktionseinrichtungen (Fahrzeugmontagelinien oder Standorte) sowie der Zuordnung von Produktionsmengen. Für jede Einrichtung sind alternative Konfigurationen vorgegeben, aus welchen in jeder Periode jeweils eine Alternative mittels Binärvariablen gewählt sein kann. Diese Alternativen beinhalten neben der Modifikation der Produktionseinrichtungen (Flexibilisierung, Kapazitätserweiterung etc.) auch die Beibehaltung der aktuellen Konfiguration sowie die Stilllegung. Jede dieser stand- bH ortspezifischen Konfigurationen wird über eine entsprechende maximale Kapazität und (c )V er la g D G ac r. K ov ist innerhalb eines bestimmten Planungshorizonts begrenzt. Mit jeder Änderung ist ein m fixe Betriebskosten beschrieben. Die Anzahl der möglichen Konfigurationsänderungen 4.1 Literaturüberblick 143 bestimmter Kostensatz verbunden. Zur Berücksichtigung von Unsicherheiten hinsichtlich Nachfrage und Verkaufspreis der einzelnen Produkte werden für jede Planungsperiode mehrere Szenarien mit jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten definiert. Die Zielfunktion besteht in der Maximierung des erwarteten Deckungsbeitrags der Fahrzeugumsätze abzüglich der Betriebs- und Rekonfigurationskosten der Produktionseinrichtungen. Es werden keine internationalen Faktoren betrachtet. Zur Lösung wird die Standardoptimierungssoftware LINDO142 verwendet. Einer der umfassendsten Ansätze zur integrierten Produktionssystemplanung wird von A RNTZEN U. A . (1995) vorgestellt. Die Autoren präsentieren ein deterministisches, dynamisches, gemischt-ganzzahliges Modell zur simultanen Planung von Standorten (für Werke, Distributions- und Servicezentren), Belegungen, Anlagen, Kapazitäten, Produktions- und Transportmengen, Lagerbeständen, Transportmodi sowie der Eigenleistungstiefe für einen US-amerikanischen Computerhersteller. Das Modell zielt ab auf Branchen mit sehr kurzen Produktlebenszyklen und schnellem technologischen Wandel. Es wird zur Durchführung von Analysen mit unterschiedlichem Fokus und Umfang (z.B. Gesamtnetzwerk oder einzelne Bereiche der Supply Chain) sowie unterschiedlichen Fragestellungen (z.B. kostenminimale Supply Chain Konfiguration, kürzeste Produktions- und Transportzeiten etc.) eingesetzt. Das Modell kann somit zu Optimierungs- und Simulationszwecken verwendet werden. Über Vorgänger-Nachfolger-Restriktionen kann ein Produktionsprogramm mit verschiedenen Endprodukten und Vorprodukten auf mehreren Stufen modelliert werden. Die Bestimmung der Anlagentypen und der Anlagenkapazität erfolgt im Modell über die Zuordnung von alternativen Produktionsmethoden zu den Produktionseinrichtungen mittels Binärvariablen. Für alle zulässigen Kombinationen aus Produktionsmethode und Produktionseinrichtung sind entsprechende Kapazitäten vordefiniert. Im Modell werden verschiedene internationale Faktoren, wie z.B. Zölle (mit Zollrückerstattungen und Zollvermeidung), Steuern oder Local Content Restriktionen explizit berücksichtigt. Das Modell besitzt eine Zielfunktion, die sich aus einem Kosten- und einem Zeitterm zusammensetzt. Der Kostenterm beinhaltet variable Produktions-, Transport- und Lagerhaltungskosten sowie fixe Kosten für den Betrieb der Produktionseinrichtungen. Von diesen Kosten werden Zollrückvergütungen und Zollnachlässe subtrahiert. Der Zeitterm umfasst die anfallenden Produktions- und Transportzeiten vom Beginn der Produktion bis zur Auslieferung an die Kunden. Beide Terme sind in der Zielfunktion über einen Gewichtungsfaktor gekoppelt. Zur Lösung wird ein exaktes Verfahren eingesetzt, )V er la g D r. K ov LINDO ist eine Marke der Firma LINDO Systems, Inc. (http://www.lindo.com). (c 142 ac G m bH das nicht näher spezifiziert wird. 144 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur TAYLOR (1997) präsentiert ein dynamisches, gemischt-ganzzahliges Modell zur Belegungs- und Anlagenplanung in einem vorgegebenen Produktionsnetzwerk. Dabei werden verschiedene Aspekte des fertigungs- bzw. montagegerechten Designs ( design for manufacturability and assembly“) miteinbezogen. Die Entscheidungen be” stehen hinsichtlich der Zuordnung neuer Produkte zu Produktionsanlagen an den einzelnen Standorten, der Festlegung von Anlagenkapazitäten und zur Bestimmung der entsprechenden Produktionsmengen. Eine Gestaltung des Produktionsnetzwerks ist mit dem Modell nicht möglich. Die Belegungsplanung erfolgt unter Beachtung der Integrationsfähigkeit der neuen Produkte in die bestehenden Produktionsanlagen und der verfügbaren Kapazitäten. Die Kapazitäten sind als prozentualer Wert der zum Planungszeitpunkt ursprünglich vorhandenen Kapazitäten definiert (kontinuierliche Variablen). Neben Entscheidungen zur Kapazitätsanpassung der Produktionsanlagen kann mit dem Modell auch die Bestimmung der optimalen Anlaufzeitpunkte neuer Produkte erfolgen. Die Anlagen unterscheiden sich im Modell hinsichtlich Flexibilität, Produktionskosten und produktspezifischen Ressourcenverbrauchs. Die Zielfunktion besteht in der Minimierung der Kosten für Produktion, Transport, Lagerhaltung, Kapazitätsanpassungsmaßnahmen, Umstellung der Anlagen auf neue Produkte sowie Kosten für die Werkzeugkonstruktion und das fertigungsgerechte Design eines Produkts für die Herstellung auf einer bestimmten Anlage. Dabei werden standortspezifische Kostensätze unterschieden, um global verteilte Standorte modellieren zu können. Weitere internationale Faktoren werden aber nicht berücksichtigt. Der Planungsansatz ist deterministisch. Nachfrageunsicherheiten werden über verschiedene Volumenszenarien berücksichtigt. Zur Lösung wird die Software LINDO eingesetzt. D OGAN UND G OETSCHALCKX (1999) veröffentlichen ein deterministisches, dy- namisches, gemischt-ganzzahliges Modell zur strategisch-taktischen Planung von Produktions-Distributions-Systemen, welches auf D OGAN (1996) aufbaut. Das Modell ermöglicht die simultane Planung der Lokalisierung von Produktionsstätten und Distributionszentren in einem nationalen Kontext. Weitere Entscheidungsfelder sind die Planung der Anlagenkapazitäten und ihre Zuordnung zu Standorten, die Planung der Produktions-, Transport- und Lagerbestandsmengen sowie die Auswahl der Transportmodi. Die Anlagenkapazitäten werden über den Kapazitätsquerschnitt, d.h. über die Anzahl der erforderlichen Maschinen, modelliert. Das Modell berücksichtigt saisonale Nachfrageschwankungen und mehrstufige Produktionsprozesse. Für jede Produktionsstufe existieren unterschiedliche Anlagen. Zielfunktion ist die Minimierung der gesamten Kosten, die sich aus Beschaffungs-, Produktions-, Betriebs-, Lagerhaltungsund Transportkosten zusammensetzen. Das Modell wird an einem Beispiel aus der m bH Verpackungsmittelindustrie demonstriert. Zur Lösung wird die Methode der Benders- (c )V er la g D r. K ov ac G Dekomposition eingesetzt. 4.1 Literaturüberblick 145 Neben einem umfangreichen Überblick über die Literatur zu Planungsproblemen für die Gestaltung globaler Produktions-Distributions-Systeme auf strategischer, taktischer und operativer Ebene geben S CHMIDT UND W ILHELM (2000) für jede Planungsebe- ne allgemeine Modellformulierungen an. Für die strategische Ebene präsentieren die Autoren ein statisches, gemischt-ganzzahliges Modell zur integrierten Optimierung des Produktionsnetzwerks, der Anlagenauswahl und -belegung, der Produktions- und Transportmengen sowie der Kapazitäten. Die Kapazitätsplanung erfolgt dabei über die Zuordnung von Anlagen mit vorgegebenen Kapazitäten zu Standorten mittels Binärvariablen. Im Modell werden die Stücklistenbeziehungen von Zwischen- und Endprodukten eines mehrstufigen Produktionsprogramms berücksichtigt. Zur Herstellung eines Zwischen- oder Endprodukts sind mehrere Produktionsschritte erforderlich, für welche jeweils alternative Anlagen mit vorgegebenen Kapazitäten zur Auswahl stehen. Die Zielfunktion besteht in der Gewinnmaximierung. Neben den Umsatzerlösen enthält sie fixe Kosten für die Öffnung von Standorten sowie für die Bereitstellung und den Betrieb der ausgewählten Anlagen. Darüber hinaus werden variable Kosten für Produktion und Transport sowie für grenzüberschreitende Materialflüsse (die z.B. Wechselkurse, Zölle und Steuern beinhalten können) berücksichtigt. Letzteres dient zur pauschalisierten Abbildung internationaler Faktoren. Der Ansatz ist deterministisch. Verschiedene Erweiterungen des angegebenen Grundmodells, wie z.B. die Berücksichtigung von Unsicherheiten oder ein dynamisches Modell, werden diskutiert. Lösungsverfahren und Fallstudien werden nicht beschrieben. P HILPOTT UND E VERETT (2001) beschreiben ein statisches, deterministisches, gemischt-ganzzahliges Modell zur Optimierung von Supply Chains in der Papierindustrie durch simultane Planung der Anlagenbelegung, der Lieferantenauswahl sowie der Produktions- und Transportmengen. Die Standortplanung ist nicht Bestandteil des Modells. Im Rahmen der Anlagenbelegungsplanung erfolgt die Zuordnung sog. Produktcluster (Menge von Produkten) zu den einzelnen Papierfabrikationsmaschinen. Für jede Maschine sind die zulässigen Belegungsmöglichkeiten (Menge der produzierbaren Produktcluster), die Kapazitäten sowie deren Auswirkungen auf die Ausbringung und die variablen Produktionskosten der betreffenden Anlage vorab festgelegt. Ausgehend von ihrem ursprünglichen Zustand verändert ein Belegungswechsel die produktionstechnischen und betriebswirtschaftlichen Kennzahlen einer Papierfabrikationsmaschine. Eine Veränderung der Anlagenbelegung ist darüber hinaus mit Investitionen für den Umbau bzw. die Umrüstung verbunden. Materialflüsse von Lieferanten zu den Maschinen sowie von den Maschinen zu den Kunden sind im Modell ebenfalls enthalten. Zielfunktion ist die Maximierung des Gewinns unter Berücksichtigung der Umsatzerlöse, m bH der Rüstinvestitionen sowie der Kosten für die Materialbeschaffung, den Transport, die (c )V er la g D r. K ov ac G Produktion und den Betrieb der Anlagen. Unsicherheiten und internationale Faktoren 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur 146 werden nicht berücksichtigt. Zur Lösung des Modells wird Standardoptimierungssoftware (CPLEX 7.0143 ) eingesetzt. PAPAGEORGIOU U. A . (2001) präsentieren ein Modell zur integrierten Planung der Produktentwicklungs-, Markteinführungs-, Kapazitäts- und Investitionsstrategie für globale Produktionsnetzwerke in der pharmazeutischen Industrie. Das Modell ist als dynamisches, deterministisches, lineares, gemischt-ganzzahliges Modell formuliert. Die Entscheidungsfelder beinhalten die Auswahl von Produkten für die Entwicklung und spätere Produktion (Zusammensetzung des Produktionsprogramms) und die Bestimmung der Länge des Produktionszeitraums (Kampagnenproduktion in der Pharmaindustrie), die Festlegung von Produktions-, Lager- und Absatzmengen, die Installation und Erweiterung von Anlagen an den einzelnen Standorten, die Anlagenbelegung und den Produktionsanlauf neuer Produkte (Berücksichtigung von Kapazitätsverlusten und Kosten in der Anlaufphase). Die im Modell betrachteten Anlagen sind aus einer Produktions- und einer Reinigungslinie zusammengesetzt und benötigen zentrale Versorgungseinrichtungen. Die Anlagenkapazitäten können sukzessive durch die Installation zusätzlicher Anlagen (ggf. mit zusätzlichen Versorgungseinrichtungen) erweitert werden, wobei Vorlaufzeiten für den Aufbau der Anlagen berücksichtigt werden müssen. Die Zielfunktion besteht in der Maximierung des Kapitalwerts des global erwirtschafteten Gewinns vor bzw. nach Steuern (mathematische Formulierungen werden für beide Fälle angegeben). Die Zielfunktion berücksichtigt Umsätze, Investitionen, Abschreibungen, Produktionskosten (variabel und fix), Anlauf-, Lizenz- und Marketingkosten. Dabei werden unterschiedliche Vertriebsstrukturen (Organisation als Cost- oder Profit-Center) und die entsprechende Besteuerung berücksichtigt. Im Hinblick auf internationale Faktoren beinhaltet das Modell Steuern, Abschreibungs- und Inflationsraten. Zur Lösung des Modells wird die Standardoptimierungssoftware CPLEX 6.0 eingesetzt. V ERTER UND DASCI (2002) beschreiben ein statisches, deterministisches, gemischt- ganzzahliges Modell zur simultanen Planung von Standorten, Anlagen, Produktionsund Transportmengen. Der vorgestellte Ansatz erweitert den Ansatz von V ERTER (2002) um die Betrachtung mehrerer Produkte. Zur Produktion stehen produktspezifische und vollständig flexible Anlagen (d.h. mit ihnen kann jede beliebige Teilmenge des betrachteten Produktionsprogramms hergestellt werden) zur Auswahl. Während mit produktspezifischen Anlagen mit zunehmender Anlagenkapazität Skaleneffekte realisiert werden können, ermöglichen flexible Anlagen mit zunehmender Anlagengröße bH Verbundeffekte. Dies wird in der Zielfunktion über konkave Kostenfunktionen für die )V er la g D r. K ov CPLEX ist eine Marke der Firma ILOG, Inc. (http://www.ilog.com). (c 143 ac G m Investitionen und den Betrieb der Anlagen modelliert. Darüber hinaus enthält die Ziel- 4.1 Literaturüberblick 147 funktion fixe Kosten für die Öffnung von Standorten sowie variable Transportkosten. Ziel ist es, die kostenminimale Konfiguration des Produktionssystems unter der Annahme vollständiger Nachfragebefriedigung zu ermitteln. Die Autoren stellen zwar die Eignung des Modells für die Gestaltung globaler Produktions-Distributions-Systeme heraus, das Modell enthält aber keine internationalen Faktoren. Auch werden keine Unsicherheiten berücksichtigt. Zur Lösung des Optimierungsproblems entwickeln die Autoren heuristische und exakte Lösungsmethoden. Numerische Experimente erfolgen an Testinstanzen aus der Literatur. PAQUET U. A . (2004) präsentieren einen statischen, deterministischen Ansatz auf Basis eines gemischt-ganzzahligen Modells zur integrierten Planung des Produktionsnetzwerks, der Werke- und Anlagenbelegung, der Anlagenauswahl sowie der Kapazitäten unter Berücksichtigung der verfügbaren Werksstrukturen an den einzelnen Standorten. Die dem Produktionsnetzwerk zugrunde liegende Netzwerkstruktur ist allgemeiner Natur, d.h. die möglichen Produktionsstandorte sind nicht in Stufen für Vor-, Zwischen- und Endprodukte etc. unterteilt. Somit sind Materialflüsse zwischen allen Produktionsstandort-Knoten des Netzwerks möglich, und nicht nur zwischen den Knoten benachbarter Produktionsstufen. Dies erlaubt die Abbildung einer breiteren Klasse von Netzwerkproblemen als mit der Stufenstruktur. Zur Produktion stehen alternative Anlagen mit unterschiedlicher, vorgegebener Belegungsflexibilität (Spektrum der herstellbaren Produkte) zur Auswahl. Für jeden Anlagen-Standort-Tupel stehen verschiedene vordefinierte Kapazitätsoptionen mit unterschiedlichen Auswirkungen auf Investitionen, Kosten und Flächenbedarfe zur Auswahl, die über Binärvariablen gewählt werden können. Diese Optionen umfassen die Beibehaltung vorhandener Produktionseinrichtungen, ihre Modifikation oder eine Erweiterung. Über die unterschiedlichen produktions- und betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Kapazitätsoptionen können indirekt Skalenund Verbundeffekte modelliert werden. Das Modell berücksichtigt Stücklistendaten (Vorgänger-Nachfolger-Beziehungen und Bedarfskoeffizienten) zur Abbildung mehrstufiger Produktionsprogramme. Die Zielfunktion besteht in der Minimierung der fixen Betriebskosten für Werke und Anlagen sowie der variablen Kosten für Produktion und Transport. Unsicherheiten und internationale Faktoren werden im Planungsansatz nicht berücksichtigt. Zur Lösung wird sowohl Standardoptimierungssoftware (CPLEX 6.6) als auch Benders-Dekomposition eingesetzt. PAQUET U. A . (2005) erweitern den Ansatz von PAQUET U. A . (2004). Die Autoren bH formulieren ein statisches, deterministisches, gemischt-ganzzahliges Optimierungs- (c )V er la g D G ac r. K ov bestehenden Produktionsnetzwerk können mit dem Modell Entscheidungen über die m modell zur strategischen Planung von Produktionssystemen. Ausgehend von einem 148 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur Öffnung und Schließung von Standorten, die Werkebelegung, die Produktions- und Transportmengen sowie über Anlagen und Kapazitäten getroffen werden. Darüber hinaus werden Personal- und Werksstrukturplanung als weitere Entscheidungsfelder in die Optimierung integriert. Das Modell berücksichtigt Stücklistendaten zur Abbildung mehrstufiger Produktionsprogramme sowie Arbeitsplandaten (Prozessschritte und -zeiten). Für die Durchführung der einzelnen Prozessschritte können jeweils verschiedene Ressourcen eingesetzt werden. Dies können sowohl unterschiedliche Anlagen als auch Personal mit unterschiedlicher Qualifikation sein. Für die einzelnen Personal- bzw. Anlagentypen ist festgelegt, welche Prozessschritte durchgeführt werden können und welche Bearbeitungszeiten bzw. Kosten im jeweiligen Fall entstehen. Auf Standortebene wird ermittelt, wie groß der Bedarf der unterschiedlichen maschinellen und personellen Ressourcen ist, wie viele Maschinen neu angeschafft bzw. deinstalliert werden müssen, wie viel Personal eingestellt bzw. freigestellt werden muss und wie viele Ressourcen zwischen den Standorten im Netzwerk verlagert werden sollen. Die Abbildung des maschinellen und personellen Kapazitätsquerschnitts erfolgt über ganzzahlige Variablen. Flexibilitätsaspekte sind bei PAQUET U. A . (2005) dadurch berücksichtigt, dass einzelne Prozessschritte von mehreren Ressourcen (Anlagen- und Personalarten) und umgekehrt durchgeführt werden können, was Substitutionen zwischen den verschiedenen Ressourcenarten ermöglicht. Die Zielfunktion besteht in der Minimierung der gesamten Kosten. Unsicherheiten und internationale Faktoren werden nicht berücksichtigt. Zur Lösung des Modells wird Standardsoftware (CPLEX 8.0) eingesetzt. Dabei wird die Leistungsfähigkeit verschiedener Solverkonfigurationen analysiert. M ARTEL (2005) präsentiert nach A RNTZEN U. A . (1995) einen der bisher umfassendsten integrierten Ansätze zur Optimierung der strategischen Planung internationaler Produktions-Distributions-Systeme. Der Anwendungsbereich des Modells ist die Herstellung von Produkten mit konvergierenden Produktionsprozessen auf Lager. Der Autor diskutiert verschiedene relevante Aspekte dieses Planungsproblems und präsentiert jeweils mathematische Formulierungen zu deren Abbildung in einem gemischtganzzahligen Optimierungsmodell. Die diskutierten Aspekte umfassen – neben der Wahl der Zielfunktion und des Planungshorizonts, der Modellierung von Produkt- und Prozessstrukturen, der Modellierung von Kosten- und Nachfragestrukturen sowie der Behandlung von Unsicherheiten – auch die Netzwerk-, Lagerhaltungs-, Materialfluss-, Kapazitäts-, Anlagen-, Werksstruktur-, Absatzpreis- und Service-Level-Planung. Kapazitäts-, Anlagen- und Werksstrukturplanung erfolgen dabei über die Zuordnung m bH von vorgegebenen Kapazitätsoptionen zu Standorten mittels Binärvariablen. Die ein- (c )V er la g D r. K ov ac G zelnen Entscheidungsfelder werden in ein allgemeines, nicht-lineares, deterministi- 4.1 Literaturüberblick 149 sches, dynamisches, gemischt-ganzzahliges Optimierungsmodell integriert. Die Nichtlinearitäten entstehen durch die Formulierung der Lagerhaltungsrestriktionen. Die durchschnittlichen Lagerbestände der Distributionszentren werden als konkave Funktionen des jeweiligen Güterdurchsatzes modelliert. Sie werden mittels abschnittsweise linearer Approximation linearisiert, was jedoch die Anzahl der Binärvariablen und die Rechenzeitkomplexität drastisch erhöht. Unsicherheiten werden indirekt über Szenarioanalysen berücksichtigt. Das Modell beinhaltet mehrere internationale Faktoren, wie z.B. Steuern, Wechselkurse und Zölle. Zollrückerstattungen oder Zollvermeidung werden nicht betrachtet. Zielfunktion ist die Maximierung des global erwirtschafteten Gesamtgewinns nach Steuern. Zur Lösung wird eine iterative Heuristik auf Basis der sukzessiven Lösung von gemischt-ganzzahligen Optimierungsmodellen mit Standardsoftware (CPLEX 8.1) entwickelt. Zur Verbesserung der Lösbarkeit werden Schnittebenenverfahren angewandt. Darüber hinaus wird der Einsatz der BendersDekompositions-Methode analysiert, was aber in diesem Fall keine signifikanten Verbesserungen gegenüber CPLEX erbrachte. M ARTEL U. A . (2005) diskutieren verschiedene Faktoren und Einflussgrößen für die strategische Planung globaler Produktions-Distributions-Systeme. Aufbauend auf einer vereinfachten Version des Modells von M ARTEL (2005), wird ein Planungsansatz für globale Produktions-Distributions-Systeme in der Papierindustrie unter Beachtung der für dieses Planungsproblem relevanten internationalen Faktoren wie z.B. Steuern, Wechselkurse und Local Content Anforderungen formuliert. Verschiedene Erweiterungsmöglichkeiten des Modells zur Modellierung zusätzlicher internationaler Faktoren, wie z.B. Importquoten, werden diskutiert. Der Ansatz basiert auf einem statischen, deterministischen, gemischt-ganzzahligen Optimierungsmodell. Er integriert die Planung von Standorten, Produktions-, Lagerhaltungs- und Transportmengen, Kapazitäten, Anlagen (in Form alternativer Technologien) und Werksstrukturen. Kapazitäts-, Anlagen- und Werksstrukturplanung erfolgen wie bei M ARTEL (2005) über die Zuordnung von vorgegebenen Kapazitätsoptionen zu Standorten mittels Binärvariablen. Mehrstufige Mehrprodukt-Produktionsprogramme und Stücklisteninformationen können modelliert werden. Zielfunktion ist die Maximierung des global erwirtschafteten Gewinns nach Steuern. Unsicherheiten werden indirekt über Szenario- und Sensitivitätsanalysen betrachtet. Moderate Probleminstanzen sind laut den Autoren effizient mit der Standardsoftware CPLEX 9.0 lösbar. W ILHELM U. A . (2005) beschreiben aufbauend auf dem strategischen Teilmodell aus S CHMIDT UND W ILHELM (2000) einen Planungsansatz für das strategische Design bH eines Produktionssystems in den USA und Mexiko unter besonderer Berücksichti- (c )V er la g D G ac r. K ov hinsichtlich Standorten für Werke und Distributionszentren, Anlagen, Kapazitäten, m gung der Bedingungen im NAFTA-Raum. Dieser Ansatz integriert Entscheidungen 150 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur Produktions-, Lagerhaltungs- und Transportmengen, Transportmodi, Lieferantenauswahl, Transportkostenallokation sowie Entscheidungen hinsichtlich der optimalen Anzahl von Auftragsrückstellungen bei Kapazitätsengpässen. Die Kapazitätsplanung erfolgt über die Zuordnung von Produkten zu Produktionseinrichtungen mit vorgegebenen Kapazitäten mittels Binärvariablen. Zielfunktion ist die Maximierung des Gewinns nach Steuern. Steuerliche Aspekte werden über eine konvexe, abschnittsweise lineare Funktion des Gewinns modelliert. Die Zielfunktion beinhaltet fixe Kosten für die Öffnung und den Betrieb von Standorten, variable Produktions-, Transport- und Handlingkosten, Materialkosten, Kosten grenzüberschreitender Materialflüsse sowie Lagerhaltungskosten. Neben Steuern beinhaltet das Modell auch Wechselkurse, Local Content Bestimmungen und Transferpreise. Darüber hinaus werden Stücklistendaten berücksichtigt, um ein Produktionsprogramm mit Zwischen- und Endprodukten auf mehreren Stufen abbilden zu können. Skaleneffekte werden über alternative Konfigurationen von Produktionseinrichtungen und alternative Transportmodi abgebildet. Der Planungsansatz basiert auf einem dynamischen, linearen, deterministischen, gemischt-ganzzahligen Modell. Unsicherheiten werden nicht berücksichtigt. Zur Validierung werden fiktive Beispiele aus der Computerindustrie herangezogen. Die Lösung erfolgt mittels des Solvers CPLEX. F ERBER (2005) und F LEISCHMANN U. A . (2006) beschreiben Modelle für die strategische Planung von globalen Produktionsnetzwerken in der Automobilindustrie, speziell dem der BMW Group. Neben Standort-, Investitions- und Kapazitätsplanung bildet die Werkebelegung einen der Hauptschwerpunkte. Die Modelle bauen auf dem Ansatz von H ENRICH (2002) auf, der ein deterministisches, gemischt-ganzzahliges Modell zur langfristigen Werkebelegung unter besonderer Beachtung von strategischen Vorgaben in der Automobilindustrie präsentiert. Die Entscheidungsfelder in den Modellen von F ERBER (2005) und F LEISCHMANN U. A . (2006) beinhalten Standortwahl, Belegung von Standorten mit Produkten, Festlegung von Beschaffungs-, Produktionsund Distributionsmengen sowie Kapazitätserweiterungen der für die Automobilproduktion erforderlichen Technologien Rohbau, Lackiererei und Montage. Die Kapazitätserweiterungsmöglichkeiten werden über ganzzahlige Variablen modelliert. Die Zielfunktion besteht in der Minimierung des Kapitalwerts der Auszahlungen für Investitionen, Beschaffungs-, Produktions- und Distributionskosten in der globalen Supply Chain. Das Modell berücksichtigt explizit Zölle für die Distribution der Fahrzeuge, jedoch werden keine Zollrückerstattungen oder Zollvermeidung modelliert. Wechselkurse werden indirekt in den in einer Referenzwährung (Euro) angegebenen Kostenparametern berücksichtigt. Eine Erweiterung der Zielfunktion zur Maximierung des Kapi- )V er la g D m r. K ov ac G (2006) erweitern die Zielfunktion um die Betrachtung des Cash-Flows nach (c MANN U. A . bH talwerts des globalen Cash-Flows vor Steuern wird ebenfalls beschrieben. F LEISCH - 4.1 Literaturüberblick 151 Steuern, was unter Zugrundelegung bestimmter Annahmen durch einfache Anpassung der Investitions- und Kostenparameter erreicht werden kann. Die Anwendung des Modells wird anhand eines Beispiels der BMW Group dargestellt. Zur Lösung wird die Standardoptimierungssoftware CPLEX eingesetzt. U LSTEIN U. A . (2006) präsentieren einen Ansatz auf Basis eines deterministischen, dynamischen, gemischt-ganzzahligen Optimierungsmodells für die strategische Planung von Standorten und Anlagen in Supply Chains der Metallindustrie. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Restrukturierung bestehender Supply Chains. Dazu werden auf der Netzwerkebene Entscheidungen hinsichtlich des (Weiter-)Betriebs, der Öffnung und der Schließung von Standorten getroffen. Die Entscheidungen auf der Anlagenebene umfassen sowohl den Betrieb, die (zeitweilige) Stilllegung und die Neuinstallation von Produktionsanlagen als auch die Anlagenbelegung. Weitere Entscheidungen bestehen hinsichtlich der Produktions- und Transportmengen sowie des Anund Verkaufs von Energie, da die betrachtete Branche durch sehr energieintensive Produktionsprozesse gekennzeichnet ist. Dabei werden alternative Vertragsmöglichkeiten für den Energiehandel mit einbezogen. Die Zielfunktion besteht in der Maximierung des Gewinns. Umsatzseitig setzt sie sich aus Erlösen aus dem Verkauf von Produkten und der Weiterveräußerung von Energiekontingenten zusammen. Kostenseitig werden Investitionen in Anlagen, Stilllegungskosten für Standorte, variable Produktions- und Transportkosten, variable Kosten für den Ankauf von Energie sowie fixe Betriebskosten für Anlagen und Standorte berücksichtigt. Bei der Modellierung der Anlagenkapazitäten werden Lernkurveneffekte nach dem Neuanlauf eines Produkts sowie diskrete anlagen- und standortabhängige Kapazitätserhöhungen mit Zusatzinvestitionen abgebildet. Zwei Nachfragearten werden modelliert: stets zu erfüllende Nachfragen, die durch langfristige Verträge bestimmt sind und variable Absatzmengen auf Spot-Märkten. Die Struktur des mehrstufigen Produktionsprogramms wird über Stücklistendaten (in der Prozessindustrie als Rezepte bezeichnet) modelliert. Dabei ist die Abbildung konvergierender und divergierender Stücklistenstrukturen möglich. Planungshorizonteffekte werden durch Verlängerung des entscheidungsrelevanten Planungshorizonts berücksichtigt. Internationale Faktoren sind nicht enthalten. Unsicherheiten werden indirekt über Szenarioanalysen berücksichtigt. Zur Lösung des Modells wird die Standardsoftware XPRESS-MP144 eingesetzt. M EYER (2006 A ) beschreibt ein statisches, lineares, deterministisches, gemischtganzzahliges Optimierungsmodell zur Bestimmung des optimalen Zielzustands von globalen Produktionsnetzwerken in der Industrie. Das Modell resultiert aus der vom bH Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der )V er la g D r. K ov XPRESS-MP ist eine Marke der Firma Dash Optimization Ltd. (http://www.dashoptimization.com). (c 144 ac G m TU Darmstadt und der Unternehmensberatung McKinsey&Company durchgeführten 152 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur Forschungsinitiative ProNet“. Der Ansatz erlaubt die Abbildung allgemeiner mehr” stufiger Mehrprodukt-Produktionsprogramme, mehrstufiger Produktionsprozesse mit alternativen Prozesstypen (Verfahren, Anlagen) je Prozessschritt sowie unterschiedlicher Transportmodi. Die zentralen Entscheidungen bestehen in der Bestimmung von Produktions- und Transportmengen, Sicherheitsbeständen vor und nach den einzelnen Prozessstufen sowie in der Zuordnung von Prozesstypen zu Produktionsstufen und deren Zuordnung zu Standorten. Die Produktionsstufen können dabei auf mehrere Unternehmen verteilt sein (Supply Chain Perspektive). Die Zielfunktion besteht in der Minimierung der gesamten Kosten zur Herbeiführung der Produktverfügbarkeit in den jeweiligen Märkten ( landed costs“). Diese Kosten beinhalten variable Fertigungskos” ten für die einzelnen Produktionsstufen (prozesstyp- und standortabhängig) und Transportkosten (abhängig vom Transportmodus) sowie Fixkosten je Land, Produktionsstufe und Prozesstyp. Darüber hinaus sind Kosten für die Instandhaltung der Anlagen, Kapitalbindungskosten für Produktionsanlagen und Bestandskosten (Work-in-Process-, Logistik-Pipeline- und Sicherheitsbestände) berücksichtigt. Die Fertigungskosten enthalten verschiedene internationale Faktoren, wie z.B. länderspezifische Produktivitätsunterschiede und Subventionen. Sie berücksichtigen Abschreibungen, die aber nur von der Produktionsstufe und dem Prozesstyp abhängig sind und keine länderspezifischen Unterschiede widerspiegeln. Das Modell beinhaltet darüber hinaus Zölle und vereinfachte Zollrückerstattungen, aber keine Zollvermeidung. Das Optimierungsmodell ist nicht vollständig mathematisch beschrieben. Abgesehen von der Zielfunktion wird auf eine vollständige Darstellung der Nebenbedingungen verzichtet. Zur Lösung des Modells wird Standardoptimierungssoftware (CPLEX 9.0) eingesetzt. Das Modell wird auf mehrere Fallstudien der industriellen Stückgüterproduktion angewandt, darunter auch auf die Produktion von Schaltgetrieben in der Automobilzulieferindustrie. J ACOB (2006) stellt ein deterministisches, dynamisches, lineares, gemischtganzzahliges Modell für die Optimierung dynamischer Produktionsnetzwerke vor. Wie auch bei M EYER (2006 A ) resultiert das Modell aus der bereits genannten ProNet“” Initiative. Die Produktionsnetzwerkoptimierung erfolgt dabei zweistufig: • Mit einer statischen Modellvariante wird in einem ersten Optimierungsschritt der optimale Zielzustand des Produktionsnetzwerks errechnet. Dabei werden noch keine Informationen über die bestehenden Strukturen berücksichtigt (reine Greenfield“-Betrachtung) ” bH • Mit einer dynamischen Modellvariante wird in einem zweiten Schritt auf Basis der ac G m fixierten zukünftigen Idealstruktur der Entwicklungspfad vom bestehenden zum (c )V er la g D r. K ov zukünftigen Produktionsnetzwerk optimiert. 4.1 Literaturüberblick 153 Das Modell erlaubt die Abbildung allgemeiner mehrstufiger Mehrprodukt-Produktionsprogramme. Die Zielfunktion besteht in der Minimierung des Kapitalwerts der Auszahlungen für die Weiterentwicklung des Produktionsnetzwerks unter Berücksichtigung von Subventionen. Die Auszahlungen beinhalten Investitionen, Material-, Personal-, Transport-, Zoll-, Wartungs- und Instandhaltungs- sowie Lagerhaltungskosten. Fixe Auszahlungen für den Betrieb eines Fertigungsverfahrens an einem Standort, Auszahlungen für die Reduktion der Personalkapazität bei Produktionsnetzwerkrestrukturierungen sowie Auszahlungen für den Produktionsanlauf sind ebenfalls berücksichtigt. Das Modell beinhaltet Entscheidungen zum Betrieb von Standorten, zur Zuordnung von Prozessschritten zu Standorten mit integrierter Auswahl des Verfahrens, zur Festlegung von Produktions-, Transport- und Lagerhaltungsmengen, zum Kapazitätsaufbau (Neuinvestitionen) sowie zum Kapazitätsabbau (Restrukturierungskosten, v.a. Kosten für die Personalfreistellung). Neben dem Betrieb von Standorten in den einzelnen Perioden ist auch die integrierte Prozessschritt-Verfahren-Standort-Zuordnung über Binärvariablen abgebildet. Das Modell kann um weitere Restriktionen, vom Autor als optionale Randbedingungen“ bezeichnet, ergänzt werden. Dies beinhaltet die Ab” bildung des Ausgangs- oder des Zielnetzwerks, von Mindestproduktionsmengen sowie von Komplexitäts- und Finanzierbarkeitsrestriktionen. Im Modell werden die folgenden internationalen Faktoren berücksichtigt: Inflationsraten, Wachstumsraten der Arbeitskosten, Produktivitäten und Zölle (ohne Zollrückerstattungen und -vermeidung). Wechselkurse werden nicht explizit modelliert. Zur Lösung des Modells wird die Standardoptimierungssoftware CPLEX eingesetzt. Die Anwendung des Modells erfolgt wie bei M EYER (2006 A ) anhand verschiedener Beispiele aus der Automobilzuliefer-, Industriegüter-, Elektronik- und Haushaltsgeräteindustrie. Interessant für diese Arbeit ist das beschriebene Beispiel der Herstellung von Schaltgetrieben, das auch schon in ähnlicher Form bei M EYER (2006 A ) beschrieben wurde. Aber auch hier ist das Modell nicht vollständig beschrieben und mathematische Formulierungen sind nur auszugsweise dargestellt. H ÜBNER (2007) formuliert ein dynamisches, lineares, gemischt-ganzzahliges Optimierungsmodell für die Produktionsnetzwerkplanung in der chemischen Industrie. Das Modell integriert Standort-, Materialfluss-, Anlagen-, Belegungs- und Personalplanung in einem internationalen Kontext. Die Produktionskapazitäten werden über die Anzahl der Produktionsanlagen an den einzelnen Standorten im Netzwerk (ganzzahlige Variablen) modelliert. Die Personalplanung berücksichtigt sowohl fixes Personal für den Betrieb von Standorten als auch anlagenabhängiges Primärpersonal. Die Zielfunktion des Modells besteht in der Maximierung des Kapitalwerts des globalen Cash-Flows vor Steu- m bH ern. Sie setzt sich aus den erwirtschafteten Umsatzerlösen, Investitionen, Personal- (c )V er la g D r. K ov ac G kosten sowie fixen und variablen Sachkosten zusammen. In einer Modellerweiterung 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur 154 wird die Maximierung der globalen Cash-Flows nach Steuern diskutiert. Da das Modell auf die Planung globaler Netzwerke abzielt, werden Wechselkurse, Produktivitäten, Steuern, Subventionen, Zölle und Zollrückerstattungen berücksichtigt. Das Modell erlaubt die Abbildung von mehrstufigen Mehrprodukt-Produktionsprogrammen mit entsprechenden Stücklistenbeziehungen bzw. Rezepten. Darüber hinaus werden verschiedene Aspekte, wie z.B. Single-Sourcing Restriktionen, Restriktionen für Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Restriktionen für Anlaufphasen der Anlagen nach einem Produktwechsel, betrachtet, die in der chemischen Industrie eine besondere Rolle spielen. Das Modell ist deterministisch und berücksichtigt Unsicherheiten indirekt über Szenario- und Sensitivitätsanalysen. Darüber hinaus werden Methoden der robusten Optimierung eingesetzt. Zur Lösung wird die Standardoptimierungssoftware CPLEX 10.0 eingesetzt. 4.2 Analyse der integrierten Modelle mit Anlagenplanung In den nachfolgenden Ausführungen werden die im vorangegangenen Abschnitt dargestellten integrierten Modelle mit Anlagenplanung im Hinblick auf die in Abschnitt 3.2.2 abgeleiteten Anforderungen an einen modellgestützten Planungsansatz für die Fahrzeughauptmodule Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang analysiert: Praxisbezug und flexible Einsatzmöglichkeiten Fünfzehn der 22 in Abschnitt 4.1.3 diskutierten Modelle weisen einen direkten Praxisbezug auf und wurden im Hinblick auf die spezifischen Anforderungen einer Branche oder eines Unternehmens entwickelt. Dabei reicht das Spektrum von der Nahrungsmittelindustrie über die Pharma-, Computer-, Automobil- und Papierherstellung bis hin zur chemischen Industrie. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Planungsproblemen der industriellen Stückgüterproduktion. Dabei befassen sich B REITMAN E PPEN U. A . (1989), F ERBER (2005) und F LEISCHMANN U. A . UND L UCAS (1987), (2006) mit der Auto- mobilindustrie im Allgemeinen. M EYER (2006 A ) und J ACOB (2006) beschreiben die Anwendung ihrer Modelle u.a. auf die Produktion von Fahrzeugkomponenten (Schaltgetriebe). Ein angepasster modellgestützter Ansatz für die Produktion der Hauptmodule Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang existiert nach dem Kenntnisstand des Autors G m L UCAS (1987) unterstreichen die in Abschnitt 3.2.2 abgeleitete An- ac UND (c )V er la g D r. K forderung, dass praxisrelevante Planungsansätze in der Lage sein müssen, flexible ov B REITMAN bH aber nicht. 4.2 Analyse der integrierten Modelle mit Anlagenplanung 155 Fragestellungen zu beantworten – von der Evaluation einzelner Strategien bis zur mathematischen Optimierung mit vielen Freiheitsgraden. Sie kombinieren dementsprechend in ihrem für General Motors entwickelten Ansatz [...] capabilities to evaluate ” and optimize specific scenarios“ 145 (Breitman und Lucas, 1987, S. 105). Eine ähnliche Vorgehensweise findet sich auch bei A RNTZEN U. A . (1995), F ERBER (2005) und F LEISCHMANN U. A . (2006)146 . Modelltyp Alle vorgestellten integrierten Ansätze zur strategischen Planung von ProduktionsDistributions-Systemen bzw. Supply Chains mit Anlagenplanung basieren auf gemischt-ganzzahligen Optimierungsmodellen. Bis auf V ERTER UND DASCI (2002) sind alle Modelle linear bzw. enthalten Linearisierungen nicht-linearer Terme (M ARTEL (2005)). Fast die Hälfte der in Abschnitt 4.1.3 untersuchten Modelle ist statisch. Diese Ansätze können somit nur einen Zielzustand, aber keinen Entwicklungspfad zu dessen Erreichung aufzeigen, wie es das in dieser Arbeit betrachtete Planungsproblem erfordert. Die Effekte zeitlich verteilter Auszahlungen können in statischen Modellen nicht adäquat berücksichtigt werden. Entscheidungsfelder Zwar beinhalten alle in Abschnitt 4.1.3 vorgestellten Ansätze neben der Anlagenplanung noch mindestens zwei weitere Entscheidungsfelder, jedoch sind die wechselseitigen Einflüsse zwischen Netzwerk- und strategischer Knotenplanung, d.h. zwischen Standorten, Produktionstechnologien, Produktions- und Personalkapazitäten sowie Produktionssystemflexibilitäten, bisher nur unzureichend berücksichtigt. Bis auf P HILPOTT UND E VERETT (2001) enthalten alle Modelle die Planung von Standorten. Die mit der Standortplanung eng verbundene Materialflussplanung ist bis auf E PPEN U. A . (1989) und PAPAGEORGIOU U. A . (2001) ebenfalls Bestandteil aller Modelle. Jeder Ansatz enthält darüber hinaus eine Form der Belegungsplanung. Für diese Arbeit sind jedoch nur solche Modelle interessant, die eine Veränderung der Belegung im Zeitverlauf betrachten und die Auswirkungen unterschiedlicher Belegungen auf die Investitionen, die Fixkosten und die Struktur des Produktionssystems abbilden, was in der Regel über binäre Zuordnungsvariablen erfolgt. Ungefähr die Hälfte der untersuchten Modelle weisen eine solche Art der Belegungsplanung auf. Dazu zählen bspw. die (c )V er la g D m G ac ov r. K In der Literatur wird häufig der Begriff Szenario“ anstelle des in dieser Arbeit verwendeten Begriffs ” Strategie“ benutzt (z.B. bei B REITMAN UND L UCAS (1987)). Während Strategie“ im Verständnis dieser ” ” Arbeit die Summe der beeinflussbaren Größen umfasst, bezeichnet Szenario“ alternative, nicht beein” flussbare Umweltlagen. 