Lieferfähigkeit steigern durch Bestandsreduzierung? Warum ist der sofortige und schnelle Abbau unnötiger Bestände so wichtig? 06.09.2013 Motivation Eine kleine Geschichte aus dem Alltag: Anton Meier, unser Disponent für Befestigungssysteme der ABS GmbH, ist verunsichert! Gerade hatte er wieder einmal mit Verkäufer Müller, „der große Kurt“ wie ihn die Kollegen nennen, einen Disput über seine Lieferfähigkeitskennzahl. „Was ist los?“, polterte Müller in Meiers Büro. „Schon wieder kann ich die Aufträge für unsere Bestandskunden DELTA und OMEGA nicht ausliefern, weil die Rohrhalterungen und Montageschienen nicht ausreichend vorhanden sind. Das Lager platzt aus allen Nähten, aber lieferfähig sind wir nicht. Wann kann ich mich denn endlich darauf verlassen, dass du die vereinbarte Lieferfähigkeit einhältst. Das kann doch nicht so schwer sein! Demnächst disponiere ich selber, sonst kann ich den Vertrieb gleich einstellen…“ „Das war mal wieder original der große Kurt“, flüstert Meiers junge Kollegin Vera Dahl ihm über den Schreibtisch zu, nachdem Müller, wie immer mit rotem Kopf, wieder aus dem Büro abgerauscht ist. „Ja, er hat Recht! Wir können tatsächlich nicht liefern, aber was soll ich machen? Ich muss bei jeder Disposition aufpassen, dass die Mengen auch ins Lager passen. Manchmal muss ich halt kürzen. Außerdem haben wir die von Müller genannten Artikel erst seit 8 Monaten im Lagersortiment.“, antwortet Meier leise. „Können wir nicht alte Artikel auslisten, damit wir Platz im Lager schaffen?“, fragt Dahl. „Bist du wahnsinnig?“, erwidert Meier. „Willst du dir eine Abmahnung von unserem kaufmännischen Geschäftsführer einhandeln? Auslistung und Verschrottung sind direkt bilanzwirksame Verluste!“ „Und wenn wir die Meldebestände senken?“ „Ja klar, und dann steht Kurt wieder auf der Matte…“ Problemanalyse In Abbildung 1 ist ein typischer traditioneller Bestandsverlaufs-Sägezahn mit seinen wichtigen Parametern beschrieben. Oft wird in der Praxis der Meldebestand als „Sicherheitsbestand“ bezeichnet, was aber nicht korrekt ist, da der Sicherheitsbestand nicht unterschritten werden soll, während der Meldebestand die Bestellung auslöst und zwischen Bestellzeitpunkt und Lieferzeitpunkt der Bestand noch geringer werden kann. Einfach besser disponieren! Seite 1 von 6 Lieferfähigkeit steigern durch Bestandsreduzierung? Warum ist der sofortige und schnelle Abbau unnötiger Bestände so wichtig? 06.09.2013 Menge in VKE Maximalbestand Meldebestand Bestellmenge Sicherheitsbestand AVZ AVZ LFZ ELZ AVZ AVZ t t0 „Heute“ WBZ Abbildung 1: Traditionelle Disposition mit typischen Attributen Attribut Beschreibung Bestellzeitpunkt BZP Zeitpunkt der Bestellauslösung Lieferzeitpunkt LZP Zeitpunkt, zu dem der Artikel eintrifft Verfügbarkeitszeitpunkt VZP Zeitpunkt, zu dem der Artikel verbraucht / verkauft werden kann Auftragsvorbereitungszeit AVZ Zeit zwischen Bestellauslösung und Eintreffen der Bestellinformation beim Lieferanten Lieferzeit LFZ Zeit, die der Lieferant für Produktion und/oder Lieferung benötigt Einlagerungszeit ELZ Zeit, die zwischen Eintreffen der Lieferung und tatsächlicher Verfügbarkeit vergeht, z.B. für Kontrolle, Einlagerung etc. Wiederbeschaffungszeit WBZ Maximalbestand Einfach besser disponieren! Gesamtzeit zwischen Bestellauslösung und Verfügbarkeit, also WBZ =AVZ + LFZ + ELZ statische Vorgabe des maximalen Bestands, der nicht überschritten werden soll Seite 2 von 6 Lieferfähigkeit steigern durch Bestandsreduzierung? Warum ist der sofortige und schnelle Abbau unnötiger Bestände so wichtig? 