Odysso-Info vom 14.05.2009

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Information zur Sendung
vom 14. Mai 2009
Pfusch an der Hüfte
Hüftprothesen wurden in den letzten Jahren
stark weiterentwickelt, um die bestehende
Knochensubstanz zu schonen. Auch die
Operation selbst soll unkomplizierter verlaufen, weil durch den minimalinvasiven Eingriff
im Idealfall keine Muskeln und Nerven durchtrennt werden müssen. Komplikationen und
schlimme Nebenwirkungen bleiben aus, so
die Hoffnung. Hört sich gut an, aber wie
bewähren sich die neuen Verfahren in der
Praxis? Wie steht es mit Langzeiterfahrungen?
Jüngste Untersuchungen zeigen, dass die
Komplikationsrate bei diesen „minimalinvasiven Hüft-OPs“ deutlich größer sind als
beim Standardverfahren. Und: immer wieder gibt es
Meldungen über ganze Chargen von Prothesen, die den
Ansprüchen nicht genügen oder sogar im Körper zer-
Der Belastung nicht gewachsen: gebrochene Hüftprothesen
brechen. Odysso beleuchtet den Fortschritt bei HüftOperationen kritisch.
Inhalt
S. 2 Unsinnige Medizinprodukte
S. 4 Kein TÜV für Prothesen – noch!
S. 5 Schicksalsstory: Hüft-OP
S. 7 Wunderwerk Hüfte
S. 8 Adressen, Links und Literatur
Unsinnige Medizinprodukte
von Axel Wagner
Ob Zahnarztinstrument, Stethoskop, Kernspintomograph oder Herzschrittmacher, die
meisten Medizinprodukte werden nicht von einer unabhängigen Stelle kontrolliert.
Verantwortlich ist alleine der Hersteller. Der Markt ist riesig und für die Firmen lukrativ:
23 Milliarden Euro werden allein in Deutschland jährlich für Medizinprodukte ausgegeben. Doch manches, was als Innovation angepriesen wird, nutzt gar nichts.
Schlimmer noch: aufgrund der mangelhaften Qualität von Produkten kommt es immer
wieder zu Todesfällen.
„Vor einem Toaster der nicht richtig funktioniert kann
man davonlaufen. Vor einem Herzschrittmacher der
in den Körper eingebaut ist, kann man nicht mehr davonlaufen, der muss funktionieren“, sagt Professor
Johannes Löwer, Leiter des „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“, kurz BfArM. Hinter
dessen Mauern wurde eine erschreckende Bilanz erstellt: Seit 2005 wurden 330 Todesfälle im Zusammenhang mit Medizinprodukten gemeldet. Neben
zahllosen Unfällen konnte bei 60 Toten bewiesen
werden, dass sie durch die direkte Anwendung von
Medizinprodukten gestorben waren.
In der Bonner Behörde blickt man auf diese Zahlen
allerdings eher nüchtern. „Selbstverständlich ist jeder Tote ein Toter zuviel in dieser Anwendung. Und
natürlich werden alle Anstrengungen gemacht, um
das zu verhindern. Aber Sie wissen in unserem täglichen Leben kommt das immer vor; Verkehr ist nur
ein Beispiel dafür“, so Behördenleiter Löwer.
Ist ein Gesundheitsrisiko durch Medizinprodukte wirklich unvermeidbar?