146 Siehe hierzu auch die Ansätze von C AMM U. A . (1997) (strategisches Supply Chain Design bei Procter & Gamble) oder L AVAL U. A . (2005) (strategisches Supply Chain Design bei Hewlett-Packard). bH 145 156 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur Modelle von F ERBER (2005), F LEISCHMANN U. A . (2006) oder H ÜBNER (2007). Auch die Modellierung der Kapazitäten genügt in vielen Fällen nicht den Anforderungen des Untersuchungsbereichs dieser Arbeit. Um die Auswirkungen verschiedener Technologien, Automatisierungsgrade, Anlagengrößen und Schichtmodelle evaluieren zu können, ist eine differenzierte Betrachtung der drei Kapazitätsdeterminanten Intensität, Kapazitätsquerschnitt und Leistungsdauer erforderlich. Während die meisten Ansätze unterschiedliche Intensitäten über alternative Technologien abbilden, beinhalten nur die Modelle von H ANSMANN (1974), D OGAN GEORGIOU U. A . UND G OETSCHALCKX (1999), PAPA - (2001), PAQUET U. A . (2005), F ERBER (2005), F LEISCHMANN U. A . (2006) und H ÜBNER (2007) Entscheidungsvariablen für den Kapazitätsquerschnitt, d.h. für die Anzahl der benötigten Anlagen bzw. Arbeitssysteme. TAYLOR (1997) modelliert die Kapazität als variablen Prozentsatz der ursprünglich vorhandenen Kapazität mittels kontinuierlicher Variablen. V ERTER UND DASCI (2002) modellieren die Kapa- zitäten als nichtlineare Funktionen zur Berücksichtigung von Skalen- und Verbundeffekten. In den restlichen der vorgestellten integrierten Ansätze mit Anlagenplanung erfolgt die Kapazitätsplanung durch die Zuordnung von Produkten zu Produktions(sub)systemen (Anlagen, Werksteile oder Werke) mit vordefinierten Kapazitäten über Binärvariablen. Keines der in Abschnitt 4.1.3 vorgestellten Modelle enthält die Schichtmodellauswahl explizit als Entscheidung. PAQUET U. A . (2004), M ARTEL (2005) und M ARTEL U. A . (2005) modellieren verschiedene Kapazitätsoptionen (z.B. für die Rekonfiguration bestehender Anlagen oder die Erhöhung des Kapazitätsquerschnitts durch zusätzliche Ressourcen), die auch alternative Schichtmodelle repräsentieren können. Personelle Aspekte werden ebenfalls nur in wenigen Ansätzen explizit berücksichtigt, obwohl das Personal neben der Anlagenausstattung die zweite primäre Determinante der Produktionssystemkapazität darstellt. Auch PAQUET U. A . (2005) sehen besonders in der mangelnden Berücksichtigung der Zusammenhänge von Produktion und Personal eine große Schwäche gegenwärtig verfügbarer Netzwerkplanungsmodelle. Trotz dieser großen Bedeutung der Personalplanung integrieren nur H ANSMANN (1974), PAQUET U. A . (2005), J ACOB (2006) und H ÜBNER (2007) Aspekte der Personal- planung. H ANSMANN (1974) diskutiert die Unterscheidung verschiedener Primärpersonalarten, die sich durch verschiedene Lohngruppen mit entsprechenden standort- und anlagenabhängigen Lohnkostensätzen je Arbeitsstunde unterscheiden. In der Zielfunktion werden die Arbeitskosten jedoch nur stark vereinfacht berücksichtigt. Die Basis bildet dabei eine für den gesamten Planungszeitraum geschätzte Lohn- und Gehaltssumme, bH die mittels Korrekturfaktoren an die Lohnniveaus der jeweiligen Standorte angepasst (c )V er la g D G ac ov r. K nalplanung. Sie unterscheiden mehrere Personalarten mit unterschiedlichen Fähigkei- m werden kann. Bei PAQUET U. A . (2005) liegt der Fokus ebenfalls auf der Primärperso- 4.2 Analyse der integrierten Modelle mit Anlagenplanung 157 ten, die zur Durchführung verschiedener Produktionsprozessschritte eingesetzt werden können. Das Modell von J ACOB (2006) enthält eine Entscheidungsvariable für die Bestimmung der Personalstärken von Mitarbeitern unterschiedlicher Ausbildungsniveaus, die für die Durchführung der einzelnen Prozessschritte an den verschiedenen Standorten erforderlich sind. H ÜBNER (2007) betrachtet bei der Personalplanung explizit sowohl dispositives (fixes) Personal für den Betrieb von Standorten als auch Primärpersonal für den Betrieb der Anlagen. Das Primärpersonal errechnet sich dabei aus den einem Standort zugeordneten Produktionsmengen und Kapazitätsbedarfen der Produkte sowie den Kapazitäten und Personalbesetzungsfaktoren der Anlagen. Zielfunktion Trotz des strategischen Fokus und des damit verbundenen langfristigen Planungshorizonts sowie hoher Renditezielsetzungen bestehen die Zielfunktionen der meisten Ansätze mit Anlagenplanung entweder in Kostenminimierung oder Gewinnmaximierung. Kapitalwert-Zielfunktionen, welche die zeitlichen Effekte von Investitionen und Kosten durch Diskontierung in einem entscheidungsorientierten Ansatz adäquat berücksichtigen, finden sich nur bei PAPAGEORGIOU U. A . (2001), F ERBER (2005), F LEISCHMANN U. A . (2006), J ACOB (2006) und H ÜBNER (2007). Modellierung der Produktstrukturen und Produktionsprozesse Ein Ansatz für die Planung von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerksund Antriebsstrangmodule erfordert die Modellierung heterogener, mehrstufiger Mehrprodukt-Produktionsprogramme. Zwar eignen sich alle Modelle zur Abbildung mehrerer Produkte, jedoch lassen viele der älteren Ansätze Stücklisteninformationen zur Abbildung mehrstufiger Produktionsprogramme vermissen. Die meisten Modelle erlauben die Abbildung mehrstufiger Produktionsprozesse. Zwar können in vielen dieser Ansätze für die einzelnen Prozessschritte mehrere Technologie-/ Anlagenalternativen gewählt werden (z.B. H ANSMANN (1974), S CHMIDT UND W ILHELM (2000), PAQUET U. A . (2005), M ARTEL (2005), J ACOB (2006) oder M EYER (2006 A )), jedoch wird die Optimierung von Automatisierungsgraden nicht explizit behandelt. Eine Ausnahme bildet das Modell von PAQUET U. A . (2005), das die Substitution zwischen Anlagen und Personal beinhaltet. Modellierung produktionswirtschaftlicher Flexibilitätsarten Eine explizite Diskussion und Modellierung verschiedener Arten der Produktionssystemflexibilität und ihrer Auswirkungen auf die Infrastruktur und das Personal von m bH Produktionssystemen findet in den meisten bestehenden Ansätzen nicht statt. Mo- (c )V er la g D r. K ov ac G delle mit Technologie- bzw. Anlagenauswahl als Entscheidungsfeld beinhalten in der 158 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur Regel Aspekte der Belegungsflexibilität, indem verschiedene Technologien mit unterschiedlichen Belegungsmöglichkeiten unterschieden werden. V ERTER (2002), PAQUET U. A . (2004), M ARTEL U. A . UND DASCI (2005) sowie M ARTEL (2005) unter- scheiden bspw. in ihren Ansätzen produktspezifische und flexible Technologien, die ein bestimmtes Produkt bzw. eine Teilmenge des betrachteten Produktionsprogramms herstellen können. Die Modelle von V ERTER UND DASCI (2002), PAQUET U. A . (2004) und M ARTEL U. A . (2005) sind aber statische Modelle, so dass eine einmalige Belegungsplanung im Rahmen dieser technologiespezifischen Flexibilitätspotenziale vorgenommen wird. Das Modell von M ARTEL (2005) ist zwar dynamisch, jedoch ist auch in diesem Modell die Technologieauswahl keine dynamische Variable, so dass die Belegungsmöglichkeiten mit der Wahl der Technologie einmalig festgelegt werden. Durch die Modellierung des Kapazitätsquerschnitts mittels Variablen für die Anzahl an Anlagen bzw. Arbeitssystemen bei H ANSMANN (1974), D OGAN UND G OETSCHALCKX (1999), PAQUET U. A . (2005) und H ÜBNER (2007) könnten volumenflexible, skalierbare Produktionssysteme abgebildet werden. Aber bis auf das Modell von H ÜBNER (2007) ist auch in diesen Modellen die Bestimmung des Kapazitätsquerschnitts keine dynamische Entscheidung, die eine Anpassung im Zeitverlauf erlaubt. Das Modell von PAQUET U. A . (2005) beinhaltet die Verlagerung von Anlagen und Personal zwischen Standorten, was ebenfalls einen Aspekt der Volumenflexibilität darstellt. Aufgrund des statischen Modells erfolgt aber auch dies nur einmalig und es kann kein flexibler Entwicklungspfad eines Produktionssystems aufgezeigt werden. Auf der Netzwerkebene können durch die Verteilung der Produktionsvolumen eines Produkts auf mehrere Standorte (Split-Produktion) weitere Flexibilitätspotenziale geschaffen werden ( chaining“-Prinzip, siehe hierzu bspw. J ORDAN UND G RAVES (1995) ” oder G RAVES UND TOMLIN (2003)). Mit den meisten Modellen ist die Abbildung einer solchen Split-Produktion möglich. Während Belegungs- und Volumenflexibilitäten in einigen Modellen thematisiert werden, sind Aspekte der Mix- und Nachfolgeflexibilität bisweilen kaum in integrierten Ansätzen betrachtet worden. Eine Ausnahme bildet der Ansatz von E PPEN U. A . (1989), der die Rekonfiguration von Produktions(sub)systemen für die Herstellung ver- )V er la g D m G ac ov r. K In fokussierten Ansätzen ist dieser Aspekt ebenfalls nur Gegenstand weniger Veröffentlichungen, wie z.B. bei B IRGE U. A . (1998) oder N ARONGWANICH U. A . (2002), die sich mit der Optimierung des Anlagenportfolios eines Unternehmens hinsichtlich produktspezifischer und nachfolgeflexibler Anlagen befassen. (c 147 bH schiedener Produkte beinhaltet147 . 4.2 Analyse der integrierten Modelle mit Anlagenplanung 159 Berücksichtigung internationaler Faktoren Zwölf der 22 als relevant eingestuften Ansätze berücksichtigen internationale Faktoren. Insbesondere die Ansätze von M ARTEL U. A . (2005) und H ÜBNER (2007) widmen sich der Integration internationaler Rahmenbedingungen in quantitative Planungsansätze. Für diese Arbeit sind Wechselkurse, Zölle und Produktivitätsunterschiede die bedeutendsten internationalen Faktoren, auf welchen das Augenmerk der Literaturanalyse liegt: • Wechselkurse: Viele der vorgestellten Modelle beinhalten Wechselkurse explizit als Parameter (z.B. H ÜBNER (2007)) oder implizit in standortabhängigen Kostensätzen (F ERBER (2005) und F LEISCHMANN U. A . (2006)). Einige Modelle erwähnen nicht ausdrücklich, dass die Kostensätze Wechselkurse beinhalten (z.B. M EYER (2006 A ) oder J ACOB (2006)), was aber durch eine Veränderung der Parameterwerte leicht erreicht werden könnte. • Zölle: Der Einfluss von Zöllen bei der Planung globaler Produktionssysteme wird in verschiedenen Modellen berücksichtigt. S CHMIDT UND W ILHELM (2000), M ARTEL (2005), F ERBER (2005) und F LEISCHMANN U. A . (2006) berücksichtigen Zölle in Form zusätzlicher Kosten für grenzüberschreitende Materialflüsse. Die Modelle beinhalten aber weder Zollrückerstattungen noch Zollvermeidung. Zollrückerstattungen sind in den Modellen von A RNTZEN U. A . (1995), M EYER (2006 A ) und H ÜBNER (2007) enthalten. Dies erfolgt teils auf Basis stark vereinfachender Annahmen. M EYER (2006 A ) erlaubt bspw. die Anrechnung von exportierten Gütern, die keine der importierten Güter als Vorprodukte enthalten, was in der Regel zollrechtlich unzulässig ist (vgl. Hübner, 2007, S. 83 f.)148 . Nur das Modell von A RNTZEN U. A . (1995) enthält über Zollrückerstattungen hinaus auch mathematische Formulierungen für Zollvermeidung. • Produktivitäten: Produktivitätsunterschiede zwischen verschiedenen Standorten werden bei M EYER (2006 A ), J ACOB (2006) und H ÜBNER (2007) explizit modelliert. In vielen anderen Ansätzen können Produktivitäten aber indirekt über standortspezifische )V er la g D G ac ov r. K Strategische Modelle ohne Anlagenplanung mit der Berücksichtigung von Zollrückerstattungen präsentieren bspw. M EYER (2004) oder O H UND K ARIMI (2005). (c 148 m bH Parameter berücksichtigt werden. 160 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur Berücksichtigung von Unsicherheiten Fast alle betrachteten Ansätze basieren auf deterministischen Modellen und wenden Szenario- und Sensitivitätsanalysen zur indirekten Berücksichtigung von Unsicherheiten an. E PPEN U. A . (1989) formulieren dagegen ein stochastisches Modell. H ÜBNER (2007) beschreibt den Einsatz von Methoden der robusten Optimierung für die Berücksichtigung von Unsicherheiten. Software und Lösungsverfahren Die in Abschnitt 4.1.3 vorgestellten Planungsansätze basieren auf speziell entwickelten Modellen, die mittels sehr flexiblen algebraischen Modellierungssprachen wie OPL (Firma ILOG Inc.) oder AMPL149 (Firma AMPL Optimization LLC) implementiert werden. Ein großer Teil dieser Ansätze verwendet zur Lösung der Modelle Standardoptimierungssoftware, wie z.B. CPLEX, LINDO oder XPRESS-MP. Wie auch bei vielen modellgestützten Planungsansätzen für andere Fragestellungen ist die Software CPLEX bei der strategischen Planung von Produktions-Distributions-Systemen bzw. Supply Chains am weitesten verbreitet. Eine Übersicht zu weiteren Optimierungssoftwarepaketen findet sich bspw. bei W RIGHT (2002) oder K LEIN (2004 B ). ATAMT ÜRK UND UND S CHOLL S AVELSBERGH (2005) diskutieren verschiedene Aspekte der in CPLEX, LINDO und XPRESS-MP implementierten Lösungsalgorithmen für (gemischt-) ganzzahlige Optimierungsprobleme150 . Einige Ansätze setzen dagegen eigenentwickelte Algorithmen, speziell Dekompositionsmethoden, ein, wie z.B. H ANSMANN (1974), D OGAN UND G OETSCHALCKX (1999), PAQUET U. A . (2004) oder M ARTEL (2005). Darüber hinaus existieren verschiedene Anbieter für kommerzielle Supply Chain Planungssoftware, die standort- und unternehmensübergreifende Planungen auf strategischer Ebene ermöglichen. Sie werden als Advanced Planning Systeme (APSSysteme) bezeichnet und beinhalten Optimierungsfunktionen. Beispiele für APSSysteme sind Strategic Network Optimization“ (SNO) von Oracle151 oder Supply ” ” Chain Strategist“ von i2 Technologies152 . Einen Überblick über APS-Systeme findet sich bspw. in Fleischmann und Meyr, 2003, Kap. 9, Ferber, 2005, Kap. 3 oder Meyr u. a., 2005, S. 341-354. APS-Systeme basieren häufig auf graphischen Modellierungssprachen, d.h. der Anwender kann mittels einer Benutzeroberfläche über graphische Objekte, welche die Modellelemente (z.B. Werke oder Kunden) repräsentieren, Fallstudien anlegen, die anschließend softwareintern in ein Modell überführt werden (vgl. Ferber, 2005, S. 65). 149 bH http://www.ampl.com Diese Algorithmen werden auch als (M)IP Solver bezeichnet. 151 http://www.oracle.com 152 http://www.i2.com (c )V er la g D r. K ov ac G m 150 4.2 Analyse der integrierten Modelle mit Anlagenplanung 161 Diese graphischen Modellierungssprachen sind sehr anwenderorientiert und somit für den Praxiseinsatz gut geeignet. Andererseits weisen sie häufig große Einschränkungen hinsichtlich der Flexibilität auf, spezifische Problemstellungen abbilden oder Veränderungen vornehmen zu können (vgl. Kallrath, 2002, S. 48). Zusammenfassung Trotz der insbesondere für Premiumhersteller großen Bedeutung der Hauptmodule Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang existiert nach dem Kenntnisstand des Autors derzeit noch kein Ansatz für die modellgestützte strategische Planung von Produktionssystemen für diese Fahrzeugkomponenten. Die Literaturanalyse zeigt, dass verschiedene Modelle relevante Teilprobleme des in dieser Arbeit behandelten Planungsproblems aufgreifen und sehr gute Anregungen für die Entwicklung eines problemadäquaten Ansatzes liefern. Dennoch wird kein Modell vollständig den Anforderungen des hier betrachteten Planungsproblems gerecht. Die Tabellen 4.2 und 4.3 fassen wichtige Er- (c )V er la g D r. K ov ac G m bH gebnisse der Literaturanalyse zusammen. 162 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur UND S CHMIDT P HILPOTT PAPAGEORGIOU U. A . (2001) V ERTER + + + + + + G + S P + + + + + + M + + + + + E P + + + + + K + S T + + + + + + K + D P + + + G + + + + + kA T + + + + G + S P + + + + + KW + + + S P + + + K + H,E T UND g D r. K ov ac G m bH Kostenminimierung Verschiedene Zielfunktionen keine Angaben Exakte Verfahren Standardsoftware Praxiseinsatz er la K: V: kA: E: S: P: )V Gewinnmaximierung Multikriterielle Zielfunktion Kapitalwert-Zielfunktion Dekompositionsverfahren Heuristiken Theoretisches Modell DASCI (2002) UND D OGAN E VERETT (2001) TAYLOR (1997) W ILHELM (2000) A RNTZEN U. A . (1995) G OETSCHALCKX (1999) E PPEN U. A . (1989) + + + + + + + + V + + + + + kA P UND B REITMAN + + + K + D P UND B ROWN U. A . (1987) + + + + + G + D T (c G: M: KW: D: H: T: H ANSMANN (1974) Int. Faktoren Entscheidungen Modell Gemischt-ganzz. Modell Dynamisch Stochastisch Standorte Materialfluss Werksstruktur Belegung Personal Weitere Zielfunktion Mehrere Produkte Mehrstuf. Produktionsprogramm Wechselkurse Zölle Steuern Produktivität Weitere Lösung Anwendungsbereich L UCAS (1987) Tabelle 4.2: Analyse relevanter Modelle – Teil 1 4.2 Analyse der integrierten Modelle mit Anlagenplanung 163 M ARTEL (2005) M ARTEL U. A . (2005) W ILHELM U. A . (2005) F ERBER (2005) F LEISCHMANN U. A . (2006) U LSTEIN U. A . (2006) M EYER (2006 A ) J ACOB (2006) H ÜBNER (2007) + + + + K + + D,S T + + + + + K + + S T + + + + + + G + + + + + H,S T + + + + + G + + + + + S P + + + + + + G + + + + + S P + + + + + KW + + + S P + + + + + KW + + + + S P + + + + + G + + S P + + + + + K + + + + + S P + + + + + + + KW + + + + + S P + + + + + + KW + + + + + + + S P g D r. K ov ac G m bH Kostenminimierung Verschiedene Zielfunktionen keine Angaben Exakte Verfahren Standardsoftware Praxiseinsatz er la K: V: kA: E: S: P: )V Gewinnmaximierung Multikriterielle Zielfunktion Kapitalwert-Zielfunktion Dekompositionsverfahren Heuristiken Theoretisches Modell (c G: M: KW: D: H: T: PAQUET U. A . (2005) Int. Faktoren Entscheidungen Modell Gemischt-ganzz. Modell Dynamisch Stochastisch Standorte Materialfluss Werksstruktur Belegung Personal Weitere Zielfunktion Mehrere Produkte Mehrstuf. Produktionsprog. Wechselkurse Zölle Steuern Produktivität Weitere Lösung Anwendungsbereich PAQUET U. A . (2004) Tabelle 4.3: Analyse relevanter Modelle – Teil 2 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur 164 4.3 Handlungsfelder und Eingrenzung der Aufgabenstellung Die Analyse bestehender integrierter Planungsansätze in Abschnitt 4.2 ergibt, dass die bisher in der Literatur beschriebenen integrierten Ansätze mit Anlagenplanung hinsichtlich einiger Anforderungen des hier untersuchten Planungsproblems Defizite aufweisen. Daraus ergeben sich neue und herausfordernde Handlungsfelder für die Entwicklung eines adäquaten Planungsansatzes für den Untersuchungsbereich. Es wäre vermessen, mit dieser Arbeit eine abschließende Behandlung der aufgezeigten Handlungsfelder anzustreben. Ziel dieser Arbeit ist es vielmehr, zur Schließung der identifizierten Forschungslücken beizutragen. Die folgenden Aufgabenfelder stehen daher im Vordergrund dieser Arbeit: • Entwicklung eines praxisorientierten Planungswerkzeugs zum flexiblen und vielseitigen Einsatz für unterschiedliche strategische Simulations- und Optimierungsfragestellungen auf allen Produktionssystemebenen • Entwicklung eines dynamischen, deterministischen, linearen, gemischt- ganzzahligen Optimierungmodells als Basis des Planungswerkzeugs • Integration von Netzwerk- und strategischer Knotenplanung durch Modellierung der grundlegenden Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Standort-, Materialfluss-, Werksstruktur-, Belegungs-, Anlagen- und Personalplanung (Primär-, Sekundär- und Overheadpersonal) sowie ihrer Auswirkungen auf die Kapazität, Flexibilität und Wirtschaftlichkeit des Produktionssystems • Modellierung aller drei Dimensionen der Anlagenkapazität (Technologie- und Schichtmodellauswahl sowie Bestimmung des Kapazitätsquerschnitts) • Verwendung des Kapitalwerts aller direkt zurechenbaren Auszahlungen für den Aufbau bzw. die Weiterentwicklung und den Betrieb eines Produktionssystems als Zielfunktion zur Beurteilung der Güte von Produktionssystemkonfigurationen • Modellierung eines mehrstufigen Mehrprodukt-Produktionsprogramms mit allgemeiner Stücklistenstruktur sowie charakteristischen Eigenschaften der Fertigungs- und Montageprozesse für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule bH • Operationalisierung und Modellierung verschiedener Arten produktionswirt- G m schaftlicher Flexibilität, besonders von Aspekten der Nachfolgeflexibilität (c )V er la g D r. K ov ac • Berücksichtigung von Wechselkursen, Zöllen und Produktivitäten 4.3 Handlungsfelder und Eingrenzung der Aufgabenstellung 165 Die Aufgabenstellung dieser Forschungsarbeit wird dabei noch in verschiedener Hinsicht eingegrenzt. So liegt dem zu entwickelnden Planungsansatz die einzelwirtschaftliche Perspektive eines OEM-internen Systemlieferanten und dessen Produktionssystem zugrunde. Die Optimierung der Beschaffungs- und Absatzstrukturen (mit Ausnahme der Lieferbeziehungen und Materialflüsse) ist nicht Gegenstand der Betrachtung. Hierzu existieren Vorgaben, die im Modell über entsprechende Restriktionen berücksichtigt werden müssen (siehe Abschnitt 2.1.2.3). Auch bei der Modellierung von Zöllen werden Einschränkungen vorgenommen. Obwohl Zollrückerstattungen und Zollvermeidung aus aktiven bzw. passiven Veredelungsprozessen (siehe hierzu Abschnitt 2.2.4.1) eine große Bedeutung für die Gestaltung globaler Netzwerke und der Materialflüsse zukommt, wird in dieser Arbeit statt einer exakten Modellierung eine aggregierte Abbildung vorgezogen. Die exakte Modellierung von Zollrückerstattungen und Zollvermeidung in einem linearen Optimierungsmodell für ein allgemeines, globales Produktionsnetzwerk mit mehrstufigen Stücklistenbeziehungen ist schwierig, da Ursprungs- und Zielstandorte von Gütern über mehrere Stücklistenebenen (mit teils konvergierender oder divergierender Struktur) betrachtet und Zölle verrechnet werden müssen. Darüber hinaus können bei der Betrachtung eines OEM-internen Produktionssystems für Fahrzeugkomponenten die zollreduzierenden Effekte einer aktiven oder passiven Veredelung nicht abschließend bewertet werden, da nur ein Ausschnitt des gesamten Wertschöpfungsnetzwerks eines Automobilherstellers betrachtet wird. Eine genaue Berechnung der Zollbelastung von OEMs ist erst auf der Ebene des Gesamtnetzwerks bei einer integrierten Betrachtung aller Komponenten und des Fahrzeugabsatzes möglich. Werden z.B. in der EU hergestellte Zylinderköpfe an ein nordamerikanisches Motorenwerk geliefert, das ein ebenfalls in Nordamerika angesiedeltes Fahrzeugwerk versorgt, so fallen innerhalb der Systemgrenzen des Komponentenproduktionssystems Zölle für den Import der Zylinderköpfe in die USA an. Werden allerdings die Fahrzeuge anschließend in die EU exportiert, können die in den USA gezahlten Importzölle rückgefordert werden (aktive Veredelung). Gleichzeitig reduzieren sich die Importzölle in der EU um den Wert der zuvor exportierten Zylinderköpfe (passive Veredelung). Eine solche Betrachtung liegt jedoch außerhalb des Untersuchungsbereichs dieser Arbeit. Statt einer exakten Modellierung, die in der Regel stark vereinfachende Annahmen erfordert, erfolgt in dieser Forschungsarbeit eine approximative Berücksichtigung. Es werden kalkulatorische produkt-, ursprungsstandort- und zielstandortabhängige Kostensätze für grenzüberschreitende Warenflüsse angenommen (siehe Abschnitt 5.2.2). In diese Kostensätze fließen Transferpreise, Zolltarife und weitere Transaktionskosten bH sowie durchschnittliche zu erwartende Zollreduktionen (Durchschnitts- oder Schätz- (c )V er la g D r. K ov ac G m werte) ein. 166 4 Modelle für die strategische Produktionssystemplanung in der Literatur Nicht nur Zölle, auch steuerrechtliche Regelungen variieren stark von Standort zu Standort und besitzen daher einen großen Einfluss auf die strategische Planung von Produktionssystemen. Um aber Ertragssteuern in das Modell integrieren zu können, müssen die internen Transferpreise und -zahlungen im globalen Netzwerk modelliert werden153 . Da die Transferpreise von der Netzwerkstruktur abhängen und grundsätzlich Variablen darstellen, ergibt sich ein nicht-lineares Optimierungsproblem. Um aber die Linearitätseigenschaft eines Modells und die daraus resultierende bessere Lösbarkeit zu erhalten, sind stärkere Einschränkungen, wie z.B. vorab fixierte Transferpreise, erforderlich. Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit auf die explizite Modellierung von Ertragssteuern verzichtet. F LEISCHMANN U. A . (2006) beschreiben Möglichkeiten, wie Ertrags- steuereffekte bei der globalen Produktionsnetzwerkplanung unter vereinfachenden Annahmen approximativ als Zuschläge auf die Kosten- und Investitionsparameter berücksichtigt werden können. Diese Art der Abbildung von Steuern ist grundsätzlich auch im vorliegenden Modell möglich. Steuern mit Kostencharakter (z.B. Grunderwerbsteuer) können ebenfalls den entsprechenden Investitionsdaten und Kostensätzen zugeschlagen werden. Subventionen werden im Modell nicht berücksichtigt, da sie in ihrer Art und Höhe stark fallspezifisch sind und individuell für jeden Standort ausgehandelt werden müssen. Zur Lösung des Modells und zur Realisierung des Planungswerkzeugs wird ferner auf Standardsoftware und Standardalgorithmen zurückgegriffen, da die Entwicklung eines praxisorientierten Planungsansatzes, der sehr flexibel und vielseitig einsetzbar sein sowie eine hohe Anwenderorientierung aufweisen muss, eine Hauptanforderung dieser G ov ac UND )V er la g D r. K Die Optimierung von Transferpreisen in einer internationalen Supply Chain wird bspw. bei V IDAL G OETSCHALCKX (2001) diskutiert. (c 153 m bH Forschungsarbeit darstellt. Kapitel 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes In diesem Kapitel wird ein praxisorientierter Ansatz für die strategische Planung von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule auf Basis mathematischer Entscheidungsmodelle beschrieben. Eine der Hauptanforderungen an diesen Ansatz ist der vielseitige und flexible Einsatz zur Optimierung und Simulation typischer Fragestellungen auf allen Produktionssystemebenen, d.h. von der Arbeitssystem- bis zur Netzwerkebene. Den Kern des flexiblen Planungsansatzes bildet daher ein übergreifendes Optimierungsmodell, das Planungsfunktionalitäten für ein breites Spektrum typischer Probleme der strategischen Produktionssystemplanung in der Praxis beinhaltet. Es verbindet die Ebene der Produktionsnetzwerkplanung mit der Ebene der strategischen Werksplanung. Das Basismodell nimmt eine gesamthafte mathematische Darstellung des Zusammenspiels der Standort-, Materialfluss-, Werksstruktur-, Belegungs-, Technologie-/Anlagen- und Personalplanung vor und beschreibt die Auswirkungen der einzelnen Entscheidungsfelder auf die Minimierung des Kapitalwerts der Investitionen und weiterer direkt zurechenbarer Auszahlungen für die Weiterentwicklung und den Betrieb eines Produktionssystems. Aus dem übergreifenden Basismodell können durch verschiedene Modifikationsmöglichkeiten, z.B. durch Ausblenden nicht benötigter Entscheidungsfelder und Zielgrößen oder durch Aggregation von Entscheidungen, problemspezifische Modellvarianten für die verschiedenen Fragestellungen der strategischen Produktionssystemplanung einfach und flexibel erzeugt werden. Diese Modellvarianten beinhalten nur noch die für die jeweilige Problemstellung relevanten Aspekte und können effizient mit bH Standardsolvern gelöst werden. r. K ov ac G m In Abschnitt 5.1 erfolgt zunächst die allgemeine Einordnung des Modells und die Be- (c )V er la g D 167 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 168 schreibung seines flexiblen Aufbaus. Danach wird das Basismodell, dessen Struktur besonders durch eine integrierte Netzwerk- und Knotenplanung geprägt ist, in Abschnitt 5.2 mathematisch beschrieben und die flexiblen Modifikationsmöglichkeiten des Modells zur Anpassung an unterschiedliche Planungsfragestellungen werden erläutert. Abschließend werden in Abschnitt 5.3 die Implementierung des Modells, die eingesetzte Lösungsmethode sowie die IT-technische Realisierung eines praxis- und anwenderorientierten Planungswerkzeugs vorgestellt. 5.1 Einordnung des Basismodells und Beschreibung des flexiblen Aufbaus Das im Rahmen dieser Forschungsarbeit entwickelte (Basis-)Modell lässt sich anhand der in Abschnitt 2.3.1 beschriebenen Kriterien zur Klassifizierung von Modellen als deterministisches, dynamisches, quantitatives Entscheidungsmodell einordnen (siehe Abbildung 5.1). Es wird als ein lineares, gemischt-ganzzahliges Optimierungsmodell formuliert. Einordnung des Modells Einsatzzweck Messniveau Informationsstand Zeitbezug Beschreibungsmodell Erklärungsmodell Entscheidungsmodell qualitativ quantitativ stochastisch deterministisch statisch dynamisch Abbildung 5.1: Einordnung des Modells Um einen flexiblen und vielseitigen Einsatz des Modells zu ermöglichen, können aus dem Basismodell durch Anpassung der Zielfunktionsgrößen, Entscheidungsfelder und Freiheitsgrade angepasste Modellvarianten für typische Fragestellungen der strategischen Produktionssystemplanung erzeugt werden (siehe Abbildung 5.2). Allgemein gilt, dass Planungsfragestellungen auf der Anlagenebene einen höheren Detaillierungsgrad der Modellierung erfordern als Fragestellungen auf der Netzwerkebene. Die Anpassung der Zielfunktion, der Entscheidungsfelder und der Freiheitsgrade erfolgt bH über die Modifikation von Variablen, Parametern und Nebenbedingungen bzw. über (c )V er la g D G ac ov r. K ten. So kann bspw. bei der Betrachtung einzelner Anlagen die Materialflussplanung im m das selektive Ausblenden von nicht für die Fragestellung relevanten Modellelemen- 5.1 Einordnung des Basismodells und Beschreibung des flexiblen Aufbaus 169 Erzeugung problemspezifischer Modellvarianten Modellvariante A Basismodell Anpassung der Zielfunktion, Entscheidungsfelder und Freiheitsgrade Gesamthafte mathematische Beschreibung des Zusammenspiels der zentralen Zielgrößen und Entscheidungsfelder der strategischen Produktionssystemplanung Modellvariante B Beschreibungen des Zusammenspiels der spezifischen Zielgrößen und Entscheidungsfelder der betrachteten Planungsprobleme Abbildung 5.2: Erzeugung problemspezifischer Modellvarianten Produktionsnetzwerk ausgeblendet werden, da sie auf dieser Produktionssystemebene in der Regel nicht relevant ist. Die Erzeugung problemangepasster Modellvarianten erfordert insbesondere Modifikationen hinsichtlich der Modellierung von Produktionsanlagen, der Schichtmodellauswahl sowie der Belegungsplanung von Anlagen: • Modellierung der Produktionsanlagen: Allgemein ergibt sich die quantitative Kapazität einer Produktionsanlage aus dem Produkt der drei Kapazitätsdeterminanten Intensität, Kapazitätsquerschnitt und Leistungsdauer (siehe hierzu Abschnitt 2.2.2.1). Die Intensität wird über die Auswahl der Art der Anlagen und Arbeitssystemtypen bestimmt und der Kapazitätsquerschnitt über die Festlegung ihrer Anzahl. Modifikationen der Anlagenmodel- bH lierung betreffen in erster Linie diese beiden Kapazitätsdeterminanten. Modifi- ac G m kationen der Schichtmodellauswahl, welche die Kapazitätsdeterminante Leis- (c )V er la g D r. K ov tungsdauer beeinflusst, werden im nächsten Aufzählungspunkt beschrieben. 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 170 Planungsprobleme auf der Anlagenebene weisen einen höheren Detaillierungsgrad auf. In Modellvarianten für diese Fragestellungen werden die Anlagen jeweils als Systeme ergänzender und/oder ersetzender Arbeitssysteme modelliert. Über das Modell erfolgt die Konfiguration der betrachteten Anlage(n), d.h. die Auswahl von Art und Anzahl der Arbeitssysteme für die Durchführung der einzelnen Bearbeitungsschritte der mehrstufigen Produktionsprozesse. Diese detaillierte Anlagenmodellierung ist im Basismodell beschrieben. Für die Konfiguration und Optimierung eines Produktionsnetzwerks ist die Modellierung von Anlagen als Systeme von Arbeitssystemen dagegen zu detailliert. Hier besteht die Aufgabenstellung vielmehr darin, die hinsichtlich Technologie, Kapazität und Flexibilität optimale Anlagenausstattung des Produktionssystems auszuwählen sowie die optimalen Anlagenbelegungen und -standorte zu bestimmen. Auf dieser Planungsebene ist daher eine gröbere Anlagenmodellierung zweckmäßiger: – Semi-aggregierte Anlagenmodellierung: In dieser Variante werden je Anlage mehrere identische Anlagenmodule für den gesamten Produktionsprozess modelliert, die zur Kapazitätserhöhung parallel zu einer Gesamtanlage zusammengeschaltet werden können. Bei dieser semi-aggregierten Anlagenmodellierung ist die Intensität der Anlage bzw. der Anlagenmodule vorgegeben, aber es bestehen noch Freiheitsgrade hinsichtlich der Kapazitätsquerschnitte der einzelnen Anlagen. – Aggregierte Anlagenmodellierung: Hier werden bereits vollständige, nach Best Practice Standards vorkonfigurierte Gesamtanlagen betrachtet. Die Intensitäten und die Kapazitätsquerschnitte der Anlagen sind somit vorgegeben. Bei dieser Variante der Anlagenmodellierung verbleibt daher nur noch die Auswahl der Anlagen aus einer vorgegebenen Menge von Alternativen als Freiheitsgrad. • Schichtmodellauswahl: Mit der Schichtmodellauswahl wird die dritte Determinante der Produktionsanlagenkapazität bestimmt. Aus ihr ergibt sich die Leistungsdauer, d.h. die Anlagenlaufzeit. Im Basismodell wird eine periodenbezogene Anpassung des Schichtmodells der einzelnen Anlagen beschrieben. Dies wird häufig der taktischen Planungsebene zugerechnet, ist aber auch für die Kapazitäts- und Investitionsplanung auf der strategischen Ebene bedeutsam, da der Aufbau von Anlagenka- bH pazitäten sowohl über Investitionen (Installation weiterer Arbeitssysteme in einer ac G m Anlage) als auch über das Schichtmodell (z.B. Wechsel vom Zwei- in den Drei- (c )V er la g D r. K ov Schicht-Betrieb) erfolgen kann. 5.1 Einordnung des Basismodells und Beschreibung des flexiblen Aufbaus 171 Während die periodenbezogene Schichtmodellauswahl für die Kapazitätsplanung auf der Anlagenebene von besonderer Bedeutung ist, basieren Netzwerkplanungsprobleme in der Regel auf der Vorgabe maximaler Anlagenlaufzeiten (periodenunabhängige Maximalschichtmodelle). Diese können entweder fest vorgegeben sein oder sollen im Zuge der Optimierung bestimmt werden. Zusammen mit der Anlagenauswahl werden so anlagenbezogene Maximalkapazitäten bestimmt, um auch die Spitzenproduktionsmengen im Planungshorizont herstellen zu können. Auf Basis dieser Kapazitätsplanung können anschließend auf taktischer oder operativer Planungsebene die Anlagenkapazitäten durch verschiedene mittel- und kurzfristige Maßnahmen an den tatsächlichen Kapazitätsbedarf angepasst werden (z.B. durch Anpassung der Schichtmodelle, sukzessiven Aufoder Rückbau der Anlagen oder Umtaktung). Zu diesem Zweck können auch Varianten des Basismodells mit detaillierter Anlagenmodellierung und periodenbezogener Schichtmodellauswahl eingesetzt werden. • Belegungsplanung: Die im Basismodell formulierte Belegungsplanung sieht eine periodenbezogene Zuordnung von Produkten zu Anlagen mittels Binärvariablen vor. Diese periodenbezogene Zuordnung ist ebenfalls nicht für alle Fragestellungen relevant. In vielen Fällen stehen die möglichen Anlagenbelegungen vorab fest, da die Anlagen im Bereich Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang oft für ein bestimmtes Produktspektrum ausgelegt werden. Für solche Anlagen ist eine Modifizierung und Vereinfachung der Belegungsplanung sinnvoll. Die flexiblen Modifikationsmöglichkeiten des Basismodells führen zu einer Reduktion der Variablen in den einzelnen Modellvarianten, wodurch die Rechenzeit verbessert und Standardsoftware auch für praxisrelevante Problemgrößen eingesetzt werden kann. Die genannten Modifikationsmöglichkeiten werden in Abschnitt 5.2.3 detailliert (c )V er la g D r. K ov ac G m bH beschrieben. 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 172 5.2 Mathematische Modellformulierung Das Basismodell beinhaltet eine umfassende mathematische Beschreibung des Zusammenspiels der relevanten Zielgrößen und Entscheidungsfelder der strategischen Produktionssystemplanung. In diesem Modell wird eine Technik zur Linearisierung des Produkts einer kontinuierlichen Variablen mit einer oder mehreren binären Variablen mehrfach angewandt, die vorab in allgemeiner Form beschrieben werden soll: Gegeben seien die reellwertige Variable x ≥ 0 mit der oberen Schranke X oS ≥ x sowie K Binärvariablen yk , k = 1, ..., K. Das Produkt dieser Variablen sei mit z gekennzeichnet (Gleichung 5.1) und kann über das Ungleichungssystem 5.2 bis 5.4 linearisiert werden: z =x· K (5.1) yk k=1 z ≤ X oS · yk ∀ k z≤x z ≥ x − X oS · K− K (5.2) (5.3) (5.4) yk k=1 Ungleichungen 5.2 implizieren yk = 0 ⇒ z = 0 und z > 0 ⇒ K k=1 yk = K. UngleiK chungen 5.3 und 5.4 implizieren k=1 yk = K ⇒ z = x und y = 0 ⇒ K k=1 yk < K. Die nicht-lineare Gleichung 5.1 kann somit durch das beschriebene lineare Ungleichungssystem ersetzt werden (vgl. Kallrath, 2002, S. 122 f.). Die obere Schranke X oS wird im Allgemeinen auch als Big M“ bezeichnet und stellt ei” ne hinreichend große Zahl dar, die keine unzulässigen Beschränkungen der Variablen bewirkt. Dennoch sollte diese Schranke aus Gründen der Rechenzeiteffizienz so klein wie möglich gewählt werden. Bei der mathematischen Modellbeschreibung werden zuerst im nachfolgenden Abschnitt 5.2.1 die funktionalen Nebenbedingungen des Basismodells vorgestellt, welche die Struktur des Planungsproblems abbilden, bevor in Abschnitt 5.2.2 die Zielfunktion beschrieben wird. Die möglichen Modifikationen zur Erzeugung problemspezifischer Modellvarianten sind Gegenstand des Abschnitts 5.2.3. Die für die mathematische Formulierung erforderlichen Symbole für Indexmengen, Parameter und Variablen werden sukzessive eingeführt. Jeweils zu Beginn eines Unter- bH abschnitts (z.B. Abschnitt 5.2.1.1 Modellierung der Stücklisten-, Produkt- und Prozess” strukturen“ oder Abschnitt 5.2.1.3 Standortwahl und Anlagenbetrieb“) werden alle da” rin verwendeten Symbole dargestellt. In mehreren Unterabschnitten benötigte Symbo- (c )V er la g D ov r. K Aus modellierungstechnischen Gründen sind alle Variablen als nicht negativ definiert. ac G m le werden somit zur besseren Übersichtlichkeit wiederholt dargestellt. 5.2 Mathematische Modellformulierung 5.2.1 173 Modellierung der funktionalen Nebenbedingungen des Basismodells Die funktionalen Nebenbedingungen des Planungsproblems gliedern sich wie folgt: • Modellierung der Stücklisten-, Produkt- und Prozessstrukturen (Abschnitt 5.2.1.1) • Modellierung der Anlagen (Abschnitt 5.2.1.2) • Standortwahl und Anlagenbetrieb (Abschnitt 5.2.1.3) • Belegungs- und Flexibilitätsplanung von Anlagen (Abschnitt 5.2.1.4) • Planung der Anlagenkapazitäten (Abschnitt 5.2.1.5) • Werksstrukturplanung (Abschnitt 5.2.1.6) • Materialflussplanung (Abschnitt 5.2.1.7) • Personalplanung (Abschnitt 5.2.1.8) 5.2.1.1 Modellierung der Stücklisten-, Produkt- und Prozessstrukturen Indexmengen b∈B Menge der Produkte im Produktionsprogramm Bp ⊆ B Menge der Produkte der Produktgruppe p g∈G Menge der Materialarten i∈I Menge der Anlagen j∈J Menge der Arbeitssystemtypen Ji ⊆ J Menge der Arbeitssystemtypen von Anlage i Jiq ⊆ Ji Menge der Arbeitssystemtypen von Anlage i, die für Prozessschritt q p∈P Menge der Produktgruppen P End ⊆ P Menge der Endproduktgruppen PZ ⊆ P Menge der Zwischenproduktgruppen q∈Q Menge der Prozessschritte m G ac ov r. K D g er la Menge der Standorte )V Menge der Prozessschritte der Produktgruppe p s∈S (c Qp ⊆ Q bH eingesetzt werden können 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 174 Parameter gzbq Referenz-Grundzeit für die Durchführung des Prozessschritts q an Produkt b pps Stunden hergestellte Einheit Faktor für die Personalproduktivität am Standort s in Relation zum Referenz-Standort; pps ≥ 0 psijq Produktionsgeschwindigkeitsfaktor des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q in Anlage i in Relation zum Referenz-Arbeitssystemtyp, für welchen die Referenz-Grundzeit gzbq definiert ist; psijq ≥ 0 Die Analyse des Untersuchungsbereichs in Abschnitt 3.1 zeigt, dass Produktionssysteme für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule variantenreiche, heterogene, mehrstufige Mehrprodukt-Produktionsprogramme besitzen. Auf der strategischen Planungsebene erfolgt jedoch keine Betrachtung der einzelnen Varianten. Vielmehr werden sie je nach Betrachtungsumfang und Fragestellung zu Derivaten oder Baureihen aggregiert und im Folgenden vereinfachend als Produkte bezeichnet. Die einzelnen Produkte (z.B. Reihen-6-Zylinder-Diesel-Motor, V-8-Benzin-Zylinderkopf etc.) können verschiedenen Produktgruppen (z.B. Motor, Zylinderkopf etc.) zugeordnet werden. Unter einer Produktgruppe wird im Folgenden eine Menge von Produkten mit ähnlichen Eigenschaften hinsichtlich des Produktionsprozesses verstanden. Sei B die Menge aller Produkte des Produktionsprogramms und P die Menge der Produktgruppen, so ist Bp ⊆ B die Menge aller Produkte aus der Produktgruppe p ∈ P . Da das Modell die Abbildung eines mehrstufigen Produktionsprogramms ermöglicht, muss zwischen Endproduktgruppen P End ⊆ P (Motor, Achse, Getriebe, Gelenkwelle etc.) und Zwischenproduktgruppen P Z ⊆ P (Achsgetriebe, Zylinderkopf, Kurbelgehäuse oder Radsatz) unterschieden werden. Bei der Modellierung der Produktstrukturen wird eine allgemeine Stücklistenstruktur unterstellt, d.h. ein Zwischenprodukt kann Bestandteil mehrerer Nachfolgerprodukte (andere Zwischen- oder Endprodukte) sein bzw. ein (Zwischen- oder End-)Produkt kann mehrere unterschiedliche Vorgängerprodukte beinhalten. Die Stücklistenstruktur wird über Materialbedarfskoeffizienten zwischen jeweils zwei Produkten der Menge B bzw. zwischen einem Produkt b ∈ B und einer Materialart g ∈ G modelliert (Direktbedarfskoeffizient). Dabei repräsentiert G die Menge aller (aggregierten) Materialarten (Kaufteilegruppen) des Produktionssystems. Die Mengen B und G sind das Resultat der Eigenleistungsplanung, die dem hier betrachteten Planungsproblem vorgelagert ist (siehe Abschnitt 2.2.4). Die Model- bH lierung der Stücklistenstrukturen erfolgt im Rahmen der Materialflussplanung und wird (c )V er la g D ov r. K Jede Produktgruppe p ∈ P ist dadurch gekennzeichnet, dass zur Herstellung ihrer ac G m in Abschnitt 5.2.1.7 genauer erläutert. 5.2 Mathematische Modellformulierung 175 Produkte b ∈ Bp ein mehrstufiger Produktionsprozess mit ähnlichen Arbeitsfolgen erforderlich ist. Auf der strategischen Planungsebene werden die detaillierten Arbeitsfolgen des Arbeitsplanes zu verschiedenen Prozessschritten zusammengefasst und auf die für die Planungsfragestellung wesentlichen Merkmale reduziert. Für jede Produktgruppe kann somit ein generischer, aggregierter Arbeitsplan angegeben werden. Die Menge der Prozessschritte eines Arbeitsplanes der Produktgruppe p wird mit Qp bezeichnet. Die Aggregationsstufe der Prozessschritte kann flexibel dem Betrachtungsumfang des Planungsproblems (Netzwerk, Werk, Betriebsteil oder Anlage) und dem jeweils erforderlichen Detaillierungsgrad angepasst werden. Ein solcher generischer Arbeitsplan wird durch die Planzeiten für die Durchführung der einzelnen Prozessschritte konkretisiert, die für die Herstellung einer Einheit eines bestimmten Produkts benötigt werden. Die Planzeiten entsprechen dabei der Summe der direkt wertschöpfenden Zeitanteile (Hauptzeiten), die z.B. für Bohr-, Fräs-, Füge- oder Schraubvorgänge erforderlich sind und der dafür erforderlichen nicht wertschöpfenden Zeitanteile (Nebenzeiten), die bspw. für das Umspannen des Werkstücks oder für Werkzeugwechsel erforderlich sind. Die Planzeiten entsprechen somit den Grundzeiten für Betriebsmittel (z.B. in der Einzelteilefertigung) oder den Grundzeiten für Menschen (v.a. in der Montage) gemäß der REFA-Systematik (siehe Abschnitte 2.2.4.5 und 2.2.4.6). Neben der Art des Produkts werden die Grundzeiten für die einzelnen Prozessschritte q ∈ Qp von der Art der eingesetzten Produktionsanlage beeinflusst. Im Modell wird dieser Anlageneinfluss auf die Grundzeiten aber nicht explizit durch die Angabe sowohl produkt- als auch anlagenspezifischer Grundzeiten modelliert. Stattdessen wird eine rein produktspezifische Referenz-Grundzeit für die Herstellung einer Einheit eines bestimmten Produkts b ∈ Bp zur Durchführung des Prozessschritts q ∈ Qp definiert. Die Referenz-Grundzeiten werden im Modell mit den Parametern gzbq bezeichnet und in der Einheit [Stunden/hergestellte Einheit] gemessen. Der Bemessung dieser Referenz-Grundzeit liegen eine bestimmte (Referenz-)Anlage bzw. ein bestimmter (Referenz-)Arbeitssystemtyp und ein bestimmter (Referenz-)Produktionsstandort zugrunde. Die Veränderung der Grundzeiten bei Verwendung anderer Anlagen bzw. Arbeitssystemtypen wird bei der Kapazitätsberechnung über relativ zu den Referenz-Grundzeiten definierte anlagenspezifische Leistungsparameter berücksichtigt, die im Folgenden als Produktionsgeschwindigkeitsfaktoren psijq bezeichnet werden. Der Index j ∈ Jiq kennzeichnet dabei einen Arbeitssystemtyp in einer Anlage i ∈ Ip , der zur Durchführung eines Prozessschritts q ∈ Qp eingesetzt werden kann. Die Menge aller Arbeitssystemtypen einer Anlage i wird mit Ji und die Menge aller Anlagen einer Produktgruppe p bH wird mit Ip bezeichnet (die Modellierung von Anlagen wird im nachfolgenden Abschnitt (c )V er la g D r. K ov ac G m genauer erläutert). Standortbezogene Unterschiede in der Personalproduktivität werden über relativ zum 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 176 Referenz-Standort definierte standortspezifische Personalproduktivitätsfaktoren, Parameter pps , modelliert, wobei der Index s ∈ S einen Standort des Produktionssystems bezeichnet. Die Menge aller bestehenden oder möglichen neuen Standorte wird mit S bezeichnet. Die Grundzeit zur Durchführung des Prozessschritts q mit Arbeitssystemtyp j in Anlage i an Baureihe b am Standort s ergibt sich somit indirekt aus den Parametern gzbq , psijq und pps . Diese Art der Modellierung der Grundzeiten soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Die Grundzeit für die Zerspanung eines Getriebegehäuses in einem auf Bearbeitungszentren basierenden flexiblen Fertigungssystem soll 0,05 Stunden (drei Minuten) betragen und die Referenz-Grundzeit darstellen. Diese Zeit beinhaltet die für die flexiblen Bearbeitungszentren typischen Werkzeugwechselzeiten. Für eine alternativ zur Verfügung stehende Transferstraße, in welcher keine Werkzeugwechsel erforderlich sind (jedes Werkzeug besitzt eine eigene CNC-Achse), ist der relativ zum flexiblen Fertigungssystem definierte Produktionsgeschwindigkeitsfaktor (unter der Annahme gleicher Schnitt- und Vorschubgeschwindigkeiten etc.) somit größer als eins. Die Transferstraße in diesem Beispiel ist also effizienter als das flexible Fertigungssystem. Diese implizite Modellierung des Anlageneinflusses auf die Grundzeiten liegt darin begründet, dass bei der strategischen Planung in der Praxis nicht für alle Produkte exakte Grundzeiten vorliegen. Später im Planungshorizont anlaufende Produkte sind Jahre im Voraus noch nicht vollständig spezifiziert und detailliert beschrieben. Um dennoch eine Abschätzung über die erforderlichen zukünftigen Kapazitätsbedarfe treffen zu können, werden aufgrund von Expertenschätzungen bzw. auf Grundlage ähnlicher Produkte und Anlagen Referenz-Grundzeiten und entsprechende relative AnlagenLeistungsparameter für die Planung abgeleitet. Mit Fortschritt der Planung werden die geschätzten Parameter und die daraus resultierenden Kapazitätsbedarfe weiter konkretisiert. 