Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten

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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten
Energieerzeugungsanlagen
DIPLOMARBEIT
Institut für Elektrische Anlagen
an der
Technischen Universität Graz
Leiter des Instituts:
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Lothar Fickert
Betreuung:
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Herwig Renner
Vorgelegt von:
Georg Oberlechner
Graz, im April 2004
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei allen Mitarbeitern des Institutes für Elektrische
Anlagen in Graz, für die immer freundliche und hilfsbereite Unterstützung, sowie für die angenehme
Arbeitsatmosphäre bedanken.
Ein ganz besonderer Dank geht an Dr. Herwig Renner für die großartige Betreuung während der
Ausarbeitung der Diplomarbeit und meiner gesamten Zeit am Institut. Hr. Renner hatte stets ein
offenes Ohr für Fragen und Probleme und stand mir jederzeit mit fachlichem Rat zur Seite.
Ebenso danken möchte ich Dr. Manfred Sakulin, mit dem ich viele interessante Diskussionen führen
durfte und dem ich so manche gute Anregung zu verdanken habe.
Ich danke all meinen Kommilitonen, vor allem aber Martin und Kurt, die es verstanden mir stets mit
gutem Rat und Verständnis entgegenzukommen und als Mitbewohner unserer Wohngemeinschaft viel
dazu beigetragen haben, dass ich auf eine schöne Studienzeit zurückblicken kann.
Nicht zuletzt möchte ich mich bei meinen Eltern, Brigitte und Albert, die mir das Studium überhaupt
erst ermöglicht haben, sehr herzlich bedanken. Sie unterstützten mich in jeder erdenklichen Weise und
brachten mir stets Liebe und Vertrauen entgegen. Auch meiner Freundin Evelyn gebührt mein
herzlichster Dank. Trotz der vielen Kilometer Entfernung unterstützte Sie mich wo Sie nur konnte. Ihr
stets positives Denken und Ihre lieben Worte mochte ich nie missen.
Zum Abschluss möchte ich noch allen weiteren Personen meinen Dank ausdrücken, welche zum
Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.
„So eine Arbeit wird eigentlich nie fertig,
man muss sie für fertig erklären,
wenn man nach Zeit und Umständen
das mögliche getan hat.“
Johann Wolfgang von Goethe (Italienische Reise, 1787)
Kurzfassung
Aufgrund von technologischen Fortschritten und günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
nimmt die Anzahl und Vielfalt von netzgekoppelten dezentralen Energieerzeugungsanlagen stetig zu.
Die Energie, die durch diese Anlagen in das Nieder- und Mittelspannungsnetz eingespeist wird,
übersteigt teilweise bereits den örtlichen Bedarf. So kann es nun zu einer Rückeinspeisung in das
übergeordnete Netz kommen. Weiters liefert die dezentrale Energieerzeugungsanlage einen nicht zu
vernachlässigenden Beitrag zur Kurzschlussleistung. Das Schutzsystem in den betroffenen
Verteilnetzen ist jedoch von früher her noch meist auf eine ausschließliche Einspeisung aus der
Hochspannungsebene
ausgelegt.
Die
durch
die
Kleinkraftwerke
zusätzlich
gelieferten
Fehlerstrombeiträge bei anormalen Netzzuständen können das Schutzkonzept daher in Frage stellen
und beeinträchtigen. Anhand von charakteristischen Netzmodellen wird untersucht, ob durch eine
dezentrale Einspeisung der Erfolg einer Automatischen Wiedereinschaltung (AWE) behindert werden
kann und bei welchen Anlagenkonfigurationen mit einer Beeinträchtigung der Selektivität in
Abhängigkeit der eingestellten Parameter für Anlagenschutz und Überstromschutz zu rechnen ist.
Mittels dynamischer Simulationen werden die aufgedeckten Probleme analysiert und daraus
Einstellempfehlungen für die Schutzorgane abgeleitet, mit denen dem Problem ohne größere
zusätzliche Investitionen begegnet werden kann.