Müssen wir also wirklich mit den „Verkehrstoten“
aus dem Medizinbetrieb leben? Ist ein so hohes Gesundheitsrisiko durch Medizinprodukte wirklich unvermeidbar? Prof. Harald Schweim, Spezialist für Arzneimittelrecht, sagt: Nein. Tote und Verletzte könnten
vermieden werden – wenn die Kontrollen besser wären: „Wir haben jetzt gerade einen Fall, wo ein Zahnarztstuhl in sich zusammengefallen ist und dabei
hätten Menschen schwer zu schaden kommen können, wenn zum Beispiel der Zahnarzt – was ich niemandem wünsche – mit dem Bohrer durch das Ge-
330 Todesfälle im Zusammenhang mit Medizinprodukten
sicht des Patienten fährt, während der Stuhl nach
unten geht. Und da weiß man nicht, wie viele Geräte
auf dem deutschen Markt sind. Das wäre anders,
würde es ein amtliches Medizinprodukt-Register geben und würde es die Möglichkeit geben, möglichst
für Jedermann, dort hineinzuschauen.“
Da es kein solches Register gibt behilft sich das zuständige BfArM mit Empfehlungen. So heißt es in Sachen Zahnarztstuhl: „Da ferner derzeit kein verantwortlicher Hersteller bestimmbar ist, empfehlen wir
im Hinblick auf dieses spezielle Problem deren technische Überprüfung.“ Doch welche Praxis informiert
sich schon regelmäßig auf den Seiten des BfArM?
Es gibt kein Register für Medizinprodukte
Dabei könnte alles so einfach sein, denn schließlich
gibt es ein Gütesiegel das eigentlich auch für Medizinprodukte gilt: Das CE-Zeichen. Doch das wird mittlerweile kopiert, oder muss in Fernost für ein Logo
namens „China Export“ herhalten. „Dieses ist ja nicht
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einmal spezifisch für Medizinprodukte, das findet
man auch auf Kinderspielzeug oder auf einem Bügeleisen und so weiter“, so der Pharmakologe Schweim.
„Das heißt, der Verbraucher kann gar keine Aussage
treffen. Die zweite Problematik ist: die Behörden wissen nicht, welche Produkte auf ihrem Markt wirklich
verkauft werden.“
macher auf, muss der Hersteller dies zwar melden,
doch in jahrelangen Tests kann er selbst erst einmal
die Ursachen erforschen.
Es gibt auch ein hausgemachtes Sicherheitsproblem im
Umgang mit Medizinprodukten und eine bedenkliche Form der Kosteneinsparung im Krankenhaus.
Stichwort Einmalartikel: So mancher Einmalartikel
erfährt im Laufe seines Lebens eine kostengünstige
aber gefährliche Umwidmung. Die Materialkosten im
Klinikalltag sind enorm, denn schon unscheinbare
Wegwerfartikel belasten das Budget und gehen mitunter nach Gebrauch in die Wiederverwertung.
Es gibt kei Regist für Medizinprodukte
Mängel – etwa bei einem Herzschrittmacher –müssen
gemeldet werden
Hat die zuständige Behörde überhaupt einen Überblick darüber, wie viele Produkte in Deutschlands
Gesundheitswesen im Umlauf sind? „Uns ist nicht
bekannt, wie viele Medizinprodukt ein CE-Zeichen
haben“, so BfArM-Leiter Löwer. „Es ist ursprünglich
vorgesehen gewesen, dass eine europäische Datenbank erstellt wird, in der das nachgesehen und
nachgelesen werden kann. Leider ist diese Datenbank – und das ist schon ein großer Nachteil – nie
erstellt worden, so dass wir nicht wissen, welche
Produkte zum Beispiel in Frankreich CE gezeichnet
worden sind und damit auch auf den deutschen
Markt kommen können.“
Das Problem der Medizinprodukte ist also auch ein
europäisches Problem. Denn manche Herstellerfirma
lässt im Ausland ihre Produkte mit dem CE-Zeichen
zertifizieren, um die strengen deutschen Bestimmungen zu umgehen und erreicht so auf Umwegen
die Zulassung. Dagegen ist die Behörde machtlos.