06.09.2013 Mindestbestand statische Vorgabe des minimalen Bestands, der nicht unterschritten werden soll Meldebestand statische Vorgabe des Bestands, bei dem eine Wiederbeschaffung ausgelöst werden soll Bestellmenge BM Bestellmenge BMopt optimale Bestellmenge VKE Verkaufseinheit, kleinste „Abgabeeinheit“, auf die sich andere logistische Einheiten (Verpackungseinheiten) beziehen Tabelle 1: Typische Attribute der traditionellen Disposition Meier ist in diesem traditionellen Korsett gefangen, denn er muss die Parameter eigenverantwortlich setzen und permanent überwachen. Der Meldebestand ist der entscheidende Parameter in dieser Methodik: Müller muss für jeden einzelnen Artikel einen individuell passenden Meldebestand finden und im Materialwirtschaftssystem pflegen. Wenn der Lagerbestand den jeweiligen Meldebestand erreicht oder unterschreitet, wird der Artikel dem Disponenten signalisiert, z.B. durch eine Dispoliste. Dort können dann die Bestellmengen eingetragen werden. Vor folgenden Problemen steht nun Meier: • Wie hoch ist der optimale individuelle Meldebestand? • Wann muss ich den Meldebestand wieder anpassen? • Wie bekomme ich die auf dieser Basis ausgelösten Bestellmengen im bereits vollen Lager unter? Die Antwort auf diese Fragen ist einfach: Es gibt für Meier keine Lösung! Die o.g. Fragestellungen weisen darauf hin, dass Meier grundsätzlich nicht optimal disponieren kann, da er in einem statischen System gefangen ist. Ein Auslöse- oder Meldebestand ist bedarfsabhängig. Aus diesem Grund ist er in dem Moment veraltet, in dem er festgelegt wird. Folgende Gleichung ist in stark vereinfachter Form(!) die Berechnungsformel für den effektiven Sicherheitsbestand SiBesteff. SiBest eff = f ( SG , S (t ), WBZ ) SG Servicegrad bzw. Lieferwahrscheinlichkeit S(t) Prognosegüte / Standardabweichung als Funktion der Zeit WBZ Wiederbeschaffungszeit Ich möchte hier nicht zu tief in die Mathematik eindringen, aber die o.g. Komponenten sind nicht statisch. Externe Einflüsse sowie der Zeitverlauf aus Historie, Prognose und plötzlichen Effekten (z.B. neue Kunde, den Kurt gerade akquiriert hat) beeinflussen signifikant das Ergebnis. Darüber hinaus ist das von Meier angewendete statische Sicherheitsbestandsverfahren ein wichtiger Grund für unnötige Überbestände, die das Lager oft bis an die Kapazitätsgrenze und darüber hinaus belastet. Eine typische Eskalationskette beschreibt das große Problem: 1. Ein Artikel hat plötzlich Nullbestand. Ein Nullbestand wird leicht und schnell bemerkt. Er ist mess- und protokollierbar. 2. Die Verkäufer, also die „Kurt Müllers“ registrieren sehr wohl auch diese Nullbestände, denn ihr Umsatz ist dadurch gefährdet. Ein Verkäufer möchte a. immer b. alles im Lager vorrätig habe. Am besten noch mehr. Sein Umsatz ist auch messbar und der hängt auch davon ab. Einfach besser disponieren! Seite 3 von 6 Lieferfähigkeit steigern durch Bestandsreduzierung? Warum ist der sofortige und schnelle Abbau unnötiger Bestände so wichtig? 