Digital Business Transformation: Wegweiser für vernetzte

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Kapitel III n Technologieberatung
Technologieberatung n Kapitel III
Digital Business Transformation:
Wegweiser für vernetzte Welten
Navigator für digitale Transformation
Viele technische Veränderungen sind absehbar – viele übersteigen zum heutigen Zeitpunkt
allerdings noch unser Vorstellungsvermögen. Der Kontext „Unternehmen“ wird durch die
digitale Transformation komplexer und einem schnelleren Wandel unterworfen. Neue
digitale Geschäftsmodelle versetzen Unternehmen in die Lage, Potenziale auf der Kunden-,
der Produkt- oder Serviceseite, aber auch im operativen Bereich zu heben.
V
ieles, was vor einigen Jahren undenkbar war,
ist für uns in der Gegenwart schon zum festen
Bestandteil des täglichen Lebens geworden.
Den Traumurlaub mit wenigen Klicks organisieren,
Google mit der Antwort auf fast jede Frage oder die
Erreichbarkeit in fast jedem Winkel der Erde. Die
digitale Evolution verändert aber nicht nur uns selbst,
also den Menschen und sein Handeln. Auch Unternehmen, ihre Waren und Dienstleistungen, die Produktionsmethoden sowie die Art mit Geschäftspartnern und Wettbewerbern zu agieren, werden sich
radikal neu gestalten.
Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie betreten das
altbekannte Autohaus und verändern dort plötzlich
alleine mit der Gestik ihrer Hände das Aussehen des
Autos auf dem Großbildschirm. Alle Details von Motor und Technik betrachten und verstehen Sie, mit
einem Wisch fügen Sie jede denkbare Wunschkonfiguration lebensecht hinzu und nutzen die Zeit bis
zum maßgeschneiderten Mobilitätsangebot zu einer
virtuellen Probefahrt im 3D-Simulator.
Schon in naher Zukunft, teilweise bereits zum
heutigen Zeitpunkt, werden wir durchgängig digitalisierte Prozesse – von der technischen Entwicklung
bis zum Kundenservice – abgestimmte Informationen
erzeugen und weiterverarbeiten. Kann ich Werbeflächen als virtuelle Schaufenster mit QR-Bestellcodes
ausstatten? Können Maschinen in der Produktion
untereinander kommunizieren und Teile vollkommen
autonom zum nächsten Verarbeitungsschritt leiten?
Und warum nicht die Smart Factory immer voll auslasten, da völlig unterschiedliche Produkte darin
gefertigt und Baupläne aus allen Winkeln der Welt
elektronisch eingespeist werden? Über ein sogenanntes Smart Business Network lassen sich dann die
Produkte durch horizontal integrierte Logistikpartner
termingerecht zu jedem Kunden weltweit ausliefern.
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Unrealistisch? Nein, vieles davon ist heute schon
technisch möglich. Und im Rahmen der digitalen
Transformation wird vieles wirklich, was man in der
Vergangenheit nur in Filmen kopfschüttelnd als ferne
Zukunft zur Kenntnis nahm. Höchste Zeit also, sich
als Unternehmen mit der eigenen digitalen Geschäftsstrategie zu beschäftigen und deren Vorteile für die
eigene Wettbewerbsposition festzulegen. Fest steht:
Der kluge Einsatz von ICT, also Informations- und
Kommunikationstechnologien entscheidet künftig
über Gewinner und Verlierer im Marktgeschehen.
Nicht zuletzt deshalb stand die Hannover Messe 2013
unter dem Leitmotiv der integrierten Fertigung. Bereits am ersten Messetag wurden der Bundeskanzlerin die Handlungsempfehlungen des Forschungsrats
zur Umsetzung des Zukunftsprojekts Industrie 4.0
übergeben. Schon bald sollen deutsche Fabrikausrüster ihre Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel
als Cyber Physical Systems weltweit vernetzen, ihre
Produktionssysteme vertikal mit Entwicklung, Logistik, Vertrieb und After Sales integrieren und horizontal in unternehmensübergreifenden, in Echtzeit
steuerbaren Wertschöpfungsnetzwerken verknüpfen.
Zwar haben einige Unternehmen schon Forschungs- und Entwicklungsprojekte zum Ausbau der
digitalen Fähigkeiten aufgesetzt. Viele sind aber
dennoch kaum in der Lage, die Chancen optimal für
sich zu nutzen sowie Wechselwirkungen abzuschätzen. Und es reicht nicht aus, pragmatisch Prozesse
zu digitalisieren oder IT-Systeme zu harmonisieren
oder zu transformieren. Es geht vielmehr um neue
Ideen und wegweisende Geschäftsmodelle.