„Das BfArM hat für bestimmte Aufgaben zu wenig
Macht. Nämlich zum einen die Firmen zu einer intensiveren Kooperation zu bringen, dort wo es notwendig ist, und zum anderen letztlich auch was das Umsetzen von Maßnahmen betrifft“, bestätigt Johannes
Löwer. Kurzum – ihm und seiner Behörde sind die
Hände gebunden. Denn treten etwa Mängel an
einem Medizinprodukt wie etwa einem Herzschritt-
Prof. Harald Schweim: „Wenn ich jetzt beispielsweise
einen Herzkatheter habe der mit UV-Licht sterilisiert
worden ist, und bei der Aufbereitung sterilisiere ich
ihn mit gespanntem Wasserdampf von 120 Grad, da
kann sich die Oberfläche verändern, da kann sich die
Struktur verändern. Und wenn ich ihn das nächste
Mal anwende kann er vielleicht brechen. Denn der
Hersteller gibt ja keine Auskunft darüber, wie sein
Produkt hergestellt worden ist, weil er sein Knowhow schützen will. Und das finde ich außerordentlich
leichtsinnig, dass hier Regeln bestehen für die Wiederaufarbeitung von Einmalartikeln.“
Wir fassen zusammen: Missbräuchlicher Umgang mit
den Produkten, eine ohnmächtige Behörde, ein Gütesiegel das eigentlich keines ist und ein riesiger, zu wenig regulierter Produkt-Markt sind die Ursache für
vermeidbare Todesfälle. Das Fazit in Sachen Medizinprodukte ist eindeutig: Es besteht Handlungsbedarf!
So mancher Einmalartikel wird zum Mehrfachartikel
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Kein TÜV für Prothesen – noch!
von Michael Ringelsiep
Auf der Mängelliste der Medizinprodukte immer wieder ganz oben: gebrochene Hüftprothesen. Von knapp 170.000 Implantaten, die in Deutschland jährlich eingesetzt
werden, sind schätzungsweise 5000 fehlerhaft. Hinter solchen Zahlen stecken Menschen, für die ein Materialfehler nicht nur lange und mühsame Rechtsstreitigkeiten
um Schadenersatz bedeutet, sondern vor allem neue Operationen und Schmerzen.
Einer von ihnen ist Peter K. Seine Hüftprothese hielt
nicht die versprochenen fünfzehn, sondern nur drei
Jahre: „Also ich bin in die Stadt gegangen, um einige
Einkäufe zu erledigen. Da vorne auf der Straße hörte
ich plötzlich ein Geräusch, als sei ein Hühnerbein
zerbrochen. Es hat ‚Knack‘ gemacht und ich bin ins
Schlingern gekommen. Ich habe mich an der nächsten Hauswand festgehalten. Ich habe mich dann
bis zur nächsten Sitzgelegenheit vorwärtsgetastet.
Als ich dann saß, habe ich gemerkt: das Gelenk läuft
nicht mehr rund. Ich konnte nur noch das Bein hochhalten und dabei hat es ein Geräusch gegeben, wie
in einem alten Edgar Wallace Film, als würde eine
Burgtür aufgemacht.“
“...es hat ‚Knack‘ gemacht und ich bin ins
Schlingern gekommen ...“
Die linke, künstliche Hüftprothese war gebrochen. Inzwischen trägt Peter K. eine neue, zweite Prothese.
Sein Anwalt vermutet, dass ein Materialfehler vorliegt. Nun versuchen Werner Kachler vom Zentrum
für Werkstoffanalytik Lauf und Ulrich Holzwarth,
Deutschlands einziger Gerichtsachverständiger für
Prothesen, zu klären, wie es zu dem Bruch kam. Sollte
der Hersteller schuld sein, will Jörg Heynemann ein
Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro fordern:
„So etwas passiert öfters. Es gibt regelrechte Serienschäden, wo es bei einem Produkt zu einer Vielzahl
von Brüchen kommt. Es können auch Gießfehler zu
Brüchen führen. Es ist auf jeden Fall kein Einzelfall“,
so der Anwalt für Medizinrecht.