Schlagwörter: Dezentrale Energieerzeugung, Schutzproblematik, Automatische Wiedereinschaltung,
Überstromschutz, Spannungsrückgangsschutz, dynamische Netzsimulation
Abstract
Due to technological progress and convenient economic general conditions the quantity and variety of
net-coupled decentralized power generation plants is permanently increasing. In some regions the
amount of energy fed into the low- and medium-voltage power grid even exceeds the local need of
power. Furthermore the decentralized plants contribute to the short-circuit power with a non negligible
amount. The protecting systems in the affected distribution networks were constructed for an exclusive
energy flow direction from the high-voltage level. The fault current contributions supplied by small
power stations at abnormal net conditions can impair the protection concept and derate its
functionality. On the basis of simplified network models, the impact on operation of an automatic
reclosure device caused by a decentralized infeed is examined. Furthermore the impairment of the
selectivity of the existing protection system depending on the adjusted parameters is studied. By
means of dynamic simulations the revealed problems are analysed and recommendations to adjust the
protection devices are given, solving the problems without additional high investments.
Keywords:
distributed power generation, protection problem, automatic reclosure device, overload
protection, under-voltage protection, dynamic network-simulation
Oberlechner Georg
Seite 1
Inhaltsverzeichnis
1
2
EINLEITUNG................................................................................................................................................ 4
1.1
PROBLEMSTELLUNG.............................................................................................................................. 4
1.2
ZIEL DIESER ARBEIT ............................................................................................................................. 6
DIE STELLUNG DER DEZENTRALEN ENERGIEERZEUGUNG IM LIBERALISIERTEN
MARKT .......................................................................................................................................................... 7
2.1
DER WEG ZUR HEUTIGEN ELEKTRIZITÄTSWIRTSCHAFT ........................................................................ 7
2.2
DEZENTRALE ENERGIEERZEUGUNG ...................................................................................................... 8
2.2.1
Allgemein ........................................................................................................................................ 8
2.2.2
Begriffsdefinition............................................................................................................................. 9
2.3
3
BERECHNUNGS- UND SIMULATIONSVERFAHREN ....................................................................... 12
3.1
3.1.1
3.2
Der Kurzschluss und seine Darstellung in symmetrischen Komponenten..................................... 12
VERHALTEN VON DEZENTRALEN ENERGIEERZEUGUNGSANLAGEN
IM FEHLERFALL .......................... 16
Die Synchronmaschine [2]............................................................................................................ 16
3.2.2
Die Asynchronmaschine................................................................................................................ 18
DIE SIMULATION ................................................................................................................................ 19
3.3.1
Verwendete Simulationsprogramme.............................................................................................. 20
3.3.2
Vergleich der Simulationsmethoden.............................................................................................. 21
SCHUTZTECHNIK .................................................................................................................................... 23
4.1
ANLAGENSCHUTZ ............................................................................................................................... 23
4.1.1
Überstromschutz ........................................................................................................................... 23
4.1.2
Wechselspannungsrelais ............................................................................................................... 24
4.1.3
Vektorsprungrelais ........................................................................................................................ 24
4.2
5
DIE KURZSCHLUSSRECHNUNG ............................................................................................................ 12
3.2.1
3.3
4
WARUM DEZENTRALE ENERGIEERZEUGUNG ...................................................................................... 10
NETZSCHUTZ ...................................................................................................................................... 27
4.2.1
Überstromschutz ........................................................................................................................... 27
4.2.2
Distanzschutz................................................................................................................................. 27
NETZKONFIGURATION FÜR SIMULATION ..................................................................................... 28
5.1
AUFSTELLEN EINES GEEIGNETEN SIMULATIONSMODELLS .................................................................. 28
Oberlechner Georg
Seite 2
Inhaltsverzeichnis
6
5.2
DIE SYNCHRONMASCHINE ALS ENERGIEUMFORMER .......................................................................... 31
5.3
DIE ASYNCHRONMASCHINE ALS ENERGIEUMFORMER ........................................................................ 32
GEFÄHRDUNG DES ERFOLGES EINER AUTOMATISCHEN WIEDEREINSCHALTUNG ....... 37
6.1
PROBLEMBESCHREIBUNG.................................................................................................................... 37
6.2
ABLAUF DER AUTOMATISCHEN WIEDEREINSCHALTUNG .................................................................... 37
6.3
EINFLUSS VON DEA ........................................................................................................................... 38
6.4
MÖGLICHE LÖSUNGEN ....................................................................................................................... 38
6.5
UNTERSUCHUNGEN FÜR DEN SPANNUNGSRÜCKGANGSSCHUTZ .......................................................... 39
6.5.1
6.5.1.1
3-phasiger Kurzschluss........................................................................................................................ 39
6.5.1.2
2- phasiger Kurzschluss....................................................................................................................... 41