Navigator für digitale Transformation
Entscheidend ist daher ein Managementmodell, das
die neue Komplexität der Vernetzung von Kunden,
Produkten und Unternehmen abbildet und als Weg-
BeraterGuide 2014
weiser im Kosmos der Möglichkeiten fungiert. Klienten sollten beim Aufbau ihrer Strategie sozusagen
einen Navigator für die eigene digitale Transformation entwickeln. Er sollte transparent durch die digitale Landkarte führen, indem er den Veränderungsbedarf ganzheitlich in verschiedenen, jedoch stets
miteinander zusammenhängenden Dimensionen
plant (siehe Abbildung).
Der „Strategic Impact“, also die Wirkung geplanter
Maßnahmen, kann sowohl Ziele der Top Line adressieren (etwa neue Umsatzpotentiale wie beispielsweise neue Geschäftsmodelle, neue Kundengruppen oder
zusätzliche Produkte und Serviceleistungen) als auch
auch die der Bottom Line, wie höhere Effizienz oder
geringere Kosten. Die Realisierung erfolgt in drei
Bereichen – den „Digital Fundamentals“: Diese Dimensionen der digitalen Transformation umfassen
den Kundenbereich mit neuen Vertriebskanälen und
Kundenintegration, den Bereich Produkte und Dienstleistungen sowie das Unternehmen inklusive der
Zusammenarbeit im internen und externen Kontext.
Im Rahmen der „Digital Business Capabilities“ gilt
es dann, konkret zu definieren wie in diesen Dimensionen die ICT schon vorhandene Geschäftsfähigkeiten mit dem jeweils noch erforderlichen Veränderungs- und Entwicklungsbedarf in Einklang bringen
kann. Hier wird beantwortet wie zum Beipiel neue
Analysemöglichkeiten wie Big Data in den Unternehmensbereichen werthaltig eingeführt (Digital Analytics) oder die Logistikkette durch Partnernetzwer-
Das Jahrbuch für Beratung und Management
ke erweitert werden kann (Partner Networking). Auch
die Transformationsfähigkeit des Unternehmens
(Transformation Ability) oder Themen zu Risiko und
Vertrauen in neue ICT (Risk and Trust) sind hier zu
gestalten.
Letztendlich erlaubt der Navigator dem Unternehmen, im spezifischen Kontext des Ökosystems die
einzelnen Dimensionen darzustellen sowie Wechselwirkungen abzuschätzen. Denn digitale Transformation ist weit mehr als reine Technologie – sie ist der
Treiber zur Steigerung von Wertschöpfung und Performance im Unternehmen.
Folgende Best Practices in den erwähnten Dimensionen zeigen beispielhaft, welche Chancen ein gut
umgesetzter Navigator für Digitale Transformation
eröffnet und wie sich die entstehenden Umsetzungsherausforderungen beherrschen lassen:
Dimension Kunde:
Best Practice „Connected Car“
Bekannte Beispiele für neue digitale Kundenansprache sind Social Media und Communities, wie sie von
Einzelhandels-, Mode- und Reiseportalen längst umgesetzt wurden. Jetzt ziehen auch die Autohersteller,
die bisher wegen der zwischengeschalteten Händler
nicht direkt mit Kunden kommunizierten, nach: Connected Cars, also vernetzte Fahrzeuge, treten mittels
Infotainment-Systemen und Mehrwertdiensten direkt
mit ihren Fahrern, anderen Fahrzeugen und mit Unternehmen in Kontakt. Neben naheliegenden Infor-
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Kapitel III n Technologieberatung
mationen wie Verkehrsfluss und Gefahrenstellen
bieten sich vollkommen neue Möglichkeiten: Denkbar
ist beispielsweise, dass mittels Sensordaten der Wartungsbedarf von Verschleißteilen identifiziert und
dem Fahrer sofort ein Termin für einen Werkstattbesuch beim nächsten Vertragspartner angeboten wird.
Auch wertvolle Informationen über Fahrverhalten
und Vorlieben können gesammelt und für gezielte
Angebote ausgewertet werden, in einigen Ländern
sind solche „Pay-as-you-drive“ und „Pay-how-youdrive“ Modelle bereits im Einsatz. Vor allem dem
Kundenbeziehungsmanagement verleiht dies neuen
Rückenwind und unterstützt über Vertriebs- und
Serviceorganisationen hinweg neue Geschäftsmodelle sowie ein einheitliches Customer Experience Management bis ins Fahrzeug.