5.2.1.2 Modellierung der Anlagen Indexmengen b∈B Menge der Produkte im Produktionsprogramm Menge der Produkte der Produktgruppe p Bip ⊆ Bp Menge der auf Anlage i herstellbaren Produkte der Produktgruppe p m G ac ov r. K D Menge der Anlagen der Produktgruppe p g Menge der Anlagen er la i∈I Ip ⊆ I )V Menge der Kundenstandorte (Fahrzeugwerke) Menge der Produktionsflächenarten (c c∈C h∈H bH Bp ⊆ B 5.2 Mathematische Modellformulierung IpAlt ⊆ Ip IpF ix ⊆ Ip 177 Menge der alten Anlagen der Produktgruppe p Menge der Anlagen mit fixen installierten Kapazitäten der Produktgruppe p IpM R ⊆ Ip Menge der modular rekonfigurierbaren Anlagen der Produktgruppe p IpN eu ⊆ Ip Menge der neuen Anlagen der Produktgruppe p IpN F ⊆ Ip Menge der nachfolgeflexiblen Anlagen der Produktgruppe p IpN N F ⊆ Ip Menge der nicht nachfolgeflexiblen Anlagen der Produktgruppe p j∈J Menge der Arbeitssystemtypen Ji ⊆ J Menge der Arbeitssystemtypen von Anlage i JiAlt ⊆ Ji Menge der alten Arbeitssystemtypen einer alten Anlage i ∈ IpAlt Jiq ⊆ Ji Menge der Arbeitssystemtypen von Anlage i, die für Prozessschritt q p∈P Menge der Produktgruppen q∈Q Menge der Prozessschritte eingesetzt werden können Qp ⊆ Q Menge der Prozessschritte der Produktgruppe p m∈M Menge der Schichtmodelle s∈S Menge der Standorte t ∈ [0, ..., T ] Menge der Planungsperioden Variablen Nijqst Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i am Standort s in Periode t; Nijqst ∈ n + ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, ..., T ] Uimt 1, wenn Anlage i in Periode t im Schichtmodell m betrieben wird, sonst 0 Wbit 1, wenn Produkt b in Periode t auf Anlage i hergestellt wird, sonst 0 Vis 1, wenn Anlage i Standort s zugeordnet ist, sonst 0 Yit 1, wenn Anlage i in Periode t betrieben wird, sonst 0; aufgrund der Modellstruktur kann die Ganzzahligkeitsbedingung relaxiert werden; Yit ≥ 0 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [0, ..., T ] Parameter bdbct Nachfrage nach Endprodukt b ∈ Bp p ∈ P End am Kundenstandort c in Periode t [Einheiten] Investitionssumme für die Anschaffung eines Arbeitssystems des Typs er la g D r. K ov ac G m bH GE Ref erenzwährung Arbeitssystem )V j für Prozessschritt q in Anlage i (c Anl invijq 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 178 kbwbijq Belegungswechselkosten des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q in einer nachfolgeflexiblen Anlage i ∈ IpN F , um Produkt b herstellen zu können kasijqs GE Ref erenzwährung Arbeitssystem Fixe Betriebskosten je Arbeitssystemdes Typs j für Prozessschritt q in Anlage i am Standort s je Periode kdijqs GE lokale W ährung Arbeitssystem Kosten für die Demontage eines Arbeitssystems des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i am Standort s lzms GE lokale W ährung Arbeitssystem Periodenbetriebszeit von Anlagen im Schichtmodell m am Standort s [Stunden] nijqs Anzahl vorhandener Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q in einer alten Anlage i ∈ IpAlt am Standort s zum Planungszeitpunkt t = 0 nAnzAS,max ijq Maximale Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j in Anlage i für Prozessschritt q oeeijq Overall Equipment Effectiveness (OEE) eines Arbeitssystems des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i je Stunde Laufzeit; 0 ≤ oeeijq ≤ 1 pbfijq Personalbesetzungsfaktor des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q M itarbeiter (P rimärpersonal) in Anlage i Arbeitssystem plijq Parallelbearbeitungsfaktor des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q in Anlage i; plijq ≥ 1 prfijqh Bedarf an Produktionsfläche des Typs h einesArbeitssystems j für Prozessschritt q in einer Anlage i psijq m2 Arbeitssystem Produktionsgeschwindigkeitsfaktor des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q in Anlage i in Relation zum Referenz-Arbeitssystemtyp, für welchen die Referenz-Grundzeit gzbq definiert ist; psijq ≥ 0 Den Kern des Optimierungsmodells bildet die Planung der beiden primären Kapazitätsdeterminanten von Produktionssystemen – Anlagen und Personal. Sie sind die Basis für die Planung der anderen Entscheidungsfelder bzw. beeinflussen diese maßgeblich. Ausgangspunkt der Anlagenplanung ist eine mit der übergeordneten Technologiestrategie des Unternehmens konforme Menge von Produktionsanlagen I. Aufgrund des heterogenen Produktionsprogramms des hier betrachteten Untersuchungsbereichs unterscheiden sich auch die Anlagen sehr stark, weshalb die Menge I im Modell in produktgruppenspezifische Untermengen Ip ⊆ I unterteilt wird. (c )V er la g D m G ac ov r. K ( Brownfield-Planung“) unterstützt, müssen bereits installierte, alte Anlagen (Menge ” bH Da das Modell sowohl die Neuplanung eines Produktionssystems ( Greenfield” Planung“) als auch die Weiterentwicklung bestehender Produktionssysteme 5.2 Mathematische Modellformulierung 179 IpAlt ⊆ Ip ) und potenzielle neue Anlagen (Menge IpN eu ⊆ Ip ) unterschieden werden. Jede Anlage i ∈ Ip wird als ein System modelliert, das modular aus einer Menge von ergänzenden und/oder ersetzenden Arbeitssystemen aufgebaut ist. Jedes dieser Arbeitssysteme ist eine Ausprägung eines bestimmten anlagenspezifischen Arbeitssystemtyps. Die Menge der Arbeitssystemtypen einer Anlage i ∈ Ip , die für die Durchführung des Prozessschritts q ∈ Qp eingesetzt werden kann, wird mit Jiq bezeichnet. Von einem bestimmten Arbeitssystemtyp j ∈ Jiq können in einer Anlage i ∈ Ip mehrere Arbeitssysteme enthalten sein. Die Arbeitssystemtypen j ∈ Jiq einer Anlage i ∈ Ip werden aus Gründen der leichteren Modellierbarkeit so definiert, dass sie genau einen Prozessschritt q ∈ Qp der Produktgruppe p durchführen können. Ein Arbeitssystemtyp j ist somit für die Durchführung genau eines Prozessschritts q einer bestimmten Produktgruppe p in einer bestimmten Anlage i definiert. Kann ein Arbeitssystemtyp in der Realität für mehrere Prozessschritte und/oder in mehreren Anlagen eingesetzt werden (z.B. flexible Bearbeitungszentren), so wird im Modell für jede mögliche Anlage und jeden möglichen Prozessschritt ein eigener virtueller Arbeitssystemtyp angelegt. Alle virtuellen Arbeitssystemtypen weisen identische Charakteristika auf, die denen des realen, vielseitig einsetzbaren Arbeitssystemtyps entsprechen. Umgekehrt kann aber ein Prozessschritt q ∈ Qp mit mehreren ersetzenden Arbeitssystemtypen durchgeführt werden. Die Menge der ersetzenden Arbeitssystemtypen einer Anlage i für einen bestimmten Prozessschritt q wird mit der Menge Jiq beschrieben. Dies ist bspw. für die Modellierung von Montagelinien sehr bedeutsam. Bei diesen Anlagen können einzelne Prozessschritte je nach Wirtschaftlichkeit mit Automatikstationen oder manuellen Arbeitssystemen (Handarbeitsplätzen) durchgeführt werden. Über die Auswahl der manuellen oder automatischen Arbeitssysteme ergibt sich der Automatisierungsgrad der Montagelinie. Die Relationen und Kardinalitäten zwischen den Modellelementen Produktgruppe, Produkt, Prozessschritt, Anlage und Arbeitssystemtyp sind in Abbildung 5.3 dargestellt und können wie folgt zusammengefasst werden: • Eine Produktgruppe beinhaltet n Produkte, n Prozessschritte und n Anlagen154 . • Jedes Produkt, jeder Prozessschritt und jede Anlage ist im Modell genau einer Produktgruppe zugeordnet. • In einer Anlage kann ein bestimmter Prozessschritt mit n unterschiedlichen Ar- )V er la g D m G ac ov r. K Zur Darstellung der Kardinalitäten wird hier vereinfachend der Parameter n für eine allgemeine variable Anzahl von Modellelementen verwendet. Die einzelnen n können für die jeweiligen Modellelemente unterschiedlich sein. (c 154 bH beitssystemtypen durchgeführt werden. 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 180 • Jeder Arbeitssystemtyp ist im Modell genau einem Prozessschritt und einer Anlage zugeordnet. Relationen und Kardinalitäten innerhalb einer Produktgruppe Produktgruppe p 1 1 n Produkt b 1 n n Prozessschritt q Anlage i 1 1 n n Arbeitssystemtyp j Abbildung 5.3: Relationen und Kardinalitäten innerhalb einer Produktgruppe Zur Veranschaulichung dieser Art der Anlagenmodellierung dient folgendes Beispiel: Die Fertigung von Produkten der Produktgruppe Getriebegehäuse“ erfordere die vier ” Prozessschritte Vorbearbeitung, Feinbearbeitung, Entgraten und Waschen. Zur Herstellung können zwei alternative Anlagen eingesetzt werden: ein flexibles Fertigungssystem und eine Transferstraße. Jede dieser beiden Anlagen besteht aus spezifischen Arbeitssystemtypen für den Getriebegehäuse-Produktionsprozess (siehe Tabelle 5.1). Tabelle 5.1: Beispiel zur Anlagenmodellierung bH Waschmaschine m Waschmaschine G Waschen ac Entgratroboter ov Entgraten r. K Drehzentrum D Feinbearbeitung mehrachsige CNC-Transferstraßenstation mehrachsige CNC-Transferstraßenstation Transferstraßenstation für Entgratung g Bearbeitungszentrum (BAZ) er la Vorbearbeitung Transferstraße )V Flexibles Fertigungssystem (c Prozessschritt 5.2 Mathematische Modellformulierung 181 Könnte nun derselbe Bearbeitungszentrum-Typ des flexiblen Fertigungssystems in der Realität auch in einer Anlage für die Zylinderkopffertigung eingesetzt werden, so müssten im Modell zwei unterschiedliche virtuelle Arbeitssystemtypen angelegt werden: BAZ für Getriebegehäusebearbeitung und BAZ für Zylinderkopfbearbeitung. Beide weisen identische Parameter auf. Im Folgenden werden die Parameter erläutert, durch die sich ein Arbeitssystemtyp j in einer Anlage i für die Durchführung des Prozessschritts q charakterisieren lässt: Anl • Investitionssumme für die Anschaffung (invijq ): Anl Der Parameter invijq quantifiziert die Investitionssumme, die für die Anschaffung und Inbetriebnahme je Arbeitssystem eines bestimmten Typs erforderlich ist. Dieser Parameter kann auch (anteilig) Investitionen für anlagenbezogene Ver- und Entsorgungssysteme (z.B. für Kühl- und Schmiermittel) beinhalten. • Fixe Betriebskosten am Standort s pro Periode (kasijqs ): Für den Betrieb eines Arbeitssystems eines bestimmten Typs entstehen pro Periode fixe Betriebskosten. Diese werden im Modell mit dem Parameter kasijqs abgebildet und umfassen beispielsweise Sachkosten für Wartung und Instandhaltung oder Versicherungsprämien. • Belegungswechselkosten eines Arbeitssystems (kbwbijq ): Nachfolgeflexible Anlagen lassen Veränderungen der Anlagenbelegung zu. Um ein bestimmtes Produkt in eine nachfolgeflexible Anlage integrieren zu können, fallen je Arbeitssystem produkt- und arbeitssystemtypspezifische Kosten für Vorrichtungen, Spann- und Werkzeuge sowie für Umbau- und Umrüstmaßnahmen an, die mit dem Parameter kbwbijq bezeichnet werden. • Demontagekosten am Standort s pro Periode (kdijqs ): Um ein Arbeitssystem aus einer Anlage zu entfernen (bei Rückbau der Kapazitäten oder Stilllegung), entstehen Demontagekosten. Diese sind standortabhängig und werden mit dem Parameter kdijqs bezeichnet. • Anzahl von Arbeitssystemen in einer bestehenden Anlage (nijqs ): Bestehende Anlagen i ∈ IpAlt besitzen an ihrem Produktionsstandort s zum Planungszeitpunkt t = 0 je Prozessschritt eine bestimmte Anzahl bereits installierter Arbeitssysteme, die im Modell mit dem Parameter nijqs bezeichnet wird. bH ): • Maximal mögliche Anzahl von Arbeitssystemen (nAnzAS,max ijq (c )V er la g D r. K ov ac G m Aus technischen oder organisatorischen Gründen ist der Kapazitätsquerschnitt eines bestimmten Arbeitssystemtyps in einer Anlage nach oben beschränkt, 182 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes wofür der Parameter nAnzAS,max verwendet wird. Dies dient auch bei der gemischtijq ganzzahligen Modellierung als sog. große Zahl“ ( Big M“) für die Restriktionen ” ” zur Anlagenkapazitätsberechnung. • Overall Equipment Effectiveness (oeeijq ): Der Parameter oeeijq berücksichtigt die kapazitätsmindernden Verlustzeiten des Anlagenbetriebs und quantifiziert den Anteil der für die Gutteileproduktion zur Verfügung stehenden Zeit je Stunde Anlagenlaufzeit (siehe hierzu Abschnitt 2.2.4.5). Für eine aus unterschiedlichen Arbeitssystemtypen verkettete Anlage wird vereinfachend eine durchschnittliche, systemweite OEE-Kennzahl angenommen, die für alle Arbeitssysteme der Anlage identisch ist. Die komplexen und stochastischen Einflüsse verschiedener Anordnungs- und Verkettungsarten der Arbeitssysteme auf die Gesamtverfügbarkeit der Anlage werden auf der strategischen Planungsebene nicht explizit modelliert. Dies ist Gegenstand der taktisch-operativen Ebene. Andererseits können in einem Mehrmaschinensystem aus unverketteten Arbeitssystemen, das derartige Wechselwirkungen nicht aufweist, für jeden Arbeitssystemtyp individuelle OEE-Kennzahlen festgelegt werden. Aus diesem Grund ist der Parameter neben dem Anlagenindex noch mit den Arbeitssystemtyp- und Prozessschrittindizes gekennzeichnet. • Personalbesetzungsfaktor (pbfijq ): Der Personalbesetzungsfaktor pbfijq drückt aus, wie viele Mitarbeiter für die Bedienung eines Arbeitssystems eines bestimmten Typs erforderlich sind. • Parallelbearbeitungsfaktor (plijq ): Der Parallelbearbeitungsfaktor plijq drückt aus, ob mehrere Werkstücke gleichzeitig bearbeitet werden können (z.B. bei Doppelspindel-BAZ) oder ob mehrere Werkzeuge an einem Werkstück gleichzeitig im Eingriff sein und verschiedene Arbeitsfolgen simultan durchführen können. • Produktionsflächenbedarf (prfijqh ): Der Parameter prfijqh quantifiziert den Bedarf an Produktionsfläche des Flächentyps h eines Arbeitssystemtyps. Dieser Parameter umfasst die Maschinenaufstellfläche, die Bedienfläche, Flächen für Wartung und Instandhaltung sowie anlagennahe Bereitstell-/Versorgungsflächen. Auch hier können (anteilig) Flächen für anlagenbezogene Ver- und Entsorgungssysteme enthalten sein. bH • Produktionsgeschwindigkeitsfaktor (psijq ): ac G m Der Produktionsgeschwindigkeitsfaktor psijq drückt den Einfluss eines bestimm- (c )V er la g D r. K ov ten Arbeitssystemtyps auf die Referenz-Grundzeit gzbq aus. 5.2 Mathematische Modellformulierung 183 Anl • Restwert (rwijqt ): Anl Der Parameter rwijqt quantifiziert den Anteil der Investitionen eines in Periode t installierten Arbeitssystems, der am Ende des Planungshorizonts (Periode t = T ) als kalkulatorischer Restwert angesetzt wird. Dieser Restwert ist erforderlich, um Investitionen, die sich über das Planungshorizontende hinaus auswirken (wie z.B. bei nachfolgeflexiblen Arbeitssystemtypen), richtig bewerten zu können. Die Anzahl der Arbeitssysteme eines bestimmten Typs für einen Prozessschritt in einer Anlage wird in dieser Arbeit als Kapazitätsquerschnitt des Arbeitssystemtyps bezeichnet. So kann z.B. die Anlage flexibles Fertigungssystem für Getriebegehäuse“ aus ” Tabelle 5.1 in einem konkreten Fall aus vier Bearbeitungszentren, drei Drehzentren, vier Entgratrobotern und einer Waschmaschine bestehen. Im Modell wird der Kapazitätsquerschnitt des Arbeitssystemtyps j für die Durchführung des Prozessschritts q in Anlage i am Standort s in Periode t mit der ganzzahligen Variablen Nijqst ∈ n + beschrieben. Installierte Kapazität Leistungsdauer: lzms installierte Kapazität Intensität: oeeijq, psijq, plijq Kapazitätsquerschnitt: Nijqst Abbildung 5.4: Installierte Kapazität Das Produkt aus dem Kapazitätsquerschnitt eines Arbeitssystemtyps und den arbeits- bH systemtypspezifischen Leistungskennzahlen psijq , plijq und oeeijq wird im Folgenden (c )V er la g D G ac ov r. K die vorhandenen Arbeitssysteme des Typs j für die Produktion zur Verfügung stehende m als installierte Kapazität bezeichnet (siehe Abbildung 5.4). Sie beschreibt das durch 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 184 zeitliche Kapazitätsangebot pro Stunde Anlagenlaufzeit für einen Prozessschritt q. Die Anlagenlaufzeit in Schichtmodell m an Standort s wird mit dem Parameter lzms bezeichnet. Je nach Anlagentyp können die installierten Kapazitäten fix oder veränderlich sein. Neben alten und neuen Anlagen müssen somit auch Anlagen mit fixen installierten Kapazitäten (IpF ix ⊆ Ip ) und modular rekonfigurierbare Anlagen (IpM R ⊆ Ip ) unterschieden werden. Mit modular rekonfigurierbaren Anlagen ist eine Anpassung des Kapazitätsquerschnitts möglich, indem Arbeitssysteme hinzugefügt oder demontiert werden. Beispiele für solche Anlagen sind unverkettete Mehrmaschinensysteme oder flexible Fertigungssysteme. Bei Anlagen mit fixen installierten Kapazitäten ist dagegen eine Veränderung des einmal installierten Kapazitätsquerschnitts technisch nicht möglich oder mit einem unwirtschaftlich hohen Aufwand verbunden (z.B. bei starren Transferstraßen). Die Wahl volumenflexibler, modular rekonfigurierbarer Produktionsanlagen trägt erheblich zur Realisierung robuster Strategien für den Aufbau bzw. die Weiterentwicklung eines Produktionssystems bei (robuster erster Schritt 155 ). Im Gegensatz zu Anlagen mit fixen installierten Kapazitäten verbleiben beim modularen, zeitversetzten Aufbau von Produktionsanlagen größere Gestaltungsspielräume, um auf veränderte zukünftige Rahmenbedingungen besser reagieren zu können. Das hier beschriebene Modell gehört zur Klasse der gemischt-ganzzahligen Optimierungsmodelle (siehe Abschnitt 2.3.5). Neben verschiedenen reellwertigen Variablen (z.B. zur Modellierung von Produktions- oder Transportmengen) enthält es vier Arten von Binärvariablen, mit welchen die Struktur des Produktionssystems beschrieben wird. Diese Variablen werden im Folgenden als Strukturvariablen bezeichnet und sind direkt an die Produktionsanlagen gekoppelt: • Vis : 1, wenn Anlage i ∈ Ip Standort s ∈ S zugeordnet ist, sonst 0 • Yit : 1, wenn Anlage i ∈ Ip in Periode t ∈ [0, ..., T ] betrieben wird, sonst 0 • Uimt : 1, wenn Anlage i ∈ Ip in Periode t ∈ [0, ..., T ] im Schichtmodell m ∈ M betrieben wird, sonst 0 • Wbit : 1, wenn Produkt b ∈ Bp in Periode t ∈ [0, ..., T ] auf Anlage i ∈ Ip hergestellt )V er la g D m G ac ov r. K Der hier verwendete Begriff des robusten ersten Schrittes“ ist H ANSSMANN (1990) entlehnt. Im Kontext ” des Einsatzes komparativ-statischer Modelle für die strategische Planung bezeichnet er bei H ANSSMANN (1990) den ersten Schritt eines strategischen Planes, der unter möglichst vielen verschiedenen Umweltszenarien robust in Richtung des Gesamtoptimums führt (vgl. Hanssmann, 1990, S. 327). (c 155 bH wird, sonst 0 5.2 Mathematische Modellformulierung 185 Während die Variablentypen Vis , Uimt und Wbit echte Binärvariablen sind, nimmt der Variablentyp Yit eine Sonderstellung ein, da dessen Ganzzahligkeitsbedingung im Basismodell relaxiert und er als reellwertig abgebildet werden kann. Aufgrund der Modellstruktur nehmen die Variablen Yit stets nur die binären Werte 0 oder 1 an, ohne dass die Ganzzahligkeit explizit gefordert werden muss. Durch diese Relaxierung kann eine erhebliche Verbesserung des Rechenzeitverhaltens des Modells erreicht werden. Die Relationen und Strukturvariablen der Standort- und Anlagenplanung, den primären Entscheidungsfeldern des vorliegenden Planungsproblems, sind in Abbildung 5.5 zusammengefasst. Modellstruktur und ganzzahlige Variablen Produktgruppe p 1 Standort s n 1 1 Schichtmodell m n n Variable Vis n n Produkt b n n Prozessschritt q n n n Anlage i n 1 n 1 n Variable Uimt n Variable Yit n Arbeitssystemtyp j n n n n n n Variable Nijqst n variable Zuordnung Variable Wbit n n n Periode t n fixe Zuordnung (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Abbildung 5.5: Relationen und Strukturvariablen der Standort- und Anlagenplanung 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 186 5.2.1.3 Standortwahl und Anlagenbetrieb Indexmengen i∈I Menge der Anlagen Ip ⊆ I Menge der Anlagen der Produktgruppe p IpAlt ⊆ Ip Menge der alten Anlagen der Produktgruppe p IpN eu ⊆ Ip Menge der neuen Anlagen der Produktgruppe p IpN eu,kvS ⊆ IpN eu Menge der neuen, nicht im Planungshorizont stilllegbaren Anlagen der Produktgruppe p p∈P Menge der Produktgruppen s∈S Menge der Standorte t ∈ [0, ..., T ] Menge der Planungsperioden Variablen Vis Yit 1, wenn Anlage i Standort s zugeordnet ist, sonst 0 1, wenn Anlage i in Periode t betrieben wird, sonst 0; aufgrund der Modellstruktur kann die Ganzzahligkeitsbedingung relaxiert werden; Yit ≥ 0 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [0, ..., T ] Parameter δ Allgemeiner Parameter; δ ≥ 0 tEOP i Letztmögliche Produktionsperiode der Anlage i tSOP i Periode des frühestmöglichen Produktionsbeginns der Anlage i v̂is 1, wenn alte Anlage i in Periode t = 0 am Standort s steht, sonst 0 Auswahl von Standorten156 für Anlagen Ausgangspunkt der Standortwahl ist eine Menge bestehender und potenzieller neuer Produktionsstandorte, die im Modell mit S bezeichnet wird. Diese Menge resultiert aus einer Vorselektion von Standortalternativen im Hinblick auf verschiedene strategische und unternehmenspolitische Kriterien. Im Rahmen dieser Vorselektion, die nicht Gegenstand dieser Forschungsarbeit ist, kommen schwerpunktmäßig qualitative Stand- )V er la g D m G ac ov r. K Im Kontext dieser Arbeit muss mit dem Begriff Standort“ nicht zwingend ein komplettes Werk gemeint ” sein. Er kann sich je nach Fragestellung auch auf einen Werksteil beziehen. (c 156 bH ortfaktoren sowie qualitative und semi-quantitative Planungstechniken zum Einsatz. 5.2 Mathematische Modellformulierung 187 Die Zuordnung einer Anlage i zu einem Standort s wird im Modell über die Binärvariablen Vis modelliert. Es gilt Vis = 1, wenn die Anlage i dem Standort s zugeordnet ist, sonst ist Vis = 0. Wird eine neue Anlage im Planungshorizont betrieben, so muss sie einem Standort zugeordnet sein (Ungleichungen 5.5). Vis ≥ Yit ∀ i ∈ IpN eu , p ∈ P, t ∈ [1, ..., T ] (5.5) s∈S Eine Anlage kann dabei maximal einem Standort zugeordnet werden (Ungleichungen 5.6). Dieser Restriktion liegt die Annahme zugrunde, dass eine spätere Verlagerung von einmal an einem Standort installierten Anlagen in diesem Modell nicht vorgesehen ist157 . Vis ≤ 1 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P (5.6) s∈S Alte Anlagen sind bereits einem Standort zugeordnet und können ebenfalls nicht verlagert werden (Gleichungen 5.7). Der Parameter v̂is kennzeichnet die bereits existierenden Anlagen-Standort-Kombinationen. Es gilt v̂is = 1, wenn die alte Anlage i ∈ IpAlt am bestehenden Standort s steht. Sonst ist v̂is = 0. Vis = v̂is ∀ i ∈ IpAlt , p ∈ P, s ∈ S (5.7) Ungleichungen 5.8 verhindern, dass nicht genutzte neue Anlagen einem Standort zugeordnet werden können. Yit ≥ Vis ∀ i ∈ IpN eu , p ∈ P, s ∈ S (5.8) t∈[1,...,T ] Eine Stilllegung von bestehenden Standorten wird nicht betrachtet. Inbetriebnahme bzw. Stilllegung von Anlagen Der Betrieb einer Anlage i in einer Periode t wird über die Variablen Yit abgebildet, d.h. Yit = 1, wenn Anlage i in Periode t betrieben wird, sonst gilt Yit = 0. Der binäre )V er la g D m G ac ov r. K Die Verlagerung einer Anlage an einen anderen Standort kann indirekt modelliert werden, indem eine virtuelle zweite Anlage für die neuen Standortmöglichkeiten definiert wird. Die zu verlagernde Anlage wird dann am ersten Standort stillgelegt und die virtuelle neue Anlage danach an einem anderen Standort aufgebaut. Die Deinstallationskosten der zu verlagernden Anlage und die Investitionen der neuen virtuellen Anlage entsprechen den Verlagerungskosten. Über zusätzliche Nebenbedingungen wird sichergestellt, dass die virtuelle neue Anlage erst nach Stilllegung der zu verlagernden Anlage installiert werden kann. (c 157 bH Wertebereich ergibt sich dabei direkt aus der Struktur des mathematischen Modells, 188 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes ohne dass eine explizite Ganzzahligkeitsbedingung für Yit erforderlich ist. Die Variablen können somit im Modell als reellwertig definiert werden. Eine Anlage i kann nur innerhalb des maximal möglichen Betriebszeitraums SOP ti , ..., tEOP betrieben werden. Dabei kennzeichnet der Parameter tSOP die Periode i i des frühestmöglichen Produktionsbeginns und der Parameter tEOP die letztmögliche i Betriebsperiode. Außerhalb dieses Zeitraums sind die Variablen für den Anlagenbetrieb gleich Null (Gleichungen 5.9). Yit = 0 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [0, ..., T ] t ∈ / tSOP , ..., min tEOP ,T i i (5.9) Für neue Anlagen i ∈ IpN eu gilt tSOP ∈ [1, ..., T ] und tEOP ∈ tSOP + 1, ..., T + δ . D.h. i i i die Inbetriebnahme erfolgt erst innerhalb des Planungshorizonts. Die Stilllegung kann noch innerhalb des Planungshorizonts oder aber erst danach (symbolisiert durch T +δ) erfolgen, was in kapitalintensiven Branchen mit langen Produktlebenszyklen häufig der Fall ist. Alte Anlagen sind zum Planungszeitpunkt t = 0 bereits in Betrieb (Gleichungen 5.10). Yi0 = 1 ∀ i ∈ IpAlt , p ∈ P (5.10) Neue Anlagen, deren Stilllegung im Planungshorizont von Beginn an ausgeschlossen ist (Menge IpN eu,kvS ), müssen nach der Periode ihrer Erstinbetriebnahme in Betrieb bleiben. Dies wird mittels der Ungleichungsgruppe 5.11 abgebildet, welche sich auch positiv auf das Rechenzeitverhalten des Modells auswirken. Yit ≥ Yit−1 ∀ i ∈ IpN eu,kvS , p ∈ P, t ∈ [1, ..., T ] (5.11) Für alte Anlagen i ∈ IpAlt gilt tSOP ≤ 0 und tEOP ∈ [1, ..., T + δ]. Sie sind somit zum i i Planungszeitpunkt (Periode t = 0) bereits in Betrieb und können während des Planungszeitraums oder aber auch erst danach (T + δ) stillgelegt werden. Eine Wiederinbetriebnahme einmal stillgelegter alter Anlagen ist nicht vorgesehen (Ungleichungen 5.12). Yit ≤ Yit−1 ∀ i ∈ IpAlt , p ∈ P, t ∈ [1, ..., T ] (c )V er la g D r. K ov ac G m bH (5.12) 5.2 Mathematische Modellformulierung 5.2.1.4 189 Belegungs- und Flexibilitätsplanung von Anlagen Indexmengen b∈B Menge der Produkte im Produktionsprogramm Bp ⊆ B Menge der Produkte der Produktgruppe p B Menge der auf Anlage i herstellbaren Produkte der Produktgruppe p ip ⊆ Bp U nv b, b̂ ∈ Bip Menge der Produktkombinationen der Produktgruppe p, die nicht U nv nebeneinander auf Anlage i hergestellt werden können; Bip ⊆ (Bp )2 i∈I Menge der Anlagen Ip ⊆ I Menge der Anlagen der Produktgruppe p IpAlt ⊆ Ip Menge der alten Anlagen der Produktgruppe p IpF ix ⊆ Ip Menge der Anlagen mit fixen installierten Kapazitäten der Produktgruppe p IpM R ⊆ Ip IpN eu ⊆ Ip IpN F ⊆ Ip IpN N F ⊆ Ip Menge der modular rekonfigurierbaren Anlagen der Produktgruppe p p∈P Menge der Produktgruppen t ∈ [0, ..., T ] Menge der Planungsperioden Menge der neuen Anlagen der Produktgruppe p Menge der nachfolgeflexiblen Anlagen der Produktgruppe p Menge der nicht nachfolgeflexiblen Anlagen der Produktgruppe p Variablen Wbit 1, wenn Produkt b in Periode t auf Anlage i hergestellt wird, sonst 0 Yit 1, wenn Anlage i in Periode t betrieben wird, sonst 0; aufgrund der Modellstruktur kann die Ganzzahligkeitsbedingung relaxiert werden; Yit ≥ 0 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [0, ..., T ] Xbist Produktionsstückzahl des Produkts b auf Anlage i am Standort s in Periode t; Xbist ≥ 0 ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Parameter f xB i Maximale Anzahl von Produkten, die auf Anlage i nebeneinander hergestellt werden können; f xB i ≥ 1 MbX Große Zahl für Produkt b für die Kopplung der Produktionsmengen- bH variablen an Strukturvariablen ac G m Anzahl Einheiten des Zwischenprodukts b̂ zur Herstellung einer )V er la g D r. K ov Einheit des Produkts b (c Z mbkb̂b 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 190 mfbiO Maximaler Anteil des Produkts b an der Gesamtproduktionsmenge je Periode auf Anlage i mfbiU Minimaler Anteil des Produkts b an der Gesamtproduktionsmenge tEOP i Letztmögliche Produktionsperiode der Anlage i tSOP i Periode des frühestmöglichen Produktionsbeginns der Anlage i ŵbi 1, wenn alte Anlage i in t = 0 mit Produkt b belegt ist, sonst 0 in xM i Minimale Gesamtproduktionsmenge der Anlage i je Periode auf Anlage i In den folgenden Ausführungen wird die Modellierung von Aspekten der Belegungs-, Nachfolge-, Volumen- und Mixflexibilität auf der Anlagenebene diskutiert: • Belegungsflexibilität: Jede Anlage i ∈ Ip kann eine bestimmte Menge von Produkten aus ihrer Produktgruppe p herstellen, die mit Bip ⊆ Bp bezeichnet wird. Die periodenbezogene Zuordnung eines Produkts zu einer Anlage wird mit den Binärvariablen Wbit angezeigt. Wird Produkt b in Periode t auf Anlage i hergestellt, so gilt Wbit = 1, sonst 0. Die Produktionsmenge eines Produkts b auf Anlage i am Standort s in Periode t wird mit der reellwertigen Variablen Xbist modelliert. Auf einer Anlage können nur innerhalb ihres maximalen Betriebszeitraums Produkte hergestellt werden. Außerhalb dieses Zeitraums sind die Produktionsmengenvariablen (Xbist ) gleich Null (Gleichungen 5.13). Xbist = 0 / tSOP , ..., min tEOP ,T (5.13) ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, ..., T ] t ∈ i i in ) Für die einzelnen Anlagen können Mindestproduktionsmengen (Parameter xM i definiert werden, um unzulässige Unterauslastungen zu verhindern (Ungleichungen 5.14). in Xbist ≥ xM · Yit ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] i (5.14) b∈Bip Die Produktionsmengenvariablen Xbist müssen mit den Strukturvariablen Yit , Wbit und Vis gekoppelt werden. Nur wenn Anlage i in Periode t betrieben wird, Baurei- bH he b in Periode t der Anlage i zugeordnet ist und die Anlage i dem Standort s zu- (c )V er la g D r. K ov ac G m gewiesen wurde, kann Xbist > 0 gelten (Ungleichungen 5.15 bis 5.17). Bei dieser Kopplung muss sichergestellt werden, dass keine unzulässigen Beschränkungen 5.2 Mathematische Modellformulierung 191 der Variablen Xbist entstehen, was über die Multiplikation der Strukturvariablen Yit , Wbit und Vis mit einer produktspezifischen großen Zahl, MbX , gewährleistet wird. Für Endprodukte b ∈ Bp p ∈ P End gilt M X = max bdbct , d.h. die b c∈C große Zahl“ entspricht dem maximalen Perioden-Gesamtbedarf des Produkts b ” im Planungszeitraum. Der Parameter bdbct repräsentiert dabei den Bedarf des Produkts b am Kundenstandort c ∈ C in Periode t. Die Menge der Kundenstandorte (Fahrzeugwerke) wird mit C bezeichnet. Die großen Zahlen der Zwischenprodukte können aus den Bedarfen der EndproZ dukte unter Berücksichtigung der Materialbedarfskoeffizienten mbkb̂b errechnet werden. Xbist ≤ MbX · Yit ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.15) Xbist ≤ MbX · Wbit ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.16) Xbist ≤ MbX · Vis ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.17) Aus der Menge der auf einer Anlage herstellbaren Produkte (Bip ) kann pro Periode eine bestimmte Teilmenge nebeneinander (gemischt oder losweise mit nur geringem Umrüstaufwand) auf der Anlage hergestellt werden. Die Anzahl der auf einer bestimmten Anlage i nebeneinander herstellbaren Produkte aus der Menge Bip ist durch den anlagenspezifischen Parameter f xB i nach oben beschränkt. Im Modell wird diese Restriktion mit den Ungleichungen 5.18 abgebildet. Mit diesen Ungleichungen wäre auch die erforderliche Kopplung der Variablen Wbit und Yit möglich. Dies wird hier jedoch nicht vorgenommen und erfolgt stattdessen auf disaggregierter Ebene in den Ungleichungen 5.21. Diese Formulierung ist aus modelltechnischer Sicht effizienter, da sie bei der LP-Relaxation bessere Schranken liefert als eine Kopplung auf aggregierter Ebene. Der Zulässigkeitsbereich der disaggregierten Formulierung ist eine echte Teilmenge des Zulässigkeitsbereichs auf aggregierter Ebene und liegt im Allgemeinen näher an der ganzzahligen Lösung (vgl. Grünert und Irnich, 2005, S. 63 f.). Wbit ≤ f xB i ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [1, ..., T ] (5.18) b∈Bip Produkte können einer Anlage ferner nur innerhalb ihres maximalen Betriebszeitraums zugeordnet werden. Außerhalb dieses Zeitraums sind die Strukturva- (c )V er la g D r. K ov ac G m bH riablen für die Anlagenbelegung (Wbit ) gleich Null (Gleichungen 5.19). 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 192 Wbit = 0 / tSOP , ..., min tEOP ,T ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [0, ..., T ] t ∈ i i (5.19) Die Initialbelegung alter Anlagen wird über den Parameter ŵib gekennzeichnet. Es gilt ŵib = 1, wenn das Produkt b zum Planungszeitpunkt t = 0 auf der alten Anlage i hergestellt werden kann, sonst 0 (Gleichungen 5.20). Wbi0 = ŵbi ∀ b ∈ Bip , i ∈ IpAlt , p ∈ P (5.20) Grundsätzlich können einer Anlage in einer Periode t nur dann Produkte zugeordnet sein, wenn sie in der betreffenden Periode in Betrieb ist, d.h. Yit = 1 (Ungleichungen 5.21). Wbit ≤ Yit ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [1, ..., T ] (5.21) Zwischen verschiedenen Produkten einer Produktgruppe p können anlagenspezifische Belegungsunverträglichkeiten bestehen, obwohl sich diese Produkte in der Menge der grundsätzlich herstellbaren Produkte (Bip ) einer Anlage i befinden. Die Menge der unverträglichen Produktkombinationen (eine solche U nv Kombination wird mit b, b̂ ⊆ (Bp )2 dargestellt) wird als Bip bezeichnet. Dies wird an folgendem Beispiel verdeutlicht: Die Menge der herstellbaren Produkte einer Motormontagelinie î umfasse die Produkte Reihen-4-Zylinder-Benzinmotor (R4B), Reihen-6-ZylinderBenzinmotor (R6B), 6-Zylinder-Dieselmotor Reihen-4-Zylinder-Dieselmotor (R6D). Aufgrund der (R4D) konstruktiven und Reihen- Unterschiede zwischen Diesel- und Benzinmotoren sei auf dieser Anlage keine gemischte Produktion von Benzin- und Dieselmotoren möglich. Daraus ergeben sich die folgenden Belegungsunverträglichkeiten der Anlage î: U nv Bî,M = {(R4B, R4D), (R4B, R6D), (R6B, R4D), (R6B, R6D)}. otor Die Berücksichtigung solcher Belegungsunverträglichkeiten erfolgt mittels Ungleichungen 5.22. Wbit + Wb̂it ≤ 1 ∀ U nv b, b̂ ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [1, ..., T ] (5.22) • Nachfolgeflexibilität: Im Modell werden sowohl nachfolgeflexible Anlagen (Menge IpN F ⊆ Ip ) als auch bH nicht nachfolgeflexible Anlagen (Menge IpN N F ⊆ Ip ) unterschieden. Bei nach- (c )V er la g D r. K ov ac G m folgeflexiblen Anlagen kann die Anlagenbelegung im Zeitablauf im Rahmen der 5.2 Mathematische Modellformulierung 193 Belegungsflexibilität verändert werden. Ein Belegungswechsel auf einer nachfolgeflexiblen Anlage verursacht dabei Belegungswechselkosten, bspw. für die Anschaffung neuer Vorrichtungen, Spann- und Werkzeuge. Je vielseitiger eine Anlage ist, desto geringer fallen diese Kosten aus. Der Aspekt der Nachfolgeflexibilität wird daher bei der Modellierung der Zielfunktion berücksichtigt und in Abschnitt 5.2.2 ausführlicher dargestellt. Bei nicht nachfolgeflexiblen Anlagen i ∈ IpN N F ist dagegen keine Änderung der Erstbelegung möglich. Wird ein Produkt b in einer Periode t einmal einer solchen Anlage zugeordnet, so bleibt es auch in den Folgeperioden dieser Anlage zugeordnet, solange sie in Betrieb ist, d.h. Wbit ≥ Wbit−1 . Damit bei nicht nachfolgeflexiblen Anlagen, die im Planungshorizont stillgelegt werden, die Belegungsvariablen Wbit nach ihrer Stilllegung gemäß den Ungleichungen 5.21 wieder den Wert Null annehmen können, ist in den Ungleichungen 5.23 zusätzlich die Subtraktion des Terms (1 − Yit ) erforderlich158 . Wbit ≥ Wbit−1 − (1 − Yit ) ∀ b ∈ Bip , i ∈ IpN N F , p ∈ P, t ∈ [1, ..., T ] (5.23) Produktionsanlagen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule beinhalten häufig produktspezifische Arbeitssystemtypen für bestimmte Prozessschritte. Diese Arbeitssysteme müssen in vielen Fällen bei einem Belegungswechsel auf einer nachfolgeflexiblen Anlage ausgetauscht werden. Die Modellierung dieses Sachverhalts erfolgt ebenfalls nicht an dieser Stelle, sondern wird im Rahmen der Kapazitätsplanung von Produktionsanlagen in Abschnitt 5.2.1.5 diskutiert. • Volumenflexibilität: Ein wesentlicher Aspekt der Volumenflexibilität von Produktionsanlagen ist deren Skalierbarkeit, d.h. die Möglichkeit, den Kapazitätsquerschnitt der Anlagen durch Hinzufügen oder Entfernen von Arbeitssystemen an das Produktionsvolumen anpassen zu können. Dies ist mit modular rekonfigurierbaren Anlagen i ∈ IpM R möglich, die sukzessive auf- und rückgebaut werden können. Da die Skalierbarkeit von Produktionsanlagen untrennbar mit der Anlagenkapazitätsplanung verbunden ist, wird dies ebenfalls in Abschnitt 5.2.1.5 dargestellt. • Mixflexibilität: Die Produktionsprogramme im Bereich Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang können durch Substitutionseffekte zwischen einzelnen Produkten, wie z.B. zwischen Benzin- und Dieselmotoren, gekennzeichnet sein. Dies kann bei gleicher )V er la g D m G ac ov r. K Läuft ein Produkt vor der Stilllegung der Anlage aus, so bleibt es noch virtuell der Anlage bis zu ihrer Stilllegung zugeordnet. Die Produktionsstückzahlen betragen in diesem Fall Null. (c 158 bH Gesamtausbringungsmenge des Produktionssystems in einer schwankenden an- 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 194 teiligen Zusammensetzung des Produktionsprogramms (Mixverschiebungen) resultieren. Die Kompensation dieser Mixverschiebungen erfordert mixflexible Produktionsanlagen, die eine möglichst große Bandbreite unterschiedlicher Zusammensetzungen des Produktionsprogramms herstellen können (z.B. einen Dieselanteil zwischen 20 und 80 Prozent). Da die Produkte in der Regel unterschiedliche Arbeitsinhalte und somit unterschiedliche Grundzeiten für die Produktion aufweisen, bestehen aber bei vielen belegungsflexiblen Anlagen aus Gründen der Anlagenaustaktung und der Gewährleistung zulässiger Produktionssequenzen häufig Einschränkungen hinsichtlich der Mixflexibilität, die bei der Belegungsplanung berücksichtigt werden müssen. So können obere und untere Schranken für die Produktionsmengenanteile der einzelnen Produkte an der Gesamtproduktionsmenge der Anlage bestehen. Diese Schranken sind in der Regel anlagen- und produktspezifisch. Im Modell können derartige Einschränkungen der Mixflexibilität von Produktionsanlagen über die Ungleichungen 5.24 und 5.25 abgebildet werden. Ungleichungen 5.24 stellen sicher, dass von Produkt b auf Anlage i maximal ein Anteil von mfbiO an der Gesamtproduktionsmenge hergestellt werden kann. Xbist ≤ mfbiO · Xb̂ist ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.24) b̂∈Bip Umgekehrt wird über die Ungleichungen 5.25 sichergestellt, dass von Produkt b auf einer Anlage i mindestens ein Anteil von mfbiU an der Gesamtproduktionsmenge hergestellt werden muss. Xbist ≥ mfbiU · Xb̂ist ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.25) b̂∈Bip 5.2.1.5 Planung der Anlagenkapazitäten Indexmengen b∈B Menge der Produkte im Produktionsprogramm Menge der Produkte der Produktgruppe p Bip ⊆ Bp Menge der auf Anlage i herstellbaren Produkte der Produktgruppe p m G ac ov r. K D Menge der Anlagen der Produktgruppe p g Menge der Anlagen er la i∈I Ip ⊆ I )V Menge der Kundenstandorte (Fahrzeugwerke) Menge der Produktionsflächenarten (c c∈C h∈H bH Bp ⊆ B 5.2 Mathematische Modellformulierung IpAlt ⊆ Ip IpF ix ⊆ Ip 195 Menge der alten Anlagen der Produktgruppe p Menge der Anlagen mit fixen installierten Kapazitäten der Produktgruppe p IpM R ⊆ Ip Menge der modular rekonfigurierbaren Anlagen der Produktgruppe p IpN eu ⊆ Ip Menge der neuen Anlagen der Produktgruppe p IpN F ⊆ Ip Menge der nachfolgeflexiblen Anlagen der Produktgruppe p IpN N F ⊆ Ip Menge der nicht nachfolgeflexiblen Anlagen der Produktgruppe p j∈J Menge der Arbeitssystemtypen Ji ⊆ J Menge der Arbeitssystemtypen von Anlage i JiAlt ⊆ Ji Menge der alten Arbeitssystemtypen einer alten Anlage i ∈ IpAlt Jiq ⊆ Ji Menge der Arbeitssystemtypen von Anlage i, die für Prozessschritt q p∈P Menge der Produktgruppen q∈Q Menge der Prozessschritte eingesetzt werden können Qp ⊆ Q Menge der Prozessschritte der Produktgruppe p m∈M Menge der Schichtmodelle s∈S Menge der Standorte t ∈ [0, ..., T ] Menge der Planungsperioden Variablen KAijqmst Normalkapazität des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q der Anlage i in Schichtmodell m am Standort s in Periode t; KAijqmst ≥ 0 ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] KBijqst Kapazitätsbedarf des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q in Anlage i am Standort s in Periode t; KBijqst ≥ 0 ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Nijqst Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i am Standort s in Periode t; Nijqst ∈ + Nijqst n + ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, ..., T ] Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q, die zu Anlage i am Standort s in Periode t hinzugefügt werden; + Nijqst ≥ 0 ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, ..., T ] − Nijqst Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q, die aus Anlage i am Standort s in Periode t entfernt werden; (c )V er la g D m G ac ov r. K Maximale Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q in einer neuen Anlage mit fixen installierten Kapazitäten i ∈ IpN eu ∩ IpF ix max ≥ 0 ∀ j ∈ Jiq , i ∈ IpN eu ∩ IpF ix , q ∈ Qp , p ∈ P Nijq bH − Nijqst ≥ 0 ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, ..., T ] max Nijq 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 196 Uimt 1, wenn Anlage i in Periode t im Schichtmodell m betrieben wird, sonst 0 Xbist Produktionsstückzahl des Produkts b auf Anlage i am Standort s in Periode t; Xbist ≥ 0 ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Wbit 1, wenn Produkt b in Periode t auf Anlage i hergestellt wird, sonst 0 Vis 1, wenn Anlage i Standort s zugeordnet ist, sonst 0 Yit 1, wenn Anlage i in Periode t betrieben wird, sonst 0; aufgrund der Modellstruktur kann die Ganzzahligkeitsbedingung relaxiert werden; Yit ≥ 0 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [0, ..., T ] Parameter bdbct Nachfrage nach Endprodukt b ∈ Bp p ∈ P End am Kundenstandort c in Periode t [Einheiten] f xB i Maximale Anzahl von Produkten, die auf Anlage i nebeneinander hergestellt werden können; f xB i ≥ 1 f xLms Faktor für laufzeitbedingte Flexibilitätsreserve in Schichtmodell m am Standort s (erweitertes Schichtmodell); f xLms ≥ 0 f xVb Faktor für strategischen Volumenflexibilitätsvorhalt für Produkt b; f xVb ≥ 0 gzbq Referenz-Grundzeit für die Durchführung des Prozessschritts q an Stunden Produkt b hergestellte Einheit lzms Periodenbetriebszeit von Anlagen im Schichtmodell m am Standort s [Stunden] nijqs Anzahl vorhandener Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q in einer alten Anlage i ∈ IpAlt am Standort s zum Planungszeitpunkt t = 0 nAnzAS,max ijq Maximale Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j in Anlage i für Prozessschritt q oeeijq Overall Equipment Effectiveness (OEE) eines Arbeitssystems des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i je Stunde Laufzeit; 0 ≤ oeeijq ≤ 1 plijq Parallelbearbeitungsfaktor des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q in Anlage i; plijq ≥ 1 psijq Produktionsgeschwindigkeitsfaktor des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q in Anlage i in Relation zum Referenz-Arbeitssystemtyp, tSOP i Periode des frühestmöglichen Produktionsbeginns der Anlage i (c )V er la g D r. K ov ac G m Letztmögliche Produktionsperiode der Anlage i bH für welchen die Referenz-Grundzeit gzbq definiert ist; psijq ≥ 0 tEOP i 5.2 Mathematische Modellformulierung 197 Ermittlung des erforderlichen Kapazitätsbedarfs von Produktionsanlagen Der auf die unterschiedlichen Arbeitssystemtypen entfallende periodenbezogene Kapazitätsbedarf bildet die Basis für die Berechnung der erforderlichen Anlagenkapazitäten. Auch für die Berechnung des Primärpersonals in Abschnitt 5.2.1.8 stellt dieser Kapazitätsbedarf die maßgebliche Ausgangsgröße dar. Der Kapazitätsbedarf eines Arbeitssystemtyps j in einer Anlage i am Standort s zur Durchführung des Prozessschritts q in Periode t wird mit der reellwertigen Variablen KBijqst bezeichnet. Er wird nicht in herzustellenden Mengeneinheiten, sondern produktneutral in der für die Herstellung erforderlichen Produktionszeit angegeben. Die Kapazitätsbedarfe errechnen sich nach den Gleichungen 5.26 aus den Produktionsmengen der einer Anlage zugeordneten Produkte (Xbist ) und ihrer jeweiligen ReferenzGrundzeiten für die einzelnen Prozessschritte. Bei der Anlagenauslegung wird der Kapazitätsbedarf aus strategischen Flexibilitätsüberlegungen durch die Multiplikation mit einem produktspezifischen Volumenflexibilitätsfaktor f xVb künstlich erhöht, um auch auf erhöhte Bedarfe aufgrund unsicherer unterjähriger Schwankungen reagieren zu können (Gleichungen 5.26). Da sich dieser erhöhte Kapazitätsbedarf im Kapazitätsangebot der Anlagen widerspiegelt, wird ein kapazitiver Flexibilitätsvorhalt geschaffen. Häufig können innerhalb einer Anlage i für die Durchführung eines bestimmten Prozessschritts q mehrere Arbeitssystemtypen (alternativ oder simultan) eingesetzt werden, die mit der Menge Jiq bezeichnet werden. Über die Modellierung mehrerer Arbeitssystemtypen für einen Prozessschritt können z.B. unterschiedliche Technologien betrachtet werden. Darüber hinaus können für alte, modular rekonfigurierbare Anlagen neue, dem Stand der Technik entsprechende Arbeitssystemtypen für zukünftige Erweiterungen definiert werden. Die Summe der auf die möglichen Arbeitssystemtypen j ∈ Jiq verteilten Kapazitätsbedarfe eines Prozessschritts q muss dem gesamten