6.5.1.3
Anwendung des worst case auf lange Leitungen ................................................................................. 43
6.5.2
Simulink-Modell mit Asynchrongeneratoren............................................................................... 44
6.5.2.1
3- phasiger Kurzschluss....................................................................................................................... 44
6.5.2.2
2- phasiger Kurzschluss....................................................................................................................... 47
6.5.2.3
Anwendung des worst case auf lange Leitungen ................................................................................. 49
6.5.3
6.6
Einspeisung über einen Stromrichter ............................................................................................ 51
UNTERSUCHUNGEN FÜR DEN ÜBERSTROMSCHUTZ ............................................................................. 52
6.6.1
Neplan-Modell mit Synchrongeneratoren ................................................................................... 52
6.6.1.1
3- phasiger Kurzschluss....................................................................................................................... 52
6.6.1.2
2- phasiger Kurzschluss....................................................................................................................... 55
6.6.1.3
Anwendungen des worst case auf lange Leitungen ............................................................................. 58
6.6.2
Simulink®-Modell mit Asynchrongeneratoren............................................................................... 59
6.6.2.1
3- phasiger Kurzschluss....................................................................................................................... 59
6.6.2.2
2- phasiger Kurzschluss....................................................................................................................... 62
6.6.2.3
Anwendungen des worst case auf lange Leitungen ............................................................................. 65
6.6.3
6.7
6.7.1
6.8
Neplan-Modell mit Synchrongeneratoren ................................................................................... 39
Einspeisung über einen Stromrichter ............................................................................................ 66
PHASENDIFFERENZ BEIM WIEDERZUSCHALTEN DES INSELNETZES ..................................................... 66
Untersuchungsergebnisse.............................................................................................................. 67
SCHLUSSFOLGERUNG .......................................................................................................................... 69
Oberlechner Georg
Seite 3
Inhaltsverzeichnis
7
6.8.1
Maßnahmen für eine erfolgreiche AWE ........................................................................................ 69
6.8.2
Schlussfolgerungen zu Winkeldifferenzen bei Zuschaltung........................................................... 72
GEFÄHRDUNG DER SCHUTZSELEKTIVITÄT.................................................................................. 73
7.1
PROBLEMBESCHREIBUNG.................................................................................................................... 73
7.2
SICHERSTELLUNG DER SELEKTIVITÄT ................................................................................................ 74
7.3
MÖGLICHE LÖSUNGEN ....................................................................................................................... 74
7.4
AUFSTELLEN EINES GEEIGNETEN SIMULATIONSMODELLS .................................................................. 75
7.5
NEPLAN-MODELL MIT SYNCHRONGENERATOREN ............................................................................ 76
7.5.1.1
3- phasiger Kurzschluss....................................................................................................................... 76
7.5.1.2
2- phasiger Kurzschluss....................................................................................................................... 80
SIMULINK®-MODELL MIT ASYNCHRONGENERATOREN ....................................................................... 82
7.6
7.6.1.1
3- phasiger Kurzschluss....................................................................................................................... 83
7.6.1.2
2- phasiger Kurzschluss....................................................................................................................... 86
7.7
8
WEITERE MÖGLICHE BEEINTRÄCHTIGUNGEN DES SCHUTZES ............................................ 90
8.1
VERRINGERTE KURZSCHLUSSLEISTUNG ............................................................................................. 90
8.1.1
Bedeutung der Kurzschlussleistung............................................................................................... 90
8.1.2
Beeinträchtigung der Kurzschlussleistung .................................................................................... 90
8.1.3
Folgen verringerter Kurzschlussleistung ...................................................................................... 91
8.2
9
SCHLUSSFOLGERUNG .......................................................................................................................... 89
MESSPROBLEME BEIM DISTANZSCHUTZ ............................................................................................. 91
ZUSAMMENFASSUNG ............................................................................................................................. 93
10 AUSBLICK................................................................................................................................................... 95
11 AKRONYME ............................................................................................................................................... 96
12 LITERATUR................................................................................................................................................ 97
Georg Oberlechner
Seite 4
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Durch die Liberalisierung1 und Deregulierung2 der Energiemärkte sind zahlreiche neue Möglichkeiten
im Bereich der dezentralen Energieversorgung entstanden. Die Folge ist eine rasante Zunahme der
Anzahl und Vielfalt von netzgekoppelten dezentralen Energieerzeugungsanlagen die neue Effekte und
Wechselwirkungen am Netz provozieren. Am Netzanschlusspunkt kommt es zu kritischen
Netzkoppelsituationen in beiden Richtungen – Netz und Verbraucher. Eine bedeutende Veränderung
weist der Lastfluss auf, der sich im Laufe der Zeit teilweise auch umgekehrt hat.