Das Geschäftsmodell der vernetzten Fahrzeuge
zeigt jedoch auch, wie eng wirtschaftliche, technologische und partnerschaftliche Fragen miteinander
verwoben sind: So bedeutet die Einführung von Konnektivität für die Automobilhersteller ein neues Terrain, in dem ihr bisheriges Wissen nur begrenzt und
hochspezifisch ist. Es stellt sich nicht nur die Frage,
wie Konnektivitätsmodule zu integrieren sind, damit
Zustandsdaten im Rahmen von On-Board-Diagnosen
für die intelligente Kundenkommunikation zur Verfügung stehen. Der wachsende Bedarf nach Konnektivität wirft zudem Fragen nach der Bandbreitenkapazität auf. Es ist zu klären, welche Infrastrukturinvestitionen die Autohersteller eingehen sollen, um
Hardware-basierte Infotainment-Optionen anzubieten
oder es nicht einfacher wäre, alle Dienste aus einer
Cloud heraus zu beziehen? Und selbstverständlich
müssen alle Datenschutzvorkehrungen das Vertrauen der Kunden gewinnen.
Um die steigenden Kundenwünsche zu erfüllen,
wird das Automotive-Ökosystem für Partner geöffnet.
Neue und alte Marktteilnehmer aus der Elektronik-,
Telekommunikations- und Softwareindustrie und
sonstige Service-Provider bis hin zu Verkehrsbetrieben und Tourismus- und Freizeitanbietern werden
sich künftig an der Wertschöpfung beteiligen. Es wird
deutlich: Vernetzung ist deutlich mehr als nur ein
neues Feature für Prozesse und Systeme, es müssen
völlig neue Kooperationsmodelle und -prozesse sowie
Modelle für Produktdatenaustausch und Partnernetzwerke entwickelt werden.
Dimension Produkt und Dienstleistung:
Best Practice „Diabetes Portal“
Wie will der Endkunde künftig eine Welt der digitalisierten Produkte erleben? Klar ist: Daten und aus
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ihnen gewonnene Informationen sind in vielen Industrien inzwischen elementarer Teil der Wertschöpfung
geworden. Damit stiften die Daten einen direkten
Nutzen für die Kunden und genau dies wird letztlich
entscheidend für die Akzeptanz im Markt sein. Besonders in der Gesundheits-Branche wird dieser
Kreislauf von Informationen zum Lebenselixier der
neuen, digitalen Produkte. Moderne Smartphones
verbunden mit drahtlosen Messgeräten sind hier
geradezu prädestiniert für die Gesundheitsprävention. Technische Innovation kann hier dazu führen,
dass sich Lebensgewohnheiten zum Positiven verändern. Gerade Menschen, die sich zu wenig bewegen,
leiden beispielsweise an erhöhten Blutzucker- oder
Blutdruckwerten, Übergewicht, körperlichen Beschwerden oder Burnout-Symptomen.
Auf der Cebit 2013 stellten die Central Krankenversicherung und die Deutsche Telekom das erste
interaktive Online-Portal für Diabetiker vor. Da Diabetes Typ 2 gut steuerbar ist, wenn der Patient bereit
ist, seine Gewohnheiten zu ändern, will das OnlinePortal in Kombination mit elektronischen Helfern
spielerisch zu regelmäßiger Bewegung und einer
ausgewogenen Ernährung animieren. Ausgestattet
mit einem Schrittzähler, einem elektronischen Blutzuckermesser und einer Smartphone-App testen die
Teilnehmer selbst, wie sich ein Stück Kuchen oder
gestiegene Treppen auf ihre Zuckerwerte auswirken.
Die Werte werden über eine gesicherte Datenverbindung automatisch per Smartphone an das DiabetesPortal übermittelt, können von den beteiligten Partnern ausgewertet werden und bei Bedarf mit Handlungsempfehlungen an den Patienten zurückgespielt
werden. Wesentlich war unter anderem die sichere
Anbindung der mobilen Endgeräte an die Plattform,
wobei alle Anforderungen des Datenschutzes erfüllt
sind.
Dimension Unternehmen: Best Practice
„Architecture and Capability Management“
Es winken also viele neue Geschäftschancen, doch
gleichzeitig erscheinen alle Zusammenhänge in der
Regel äußerst komplex. Wo soll man anfangen? Wie
können Unternehmen die Auswirkungen digitaler
Herausforderungen in ihrer eigenen Prozesslandschaft konkret prüfen und umsetzen? Das hohe Tempo der digitalen Transformation von Geschäftsprozessen erzeugt bei vielen Akteuren große Unsicherheit: Was muss ich tun, damit ich meine Produkte
völlig flexibel konfigurieren kann? Wo und wie will
ich digitale und reale Welten verbinden? Die Antwort
lautet: Nutzen Sie als Basis das, was bereits im Un-
BeraterGuide 2014
ternehmen vorhanden ist. Denn jedem Unternehmen
wohnt eine Architektur inne, also die Logik, welche
Geschäftsprozesse und Technologie organisiert. Doch
ist diese Logik selten genug den Handelnden explizit
transparent. Um zu verstehen, ob und wo neue digitale Geschäftsideen sinnvoll umsetzbar sind, ist ein
Gesamtbild hilfreich, das die Sicht der Akteure von
der Strategie bis zum Betrieb mit genau der Detailtiefe ausstattet, die jeweils wichtig ist.