Kapazitätsbedarf des betreffenden Prozessschritts (inkl. des Flexibilitätsvorhalts) entsprechen (Gleichungen 5.26). j∈Jiq KBijqst = 1 + f xVb · gzbq · Xbist b∈Bip ∀ i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.26) Dadurch, dass einzelne Prozessschritte mit mehreren Arbeitssystemen durchgeführt werden können, ist auch eine Optimierung der Automatisierungsgrade von Anlagen, insbesondere von Montagelinien möglich. Im Falle von Montagelinien werden für jeden bH Prozessschritt sowohl Automatikstationen als auch manuelle Arbeitssysteme definiert, (c )V er la g D r. K ov ac G m zwischen welchen das Modell auswählen kann. Dies ermöglicht eine individuelle Automatisierungsentscheidung für jeden modellierten Prozessschritt. Dabei können auch 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 198 Automatikstationen und Handarbeitsplätze kombiniert eingesetzt werden. Je mehr Prozessschritte unterschieden werden, umso feinere Abstufungen des Automatisierungsgrades sind möglich. Der in den Gleichungen 5.26 errechnete Kapazitätsbedarf muss mit dem maximalen Kapazitätsangebot (Maximalkapazität) der Anlage gedeckt werden können (Ungleichungen 5.27). Die Maximalkapazität wird über die Multiplikation der Normalkapazität des Arbeitssystemtyps j in Anlage i für Prozessschritt q im Schichtmodell m am Standort s in Periode t (beschrieben durch die reellwertigen Variablen KAijqmst ) mit einem Laufzeitflexibilitätsfaktor f xLms abgebildet. Der Laufzeitflexibilitätsfaktor drückt die Erhöhung der normalen (Standard-)Anlagenlaufzeit im Schichtmodell m aus, die durch Flexibilitätsmaßnahmen, wie z.B. Pausendurchlauf oder Schichtverlängerung, erreicht werden kann. Eine Anlage kann in einer Periode nur in einem Schichtmodell betrieben werden, d.h. die unterschiedlichen Schichtmodellalternativen schließen sich gegenseitig aus (siehe Gleichungen 5.28). In den Ungleichungen 5.27 kann aus diesem Grund in einer Periode maximal die Normalkapazität einer Schichtmodellalternative größer Null sein. 1 + f xLms · KAijqmst ≥ KBijqst m∈M ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.27) Kapazitive Auslegung von Anlagen Im Gegensatz zu vielen Planungsansätzen in der Literatur sind im hier vorgestellten Basismodell die unterschiedlichen Anlagen hinsichtlich ihrer Kapazitäten nicht vollständig vordefiniert. Während die Kapazitäts- und Flexibilitätsplanung auf der Anlagenebene in der Literatur häufig als reines Zuordnungsproblem von Produkten zu Anlagen mit vorgegebenen Kapazitäten erfolgt, kann mit diesem Modell neben der Produkt-Anlagen-Zuordnung auch die Planung der Anlagenkapazitäten hinsichtlich aller drei Kapazitätsdeterminanten vorgenommen werden. Die Kapazitätsdeterminante Leistungsdauer (Anlagenlaufzeit) wird über die Auswahl des Betriebsschichtmodells m determiniert. Dies wird im Modell über die Binärvariablen Uimt abgebildet. Wird Anlage i in Periode t im Schichtmodell m betrieben, so gilt Uimt = 1, sonst 0. Ist die Anlage i in Periode t in Betrieb (Yit = 1), so muss ihr ein Schichtmodell zugeordnet sein (Gleichungen 5.28). Uimt = Yit ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [1, ..., T ] (5.28) bH (c )V er la g D r. K ov ac G m m∈M 5.2 Mathematische Modellformulierung 199 Einer Anlage können nur innerhalb ihres maximalen Betriebszeitraums Schichtmodelle zugewiesen werden. Außerhalb dieses Zeitraums sind die Variablen für die Schichtmodellzuordnung (Uimt ) gleich Null (Gleichungen 5.29). Uimt = 0 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, m ∈ M, t ∈ [0, ..., T ] t ∈ / tSOP , ..., min tEOP ,T (5.29) i i Die Anlagenlaufzeit gilt dabei für alle Arbeitssystemtypen einer Anlage, d.h. sie werden stets nur gleichzeitig und im gleichen Schichtmodell betrieben. Die Laufzeit einer Anlage wird mit dem standort- und schichtmodellabhängigen Parameter lzms repräsentiert und in der Einheit [Stunden] angegeben. Dabei werden verschiedene standortabhängige Faktoren, wie z.B. die Anzahl gesetzlicher Feiertage, berücksichtigt. Die installierten Kapazitäten einer Anlage können durch Erhöhung des Kapazitätsquerschnitts, d.h. durch Hinzufügen weiterer Arbeitssysteme, in gewissen Bandbreiten erweitert werden – mit Zusatzinvestitionen und einer entsprechenden Veränderung der anlagenspezifischen Kosten. Umgekehrt kann durch die Demontage von Arbeitssystemen ein Rückbau der installierten Kapazitäten erfolgen. Der Kapazitätsquerschnitt einer Anlage i in Periode t am Standort s wird über die Anzahl der Arbeitssysteme eines bestimmten Typs j je Prozessschritt q beschrieben. Dazu werden im Modell die ganzzahligen Variablen Nijqst ∈ n + eingeführt. Die obere Schranke des Wertebereichs der ganzzahligen Variablen ist dabei fallstudienspezifisch anzupassen. Die installierte Kapazität eines Arbeitssystemtyps j für einen Prozessschritt q in einer Anlage i in Periode t am Standort s errechnet sich aus dem Produkt der Anzahl der Arbeitssysteme Nijqst und ihren jeweiligen Leistungskennzahlen psijq , plijq und oeeijq . Die Normalkapazität einer Anlage (KAijqmst ) errechnet sich anschließend aus dem Produkt der installierten Kapazität {psijq · plijq · oeeijq · Nijqst } mit der ausgewählten Anlagenlaufzeit lzms (Gleichungen 5.30). KAijqmst = lzms · psijq · plijq · oeeijq · Nijqst · Uimt ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.30) Die Gleichungen 5.30 enthalten allerdings das Produkt zweier Entscheidungsvariablen (Nijqst und Uimt ) und sind somit nicht-lineare Terme. Um die Linearität des Modells zu gewährleisten, können die Gleichungen mit dem Ungleichungssys- (c )V er la g D m G ac r. K ov nen Technik linearisiert werden. In den Ungleichungen 5.32 wirkt der Ausdruck lzms · psijq · plijq · oeeijq · nAnzAs,max als Big M“. Gilt Uimt = 1, so reduziert sich der ijq ” AnzAs,max Term Nijqst − nijq · (1 − Uimt ) in den Ungleichungen 5.32 zu Nijqst . In diesem bH tem 5.31 bis 5.33 in Analogie zu der zu Beginn des Abschnitts 5.2 beschriebe- 200 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes Falle sind die Ungleichungen 5.31 und 5.32 zusammen äquivalent zu den Gleichungen 5.30. In allen anderen Fällen wird der Term Nijqst − nAnzAs,max · (1 − Uimt ) ijq nega- tiv, so dass in Verbindung mit den Ungleichungen 5.33 und der Nicht-NegativitätsRestriktion von Variablen KAijqmst = 0 gilt. KAijqmst ≤ lzms · psijq · plijq · oeeijq · Nijqst ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.31) · (1 − Uimt ) KAijqmst ≥ lzms · psijq · plijq · oeeijq · Nijqst − nAnzAs,max ijq ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.32) · Uimt KAijqmst ≤ lzms · psijq · plijq · oeeijq · nAnzAs,max ijq ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.33) Modellierung der Normalkapazität Leistungsdauer: lzms quantitative Kapazität: KAijqmst Intensität: oeeijq, psijq, plijq Kapazitätsquerschnitt: Nijqst (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Abbildung 5.6: Modellierung der Normalkapazität 5.2 Mathematische Modellformulierung 201 Die für die Berechnung des Normalkapazitätsangebots einer Anlage erforderlichen Variablen und Parameter des Modells sind in Abbildung 5.6 dargestellt. Die je Periode in einer Anlage installierte Anzahl der Arbeitssysteme eines bestimmten Typs (Kapazitätsquerschnitt Nijqst ) errechnet sich über die Gleichungen 5.34. Da+ bei bezeichnen die Variablen Nijqst die zu Beginn der entsprechenden Periode hinzu− gefügten Arbeitssysteme und die Variablen Nijqst die zu Beginn der Periode demon+ − tierten Arbeitssysteme. Die Variablen Nijqst und Nijqst können im Modell als reellwertig definiert werden, da über die Ganzzahligkeitsbedingungen der Variablen Nijqst sowie über die Minimierungseigenschaft der Zielfunktion auch deren Ganzzahligkeit gewährleistet ist. + − Nijqst = Nijqst−1 + Nijqst − Nijqst ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.34) Außerhalb des maximalen Betriebszeitraums einer Anlage sind die Variablen für die Anzahl der Arbeitssysteme gleich Null (Gleichungen 5.35). Nijqst = 0 / tSOP , .., min tEOP ,T ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, .., T ] t ∈ i i (5.35) Alte Anlagen i ∈ IpAlt besitzen am Standort s zum Planungszeitpunkt t = 0 eine bestimmte Anzahl an bereits vorhandenen Arbeitssystemen des Typs j für Prozessschritt q, die mit dem Parameter nijqs bezeichnet wird. Nijqs0 = nijqs ∀ j ∈ Jiq , i ∈ IpAlt , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S (5.36) Bei nicht volumenflexiblen Anlagen mit fixen installierten Kapazitäten müssen verschiedene Einschränkungen hinsichtlich des Auf- bzw. Rückbaus beachtet werden: • Alte Anlagen mit fixen installierten Kapazitäten können nicht erweitert werden (Gleichungen 5.37) und müssen im Falle der Stilllegung in einem Schritt vollständig demontiert werden (Gleichungen 5.38)159 . + = 0 ∀ j ∈ Jiq , i ∈ IpAlt ∩ IpF ix , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Nijqst )V er la g D G ac ov r. K Bei alten Anlagen kann der Term (Yit−1 − Yit ) aufgrund der Ungleichungen 5.12 nur die Werte 0 oder 1 annehmen. (c 159 m bH (5.37) 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 202 − Nijqst = nijqs · (Yit−1 − Yit ) Alt ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip ∩ IpF ix , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.38) • Für neue Anlagen mit fixen installierten Kapazitäten müssen Auf- und Rückbau max jeweils in einem Schritt erfolgen. Dazu wird die reellwertige Variable Nijq ein- geführt, welche die maximal erforderliche Anzahl an Arbeitssystemen des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i ∈ IpN eu ∩ IpF ix im Planungshorizont repräsentiert (Ungleichungen 5.39). max Nijq ≥ Nijqst N eu F ix , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip ∩ Ip (5.39) Über die Ungleichungen 5.40 wird in der Inbetriebnahmeperiode t̂ (es gilt Yit̂ − Yit̂−1 = 1) der Aufbau der Anlage auf die maximal erforderliche installierte max Kapazität je Arbeitssystemtyp (Nijq ) erzwungen. Da die Installation von Arbeits- systemen mit Investitionen und laufenden Betriebskosten verbunden ist, wählt das Modell aufgrund der Minimierungseigenschaft der Zielfunktion die Variablen + max Nijq und Nijqst so klein wie möglich. Ein sukzessiver Aufbau der Anlage ist somit nicht möglich. + max Nijqst ≥ Nijq − nAnzAs,max · [1 − (Yit − Yit−1 )] ijq ∀ j ∈ Jiq , i ∈ IpN eu ∩ IpF ix , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.40) Über die Ungleichungen 5.41 wird sicher gestellt, dass bei einer neuen Anlage mit fixen installierten Kapazitäten keine Demontage von Arbeitssystemen während des Betriebszeitraums möglich ist. In der Stilllegungsperiode muss somit der komplette Rückbau erfolgen, da die Variablen für die Anzahl der Arbeitssysteme (Nijqst ) ab diesem Zeitpunkt aufgrund der Ungleichungen 5.43 den Wert Null annehmen müssen. − ≤ nAnzAs,max · (1 − Yit ) Nijqst ijq ∀ j ∈ Jiq , i ∈ IpN eu ∩ IpF ix , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.41) In der Regel werden für eine Erweiterung von alten, modular rekonfigurierbaren An lagen i ∈ IpAlt ∩ IpM R nicht mehr die alten Arbeitssystemtypen j ∈ JiAlt verwendet, sondern neue, dem aktuellen technischen Stand entsprechende, herangezogen. Die bH neuen Arbeitssystemtypen sind in der Menge Jiq als Alternativen zu den alten Arbeits- (c )V er la g D r. K ov ac G m systemen für die einzelnen Prozessschritte definiert. Über die Gleichungen 5.42 wird 5.2 Mathematische Modellformulierung 203 die Verwendung alter, technisch überholter Arbeitssystemtypen für Anlagenerweiterungen ausgeschlossen. + = 0 ∀ j ∈ JiAlt , i ∈ IpAlt ∩ IpM R , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Nijqst (5.42) Die Entfernung von Arbeitssystemen aus einer Anlage spielt nicht nur bei einer Reduktion der installierten Kapazität bzw. bei der Anlagenstilllegung eine bedeutende Rolle, sondern auch bei Belegungswechseln auf modular rekonfigurierbaren, nachfolgeflexiblen Anlagen. Produktionsanlagen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule beinhalten in der Regel produktspezifische Arbeitssystemtypen für bestimmte Prozessschritte. Diese Arbeitssysteme müssen in vielen Fällen bei einem Belegungswechsel auf einer nachfolgeflexiblen Anlage ausgetauscht werden. Dazu zählen häufig Honmaschinen in Fertigungsanlagen für Kurbelgehäuse oder Teststationen in Motormontagelinien. Müssen bspw. für die Ertüchtigung einer bestehenden Motormontagelinie zur Produktion des Nachfolgemotors die Sondermaschinen für den Prozessschritt Lecktest“ aus” getauscht werden, so führt man im Modell einen zusätzlichen Prozessschritt Lecktest ” neu“ ein. Für das neue Produkt wird für den Prozessschritt Lecktest neu“ eine ent” sprechende Grundzeit definiert und die Grundzeit für den bisherigen Lecktest“ gleich ” Null gesetzt. Für das Vorgängerprodukt erfolgt das Umgekehrte. Dadurch ergibt sich nach dem Belegungswechsel nur noch ein zeitlicher Kapazitätsbedarf für Lecktest ” neu“. Während für den neuen Prozessschritt neue Sondermaschinen beschafft werden müssen, wird das Modell aufgrund der Minimierungseigenschaft der Zielfunktion die Anzahl der alten Sondermaschinen auf Null setzen, da der Betrieb von nicht länger benötigten Arbeitssystemen fixe Kosten verursacht, die in der Regel über die Demontagekosten hinausgehen. Darüber hinaus wird durch den Rückbau Produktionsfläche für den Aufbau der neuen Arbeitssysteme gewonnen. Auch die Arbeitssystemvariablen Nijqst müssen an die Strukturvariablen Yit und Vis gekoppelt werden (Ungleichungen 5.43 und 5.44). Nur wenn die Anlage i in Periode t am Standort s betrieben wird, kann die Variable Nijqst einen Wert größer Null annehmen. Auch hier muss durch die Multiplikation der Strukturvariablen mit einer hinreichend großen Zahl sichergestellt werden, dass durch diese Variablenkopplungen für Nijqst keine unzulässigen oberen Beschränkungen entstehen. Als Big M“ wird der Parame” ter nAnzAS,max eingesetzt, welcher die maximal mögliche Anzahl von Arbeitssystemen ijq eines bestimmten Typs in einer Anlage angibt. (5.43) · Vis ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Nijqst ≤ nAnzAS,max ijq (5.44) (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Nijqst ≤ nAnzAS,max · Yit ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] ijq 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 204 5.2.1.6 Werksstrukturplanung Indexmengen b∈B Menge der Produkte im Produktionsprogramm Bp ⊆ B Menge der Produkte der Produktgruppe p Bip ⊆ Bp Menge der auf Anlage i herstellbaren Produkte der Produktgruppe p h∈H Menge der Produktionsflächenarten i∈I Menge der Anlagen Ip ⊆ I Menge der Anlagen der Produktgruppe p IpAlt ⊆ Ip Menge der alten Anlagen der Produktgruppe p IpM R ⊆ Ip Menge der modular rekonfigurierbaren Anlagen der Produktgruppe p IpN eu ⊆ Ip Menge der neuen Anlagen der Produktgruppe p j∈J Menge der Arbeitssystemtypen Ji ⊆ J Menge der Arbeitssystemtypen von Anlage i Jiq ⊆ Ji Menge der Arbeitssystemtypen von Anlage i, die für Prozessschritt q p∈P Menge der Produktgruppen q∈Q Menge der Prozessschritte eingesetzt werden können Qp ⊆ Q Menge der Prozessschritte der Produktgruppe p s∈S Menge der Standorte t ∈ [0, ..., T ] Menge der Planungsperioden Variablen F ALF st Lagerflächenangebot am Standort s in Periode t; F ALF st ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] F ALF,+ st Lagerflächenerweiterung am Standort s in Periode t; F ALF,+ ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] st F APhstF Produktionsflächenbestand des Flächentyps h am Standort s in Periode t; F APhstF ≥ 0 ∀ h ∈ H, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] F APhstF,+ Produktionsflächenerweiterung des Flächentyps h am Standort s in Periode t; F APhstF,+ ≥ 0 ∀ h ∈ H, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] P F,max F Bihs Maximaler Produktionsflächenbedarf des Typs h der Anlage i am Standort s im Planungshorizont; P F,max F Bihs ≥ 0 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, h ∈ H, s ∈ S bH Produktionsflächenbedarf des Typs h der Anlage i am Standort s )V er la g D r. K ov ac G m PF ≥ 0 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, h ∈ H, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] in Periode t; F Bihst (c PF F Bihst 5.2 Mathematische Modellformulierung LF F Bst 205 Lagerflächenbedarf am Standort s in Periode t; LF F Bst ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] GFst Gesamte Brutto-Grundrissfläche am Standort s in Periode t; GFst ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Nijqst Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i am Standort s in Periode t; Nijqst ∈ + Nijqst n + ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, ..., T ] Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q, die zu Anlage i am Standort s in Periode t hinzugefügt werden; + Nijqst ≥ 0 ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, ..., T ] − Nijqst Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q, die aus Anlage i am Standort s in Periode t entfernt werden; − Nijqst ≥ 0 ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, ..., T ] Xbist Produktionsstückzahl des Produkts b auf Anlage i am Standort s in Periode t; Xbist ≥ 0 ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Yit 1, wenn Anlage i in Periode t betrieben wird, sonst 0; aufgrund der Modellstruktur kann die Ganzzahligkeitsbedingung relaxiert werden; Yit ≥ 0 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [0, ..., T ] Vis 1, wenn Anlage i Standort s zugeordnet ist, sonst 0 Parameter afihs Gesamte Produktionsfläche des Typs h einer alten Anlage i ∈ IpAlt am Standort s zum Planungszeitpunkt t = 0 m2 bfs Gesamte verfügbare Baufläche (freie, unbebaute Grundstücksfläche) am Standort s zum Planungszeitpunkt t = 0 m2 bg L Faktor für Nebennutzungs-, Funktions-, Verkehrs- und Konstruktionsflächen in Lagerbereichen; bg L ≥ 1 bg P Faktor für Nebennutzungs-, Funktions-, Verkehrs- und Konstruktionsflächen in Produktionsbereichen; bg P ≥ 1 f ls f lps f phs 2 Lagerfläche am Standort s zum Planungszeitpunkt t= 0 m Flächenbedarf je Lagerplatz am Standort s m2 Lagerplatz Gesamte verfügbare Produktionsfläche (freie bebaute Fläche) des Typs h am Standort s zum Zeitpunkt t = 0 m2 Produktionsflächenvorhalt des Typs h einer alten Anlage i ∈ IpAlt m2 gfs Gesamte Brutto-Grundrissfläche des Standorts s zum Planungs- )V er la g D r. K ov ac G m (c zeitpunkt t = 0 m2 bH f veih 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 206 lf bbs Lagerflächenfaktor je hergestellter Einheit b am Standort s 2 m hergestellte Einheit lrfbs Lagerreichweite des Produkts b am Standort s als Bruchteil der Periodenlänge; 0 ≤ lrfbs ≤ 1 Gesamtes Lagervolumen je hergestellter Einheit des Produkts b (inkl. lveb Material und Vorprodukte) F Mih m3 hergestellte Einheit Große Zahl für die Berechnung der Produktionsfläche des Typs h von Anlage i nAnzAS,max ijq Maximale Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j in Anlage i für Prozessschritt q prfijqh Bedarf an Produktionsfläche des Typs h einesArbeitssystems j für Prozessschritt q in einer Anlage i Volumen je Lagerplatz am Standort s vlps Im m2 Arbeitssystem Rahmen der Werksstrukturplanung m3 Lagerplatz werden die erforderlichen Brutto- Grundrissflächen für die Gebäudestrukturen inklusive der technischen Gebäudeausstattung an den einzelnen Standorten im Produktionsnetzwerk ermittelt. Dabei wird im Folgenden von eingeschossigen Hallen- oder Flächenbauten ausgegangen, die in der industriellen Produktion weit verbreitet sind. Die Brutto-Grundrissfläche entspricht somit der bebauten Grundstücksfläche. Die Basis für die Ermittlung der benötigten Brutto-Grundrissflächen bilden die Hauptnutzungsflächen des Produktionssystems, d.h. die Produktions- und Lagerflächen. Die Berechnung der Produktionsflächen erfolgt in Anlehnung an detaillierte Flächenbedarfsermittlungsverfahren, die auf den Flächen der Arbeitssysteme basieren (wie z.B. die Methode nach S CHMIGALLA (1995), die in Abschnitt 2.2.4.4 skizziert ist). Die Lagerflächen werden dagegen über globale Flächenbedarfsermittlungsverfahren mittels durchschnittlicher Lagerflächenfaktoren je hergestellter Einheit am Standort berechnet. Mit entsprechenden Flächenzuschlagssätzen für Nebennutzungs-, Funktions-, Verkehrs- und Konstruktionsflächen können aus den Produktions- und Lagerflächen die Brutto-Grundrissflächen eines Standorts ermittelt werden (siehe Abschnitt 2.2.4.4). Ein Rückbau von Standortstrukturen wird im Modell nicht betrachtet. Produktionsflächenplanung Bei der Produktionsflächenplanung werden in diesem Modell verschiedene Gebäude- bH flächenarten, wie z.B. Leichtbauhallenflächen, Flächen mit verstärkten Fundamenten (c )V er la g D G ac ov r. K genommen, da sich deren Strukturinvestitionen erheblich unterscheiden können. Die m etc., unterschieden. Die Betrachtung verschiedener Gebäudeflächenarten wird vor- 5.2 Mathematische Modellformulierung 207 Menge der Gebäudeflächenarten für Produktionsbereiche wird im Folgenden mit der Menge H bezeichnet. Die Ermittlung der Produktionsflächenbedarfe erfolgt auf Basis der Art und der Anzahl der Arbeitssysteme in den einzelnen Anlagen. Für alte, modular rekonfigurierbare Anlagen i ∈ IpAlt ∩ IpM R wird angenommen, dass Teile ihrer Produktionsflächen (Parameter afihs ) als Flächenvorhalte für die Installation neuer Arbeitssysteme bereits frei gehalten sind. Der Flächenvorhalt eines bestimmten Flächentyps h wird mit dem Parameter f veih bezeichnet. Da alte Anlagen aufgrund der bestehenden Layouts in der Regel nicht beliebig erweitert werden können, stellen die Ungleichungen 5.45 sicher, dass Erweiterungen alter, modular rekonfigurierbarer Anlagen nur im Rahmen der Flächenvorhalte und der durch die Demontage von alten Arbeitssystemen zurückgewonnenen Produktionsfläche erfolgen können. Dabei bezeichnet der Parameter prfijqh den Bedarf an Produktionsflächen des Typs h eines Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q in Anlage i. t + prfijqh · Nijqs ≤ f veih + t̂ t̂=1 j∈Jiq q∈Qp s∈S t − prfijqh · Nijqs t̂ t̂=1 j∈Jiq q∈Qp s∈S ∀ i ∈ IpAlt ∩ IpM R , p ∈ P, h ∈ H, t ∈ [1, ..., T ] (5.45) Der Produktionsflächenbedarf alter Anlagen am Standort s in Periode t ergibt sich aus den Gleichungen 5.46. PF F Bihst = afihs · Yit ∀ i ∈ IpAlt , p ∈ P, h ∈ H, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.46) Das am Standort s in Periode t verfügbare Produktionsflächenangebot des Typs h (reellwertige Variablen F APhstF ) muss mindestens dem gesamten Flächenbedarf am Standort entsprechen (Ungleichungen 5.47). Der gesamte Produktionsflächenbedarf eines Standorts errechnet sich aus den Produktionsflächenbedarfen der einzelnen Anlagen PF (reellwertige Variablen F Bihst ). F APhstF ≥ PF F Bihst ∀ h ∈ H, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.47) p∈P i∈Ip In der Praxis wird häufig bei der Installation einer modular rekonfigurierbaren Anlage in der Periode ihrer Erstinbetriebnahme ein Produktionsflächenvorhalt für die im Planungshorizont vorgesehenen Erweiterungen geschaffen. Sowohl für neue Anlagen mit fixen installierten Kapazitäten, die in einem Schritt vollständig aufgebaut werden m bH müssen, als auch für neue, modular rekonfigurierbare Anlagen bleibt der Flächenbe- (c )V er la g D r. K ov ac G darf während ihres Betriebs konstant und entspricht dem Flächenbedarf der maximalen 208 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes P F,max Ausbaustufe im Planungshorizont (reellwertige Variablen F Bihs ). Letzterer errech- net sich über die Ungleichungen 5.48. P F,max ≥ F Bihs prfijqh · Nijqst q∈Qp j∈Jiq ∀ i ∈ IpN eu , p ∈ P, h ∈ H, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.48) Mit den Ungleichungen 5.49 und 5.50 wird sichergestellt, dass der Produktionsflächenbedarf des Typs h einer neuen Anlage i ∈ IpN eu am Standort s (reellwertige Variablen P F,max PF F Bihst ) während ihres Betriebs dem maximalen Produktionsflächenbedarf F Bihs entspricht. Für die in diesen Ungleichungen verwendeten großen Zahlen ( Big M“) gilt: ” F Mih = q∈Qp j∈Jiq prfijqh · nAnzAs,max . ijq P F,max PF F F Bihst ≥ F Bihs − Mih · (1 − Yit ) ∀ i ∈ IpN eu , p ∈ P, h ∈ H, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.49) PF F ≤ Mih · Yit F Bihst ∀ i ∈ IpN eu , p ∈ P, h ∈ H, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.50) Die unterschiedlichen Flächenbedarfe neuer Anlagen sind in Abbildung 5.7 dargestellt. Das Angebot an Produktionsflächen des Flächentyps h am Standort s in Periode t (F APhstF ) errechnet sich über die in der Vorperiode zur Verfügung stehende Fläche zuzüglich der Produktionsflächenerweiterungen (reellwertige Variablen F APhstF,+ ), die ab Beginn der Periode t genutzt werden können (Gleichungen 5.51). F + F APhstF,+ ∀ h ∈ H, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] F APhstF = F APhst−1 (5.51) Die zum Planungszeitpunkt t = 0 vorhandenen Produktionsflächen des Typs h am Standort s werden mit dem Parameter f phs quantifiziert (Gleichungen 5.52). F = f phs ∀ h ∈ H, s ∈ S F APhs0 (c )V er la g D r. K ov ac G m bH (5.52) 5.2 Mathematische Modellformulierung 209 Produktionsflächenbedarfe neuer Anlagen Fläche [m²] Flächenvorhalt Erweiterung der installierten Kapazität Erstinstallation Maximaler Flächenbedarf Zeit PF , max FBihs Flächenbedarf der Anlage im Modell (inkl. Flächenvorhalt) PF FBihst Realer Flächenbedarf der installierten Arbeitssysteme Abbildung 5.7: Flächenbedarfe neuer Anlagen Lagerflächenplanung Der Lagerflächenbedarf an einem Standort s in einer Periode t (reellwertige Variablen LF ) wird in Anlehnung an globale Flächenbedarfsermittlungsverfahren auf Basis F Bst der Perioden-Produktionsstückzahlen an diesem Standort errechnet. Jedem Produkt ist ein durchschnittlicher Lagerflächenfaktor je hergestellter Einheit, Parameter lf bbs [m2 /hergestellte Einheit], zugeordnet, der folgende Sachverhalte berücksichtigt: • Faktor für produkt- und standortabhängige Lagerreichweiten (als Anteil der Periodenbetriebszeit): lrfbs ; 0 ≤ lrfbs ≤ 1 • Gesamtes Lagervolumen je hergestellter Einheit des Produkts b inklusive der zu m3 hergestellte Einheit bH lagernden Materialien und Vorprodukte: lveb m3 • Volumen je Lagerplatz: vlp Lagerplatz m2 • Flächenbedarf je Lagerplatz: f lp Lagerplatz (c )V er la g D r. K ov ac G m Die Parameter Volumen je Lagerplatz und Flächenbedarf je Lagerplatz sind abhängig von der Lagerart (z.B. Blocklager oder Hochregallager). In diesem Modell erfolgt je- 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 210 doch keine Optimierung der Lagerarten, sondern es werden für jeden Standort geeignete Lagerarten vordefiniert (z.B. Blocklager an Standorten mit geringen Grundstücks-/ Strukturkosten oder manuell bediente Lager an Niedriglohnstandorten). Daher können diese beiden Parameter als standortabhängig betrachtet werden und werden im Folgenden als vlps und f lps bezeichnet. Der Lagerflächenfaktor lf bbs errechnet sich aus den genannten Größen wie folgt (Gleichungen 5.53): lf bbs = lveb · f lps · lrfbs ∀ b ∈ Bp , p ∈ P, s ∈ S vlps (5.53) Darauf aufbauend kann der Lagerflächenbedarf an einem Standort s in Periode t (reLF ellwertige Variablen F Bst ) nach den Gleichungen 5.54 aus dem Lagerflächenfaktor und den Produktionsstückzahlen berechnet werden. LF = F Bst lf bbs · Xbist ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.54) p∈P i∈Ip b∈Bip Das Angebot an Lagerflächen am Standort s in Periode t (reellwertige Variablen F ALF st ) errechnet sich über die Gleichungen 5.55 aus dem Lagerflächenangebot der Vorperiode und den Lagerflächenerweiterungen (reellwertige Variablen F ALF,+ ), die ab Best ginn der Periode t genutzt werden können. LF,+ LF ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] F ALF st = F Ast−1 + F Ast (5.55) Die zum Planungszeitpunkt t = 0 an den einzelnen Standorten vorhandenen Lagerflächen werden mit den Parametern f ls quantifiziert (Gleichungen 5.56). F ALF s0 = f ls ∀ s ∈ S (5.56) Über die Ungleichungen 5.57 erfolgt der Abgleich von Lagerflächenangebot und -bedarf an den einzelnen Standorten je Periode. LF ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] F ALF st ≥ F Bst (5.57) Brutto-Grundrissflächen eines Standorts Die gesamte Brutto-Grundrissfläche eines Standorts s in einer Periode t (reellwertige Variablen GFst ) dient als Bezugsgröße zur Berechnung der fixen Standortbetriebskos- bH ten sowie für die Sekundär- und Overheadpersonalplanung. Sie errechnet sich aus (c )V er la g D G ac r. K ov bis zum Zeitpunkt t kumulierten Lager- und Produktionsflächenerweiterungen (Glei- m der zum Planungszeitpunkt t = 0 vorhandenen Brutto-Grundrissfläche gfs und den 5.2 Mathematische Modellformulierung 211 chungen 5.58). Die Lager- und Produktionsflächenerweiterungen müssen jeweils noch mit einem spezifischen Aufschlagsfaktor bg L (für Logistikflächen) bzw. bg P (für Produktionsflächen) für Nebennutzungs-, Funktions-, Verkehrs- und Konstruktionsflächen multipliziert werden. GFst = gfs + bg L · t F ALF,+ + bg P · st̂ t F APhsF,+ ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] t̂ (5.58) t̂=1 h∈H t̂=1 Die kumulierten Erweiterungen der Brutto-Grundrissflächen für Produktions- und Lagerbereiche dürfen die am Standort maximal zur Verfügung stehenden Bauflächen bfs nicht überschreiten (Ungleichungen 5.59). bg L · t t̂=1 5.2.1.7 F ALF,+ + bg P · st̂ t F APhsF,+ ≤ bfs ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] t̂ (5.59) t̂=1 h∈H Materialflussplanung Indexmengen b∈B Menge der Produkte im Produktionsprogramm Bp ⊆ B Menge der Produkte der Produktgruppe p Bip ⊆ Bp Menge der auf Anlage i herstellbaren Produkte der Produktgruppe p c∈C Menge der Kundenstandorte (Fahrzeugwerke) g∈G Menge der Materialarten l∈L Menge der Beschaffungsregionen p∈P Menge der Produktgruppen P End ⊆ P Menge der Endproduktgruppen P ⊆P Menge der Zwischenproduktgruppen s∈S Menge der Standorte Z t ∈ [0, ..., T ] Menge der Planungsperioden Variablen End Rbsct Transportmenge des Endprodukts b ∈ Bp p ∈ P End von Standort s zu Kundenstandort c in Periode t; bH End Rbsct ≥ 0 ∀ b ∈ Bp , p ∈ P, s ∈ S, c ∈ C, t ∈ [1, ..., T ] Transportmenge des Zwischenprodukts b ∈ Bp p ∈ P Z von Stand- G m ort s zu Standort ŝ in Periode t; )V er la g D r. K ov ac Z Rbsŝt ≥ 0 ∀ b ∈ Bp , p ∈ P, s ∈ S, ŝ ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (c Z Rbsŝt 212 M at Rglst 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes Transportmenge der Materialart g von Beschaffungsregion l zu StandM at ort s in Periode t; Rglst ≥ 0 ∀ g ∈ G, l ∈ L, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Xbist Produktionsstückzahl des Produkts b auf Anlage i am Standort s in Periode t; Xbist ≥ 0 ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Parameter bdbct Nachfrage nach Endprodukt b ∈ Bp p ∈ P End am Kundenstandort c in Periode t [Einheiten] matmax glt Kapazitätsbeschränkung in Beschaffungsregion l für Materialart g in Periode t [Einheiten] Z mbkb̂b Anzahl Einheiten des Zwischenprodukts b̂ zur Herstellung einer Einheit des Produkts b M at mbkgb Anzahl Einheiten der Materialart g zur Herstellung einer Einheit des Produkts b In dieser Forschungsarbeit bezieht sich die Materialflussplanung auf die Gestaltung des Transportnetzwerks und der Materialflüsse zwischen Lieferanten, Produktionsstandorten und Kunden. Sie dient zur Evaluation alternativer Produktionsnetzwerkkonfigurationen hinsichtlich der Transportkosten. Die Materialflussplanung basiert auf einem Netzwerk aus Lieferantenstandorten (Menge l ∈ L), Produktionsstandorten (Menge s ∈ S) und Kundenstandorten, d.h. Fahrzeugwerken (Menge c ∈ C). Die einzelnen Kanten in diesem Netzwerk (Transportkanäle) sind mit ursprungs- und zielstandortabhängigen Kostensätzen je Transportvolumeneinheit [m3 ] beschrieben (siehe die Gleichungen 5.94 in der Zielfunktion). Die Transportkanäle besitzen in diesem Modell keine Kapazitätsbeschränkungen und es erfolgt keine Optimierung der Transportmodi (z.B. alternative Transportmittel oder -routen zwischen zwei Netzwerkknoten). Je nach Fragestellung und Aggregationsstufe können Lieferantenstandorte im Modell einzeln oder zu Beschaffungsregionen aggregiert betrachtet werden, wobei im Folgenden vereinfachend nur von Beschaffungsregionen gesprochen wird. Für eine Materialart g ∈ G können mehrere mögliche Beschaffungsregionen existieren. In diesen Fällen bestehen Freiheitsgrade hinsichtlich der Gestaltung der beschaffungsseitigen Materi- bH alflüsse. (c )V er la g D G ac ov r. K vollständig gedeckt werden muss. Mindermengen, die in entgangenen Umsätzen oder m Für die Kundenstandorte wird angenommen, dass die dortige Perioden-Nachfrage 5.2 Mathematische Modellformulierung 213 Auftragsrückstellungen für spätere Perioden resultieren, sind nicht zulässig. Die Ge samtnachfrage nach einem Endprodukt b ∈ Bp p ∈ P End an einem Kundenstandort c ∈ C in Periode t wird durch den Parameter bdbct repräsentiert. Zur vollständigen Nachfragebefriedigung muss die Summe der aus den verschiedenen Produktionsstandorten s ∈ S in einen Kundenstandort c ∈ C eingehenden Materialflüsse eines Endprodukts b der dortigen Perioden-Nachfrage bdbct entsprechen (Gleichungen 5.60). In den GleiEnd chungen 5.60 bezeichnen die reellwertigen Variablen Rbsct den Materialfluss des End End produkts b ∈ Bp p ∈ P vom Produktionsstandort s zum Kundenstandort c in Periode t. End Rbsct ≥ bdbct ∀ b ∈ Bp , p ∈ P End , c ∈ C, t ∈ [1, ..., T ] (5.60) s∈S Für die Produktionsstandort-Knoten gilt das Prinzip der Flusserhaltung, d.h. die Summe der in einer Periode t in einen Produktionsstandort eingehenden Materialflüsse muss unter Berücksichtigung von Stücklisteninformationen (Vorgänger-NachfolgerRelationen und Materialbedarfskoeffizienten) der Summe der ausgehenden Materialflüsse entsprechen. Die ein- und ausgehenden Materialflüsse eines Standorts sind über die Produktionsmengenvariablen Xbist gekoppelt. Da angenommen wird, dass an den einzelnen Produktionsstandorten keine periodenübergreifenden Bestände aufgebaut werden dürfen, muss die Summe der Produktionsstückzahlen des Produkts b auf den verschiedenen Anlagen am Standort s der Summe der von diesem Standort ausgehenden Materialflüsse des Produkts b gleichen. Dies ist in den Gleichungen 5.61 für Endprodukte und in den Gleichungen 5.62 Z für Zwischenprodukte formuliert. Dabei bezeichnen die reellwertigen Variablen Rbsct in Z den Gleichungen 5.62 den Materialfluss des Zwischenprodukts b ∈ Bp p ∈ P vom Produktionsstandort s zu einem anderen Produktionsstandort ŝ in Periode t. Xbist = i∈Ip i∈Ip End Rbsct ∀ b ∈ Bp , p ∈ P End , s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.61) c∈C Xbist = Z Rbsŝt ∀ b ∈ Bp , p ∈ P Z , s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.62) ŝ∈S Andererseits müssen die Mengen der Materialarten g ∈ G von den einzelnen Beschaffungsregionen l ∈ L sowie die Flüsse der von anderen Produktionsstandorten ŝ ∈ S bezogenen Zwischenprodukte b ∈ Bp p ∈ P Z für die Herstellung nachgelagerter Produkte an einem anderen Standort s ∈ S ausreichen (Gleichungen 5.63 und 5.64). M at Dabei müssen die Materialbedarfskoeffizienten für fremdbezogenes Material (mbkgb ) (c )V er la g D m G ac r. K ov Materialart g ∈ G, die für die Herstellung einer Einheit eines Zwischen- oder End- bH Z und für Zwischenprodukte (mbkb̂b ) beachtet werden. Diese Parameter beschreiben die Anzahl der Zwischenprodukte b̂ ∈ Bp p ∈ P Z bzw. die Menge einer bestimmten 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 214 M at produkts benötigt wird (Direktbedarfskoeffizienten). Die reellwertigen Variablen Rglst in den Gleichungen 5.63 beschreiben den Materialfluss der Materialart g ∈ G aus Beschaffungsregion l ∈ L zu Produktionsstandort s ∈ S in Periode t. Über das Modell wird somit festgelegt, welche Lieferantenregion welchen Standort im Produktionsnetzwerk versorgt. M at Rglst ≥ M at mbkgb · Xbist ∀ g ∈ G, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.63) Z mbkb̂b · Xbist ∀ b̂ ∈ Bp , p ∈ P Z , s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.64) p∈P i∈Ip b∈Bip l∈L Z Rb̂ŝst ≥ p̂∈P i∈Ip̂ b∈Bip̂ ŝ∈S Von Seiten des Einkaufs wird vorgegeben, welche Beschaffungsregionen welche Materialarten bereitstellen können. Die maximal möglichen Bezugsmengen der einzelnen Materialarten g ∈ G aus einer Beschaffungsregion l ∈ L sind durch den Parameter matmax glt nach oben beschränkt. Dabei ermöglicht der Index t die Modellierung der Bereitstellung einer bestimmten Materialart zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb des Planungshorizonts (z.B. durch die Befähigung neuer Lieferanten). Die kumulierten ausgehenden Materialflüsse einer Beschaffungsregion dürfen dabei deren Lieferkapazität nicht überschreiten (Gleichungen 5.65). M at Rglst ≤ matmax ∀ l ∈ L, g ∈ G, t ∈ [1, ..., T ] glt (5.65) s∈S 5.2.1.8 Personalplanung Indexmengen b∈B Menge der Produkte im Produktionsprogramm Bp ⊆ B Menge der Produkte der Produktgruppe p Bip ⊆ Bp Menge der auf Anlage i herstellbaren Produkte der Produktgruppe p i∈I Menge der Anlagen Ip ⊆ I Menge der Anlagen der Produktgruppe p j∈J Menge der Arbeitssystemtypen Ji ⊆ J Menge der Arbeitssystemtypen von Anlage i Jiq ⊆ Ji Menge der Arbeitssystemtypen von Anlage i, die für Prozessschritt q m∈M Menge der Schichtmodelle m G ac ov r. K D g er la )V Menge der Produktgruppen Menge der Prozessschritte (c p∈P q∈Q bH eingesetzt werden können 5.2 Mathematische Modellformulierung Qp ⊆ Q Menge der Prozessschritte der Produktgruppe p s∈S Menge der Standorte 215 t ∈ [0, ..., T ] Menge der Planungsperioden Variablen GFst Gesamte Brutto-Grundrissfläche am Standort s in Periode t; GFst ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] KBijqst Kapazitätsbedarf des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q in Anlage i am Standort s in Periode t; KBijqst ≥ 0 ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Nijqst Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i am Standort s in Periode t; Nijqst ∈ P AO st n + ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, ..., T ] Angebot an Overheadpersonal am Standort s in Periode t; P AO st ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] PstO,+ In Periode t am Standort s einzustellendes Overheadpersonal; PstO,+ ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] PstO,− In Periode t am Standort s freizustellendes Overheadpersonal; PstO,− ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] E P APmst Angebot an Stamm-Primärpersonal in Schichtmodell m am Standort s E in Periode t; P APmst ≥ 0 ∀ m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] PstP E,+ In Periode t am Standort s einzustellendes Stamm-Primärpersonal; PstP E,+ ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] PstP E,− In Periode t am Standort s freizustellendes Stamm-Primärpersonal; PstP E,− ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] L P APmst Angebot an Primärpersonal-Zeitarbeitskräften in Schichtmodell m am L Standort s in Periode t; P APmst ≥ 0 ∀ m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] P ASE st Angebot an Stamm-Sekundärpersonal am Standort s in Periode t; P ASE st ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] PstSE,+ In Periode t am Standort s einzustellendes Stamm-Sekundärpersonal; PstSE,+ ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] PstSE,− In Periode t am Standort s freizustellendes Stamm-Sekundärpersonal; PstSE,− ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] P ASL st Angebot an Sekundärpersonal-Zeitarbeitskräften am Standort s in Periode t; P ASL st ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] bH Bedarf an Overheadpersonal am Standort s in Periode t; )V er la g D r. K ov ac G m O P Bst ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (c O P Bst 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 216 P P Bimst Primärpersonalbedarf der Anlage i im Schichtmodell m am Standort s P in Periode t; P Bimst ≥ 0 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] S P Bst Bedarf an Sekundärpersonal am Standort s in Periode t; S P Bst ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Uimt 1, wenn Anlage i in Periode t im Schichtmodell m betrieben wird, sonst 0 Xbist Produktionsstückzahl des Produkts b auf Anlage i am Standort s Vis 1, wenn Anlage i Standort s zugeordnet ist, sonst 0 in Periode t; Xbist ≥ 0 ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Yit 1, wenn Anlage i in Periode t betrieben wird, sonst 0; aufgrund der Modellstruktur kann die Ganzzahligkeitsbedingung relaxiert werden; Yit ≥ 0 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [0, ..., T ] Parameter azms Periodenarbeitszeit eines Mitarbeiters (inkl. sachlicher und persönlicher Verteilzeit) in Schichtmodell m am Standort s A dfijq Overheadpersonalbedarf eines Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q in Anlage i dfsF Stunden M itarbeiter (P rimärpersonal) M itarbeiter (Overheadpersonal) Arbeitssystem am Standort s Flächenbezogener Overheadpersonalfaktor M itarbeiter (Overheadpersonal) m2 dfsP aus Personalbezogener Overheadpersonalfaktor am Standort s M itarbeiter (Overheadpersonal) M itarbeiter (ausf ührendes P ersonal) V dfbis Stückzahlbezogener Overheadpersonalfaktor für die Herstellung von Produkt b auf Anlage i am Standort s f ks M itarbeiter (Overheadpersonal) hergestellte Einheit Faktor für den durchschnittlichen Stammpersonalaustritt am Standort s; f ks ≤ 1 f zs Faktor zum Ausgleich von Fehlzeiten (Krankheit, Fortbildungen etc.) am Standort s; f zs ≥ 0 gzbq Referenz-Grundzeit für die Durchführung des Prozessschritts q an Stunden Produkt b hergestellte Einheit las Maximal zulässiger Zeitarbeitskräfteanteil am Standort s (bezogen auf das ausführende Stammpersonal); las ≤ 1 lzms Periodenbetriebszeit von Anlagen im Schichtmodell m am Standort s m G Overheadpersonal (Stammpersonal) am Standort s in t = 0 ac Große Zahl für die Personalberechnung paO s bH [Stunden] MP (c )V er la g D r. K ov [M itarbeiter (Overheadpersonal)] 5.2 Mathematische Modellformulierung paPmsE 217 Stamm-Primärpersonal in Schichtmodell m am Standort s in t = 0 [M itarbeiter (P rimärpersonal)] paSE s Stamm-Sekundärpersonal am Standort s in t = 0 [M itarbeiter (Sekundärpersonal)] pbmin i (Minimal) Erforderliches Personal zum Betrieb einer Anlage i je Stunde Laufzeit M itarbeiter (P rimärpersonal) Stunde Lauf zeit pbfijq Personalbesetzungsfaktor des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q (P rimärpersonal) in Anlage i M itarbeiter Arbeitssystem plijq Parallelbearbeitungsfaktor des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q in Anlage i; plijq ≥ 1 pps Faktor für die Personalproduktivität am Standort s in Relation zum Referenz-Standort; pps ≥ 0 psijq Produktionsgeschwindigkeitsfaktor des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q in Anlage i in Relation zum Referenz-Arbeitssystemtyp, für welchen die Referenz-Grundzeit gzbq definiert ist; psijq ≥ 0 A sfijq Sekundärpersonalbedarf eines Arbeitssystems des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i sfsF M itarbeiter (Sekundärpersonal) Arbeitssystem Flächenbezogener Sekund ärpersonalfaktor am Standort s M itarbeiter (Sekundärpersonal) m2 V sfbis Stückzahlbezogener Sekundärpersonalfaktor für die Herstellung M itarbeiter (Sekundärpersonal) hergestellte Einheit persönliche Verteilzeiten am Standort s; vzsP ≥ 0 sachliche Verteilzeiten der Anlage i; vziS ≥ 0 von Produkt b auf Anlage i am Standort s vzsP Faktor für vziS Faktor für vz ˆ is Faktor zum Ausgleich von Verteil- und Erholungszeiten während der Arbeitszeit von Anlage i an Standort s (für laufzeitabhängiges Mindestpersonal); vz ˆ is ≥ 0 Im Rahmen der Personalplanung werden die drei Personalarten Primär-, Sekundärund Overheadpersonal unterschieden. Unter Primärpersonal ist das direkt ausführende, unmittelbar wertschöpfend tätige Personal zu verstehen. Dazu zählen bspw. Maschinenbediener oder Mitarbeiter für Montagetätigkeiten. Das Sekundärpersonal umfasst die indirekt bzw. mittelbar am Produktionsprozess beteiligten Mitarbeiter, wie z.B. für Wartung und Instandhaltung oder Produktionslogistik. Primär- und Sekundärpersonal können als ausführendes Personal betrachtet werden. Neben diesen bH ausführenden Personalarten ist noch Overheadpersonal für dispositive Aufgaben zu (c )V er la g D r. K ov ac G m unterscheiden. Dazu zählen bspw. Mitarbeiter in der Planung, der IT, in kaufmännischen Funktionen oder Führungskräfte. Eine solche Unterteilung des Personals ist 218 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes auch in der Praxis der strategischen Planung weit verbreitet, da jeweils unterschiedliche Rahmenbedingungen hinsichtlich Qualifikation, Arbeitszeit und -entgelt bestehen. Für jede der drei betrachteten Personalarten müssen die entsprechenden Kapazitäten geplant werden; für das ausführende Personal darüber hinaus noch Flexibilitätspotenziale in Form von flexiblen Zeitarbeitskräften. Die Planung des Primärpersonals basiert auf arbeits- und zeitwirtschaftlichen Berechnungsmethoden und ist direkt an die Anlagenplanung gekoppelt. Dabei wird der Schichtmodelleinfluss berücksichtigt, da dieser sich entscheidend auf das Entgelt und die Arbeitszeit des Primärpersonals auswirken kann. Für die Sekundär- und Overheadpersonalplanung werden dagegen kennzahlenbasierte Verfahren eingesetzt. Der Schichtmodelleinfluss wird daher hier nicht explizit modelliert, sondern ist indirekt in den entsprechenden Kennzahlen enthalten (z.B. in Form eines Durchschnittsentgelts)160 . Primärpersonalplanung Wie die Anlagenplanung basiert auch die Primärpersonalplanung auf den zeitlichen Kapazitätsbedarfen für die Herstellung der Produkte auf den einzelnen Anlagen. Dividiert man den zeitlichen Kapazitätsbedarf KBijqst , der sich aus der GutteileProduktionsmenge und den Grundzeiten ergibt, durch die arbeitssystemtypspezifischen Faktoren für Produktionsgeschwindigkeit (psijq ) und Parallelbearbeitung (plijq ) und multipliziert dieses Ergebnis anschließend mit dem Personalbesetzungsfaktor (pbfijq ) des entsprechenden Arbeitssystemtyps, so erhält man den gesamten Primärpersonal-Arbeitszeitbedarf für den betrachteten Arbeitssystemtyp in einer Periode. Dividiert man wiederum diesen gesamten Primärpersonal-Arbeitszeitbedarf durch die individuelle Perioden-Arbeitszeit eines Mitarbeiters im entsprechenden Schichtmodell m am Standort s (Parameter azms ), so erhält man die erforderliche Anzahl an Mitarbeitern für den betrachteten Arbeitssystemtyp. Die Perioden-Arbeitszeit eines Mitarbeiters enthält nicht wertschöpfende sachliche und persönliche Verteilzeiten, aber keine Urlaubs- und Pausenzeiten. Fehlzeiten für Krankheit etc. sind im Parameter azms ebenfalls noch nicht berücksichtigt. Die Perioden-Arbeitszeit kann neben dem Standort auch vom Schichtmodell abhängig sein, da bspw. Nachtschichten mit Zeitzuschlägen (d.h. die tatsächlich gearbeitete Zeit ist geringer als die bezahlte Arbeitszeit) vergütet werden können. Darüber hinaus werden bei der Primärpersonalplanung Personalproduktivitätsfaktoren (pps ) berücksichtigt, um den bestehenden Produktivitätsunterschieden zwischen )V er la g D r. K ov Zu verschiedenen Methoden der Personalplanung siehe die Ausführungen in Abschnitt 2.2.4.6 (c 160 ac G m bH Standorten Rechnung tragen zu können. Die Faktoren für die Personalproduktivität 5.2 Mathematische Modellformulierung 219 sind relativ zum Referenz-Standort definiert, für welchen die Referenz-Grundzeiten und die Personalbesetzungsfaktoren ermittelt wurden. Der aus Referenz-Grundzeiten und Gutteile-Produktionsmengen resultierende zeitliche Kapazitätsbedarf KBijqst reicht jedoch in der Praxis nicht aus, um den erforderlichen Personalbedarf errechnen zu können. Vielmehr sind personelle Zusatzkapazitäten für die Kompensation von Anlagenstörungen, Ausschussproduktion und während der Arbeitszeit entstehenden Verlustzeiten erforderlich. Daher müssen bei der Berechnung der Mitarbeiteranzahl des Weiteren Faktoren für persönliche Verteilzeiten (vzsP ), für sachliche Verteilzeiten (vziS ) sowie für Fehlzeiten (f zs ) berücksichtigt werden. Dabei sind Verluste durch Anlagenstörungen oder Ähnliches, die bei der Anlagenplanung mit dem Parameter oeeijq berücksichtigt wurden, bei der Personalberechnung im Faktor für die sachliche Verteilzeit beinhaltet. Über alle Arbeitssystemtypen und Prozessschritte einer Anlage i aufsummiert erhält man schließlich den Bruttobedarf an Primärpersonal-Mitarbeitern der betreffenden Anlage i im Schichtmodell m am Standort s in Periode t. Die Brutto-Personalbedarfe werP den im Modell mit den reellwertigen Variablen P Bimst abgebildet und errechnen sich nach Ungleichungen 5.66. Aufgrund der Minimierungseigenschaft der Zielfunktion ist eine obere Beschränkung des Brutto-Primärpersonalbedarfs nicht erforderlich. ⎞ ⎛ pbfijq 1 + vzsP + vziS ≥ ·⎝ · KBijqst ⎠ − M P · (1 − Uimt ) (1 − f zs ) · azms · pps ps ijq · plijq q∈Q j∈J P P Bimst p iq ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.66) Der nach den Ungleichungen 5.66 ermittelte Brutto-Personalbedarf variiert mit dem Produktionsvolumen. Bei einer Verringerung des Produktionsvolumens impliziert dies eine Umtaktung von Produktionsanlagen (z.B. durch Zusammenfassung von Arbeitsplätzen in Montagelinien). Die Verringerung des Personalbedarfs ohne Rekonfiguration der Anlage ist aber bei vielen Anlagen nur begrenzt möglich, da ein bestimmtes Mindestpersonal je Stunde Laufzeit erforderlich ist, um den Betrieb der Anlage zu gewährleisten (siehe Abbildung 5.8). Im Modell wird das Mindestpersonal über den Parameter pbmin abgebildet. Je nach Anlagenlaufzeit und individueller Arbeitszeit sowie i den zu berücksichtigenden Verteilzeiten und Fehlzeitenausgleichsfaktoren ergibt sich somit eine schichtmodellabhängige Untergrenze für den Personalbedarf einer Anlage. Hierbei ist zu beachten, dass ein anderer, geringerer Verteilzeitfaktor (vz ˆ is ) verwendet werden muss als in den Ungleichungen 5.66. Verlustzeiten durch Anlagenstörungen bH und Ausschuss müssen in diesem Fall nicht weiter berücksichtigt werden, da sie be- (c )V er la g D r. K ov ac G m reits in der Anlagenlaufzeit enthalten sind, die sowohl wertschöpfende als auch nicht wertschöpfende Zeiten umfasst. 