Abbildung 1-1: Veränderung des Lastflusses
Bis vor ungefähr 10 Jahren konnte man davon ausgehen, dass der im Mittel- und
Niederspannungsbereich entnommene Strom aus großen zentralen Kraftwerken stammt. Sie sitzen
1
Begriff für den Schlüssel der wirtschaftlichen Orientierung. Mit der Liberalisierung des Strommarktes wird Elektrizität zu
einer frei handelbaren Ware, ähnlich wie z.B. Rohstoffe oder Agrarprodukte. Ziel: nachhaltig zukunftsfähige und effiziente
Energieversorgung
2
„Entfesselung“ des Energiehandels vom staatlichen Dirigismus
Georg Oberlechner
Seite 5
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
vorzugsweise im vermaschten Hoch- und Höchstspannungsnetz und versorgen die unterlagerten
Spannungsebenen. Der Lastfluss hatte eine definierte Flussrichtung von der jeweils höheren
Spannungsebene in die darunter liegende Ebene.
Durch fortschrittliche Technik und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen können heute kleinere
dezentrale Anlagen betrieben werden, die bereits in allen Netzebenen eingesetzt und parallel zum
Verbundnetz betrieben werden. In der Niederspannungsebene findet man die unterschiedlichsten
Formen der Energieerzeugung, wie z.B. Mikrogasturbinen, Photovoltaikanlagen, Brennstoffzellen und
Kraftwärmekopplungsanlagen. Die wohl am stärksten betroffene Netzebene für die Einspeisung der
Energie aus dezentralen Anlagen ist die Mittelspannungsebene. Hier dominieren Windkraftwerke und
Blockheizkraftwerke. Die Einspeiseleistung heutiger dezentraler Energieerzeugungsanlagen (DEA)
übersteigt teilweise bereits ein Vielfaches des örtlichen Bedarfs an elektrischem Strom. So kann es
nun zu einer Rückeinspeisung in das übergeordnete Netz kommen.
In Mittel- und Niederspannungsnetzen ist das Schutzkonzept aber von früher her meist auf eine
definierte Fehlerstromrichtung aus der HS-Ebene ausgelegt. Die, durch die Kleinkraftwerke, zusätzlich
gelieferten Fehlerstrombeiträge können das Schutzkonzept daher in Frage stellen und beeinträchtigen.
Versagen von automatischen Wiedereinschaltungs- (AWE) Einrichtungen oder unselektives Trennen
von Netzabschnitten können mögliche Konsequenzen sein:
¾ Eine AWE – Einrichtung hat die Aufgabe die Energiezufuhr zu dem von einem
Überstromzeitrelais oder Distanzrelais erfassten Fehler kurzzeitig zu unterbrechen, so dass
sich eine mögliche Lichtbogenstrecke entionisieren kann und der Betrieb nach einer kurzen
Pausenzeit fortgeführt werden kann. Bleibt diese Fehlerstelle in der vermeintlich
spannungslosen Pause auf eine dezentrale Energieerzeugungsanlage zugeschaltet, die den
Lichtbogen mit genügend Energie versorgt, so dass er nicht abreißt, ist die AWE nutzlos.
¾ Tritt ein Fehler in einem Parallelzweig zu einer DEA auf, so liefert auch diese einen
Fehlerstrombeitrag über die gemeinsame Sammelschiene zum Fehlerort. Eine, in der
Verteilstation installierte unabhängige Maximalstrom-Zeit-Schutzeinrichtung kann aufgrund
des meist fehlenden Richtungsentscheids, den gesunden Strahl zur DEA unselektiv trennen.
Mit zunehmender Einbindung solcher dezentraler Anlagen müssen die Fragen der Sicherheit,
Zuverlässigkeit und Qualität in den bestehenden Netzstrukturen analysiert, eventuell korrigiert und für
die zukünftige Planung Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden.