Rund 170.000 Hüftprothesen wurden 2007 eingesetzt – etwa 5000 davon waren fehlerhaft. Das sind
allerdings nur Schätzungen. Denn es gibt in Deutschland kein Prothesenregister das den Operationsverlauf und den Austausch gebrochener Implantate
„... ich habe mich an der nächsten Hauswand festgehalten ...“
zentral erfasst. Dabei ist der Markt gigantisch. Es gibt
über 180 Hersteller weltweit. Hunderte von Prothesentypen stehen den Chirurgen zur Auswahl. Rein
theoretisch. Denn immer öfter entscheidet nicht der
Arzt sondern die Buchhaltung, welche Prothesen für
die Operationen bereitgestellt werden.
Es gibt über 180 HüftprothesenHersteller weltweit
Jörg Heynemann weiß: „Manche Krankenhäuser beziehen sogar nur Produkte von einem Hersteller, weil
sie von dem einen Mengenrabatt bekommen. Es gibt
sogar Fälle, wo Chirurgen an der Entwicklung einzelner Produkte beteiligt sind. Das halte ich für problematisch, weil nicht alle Produkte dieses Herstellers
gut sein müssen. Der Patient hat dort keine Wahl
mehr.“ Nur der behandelnde Arzt und der Patient
selbst wissen später, welcher Implantat-Typ bei der
Operation eingesetzt wurde. Die Krankenkassen erfahren keine Details. Sie rechnen mit den Kliniken
über Fallpauschalen ab, durchschnittlich rund 8000
Euro pro Hüftgelenk-OP. Ein untragbarer Zustand,
denn sollte sich später herausstellen, dass das eingesetzte Implantat aus einer Serie mit ProduktionsfehSendung vom 14.05.2009
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lern stammt, sind die betroffenen Patienten nicht
mehr zu ermitteln.
Wenn die gebrochene Prothese aufbewahrt wird,
kann der Gerichtsgutachter Ulrich Holzwarth in der
Regel ermitteln, ob ein Material- oder Herstellerfehler den Schaden verursacht hat. Bei der Prothese von
Peter K. ist der Fall allerdings etwas komplizierter,
weil nur der Schaft erhalten ist. Der Hüftkopf verschwand nach der Operation. Am Rasterelektronenmikroskop begutachten die Experten die Bruchstelle.
Der Schaden wurde auch bereits beim Bundesamt
für Arzneimittel und Medizinprodukte gemeldet.
Wie viele defekte Hüftprothesen in den vergangenen
Jahren eingegangen sind, weiß die Behörde nicht. Sie
informiert nur den Hersteller und veröffentlicht die
Mängel im Netz, zusammen mit allen anderen Eingängen. Wer sich informieren will, muss stöbern. „Im
Gegensatz zu vor fünf Jahren melden die Hersteller
mehr und mehr ihre Vorkommnisse. Trotzdem haben
wir immer noch zu wenig Meldungen – vor allem von
Seiten der Operateure, die gebrochene Implantate
explantieren“, sagt Ulrich Holzwarth. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) – das oberste Gremium der Ärzte, Krankenkassen und Kliniken – plant
deshalb, ein zentrales Prothesenregister einzuführen. Als Vorbild dient Schweden. Dort werden alle Implantate in einer Datenbank erfasst. Die Zahl der Reparatureingriffe geht seitdem stetig zurück. In
Deutschland wird derweil noch heftig gestritten, wie
man die Daten auswertet, verschlüsselt und im Schadensfall rekonstruieren kann.
Den Schuldigen zu finden ist auch das Anliegen von
Peter K.: „Mein Recht ist, dass derjenige gefunden
wird, der für den Bruch verantwortlich ist. Meiner
Meinung nach ist die Lebensdauer eines Hüftkopfes
wesentlich länger drei Jahre. Es muss einen Verantwortlichen geben. Ich bin das nicht!“ Der Schadensersatzprozess läuft. Die Chancen stehen gut. Für Peter K. ein schwacher Trost, denn seit der zweiten OP
ist sein linkes Bein kürzer und sein neues Kunstgelenk springt regelmäßig aus der Pfanne.