06.09.2013 3. Meier bekommt eine oder mehrere „Watschen“: Vom Verkäufer, von seinem Chef, vom Geschäftsführer. Das merkt sich Meier natürlich. 4. Meier sorgt nun dafür, dass ihm das kurzfristig bei dem Artikel nicht mehr passiert: Er bestellt erstmal genug und „genug“ ist hier „zu viel“, damit erst einmal Ruhe herrscht. Das ist zwar ein Fehler, aber je nach Abverkauf des Artikels kann sich der Bestand wieder durch normalen Bedarf „erholen“. 5. Aber Meier und wahrscheinlich die allermeisten seiner Kollegen auf der Welt, die mit dieser Methodik arbeiten, machen nun den größten Fehler: Damit sich der Nullbestand in Zukunft so schnell nicht wiederholt, wird der Meldebestand erhöht! In Schritt 5 wird der singuläre Fehler von Schritt 4 nun nachhaltig ein Fehler. Der Durchschnittsbestand des Artikels erhöht sich um die Meldebestandserhöhung. Leider gibt es in diesem traditionellen System keine systematische Beschränkung des Meldebestands. Einmal eingetragene Meldebestände sind statisch und müssen manuell wieder korrigiert werden. Das traut Meier sich aber nicht, denn dann gibt es ja wieder „Watschen“. Optimale Meldebestände sind die, bei denen es keine „Watschen“ gibt. Und das kann man auch „sehen“, z.B. mit dem Werkzeug LogoMate von Remira: EINFACH BESSER DISPONIEREN SIMPLY BETTER STOCKS Bestandsabbau > 60% saisonaler Bedarf Einführung LogoMate® Abbildung 2: LogoMate visualisiert den Bestandsverlauf und den effektiven Sicherheitsbestand In Abbildung 2 wird der Bestandsverlauf (untere Grafik) mit LogoMate visualisiert. Man erkennt: • Durch statische und viel zu hohe Meldebestände ist der Durchschnittsbestand bis zur aktiven Disposition mit einer neuen Methodik viel zu hoch. Einfach besser disponieren! Seite 4 von 6 Lieferfähigkeit steigern durch Bestandsreduzierung? Warum ist der sofortige und schnelle Abbau unnötiger Bestände so wichtig? 06.09.2013 • Der effektive Sicherheitsbestand (im rechten Teil der Bestandssimulation) ist ein Bruchteil des initialen statischen Meldebestands. Wir sind aber mit den Problemen noch nicht fertig! Die Ausgangsfrage lautet ja: „Warum ist der sofortige und schnelle Abbau unnötiger Bestände so wichtig?“ Antwort 1: Weil das gebundene Kapital unnötig Liquidität und Zinsen kostet. Diese Antwort ist offensichtlich, wird aber erstaunlicherweise(!) häufig als unwichtig in der Praxis empfunden. Als Berater für moderne Prognose- und Dispositionstechnologie wird eine signifikante Reduzierung des Working Capital irritierenderweise oft mit folgenden Aussagen entgegnet: • „Geld ist bei uns nicht das Problem, wir verdienen gut!“ • „Zinsen spielen im Moment keine große Rolle!“ Hier kommen wir von Remira natürlich mit unserer Lösungskompetenz nicht weiter. Die Hemmschwelle des Handelns wird hier noch nicht überschritten. Aber vielleicht hilft ja noch… Antwort 2: Weil der Abbau unnötiger Bestände Kapazität für die wirklich wichtigen Artikel schafft, die gerade benötigt werden! Selbst Mitarbeiter in gut verdienenden Unternehmen in Zeiten eines historischen Zinstiefs, die sich ein wenig Verschwendung leisten wollen, lässt diese Antwort nicht kalt! Ihr Lager ist ja voll, weil es Ihnen gut geht und der Bestand wenig Zinsen kostet und weil sie statisch planen und disponieren. Das Problem: Sie sind schlecht lieferfähig weil sie sich das Lager mit Altwaren oder Altmaterial