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 220 Primärpersonalbedarf (volumenabhängig) Personalbedarf dreischichtig Anpassung auf taktischoperativer Ebene zweischichtig Mindestpersonal im Drei-SchichtBetrieb einschichtig Mindestpersonal im Zwei-SchichtBetrieb Mindestpersonal im Ein-Schicht-Betrieb Personalbedarf der Anlage Zeit Produktionsmengenabhängiger Personalbedarf Schichtmodellabhängiger Mindestpersonalbedarf Abbildung 5.8: Primärpersonalbedarf (volumenabhängig) Das Mindestpersonal errechnet sich nach den Ungleichungen 5.67. Auch hier ist aufgrund der Minimierungseigenschaft der Zielfunktion keine obere Beschränkung von P P Bimst erforderlich. P P Bimst ≥ (1 + vz ˆ is ) · lzms · pbmin · Vis − M P · (1 − Uimt ) i (1 − f zs ) · azms · pps ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.67) Manche Anlagen, wie z.B. starre Transferstraßen, weisen einen vom Produktionsvolumen (weitestgehend) unabhängigen Personalbedarf je Stunde Laufzeit auf. So werden im Falle von Transferstraßen häufig pro Schicht ein bis zwei Maschinenführer benötigt. Erst ab einer bestimmten Anlagengröße erhöht sich der laufzeitabhängige Personalbedarf wieder. Für solche Anlagen errechnet sich der Personalbedarf nicht nach den Ungleichungen 5.66, sondern analog zu den voranstehenden Ungleichungen 5.67 für das Mindestpersonal (siehe Abbildung 5.9). In diesen Fällen gilt pbfijq = 0 und pbmin > 0. i (c )V er la g D m G ac r. K ov nalbedarfsvariablen an die Strukturvariablen Uimt und Vis . Dazu wird die große Zahl“ ” bH In den Ungleichungsgruppen 5.68 und 5.69 erfolgt die logische Kopplung der Perso- 5.2 Mathematische Modellformulierung 221 Primärpersonalbedarf (laufzeitabhängig) Personalbedarf dreischichtig zweischichtig einschichtig Zeit Abbildung 5.9: Primärpersonalbedarf (laufzeitabhängig) M P eingeführt. Nur wenn die Anlage i am Standort s in Periode t im Schichtmodell m P betrieben wird, darf die Variable P Bimst einen Wert größer Null annehmen. P ≤ M P · Uimt ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] P Bimst (5.68) P P Bimst ≤ M P · Vis ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.69) Die Deckung des Primärpersonalbedarfs in einem bestimmten Schichtmodell kann soE wohl über Stammpersonal (reellwertige Variablen P APmst ), als auch über ZeitarbeitsL kräfte (reellwertige Variablen P APmst ) erfolgen. L E P APmst + P APmst ≥ P P Bimst ∀ m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.70) p∈P i∈Ip Da Zeitarbeitskräfte sehr flexibel sind und ihr Einsatz von Periode zu Periode vollständig neu angepasst werden kann, dienen sie zum Aufbau von personellen Flexibilitätspotenzialen. Im Gegensatz dazu ergibt sich das an einem Standort s vorhandene Angebot an Stamm-Primärpersonal in einer Periode t durch Fortschreibung des Stammpersonal- bH angebots der Vorperiode unter Berücksichtigung von Einstellungen (reellwertige Varia- (c )V er la g D G ac ov r. K tigung eines Faktors für die natürliche Personalfluktuation am Standort s (Parameter m blen PstP E,+ ) und Freistellungen (reellwertige Variablen PstP E,− ) sowie unter Berücksich- 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 222 f ks ). Die Fluktuationsfaktoren der einzelnen Standorte quantifizieren den durchschnittlichen Anteil des in einer Periode freiwilligen, alters- oder krankheitsbedingten Austritts von Mitarbeitern in Bezug auf den Stammpersonalbestand der Vorperiode. Auf eine Unterscheidung von Fluktuationsfaktoren für jede Personalart wird der Einfachheit halber verzichtet. Ein- und Freistellungen von Personal werden als schichtmodellunabhängig angenommen. Dadurch sind auf Standortebene Ausgleichsvorgänge zwischen den Personalangeboten für die einzelnen Schichtmodelle möglich161 . Das Primärpersonalangebot E P APmst errechnet sich nach den Gleichungen 5.71. m∈M E P APmst = (1 − f ks ) · E P APmst−1 + PstP E,+ − PstP E,− ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.71) m∈M Die Variablen PstP E,− und PstP E,+ können grundsätzlich durch weitere Restriktionen eingeschränkt werden, um verschiedene Personalpolitiken (z.B. kein Abbau von Stammpersonal, Einschränkung des möglichen Stammpersonalab- oder -aufbaus etc.) abbilden zu können. Das Angebot an Stamm-Primärpersonal an einem Standort s zum Planungszeitpunkt t = 0 wird mit dem Parameter pas bezeichnet (Gleichungen 5.72). E = paPmsE ∀ m ∈ M, s ∈ S P APms0 (5.72) Sekundärpersonalplanung Für die Bestimmung des Sekundärpersonalbedarfs kann in der Regel kein zuverlässiger zeitlicher Kapazitätsbedarf berechnet werden, da valide Plan-Vorgabezeiten für diese Tätigkeiten in der Regel schwierig zu ermitteln sind. Stattdessen werden auf Basis verschiedener Bezugsgrößen im Modell Kennzahlen für den Personalbedarf definiert. Diese Kennzahlen stellen auf Basis von Vergangenheits- oder Erfahrungswerten bzw. aus Benchmarking-Analysen abgeleitete Zielgrößen für die Sekundärpersonalbedarfsermittlung dar. In Tabelle 5.2 sind für verschiedene Sekundär- und Overheadpersonalarten mögliche modellinterne Bezugsgrößen dargestellt. So hängt bspw. der Sekundärpersonalbedarf in den Bereichen Wareneingang und -ausgang schwerpunktmäßig vom Produktionsvolumen ab und kann im Modell über die Produktions- )V er la g D G ac ov r. K Diese Ausgleichsmöglichkeiten setzen entsprechende gesetzliche oder tarifvertragliche Vereinbarungen voraus und sind nicht an jedem Standort möglich. (c 161 m bH mengenvariablen (Xbist ) errechnet werden. 5.2 Mathematische Modellformulierung 223 Tabelle 5.2: Bezugsgrößen für Sekundär- und Overheadpersonalarten Sekundärpersonal Overheadpersonal Produktionsvolumen Anzahl Arbeitssysteme Brutto-Grundrissfläche Wareneingang, -ausgang Anlagenwartung, -instandhaltung Werkssicherheit, Feuerwehr Logistik, Entsorgung Werkzeugmanagement, -aufbereitung Gebäudebewirtschaftung, -wartung, -instandhaltung Lagerbewirtschaftung Medienversorgung ProduktionsAnlagenplanung planung, -steuerung Logistikplanung, -steuerung Qualitätsplanung, -steuerung Strukturplanung Ausführendes Personal Zeitwirtschaft, Arbeitsorganisation Arbeitsschutz Personalwesen Der Bedarf an Sekundärpersonal an einem Standort s in Periode t (reellwertige VariaS blen P Bst ) kann über die modellinternen Bezugsgrößen Produktionsvolumen, Anzahl Arbeitssysteme und Brutto-Grundrissflächen mit entsprechenden UmrechnungskennV zahlen ermittelt werden. Der Parameter sfbis quantifiziert dabei den Sekundärpersonal- bedarf je hergestellter Einheit der Baureihe b auf Anlage i am Standort s (z.B. für die A Produktionslogistik), der Parameter sfijq den Sekundärpersonalbedarf je Arbeitssys- tem des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i (z.B. für Wartung und Instandhaltung) und der Parameter sfsF den flächenbezogenen Sekundärpersonalbedarf je Quadratmeter Brutto-Grundrissfläche am Standort s (z.B. für die Gebäudebewirtschaftung und -instandhaltung). Die Parameter sind standortabhängig, um lokale Gegebenheiten, wie z.B. unterschiedliche Produktivitäten, berücksichtigen zu können. Der gesamte Sekundärpersonalbedarf am Standort s in Periode t errechnet sich nach den Gleichungen 5.73. S P Bst = p∈P i∈Ip b∈Bip V sfbis · Xbist + A sfijq · Nijqst + sfsF · GFst p∈P q∈Qp i∈Ip j∈Jiq ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.73) bH Das Angebot an sekundärem Stammpersonal an einem Standort s in Periode t, im (c )V er la g D r. K ov ac G m Modell durch die reellwertigen Variablen P ASE st abgebildet, wird analog zum Stamm- 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 224 Primärpersonal durch Fortschreibung des Personalbestands der Vorperiode unter Berücksichtigung von Zugängen (reellwertige Variablen PstSE,+ ), Freistellungen (reellwertige Variablen PstSE,− ) und der Personalfluktuation (Parameter f ks ) mit den Gleichungen 5.74 berechnet. SE,+ SE P ASE − PstSE,− ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] st = (1 − f ks ) · P Ast−1 + Pst (5.74) Das verfügbare sekundäre Stammpersonal an einem Standort s zum Planungszeitpunkt t = 0 beträgt paSE (Gleichungen 5.75). s SE P ASE ∀s∈S s0 = pas (5.75) Wie schon beim Primärpersonal können auch beim Sekundärpersonal Zeitarbeitskräfte eingesetzt werden. Die Anzahl der erforderlichen sekundären Zeitarbeitskräfte an einem Standort s in Periode t (reellwertige Variablen P ASL st ) errechnet sich nach den Ungleichungen 5.76. SL S P ASE st + P Ast ≥ P Bst ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.76) Maximaler Anteil an primären und sekundären Zeitarbeitskräften Die Anzahl der Zeitarbeitskräfte darf häufig aus personalstrategischen oder arbeitsrechtlichen Gründen (Tarif-, Betriebsvereinbarung etc.) einen bestimmten Anteil des Stammpersonals, Parameter las , nicht überschreiten (Ungleichungen 5.77). PE SE ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] P APstL + P ASL st ≤ las · P Ast + P Ast (5.77) Overheadpersonal Der Bedarf an Overheadpersonal (dispositiv tätigem Personal) an einem Standort s O in Periode t (reellwertige Variable P Bst ) kann über die Bezugsgrößen Produktions- volumen, Anzahl Arbeitssysteme, Brutto-Grundrissflächen sowie dem Bestand an ausführendem Personal (Primär- und Sekundärpersonal) mit den entsprechenden V Umrechnungskennzahlen errechnet werden. Die Kennzahl dfbis drückt den Over- headpersonalbedarf je hergestellter Einheit der Baureihe b auf Anlage i am Standort A s aus (z.B. für die Produktionsplanung und -steuerung), die Kennzahl dfijq den Overheadpersonalbedarf je vorhandenem Arbeitssystem des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i (z.B. für die Anlagenplanung), die Kennzahl dfsF den flächenbezogenen (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Overheadpersonalbedarf je Quadratmeter Brutto-Grundrissfläche am Standort s (z.B. für die Werksstrukturplanung) und die Kennzahl dfsP aus den auf das ausführende 5.2 Mathematische Modellformulierung 225 Personal (Primär- und Sekundärpersonal) bezogenen Overheadpersonalbedarf (z.B. für Meister und Führungskräfte). Durch die Standortabhängigkeit der Parameter können auch hier lokale Einflussfaktoren (z.B. Produktivitäten) berücksichtigt werden. Der gesamte Overheadpersonalbedarf am Standort s in Periode t errechnet sich nach den Gleichungen 5.78. O P Bst = V dfbis · Xbist + p∈P i∈Ip b∈Bip A dfijq · Nijqst p∈P q∈Qp i∈Ip j∈Jiq SL + dfsF · GFst + dfsP aus · P APstE + P APstL + P ASE st + P Ast ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.78) Da Overheadpersonal in der Unternehmenspraxis überwiegend Stammpersonal ist, wird hier kein Einsatz von Zeitarbeitskräften betrachtet. Das Modell kann aber dahingehend analog zu den Ungleichungsgruppen 5.70 oder 5.76 leicht erweitert werden. Das Angebot an dispositiv tätigem Personal an einem Standort s in Periode t errechnet sich wieder durch Bestandsfortschreibung unter Berücksichtigung von Zugängen (reellwertige Variablen PstO,+ ), Abgängen (reellwertige Variablen PstO,− ) und der Fluktuationsrate f ks (Gleichungen 5.79). O,+ O − PstO,− ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] P AO st = (1 − f ks ) · P Ast−1 + Pst (5.79) Das zum Planungszeitpunkt t = 0 an einem Standort s verfügbare Overheadpersonal wird mit dem Parameter paO s bezeichnet (Gleichungen 5.80). O P AO s0 = pas ∀ s ∈ S (5.80) Die Ungleichungen 5.81 beinhalten den Abgleich von Angebot und Nachfrage an Overheadpersonal am Standort s in Periode t. O P AO st ≥ P Bst ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (c )V er la g D r. K ov ac G m bH (5.81) 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 226 5.2.2 Modellierung der Zielfunktion des Basismodells Indexmengen b∈B Menge der Produkte im Produktionsprogramm Bp ⊆ B Menge der Produkte der Produktgruppe p Bip ⊆ Bp Menge der auf Anlage i herstellbaren Produkte der Produktgruppe p c∈C Menge der Kundenstandorte (Fahrzeugwerke) g∈G Menge der Materialarten h∈H Menge der Produktionsflächenarten i∈I Menge der Anlagen Ip ⊆ I Menge der Anlagen der Produktgruppe p IpN F ⊆ Ip IpN N F ⊆ Ip Menge der nachfolgeflexiblen Anlagen der Produktgruppe p j∈J Menge der Arbeitssystemtypen Menge der nicht nachfolgeflexiblen Anlagen der Produktgruppe p Ji ⊆ J Menge der Arbeitssystemtypen von Anlage i Jiq ⊆ Ji Menge der Arbeitssystemtypen von Anlage i, die für Prozessschritt q eingesetzt werden können l∈L Menge der Beschaffungsregionen p∈P Menge der Produktgruppen q∈Q Menge der Prozessschritte Qp ⊆ Q Menge der Prozessschritte der Produktgruppe p m∈M Menge der Schichtmodelle s∈S Menge der Standorte t ∈ [0, ..., T ] Menge der Planungsperioden Variablen AZt Gesamte Auszahlungen des Produktionssystems in Periode t; AZt ≥ 0 ∀ t ∈ [1, ..., T ] F ALF,+ st Lagerflächenerweiterung am Standort s in Periode t; F ALF,+ ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] st F APhstF,+ Produktionsflächenerweiterung des Flächentyps h am Standort s in Periode t; F APhstF,+ ≥ 0 ∀ h ∈ H, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] GFst Gesamte Brutto-Grundrissfläche am Standort s in Periode t; G m Gesamte Auszahlungen für Investitionen für Anlagen in Periode t; )V er la g D r. K ov ac IN VtAnl ≥ 0 ∀ t ∈ [1, ..., T ] (c IN VtAnl bH GFst ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] 5.2 Mathematische Modellformulierung KtBW 227 Gesamte Auszahlungen für Anlagenbelegungswechsel in Periode t; KtBW ≥ 0 ∀ t ∈ [1, ..., T ] BW,Anl Kbist Auszahlungen für die Integration des Produkts b in Anlage i ∈ IpN F am Standort s in Periode t; BW,Anl Kbist ≥ 0 ∀ b ∈ Bp , i ∈ IpN F , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] IN VtStr Gesamte Auszahlungen für Investitionen in Gebäude- und Lagerstrukturen in Periode t; IN VtStr ≥ 0 ∀ t ∈ [1, ..., T ] KtAnl Gesamte Auszahlungen für fixe Kosten des Anlagenbetriebs in KtDem Gesamte Auszahlungen für den Rückbau von Anlagen in Periode t; Periode t; KtAnl ≥ 0 ∀ t ∈ [1, ..., T ] KtDem ≥ 0 ∀ t ∈ [1, ..., T ] Inb Kist Auszahlungen für Planungs-, Anlauf- und Sonderkosten für die Erstinbetriebnahme der Anlage i am Standort s in Periode t; Inb Kist ≥ 0 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] KtM F Gesamte Auszahlungen für den Fluss von Material, Zwischenprodukten und Endprodukten in Periode t; KtM F ≥ 0 ∀ t ∈ [1, ..., T ] KtP ers Gesamte Auszahlungen für Personalkosten in Periode t; KtP ers ≥ 0 ∀ t ∈ [1, ..., T ] KtP rod Gesamte Auszahlungen für variable Produktionskosten in Periode t; KtP rod ≥ 0 ∀ t ∈ [1, ..., T ] KtStand Gesamte Auszahlungen für fixe Standortbetriebskosten in Periode t; KtStand ≥ 0 ∀ t ∈ [1, ..., T ] KtZoll Gesamte Auszahlungen für Zölle und grenzüberschreitende Materialflüsse in Periode t; KtZoll ≥ 0 ∀ t ∈ [1, ..., T ] Nijqst Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i am Standort s in Periode t; Nijqst ∈ + Nijqst n + ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, ..., T ] Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q, die zu Anlage i am Standort s in Periode t hinzugefügt werden; + Nijqst ≥ 0 ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, ..., T ] − Nijqst Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q, die aus Anlage i am Standort s in Periode t entfernt werden; − Nijqst ≥ 0 ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, ..., T ] +,still Nijqst Anzahl der in Periode t zu einer Anlage i hinzugefügten Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q, die im Planungshorizont wieder entfernt werden und daher nicht in die Restwertberechnung eingehen; bH +,still Nijqst ≥ 0 ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [0, ..., T ] G m Angebot an Overheadpersonal am Standort s in Periode t; )V er la g D r. K ov ac P AO st ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (c P AO st 228 PstO,− 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes In Periode t am Standort s freizustellendes Overheadpersonal; PstO,− ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] E P APmst Angebot an Stamm-Primärpersonal in Schichtmodell m am Standort s E in Periode t; P APmst ≥ 0 ∀ m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] PstP E,− In Periode t am Standort s freizustellendes Stamm-Primärpersonal; PstP E,− ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] L P APmst Angebot an Primärpersonal-Zeitarbeitskräften in Schichtmodell m am L Standort s in Periode t; P APmst ≥ 0 ∀ m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] P ASE st Angebot an Stamm-Sekundärpersonal am Standort s in Periode t; P ASE st ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] PstSE,− In Periode t am Standort s freizustellendes Stamm-Sekundärpersonal; PstSE,− ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] P ASL st Angebot an Sekundärpersonal-Zeitarbeitskräften am Standort s in End Rbsct Periode t; P ASL st ≥ 0 ∀ s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Transportmenge des Endprodukts b ∈ Bp p ∈ P End von Standort s zu Kundenstandort c in Periode t; Z Rbsŝt End Rbsct ≥ 0 ∀ b ∈ Bp , p ∈ P, s ∈ S, c ∈ C, t ∈ [1, ..., T ] Transportmenge des Zwischenprodukts b ∈ Bp p ∈ P Z von Stand- ort s zu Standort ŝ in Periode t; Z Rbsŝt ≥ 0 ∀ b ∈ Bp , p ∈ P, s ∈ S, ŝ ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] M at Rglst Transportmenge der Materialart g von Beschaffungsregion l zu StandM at ort s in Periode t; Rglst ≥ 0 ∀ g ∈ G, l ∈ L, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] RWT Gesamter diskontierter Restwert der im Planungshorizont getätigten RWisAnl Kalkulatorischer Restwert der Anlage i ∈ Ip am Standort s; Investitionen am Planungshorizontende t = T ; RWT ≥ 0 RWisAnl ≥ 0 ∀i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S RWsGrund Kalkulatorischer Restwert der neu erworbenen Grundstücke am Standort s; RWsGrund ≥ 0 ∀s ∈ S RWsLF Kalkulatorischer Restwert der neu installierten Lagerstrukturen am Standort s; RWsLF ≥ 0 ∀s ∈ S PF RWhs Kalkulatorischer Restwert der neu installierten Produktionsstrukturen PF des Typs h am Standort s; RWhs ≥ 0 ∀h ∈ H, s ∈ S Xbist Produktionsstückzahl des Produkts b auf Anlage i am Standort s in Periode t; Xbist ≥ 0 ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Wbit 1, wenn Produkt b in Periode t auf Anlage i hergestellt wird, sonst 0 Vis 1, wenn Anlage i Standort s zugeordnet ist, sonst 0 bH 1, wenn Anlage i in Periode t betrieben wird, sonst 0; )V er la g D r. K ov ac G m Yit ≥ 0 ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [0, ..., T ] (c Yit 5.2 Mathematische Modellformulierung 229 Parameter bg L Faktor für Nebennutzungs-, Funktions-, Verkehrs- und Konstruktionsflächen in Lagerbereichen; bg L ≥ 1 bg P Faktor für Nebennutzungs-, Funktions-, Verkehrs- und Konstruktionsflächen in Produktionsbereichen; bg P ≥ 1 Anl invijq Investitionssumme für die Anschaffung eines Arbeitssystems des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i GE Ref erenzwährung Arbeitssystem GE lokale W ährung invsGrund Investitionen je m2 Grundstücksfläche am Standort s invsLBGF Investitionen je m2 Lager-Brutto-Grundrissfläche am Standort s GE lokale W ährung P BGF invhs Investitionen je m2 Produktions-Brutto-Grundrissfläche des Typs h am Standort s GE lokalem2W ährung kasijqs Fixe Betriebskosten je Arbeitssystemdes Typs j für Prozessschritt q m2 m2 in Anlage i am Standort s je Periode kbwbijq GE lokale W ährung Arbeitssystem Belegungswechselkosten des Arbeitssystemtyps j für Prozessschritt q in einer nachfolgeflexiblen Anlage i ∈ IpN F , um Produkt b herstellen zu können kdijqs GE Ref erenzwährung Arbeitssystem Kosten für die Demontage eines Arbeitssystems des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i am Standort s kf rsO GE lokale W ährung Arbeitssystem Kosten für die Freistellung von Overheadpersonal am Standort s GE lokale W ährung M itarbeiter (Overheadpersonal) kf rsP E Kosten für die Freistellung von Stamm-Prim ärpersonal am Standort s kf rsSE Kosten für die Freistellung von Stamm-Sekund ärpersonal am Standort s kiis GE lokale W ährung M itarbeiter (Stamm−P rimärpersonal) GE lokale W ährung M itarbeiter (Stamm−Sekundärpersonal) Planungs-, Anlauf- und Sonderkosten für die Erstinbetriebnahme der Anlage i am Standort s [GE lokale W ährung] kpO s kpPs E Personalkostensatz je Mitarbeiter Overheadpersonal am Standort s GE lokale W ährung je Periode M itarbeiter (Overheadpersonal) Personalkostensatz je Mitarbeiter Stamm-Prim ärpersonal am Standort s je Periode GE lokale W ährung M itarbeiter (Stamm−P rimärpersonal) Personalkostensatz je Primärpersonal-Zeitarbeitskraft am Standort s GE lokale W ährung je Periode M itarbeiter (primäre Zeitarbeitskräf te) kpSE s Personalkostensatz jeMitarbeiter Stamm-Sekundärpersonal am )V er la g D r. K ov ac G m GE lokale W ährung M itarbeiter (Stamm−Sekundärpersonal) (c Standort s je Periode bH kpPs L 230 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes kpSL s Personalkostensatz je Sekund ärpersonal-Zeitarbeitskraft lokale W ährung am Standort s je Periode M itarbeiterGE (sekundäre Zeitarbeitskräf te) kprbis Variable Produktionskosten für Produkt b auf Anlage i am Standort s GE lokale W ährung hergestellte Einheit kws Fixe Werks-Betriebskosten je m2 Brutto-Grundrissfläche am Standort s je Periode GE lokalem2W ährung kztαβγ Zoll-/Transaktionskostensatz je transportierter Einheit des Gutes α = g ∈ G bzw. b ∈ B vom Standort β = l ∈ L bzw. s ∈ S nach Standort γ = s ∈ S bzw. c ∈ C nijqs GE lokale W ährung Standort s transportierte Einheit Anzahl vorhandener Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q in einer alten Anlage i ∈ IpAlt am Standort s zum Planungszeitpunkt t = 0 nAnzAS,max ijq Maximale Anzahl der Arbeitssysteme des Typs j in Anlage i für Prozessschritt q Anl rwijqt Anteil der Investitionen für in Periode t beschaffte Arbeitssysteme des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i, der am Planungshorizontende als kalkulatorischer Restwert angesetzt wird Grund rwst Anteil der in Periode t am Standort s getätigten Investitionen in Grundstücke, der am Planungshorizontende als kalkulatorischer Restwert angesetzt wird LF rwst Anteil der in Periode t am Standort s getätigten Investitionen in Lagerstrukturen, der am Planungshorizontende als kalkulatorischer Restwert angesetzt wird PF rwhst Anteil der in Periode t am Standort s getätigten Investitionen in Produktionsstrukturen des Flächentyps h, der am Planungshorizontende als kalkulatorischer Restwert angesetzt wird tpkαβ volg , volb wkst Transportkostensatz je m3 vom Standort α = l ∈ L bzw. s ∈ S s zum Standort β = s ∈ S bzw. c ∈ C GE Standort m3 m3 Transportvolumen je Einheit g ∈ G bzw. b ∈ B hergestellte Einheit Währung am Standort s ∈ S in Periode t; Wechselkurs der lokalen GE lokale W ährung GE Ref erenzwährung zs Zinssatz für die Kapitalwertberechnung; zs ≥ 0 zums Zuschlag auf das Grund-Primärpersonalentgelt kpPs E bzw. kpPs L (c )V er la g D r. K ov ac G m bH im Schichtmodell m am Standort s; zs ≥ 0 5.2 Mathematische Modellformulierung 231 Die Zielfunktion des Optimierungsmodells (Gleichung 5.82) besteht in der Minimierung des Kapitalwerts aller im Planungshorizont [1, ..., T ] anfallenden direkt zurechenbaren Auszahlungen für den Aufbau bzw. die Weiterentwicklung und den Betrieb eines Produktionssystems162 . Als Referenzwährung für den Kapitalwert der Auszahlungen wird Euro gewählt. Da nicht alle Auszahlungen in einem internationalen Produktionssystem in der Referenzwährung Euro anfallen, müssen zur Konvertierung der globalen Zahlungsströme entsprechende Wechselkurse (Parameter wkst ) berücksichtigt werden. Dabei werden zeitabhängige Wechselkurse angenommen, die sich im Planungshorizont verändern können. Die gesamten Auszahlungen in einer Periode t werden in Gleichung 5.82 mit der Variablen AZt bezeichnet. Die Variable RWT beschreibt in dieser Gleichung den gesamten, auf den Planungszeitpunkt t = 0 abgezinsten Restwert von Neuinvestitionen am Planungshorizontende. Der Einbezug von Restwerten in die Berechnung des Kapitalwerts ist erforderlich, um Investitionen, die sich über das Ende des Planungshorizonts hinaus auswirken, richtig bewerten zu können163 . Dies betrifft vor allem Investitionen in Anlagen und Standortstrukturen, die zu späteren Planungszeitpunkten getätigt werden sowie Investitionen in nachfolgeflexible Anlagen, deren Flexibilitätspotenzial sich erst im nächsten Planungshorizont auswirkt. Die Restwerte sind als kalkulatorische Größen anzusehen, die zukünftige Auszahlungen vermindern. Sie werden in Abschnitt 5.2.2.3 beschrieben164 . Der Parameter zs in Gleichung 5.82 bezeichnet den geforderten Zinssatz für die Kapitalwertberechnung. Dieser ergibt sich aus den Renditeerwartungen, Risikoabwägungen und der Finanzierungsstruktur eines Unternehmens. T t=1 AZt − RWT = min! (1 + zs)t−1 (5.82) (c )V er la g D m G ac ov r. K Unter den getroffenen Annahmen der vollständigen Nachfragebefriedigung und vorgegebener Transferpreise sind die Umsätze des Produktionssystems fixiert und müssen in der Zielfunktion nicht betrachtet werden. 163 H ÜBNER (2007) diskutiert verschiedene Methoden zur Berücksichtigung von Planungshorizonteffekten bei der Bewertung von Investitionen. 164 Einen Überblick über Möglichkeiten zur Bestimmung von Restwerten findet sich bspw. bei KOLLER U. A . (2004). bH 162 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 232 In der Zielfunktion berücksichtigte Auszahlungsarten Investitionen in Grundstücksflächen Investitionen in Gebäude und Werksinfrastrukturen Einmalaufwendungen + Investitionen in Produktionsanlagen Belegungswechselkosten Demontagekosten Kosten für den Betrieb von Anlagen Auszahlungen + Fixe Sachkosten + Kosten für den Betrieb von Standorten Variable Produktionskosten Variable Sachkosten + Transportkosten Zoll-/Transaktionskosten Personalkosten (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Abbildung 5.10: In der Zielfunktion berücksichtigte Auszahlungsarten 5.2 Mathematische Modellformulierung 233 Die Auszahlungen in einer Periode t bestehen aus drei Hauptauszahlungsarten: • Auszahlungen für Einmalaufwendungen (siehe Abschnitt 5.2.2.1): – Investitionen in Grundstücksflächen (Variablen IN VtGrund ) – Investitionen in Gebäude und Werksinfrastrukturen für Produktions- und Lagerbereiche (Variablen IN VtStr ) – Investitionen in Produktionsanlagen (Variablen IN VtAnl ) – Belegungswechselkosten nachfolgeflexibler Anlagen (Variablen KtBW ) – Kosten für die Demontage von Arbeitssystemen (Variablen KtDem ) • Auszahlungen für fixe und variable Sachkosten (siehe Abschnitt 5.2.2.2): – Auszahlungen für fixe Kosten für den Betrieb von Anlagen (Variablen KtAnl ) und von Standorten (Variablen KtStand ) – Auszahlungen für variable Produktionskosten (Variablen KtP rod ), Transportkosten (Variablen KtM F ) sowie Zoll- und internationale Transaktionskosten (Variablen KtZoll ) • Auszahlungen für Primär-, Sekundär- und Overheadpersonalkosten (Variablen KtP ers ; siehe Abschnitt 5.2.2.2) Die verschiedenen in der Zielfunktion berücksichtigten Auszahlungsarten sind in Abbildung 5.10 dargestellt. Alle Variablen für die einzelnen Auszahlungsarten sind reellwertig. Formal können die gesamten Auszahlungen in einer Periode t wie folgt dargestellt werden (Gleichungen 5.83): AZt = IN VtGrund + IN VtStr + IN VtAnl + KtBW + KtDem + KtAnl + KtStand + KtP rod + KtM F + KtZoll + KtP ers ∀ t ∈ [1, ..., T ] 5.2.2.1 (5.83) Auszahlungen für Einmalaufwendungen Kalendarisierung von Investitionen Viele Investitionsarten, insbesondere für Gebäudestrukturen, verursachen Auszahlungen in mehreren Perioden. F ERBER (2005) und F LEISCHMANN U. A . (2006) be- bH schreiben zwei erfahrungsbasierte Investitionszeitreihen für Produkt- und Strukturpro- (c )V er la g D G ac ov r. K Auszahlungen vor und nach dem Inbetriebnahme-Zeitpunkt t̂ einer Investition dar (vgl. m jekte, die in Tabelle 5.3 dargestellt sind. Diese stellen die prozentuale Verteilung der 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 234 Ferber, 2005, S. 120 f.). Auszahlungen vor dem Inbetriebnahme-Zeitpunkt entstehen bspw. durch den schrittweisen Aufbau des Investitionsgutes, Auszahlungen nach t̂ entstehen bspw. durch erforderliche Anpassungen und Änderungen, die als Investitionsnebenkosten anzusehen sind. Im hier vorgestellten Modell werden solche Auszahlungszeitreihen nicht wie bei F ERBER (2005) oder F LEISCHMANN U. A . (2006) explizit über eine Kalendarisierungsfunktion und einen zweiten Zeitindex modelliert, sondern implizit berücksichtigt. Mit der Investition verbundene Auszahlungen in Perioden vor und nach dem Inbetriebnahme-Zeitpunkt t̂ werden auf die Inbetriebnahme-Periode auf- bzw. abgezinst und vollständig dieser Periode zugerechnet. Dazu werden die Teilinvestitionen in den einzelnen Perioden addiert, der Periode t̂ zugeordnet und die resultierenden Gesamtinvestitionen mit einem Korrekturfaktor multipliziert, welcher die Zinseffekte einer Auszahlungszeitreihe berücksichtigt. Unter Verwendung der von F ERBER (2005) und F LEISCHMANN U. A . (2006) dargestellten Kalendarisierungsprofile und einem Beispielzinssatz von 10% ergeben sich die ebenfalls in Tabelle 5.3 dargestellten Korrekturfaktoren. Tabelle 5.3: Kalendarisierung von Investitionen (Zinssatz 10 Prozent) Periode t̂ − 3 t̂ − 2 t̂ − 1 t̂ t̂ + 1 t̂ + 2 Korrekturfaktor Produktprojekt 4% 21 % 45% 22% 6% 2% 1,093 Strukturprojekt 0% 20 % 35% 45% 0% 0% 1,077 Modellerweiterung zur Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen von Abschreibungen Bei der Produktionssystemplanung sind neben Kostensteuern, die im Modell direkt in den Kosten- und Investitionsparametern berücksichtigt werden, vor allem Abschreibungsregelungen für Gebäude und Anlagen von großer Bedeutung für die steuerliche Belastung eines Unternehmens. Analog zu den Zinseffekten zeitlich verteilter Auszahlungen für Investitionen können in einer Modellerweiterung auch die steuerlichen Auswirkungen unterschiedlicher Abschreibungsmodelle an den einzelnen Standorten in diskontierter Form in den Investitionsparametern approximativ berücksichtigt werden (siehe hierzu auch Fleischmann u. a., 2006, S. 202). Bei einer solchen Modellerweiterung müssen die Investitionsparameter von Arbeitssystemtypen zusätzlich mit einem (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Standortindex versehen werden. 5.2 Mathematische Modellformulierung 235 Auszahlungen für Investitionen in Grundstücksflächen Die für den Aufbau neuer Werksstrukturen erforderlichen Auszahlungen für Investitionen in Grundstücksflächen, IN VtGrund , werden nach den Gleichungen 5.84 auf Basis der Flächenerweiterungen für Produktions- und Lagerbereiche (F APhstF,+ bzw. F ALF,+ ) st unter Berücksichtigung der Flächenzuschlagssätze für Nebennutzungs-, Funktions-, Verkehrs- und Konstruktionsflächen (bg P bzw. bg L ) errechnet. Der Parameter invsGrund bezeichnet die Investitionen je Quadratmeter Grundstücksfläche am Standort s, ausgedrückt in lokaler Währung. Aus diesem Grund müssen bei der Berechnung der Grundstücksinvestitionen Wechselkurse berücksichtigt werden. IN VtGrund = inv Grund s s∈S wkst · bg · L F ALF,+ st + bg · P F APhstF,+ h∈H ∀ t ∈ [1, ..., T ] (5.84) Auszahlungen für Investitionen in Gebäude und Werksinfrastrukturen für Produktions- und Lagerbereiche Die in einer Periode t anfallenden Auszahlungen für Gebäude und Werksinfrastrukturen für Produktions- und Lagerbereiche, IN VtStr , können mit den Gleichungen 5.85 beP BGF rechnet werden. Dabei bezeichnet der Parameter invhs den Kostensatz je Quadrat- meter Brutto-Grundrissfläche des Flächentyps h für Produktionsbereiche am Standort s. Der Parameter invsLBGF beschreibt analog den Kostensatz für Erweiterungen der Brutto-Grundrissflächen in Lagerbereichen am Standort s. Die Parameter beinhalten anteilig Investitionen für Werksinfrastrukturen. Auch hier wird die Annahme getroffen, dass die Investitionen in Werksstrukturen in der lokalen Währung des betreffenden Standorts anfallen, weshalb Wechselkurse zu berücksichtigen sind. IN VtStr = inv P BGF inv LBGF s hs · bg P · F APhstF,+ + · bg L · F ALF,+ st wkst wkst s∈S h∈H s∈S ∀ t ∈ [1, ..., T ] (5.85) Auszahlungen für Investitionen in Anlagen Die Auszahlungen für Anlageninvestitionen in Periode t, IN VtAnl , errechnen sich nach den Gleichungen 5.86. Dabei beinhaltet der erste Term die Auszahlungen für die Anschaffung der Arbeitssysteme einer Anlage. Die Anschaffungsinvestitionen je Anl Arbeitssystem werden dabei mit dem Parameter invijq abgebildet. Der zweite Term bH beschreibt die Auszahlungen für Planungs-, Anlauf- und Sonderkosten (reellwertige (c )V er la g D G r. K ov ac anfallen. m Inb Variablen Kist ) die beim ersten Aufbau einer Anlage i am Standort s in Periode t 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 236 Die Auszahlungen für Anlageninvestitionen werden als wechselkursunabhängig angenommen, da in der Regel auf der strategischen Planungsebene noch keine Angaben über den speziellen Anlagenhersteller bzw. über die Währung, in welcher diese Auszahlungen anfallen, bekannt sind. IN VtAnl = + Anl · Nijqst + invijq s∈S p∈P q∈Qp i∈Ip j∈Jiq Inb Kist ∀ t ∈ [1, ..., T ] (5.86) s∈S p∈P i∈Ip Ungleichungen 5.87 ordnen die für die Erstinbetriebnahme einer neuen Anlage i ∈ IpN eu an einem Standort s anfallenden Planungs-, Anlauf- und Sonderkosten (Parameter kiis ) der entsprechenden Inbetriebnahmeperiode zu. Wird die Anlage i am Standort s in Periode t in Betrieb genommen, d.h. es gilt Vis = 1 ∧ (Yit − Yit−1 ) = 1, so ist der Inb Term {Vis − (1 − (Yit − Yit−1 ))} = 1. In diesem Falle gilt Kist = kiis . In allen anderen Fällen sind die rechten Seiten der Ungleichungen 5.87 Null oder negativ (siehe Tabelle 5.4) und das Modell wählt aufgrund der Minimierungseigenschaft der Zielfunktion und Inb der Nicht-Negativitäts-Bedingungen der Variablen den Wert Null für die Variable Kist . Inb ≥ kiis · [Vis − (1 − (Yit − Yit−1 ))] ∀ i ∈ IpN eu , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Kist (5.87) Tabelle 5.4: Rechte Seiten der Ungleichungen 5.87 Vis Yit Yit−1 kiis · [Vis − (1 − (Yit − Yit−1 ))] 1 1 0 kis 0 1 0 0 0 1 1 0 1 1 0 1 0 0 0 1 0 1 1 1 0 −kis 0 0 −2 · kis −kis −kis 0 Auszahlungen für Belegungswechselkosten nachfolgeflexibler Anlagen Anl Die Anschaffungsinvestitionen eines Arbeitssystems (invijq ) beinhalten ebenfalls die technische Ausstattung (z.B. Werk- und Spannzeuge oder Vorrichtungen) für die Produktion der Erstbelegung der Anlage. Sollen zu einem späteren Zeitpunkt andere Produkte auf einer nachfolgeflexiblen Anlage hergestellt werden (Belegungswechsel), so fallen je vorhandenem Arbeitssystem zusätzliche Auszahlungen für die Integration der neuen Produkte an. Diese Auszahlungen sind arbeitssystemtyp- und produktspezi- (c )V er la g D r. K ov ac G m bH fisch und beinhalten neben Ausstattungsinvestitionen auch Kosten für Umbau- und Umrüstmaßnahmen. Sie werden im Modell mit dem Parameter kbwbijq beschrieben. Ist 5.2 Mathematische Modellformulierung 237 in einer Periode t ein Belegungswechsel gleichzeitig mit einer Erweiterung der installierten Kapazitäten einer Anlage verbunden, so fallen nur für die bereits vorhandenen Arbeitssysteme Auszahlungen für die Integration der neuen Produkte an, nicht aber für die in der Periode t neu hinzugefügten Arbeitssysteme. Da die veränderte Belegung für die neu hinzugefügten Arbeitssysteme die Erstbelegung darstellt, sind die Ausstattungsinvestitionen für diese Arbeitssysteme bereits in den Anschaffungsinvestitionen enthalten. Die gesamten Auszahlungen für Belegungswechsel in einer Periode t, im Modell über die reellwertigen Variablen KtBW repräsentiert, errechnen sich nach den Gleichungen BW,Anl 5.88. Dabei stellen die reellwertigen Variablen Kbit die in Periode t für die Integra- tion des Produkts b in Anlage i anfallenden produktspezifischen BelegungswechselAuszahlungen dar. KtBW = BW,Anl Kbist ∀ t ∈ [1, ..., T ] (5.88) s∈S p∈P i∈IpN F b∈Bip BW,Anl Die Variablen Kbist errechnen sich nach den Ungleichungen 5.89. Immer wenn ein Produkt neu auf einer Anlage produziert werden soll (d.h. Wbit − Wbit−1 = 1), fallen für jedes in Periode t bereits vorhandene Arbeitssystem produktspezifische Ausstattungsinvestitionen (Parameter kbwbijq ) an. Die Anzahl der in Periode t bereits vorhandenen + Arbeitssysteme errechnet sich über die Differenz der Variablen Nijqst und Nijqst . BW,Anl ≥ Kbist + kbwbijq · Nijqst − Nijqst j∈Jiq q∈Qp ⎛ −⎝ ⎞ kbwbijq · ⎠ nAnzAS,max ijq · [1 − (Wbit − Wbit−1 )] j∈Jiq q∈Qp ∀ b ∈ Bip , i ∈ IpN F , p ∈ P, t ∈ [1, ..., T ] (5.89) Auszahlungen für Demontagekosten Die periodenbezogenen Gesamtkosten für die Demontage von Arbeitssystemen (reellwertige Variablen KtDem ) errechnen sich nach den Ungleichungen 5.90 aus − der Anzahl der deinstallierten Arbeitssysteme (Variablen Nijqst ) und den für die Demontage eines Arbeitssystems des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i am Standort s anfallenden Kosten für Abbau, Entsorgung etc. (Parameter kdijqs ). Dabei wird die Annahme getroffen, dass keine Verlagerung oder Weiterveräußerung der bH demontierten Arbeitssysteme erfolgt. Auch wird angenommen, dass die Auszahlungen G m für Demontagekosten in lokaler Währung am Standort s erfolgen, weshalb diese (c )V er la g D r. K ov ac Auszahlungsart dem Wechselkurseinfluss unterliegt. 