Georg Oberlechner
Seite 6
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
1.2 Ziel dieser Arbeit
Mittels dynamischer Simulation an charakteristischen Netzmodellen soll Aufschluss darüber
gewonnen werden,
- ob eine DEA den Erfolg einer AWE behindern kann und wie diesem möglichen Problem
entgegengewirkt werden kann. Ist es möglich ohne weitere Investitionen bei bestehenden Anlagen und
ohne zwingende zusätzliche Einplanung von weiteren bzw. neuen Schutzgeräten in künftige Anlagen,
die bis heute verwendeten Schutzsysteme zu verwenden und so zu parametrieren, dass eine
einwandfreie Funktion gewährleistet werden kann?
- bei welchen Anlagenkonfigurationen mit einer Beeinträchtigung der Selektivität in Abhängigkeit
der eingestellten Parameter für Anlagenschutz und UMZ – Schutz zu rechnen ist, und wie dies
verhindert werden kann.
Aufgrund der ebenso stark verbreiteten Asynchrongeneratoren wie Synchrongeneratoren werden beide
Möglichkeiten der Energieumformung in dezentralen Anlagen untersucht. Des Weiteren werden die
Probleme bei der Einspeisung über Wechselrichter aufgedeckt und daraus resultierende Empfehlungen
für die Auswahl des Schutzes abgeleitet.
Georg Oberlechner
Seite 7
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
2 Die Stellung der dezentralen Energieerzeugung im
liberalisierten Markt
2.1 Der Weg zur heutigen Elektrizitätswirtschaft
Die Elektrizitätswirtschaft galt lange Zeit als ein natürliches und daher zu regulierendes Monopol.3 In
den letzten 15 Jahren hat die theoretische und empirische Forschung über natürliche Monopole jedoch
zu veränderten Betrachtungsweisen der staatlichen Regulierung geführt. Dies hatte sowohl die
Aufhebung staatlicher Monopole als auch die Privatisierung öffentlicher Unternehmen zur Folge. So
wurde in den 90er Jahren der Elektrizitätssektor z.B. in Großbritannien, Norwegen, Neuseeland und in
den USA teilweise dereguliert.
Den Rahmen für die Neuordnung der Elektrizitätswirtschaft bildet vor allem die Tatsache, dass die EU
strukturell sehr primärenergiearm ist, so dass rund die Hälfte des Energiebedarfs importiert werden
muss. Bei der Fortsetzung des „business as usual“ wird sich der derzeitige Importanteil von rund der
Hälfte des Energiebedarfs innerhalb von 25 Jahren auf rund 70 % erhöhen. Eine solche Abhängigkeit
bei einem derart sensiblen Basisprodukt für unsere Gesellschaft und Wirtschaft ist nicht akzeptabel
[14]. Diese Einsicht, in Zusammenhang mit der höchst komplexen und nach wie vor nicht umfassend
wissenschaftlich fundierten Klimaproblematik, maßgeblich verursacht durch CO2- und CH4
Emissionen, veranlasste die EU zu handeln und durch Energieinnovation und Liberalisierung der
Elektrizitätsmärkte den Energiesektor zu revolutionieren. So tritt 1997 die Elektrizitätsbinnemarktrichtlinie in Kraft. Die Umsetzung der EU- Richtlinie in nationales Gesetz erfolgte schließlich mittels
ELWOG 1 (1998) und ELWOG 2 (2000).
Aus Beschlüssen der Europäischen Kommission [15] muss nun die Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energien gefördert werden. Der Politische Wille schaffte nun günstige Rahmenbedingungen zum
Erreichen des Zieles, die Steigerung des Anteils
des Stromes aus Erneuerbaren Energie am
Bruttoelektrizitätsverbrauch von 14% auf 22% bis zum Jahre 2010 und die im Kyoto – Protokoll
(1997) festgelegten Verpflichtungen zur Minderung der Treibhausgasemissionen nachzukommen. Zu
nennen sind dabei vor allem einzelstaatliche Förderregelungen für den Bau Erneuerbarer Energien,
vereinfachte Genehmigungsverfahren, diskriminierungsfreie Behandlung und die allgemeine
Anschlusspflicht.