über die Zeit aufgebaut haben. Wichtige neue Artikel oder Bedarfssprünge können sie gar nicht erst unterbringen! Ich habe oft Unternehmen besucht, deren Zentrallager durch viele angemietete oder eigene Zusatzläger unnötig und sehr teuer „erweitert“ worden sind. Mit LogoMate ist dann schnell folgendes klar geworden:1 • Es gibt sehr viele D-Artikel mit nicht verkaufbarem Lagerbestand. • Es gibt viele B- und C-Artikel mit viel zu hohem Durchschnittsbestand bzw. sehr langen Reichweiten, die weit über den jeweiligen WBZ liegen. • Für A-Artikel, die insgesamt mehr als 80% des Umsatzes ausmachen, ist nicht genug Platz. Man stelle sich nun z.B. einen typischen technischen Großhändler mit 50.000 Lagerartikeln vor. Welche Potenziale schlummern in diesem Lager oder Lagersystem? Diese rhetorische Frage lässt sich auch konkret beantworten: Die einmalige Investitionen haben sich in 6 bis 12 Monaten amortisiert, da die Gewinne durch Bestandsabbau und bessere Lieferfähigkeit so hoch sind. 1 Aus diesem Grund hat unsere Lösung LogoMate ja u.a. eine ABC-DN-Analyse… Einfach besser disponieren! Seite 5 von 6 Lieferfähigkeit steigern durch Bestandsreduzierung? Warum ist der sofortige und schnelle Abbau unnötiger Bestände so wichtig? 06.09.2013 Empfehlungen für die Praxis Für Unternehmen mit • > 1 Mio. € Lagerbestand • > 5 Mio. € Umsatz ist eine statische Meldebestandsdisposition unbedingt durch dynamische Verfahren abzulösen. Ein statischer Meldebestand ist in dem Moment veraltet, in dem er festgelegt wird. In diesen Fällen rechnet sich die Investition in die dynamische Methodik innerhalb von 6 bis 12 Monaten. Die durch bessere Lieferfähigkeit entstehende Umsatzsteigerung und die damit verbundene Wertschöpfung ist der wesentliche Gewinntreiber. Zusätzliche Gewinne entstehen durch geringere Lagerbestandsverzinsung und Liquiditätssteigerung. Unnötige hohe Investitionen in Lagerkapazität/Infrastruktur können hierdurch oft auch noch vermieden werden. Durch den Abbau von D-Artikel-Beständen bzw. deren Auslistung werden zwar Abschreibungen bilanzwirksam, aber die Chance, dass durch neue vielversprechende Artikel Umsatz und Gewinn zusätzlich gesteigert werden, ist viel höher als durch den Verbleib und das „Pushen“ der alten D-Artikel. Die permanente, systematische und kritische Arbeit am Sortiment ist ein wesentlicher Aspekt für Erfolg. Eine automatisierte und systematische ABCDN-Analyse2 ist hier die Grundlage. Von „Artikel- oder Sortimentsgefühlen“ sollte man sich niemals leiten lassen. Vertrieb, Einkauf und Logistik sollten die Grundlagen einer ergebnisorientierten Disposition kennen, damit einseitige Optimierungen vermieden werden. …. damit Bestandsmanagement und Disposition wieder Freude macht! Haben Sie Fragen, Anregungen, Kritik? Setzen Sie sich mit mir einfach in Verbindung! Schönes Wochenende! Dipl.-Ing. Carsten Scherer -----------------------------------------------------------Remira GmbH – Einfach besser disponieren Konrad-Zuse-Straße 3 44801 Bochum Tel. Mobil Fax Web Email (+49) 234 / 97 47 17 97 (+49) 172 / 155 9834 (+49) 234 / 97 47 17 99 www.remira.de [email protected] 2 D = Dead, N = New – diese beiden Artikelklassen müssen vom „normalen“ Lagersortiment ABC getrennt und anders behandelt werden. Einfach besser disponieren! Seite 6 von 6