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 238 KtDem = kdijqs − · Nijqst ∀ t ∈ [1, ..., T ] wk st s∈S p∈P q∈Q i∈I j∈J p 5.2.2.2 p (5.90) iq Auszahlungen für fixe und variable Produktionssystemkosten sowie für Personalkosten Auszahlungen für fixe Anlagen- und Standortbetriebskosten Der Betrieb von Anlagen und Standorten verursacht Auszahlungsarten, die von den Produktionsmengen weitestgehend unabhängig sind und daher als Auszahlungen für fixe Kosten anzusehen sind. Die periodenbezogenen Gesamtauszahlungen für die fixen Kosten des Betriebs der Anlagen im Produktionssystem (Variablen KtAnl ) werden mit den Gleichungen 5.91 berechnet. Sie basieren auf fixen, standortspezifischen Betriebskosten je Arbeitssystem (Parameter kasijqs ). Diese Auszahlungen beinhalten z.B. Sachkosten für Wartung und Instandhaltung oder Versicherungen und werden in lokaler Währung am Standort s angegeben, weshalb bei der Berechnung der fixen Anlagenbetriebskosten Wechselkurse beachtet werden müssen. KtAnl = kasijqs · Nijqst ∀ t ∈ [1, ..., T ] wkst s∈S p∈P q∈Q i∈I j∈J p p (5.91) iq Als Bezugsgröße für die Berechnung der Auszahlungen für fixe Standortbetriebskosten (für Energie, Wasser, Reinigung, Wartung und Instandhaltung, Werkssicherheit etc.) in Periode t (KtStand ) wird die Standortgröße angenommen. Diese wird anhand der Gesamt-Brutto-Grundrissfläche des Standorts, ausgedrückt über die reellwertigen Variablen GFst , gemessen. Dazu werden standortspezifische Kostensätze je Quadratmeter Brutto-Grundrissfläche (Parameter kws ) eingeführt. Auch hier müssen Wechselkurse beachtet werden, da diese Auszahlungen in lokaler Währung am Standort s erfolgen (Gleichungen 5.92). KtStand = kws · GFst ∀ t ∈ [1, ..., T ] wkst s∈S (5.92) Auszahlungen für variable Sachkosten 1. Auszahlungen für Produktionskosten: Bei der Produktion fallen Auszahlungen für variable Produktionskosten (KtP rod ) an, bH z.B. für Hilfs- und Betriebsstoffe oder Energie. Der Kostensatz je hergestellter Ein- (c )V er la g D G ac r. K ov Art des Produkts und der eingesetzten Produktionsanlage ab und wird aufgrund der m heit des Produkts b auf Anlage i am Standort s, Parameter kprbis , hängt von der 5.2 Mathematische Modellformulierung 239 lokalen Beschaffung der Verbrauchsfaktoren in lokaler Währung angegeben, weshalb die Wechselkurse am Standort s beachtet werden müssen. Multipliziert mit den entsprechenden Produktionsmengen in einer Periode t und über die einzelnen Produkte, Anlagen und Standorte aufsummiert, ergibt dies die gesamten variablen Produktionskosten des Produktionssystems in der betreffenden Periode (Gleichungen 5.93). KtP rod = kprbis · Xbist ∀ t ∈ [1, ..., T ] wkst s∈S p∈P i∈I b∈B p (5.93) ip 2. Auszahlungen für Transportkosten: Die periodenbezogenen Gesamtauszahlungen für Transportkosten (Variablen KtM F ) ermitteln sich über das transportierte Volumen der fremdbezogenen Materialien (VaM at Z E riablen Rglst ), Zwischenprodukte (Variablen Rbŝst ) und Endprodukte (Variablen Rbsct ) im Produktionsnetzwerk. Die Transportkosten einer Einheit setzen sich zusammen aus dem Transportvolumen einer Einheit, das sich aus den Abmessungen des Ladungsträgers und der Ladungsdichte ergibt (Parameter volg bzw. volb ), multipliziert mit einem ursprungs- und zielstandortabhängigen Transportkostensatz je Volumeneinheit [GE Standort s/m3 ]. Die Transportkostensätze werden mit den Parametern tpkαβ bezeichnet. Der Index α referenziert dabei den versendenden Standort, d.h. die Beschaffungsregion l ∈ L oder den Produktionsstandort s ∈ S. Der Index β kennzeichnet den empfangenden Standort, d.h. den Produktionsstandort s ∈ S (im Falle von Zwischenprodukten) oder den Kundenstandort c ∈ C (im Falle von Endprodukten). Für Material und Zwischenprodukte werden die Parameter tpkαβ in der lokalen Währung des empfangenden Standorts s ∈ S quantifiziert, für Endprodukte in der lokalen Währung des versendenden Standorts s ∈ S. Dieser Logik liegt eine Landed Costs“-Perspektive ” zugrunde, d.h. das betrachtete Produktionssystem trägt alle Kosten, um das Produkt an einem bestimmten End-Kundenstandort verfügbar zu machen (siehe hierzu bspw. Meyer, 2006a, S. 21). Bei der Berechnung der Auszahlungen für Transporte müssen Wechselkurse berücksichtigt werden (Gleichungen 5.94). volg · tpkls M at · Rglst wk st g∈G l∈L s∈S volb · tpkŝs Z + · Rbŝst wkst Z b∈B s∈S ŝ∈S End · Rbsct ∀ t ∈ [1, ..., T ] (5.94) g D r. K ov ac G m bH p∈P End b∈Bp s∈S c∈C wkst er la + p volb · tpksc )V p∈P (c KtM F = 240 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 3. Auszahlungen für Zoll- und internationale Transaktionskosten: Zölle und andere Kosten für internationale Transaktionen erhöhen die Bezugskosten für Material und Zwischenprodukte und verteuern die Belieferung der Endkunden. Im Modell stellen die Parameter kztαβγ approximative Kostensätze für Zoll- und Transaktionskosten von grenzüberschreitenden Materialflüssen dar. Je nach Art des Materialflusses repräsentiert der Index α das transportierte Gut (g ∈ G oder b ∈ B), der Index β den Ursprungsstandort (l ∈ L oder s ∈ S) und der Index γ den Zielstandort (s ∈ S oder c ∈ C). Aufgrund der Landed Costs“-Perspektive werden ebenfalls mögliche Im” portzölle an den Kundenstandorten getragen, d.h. die Zoll- und Transaktionskosten werden in der lokalen Währung des Material oder Zwischenprodukte empfangenden Standorts s ∈ S bzw. des Endprodukte versendenden Standorts s ∈ S angegeben. Die Parameter kztαβγ berücksichtigen indirekt die Transferpreise der transportierten Güter, die ursprungs- und zielstandortabhängigen Zolltarife und Wechselkurse sowie approximativ zu erwartende, Zollnachlässe (z.B. Zollrückerstattungen), die nicht explizit modelliert werden (siehe Abschnitt 4.3). Da die Zoll- und Transaktionskosten in der lokalen Währung eines Standorts s anfallen, müssen Wechselkurse zur Konvertierung in Euro berücksichtigt werden. KtZoll = kztgls M at · Rglst wkst kztbŝs g∈G l∈L s∈S + p∈P Z + b∈Bp s∈S ŝ∈S wkst Z · Rbŝst kztbsc p∈P End b∈Bp s∈S c∈C wkst End · Rbsct ∀ t ∈ [1, ..., T ] (5.95) Auszahlungen für Personalkosten Die Auszahlungen für Personalkosten (KtP ers ) setzen sich aus den Kosten für Primär-, Sekundär- und Overheadpersonal zusammen und beinhalten Stammpersonal und Zeitarbeitskräfte. Die einzelnen Personalarten besitzen unterschiedliche, standortund schichtmodellspezifische Personalkostensätze (primäres Stammpersonal: kpPs E , primäre Zeitarbeitskräfte: kpPs L , sekundäres Stammpersonal: kpSE s , sekundäre ZeitarO beitskräfte: kpSL s , Overheadpersonal: kps ). Diese Kostensätze werden als Jahresent- gelt in lokaler Währung an den einzelnen Standorten angegeben. Mittels standortund schichtmodellabhängiger Zuschlagssätze (Parameter zums ) kann der Schichtmodelleinfluss auf das Personalentgelt im Primärlohnbereich modelliert werden. (c )V er la g D m G ac r. K ov primäres Stammpersonal, kf rsSE für sekundäres Stammpersonal und kf rsO für Over- bH Darüber hinaus müssen Kosten für die Freistellung von Stammpersonal (kf rsP E für 5.2 Mathematische Modellformulierung 241 headpersonal) berücksichtigt werden, die ebenfalls in den lokalen Währungen der einzelnen Standorte angegeben werden. Unter Berücksichtigung der entsprechenden Wechselkurse errechnen sich die Variablen KtP ers nach den Gleichungen 5.96. KtP ers = 1 SE SL SL O O kpSE s · P Ast + kps · P Ast + kps · P Ast + wk st s∈S E L (1 + zums ) · kpPs E · P APmst + (1 + zums ) · kpPs L · P APmst m∈M +kf rsP E m∈M · PstP E,− + kf rsSE · PstSE,− + kf rsO · PstO,− ∀ t ∈ [1, ..., T ] 5.2.2.3 (5.96) Restwerte von Anlagen- und Strukturinvestitionen Der gesamte, auf den Planungszeitpunkt t = 0 abgezinste Restwert (RWT ) errechnet sich nach Gleichung 5.97. Dabei repräsentieren die Variablen RWisAnl die kalkulatorischen Restwerte am Planungshorizontende von neu in Betrieb genommenenen Anlagen oder erweiterten alten Anlagen an einem Standort s. Die Variablen RWsGrund stehen für die Restwerte neu erworbener Grundstücke am Standort s, die Variablen PF RWhs für die Restwerte neuer Produktionsstrukturen eines Flächentyps h an einem Standort s und die Variablen RWsLF für die Restwerte neuer Lagerstrukturen an einem Standort s (jeweils am Planungshorizontende). Alle Restwert-Variablen sind reellwertig. ⎛ RWT = 1 (1 + zs)T −1 ·⎝ RWisAnl + s∈S p∈P i∈Ip + s∈S RWsLF RWsGrund s∈S + (5.97) PF RWhs s∈S h∈H Restwerte von Anlagen Der Restwert am Planungshorizontende einer neu in Betrieb genommenen Anlage oder einer erweiterten alten Anlage am Standort s errechnet sich nach Gleichung 5.98. Anl Dabei quantifizieren die Parameter rwijqt den Anteil der Anschaffungsinvestitionen eiAnl nes Arbeitssystems des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i, Parameter invijq , der bei einer Anschaffung in Periode t am Planungshorizontende T als kalkulatori- bH Anl zeitabhängig sind, können unscher Restwert angesetzt wird. Da die Parameter rwijqt ac G m terschiedliche, arbeitssystemtypspezifische Restwertfunktionen (linear, degressiv oder (c )V er la g D r. K ov progressiv fallend) modelliert werden. 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 242 Bei modular rekonfigurierbaren Anlagen muss aber nicht jedes neu installierte Arbeitssystem auch bis zum Planungshorizontende in der Anlage verbleiben. Daher muss bei der Restwertberechnung die Anzahl der in Periode t neu hinzugefügten, aber bei einem späteren Rückbau im Planungshorizont wieder entfernten Arbeitssysteme berücksich+,still tigt werden. Für diese Arbeitssysteme werden die reellwertigen Variablen Nijqst ein- geführt. Durch Subtraktion der neuen, aber später wieder entfernten Arbeitssysteme + von den insgesamt in Periode t neu hinzugefügten Arbeitssystemen (Variablen Nijqst ) kann die für die Restwertberechnung relevante Anzahl an Arbeitssystemen ermittelt werden. Durch Aufsummieren der Restwerte aller neuen und bis zum Planungshorizontende verbleibenden Arbeitssysteme ergibt sich der Restwert der Gesamtanlage. RWisAnl = +,still + Anl Anl rwijqt · invijq · Nijqst − Nijqst t∈[1,...,T ] q∈Qp j∈Jiq ∀i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S (5.98) +,still Die Variablen Nijqst errechnen sich aus den Ungleichungsgruppen 5.99 und 5.100. Die Summe aus der Anzahl der zum Planungszeitpunkt t = 0 bereits vorhandenen Arbeitssysteme, Parameter nijqs , und der Summe der bis einschließlich Periode +,still t hinzugefügten und wieder entfernten Arbeitssysteme ( tt̂=1 Nijqs ) muss mindest̂ tens so groß sein wie die Gesamtzahl der bis Periode t deinstallierten Arbeitssysteme − ( tt̂=1 Nijqs ). t̂ nijqs + t t̂=1 +,still Nijqs ≥ t̂ t − Nijqs ∀j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.99) t̂ t̂=1 Die Anzahl der in Periode t hinzugefügten und wieder entfernten Arbeitssysteme +,still Nijqst kann dabei maximal so groß sein wie die Gesamtzahl der in Periode t installier+ ten Arbeitssysteme Nijqst (Ungleichung 5.100). +,still + ≤ Nijqst ∀j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] Nijqst (5.100) Die Auswahl, wieviele Arbeitssysteme aus welcher Installations-Periode wieder entfernt werden, erfolgt indirekt über die Zielfunktion. Die Zielfunktion versucht allgemein die Auszahlungsterme zu minimieren und die Restwertterme zu maximieren. Da der Restwert eines Arbeitssystems in der Regel umso geringer ist, je früher es installiert bH wurde, werden bei einem Rückbau der Anlage die Arbeitssysteme in der Reihenfol- (c )V er la g D G ac r. K ov die ältesten der im Planungshorizont hinzugefügten Arbeitssysteme. Nur die jüngsten m ge ihrer Installation wieder entfernt, d.h. zuerst die bereits vorhandenen und dann 5.2 Mathematische Modellformulierung 243 Arbeitssysteme, die den höchsten Restwert am Planungshorizontende aufweisen, verbleiben in der Anlage. Restwerte von Grundstücken Die Restwerte der neu erworbenen Grundstücke an den einzelnen Standorten erGrund geben sich aus den Gleichungen 5.101. Die Parameter rwst repräsentieren die Anteile der in Periode t getätigten Investitionen in Grundstücke an den Standorten s, die als kalkulatorische Restwerte am Ende des Planungshorizonts angesetzt werden. Die Grundstücksinvestitionen in Periode t am Standort s errechnen sich analog zu Gleichungen 5.84 aus den Flächenerweiterungen für Produktions- und Lagerbereiche (F APhstF,+ bzw. F ALF,+ ) unter Berücksichtigung der Flächenzuschlagssätze st für Nebennutzungs-, Funktions-, Verkehrs- und Konstruktionsflächen (bg P bzw. bg L ), multipliziert mit den Parametern für Grundstücksinvestitionen (invsGrund ). Bei der Berechnung der Grundstücks-Restwerte müssen die standortspezifischen Wechselkurse berücksichtigt werden. RWsGrund = Grund rwst · t∈[1,...,T ] invsGrund · wkst bg L · F ALF,+ + bg P · st F APhstF,+ h∈H ∀s∈S (5.101) Restwerte von Gebäude und Werksinfrastrukturen 1. Produktionsbereiche Die Restwerte neuer Gebäude und Werksinfrastrukturen des Flächentyps h am StandPF ort s ergeben sich aus den Gleichungen 5.102. Hier bezeichnen die Parameter rwhst den Anteil der in Periode t getätigten Investitionen in Gebäude und Werksinfrastrukturen, der als kalkulatorischer Restwert am Ende des Planungshorizonts angesetzt wird. Auch hier können unterschiedliche, flächentypabhängige Restwertfunktionen modelliert werden. Da die Strukturinvestitionen in der lokalen Währung der einzelnen Standorte betrachtet werden (siehe die Gleichungen 5.85), werden auch bei der Restwertberechnung die jeweiligen Wechselkurse berücksichtigt. PF RWhs = t∈[1,...,T ] PF rwhst · P BGF invhs · bg P · F APhstF,+ ∀h ∈ H, s ∈ S wkst (5.102) 2. Lagerbereiche Die Restwerte neuer Lagergebäude und der entsprechenden technischen Gebäude- m bH ausstattung am Standort s werden mittels der Gleichungen 5.103 berechnet. In diesen (c )V er la g D r. K ov ac G LF Gleichungen bezeichnen die Parameter rwst den Anteil der in Periode t getätigten 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 244 Investitionen in Lagergebäude und der entsprechenden technischen Gebäudeausstattung, der als kalkulatorischer Restwert am Ende des Planungshorizonts angesetzt wird. Wie schon bei den Anlagen oder den Produktionsstrukturen können auch für die Lagerbereiche verschiedene Restwertfunktionen angesetzt werden. Ferner müssen auch hier die standortspezifischen Wechselkurse berücksichtigt werden. RWsLF = t∈[1,...,T ] 5.2.3 LF rwst · invsLBGF · bg L · F ALF,+ ∀s ∈ S st wkst (5.103) Erzeugung problemspezifischer Modellvarianten Um aus dem in Abschnitt 5.2 beschriebenen Basismodell angepasste Modellvarianten für unterschiedliche Fragestellungen der strategischen Produktionssystemplanung zu erzeugen, können vier grundlegende Modifikationsmöglichkeiten unterschieden werden. Ausblenden von Zielgrößen und Entscheidungsfeldern Durch das Entfernen der entsprechenden Variablen, Parameter und Nebenbedingungen aus dem Basismodell können nicht relevante Zielgrößen und Entscheidungsfelder ausgeblendet werden. Abbildung 5.11 veranschaulicht die einzelnen Zielgrößen und Entscheidungsbausteine des Basismodells, die zur Anpassung an die jeweiligen Planungsproblemstellungen ausgeblendet werden können. Diese Ausblendung von Entscheidungsfeldern soll exemplarisch am Beispiel der Materialflussplanung demonstriert werden, die für viele Planungsprobleme auf der Anlagenebene nicht benötigt wird. In Modellvarianten ohne Materialflussplanung entfallen die Parameter für die Bedarfe an den einzelnen Kundenstandorten. Stattdessen werden Periodenproduktionsmengen auf Anlagen- oder Standortebene vorgegeben. Dazu werden die Gleichungen 5.104 bzw. 5.105 neu eingeführt. Auf Anlagenebene repräsentieren die Parameter pmAnlage die Produktionsmengen des Produkts b auf Anlage i am Standort s in Peribist ode t (Gleichungen 5.104). Xbist = pmAnlage ∀b ∈ Bp , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] bist (5.104) bH Über die Gleichungen 5.105 können die Produktionsmengen auf Standortebene fixiert (c )V er la g D G ac ov r. K gen des Produkts b am Standort s in Periode t, die ggf. über das Modell auf mehrere m werden. Die Parameter pmStandort repräsentieren hier die gesamten Produktionsmenbist 5.2 Mathematische Modellformulierung 245 Zielgrößen und Entscheidungsbausteine des Basismodells Zielfunktion Grundstücksinvestitionen (m. Restwert) Produktions- Lagerstrukturinvestitionen strukturinv. (m. Restwert) (m. Restwert) Variable Produktionssachkosten Standortbetrieb Primärpersonalentgelt Anlageninvestitionen (m. Restwert) Demontage von Anlagen Belegungswechsel Sekundärpersonalentgelt Overheadpersonalentgelt Transport Anlagenplanung Anlagenbetrieb Zölle und Transaktionskosten Belegungs-/Flexibilitätsplanung Inbetriebnahme, Stilllegung Technologieauswahl Belegung / Produktionsmengen Mixflexibilität Schichtmodell Kapazitätsquerschnitt Volumenflexibilität Nachfolgeflexibilität Standortplanung Personalplanung Zuordnung Anlage Standort Primärpersonal Werksstrukturplanung Sekundärpersonal Overheadpersonal Leihpersonal (prim./sek.) Materialflussplanung Produktionsflächen Lagerflächen BruttoGrundrissflächen Material (fremdbezogen) Zwischenprodukte Fertigprodukte Abbildung 5.11: Zielgrößen und Entscheidungsbausteine des Basismodells Anlagen des Standorts verteilt werden können. Xbist = pmStandort ∀b ∈ Bp , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] bst (5.105) i∈Ip Die mit der Materialflussplanung zusammenhängenden Variablen, Parameter und Restriktionen (Ungleichungen 5.60 bis 5.65) sowie die entsprechenden Zielfunktionsterme für Transport-, Zoll- und Transaktionskosten (Gleichungen 5.94 und 5.95) können entfallen. Aggregation der Anlagenplanung Mit der im Basismodell beschriebenen detaillierten Modellierung von Anlagen als eine Menge ergänzender und/oder ersetzender Arbeitssysteme können neben der bH Anlagenlaufzeit auch die Kapazitätsdeterminanten Intensität und Kapazitätsquer- (c )V er la g D G ac r. K ov lagenmodellierung können somit alle vier der in Abbildung 5.11 dargestellten m schnitt als Freiheitsgrade abgebildet werden. Modellvarianten mit detaillierter An- 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 246 Entscheidungsbausteine der Anlagenplanung, d.h. Inbetriebnahme/Stilllegung, Technologieauswahl, Kapazitätsquerschnitt und Schichtmodell beinhalten. Dabei besteht die Technologieauswahl sowohl in der Auswahl alternativer Anlagen als auch in der Konfiguration der Anlagen über die Auswahl der Art der Arbeitssysteme. Dies ermöglicht bspw., wie in der Fallstudie in Abschnitt 6.2 beschrieben, die simultane Optimierung der installierten Kapazität, des Schichtmodells und des Automatisierungsgrades einer Motormontagelinie. Diese Art der Anlagenmodellierung ist aber in der Regel für Fragestellungen auf der Netzwerkebene zu detailliert. Für solche Planungsprobleme ist es zweckmäßiger, eine gröbere Betrachtung der Anlagen vorzunehmen, da die Aufgabe darin besteht, die hinsichtlich Technologie, Kapazität und Flexibilität optimale Anlagenausstattung des Produktionssystems auszuwählen sowie die optimalen Anlagenbelegungen und -standorte zu bestimmen. Dabei müssen die entsprechenden Auswirkungen auf die Materialflüsse, die Werksstrukturen und das Personal berücksichtigt werden. Dies ist in der Fallstudie in Abschnitt 6.1 dargestellt Für Planungsprobleme auf der Netzwerkebene ist daher eine Betrachtung von Anlagenmodulen, die zur Kapazitätserhöhung parallel zu einer Gesamtanlage zusammengeschaltet werden können (semi-aggregierte Anlagenmodellierung mit vorgegebenen Intensitäten, aber variablen Kapazitätsquerschnitten), oder von bereits vollständigen, nach Best Practice Standards vorkonfigurierten Anlagen (aggregierte Anlagenmodellierung mit vorgegebenen Intensitäten und Kapazitätsquerschnitten) geeigneter: • Semi-aggregierte Anlagenmodellierung: Die Intensitäten der Anlagen sind bei dieser Variante vorgegeben, aber die Kapazitätsquerschnitte verbleiben noch als Freiheitsgrade. Hierzu werden vorkonfigurierte Anlagenmodule betrachtet, die über nicht-binäre, ganzzahlige Variablen zur Kapazitätserhöhung parallel zu einer Gesamtanlage zusammengeschaltet werden können. So kann bspw. eine gesamte Anlage für die Herstellung von 300.000 Einheiten eines bestimmten Produkts aus drei identisch aufgebauten Anlagenmodulen mit einer Kapazität von je 100.000 Einheiten bestehen. Die semi-aggregierte Anlagenmodellierung beinhaltet ebenfalls alle vier der in Abbildung 5.11 dargestellten Entscheidungsbausteine der Anlagenplanung, wobei die Technologieauswahl nur noch über die Anlagenauswahl erfolgen kann. Eine Optimierung der Anlagenkonfiguration auf Arbeitssystemebene ist hier nicht mehr möglich. • Aggregierte Anlagenmodellierung: bH Sowohl die Intensität als auch der Kapazitätsquerschnitt der Anlage sind nun vor- (c )V er la g D r. K ov ac G m gegeben. Die Anlagen sind nach Best Practice Standards vollständig vorkonfiguriert. Ihre Kapazitäten können lediglich über die Anlagenlaufzeit variiert werden. 5.2 Mathematische Modellformulierung 247 Die aggregierte Anlagenplanung besteht somit in der Auswahl geeigneter Anlagen (Technologieauswahl), deren Inbetriebnahme bzw. Stilllegung sowie in der Schichtmodellauswahl. Die drei beschriebenen Aggregationsstufen der Anlagenmodellierung sind in Abbildung 5.12 grafisch dargestellt. Aggregationsstufen des Modells aggregiert Arbeitssystem Typ 1.2 Anlage 2 Prozessschritt n Arbeitssystem Typ n.1 Arbeitssystem Typ n.2 Anlagenmodul 1 Arbeitssystem Typ 1.1 Arbeitssystem Typ 2.1 Arbeitssystem Typ 3.1 Prozessschritt 1 Arbeitssystem Typ 1.1 Anlage 2 Arbeitssystem Typ 1.1 Anlage 1 semi-aggregiert detailliert Anlage 1 Prozessschritt 1 Arbeitssystem Typ 1.2 Arbeitssystem Typ 2.1 Arbeitssystem Typ n.1 Arbeitssystem Typ n.2 Anlagenmodul 2 Arbeitssystem Typ 1.1 Anlage 1 Arbeitssystem Typ 1.1 Prozessschritt n Arbeitssystem Typ 2.1 Arbeitssystem Typ 3.1 Anlage 2 Arbeitssystem Typ 3.1 Arbeitssystem Typ 1.1 Arbeitssystem Typ 2.1 Arbeitssystem Typ 3.1 Abbildung 5.12: Aggregationsstufen der Anlagenmodellierung In Modellvarianten mit (semi-)aggregierter Anlagenplanung kann die Indexmenge J (Menge der Arbeitssystemtypen) entfallen. Ebenfalls kann die Indexmenge Q (Menge der Prozessschritte) entfallen, da je Anlage nur ein aggregierter Prozessschritt betrachtet wird, wie z.B. die gesamte Motormontage. Durch den Entfall der Indexmengen J und Q beziehen sich die arbeitssystemtypspezifischen Parameter, die im detaillierten Modell mit ijq indiziert waren, nun auf die Anlagenmodule bzw. die gesamte Anlage und werden auf der (semi-)aggregierten Ebene bH nur noch mit i indiziert. Die Informationen über die Arbeitssysteme, aus welchen sich (c )V er la g D G ac ov r. K dellen nur noch indirekt über die entsprechend verdichteten Anlagen(modul)parameter m eine Anlage/ein Anlagenmodul zusammensetzt, sind in den höher aggregierten Mo- 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 248 Anl enthalten. Während bspw. die Parameter invijq im detaillierten Modell die Investitions- summen für ein Arbeitssystem des Typs j für Prozessschritt q in Anlage i beschreiben, repräsentieren die entsprechenden aggregierten Parameter inviAnl die Anschaffungskosten einer gesamten Anlage bzw. eines Anlagenmoduls i. Sie setzen sich aus der Summe der Investitionen für die einzelnen Arbeitssysteme zusammen, aus welchen die Anlage bzw. das Anlagenmodul aufgebaut ist. Auch die Berechnung der Anlagenkapazitäten muss im aggregierten Modell leicht modifiziert werden. Da nun gesamte Anlagen bzw. Anlagenmodule mit vorgegebener, fixer Konfiguration betrachtet werden, ist auch die Taktzeit vorgegeben und wird nicht länger modellintern über die Bestimmung der Art und Anzahl der Arbeitssysteme einer Anlage festgelegt. Dabei wird die Annahme getroffen, dass jede Anlage bzw. jedes Anlagenmodul eine vordefinierte Taktzeit besitzt, die für alle auf ihr herstellbaren Produkte gilt. Die Taktzeiten werden im Modell über die Parameter für die Produktionsgeschwindigkeit erfasst. Die arbeitssystemtypspezifischen Parameter psijq werden hierfür zu psi aggregiert, die in dieser Interpretation die Produktionsraten der Anlagen bzw. Anlagenmodule in Einheiten je Stunde Anlagenlaufzeit darstellen. Es gilt psi = 1/T aktzeiti . Die Parameter für die produktspezifischen Grundzeiten je Prozessschritt gzbq sowie die Parameter oeeijq und plijq können entfallen, da die Bearbeitungszeiten, die leistungsmindernden Verluste und auch die Parallelbearbeitungsmöglichkeiten bereits in der Anlagentaktzeit berücksichtigt sind. Anl Analog zu den Parametern invijq und psijq werden auch die Parameter kbwbijq , kasijqs , kdijqs , nijqs , nAnzAs,max und prfijqh aggregiert und statt mit (b)ijq(s, h) nur noch mit ijq (b)i(s, h) indiziert. Bei der Betrachtung gesamter Anlagen auf der aggregierten Ebene können die Parameter nis und nAnzAs,max auf den Wert 1 gesetzt werden (nicht aber bei i Anlagenmodulen). Durch den Entfall der Indexmengen J und Q reduziert sich auch die Anzahl der Variablen und Restriktionen erheblich. Die Variablenreduktion betrifft die folgenden Variablen, die im (semi-)aggregierten Modell neu interpretiert werden: • Nijqst → Nist : Anzahl der Anlagen(module) des Typs i am Standort s in Periode t + + → Nist : Anzahl der am Standort s in Periode t hinzugefügten Anla• Nijqst gen(module) des Typs i − − • Nijqst → Nist : Anzahl der am Standort s in Periode t demontierten Anla- gen(module) des Typs i bH • KBijqst → KBist : Kapazitätsbedarf der Anlage/des Anlagenmoduls i am Standort (c )V er la g D r. K ov ac G m s in Periode t 5.2 Mathematische Modellformulierung 249 • KAijqmst → KAimst : Kapazitätsangebot der Anlage/des Anlagenmoduls i in Schichtmodell m am Standort s in Periode t Im Basismodell enthaltene Summen über die Indizes j und q entfallen in den betreffenden (Un-)Gleichungen. Hinsichtlich des Wertebereichs der Variablen Nist muss zwischen semi-aggregierter und aggregierter Modellierung unterschieden werden: • Semi-aggregierte Anlagenmodellierung: Bei der Betrachtung modular aufgebauter Anlagen (semi-aggregierte Anlagenmodellierung) gilt Nist ∈ n +. Die obere Schranke dieser ganzzahligen Variablen ist dabei fallstudienspezifisch anzupassen. • Aggregierte Anlagenmodellierung: Bei der Betrachtung gesamter Anlagen (aggregierte Anlagenmodellierung) besitzen die Variablen Nist den binären Wertebereich [0; 1]. Die Ganzzahligkeitsbedingungen der Variablen Nist können relaxiert werden, wenn die Ungleichungen 5.43 durch die Gleichungen 5.106 ersetzt werden und die Variablen Yit nun explizit als Binärvariablen definiert sind165 . Durch die Relaxation der Variablen Nist kann das Rechenzeitverhalten dieser Modellvarianten verbessert werden. Nist = Yit ∀i ∈ Ip , p ∈ P, t ∈ [1, ..., T ] (5.106) s∈S In den Modellvarianten mit aggregierter Anlagenmodellierung (Nist sind relaxierte Binärvariablen) können des Weiteren folgende Modellvereinfachungen vorgenommen werden: – Die Restriktionen zum Auf- und Rückbau von Anlagen mit fixen installierten Kapazitäten (Ungleichungen 5.37 bis 5.41) können entfallen. – Da grundsätzlich keine Erweiterungen möglich sind, weder mit den alten noch mit neuen Arbeitssystemtypen, können die Gleichungen 5.42 entfallen. – Da die neue reellwertige Variable mit binärem Wertebereich Nist die Informationen der Binärvariablen Vis und Yit enthält, können die Ungleichungen 5.87 zur Berechnung der Planungs-, Anlauf- und Sonderkosten bei der Erstinbetriebnahme von Anlagen wie folgt vereinfacht werden (Ungleichungen m (5.107) )V er la g D r. K ov Im Gegensatz zum Basismodell werden die Variablen Yit hier nicht relaxiert. (c 165 ac G Inb Kist ≥ kiis · (Nist − Nist−1 ) ∀ i ∈ IpN eu , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] bH 5.107): 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 250 – Da nur gesamte Anlagen betrachtet werden, können die Ungleichungen 5.48 bis 5.50 zur Berechnung des Flächenbedarfs von Produktionsanlagen durch die Gleichungen 5.108 ersetzt werden. PF F Bihst = prfih · Nist ∀ i ∈ IpN eu , p ∈ P, h ∈ H, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.108) – Die Berechnung der Anlagenrestwerte kann ebenfalls vereinfacht werden, da aufgrund der Betrachtung gesamter Anlagen keine neu hinzugefügten und im Planungszeitraum wieder entfernten Arbeitssysteme existieren. Die +,still Variablen Nijqst in den Ungleichungen 5.98 entfallen, ebenso wie die Un- gleichungsgruppen 5.99 und 5.100. Aggregation der Schichtmodellauswahl Die periodenbezogene Auswahl des Betriebsschichtmodells einer Anlage über die Variablen Uimt ist ebenfalls nicht für alle Problemstellungen relevant. Die strategische Kapazitätsplanung auf der Produktionsnetzwerkebene basiert in der Regel auf maximalen Anlagenlaufzeiten (Maximalschichtmodelle). In Verbindung mit diesen Maximalschichtmodellen werden über die Anlagenplanung die Maximalkapazitäten des Produktionssystems bestimmt. Auf Basis dieser Maximalkapazitäten können anschließend durch verschiedene kurz- und mittelfristige Maßnahmen auf der operativen oder der taktischen Planungsebene die Anlagenkapazitäten an den tatsächlichen Kapazitätsbedarf angepasst werden (z.B. durch eine Anpassung des aktuellen Betriebs-Schichtmodells oder eine Umtaktung der Linie). Die Maximalschichtmodelle von Anlagen können entweder vorab festgelegt werden oder ihre Auswahl kann in die Optimierung mit einbezogen werden. Während die Optimierung des Maximalschichtmodells sehr leicht dadurch erreicht werden kann, dass bei den Schichtmodellvariablen der Zeitindex t weggelassen wird (Uimt → Uim ), werden bei der Vorab-Fixierung der Maximalschichtmodelle die Binärvariablen Uimt durch die binären Parameter uim ersetzt. Ist Anlage i das Maximalschichtmodell m zugewiesen, so ist uim = 1, sonst 0. Ohne den Zeitbezug entfallen sowohl bei der VorabFixierung als auch bei der Optimierung der Maximalschichtmodelle die Gleichungen 5.28 und 5.29. In Modellvarianten mit Vorab-Fixierung der Maximalschichtmodelle kann bei der Planung der Anlagenkapazitäten das Ungleichungssystem 5.31 bis 5.33 durch die Gleichungen 5.109 ersetzt werden. )V er la g D ov r. K (5.109) (c ∀ j ∈ Jiq , i ∈ Ip , q ∈ Qp , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] ac G m bH KAijqmst = lzms · uim · psijq · plijq · oeeijq · Nijqst 5.2 Mathematische Modellformulierung 251 Durch den Entfall der Variablen Uimt müssen die Ungleichungen 5.66 und 5.67 zur Berechnung des Brutto-Primärpersonalbedarfs durch die modifizierten Ungleichungen 5.110 und 5.111 ersetzt werden. Im Basismodell erfolgte die Berechnung des Mindestpersonals schichtmodellbezogen. Bei der hier diskutierten Aggregation der Schichtmodellauswahl bezieht sich das Mindestpersonal in Ungleichung 5.111 stattdessen auf die Anzahl der benötigten Primärpersonal-Mitarbeiter, die im Ein-Schicht-Betrieb (Minimalschichtmodell) für den Anlagenbetrieb erforderlich sind. Die Organisation der Produktion und des Personaleinsatzes sind bei dieser Modifikationsmöglichkeit taktischoperative Entscheidungen, die auf Basis der Vorgaben aus der strategischen Anlagenplanung und der Maximalschichtmodellauswahl getroffen werden. Das anlagen- und standortabhängige Mindestpersonal im Ein-Schicht-Betrieb wird mit den Parametern pbmin,S1 bezeichnet. is ⎛ ⎞ pbfijq 1 + vzsP + vziS ≥ · uim · ⎝ · KBijqst ⎠ (1 − f zs ) · azms · pps psijq · plijq q∈Q j∈J P P Bimst p iq ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] P ≥ P Bimst pbmin,S1 is (5.110) · uim · Vis − M P · (1 − Yit ) ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.111) Die Ungleichungen 5.68 des Basismodells werden in Modellvarianten mit vorab fixierten Maximalschichtmodellen durch die Ungleichungen 5.112 und 5.113 ersetzt. DaP durch wird sichergestellt, dass P Bimst > 0 nur dann gelten kann, wenn die Anlage i in Periode t betrieben wird und wenn ihr das Maximalschichtmodell m vorab zugewiesen wurde. P P Bimst ≤ M P · Yit ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] (5.112) P ≤ M P · uim ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] P Bimst (5.113) Werden in einer Modellvariante die aggregierte Anlagenmodellierung (Nist sind relaxierte Binärvariablen) und die Vorab-Fixierung der Maximalschichtmodelle über die Parameter uim miteinander kombiniert, können die Ungleichungen 5.111 weiter vereinfacht werden. Da im aggregierten Modell mit gesamten Anlagen die Informationen über Standort und Anlagenbetrieb in den aggregierten reellwertigen Variablen mit binärem )V er la g D ac r. K ov (5.114) (c P P Bimst ≥ pbmin,S1 · uim · Nist ∀ i ∈ Ip , p ∈ P, m ∈ M, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] is G m bH Wertebereich Nist enthalten sind, können sie in den Ungleichungen 5.111 den Term Vis − M P · (1 − Yit ) ersetzen (Ungleichungen 5.114). 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 252 Primärpersonalbedarf (aggregierte Schichtmodellplanung) Personalbedarf Betriebsschichtmodellauswahl und Personaleinsatzplanung auf taktischoperativer Ebene Personalbedarf der Anlage Zeit Produktionsmengenabhängiger Personalbedarf Personalbedarf bei Maximalkapazität (Maximalschichtmodell) Mindestpersonalbedarf im Ein-Schicht-Betrieb Abbildung 5.13: Primärpersonalbedarf (aggregierte Schichtmodellplanung) Modifikationen der Belegungsplanung Auch die periodenbezogene Belegungsplanung ist nicht für alle Fragestellungen relevant. In vielen Fällen sind die Anlagen in Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerksund Antriebsstrangmodule auf ein bestimmtes Produktspektrum ausgelegt. In Modellvarianten für solche produktspezifischen Anlagen werden die Binärvariablen Wbit , welche das Produkt b der Anlage i in Periode t zuordnen, durch die zeitinvarianten Parameter wbi ersetzt. Kann Produkt b auf Anlage i grundsätzlich hergestellt werden, so ist wbi = 1, sonst 0. Durch den Entfall der Variablen Wbit muss in den BasismodellUngleichungen 5.16 die Variable Wbit durch den Parameter wbi ersetzt werden, wodurch sich die Ungleichungen 5.115 ergeben. )V er la g D r. K ov ac G m bH (5.115) (c Xbist ≤ MbX · wbi ∀ b ∈ Bip , i ∈ Ip , p ∈ P, s ∈ S, t ∈ [1, ..., T ] 5.3 Modellimplementierung, Lösungsverfahren und IT-Planungswerkzeug 253 Die Ungleichungen 5.18 bis 5.23 des Basismodells entfallen. Ohne die Belegungsplanung können auch keine Belegungswechselkosten in der Zielfunktion berücksichtigt werden, weshalb die (Un-)Gleichungen 5.88 und 5.89 mit den entsprechenden Parametern und Variablen weggelassen werden können. Statt einem vollständigen Entfall der Belegungsplanung kann diese auch nur auf eine relevante Teilmenge der Anlagen, z.B. die nachfolgeflexiblen Anlagen IpN F , eingeschränkt werden. Für diese Anlagen gelten dann die im Basismodell beschriebenen Ungleichungen. Für die Anlagen ohne Belegungsplanung müssen der Modellvariante die modifizierten Ungleichungen 5.115 hinzugefügt werden. Dabei muss beachtet werden, dass die Gültigkeitsbedingungen der mit der Belegungsplanung verbundenen (Un-)Gleichungen entsprechend anzupassen sind. 5.3 Modellimplementierung, Lösungsverfahren und ITPlanungswerkzeug Für die strategische Planung existieren verschiedene kommerzielle Planungssoftwarepakete (siehe Abschnitt 4.2). Diese erfüllen aber die Anforderungen des in dieser Arbeit betrachteten Planungsproblems nicht in ausreichendem Maße. Die Hauptdefizite bestehen hinsichtlich der Modellierung von Investitionen – siehe hierzu auch F ERBER (2005) – und hinsichtlich der Flexibilität, unternehmensspezifische Planungsfragestellungen abbilden und individuell variieren zu können. Beiden Aspekten kommt aber gerade in dieser Arbeit eine sehr hohe Bedeutung zu. Auch die Anpassungsfähigkeit der kommerziellen Planungssoftware an unternehmensspezifische Datenstrukturen und Schlüsselkennzahlen ist nicht zufriedenstellend oder mit großem Aufwand und hohen Customizing-Kosten verbunden. Für die vorliegende Aufgabenstellung ist daher eine Eigenentwicklung auf Basis algebraischer Modellierungs- und Standardoptimierungssoftware, mit welcher individuell angepasste Modelle für ein breites Spektrum von Fragestellungen der strategischen Produktionssystemplanung für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule erstellt werden können, am geeignetsten. Das Modell ist daher mittels ILOG OPL Studio 3.7.1 in der algebraischen Modellierungssprache OPL 166 implementiert. Zur Lösung des Modells wird der Solver CPLEX 9.1 eingesetzt. Die Berechnung erfolgt mittels des CPLEX MIP Solvers, der auf dem in Abschnitt 2.3.6.1 skizzierten Branch&Bound-Algorithmus basiert. Vor der )V er la g D r. K ov Optimization Programming Language (c 166 ac G m bH Berechnung erfolgt in CPLEX ein sogenanntes Presolve“, über das eine äquivalente, ” aber rechenzeiteffizientere Version des ursprünglichen Modells mit geringerer Anzahl 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 254 an Variablen und Nebenbedingungen erzeugt wird. Die Software ILOG OPL Studio 3.7.1 zielt nicht auf die späteren Anwender des Planungswerkzeugs ab, sondern es handelt sich dabei um eine Entwicklungsumgebung für die softwareseitige Implementierung von Optimierungsmodellen. Eine anwenderorientierte Applikation für die Praxis der strategischen Planung erfordert neben einer solchen Modellentwicklungsumgebung und eines Solvers eine bedienerfreundliche Benutzeroberfläche für die Modellvariantenauswahl, die Dateneingabe und das Anlegen von Planungsprojekten. Als Entscheidungsunterstützungswerkzeug für das Management muss ein praxisorientiertes Planungswerkzeug darüber hinaus Funktionen für die Aufbereitung und Visualisierung der Ergebnisse, wie z.B. Berichtsoder Diagrammgeneratoren, besitzen. Diese Anforderungen können gut mit StandardDatenbanksoftware erfüllt werden, die direkt mit dem Solver verbunden ist. In dieser Arbeit wird die Datenbanksoftware Microsoft Access für die Realisierung des Planungswerkzeugs eingesetzt, die in der Praxis sehr weit verbreitet und standardmäßig auf den meisten PCs installiert ist. Verschiedene Funktionalitäten können einfach mit VBA167 programmiert werden, was für die Anforderungen dieser Arbeit ausreichend ist. VBA-Kenntnisse sind ebenfalls relativ weit verbreitet und nicht hochspezifisch, weshalb Modifikationen des Planungswerkzeugs einfach und kostengünstig durchgeführt werden können. Zur Lösung eines Planungsproblems muss der Anwender mit dem IT- Planungswerkzeug folgende acht Schritte durchführen: 1. Auswahl einer Modellvariante 2. Eingabe allgemeiner Planungsdaten 3. Anlegen der relevanten Produktionssystemelemente 4. Anlegen eines Planungsprojekts / Festlegung der Freiheitsgrade 5. Eingabe szenarioabhängiger Daten 6. Initialisierung 7. Berechnung 8. Ergebnisse anzeigen Das Hauptmenü des Planungswerkzeugs ist dementsprechend aufgebaut (Abbildung )V er la g D r. K ov Visual Basic for Applications (Programmiersprache für Microsoft Office Anwendungen) (c 167 ac G m bH 5.14). 5.3 Modellimplementierung, Lösungsverfahren und IT-Planungswerkzeug 255 Abbildung 5.14: Hauptmenü des Planungswerkzeugs Ausgehend vom Hauptmenü kann der Anwender im Planungswerkzeug mittels Schaltflächen und weiterer Masken alle relevanten Schritte zur Lösung eines Planungsproblems durchführen. In Abbildung 5.15 sind exemplarisch zwei weitere Masken des Planungswerkzeugs abgebildet. Die Erstellung eines praxis- und anwenderorientierten Planungswerkzeugs auf der Grundlage eines flexibel anpassbaren Optimierungsmodells erweist sich dabei aber als schwierig. Um aus dem Basismodell planungsproblemspezifische Modellvarianten ableiten zu können, werden Grundkenntnisse der gemischt-ganzzahligen Programmierung benötigt, über welche die meisten Anwender in der Regel nicht verfügen. Um nun aber ein vielseitiges und gleichzeitig auch anwenderfreundliches Planungswerkzeug realisieren zu können, werden die wichtigsten Modellvarianten vorab erzeugt, implementiert und ihre Anwendungsbereiche und Eigenschaften beschrieben. Je nach Fragestellung kann der Anwender die passende Modellvariante über eine entsprechende Maske auswählen. Anwender mit den entsprechenden Operations Research Kenntnissen können dagegen die volle Flexibilität des Basismodells ausschöpfen und daraus (c )V er la g D r. K ov ac G m bH ein breiteres Spektrum von Modellvarianten ableiten. 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes )V er la g D r. K ov ac G m bH Abbildung 5.15: Masken des Planungswerkzeugs (c 256 5.3 Modellimplementierung, Lösungsverfahren und IT-Planungswerkzeug 257 In der Datenbank können in einem zweiten und dritten Schritt planungsrelevante Daten über verschiedene Eingabeformulare einfach und effizient erfasst werden. Die Eingabeformulare werden automatisch an die Datenstruktur der zuvor ausgewählten Modellvariante angepasst. Zunächst werden die allgemeinen Planungsdaten, wie z.B. die Anzahl der Planungsperioden oder der Zinssatz, eingegeben. Danach kann der Anwender die Daten der Produktionssystemelemente (Produkte, Standorte, Anlagen, Arbeitssystemtypen, Kunden etc.) erfassen. Bereits angelegte Planungsprojekte können leicht modifiziert und für neue Fragestellungen angepasst werden, z.B. durch Löschen von nicht länger benötigten Modellelementen oder Kopieren und Modifizieren ähnlicher Datensätze. Hierzu verfügen die Dateneingabeformulare über Schaltflächen für die Durchführung von Datensatzoperationen. In Abbildung 5.16 ist beispielhaft ein Eingabeformular für Arbeitssystemtypdaten dargestellt. Auf Basis der eingegebenen Daten werden im vierten Schritt Planungsprojekte angelegt. In Zuordnungsformularen können z.B. die Belegungs-, Standort- oder Schichtmodellmöglichkeiten einer Anlage einfach durch das Setzen von Kontrollkästchen erweitert oder eingeschränkt werden. Dies ermöglicht eine flexible Handhabung der Freiheitsgrade des Planungsprojekts, um sowohl Optimierungs- als auch Simulationsfragestellungen beantworten zu können. In Abbildung 5.17 ist dies für die Zuordnung von Anlagen zu Standorten dargestellt. Nicht alle erforderlichen Daten werden in den Schritten zwei und drei erfasst. Die Eingabe einiger Parameter ist erst dann sinnvoll, nachdem das Planungsprojekt angelegt ist und somit die Freiheitsgrade festgelegt sind. Dazu zählen bspw. die Planungs-, Anlauf- und Sonderkosten einer Anlage i am Standort s (kiis ). Für diese Parameter müssen nur die Daten für die möglichen oder explizit gewählten Anlagen-StandortKombinationen eingegeben werden. Über entsprechende Abfragen und Filter werden dem Anwender nur die zu erfassenden Datensätze in der Eingabemaske angezeigt. Die Parameter der unzulässigen Kombinationen werden automatisch genullt. Die Eingabe dieser szenarioabhängigen Daten erfolgt im fünften Schritt. Nachdem für ein Planungsprojekt die Modellelemente, Freiheitsgrade und alle Daten angelegt wurden, wird ein Initialisierungsmodul aufgerufen, mit welchem die Berechnung vorbereitet wird. Dieses Modul ist in VBA geschrieben und integriert eine Vielzahl von Datenbankabfragen. Über dieses Initialisierungsmodul werden zunächst die eingegebenen Daten und Freiheitsgrade automatisch plausibilisiert und der Anwender auf eventuell vorhandene Fehler und Inkonsistenzen hingewiesen. So wird z.B. überprüft, ob für eine angelegte Anlage entsprechende Standort- und Schichtmodellmöglichkei- bH ten definiert sind. Im Falle des Auftretens von Fehlern wird eine Fehlerprotokoll-Datei (c )V er la g D r. K ov ac G m erzeugt, über welche der Anwender seine Eingaben gezielt überprüfen und die Fehlerursache schnell eingrenzen kann. 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes Dateneingabefelder Schaltflächen für Datensatzoperationen )V er la g D r. K ov ac G m bH Abbildung 5.16: Eingabeformular für Arbeitssystemtypdaten (c 258 5.3 Modellimplementierung, Lösungsverfahren und IT-Planungswerkzeug Optimierung Durch das Setzen der Kontrollkästchen „möglich“ können Freiheitsgrade hinsichtlich der Anlagen-StandortZuordnung geschaffen werden. Hier existieren für das flexible Fertigungssystem vier Standortalternativen. Der optimale Anlagenstandort wird über das Modell bestimmt. 259 Simulation Durch das Setzen des Kontrollkästchens „explizit gewählt“ beim Standort „AT“ wird dieser vorab festgelegt. Die Anlage wird vom Modell ausgewählt, und dem Standort „AT“ zugewiesen. Hinsichtlich der Anlagen-StandortZuordnung bestehen bei dieser Anlage keine Freiheitsgrade mehr. Abbildung 5.17: Zuordnungsformular Anlage-Standort Nach der Plausibilitätsprüfung werden die Parameter für das Einlesen in CPLEX entsprechend strukturiert und die im Planungsprojekt definierten Freiheitsgrade auf die Variablen übertragen, die dadurch entweder vorab fixiert werden oder frei bleiben. Basis eines Berechnungslaufes mit CPLEX bilden eine Modell-Datei (*.modDatei) und eine Daten-Datei (*.dat-Datei). Für jede typische Fragestellung ist eine spezifische Modell-Datei angelegt, die vom Anwender im ersten Schritt über das IT- m bH Planungswerkzeug ausgewählt wird. Diese Datei ist unabhängig von der konkreten (c )V er la g D r. K ov ac G Instanz eines Planungsproblems und wird vom Anwender in der Regel nicht verändert. 