So wird auch der Schlüssel zu einer im Sinne von
Industrie 4.0 wirkenden Smart Factory in einer modularen Fach-, IT-und Technologie-Architektur liegen,
die ERP, Fertigung und Logistik über definierte Dienste und eine standardisierte Datenbasis miteinander
verknüpft. Schon heute liegt beispielsweise ein Ziel
vieler, weltweit produzierender Fertigungsunternehmen darin, kurzfristig auf Ressourcenengpässe zu
reagieren. Im Idealfall verlagern sie die Fertigung
von Komponenten bis zur Endmontage bedarfsgerecht
auf unterschiedliche Standorte. Voraussetzung hierfür sind vernetzte Fabriken, die jedoch hierfür Produkt- und Produktionsdaten für unterschiedliche
Standorte oder auch externe Partner durchgängig
verfügbar machen müssen. Aktuell verfügen aber nur
wenige Fertigungsunternehmen über eine IT-Organisation, die solchen Anforderungen gewachsen ist.
Ob im Bereich PDM/PLM, CAD oder im Grunddatenmanagement: Zumeist existieren monolithische Einzelsysteme mit uneinheitlichen Datenformaten, Eigenentwicklungen und stark angepasste Standardlösungen, die sich kaum vollständig integrieren
lassen.
Um eine IT-Landschaft zu entwickeln, die schnellere Produktions- und Entwicklungsprozesse sowie
die agile Integration von Partnern ermöglicht, sollten
Unternehmen ihre Prozesse auf Basis von Geschäftsfähigkeiten (Business Capabilities) planen. Das ist
die Grundlage für die digitale Transformation im
Unternehmen. Jede Capability umfasst verschiedene
Dimensionen für Menschen, Material und Prozesse.
Eine typische Capability ist etwa die Konstruktion
eines Bauteils. Schematisch sind dafür ein Konstrukteur (Menschen), ein CAD-System (Material) und ein
Entwicklungsprozess (Prozess) erforderlich, innerhalb dessen Mensch und System Informationen verwenden und bereitstellen.
Bei der Definition der Capabilities stellt eine Projektgruppe dann beispielsweise fest, welche Werksprozesse mit standardisierten und integrierbaren
Fach- und IT-Modulen abbildbar sind. Auf diese Weise entsteht ein Bebauungsplan, mit dem sich ändernde fachliche Anforderungen schnell und unkompli-
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ziert umsetzen lassen können. Mit einem solchen
Projekt schaffen Fertigungsunternehmen die optimale Voraussetzung für die digitale Transformation
ihrer Produktion.
Der Ansatz, passend zur jeweiligen Situation jederzeit erfolgreich auf „Capability Maps“ und ein
transparentes Enterprise Architecture Management
zurückgreifen zu können, soll ein Unternehmen befähigen, in kurzer Zeit Auswirkungen von Veränderungen zu bewerten. Üblicherweise eine hochkomplexe Aufgabe, da oft wenig Transparenz über konkrete operative Folgen in Unternehmensbereichen
vorhanden ist. Doch nur so sind Unternehmen dafür
gewappnet, erfolgskritische Innovationen zeitnah
aufzuspüren und in Gang zu setzen.
Der Nutzen wird entscheiden
An vielen Beispielen zeigt sich: In der neuen, gerade
beginnenden Ära der „Digitalen Transformation“
zeichnen sich erfolgreiche Unternehmen dadurch aus,
dass sie die Chancen, die sich durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien ergeben,
konsequent nutzen und in den beschriebenen Dimensionen „Kunde“, „Produkt und Service“ sowie „Unternehmen“ ihre Positionierung im globalen Markt finden. Letzten Endes wird der generierte Mehrwert
entscheiden – Unternehmen werden in Zukunft daran gemessen, wie sie die sich ändernde Welt laufend
mit schlüssigem Nutzen aufladen.
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Der Autor
Günter Krieglstein ist Managing Partner
und Mitglied des Executive Board der Managementberatung Detecon International.
Er verantwortet den Geschäftsbereich für
Beratungsprojekte und Klientenbeziehungen in der Industrie.
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