Schicksalsstory: Hüft-OP
von Frank Wittig
Obwohl Hüftoperationen inzwischen zu den Routineeingriffen gehören, handelt es
sich dabei um technisch anspruchsvolle Operationen, die auch für die Patienten eine
große Belastung darstellen. Viele Kliniken werben deshalb mit kleinen, schonenden
Eingriffen: Kleinere Schnitte, schnellere Heilung. Aber sind diese neuen Operationstechniken wirklich eine Alternative?
Heinrika R. steht kurz vor einer Hüftoperation.
Nach ihrem Sturz im vergangenen August
dachte sie zuerst, die Schmerzen kämen von
den Prellungen an der Hüfte. Tatsächlich hatte
sich aber ihre Hüftprothese gelockert. Seitdem
wurden die Schmerzen immer schlimmer. Heinrika R. nahm Schmerzmittel, zum Schluss sogar
Morphin. In der Uniklinik Mannheim soll ihr
deshalb ein neues Hüftgelenk eingesetzt werden. Im Vorgespräch bespricht Orthopäde
Hanns Peter-Scharf auch die Größe der Operationswunde. Viele Kliniken bieten derzeit für
Nach einem Sturz hatte sich bei Henrika R. die Hüftprothese gelockert
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die Hüft-OP sogenannte minimalinvasive Verfahren an. Die bringen natürlich kosmetisch die besten Ergebnisse – einerseits.
Das Ziel ist eine möglichst lange Funktion
des Hüftgelenkes
„Auf der anderen Seite muss man sich aber ganz klarmachen, dass das Ziel eine möglichst lange Funktion
des Hüftgelenkes ist – und wir reden dabei über 15
bis 20 Jahre. Und dass wir dieses Ziel eigentlich nicht
dadurch in Gefahr bringen können, dass wir einen
möglichst kleinen Hautschnitt machen, der dann in
der Nachbarklinik noch einen Zentimeter kürzer ist“,
so Professor Scharf. Aber genau damit werben viele
Kliniken. Sie versprechen kleinste Schnitte, wenige
Zentimeter groß. Sogar von Schlüssellochchirurgie
ist da schon die Rede.
Klaus-Peter Günther ist Präsident der deutschen Orthopädenvereinigung und zuständig für wissenschaftliche Leitlinien im Fach. Seine Einschätzung zur
Schlüsselloch-OP ist eindeutig: „Also der Begriff
Schlüssellochchirurgie ist bei der Hüftoperation irreführend. Der sollte nicht als Marketing-Gag missbraucht werden. Für den Erfolg des Eingriffes ist eine
gewisse Übersichtlichkeit vonnöten und deshalb
auch eine entsprechende Schnittgröße. Mit zunehmender Erfahrung kann man die Schnittgröße etwas
verkleinern. Aber dabei sollte immer die Übersichtlichkeit bewahrt werden, um den korrekten Sitz der
Prothese sicher zu stellen.“
Das gilt umso mehr für die Wechseloperation, die
jetzt bei Heinrika R. ansteht. Dabei soll die alte Prothese entfernt werden. „Die größte Schwierigkeit
wird sein, den Knochenzement vollständig aus dem
Oberschenkelknochen herauszubekommen, ohne
dabei den Oberschenkelknochen zu beschädigen“,
erklärt Prof. Hanns-Peter Scharf die besonderen Probleme der Wechsel-OP. Es ist viertel nach neun Uhr
morgens. Im OP werden die letzten Vorbereitungen
für den Eingriff getroffen. Mit einer Folie werden
Oberschenkel und Hüfte der Patientin großflächig
keimfrei abgedeckt. Die Gefahr einer Infektion sinkt
so auf ein Minimum. Eine spezielle Lagerung entspannt das Gelenk.