5 Entwicklung eines modellgestützten Planungsansatzes 260 Im Gegensatz dazu ist die Daten-Datei fallstudienspezifisch und wird für jedes Planungsproblem im Rahmen der Initialisierung automatisch generiert. Diese Datei enthält die Indexmengen, welche die Struktur des modellierten Planungsproblems abbilden. Die erforderlichen Parameter sind dabei aber nicht in der Daten-Datei enthalten, sondern werden von CPLEX direkt aus der Datenbank eingelesen. Microsoft Access und CPLEX sind zu diesem Zweck über eine ODBC168 -Schnittstelle miteinander verbunden. Die Berechnung mit CPLEX kann ebenfalls über eine Schaltfläche des Planungswerkzeugs gestartet werden. Nach erfolgter Berechnung werden die Ergebnisse über die ODBC-Schnittstelle wieder in die Datenbank zurückgeschrieben. Dort werden sie anschließend weiter verarbeitet und es können verschiedene managementrelevante Kennzahlen, Diagramme und Berichte erzeugt werden. Die Visualisierung basiert dabei auf Pivot-Diagrammen, mit welchen die Ergebnisse schnell und flexibel aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellt werden können. Beispiele für diese Diagramme sind in Kapitel 6 bei der Beschreibung der Fallstudien dargestellt. Die Struktur des entwickelten Planungswerkzeugs ist in Abbildung 5.18 zusammengefasst. EDV-Layout des Planungswerkzeugs Datenbanksoftware ILOG OPL Studio / CPLEX Modellauswahl Fallstudienstruktur (*.dat) Dateneingabe MIP Modell (*.mod) Initialisierung Planungsprojekt anlegen Kennzahlen, Diagramme, Berichte Parameter, fixierte Variablen Ergebnisaufbereitung Ergebnisse O D B C ILOG CPLEX (Presolve, MIP Solver) )V er la g D r. K ov Open Database Connectivity (c 168 ac G m bH Abbildung 5.18: Technisches Layout des Planungswerkzeugs 5.3 Modellimplementierung, Lösungsverfahren und IT-Planungswerkzeug 261 Das entwickelte Planungswerkzeug zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: • Hohe Flexibilität des Modells für die Beantwortung von Fragestellungen auf unterschiedlichen Produktionssystemebenen • Einfache, schnelle und übersichtliche Datenerfassung mittels Eingabemasken • Schnelles Anlegen und Modifizieren von Planungsprojekten auf Basis der erfassten Daten über das Setzen von Kontrollkästchen in Zuordnungsformularen • Flexible Handhabung von Freiheitsgraden für die Beantwortung von Optimierungs- und Simulationsfragestellungen • Automatische Plausibilitätsüberprüfung der Daten und Freiheitsgrade bei der Initialisierung • Effiziente Durchführung der Berechnungen mit Standard-Solvern • Schnelle und einfache Variationen von Parametern (z.B. für Sensitivitätsanalysen) • Erzeugung vieler Zwischenergebnisse bei der Berechnung für eine gute Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz der Ergebnisse • Übersichtliche und managementgerechte Darstellung der Ergebnisse und zentralen Kennzahlen in Berichten und Diagrammen • Standardisierte Planungsmethodik zur Verbesserung der Transparenz und Vergleichbarkeit verschiedener Planungsprojekte • Vereinfachte Wartung und Anpassbarkeit durch den Einsatz von Standard- (c )V er la g D r. K ov ac G m bH software g er la )V (c ac ov r. K D bH m G Kapitel 6 Fallstudien Gegenstand dieses Kapitels ist die Demonstration des in dieser Forschungsarbeit entwickelten Planungsansatzes und seiner flexiblen Einsatzmöglichkeiten für verschiedene Fragestellungen der strategischen Produktionssystemplanung. Darüber hinaus wird eine aus dem Basismodell erzeugte Modellvariante anhand des Vergleichs mit einem realen Beispiel validiert. Zur Demonstration des flexiblen Einsatzes werden zwei fiktive Fallstudien auf unterschiedlichen Produktionssystemebenen vorgestellt. In Abschnitt 6.1 wird der Einsatz des Modells für die Weiterentwicklung eines globalen Produktionsnetzwerks für Motoren und ihre in Eigenfertigung hergestellten Kernkomponenten gezeigt. Die zweite Fallstudie, die in Abschnitt 6.2 beschrieben ist, befasst sich mit der Planung einer neuen Motormontagelinie hinsichtlich ihrer Konfiguration und der Auswahl eines geeigneten Schichtmodells in den einzelnen Produktionsperioden. Zur Validierung wird in Abschnitt 6.3 eine reale Motormontagelinie der BMW Group im Modell nachgebildet und es wird gezeigt, dass die reale Konfiguration mit der errechneten sehr gut übereinstimmt. 6.1 Optimierung eines Produktionsnetzwerks für Motoren In diesem Abschnitt wird eine Fallstudie zur Weiterentwicklung eines bestehenden Produktionssystems für Motoren vorgestellt ( Brownfield“-Fallstudie). Bei dieser Fall” studie stehen die Anlagen- und die Produktionsnetzwerkebene im Vordergrund der (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Betrachtungen (siehe Abbildung 6.1). 6 Fallstudien 264 Netzwerk Werke Untersuchungsbereich Fallstudie: Optimierung eines Motorenproduktionsnetzes Produktionsanlagen Arbeitssysteme Abbildung 6.1: Untersuchungsbereich Motorenproduktionsnetzwerk Folgende Fragestellung soll beantwortet werden: Wie sollte das Motorenproduktionssystem hinsichtlich Produktionsnetzwerk, Anlagenausstattung und Personal weiterentwickelt werden, um Kapazitätsengpässe bei zwei bestehenden Dieselmotor-Baureihen optimal beseitigen und zwei neue 4-Zylinder-Benzinmotor-Baureihen optimal integrieren zu können? Die Fallstudie konzentriert sich auf die Entscheidungsfelder Anlagen-/Technologieauswahl, Standortwahl und Belegungsplanung (für nachfolgeflexible Anlagen). Die Auswirkungen dieser Entscheidungen auf die Materialflüsse, Werksstrukturen und das Personal werden ebenfalls betrachtet. Dabei wird eine sog. Deltabetrachtung“ durchgeführt, ” d.h. es werden nur diejenigen Elemente des Produktionssystems im Modell abgebildet, für die im Planungshorizont unmittelbar Entscheidungen anstehen bzw. die mittelbar durch anstehende Entscheidungen betroffen sein könnten. Sowohl die Fragestellungen als auch die verwendeten Daten der Fallstudie sind fiktiv. Dennoch handelt es sich dabei um Fragestellungen von hoher Praxisrelevanz, da sie von realen Planungsprojekten und aktuellen Trends in der Automobilindustrie inspiriert sind. Auch die Größenordnungen der Daten sowie die Komplexität der Fallstudie sind (c )V er la g D r. K ov ac G m bH mit realen Planungsproblemen bei Premiumherstellern vergleichbar. 6.1 Optimierung eines Produktionsnetzwerks für Motoren 6.1.1 265 Beschreibung der Ausgangssituation Im Folgenden werden die Rahmenbedingungen und die zentralen Annahmen für die Optimierung des Motorenproduktionsnetzwerks dargestellt: • Planungshorizont und Zinssatz: Der Planungshorizont beträgt zehn Jahre (T = 10) und die Periodenlänge ein Jahr. Als Zinssatz für die Diskontierung der Auszahlungen werden 20% angesetzt. • Produktionsprogramm und Eigenleistungstiefe: Es wird angenommen, dass im Planungshorizont zwei neue Motorbaureihen anlaufen. Ab Periode t = 3 ersetzt ein neuer 4-Zylinder-Benzinmotor (MOT R4BNF) den bisher produzierten 4-Zylinder-Benzinmotor (MOT R4B). In Periode t = 5 wird zusätzlich eine zweite, kleine 4-Zylinder-Benzinmotor-Baureihe (MOT kR4B) eingeführt. Neben dem Anlauf von zwei neuen Produkten entstehen im Planungshorizont aufgrund gestiegener Absatzprognosen bei den zwei bestehenden Motorbaureihen 4-Zylinder-Diesel (MOT R4D) und 6-Zylinder-Diesel (MOT R6D) Kapazitätsengpässe – sowohl in der Montage als auch in der Einzelteilefertigung. Darüber hinaus wird der Auslauf einer V8-Benzinmotor-Baureihe (MOT V8B) zum Ende der Periode t = 3 betrachtet, da die frei werdenden Flächen für den Aufbau neuer Anlagen genutzt werden können. Für alle genannten Motorbaureihen werden jeweils die Motormontage sowie die Fertigung der Vorprodukte Zylinderkopf, Kurbelwelle und Kurbelgehäuse betrachtet. Jede Motorbaureihe benötigt eine spezifische Vorproduktbaureihe, von welcher, je nach Stücklistenbeziehung, mehrere Einheiten erforderlich sein können. So benötigt bspw. ein V8-Benzinmotor zwei V8-Benzin-Zylinderköpfe. Im Modell werden somit die 4 Produktgruppen Motor, Zylinderkopf, Kurbelwelle und Kurbelgehäuse mit insgesamt 24 Produkten (16 bestehende und 8 neue) unterschieden. In dieser Fallstudie werden die Pleuel und Nockenwellen, die ebenfalls zu den fünf zentralen Komponenten eines Motors zählen, nicht in Eigenfertigung hergestellt und fremd bezogen. Die weiteren Kaufteile für die Motormontage (z.B. Ventile, Kolben, Ölpumpen, Abgaskrümmer etc.) werden zu zwei Kaufteilegruppen zusammengefasst. Die Rohteile für die Fertigung der Kernkomponenten (Guss- bH bzw. Schmiedeteile) werden im Modell aggregiert und es wird je Vorproduktgrup- ac G m pe ein Rohteiletyp (z.B. Zylinderkopf-Rohling) abgebildet, der ebenfalls zugekauft (c )V er la g D r. K ov wird. Im Modell werden somit sieben Kaufteilegruppen abgebildet. 6 Fallstudien 266 • Internationales Produktionsnetzwerk: Die Kaufteile können aus den drei Lieferantenregionen Deutschland, Österreich und USA zugekauft werden. Pleuel, Nockenwellen sowie Rohteile für Zylinderköpfe, Kurbelwellen und Kurbelgehäuse können von deutschen und US-amerikanischen Lieferanten bezogen werden. Von den beiden MotorKaufteilegruppen kann eine aus Deutschland und die andere aus Österreich zugekauft werden. Beide Motor-Kaufteilegruppen können außerdem aus den USA bezogen werden. Die Produktion der Motoren und ihrer Vorprodukte kann an den fünf Standorten Deutschland (D), Österreich (AT), Frankreich (FR), Tschechien (CZ) und USA erfolgen. An den Standorten Deutschland, Österreich und Frankreich werden zum Planungszeitpunkt bereits Motoren hergestellt. Die Kunden der Motoren sind sechs Fahrzeugwerke in Deutschland (vier Werke), Frankreich und den USA. Die Motorenbedarfe in den einzelnen Fahrzeugwerken schwanken. Das relevante Produktionsnetzwerk ist in Abbildung 6.2 dargestellt. Da es sich um ein internationales Produktionsnetzwerk handelt, müssen für den Standort USA Wechselkurse berücksichtigt werden. Grenzüberschreitende Materialflüsse zwischen den USA und den restlichen EU-Standorten verursachen Zoll- und Transaktionskosten. • Anlagen: In dieser Fallstudie ist eine Menge nach Best-Practice-Standards vordefinierter Anlagen vorgegeben (aggregierte Planungsebene), d.h. Konfiguration, Taktzeit, Automatisierungsgrad, Produktionsfläche, Investitionen, Personalbedarf etc. sind vorab festgelegt und werden über das Modell nicht verändert. Aus dieser Anlagenmenge gilt es das optimale Anlagenportfolio auszuwählen und den Produktionsstandorten im Netzwerk zuzuordnen. Die Variablen für die Anzahl der Arbeitssysteme (Nist ) sind in dieser Fallstudie somit Binärvariablen. Für die kapazitive Auslegung der neuen Anlagen wird die Annahme getroffen, dass die kapitalintensiven Fertigungsanlagen auf das Maximalschichtmodell Drei-Schicht-Betrieb (S3) und die wesentlich personalintensiveren Montageanlagen auf den Zwei-Schicht-Betrieb (S2) ausgelegt werden. Belegungsflexible Produktionsanlagen werden als uneingeschränkt mixflexibel angenommen. Da sich neu installierte flexible Anlagen sowie neue Werksstrukturen über den Planungshorizont hinaus auswirken, müssen entsprechende Restwerte berücksichtigt wer- (c )V er la g D r. K ov ac G m bH den. Eine vorzeitige Stilllegung neuer Anlagen wird hier nicht betrachtet. 6.1 Optimierung eines Produktionsnetzwerks für Motoren 267 Produktionsnetzwerk für Motoren Lieferantenregion Produktionsstandort Fahrzeugwerk Abbildung 6.2: Produktionsnetzwerk für Motoren Für die Montage der beiden neuen 4-Zylinder-Benzinmotoren, MOT R4BNF und MOT kR4B, existieren folgende Möglichkeiten: – Umbau der bestehenden, nachfolgeflexiblen 4-Zylinder-Benzin- Montagelinie (MML MOT R4B) am Standort FR für die Produktion des R4BNF-Motors – Je Motorbaureihe: Installation einer neuen, hoch automatisierten Montagelinie (MML MOT kR4B hochaut, MML MOT R4BNF hochaut) am Standort FR, D oder AT – Je Motorbaureihe: Installation einer neuen, gering automatisierten Montagelinie (MML MOT kR4B geraut, MML MOT R4BNF geraut) in Tschechien – Installation einer neuen, flexiblen 4-Zylinder-Benzinmotor-Montagelinie (MML MOT FLEX R4BNF kR4B) für beide Baureihen am Standort D, FR, bH AT oder CZ ac G m – Aufbau einer neuen, flexiblen 4-Zylinder-Diesel-/Benzinmotor-Montagelinie (c )V er la g D r. K ov (MML MOT FLEX R4BNF R4D) am Standort D, FR, AT, CZ oder USA 6 Fallstudien 268 – Aufbau einer neuen, vollflexiblen Motormontagelinie für alle Benzin- und Dieselmotoren (MML MOT VOLLFLEX) am Standort D, AT oder USA Für die Zylinderkopf-, Kurbelwellen- und Kurbelgehäusefertigung der neuen 4-Zylinder-Benzinmotoren stehen je Baureihe zwei Anlagen unterschiedlicher Technologie zur Auswahl (z.B. FA ZK R4BNF OPT1 und FA ZK R4BNF OPT2 für die Fertigung des R4BNF-Zylinderkopfes). Diese alternativen Anlagen können jeweils an den vier Produktionsstandorten D, FR, AT oder CZ eingesetzt werden. Außerdem kann die bestehende, nachfolgeflexible 4-Zylinder-Benzin- Zylinderkopf-Fertigungsanlage (FA ZK R4B) am Standort FR für die Produktion des R4BNF-Zylinderkopfes umgebaut werden. Für die Fertigung der Zylinderköpfe und Kurbelgehäuse aller Benzin- und Dieselmotor-Baureihen können darüber hinaus noch neue, vollflexible Fertigungsanlagen (MML MOT ZK VOLLFLEX bzw. MML MOT KG VOLLFLEX) an den Standorten D, AT oder USA installiert werden. Die bestehenden Fertigungsanlagen am Standort FR für die Kernteile des alten 4-Zylinder-Benzinmotors (FA ZK R4B, FA KW R4B und FA KG R4B) sind nicht nachfolgeflexibel und können daher nicht weiter für die Nachfolgeprodukte genutzt werden. Die durch die Demontage der alten Anlagen frei werdenden Produktionsflächen können am Standort FR für den Aufbau neuer Linien genutzt werden. Für die Kapazitätserweiterung in der Montage der Dieselmotoren stehen neben dem Einsatz der bereits beschriebenen flexiblen 4-Zylinder-Diesel-/BenzinmotorMontagelinie und der vollflexiblen Montagelinie weitere Alternativen zur Auswahl: – Ausbau der bestehenden Dieselmotor-Montagelinie (MML MOT RxD) am Standort AT – Aufbau einer neuen Dieselmotor-Montagelinie (MML MOT ZUSATZ R4B) am Standort D, AT oder CZ Zur Kapazitätserweiterung für die Fertigung der Dieselmotor-Vorprodukte bestehen neben den bereits beschriebenen vollflexiblen Zylinderkopf- und Kurbelgehäuse-Fertigungsanlagen folgende weitere Möglichkeiten: – Ausbau der bestehenden Anlagen (FA ZK RxD, FA KW RxD und FA KG RxD) am Standort AT bH – Zusätzliche Anlagen (FA ZK ZUSATZ RxD, FA KW ZUSATZ RxD und (c )V er la g D r. K ov ac G m FA KG ZUSATZ RxD) am Standort D, AT oder CZ 6.1 Optimierung eines Produktionsnetzwerks für Motoren 269 Die Ausbauoptionen der Motormontagelinien oder Fertigungsanlagen werden im Modell als virtuelle Anlagen abgebildet (z.B. MML MOT AUSBAU RxD), deren Parameter die bestehenden Anlagen im ausgebauten Zustand repräsentieren. Über zusätzliche Restriktionen wird sichergestellt, dass nur die bisherige oder die ausgebaute Anlage gewählt werden kann. • Werksstrukturen: In dieser Fallstudie werden an den Produktionsstandorten keine verschiedenen Flächenarten unterschieden. Stattdessen wird von Gebäude- und Flächenstrukturen ausgegangen, die flexibel sowohl für Montagebereiche als auch für die Einzelteilefertigung eingesetzt werden können. Frei werdende Flächen können somit für alle Anlagentypen genutzt werden. Hinsichtlich der Werksstrukturen wird die Annahme getroffen, dass die Standorte zum Planungszeitpunkt über keine freien Produktionsflächen verfügen und ggf. erweitert werden müssen. Außerdem wird angenommen, dass an den bereits genutzten Standorten Deutschland, Österreich und Frankreich allgemeine Lagerflächen vorhanden sind, die von allen Produkten des Standorts genutzt und mit den im Planungshorizont entstehenden Lagerflächenbedarfen verrechnet werden können. Restriktionen hinsichtlich maximal zulässiger Standorterweiterungen werden nicht betrachtet. • Personal: Neben Primärpersonalkapazitäten wird ebenfalls das erforderliche Sekundärund Overheadpersonal betrachtet. Der Bedarf an Sekundär- und OverheadpersoV nal wird über entsprechende produkt- und standortspezifische Kennzahlen (dfbis V für Overheadpersonal und sfbis für Sekundärpersonal) aus dem gesamten Pro- duktionsvolumen des jeweiligen Standorts errechnet. Die Berechnung des Personalbedarfs basiert auf den zum Planungszeitpunkt an den bestehenden Standorten bereits vorhandenen Personalkapazitäten für die Herstellung der bestehenden Produkte. Darüber hinaus wird die Annahme getroffen, dass zum Planungszeitpunkt an den bestehenden Standorten kein weiteres freies Personal vorhanden ist. In dieser Fallstudie werden keine Personalüberhänge betrachtet. Die Anpassung der Personalkapazitäten im betrachteten Teilproduktionssystem erfolgt somit über die Zuordnung neuen Personals (aus anderen Unternehmensbereichen oder über Einstellungen) bzw. über die Verlagerung von Personal in andere Bereiche des betrachteten Unternehmens (keine Freistellungskosten). Die Fallstudie ist in ihrer Größe und Komplexität mit realen Planungsproblemstellungen bH bei Premiumherstellern vergleichbar. Die Freiheitsgrade der Produktionssystemkonfi- (c )V er la g D r. K ov ac G m guration sind in den Tabellen 6.1 und 6.2 dargestellt. 6 Fallstudien 270 Tabelle 6.1: Konfigurationsmöglichkeiten für Motoren und Kurbelgehäuse Anlage neu nachfolgeflexibel Belegung Standort Max.Schichtmodell Motor (MOT) MML_MOT_AUSBAU_RxD + - BR_MOT_R4D, BR_MOT_R6D MML_MOT_FLEX_R4BNF_kR4B + - BR_MOT_R4BNF, BR_MOT_kR4B MML_MOT_FLEX_R4BNF_R4D + - MML_MOT_kR4B_geraut + MML_MOT_kR4B_hochaut S2 BR_MOT_R4BNF, BR_MOT_R4D AT AT, DE, CZ, FR AT, DE, CZ, FR, USA - BR_MOT_kR4B CZ S2 + - BR_MOT_kR4B AT, DE, FR S2 MML_MOT_R4B - + BR_MOT_R4B, BR_MOT_R4B_NF FR S2 MML_MOT_R4BNF_geraut + - BR_MOT_R4B_NF S2 MML_MOT_R4BNF_hochaut + - BR_MOT_R4B_NF CZ AT, DE, FR, USA S2 MML_MOT_RxD - - BR_MOT_R4D, BR_MOT_R6D AT S2 MML_MOT_V8B - - DE S2 MML_MOT_VOLLFLEX + - BR_MOT_V8B BR_MOT_R4BNF, BR_MOT_kR4B, BR_MOT_R4D, BR_MOT_R6D AT, DE, USA S2 MML_MOT_ZUSATZ_RxD + - BR_MOT_R4D, BR_MOT_R6D AT, DE, CZ S2 S2 S2 Kurbelgehäuse (KG) FA_KG_AUSBAU_RxD + - BR_KG_R4D, BR_KG_R6D AT S3 FA_KG_FLEX_R4BNF_kR4B + - BR_KG_R4BNF, BR_KG_kR4B S3 FA_KG_kR4B_OPT1 + - BR_KG_kR4B FA_KG_kR4B_OPT2 + - BR_KG_kR4B AT, DE, CZ AT, DE, CZ, FR AT, DE, CZ, FR FA_KG_R4B - - BR_KG_R4B FA_KG_R4BNF_OPT1 + - BR_KG_R4BNF FA_KG_R4BNF_OPT2 + - FA_KG_RxD - S3 BR_KG_R4BNF - BR_KG_R4D, BR_KG_R6D AT S3 DE S3 AT, DE, USA S3 AT, DE, CZ FA_KG_V8B - - + - BR_KG_V8B BR_MOT_R4BNF, BR_MOT_kR4B, BR_MOT_R4D, BR_MOT_R6D FA_KG_ZUSATZ_RxD + - BR_KG_R4D, BR_KG_R6D S3 S3 S3 )V er la g D r. K ov ac G m bH 2-Schicht-Betrieb 3-Schicht-Betrieb (c S2: S3: S3 FR AT, DE, CZ, FR, USA AT, DE, CZ, FR, USA FA_KG_VOLLFLEX MML: Motormontagelinie FA: Fertigungsanlage RxD: R4D und R6D S3 6.1 Optimierung eines Produktionsnetzwerks für Motoren 271 Tabelle 6.2: Konfigurationsmöglichkeiten für Kurbelwellen und Zylinderköpfe Anlage neu nachfolgeflexibel Belegung Standort Max.Schichtmodell Kurbelwelle (KW) ANL_KW_AUSBAU_RxD + - BR_KW_R4D, BR_KW_R6D AT S3 ANL_KW_FLEX_R4BNF_kR4B + - BR_KW_R4BNF, BR_KW_kR4B S3 ANL_KW_kR4B_OPT1 + - BR_KW_kR4B ANL_KW_kR4B_OPT2 + - BR_KW_kR4B AT, DE, CZ AT, DE, CZ, FR AT, DE, CZ, FR ANL_KW_R4B - - BR_KW_R4B ANL_KW_R4BNF_OPT1 + - BR_KW_R4BNF ANL_KW_R4BNF_OPT2 + - ANL_KW_RxD - ANL_KW_V8B ANL_KW_ZUSATZ_RxD S3 S3 S3 BR_KW_R4BNF FR AT, DE, CZ, FR, USA AT, DE, CZ, FR, USA - BR_KW_R4D, BR_KW_R6D AT S3 - - BR_KW_V8B DE S3 + - BR_KW_R4D, BR_KW_R6D AT, DE, CZ S3 S3 S3 Zylinderkopf (ZK) ANL_ZK_AUSBAU_RxD + - BR_ZK_R4D, BR_ZK_R6D AT S3 ANL_ZK_FLEX_R4BNF_kR4B + - BR_ZK_R4BNF, BR_ZK_kR4B S3 ANL_ZK_kR4B_OPT1 + - BR_ZK_kR4B ANL_ZK_kR4B_OPT2 + - BR_ZK_kR4B AT, DE, CZ AT, DE, CZ, FR AT, DE, CZ, FR ANL_ZK_R4B - + BR_ZK_R4B ANL_ZK_R4BNF_OPT1 + - BR_ZK_R4BNF ANL_ZK_R4BNF_OPT2 + - ANL_ZK_RxD - ANL_ZK_V8B - ANL_ZK_VOLLFLEX + ANL_ZK_ZUSATZ_RxD + S3 BR_ZK_R4BNF FR AT, DE, CZ, FR, USA AT, DE, CZ, FR, USA - BR_ZK_R4D, BR_ZK_R6D AT S3 - DE S3 - BR_ZK_V8B BR_MOT_R4BNF, BR_MOT_kR4B, BR_MOT_R4D, BR_MOT_R6D AT, DE, USA S3 - BR_ZK_R4D, BR_ZK_R6D AT, DE, CZ S3 S3 S3 er la g D r. K ov ac G m bH 2-Schicht-Betrieb 3-Schicht-Betrieb )V S2: S3: S3 (c FA: Fertigungsanlage RxD: R4D und R6D S3 6 Fallstudien 272 6.1.2 Verwendete Modellvariante und Lösung Zur Lösung dieser Fallstudie wird eine Modellvariante eingesetzt, in welcher die Anlagen vollständig vorkonfiguriert sind (die Variablen Nist sind relaxierte Binärvariablen). Die Planung des Kapazitätsquerschnitts von Produktionsanlagen und die Modellierung von Volumenflexibilitäten ist mit dieser aggregierten Anlagenmodellierung nicht möglich. Die Schichtmodellplanung ist ausgeblendet und anlagenbezogene Maximalschichtmodelle sind als Daten vorgegeben. Bis auf die Leihpersonalplanung sind alle sonstigen Entscheidungsfelder des Basismodells in der Modellvariante enthalten. Die Belegungsplanung ist dabei auf die nachfolgeflexiblen Anlagen beschränkt. Die verwendete Modellvariante ist in Abbildung 6.3 grafisch dargestellt, dabei sind die relevanten Zielgrößen und Entscheidungsbausteine grau hervorgehoben. Modellvariante für die Fallstudie: Optimierung eines Motorenproduktionsnetzes Zielfunktion Grundstücksinvestitionen (m. Restwert) Produktions- Lagerstrukturinvestitionen strukturinv. (m. Restwert) (m. Restwert) Variable Produktionssachkosten Standortbetrieb Primärpersonalentgelt Anlagenplanung Anlageninvestitionen (m. Restwert) Demontage von Anlagen Belegungswechsel Sekundärpersonalentgelt Overheadpersonalentgelt Transport Anlagenbetrieb Zölle und Transaktionskosten Belegungs-/Flexibilitätsplanung Inbetriebnahme, Stilllegung Technologieauswahl Belegung / Produktionsmengen Mixflexibilität Schichtmodell Kapazitätsquerschnitt Volumenflexibilität Nachfolgeflexibilität Standortplanung Personalplanung Zuordnung Anlage Standort Primärpersonal Werksstrukturplanung Sekundärpersonal Overheadpersonal Leihpersonal (prim./sek.) Materialflussplanung Lagerflächen Aktiver Modellbaustein BruttoGrundrissflächen Material (fremdbezogen) Zwischenprodukte Fertigprodukte Inaktiver Modellbaustein bH Produktionsflächen (c )V er la g D r. K ov ac G m Abbildung 6.3: Modellvariante für die Optimierung eines Motorenproduktionsnetzes 6.1 Optimierung eines Produktionsnetzwerks für Motoren 273 Insgesamt besitzt die Netzwerk-Fallstudie nach der Durchführung von CPLEX Presolve mehr als 8.400 Variablen (davon ca. 400 Binärvariablen), fast 12.300 Nebenbedingungen und eine Matrix mit knapp 37.500 Nicht-Null-Elementen. Die Fallstudie kann trotz der hohen Anzahl ganzzahliger Variablen effizient in ca. 1.300 s mit CPLEX gelöst werden. Bis auf den Systemparameter MIP emphasis indicator (in der Kategorie MP General) wurden die Standardeinstellungen von CPLEX verwendet. Der MIP emphasis indicator wurde auf die Einstellung Emphasize feasibility over optimality 169 gesetzt, wodurch die Rechenzeit der vorliegenden Fallstudie gegenüber der Standardeinstellung Balance feasibility and optimality verbessert werden konnte. 6.1.3 Ergebnisse der Optimierung Der Optimierungslauf ergibt einen Kapitalwert der Auszahlungen von 519 Mio. e für die Weiterentwicklung des betrachteten Produktionssystems. Zur Produktion des R4BNF-Motors wird die bestehende, nachfolgeflexible R4B-MotorMontagelinie (MML MOT R4B) am Standort FR umgebaut. Da deren Kapazität jedoch nicht ausreicht, wird eine neue, flexible 4-Zylinder-Benzinmotor-Montagelinie (MML MOT FLEX R4BNF kR4B) eingesetzt, auf welcher die restlichen R4BNFUmfänge zusammen mit den kR4B-Motoren hergestellt werden. Diese neue Motormontagelinie wird aufgrund der geringen Lohnkosten am Standort Tschechien installiert. In Abbildung 6.4 ist die Verteilung der Produktionsstückzahlen des R4BNFMotors auf die beiden gewählten Anlagen dargestellt. Diese Abbildung ist gleichzeitig ein Beispiel für die automatisch erzeugten Pivot-Diagramme des entwickelten ITPlanungstools. Neben der in Abbildung 6.4 dargestellten Produktsicht können mit dem zugrunde liegenden Pivot-Diagramm die Produktionsstückzahlen auch aus Anlagen- oder Standortsicht angezeigt werden. Die Fertigung der Kernkomponenten Zylinderkopf, Kurbelwelle und Kurbelgehäuse erfolgt ebenfalls am Standort CZ. Dazu werden die folgenden Anlagen eingesetzt: • Vorprodukte der kR4B-Motorbaureihe: FA KG kR4B OPT2, FA KW kR4B OPT1, FA ZK kR4B OPT1 • Vorprodukte der R4BNF-Motorbaureihe: (c )V er la g D m G ac ov r. K Mit dieser Einstellung können gute zulässige Lösungen sehr schnell gefunden werden. In der Regel wirkt sich diese Einstellung nachteilig auf die Rechenzeit bis zum Beweis der Optimalität aus (vgl. ILOG, 2005, S. 29). Hier erwies sich diese Einstellung aber als vorteilhaft, obwohl bei der Fallstudie auf der Anlagenebene (Abschnitt 6.2) mit der Einstellung Emphasize optimality over feasibility die besten Rechenzeiten erreicht wurden. bH FA KG R4BNF OPT1, FA KW R4BNF OPT1, FA ZK R4BNF OPT1 169 6 Fallstudien 274 FR Abbildung 6.4: Produktionsstückzahlverteilung des R4BNF-Motors Im Gegensatz zur Motormontagelinie wird die Nachfolgeflexibilität der bestehenden R4B-Zylinderkopf-Fertigungsanlage (FA ZK R4B) für die Integration des R4BNFZylinderkopfes nicht genutzt und die Anlage in Periode t = 4 stillgelegt. Zur Befriedigung des erhöhten Bedarfs an 4- und 6-Zylinder-Dieselmotoren werden sowohl in der Motormontage als auch in der mechanischen Fertigung der Kernkomponenten Zylinderkopf, Kurbelwelle und Kurbelgehäuse die bestehenden Anlagen am Standort AT in Periode t = 5 ausgebaut. Abbildung 6.5 zeigt die Ergebnis-Matrix der Zuordnung von Anlagen zu Standorten, wie sie mit der Visualisierungskomponente des Planungswerkzeugs automatisch generiert wird. In dieser Abbildung sind nur die in der optimalen Lösung enthaltenen Anlagen und Standorte dargestellt. Obwohl an den Standorten D und FR durch den Auslauf alter Anlagen Flächen frei werden, führen die geringen Lohnkosten in Tschechien dazu, dass alle neuen Anlagen an diesem Standort installiert werden. Die dortigen Lohnkostenvorteile überkompensieren auch die höheren Logistikkosten. Trotz der Zoll- und Transaktionskosten für Importe in die USA, der hohen ÜberseeLogistikkosten, des günstigen Wechselkursverhältnisses zwischen US-Dollar und Euro bH und des geringeren Lohnniveaus in den USA lohnt sich der Aufbau von Produktions- (c )V er la g D r. K ov ac G nario nicht. m anlagen am Standort USA zur Versorgung des dortigen Fahrzeugwerks in diesem Sze- 6.1 Optimierung eines Produktionsnetzwerks für Motoren 275 Abbildung 6.5: Ergebnis-Matrix der Zuordnung von Anlagen zu Standorten Die optimale Produktionssystemstruktur und die Produktionsmengen sind in Tabelle (c )V er la g D r. K ov ac G m bH 6.3 zusammengefasst. 6 Fallstudien 276 Tabelle 6.3: Ergebnisse der Netzwerkfallstudie Periodenproduktionsmenge [TE] Anlage Standort Belegung 1 MOT_R4D MOT_R6D MOT_R4BNF MOT_kR4B MOT_R4B MOT_R4BNF MOT_R4D MOT_R6D MML_MOT_AUSBAU_RxD AT MML_MOT_FLEX_R4BNF_kR4B CZ MML_MOT_R4B GB FR MML_MOT_RxD AT MML_MOT_V8B DE MOT_V8B FA_KG_AUSBAU_RxD AT KG_R4D KG_R6D FA_KG_kR4B_OPT2 CZ KG_kR4B FA_KG_R4B FR GB KG_R4B 2 3 4 5 6 7 8 9 10 245 240 260 265 265 260 150 155 160 165 165 170 225 250 126 96 76 76 76 76 210 240 260 260 260 260 260 300 100 100 219 259 284 264 269 269 190 195 215 220 105 130 130 130 60 55 50 245 240 260 265 265 260 150 155 160 165 165 170 210 240 260 260 260 260 260 300 FA_KG_R4BNF_OPT1 CZ KG_R4BNF FA_KG_RxD AT KG_R4D KG_R6D 0 0 325 350 345 355 360 340 345 345 FA_KG_V8B DE KG_V8B FA_KW_AUSBAU_RxD AT KW_R4D KW_R6D FA_KW_kR4B_OPT1 CZ KW_kR4B FA_KW_R4B GB FR KW_R4B FA_KW_R4BNF_OPT1 CZ KW_R4BNF FA_KW_RxD AT KW_R4D KW_R6D FA_KW_V8B DE KW_V8B FA_ZK_AUSBAU_RxD AT ZK_R4D ZK_R6D FA_ZK_kR4B_OPT1 CZ ZK_kR4B FA_ZK_R4B FR GB ZK_R4B FA_ZK_R4BNF_OPT1 CZ ZK_R4BNF FA_ZK_RxD AT ZK_R4D ZK_R6D 190 195 215 220 105 130 130 130 FA_ZK_V8B DE ZK_V8B 120 110 100 190 195 215 220 105 130 130 130 60 55 50 245 240 260 265 265 260 150 155 160 165 165 170 210 240 260 260 260 260 260 300 325 350 345 355 360 340 345 345 190 195 215 220 105 130 130 130 60 55 50 245 240 260 265 265 260 150 155 160 165 165 170 210 240 260 260 260 260 260 300 325 350 345 355 360 340 345 345 (c )V er la g D r. K ov ac G m bH FA: Fertigungsanlage MML: Motormontagelinie 6.1 Optimierung eines Produktionsnetzwerks für Motoren 6.1.4 277 Post-optimale Analysen Die Optimierung des Produktionsnetzwerks ergibt, dass alle neuen Anlagen in Tschechien installiert und die Kapazitätsengpässe im Diesel-Bereich über den Ausbau der bestehenden Anlagen beseitigt werden. An den Standorten D und USA wird keine Produktion aufgebaut. Das voranstehend beschriebene Planungsprojekt wird im Folgenden als Basisfallstudie“ bezeichnet. Da diese Basisfallstudie eine große Anzahl ” an Entscheidungen und Parametern enthält, provozieren ihre Ergebnisse eine Vielzahl weiterführender Fragestellungen. Exemplarisch sollen die folgenden Fragestellungen mittels post-optimaler Analysen untersucht werden: • Simulativ orientierte Analyse: Welcher Kapitalwertnachteil ergibt sich, wenn der neue kR4B-Motor am Standort Deutschland produziert wird? • Parametrische Optimierung: – Welche Produktionssystemkonfiguration ergibt sich, wenn die bestehenden Anlagen weder ausgebaut noch für neue Produkte umgebaut werden können? – Wie verändert sich das Produktionssystem, wenn eine Verzinsung von 10% angesetzt wird? • Sensitivitätsanalysen: Wie robust ist die errechnete Produktionssystemkonfiguration im Hinblick auf einen Lohnkostenanstieg in Tschechien und hinsichtlich steigender Zoll- und Transaktionskosten für Importe in die USA? Simulative Analyse170 Soll aus unternehmensstrategischen Gründen die Produktion des kR4B-Motors am Standort Deutschland erfolgen, so würde diese Strategie zu einem Kapitalwert der Auszahlungen von 539 Mio. e führen, 21 Mio. e mehr als in der Basisfallstudie. Auch die Struktur des Produktionssystems würde sich verändern: Da nun keine kR4B-Motoren am Standort CZ gebaut werden, wird dort auch keine flexible 4-Zylinder-Benzinmotor-Montagelinie (MML MOT FLEX R4BNF kR4B) benötigt, wie sie in der Basisfallstudie vorgesehen ist. Stattdessen wird eine flexible 4-Zylinder-Diesel-/Benzinmotor-Montagelinie (MML MOT FLEX R4BNF R4D) am (c )V er la g D m G ac ov r. K Bei dieser simulativ orientierten Analyse handelt es sich um keine echte“ Simulation, d.h. um die Be” rechnung einer vollständig, durch Fixierung aller Variablen vordefinierten Strategie in einem konkreten Umweltszenario. Vielmehr handelt es sich um ein Optimierungsproblem mit stärker eingeschränkten Freiheitsgraden, wobei aber immer noch Optimierungsspielräume verbleiben. Wie bei der Simulation steht aber auch bei dieser post-optimalen Analyse die Frage Was wäre, wenn ...?“ im Vordergrund, ” weshalb sie als simulativ orientierte Analyse bezeichnet wird. bH Standort USA aufgebaut, um das US-Fahrzeugwerk zu versorgen. 170 6 Fallstudien 278 Parametrische Optimierung 1. Auswirkungen unflexibler Anlagen: Sind die bestehenden Anlagen nicht ausbaubar und auch nicht nachfolgeflexibel, so wird für die Produktion der Kernkomponenten Kurbelgehäuse, Kurbelwelle und Zylinderkopf jeweils eine zusätzliche Fertigungsanlage am Standort CZ installiert. Im Bereich der Motormontage wird in Tschechien zusätzlich zur flexiblen 4-ZylinderBenzinmotor-Montagelinie (MML MOT FLEX R4BNF kR4B) eine flexible 4-ZylinderDiesel-/Benzinmotor-Montagelinie (MML MOT FLEX R4BNF R4D) installiert. Verglichen mit der Basisfallstudie ergibt sich für dieses Szenario ein Kapitalwertnachteil von 26 Mio. e. 2. Auswirkungen unterschiedlicher Zinssätze: Bei einer Kapitalwert-Zielfunktion kann die angesetzte Verzinsung einen großen Einfluss auf die Struktur des Produktionssystems haben. Wird der in der Basisfallstudie zugrunde gelegte Zinssatz von 20% auf 10% abgesenkt, so ergibt sich eine Änderung hinsichtlich der optimalen Anlagenausstattung des Produktionssystems: Statt der ursprünglich am Standort CZ gewählten Anlage FA KG kR4B OPT2 wird nun die Anlage FA KG kR4B OPT1 gewählt, die zwar höhere Investitionen (trotz geringerem Produktionsflächenbedarf), aber geringere laufende Personalkosten aufweist (s. Tabelle 6.4). Tabelle 6.4: Zinseinfluss auf die Produktion des kR4B-Kurbelgehäuses Zinssatz [%] 20 10 gewählte Anlage FA KG kR4B OPT2 FA KG kR4B OPT1 Investitionen [Mio. e] 16 18 Fläche [m2 ] 1.400 1.250 Personalbesetzungsfaktor [MA] 6 4 Durch die Senkung des Zinssatzes wird die Betrachtung langfristiger. Zukünftige Auszahlungen werden nicht so stark abgezinst und bekommen ein stärkeres Gewicht. Bezogen auf die Anlage FA KG kR4B OPT2 werden bei einem Zinssatz von 10% die höheren Investitionen der Anlage FA KG kR4B OPT1 durch die geringeren laufenden Personalauszahlungen überkompensiert. Sensitivitätsanalyse Im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse wurden die Parameter für die Lohnkosten in Tschechien sowie für die Zoll- und Transaktionskosten für Importe in die USA inkre- (c )V er la g D r. K ov ac G m bH mentell erhöht: 6.1 Optimierung eines Produktionsnetzwerks für Motoren 279 1. Zoll- und Transaktionskosten: Die Analyse zeigt, dass die Zoll- und Transaktionskosten um bis zu 40% ansteigen können, bevor sich die Produktionssystemstruktur verändert und am Standort USA eine flexible 4-Zylinder-Diesel-/Benzinmotor-Montagelinie (MML MOT FLEX R4BNF R4D) für die Versorgung des US-Fahrzeugwerks aufgebaut wird. In diesem Fall kann der Aufbau der flexiblen 4-Zylinder-BenzinmotorMontagelinie (MML MOT FLEX R4BNF kR4B) in Tschechien 2 Jahre später mit Anlauf des kR4B-Motors in Periode t = 5 erfolgen. Die Kapazität der ausgebauten R4B-Motor-Montagelinie in Frankreich ist ausreichend für die Herstellung der benötigten R4BNF-Motoren in den Perioden t = 3 und t = 4. 2. Lohnkosten in Tschechien: Das Lohnkostenniveau in Tschechien kann andererseits um bis zu 27% ansteigen, ohne dass sich eine Veränderung der Produktionssystemkonfiguration einstellt. Bei einem Anstieg der Lohnkosten um 28% wäre die Installation der Fertigungsanlagen für die kR4B-Kurbelwellen und die R4BNF-Zylinderköpfe am Standort FR vorteilhafter als am Standort CZ. Die Installation der Fertigungsanlage für kR4B-Kurbelwellen am Standort FR führt zwar zunächst zu höheren Personal- und Logistikkosten als in Tschechien, da einerseits das Lohnniveau am Standort FR trotz des Anstiegs am Standort CZ immer noch höher ist und andererseits alle kR4B-Motoren in Tschechien montiert werden. Da am Standort FR aber durch den Auslauf der Einzelteilefertigung für R4BKernteile in Periode t = 3 Flächen frei werden, können durch die Installation der kR4BKurbelwellen-Fertigungsanlage am Standort FR hohe Strukturinvestitionen in Tschechien vermieden werden, was beim gewählten Zinssatz von 20% günstiger ist. Für die Kurbelgehäuse- und Zylinderkopffertigung des kR4B-Motors ist dagegen der Standort CZ trotz freier Flächen in FR immer noch am günstigsten, da diese Komponenten im Vergleich zu den Kurbelwellen aufgrund ihres größeren Transportvolumens höhere Logistikkosten verursachen und eine personalintensivere Fertigung aufweisen. Auch durch die Installation der R4BNF-Zylinderkopffertigung am Standort FR steigen die Personalkosten zunächst an. Da aber der Großteil der R4BNF-Motoren am Standort FR montiert wird, sind die Logistikkosten geringer als bei der Fertigung in Tschechien. Hinzu kommen vermiedene Strukturinvestitionen durch freie Flächen am Standort FR. Für die Fertigung der R4BNF-Kurbelwellen und -Kurbelgehäuse überwiegen jedoch noch die Lohnkostenvorteile in Tschechien, da diese Komponenten im Falle des R4BNF-Motors personalintensiver sind als die Zylinderkopffertigung. Die Sensitivitätsanalyse zeigt, dass die beiden untersuchten Parameter in einem bH großen Wertebereich verändert werden können, ohne dass dies zu einer veränderten G m Produktionssystemkonfiguration führt. Die Basisfallstudie kann somit bezüglich dieser (c )V er la g D r. K ov ac Parameter als robust bezeichnet werden. 6 Fallstudien 280 6.2 Optimierung einer Motormontagelinie 6.2.1 Beschreibung der Ausgangssituation Nachdem in Abschnitt 6.1 die Anwendung des Planungsansatzes auf der Netzwerkebene gezeigt wurde, wird in dieser Fallstudie der Einsatz auf der Anlagenebene demonstriert (siehe Abbildung 6.6). Hierzu wird die im Basismodell beschriebene detaillierte Anlagenmodellierung auf Arbeitssystemebene eingesetzt. Fallstudie: Optimierung einer Motormontagelinie Netzwerk Produktionsanlagen Arbeitssysteme Untersuchungsbereich Werke Abbildung 6.6: Untersuchungsbereich Motormontagelinie Um die Anwendung des Modells auf dieser Produktionssystemebene genauer beschreiben zu können, wird auch hier eine fiktive Fallstudie vorgestellt, deren Parameter ebenfalls in realistischen Größenordnungen liegen. Auch die Fragestellungen in dieser Fallstudie sind trotz ihrer fiktiven Natur von hoher Praxisrelevanz. In der Fallstudie wird eine Motormontagelinie für einen 6-Zylinder-Benzinmotor betrachtet, die in einem deutschen Werk neu aufgebaut werden soll. Mit dieser Fallstudie soll folgende Frage beantwortet werden: In welcher Periode sollen welche und wie viele Arbeitssysteme in der Montagelinie installiert werden und in welchem Schichtmodell soll die Anlage betrieben werden, um den Kapitalwert der Auszahlungen für Anlageninves- bH titionen und Primärpersonalkosten zu minimieren? (c )V er la g D G ac ov r. K turvariablen Yit , Vis , Wbit sind somit vorab fixiert. Die Auswirkungen der Anlagenkonfi- m Produktionszeitraum, Anlagenbelegung und -standort sind hier vorgegeben. Die Struk- 6.2 Optimierung einer Motormontagelinie 281 guration auf die Strukturinvestitionen werden in dieser Fallstudie nicht betrachtet, da die Annahme getroffen wird, dass es keiner Strukturerweiterung am ausgewählten Standort bedarf. Der Lebenszyklus des Motors beträgt zehn Jahre und legt den Planungshorizont fest. Die für die Kapitalwertberechnung angesetzte Verzinsung beträgt 20%. Die Fallstudie basiert auf einem Montage-Produktionsprozess mit 54 Prozessschritten (z.B. Kolben-Pleuel-Montage, Schwungrad-Montage etc.), die mit manuellen Arbeitssystemen (manAS) oder Automatikstationen (autAS) durchgeführt werden können. Aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen können 15 dieser 54 Prozessschritte nur mit manuellen Arbeitssystemen und zwei nur mit Automatikstationen durchgeführt werden, woraus sich ein minimaler und ein maximaler Automatisierungsgrad ergibt. Für die restlichen 37 Prozessschritte bestehen Freiheitsgrade hinsichtlich der Art des Arbeitssystemtyps. Daraus resultiert eine Bandbreite des möglichen Automatisierungsgrades171 von 4% bis 72%. Im Modell ergeben sich 91 Arbeitssystemtypen und bei einem Planungshorizont von zehn Jahren 910 nicht-binäre, ganzzahlige Variablen Nijqst 172 . Tabelle 6.5 zeigt ein Beispiel der im Modell angelegten (fiktiven) Daten zweier alternativer Arbeitssystemtypen für den Prozessschritt Kupplung verschrauben“. In der Regel unterscheiden sich Au” tomatikstationen von manuellen Arbeitssystemtypen durch höhere Effizienz (höherer Produktionsgeschwindigkeitsfaktor), höhere Anschaffungsinvestitionen und Betriebskosten sowie durch eine geringere OEE. Der Personalbedarf der Automatikstationen ist in der Regel geringer: Während für ein manuelles Arbeitssystem ein Personalbedarf von 1,1 Mitarbeitern (Montagemitarbeiter plus Springer- und Vorarbeiteranteil) angenommen wird, kann ein Mitarbeiter vier Automatikstationen bedienen. Daraus ergibt MA sich ein Personalbedarf von 0,25 autAS je Automat. Je Produktionsperiode stehen in dieser Fallstudie für den Betrieb der Anlage drei alternative Schichtmodelle zur Auswahl: Zwei-Schicht-Betrieb (S2), erweiterter ZweiSchicht-Betrieb mit Samstagsarbeit (eS2) und Drei-Schicht-Betrieb (S3). Die Freiheitsgrade hinsichtlich des Betriebs-Schichtmodells bedingen weitere 30 Binärvariablen (Uimt ). Die einzelnen Schichtmodelle unterscheiden sich hinsichtlich der Jahresanlagenlaufzeit und der Primärpersonalkosten (Entgeltzuschläge für Spät-, Nacht- und Wochenendschichten). (c )V er la g D m G ac ov r. K Hier und in den weiteren Ausführungen dieses Kapitels ist der Automatisierungsgrad gemäß DIN 19233 auf die Anzahl der automatisierten Prozessschritte bezogen. In der Praxis wird der Automatisierungsgrad häufig über die automatisierte Bearbeitungszeit berechnet, weshalb die OEM-Angaben zu Automatisierungsgraden teils stark abweichen können. 172 Je kleiner das Intervall der möglichen Ausprägungen der ganzzahligen Variablen ist, desto besser ist tendenziell das Rechenzeitverhalten. Dabei muss aber sichergestellt werden, dass über die Festlegung des Intervalls keine unzulässigen Beschränkungen der ganzzahligen Variablen bestehen. Einen Anhaltspunkt für eine sinnvolle obere Schranke der nicht-binären, ganzzahligen Variablen kann bspw. die Lösung des Planungsproblems mit Relaxation der Variablen Nijqst liefern. bH 171 6 Fallstudien 282 Tabelle 6.5: Vergleich eines manuellen Arbeitssystems mit einer Automatikstation Prozessschritt Kupplung verschrauben“ ” manuelles Arbeitssystem Automatikstation Investitionen [ e] 130.000 540.000 Fixe Kosten [ e/a] 1.000 2.000 Personalbedarf [MA] 1,1 0,25 Produktionsgeschwindigkeit 1 2,8 OEE [%] 100 80 Bei den Personalkostensätzen wird die Annahme getroffen, dass die durchschnittlichen Kosten in einem rollierenden Wechselschichtsystem im erweiterten Zwei-SchichtBetrieb mit Samstagsarbeit um 5% und im Drei-Schicht-Betrieb um 10 % höher sind als im Zwei-Schicht-Betrieb. Die Jahressollarbeitszeit der Mitarbeiter beträgt in allen drei Schichtmodellen 1.700 [h/a]. Die Daten der drei Schichtmodellalternativen sind in Tabelle 6.6 zusammengefasst. Tabelle 6.6: Schichtmodelle für den Betrieb der Montagelinie S2 eS2 S3 Personalkostensatz [ e/a] 55.000 57.750 60.500 Jahresanlagenlaufzeit [h/a] 4.000 4.800 5.500 Jahressollarbeitszeit [h/a] 1.700 1.700 1.700 Da die Motoren häufig in mehreren, teilweise versetzt anlaufenden Fahrzeugbaureihen eingesetzt werden, verstreicht oft ein längerer Zeitraum bis zum Erreichen der Kammlinienstückzahl als in Fahrzeugwerken. In dieser Fallstudie wird die Kammlinienstückzahl von 300 TE/a erst ab Periode t = 3 erreicht. In der Anlaufphase betragen die zu produzierenden Stückzahlen 100 TE in Periode t = 1 und 200 TE in Periode t = 2. Ein Auslauf der Anlage mit Rückbau wird in dieser Fallstudie nicht abgebildet. Der Stückzahlverlauf ist in Abbildung 6.7 dargestellt. Die Anlage in diesem Beispiel ist modular rekonfigurierbar. Die erforderliche Kapazitätserweiterung in der Anlaufphase kann somit neben der Schichtmodellauswahl auch über die Anpassung der installierten Kapazitäten (sukzessive Erweiterung der Anzahl der Arbeitssysteme) erfolgen. Restwerte werden nicht berücksichtigt, da der gesamte Produktlebenszyklus von zehn Jahren (ohne Auslauf) abgebildet ist und die (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Anlage als nicht nachfolgeflexibel angenommen wird. 6.2 Optimierung einer Motormontagelinie 283 Bedarf [ TE ] Kammlinie 300 250 200 150 100 50 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Periode Abbildung 6.7: Produktionsstückzahlen der Motormontagelinie 6.2.2 Verwendete Modellvariante und Lösung Die zur Lösung dieser Fallstudie verwendete Modellvariante ist in Abbildung 6.8 grafisch dargestellt. Dabei sind die relevanten Zielgrößen und Entscheidungsbausteine grau hervorgehoben. Die Modellvariante beinhaltet die detaillierte Modellierung von Anlagen auf der Arbeitssystemebene, wie dies im Basismodell beschrieben ist. Die Anzahl der Arbeitssysteme für die Durchführung eines bestimmten Prozessschritts wird mittels nicht-binärer, ganzzahliger Variablen Nijqst ∈ [0; 7] abgebildet. Im Zentrum des hier betrachteten Planungsproblems steht die Bestimmung der Anlagen- und Primärpersonalkapazitäten in Abhängigkeit von der Schichtmodellauswahl und der Entscheidung, ob die einzelnen Prozessschritte automatisiert oder manuell durchgeführt werden sollten. Aus diesem Grund beinhaltet die Zielfunktion nur die Terme für Anlageninvestitionen, Fixkosten für Anlagen und Primärpersonalkosten. Die Entscheidungsfelder des Basismodells werden ebenfalls stark angepasst. So ist die Personalplanung auf die Planung des Primärpersonals beschränkt. Da für die Kapazitätsplanung die erforderlichen Gesamt-Primärpersonalbedarfe und nicht die bH Art des Primärpersonals relevant sind, wird auch der Einsatz von Leihpersonal hier (c )V er la g D G ac ov r. K planung sind ausgeblendet, ebenso wie die Standort-, Belegungs-, Materialfluss- und m nicht weiter betrachtet. Die Entscheidungsfelder Sekundär- und Overheadpersonal- 6 Fallstudien 284 Modellvariante für die Fallstudie: Optimierung einer Motormontagelinie Zielfunktion Grundstücksinvestitionen (m. Restwert) Produktions- Lagerstrukturinvestitionen strukturinv. (m. Restwert) (m. Restwert) Primärpersonalentgelt Variable Produktionssachkosten Standortbetrieb Anlagenplanung Anlageninvestitionen (m. Restwert) Demontage von Anlagen Belegungswechsel Sekundärpersonalentgelt Overheadpersonalentgelt Transport Anlagenbetrieb Zölle und Transaktionskosten Belegungs-/Flexibilitätsplanung Inbetriebnahme, Stilllegung Technologieauswahl Belegung / Produktionsmengen Mixflexibilität Schichtmodell Kapazitätsquerschnitt Volumenflexibilität Nachfolgeflexibilität Standortplanung Personalplanung Zuordnung Anlage Standort Primärpersonal Werksstrukturplanung Sekundärpersonal Overheadpersonal Leihpersonal (prim./sek.) Materialflussplanung Produktionsflächen Lagerflächen Aktiver Modellbaustein BruttoGrundrissflächen Material (fremdbezogen) Zwischenprodukte Fertigprodukte Inaktiver Modellbaustein Abbildung 6.8: Modellvariante für die Optimierung einer Motormontagelinie Werksstrukturplanung. Die Anlagenbelegung (Art des Produkts und Periodenproduktionsmengen) und der Anlagenstandort sind vorgegeben, die Materialflussplanung spielt für dieses Planungsproblem keine Rolle. Darüber hinaus wurde die Annahme der Verfügbarkeit ausreichender Werksstrukturen getroffen. Die Schichtmodellauswahl erfolgt, wie im Basismodell beschrieben, periodenbezogen. Die Montagelinie ist als eine volumenflexible, modular rekonfigurierbare Anlage definiert. Mix- und Nachfolgeflexibilitäten sind für dieses Planungsproblem nicht relevant. Insgesamt weist die Fallstudie nach der Durchführung von CPLEX Presolve mehr als 8.300 Variablen (davon 910 nicht-binäre, ganzzahlige und 30 binäre Variablen), fast 14.000 Nebenbedingungen und eine Matrix mit nahezu 40.000 Nicht-Null-Elementen auf. Sie kann trotz der hohen Anzahl ganzzahliger Variablen verhältnismäßig effizient bH in ca. 1.300 s mit CPLEX gelöst werden. Dabei wurden bis auf den Systemparameter (c )V er la g D G ac r. K ov von CPLEX verwendet. Der Systemparameter MIP emphasis indicator wurde auf die m MIP emphasis indicator (in der Kategorie MP General) die Standardeinstellungen 6.2 Optimierung einer Motormontagelinie 285 Einstellung Emphasize moving best bound 173 gesetzt, wodurch in diesem Fall die Rechenzeit verkürzt werden konnte. 6.2.3 Ergebnisse der Optimierung Für diese Fallstudie ergibt sich ein optimaler Kapitalwert der Auszahlungen von 69 Mio. e. Fast alle Automatisierungsmöglichkeiten werden aufgrund der hohen Lohnkosten am Standort Deutschland genutzt und die Anlage liegt mit einem Automatisierungsgrad von 70% nahe am maximal möglichen Automatisierungsgrad von 72%. Nur für den Prozessschritt Bedplate lösen“ 174 ist die Alternative eines manuellen Ar” beitssystems günstiger als die einer Automatikstation. Aufgrund der kurzen Bearbeitungszeit dieses Prozessschritts reicht hier ein Handarbeitsplatz auch für die Kammlinienstückzahl von 300 TE/a aus. Eine alternative Automatikstation wäre für diesen Prozessschritt dagegen nur sehr gering ausgelastet. Der Automat verursacht zwar nur ca. 17% der jährlichen Personalauszahlungen des Handarbeitsplatzes, jedoch reicht dies beim gewählten Zinssatz von 20% nicht aus, um die mehr als sechs Mal höheren Anschaffungsinvestitionen des Automaten innerhalb des Planungshorizonts von zehn Jahren zu amortisieren. Bei einer Verzinsung von 20% ergibt sich für das manuelle Arbeitssystem ein Kapitalwertvorteil von ca. 180 T e. In Tabelle 6.7 sind die Investitionen und die jährlichen Personalauszahlungen der beiden Alternativen einander gegenübergestellt. Tabelle 6.7: Arbeitssystemtypen für Prozessschritt Bedplate lösen“ ” Prozessschritt Bedplate lösen Handarbeitsplatz Automatikstation Investitionen [ e] 130.000 800.000 Jährliche Personalaus46.000 in t = 1, 8.000 in t = 1, zahlungen [ e] 92.000 in t = 2, 16.000 in t = 2, 139.000 in ∀ t ∈ [3, ..., 10] 24.000 in ∀ t ∈ [3, ..., 10] (c )V er la g D m G ac ov r. K Durch diese Einstellung wird in CPLEX der Schwerpunkt auf die Identifizierung der optimalen Lösung gelegt, was allerdings während der Berechnung zu Lasten der Identifizierung zulässiger Lösungen geht (vgl. ILOG, 2005, S. 29). 174 In der sog. Bedplate“-Bauweise sind die Kurbelgehäuse in der Kurbelwellenmitte geteilt. Der untere Teil ” des Kurbelgehäuses (derjenige ohne die Zylinderbohrungen) wird als Bedplate“ bezeichnet. Nach der ” mechanischen Bearbeitung wird das Kurbelgehäuse häufig im gefügten Zustand, d.h. mit aufgeschraubtem Bedplate an die Motormontagelinie geliefert. Zur Montage der Kurbelwelle muss dort das Bedplate gelöst und abgehoben werden. bH 173 6 Fallstudien 286 Kumulierte Kapitalwerte der Auszahlungen für Prozessschritt „Bedplate lösen“ Zinssatz 20% 1000 900 800 700 T€ 600 500 400 300 200 100 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 7 8 9 10 Periode Zinssatz 10% 1000 900 800 700 500 400 300 200 100 0 3 4 5 6 Periode Handarbeitsplatz Automat g D r. K ov ac G m bH Abbildung 6.9: Kumulierte Kapitalwerte er la 2 )V 1 (c T€ 600 6.2 Optimierung einer Motormontagelinie 287 Neben produktionswirtschaftlichen Daten (Produktionsmenge, Investitionen etc.) und standortspezifischen Daten (Lohnniveau, Arbeitszeit etc.) hängt die Auswahl eines Arbeitssystemtyps stark vom gewählten Zinssatz und von der Länge des Planungshorizonts ab. Bei einem Planungshorizont von zehn Jahren wäre bis zu einem Zinssatz von 10% die Automatisierung des Prozessschritts Bedplate lösen“ die wirtschaftlichere Al” ternative. Erst wenn die geforderte Verzinsung 10% übersteigt, wird der Handarbeitsplatz gewählt. Abbildung 6.9 zeigt die kumulierten Kapitalwerte der Auszahlungen für die beiden alternativen Arbeitssystemtypen des Prozessschritts Bedplate lösen“ bei ” Zinssätzen von 10% und 20%. Die Anlage wird in allen Perioden im erweiterten Zwei-Schicht-Betrieb mit Samstagsarbeit (eS2) betrieben. Das Ergebnisdiagramm des Planungswerkzeugs für die Schichtmodell-Zuordnung ist in Abbildung 6.10 dargestellt. Abbildung 6.10: Gewähltes Schichtmodell der Montagelinie Der erweiterte Zwei-Schicht-Betrieb mit Samstagsarbeit stellt in diesem Szenario den besten Kompromiss zwischen einer möglichst langen Anlagenlaufzeit und der Vermeidung hoher Nachtschichtzuschläge dar. Je länger die Anlagenlaufzeit ist, umso länger kann die Taktzeit der Anlage bei gleich bleibendem Produktionsvolumen sein. Eine längere Taktzeit resultiert in einer kleineren Anlage mit einer geringeren Anzahl von Arbeitssystemen und erfordert somit geringere Investitionen und Produktionsflächen. Wird zur Verlängerung der Anlagenlaufzeit auch in der Nacht produziert (Drei-Schicht-Betrieb), steigen die Lohnkosten aufgrund hoher Nachtschichtzuschläge stark an. Im vorliegenden Szenario wären die diskontierten Personalauszahlungen im Drei-Schicht-Betrieb höher als die vermiedenen Anlageninvestitionen, weshalb in allen m bH Perioden der erweiterte Zwei-Schicht-Betrieb mit Samstagsarbeit ausgewählt wird. (c )V er la g D r. K ov ac G Die Anpassung der Anlagenkapazitäten in der Anlaufphase erfolgt über die sukzessive 6 Fallstudien 288 Erweiterung der installierten Kapazitäten der Montagelinie. Dadurch können Investitionen in spätere Perioden verlagert werden, was aufgrund der Annahme eines hohen Zinssatzes von 20% wesentlich günstiger ist. Im Vergleich zu einem vollständigen Aufbau der gesamten installierten Kapazität ab Periode t = 1 mit Anpassung des Arbeitszeitmodells trägt der modulare, zeitversetzte Aufbau der Montagelinie auch erheblich zur Robustheit der identifizierten Strategie bei, da besser auf veränderte zukünftige Rahmenbedingungen reagiert werden kann. Das Ergebnisdiagramm des Planungswerkzeugs für die Gesamtanzahl der Arbeitssysteme in der Montagelinie ist in Abbildung 6.11 dargestellt. Abbildung 6.11: Anzahl der Arbeitssysteme in der Montagelinie Der Personalbedarf der Montagelinie steigt direkt proportional mit dem Produktionsvolumen an. Da Personalentscheidungen im Modell mit reellwertigen Variablen abgebildet sind, kann eine ideale Anpassung der Personalkapazitäten an den -bedarf erfolgen. Die nach einer ganzzahligen Zuordnung von Arbeitskräften zu Arbeitssystemen verbleibenden Über- oder Unterdeckungen können über den Einsatz von Springern oder über die Mitarbeit der Arbeitskräfte unterausgelasteter Arbeitssysteme an benachbarten überausgelasteten Arbeitssystemen (z.B. im Rahmen von Gruppenarbeit) ausge- bH glichen werden. Die Annahme solcher Ausgleichseffekte kommt in der Regel der Rea- (c )V er la g D r. K ov ac G m lität näher als die Modellierung ganzzahliger Personalbedarfe. Letzteres bedingt häufig unterausgelastete Ressourcen, wie nachfolgend am Beispiel der Arbeitssysteme dar- 6.2 Optimierung einer Motormontagelinie 289 gestellt. Abbildung 6.12 zeigt das Ergebnisdiagramm des Planungswerkzeugs für den Primärpersonalbedarf der Montagelinie. Abbildung 6.12: Primärpersonalbedarf der Montagelinie Die Anzahl der Arbeitssysteme, die über ganzzahlige Variablen modelliert ist, steigt im Gegensatz zum Personalbedarf unterproportional mit dem Volumen an. Bei ihrer Berechnung sind Ausgleichsvorgänge wie beim Personal nicht möglich. Reicht die Kapazität der Arbeitssysteme eines Prozessschritts nicht aus, so muss bei Beibehaltung des Arbeitszeitmodells der Kapazitätsquerschnitt erhöht werden, auch wenn das neu hinzugefügte Arbeitssystem nicht vollständig ausgelastet werden kann. Ein Ausgleich über die unterausgelasteten Arbeitssysteme eines benachbarten Prozessschritts ist in den meisten Fällen nicht möglich, da sich die Arbeitsinhalte in der Regel unterscheiden und die Flexibilität der Arbeitssysteme häufig nicht ausreicht, um Arbeitsoperationen benachbarter Arbeitssysteme durchzuführen. Aufgrund ihrer höheren Effizienz sind Automatikstationen stärker von diesem unterproportionalen Anstieg betroffen als manuelle Arbeitssysteme. Häufig sind bereits gering ausgelastete Automatikstationen aufgrund ihres Effizienzvorteils wirtschaftlicher als manuelle Arbeitssysteme. Bis zu einer bestimmten Grenze kann in einem solchen Fall das Produktionsvolumen erhöht (c )V er la g D r. K ov ac G m bH werden, ohne dass Automatikstationen gedoppelt werden müssen. 6 Fallstudien 290 Die Ergebnisse der Anlagenoptimierung sind in Tabelle 6.8 zusammengefasst. In dieser wie auch in den weiteren Tabellen dieses Kapitels werden die Werte der reellwertigen Personalbedarfsvariablen aufgerundet dargestellt. Tabelle 6.8: Optimierungsergebnisse (Motormontagelinie) Kapitalwert [Mio. e] 69,04 Automatisierungsgrad [%] 70 Schichtmodell eS2 ∀ t ∈ [1, ..., 10] Personalbedarf [MA] 53 in t = 1, Anzahl manueller Arbeitssysteme Anzahl Automatikstationen Rechenzeit [s] 6.2.4 105 in t = 2, 158 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 20 in t = 1, 29 in t = 2, 43 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 39 in t = 1, 44 in t = 2, 48 ∀ t ∈ [3, ..., 10] ca. 1.300 Post-optimale Analysen In den folgenden Ausführungen werden auf Basis der im voranstehenden Abschnitt beschriebenen Fallstudie, die im Weiteren als Basisfallstudie“ bezeichnet wird, simulativ ” orientierte Analysen, Sensitivitätsanalysen und parametrische Optimierungsanalysen durchgeführt. Damit sollen folgende praxisrelevante Fragestellungen beantwortet werden: • Simulativ orientierte Analyse: Welche Auswirkungen ergeben sich bei einer Auslegung der Anlage auf den Drei-Schicht-Betrieb? • Sensitivitätsanalyse: Bis zu welcher Reduktion der Nachtschichtzuschläge ist der erweiterte Zwei-Schicht-Betrieb mit Samstagsarbeit die wirtschaftlichste Lösung bzw. ab wann wird ein Drei-Schicht-Betrieb wirtschaftlich? • Parametrische Optimierung: – Wie verändern sich Anlagenkonfiguration und Schichtmodellauswahl bei ei- bH ner Mittelserienproduktion von 100 TE/a und bei einer Massenproduktion ac G m von 500 TE/a ? (c )V er la g D r. K ov – Welche Skaleneffekte ergeben sich bei der Anlagenauslegung? 6.2 Optimierung einer Motormontagelinie 291 – Wie verändern sich Automatisierungsgrad, installierte Kapazität, Schichtmodell, Personalbedarf und Zielfunktionswert, wenn die Anlage an einem osteuropäischen oder an einem asiatischen Niedriglohnstandort betrieben wird? Simulative Analyse In einer simulativ orientierten Analyse sollen die Veränderungen untersucht werden, die sich bei einer Auslegung der Anlage auf den Drei-Schicht-Betrieb (S3) ergeben würden. Durch die reduzierte Komplexität kann die Fallstudie in nur 55 s gelöst werden. Für die im S3 ausgelegte Anlage ergeben sich die in Tabelle 6.9 dargestellten Ergebnisse. Zum besseren Vergleich sind die Ergebnisse der Basisfallstudie ebenfalls abgebildet. Tabelle 6.9: Ergebnisse der Auslegung auf den Drei-Schicht-Betrieb Basisfallstudie S3 fixiert Kapitalwert [Mio. e] 69,04 69,53 Automatisierungsgrad [%] 70 69 Schichtmodell eS2 ∀ t ∈ [1, ..., 10] S3 ∀ t ∈ [1, ..., 10] Personalbedarf [MA] 53 in t = 1, 53 in t = 1, Anzahl manueller Arbeitssysteme Anzahl Automatikstationen Rechenzeit [s] 105 in t = 2, 158 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 20 in t = 1, 29 in t = 2, 43 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 39 in t = 1, 44 in t = 2, 48 ∀ t ∈ [3, ..., 10] ca. 1.300 105 in t = 2, 158 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 18 in t = 1, 27 in t = 2, 39 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 39 in t = 1, 43 in t = 2, 45 ∀ t ∈ [3, ..., 10] ca. 55 Aufgrund der längeren Betriebszeit der Anlage im Drei-Schicht-Betrieb kann die Taktzeit bei gleich bleibendem Produktionsvolumen verlängert werden. Dies resultiert in einer geringeren Anzahl an Arbeitssystemen und geringeren Investitionen. Bei manuellen Arbeitssystemtypen können Arbeitsinhalte zusammengefasst und gedoppelte Stationen vermieden werden. Die Arbeitsinhalte von Automaten werden dagegen als unveränderlich angenommen, aber auch hier können aufgrund der längeren Taktzeit Dopplungen vermieden werden. Der Automatisierungsgrad bleibt aufgrund des hohen Lohnkostenniveaus in beiden Schichtmodellen weitestgehend gleich. Erst ab Periode t = 3 reduziert sich der Auto- bH matisierungsgrad im Drei-Schicht-Betrieb um 1%, da für die erforderliche Kapazitäts- (c )V er la g D G ac ov r. K tomatikstation benötigt wird, sondern ein zusätzliches manuelles Arbeitssystem aus- m erweiterung eines bisher vollständig automatisierten Prozessschritts keine zweite Au- 292 6 Fallstudien reicht. Dieser Prozessschritt wird bei der Berechnung des Automatisierungsgrades als halbautomatisiert gewertet, woraus sich die genannte Verringerung ergibt. Da das jährliche Produktionsvolumen und die Jahresarbeitszeit der Mitarbeiter im erweiterten Zwei-Schicht-Betrieb mit Samstagsarbeit und im Drei-Schicht-Betrieb übereinstimmen, ist auch die Gesamtzahl der Mitarbeiter nahezu gleich. Sie werden in den einzelnen Arbeitszeitmodellen nur unterschiedlich auf die Schichten aufgeteilt. Die geringfügige Reduktion des Automatisierungsgrades ab Periode t = 3 wirkt sich in einer minimalen Erhöhung des Personalbedarfes aus, die aber im Rahmen der gerundeten Darstellung in Tabelle 6.9 nicht ersichtlich ist. Insgesamt weist die Auslegung der Anlage auf den Drei-Schicht-Betrieb einen Kapitalwertnachteil von 0,5 Mio. e auf. Die durch die Nachtschichtzuschläge erhöhten Personalkosten überkompensieren die geringeren Anlageninvestitionen. Sensitivitätsanalyse Die simulative Analyse der auf den Drei-Schicht-Betrieb ausgelegten Anlage zeigt einen geringen Kapitalwertnachteil auf, der aus den Nachtschichtzuschlägen resultiert. Während angenommen wurde, dass die Nachtschichtzuschläge im Drei-SchichtBetrieb gesamthaft einen 10% höheren Lohn als im Zwei-Schicht-Betrieb bedingen, betragen die Zuschläge im erweiterten Zwei-Schicht-Betrieb mit Samstagsarbeit (eS2) dagegen nur 5%. Daraus resultiert die Frage, wie stark die Zuschläge für den DreiSchicht-Betrieb verringert werden müssten, damit die optimale Lösung statt des erweiterten Zwei-Schicht-Betriebs mit Samstagsarbeit den Drei-Schicht-Betrieb aufweist. Diese Frage wird mittels einer Sensitivitätsanalyse beantwortet, bei welcher der Parameter für die Entgeltzuschlagssätze zums im Drei-Schicht-Betrieb inkrementell abgesenkt wird. Die Sensitivitätsanalyse zeigt, dass eine Reduktion der Zuschläge um mindestens 1,4% auf ein Niveau von 8,6% zu einer neuen, qualitativ unterschiedlichen optimalen Lösung mit Wahl des Drei-Schicht-Betriebs führt. Parametrische Optimierung Im Rahmen der parametrischen Optimierung werden die Auswirkungen unterschiedlicher Auslegungsstückzahlen und Standorte sowie Skaleneffekte bei der Anlagenauslegung untersucht: 1. Auswirkungen unterschiedlicher Auslegungsstückzahlen: Die optimale Anlagenkonfiguration und das optimale Schichtmodell hängen neben dem Standort stark vom Produktionsvolumen ab. In einer parametrischen Optimierungsstudie werden die Auswirkungen unterschiedlicher Volumenszenarien (jeweils (c )V er la g D r. K ov ac G m bH mit Anlaufphase) untersucht. Während in der Basisfallstudie eine Großserienproduktion mit 300 TE/a angenommen wurde, werden nun die Auswirkungen sowohl einer 6.2 Optimierung einer Motormontagelinie 293 Mittelserienproduktion (100 TE/a) als auch einer Massenproduktion (500 TE/a) analysiert. Dies erfolgt auf Basis der Annahme, dass sich die Arbeitsinhalte der Prozessschritte und die Arbeitssystemtypen in den einzelnen Volumenszenarien nicht ändern. Während dies für eine bestimmte Volumenbandbreite zutreffend ist, würden dagegen in der Praxis bei einem sehr breiten Intervall von 100 TE/a bis 500 TE/a die Inhalte der Prozessschritte und die Gestaltung der Arbeitssysteme an die jeweiligen Volumen adaptiert werden (z.B. Umtaktung, Zusammenfassung von Arbeitsinhalten). Dennoch erlaubt die Analyse auf Basis der getroffenen Annahme sehr interessante Einblicke in die Wechselwirkungen zwischen Anlagenkonfiguration, Schichtmodellauswahl und Wirtschaftlichkeit. Die Ergebnisse dieser Produktionsstückzahlanalyse sind in Tabelle 6.10 dargestellt. Der Automatisierungsgrad der Mittelserien-Montagelinie für 100 TE/a liegt mit 24% stark unter dem der Basisfallstudie. Der minimal geringere Automatisierungsgrad der Massenproduktionsanlage für 500 TE/a ist durch einen halbautomatisierten Prozessschritt bedingt. Im Gegensatz zur Großserienlinie der Basisfallstudie werden die Anlagenkapazitäten der Mittelserienproduktions- und der Massenfertigungslinie sowohl über die Anpassung des Kapazitätsquerschnitts als auch über die Schichtmodellauswahl vorgenommen. Tabelle 6.10: Ergebnisse der Produktionsstückzahlanalyse Basisfallstudie 100 TE/a 500 TE/a (300 TE/a) 69,04 33,58 97,19 Kapitalwert [Mio. e] Automatisierungs70 24 69 grad [%] eS2 ∀ t ∈ [1, ..., 10] S2 in t = 1, eS2 ∀ t ∈ [1, 2] Schichtmodell eS2 ∀ t ∈ [2, ..., 10] 107 in t = 2, 158 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 80 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 261 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 20 in t = 1, 41 in t = 1, 21 in t = 1, 29 in t = 2, 42 in t = 2, 30 in t = 2, 43 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 45 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 64 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 39 in t = 1, 13 in t = 1, 38 in t = 1, 44 in t = 2, 13 in t = 2, 43 in t = 2, 48 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 14 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 56 ∀ t ∈ [3, ..., 10] ca. 1.300 ca. 2.500 ca. 400 D r. K ov ac G m bH 60 in t = 2, g Rechenzeit [s] 54 in t = 1, 105 in t = 2, er la Anzahl Automatikstationen 40 in t = 1, )V Anzahl manueller Arbeitssysteme S3 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 53 in t = 1, (c Personalbedarf [MA] 6 Fallstudien 294 2. Untersuchung von Skaleneffekten: Die Untersuchung unterschiedlicher Auslegungsstückzahlen zeigt, dass der Kapitalwert der Auszahlungen unterproportional mit dem Produktionsvolumen ansteigt, was Skaleneffekte vermuten lässt. Zur genaueren Untersuchung der Skaleneffekte bei der Anlagenauslegung wird in einer weiteren parametrischen Optimierungsstudie eine von Anlaufeffekten unbeeinflusste Analyse durchgeführt. Dazu wird eine konstante Auslegungsstückzahl in einer Schrittweite von 100 TE/a im Intervall [100 TE/a; 600TE/a] variiert und die jeweils erzielten Kapitalwerte werden untersucht. Zur besseren Vergleichbarkeit werden auch hier in jedem Volumenszenario die gleichen Prozessschritte und Arbeitssystemtypen unterstellt. Die Kapitalwerte der Skaleneffektanalyse sind in Tabelle 6.11 dargestellt. Tabelle 6.11: Kapitalwerte der Skaleneffektanalyse Volumenszenario [TE/a] 100 200 300 400 500 600 Kapitalwert [Mio. e] 37,20 59,39 80,10 99,80 123,41 147,51 Dividiert man den Kapitalwert der Auszahlungen durch das Gesamtvolumen über den Lebenszyklus von zehn Jahren, so erhält man die Kennzahl Kapitalwert je Einheit [ e/Einheit]. Anhand dieser Kennzahl lassen sich, wie in Abbildung 6.13 dargestellt, die Skaleneffekte mit zunehmendem Produktionsvolumen gut erkennen. Skaleneffekte bei der Anlagenauslegung 38 37,20 36 34 32 30 29,70 28 26,70 24,68 26 24 24,59 24,95 22 20 1000 2000 3000 4000 5000 6000 G m bH Gesamtvolumen im Planungszeitraum [TE] )V er la g D r. K ov ac Abbildung 6.13: Skaleneffekte bei der Anlagenauslegung (c Kapitalwert je Einheit [ € / E ] 40 6.2 Optimierung einer Motormontagelinie 295 Die Skaleneffekte resultieren aus Effizienzsteigerungen durch steigende Automatisierung sowie aus verbesserten Auslastungsmöglichkeiten der einzelnen Arbeitssysteme mit steigender Produktionsstückzahl. Bei niedrigen Produktionsmengen sind insbesondere die Automaten unterausgelastet. Erst ab einer bestimmten Stückzahl wird wieder ein weiteres Arbeitssystem eines bestimmten Typs benötigt. Bis zum nächsten Investitionssprung können die bisherigen Investitionen auf eine größere Volumenbasis umgelegt werden. Mit steigender Produktionsmenge wirken sich diese Sprunginvestitionen weniger stark aus. 3. Auswirkungen unterschiedlicher Anlagenstandorte: In der Basisfallstudie wurde der Anlagenstandort Deutschland vorab festgelegt, der im internationalen Vergleich durch hohe Lohnkosten und geringe Arbeitszeiten gekennzeichnet ist. Dies wirft die Frage auf, wie sich ein Standort mit aus unternehmerischer Sicht vorteilhafteren Arbeitskosten- und Arbeitszeitbedingungen auf den Kapitalwert der Auszahlungen, das Schichtmodell und die Anlagenkonfiguration auswirkt. Dazu werden die Beispiele eines osteuropäischen und eines asiatischen Niedriglohnstandorts herangezogen. Die relevanten Standortdaten sind in Tabelle 6.12 zusammengefasst und die Ergebnisse der Standortanalyse in Tabelle 6.13 dargestellt. Tabelle 6.12: Standortspezifische Schichtmodelldaten Osteuropa Asien S2 eS2 S3 S2 eS2 S3 Personalkostensatz [ e/a] 11.000 11.550 12.100 2.500 2.625 2.750 Jahresanlagenlaufzeit [h/a] 4.060 4.900 5.640 4.150 5.000 5.750 Jahressollarbeitszeit [h/a] 1.800 1.800 1.800 2.200 2.200 2.200 Erwartungsgemäß reduzieren sich Kapitalwert und Automatisierungsgrad aufgrund der geringeren Lohnniveaus bzw. längeren Arbeitszeiten entsprechend stark. Interessant ist, dass die gerundeten Personalbedarfe am osteuropäischen und am asiatischen Standort identisch sind. Verglichen mit Osteuropa wird in Asien die durch den verringerten Automatisierungsgrad intuitiv erwartete Erhöhung des Personalbedarfs bei der unterstellten Datenkonstellation über die längere Jahresarbeitszeit der Mitarbeiter nahezu vollständig kompensiert. Dieser gegenläufige Effekt wird in Tabelle 6.14 anhand des Personalbedarfs zweier unterschiedlicher Prozessschritte verdeutlicht. In der optimalen Lösung wird der Prozessschritt Wasserpumpe und Verschlau” chungen montieren“ sowohl in Osteuropa als auch in Asien mit einem manuellen Ar- (c )V er la g D r. K ov ac G m bH beitssystemtyp durchgeführt. Durch die längere Arbeitszeit in Asien sinkt der Personalbedarf dieses Prozessschritts um ca. 19%. 6 Fallstudien 296 Der Prozessschritt Lenkhilfepumpe montieren“ wird dagegen in Osteuropa mit einem ” Automaten durchgeführt und in Asien manuell, was zu einem höheren Personalbedarf in Asien führt, der jedoch über die längere Arbeitszeit etwas abgemildert wird. In der Summe aller Prozessschritte der Anlage heben sich diese Effekte im zugrunde gelegten Szenario fast vollständig auf. Tabelle 6.13: Ergebnisse der Standortanalyse Basisfallstudie Osteuropa Asien (Deutschland) 69,04 32,18 21,30 Kapitalwert [Mio. e] Automatisierungs70 18 5 grad [%] eS2 ∀ t ∈ [1, ..., 10] S3 in t = 1, S3 ∀ t ∈ [1, ..., 10] Schichtmodell eS2 in t = 2 S3 ∀ t ∈ [3, ..., 10] Personalbedarf [MA] Anzahl manueller Arbeitssysteme Anzahl Automatikstationen Rechenzeit [s] 53 in t = 1, 82 in t = 1, 82 in t = 1, 105 in t = 2, 164 in t = 2, 164 in t = 2, 158 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 248 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 248 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 20 in t = 1, 47 in t = 1, 55 in t = 1, 29 in t = 2, 60 in t = 2, 70 in t = 2, 43 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 78 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 96 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 39 in t = 1, 11 in t = 1, 5 in t = 1, 44 in t = 2, 14 in t = 2, 6 in t = 2, 48 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 16 ∀ t ∈ [3, ..., 10] 8 ∀ t ∈ [3, ..., 10] ca. 1.300 ca. 640 ca. 330 (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Tabelle 6.14: Prozessschrittbezogener Personalbedarf Osteuropa Asien manAS autAS manAS autAS Personalbedarf für Prozessschritt 11,8 9,6 Wasserpumpe/Verschlauchungen montieren [MA] Personalbedarf für Prozessschritt 0,3 3,8 Lenkhilfepumpe montieren [MA] 6.3 Validierung anhand eines Beispiels der BMW Group 6.3 297 Validierung anhand eines Beispiels der BMW Group Die Validierung des in dieser Forschungsarbeit entwickelten Modells erfolgt auf der Produktionsanlagenebene. Eine Validierung auf der Produktionsnetzwerkebene ist dagegen kaum möglich, da die realen Produktionsnetzwerke in der Automobilindustrie nicht allein das Ergebnis quantitativer Optimierungsrechnungen sind, sondern im Laufe von Jahrzehnten gewachsen und durch eine Vielzahl qualitativer Aspekte, wie z.B. unternehmenspolitische Entscheidungen, sowie durch Übernahmen und Fusionen geprägt sind. Die Konfiguration von Produktionsanlagen ist dagegen wesentlich stärker quantitativ orientiert. Die Entscheidung, welche und wie viele Arbeitssysteme in einer Produktionsanlage für die Durchführung eines bestimmten Prozessschritts eingesetzt werden sollen, ist das Ergebnis von Kapazitäts- und Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Qualitative politische und strategische Entscheidungen betreffen hier eher die Rahmenbedingungen des Anlagenbetriebs, wie z.B. den Anlagenstandort, die Belegung, die Auslegungsstückzahl oder das Schichtmodell. Ähnlich zur in Abschnitt 6.2 vorgestellten Fallstudie auf Anlagenebene wird zur Validierung eine reale Motormontagelinie der BMW Group im Modell nachgebildet und ihre Konfiguration auf Basis der realen Rahmenbedingungen berechnet. Dabei stehen folgende Fragestellungen im Vordergrund: Wie groß ist die Übereinstimmung der mit dem Modell errechneten Anlagenkonfiguration (hinsichtlich Art und Anzahl der Arbeitssysteme) mit der realen Anlage? Bestehen ggf. weitere Optimierungspotenziale? Aufgrund von Geheimhaltungsbestimmungen der BMW Group kann die Darstellung der Validierung nur in abstrakter Form erfolgen. Der auf der betrachteten Anlage durchgeführte Produktionsprozess besteht aus 57 Prozessschritten (z.B. Kolben-Pleuel-Montage, Schwungrad-Montage etc.). Aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen können 22 dieser Prozessschritte nur mit manuellen Arbeitssystemtypen und drei nur mit Automaten durchgeführt werden, woraus sich 89 zu modellierende Arbeitssystemtypen und eine Bandbreite des möglichen Automatisierungsgrades von 5% bis 61% ergeben. Für alle 57 Prozessschritte gilt es, darüber hinaus den Kapazitätsquerschnitt, d.h. die Anzahl der Arbeitssysteme, zu ermitteln. Die Freiheitsgrade hinsichtlich der Auswahl bH von Art und Anzahl der Arbeitssysteme werden bei einem Planungshorizont von zehn (c )V er la g D G ac ov r. K genkonfiguration ist dabei stark standort- und schichtmodellabhängig. Die ganzzahli- m Jahren mittels 890 nicht-binärer, ganzzahliger Variablen (Nijqst ) abgebildet. Die Anla- 298 6 Fallstudien gen Strukturvariablen für den Standort (Vis ), den Betrieb (Yit ), die Belegung (Wbit ) und das Schichtmodell (Uimt ) sind hier vorab fixiert, um den Rahmenbedingungen des Betriebs der realen Anlage zu entsprechen und einen Vergleich zu ermöglichen. Aufgrund dieser Fixierung kann das Modell mit CPLEX unter Verwendung der Standardeinstellungen in nur wenigen Sekunden gelöst werden. Die reale und die mit dem Modell ermittelte optimale Anlagenkonfiguration stimmen dabei weitestgehend überein. Zwar ist die mit dem Modell errechnete Gesamtanzahl der Arbeitssysteme geringfügig höher als in der realen Planung (1,7% Abweichung bzw. zwei manuelle Arbeitssysteme mehr), was durch Ungenauigkeiten bedingt ist, die durch die Abstraktion bei der Modellierung zwangsläufig entstehen (insbesondere durch die ganzzahlige Abbildung der Arbeitssysteme). Andererseits kann aber trotz der bereits sehr hohen Qualität der realen Planung mit dem Modell ein mögliches Optimierungspotenzial hinsichtlich der Wahl des Arbeitssystemtyps aufgezeigt werden: Bei einem der 57 Prozessschritte wählt das Modell einen manuellen Arbeitssystemtyp anstelle einer Automatikstation wie in der realen Anlage. Analog zur in Abschnitt 6.2 beschriebenen Technologieentscheidung für den Prozessschritt Bedplate lösen“ könnte ” auch hier durch ein manuelles Arbeitssystem der Kapitalwert der Auszahlungen gesenkt werden. Die hohe Kongruenz der Ergebnisse des Modells zu der realen Planung zeigt, dass das Modell die Realität sehr gut abbildet und ein Entscheidungsträger mit dem Modell zu richtigen Einschätzungen gelangen würde. Auch wenn bereits die reale Planung in vielen Fällen eine sehr hohe Qualität besitzt, ist das entwickelte Planungswerkzeug den traditionellen, vorwiegend auf Tabellenkalkulationssoftware basierenden Planungstechniken hinsichtlich Effizienz und Vielseitigkeit überlegen. In der traditionellen Planung war nur die Simulation alternativer Strategien und Szenarien möglich. Dazu wurde in diesem Beispiel für jede Technologiealternative eines Prozessschritts und für jede Datenkonstellation eine Wirtschaftlichkeitsrechnung erstellt und anschließend verglichen. Diese Vorgehensweise wird mit zunehmender Anzahl von Szenarien und Freiheitsgraden sehr aufwändig und teuer. In der Praxis werden daher der Lösungsraum und die Anzahl der zu analysierenden Umweltlagen in der Regel vorab stark eingeschränkt. Um in diesem Beispiel den Kapitalwert und die optimale Konfiguration der Anlage zu ermitteln, sind mit der traditionellen Planungstechnik 89 Wirtschaftlichkeitsrechnungen mit anschließender Analyse und Auswahl der günstigsten Technologiealternative je Prozessschritt erforderlich. Wäre das Schichtmodell nicht vorab fixiert und stünden stattdessen drei Schichtmodellalternativen zur Auswahl, müssten 267 Einzelrechnung- bH en durchgeführt und anschließend analysiert werden. Mit dem neu entwickelten Pla- (c )V er la g D G ac ov r. K Schichtmodellauswahl integriert in einem einzigen Berechnungsschritt erfolgen und die m nungsansatz kann dagegen, wie in Abschnitt 6.2 gezeigt, die Anlagenkonfiguration und 6.3 Validierung anhand eines Beispiels der BMW Group 299 optimale Strategie wird automatisch identifiziert. Durch den Einsatz des modellgestützten Planungswerkzeugs kann der Planungsaufwand deutlich reduziert werden und die Mitarbeiter können sich verstärkt der Generierung von Strategien und Szenarien sowie der Auswertung und Analyse der Ergebnisse des Modells widmen. Die Qualität der Planung und die Entscheidungsbasis des Managements können dadurch weiter (c )V er la g D r. K ov ac G m bH erhöht werden. g er la )V (c ac ov r. K D bH m G Kapitel 7 Zusammenfassung und Ausblick In dieser Forschungsarbeit wurde ein effektives Planungsinstrument für die strategische Planung von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule in der Praxis entwickelt. Das Planungsinstrument soll einen Beitrag zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung von Produktionssystemen leisten und so zur nachhaltigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beitragen. Mit der Produktion von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen wurde in dieser Forschungsarbeit ein milliardenschwerer Sektor der Automobilindustrie mit hoher markenprägender Bedeutung für Premiumhersteller behandelt, der aber bislang kaum Eingang in die produktionswirtschaftliche Literatur gefunden hat. In Kapitel 3 wurde daher eine umfangreiche Beschreibung und Klassifizierung der betrachteten Produktionssysteme vorgestellt, die auch für zukünftige Forschungsprojekte einen Ansatzpunkt bilden kann. Der hier entwickelte Planungsansatz zeichnet sich durch die Integration von Netzwerkund Werksplanung, hohe Flexibilität und starke Praxisorientierung aus. Er basiert auf einem übergreifenden mathematischen Entscheidungsmodell (Basismodell), welches das Zusammenspiel der zentralen Zielgrößen und Entscheidungsfelder der strategischen Produktionssystemplanung im Untersuchungsbereich gesamthaft mathematisch beschreibt. Das integrierte Optimierungsmodell erlaubt die Abbildung der Wechselwirkungen zwischen Standort-, Materialfluss-, Werksstruktur-, Belegungs-, Anlagen- und Personalplanung, die bei der strategischen Produktionsplanung in der Praxis eine herausragende Rolle spielen. Es kann zur Beantwortung eines breiten Spektrums typischer Planungsprobleme der industriellen Praxis eingesetzt werden. Aus dem Basismodell können durch verschiedene Modifikationsmöglichkeiten vielseitig und flexibel problemangepasste Modellvarianten für die verschiedenen Fragestel- m bH lungen der strategischen Produktionssystemplanung generiert werden. Diese Varian- (c )V er la g D r. K ov ac G ten des Basismodells beinhalten dann nur noch die für die jeweilige Problemstellung 302 7 Zusammenfassung und Ausblick relevanten Aspekte und können effizient mit Standardsolvern gelöst werden. Nur wenige der bisher in der Literatur veröffentlichten Modelle widmen sich einer solchen integrierten Planung und orientieren sich ähnlich stark an den Anforderungen der Unternehmenspraxis wie das in dieser Arbeit vorgestellte Modell. Auf dem übergreifenden mathematischen Modell aufbauend wurde ein anwenderorientiertes IT-Planungswerkzeug vorgestellt, das auf dem Solver ILOG CPLEX und der Datenbanksoftware Microsoft Access basiert. Mit der Datenbanksoftware wurde eine grafische Benutzeroberfläche realisiert, über welche der Anwender die Auswahl von Modellvarianten, die Datenerfassung, das Anlegen von Planungsprojekten, die Berechnung sowie die Ausgabe und Visualisierung der Ergebnisse einfach über Schaltflächen und Eingabemasken vornehmen kann. Die Validierung erfolgte anhand des Beispiels einer realen Motormontagelinie der BMW Group. Es konnte gezeigt werden, dass die mit der verwendeten Modellvariante gewonnenen Ergebnisse sehr gut mit der Realität übereinstimmen. Darüber hinaus wurden die Leistungsfähigkeit und die flexiblen Einsatzmöglichkeiten des Planungsansatzes im Rahmen zweier weiterer praxisrelevanter Fallstudien auf verschiedenen Produktionssystemebenen demonstriert. Sowohl bei der Optimierung einer Motormontagelinie als auch bei der Optimierung eines Motorenproduktionsnetzes konnten Problemstellungen in realistischen Größenordnungen mit der Standardsoftware CPLEX gelöst und jeweils eine optimale Lösung berechnet werden. Für jede Fallstudie wurden überdies simulative Analysen alternativer Strategien durchgeführt sowie verschiedene weiterführende Fragestellungen, z.B. hinsichtlich der Robustheit der errechneten Lösungen, mittels post-optimaler Analysetechniken (parametrische Optimierung und Sensitivitätsanalyse) beantwortet. Der entwickelte Planungsansatz erlaubt eine schnelle Ableitung von Aussagen zur Wirtschaftlichkeit alternativer Strategien und zum Einfluss verschiedener Umweltentwicklungen. Darüber hinaus lassen sich optimale Strategien identifizieren und neue Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Die Auswirkungen unternehmenspolitischer Entscheidungen, die auch qualitative Kriterien berücksichtigen, können durch Gegenüberstellung mit den aus quantitativer Sicht optimalen Lösungen analysiert und bewertet werden. Durch den Einsatz des Planungswerkzeugs können Qualität und Effizienz der Planungsprozesse in den Strategie- und Planungsstellen der Unternehmen erhöht werden. Die Mitarbeiter werden entlastet und ihre Tätigkeitsschwerpunkte können stärker auf die Generierung von Strategien und Szenarien sowie auf die Analyse der Ergebnisse ausgerichtet werden. Mit den gleichen Mitarbeiterkapazitäten können mehr Stra- bH tegien und Szenarien bewertet und so die quantitative Entscheidungsbasis des Mana- (c )V er la g D r. K ov ac G m gements verbessert werden. 303 Durch die hohe Komplexität der Aufgabenstellung ist aber eine abschließende Behandlung aller in Kapitel 4 aufgezeigten Handlungsfelder nicht möglich. Folgende Themenfelder bilden interessante Ansatzpunkte für zukünftige Forschungsprojekte: • Modellierung von Steuern und Zöllen: Im entwickelten Planungsansatz werden Steuern mit Kostencharakter indirekt in den Investitions- und Kostenparametern berücksichtigt. Ertragssteuern und Abschreibungsmöglichkeiten sind dagegen nicht explizit im Modell enthalten. Die Abbildung unterschiedlicher Steuersysteme und ihrer Auswirkungen auf die Struktur von Produktionsnetzwerken ist daher eine sehr interessante weiterführende Fragestellung. Die Modellierung von Zöllen erfolgt in dieser Arbeit approximativ, was für viele Planungsprobleme der strategischen Ebene ausreicht. Eine Modellierung von Zöllen mit Zollrückerstattungen und Zollvermeidung in einem linearen Optimierungsmodell für ein allgemeines Produktionsnetzwerk mit mehrstufigen Stücklistenbeziehungen ist eine sinnvolle Erweiterung des vorgestellten Ansatzes. • Modellierung von Make-or-Buy-Entscheidungen: In dieser Arbeit bildet die Eigenleistungstiefe in Form eines mehrstufigen Produktionsprogramms eine Vorgabe für den entwickelten Planungsansatz. Neben einer detaillierten Abbildung von Steuern und Zöllen stellt die Modellierung von Make-or-Buy-Entscheidungen mit ihren Auswirkungen auf die Investitionen und Kosten, das Personal sowie auf die Struktur des Produktionssystems eine andere sinnvolle Erweiterung dar. • Einsatz von Methoden der robusten Optimierung: Die strategische Produktionssystemplanung ist durch eine Vielzahl unsicherer Parameter gekennzeichnet. In der vorliegenden Arbeit wurden diese Unsicherheiten indirekt mittels post-optimaler Analysetechniken berücksichtigt. Darüber hinaus könnten für dieses Planungsproblem auch Methoden der robusten Optimierung175 eingesetzt werden, was ebenfalls eine sehr interessante Fragestellung für zukünftige Forschungsvorhaben darstellt. • Entwicklung eines Prozesses für die Datenbereitstellung: Die Güte der mit dem Planungsansatz durchgeführten Berechnungen hängt entscheidend von der Qualität der Eingangsdaten ab. In den Unternehmen liegen diese Daten in der Regel in verschiedenen Fachbereichen und Abteilungen vor. Um die Verfügbarkeit aktueller, abgestimmter und qualitativ hochwertiger Daten bH zu gewährleisten, ist die Entwicklung und Implementierung eines bereichsüber- G ac )V er la g D r. K ov Siehe hierzu bspw. S CHOLL (2001). (c 175 m greifenden Prozesses für die Datenerhebung ein wichtiges Handlungsfeld. 7 Zusammenfassung und Ausblick 304 • Erhöhung der Berechnungseffizienz: Die hohe Komplexität des Planungsproblems bedingt ein komplexes Optimierungsmodell mit einer großen Anzahl ganzzahliger Variablen und Nebenbedingungen. Der Rechenzeitaufwand des gemischt-ganzzahligen Optimierungsmodells steigt mit der Problemgröße überproportional an. Dies bedingt einen Tradeoff zwischen der Rechenzeit und der Anzahl der Freiheitsgrade: Damit auch größere Planungsprobleme effizient mit Standardsoftware lösbar bleiben, muss die Anzahl der Freiheitsgrade reduziert werden. Die Anwendbarkeit und Leistungsfähigkeit des Planungsansatzes wurde anhand zweier typischer Planungsprobleme von Premiumherstellern demonstriert. Sollen größere Probleme mit einer höheren Anzahl von Freiheitsgraden gelöst werden, ist die Entwicklung angepasster Lösungsalgorithmen (z.B. Branch&Cut-Verfahren) oder der Einsatz von Heuristiken erforderlich. Neben den aufgezeigten Erweiterungs- und Ergänzungsmöglichkeiten ist die Übertragung des vorgestellten Planungsansatzes auf andere Problemstellungen und Branchen ein weiteres Feld für zukünftige Arbeiten. Der Planungsansatz wurde vor dem Hintergrund der spezifischen Anforderungen von Produktionssystemen für Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodule bei Premiumherstellern entwickelt. Diese Produktionssysteme sind sehr vielschichtig und beinhalten gleichzeitig mehrere Ausprägungsformen der zentralen Merkmale der industriellen Stückgüterproduktion. So sind sie durch das Nebeneinander unterschiedlichster Netzwerktypen, Organisationsformen, Repetitionstypen, Verfahren und Produktionsanlagen gekennzeichnet. Aus diesem Grund musste ein vielseitiger Planungsansatz entwickelt werden, der dieser Heterogenität gerecht wird. Damit sind gleichzeitig die Einsatzmöglichkeiten des Planungsansatzes nicht nur auf die Herstellung von Motor-, Fahrwerks- und Antriebsstrangmodulen beschränkt, sondern er kann auch auf ein breites Spektrum von Planungsproblemstellungen der industriellen Stückgüterproduktion außerhalb des hier untersuchten Bereichs oder außerhalb der Automobilindustrie übertragen werden. Die vorliegende Forschungsarbeit könnte somit ein Anstoß zum breiteren Einsatz von Planungstechniken des Operations Research in der Praxis der strategischen (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Produktionssystemplanung sein. Literaturverzeichnis [Abele u. a. 2006] A BELE, E. ; D ERVISOPOULOS, M. ; L IEBECK, T.: Herausforde- rungen globaler Produktionsnetzwerke. Wie Unternehmen ihr Produktionsnetzwerk optimal aufstellen. In: wt Werkstattstechnik online 96 (2006), S. 219–225 [Abele, E.; Kluge, J.; Näher, U. 2006] A BELE , E.; K LUGE , J.; N ÄHER , U. (Hrsg.): Handbuch Globale Produktion. 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Neue Zusammenarbeitsmodelle in der automobilen Zulieferkette Hamburg 2006 / 232 Seiten / ISBN 978-3-8300-2419-4 (c )V er la g D r. K ov ac G m bH Markus Focke Flussorientierung der Beschaffungslogistik durch den Einsatz von Telematik Ein Konzept zur Rationalisierung industrieller Beschaffungslogistik Hamburg 2006 / 432 Seiten / ISBN 978-3-8300-2267-1 g er la )V (c ac ov r. K D bH m G