Prof. Hanns-Peter Scharf führt solche Operationen
am Hüftgelenk seit 25 Jahren durch. Für den Zugang
ins Gelenk wählt er die Narbe der letzten OP. Das ist
der schonendste Weg. Jetzt gilt es Muskeln, Nerven
und Bänder möglichst vorsichtig beiseite zu präparieren. Heinrika R. hat sich für eine Vollnarkose entschieden, obwohl Hanns-Peter Scharf diesen Eingriff
auch unter lokaler Betäubung durchführt. Nach einer Viertelstunde hat der Chirurg das Gelenk freigelegt: „So. Was man hier wunderschön sieht, ist, wie
die Prothese im Knochen wackelt. Das gibt uns natürlich auch die Hoffnung, dass wir die alte Prothese
gut herausbekommen. So. Jetzt sieht man sehr schön,
wie der Knochenzement an der Prothese ganz glattgeschliffen ist, so dass er erkennbar nicht mehr am
Knochen gehalten hat.“
Die Auswahl an Schäften ist reichlich. Für jeden Patienten liegt das passende Kaliber vor. 15 Zentimeter
tief wird der Schaft aus Titan in den Oberschenkelknochen der Patientin eingeführt. Es gibt auch Gelenk-Prothesen mit kürzeren Schäften. Die haben Vorund Nachteile, wie Orthopäde Scharf erklärt: „Die
Kurzschaftprothesen dienen dazu, Knochenmaterial
bei der Implantation zu sparen. Allerdings muss man
sich darüber im Klaren sein, dass die meisten dieser
Kurzschaftprothesen bisher nur sehr kurzfristige Ergebnisse haben. Das heißt, wir können eine endgültige Bewertung, wenn wir sie fair abgeben wollen,
bisher nicht treffen. Es bleibt abzuwarten, wie diese
Prothesen nach 10, 15 und 20 Jahren abschneiden.“
Es bleibt abzuwarten, wie sich Kurzschaftprothesen künftig bewähren
Auch die alte Hüftpfanne aus Kunststoff saß nicht
mehr fest. Sie wird durch ein Fundament aus Titan
ersetzt. Die raue Oberfläche erleichtert das Einheilen
in den Beckenknochen. Titanschrauben fixieren das
Fundament für die Pfanne im Beckenknochen. Mit
der Zeit wird es festwachsen. Die eigentliche HüftPfanne ist aus Keramik. Sehr hart und sehr glatt. Sie
wird in das Fundament gesteckt.
Viertel vor elf. Hanns-Peter Scharf montiert den
Oberschenkelhals auf den Schaft. Darauf kommt der
Kugelkopf der Prothese. Ebenfalls aus Keramik. Nach
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zwei Stunden ist das künstliche Hüftgelenk komplett.
Die Operation neigt sich dem Ende zu. Der Chirurg
renkt das Gelenk ein und testet die Beweglichkeit.
Insgesamt ein schwerer Eingriff. Heinrika R. wird in
den ersten Tagen starke Schmerzmittel benötigen.
Doch die Schmerzen, so die Prognose, werden in
den folgenden Tagen sehr rasch abklingen. Und
durch die fest sitzende Prothese wird die Patientin
gut mobilisiert und schnell wieder auf den Beinen
sein können.
Wunderwerk Hüfte
von Hilmar Liebsch
Im Grunde genommen könnte die Hüfte recht einfach gebaut sein. Das Becken sitzt als
fester Block auf zwei Säulen. Das reicht aus, um stabil zu stehen. So wie ein Haus oder
eine Brücke. Doch die bewegen sich nicht von der Stelle. Wer sich also bewegen möchte, braucht eine andere Konstruktion.
Man könnte zum Beispiel die Säulen einfach oben abrunden und das Becken darauf stellen. Doch so eine
Konstruktion ist nicht sonderlich stabil und die Bewegungsmöglichkeiten sind recht gering. Schließlich
kann das Bein um knapp 140 Grad nach vorne, und
50 Grad zur Weite bewegt werden. Nur nach hinten
geht es nicht so gut: Um 20 Grad kann der Untrainierte das Bein nach hinten anheben. Solche Bewegungen sind nur möglich, wenn das Hüftgelenk seitlich angebracht ist.
Ideal als Gelenk ist ein Kugelgelenk das in einer Pfanne gelagert wird. So ein Gelenk ist extrem beweglich:
Nach oben geschlossen und nach hinten nur gering
geöffnet stützen die Beine das Becken und sind doch
beweglich. Damit das Kugelgelenk glatt laufen kann,
ist die Gelenkpfanne mit einer dicken Schicht Knorpel ausgekleidet. Außerdem führen die stärksten
Bänder des menschlichen Körpers von der Hüfte zum
Oberschenkel: So wird der Gelenkkopf fest in die
Pfanne gepresst.
Kann auch aktiv bewegt werden: etwa beim Hüftschwung
Das ist auch nötig, denn am Oberschenkel arbeiten
die kräftigsten Muskeln des Menschen. Über zwanzig
verschiedene Muskeln können den Oberschenkel bewegen. Optimiert wird die Bewegung der Hüfte dadurch, dass die Wirbelsäule sie ausgleichen oder unterstützen kann. Somit ist die Hüfte nicht nur die
Basis des Rumpfes, sondern kann auch aktiv bewegt
werden, zum Beispiel beim Hüftschwung.
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Adressen
L i t e rat u r
Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM)
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3
D-53175 Bonn
Telefon: 0228/99307-30
Telefax: 0228/99307-5207
[www.bfarm.de]
Prof. Dr. med. Hanns-Peter Scharf
Orthopädische Klinik Mannheim
Theodor-Kutzer-Ufer 1-3
D-68135 Mannheim
Telefon: 0621/383-4506
Telefax: 0621/383-4509
[www.ma.uni-heidelberg.de/]
Ulrich Heier
Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3
D-53175 Bonn
Links
Dr. Ulrich Holzwarth
Gutachter für Chirurgisch invasive
Implantate und deren Werkstoffe
Henzestraße 91, IZMP
D-91052 Erlangen
Telefon: 09131/5302640
Telefax: 09131/5302650
[www.med-titan.de]
Zentrum für Werkstoffanalytik
Hardtstraße 39b
D-91207 Lauf a. d. Pegnitz
Telefon: 09123/99800-0
Telefax: 09123/99800-8
[www.werkstoffanalytik.de]
[www.g-ba.de]
Der Gemeinsame Bundesausschuss
(G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und
Krankenkassen in Deutschland.
Christoph Schönle, Thomas Hess und
Silke Rödig
Schmerzfrei und beweglich mit dem
neuen Hüftgelenk: Zahlreiche Tipps
für die Zeit vor und nach der OP
Trias , Stuttgart, Februar 2008
ISBN-13: 978-3830433613
Ko n t a k t
Südwestrundfunk (SWR)
FS-Wissenschaft und Bildung
Redaktion Odysso
76522 Baden-Baden
E-Mail: [email protected]
[www.swr.de/odysso/]
[www.arte.tv]
Unter der Lupe: Hüftoperationen. Ein
Bericht bei HIPPOKRATES – dem Gesundheitsmagazin auf arte.tv.
[neuerdings.com]
China Export: Gadgettester leben gefährlich. Bericht über das nachgeahmte
„CE“-Zeichen.
Unsere nächste Sendung kommt am 28. Mai 2009:
WI L DN I S I N D E UTSC H L A N D
Unberührte Natur erwartet man in fernen Urlaubsländern, aber nicht im
dicht besiedelten Europa. Dabei gibt es auch bei uns noch Gebiete, in denen
wilde Tiere und Pflanzen existieren. Wildtiere dringen in unsere Städte vor;
tierische Einwanderer breiten sich aus, Naturschützer schaffen neue
Lebensräume in der Natur. Konflikte sind fast unvermeidlich: tierische Neubürger sind oft unerwünscht, Naturschützer und Bauern haben unterschiedliche Interessen und streiten heftig miteinander. Auch Naturschutz und Freizeitbedürfnisse führen zu
Konflikten. Odysso zeigt, wo Deutschland noch wild ist und welche Probleme das mit sich bringt.
Sendung vom 14.05.2009
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