3
Von einem „natürlichen“ Monopol spricht man, wenn ein einzelnes Unternehmen die gesamte Marktnachfrage zu tieferen
Kosten befriedigen kann, als zwei oder mehr Unternehmen zusammen (sog. Subadditivität der Kosten)
Georg Oberlechner
Seite 8
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Auch technologische Entwicklungen leisteten Ihren Beitrag und es eröffneten sich nun völlig neue
Perspektiven. Vor allem aber dank der Förderungen von erneuerbaren Energien wurde der Wettbewerb
in der Erzeugung und Versorgung ökonomisch sinnvoll, da die „economies of scale“4 – Automatik
konnte so durchbrochen wurde. Das heißt es können somit nun auch relativ kleine Anlagen
wettbewerbsfähig eingesetzt werden.
2.2 Dezentrale Energieerzeugung
2.2.1 Allgemein
Die Liberalisierung des Marktes für elektrische Energie eröffnete neue Möglichkeiten der
Vermarktung
dezentraler
Energieumformer.
Windkraftanlagen,
Blockheizkraftwerke,
Mikrogasturbinen, Photovoltaikanlagen und neue Technologien, wie die Brennstoffzelle, finden
verstärkte Integration in unserer Energieversorgung.
Eine unumgängliche Eigenschaft, die vielen DEA gemeinsam ist und die beim Einsatz und Betrieb
berücksichtigt werden müssen, ist, dass die Stromproduktion nicht von der elektrischen Last bzw.
Lastverteilungszentren abhängt, sondern vielmehr stochastisch vorliegt. So richtet sich z.B. die
Stromerzeugung
bei
Blockheizkraftwerken
nach
dem
thermischen
Energieverbrauch,
bei
Windkraftwerken nach dem Windangebot und bei der Photovoltaik nach der Solarstrahlung.
Infolgedessen steigt die Unsicherheit bei Erzeugungsvorhersagen. Produktionsvorhersagen hängen
zunehmend von jährlichen und täglichen Bedingungen sowie Wettereinflüssen ab.
Wo man sich früher zur Umformung mechanischer- in elektrischer Energie nur die Synchronmaschine
vorstellen konnte, ermöglichte es der Technologiefortschritt im Laufe der Zeit, vor allem in DEA auch
andere Möglichkeiten der Stromerzeugung einzusetzen. Dies wäre zum einen, der Dank
Leistungselektronik zur universellen Maschine etablierte Asynchronmotor, welcher vor allem in
Windkraftwerken als Doppeltgespeister Generator mit einem Frequenzumformer im Läuferkreis
eingesetzt wird. Aber auch die Einspeisung über Thyristor- und Pulswechselrichter bei
Windkraftgeneratoren mit Synchronmaschinen oder bei Photovoltaik und Brennstoffzellen werden
vermehrt eingesetzt.
Der Trend zu dezentraler Energieerzeugung und die Notwendigkeit neue Primärenergien zu
erschließen, ist mit Sicherheit noch nicht gesättigt. Würde das in Abb. 2.1 dargestellte mögliche
Szenario des prognostizierten Einsatzes von regenerativer erneuerbarer Energieerzeugung für die
nächsten Jahrzehnte auch nur annähernd zutreffen, so würden wir uns erst im Anfangsstadium dieser
4
Kostendegression beim Ausbau zu Großkraftwerke
Georg Oberlechner
Seite 9
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
neuen Form der Energieumformung befinden. Aufgrund dieses immer größer werdenden Anteils an
der gesamten Stromproduktion werden auch zunehmend neue Anforderungen an diese
Erzeugungseinheiten gestellt werden müssen, welche denen ähneln, wie sie an zentrale
Großkraftwerke gestellt werden. Das heißt in weiterer Folge, dass die Netzstruktur und die darin
vorkommenden Schutzanlagen überdacht und zum Teil auch an die neuen Gegebenheiten angepasst
werden müssen.
Abbildung 2-1: Szenario eines Wachstums der regenerativen erneuerbaren Energieerzeugung in der EU bis 2050
mit Aufteilung auf einzelne Quellen [20]
2.2.2 Begriffsdefinition
Der Begriff „Dezentrale Energieerzeugungsanlage“ wird weder einheitlich verwendet noch ist er
eindeutig definiert.
Ob eine Anlage einer DEA angehört wird oft anhand des Anlagentyps festgelegt. Erfolgt die
Energiegewinnung z.B. auf Basis regenerativer Energie wird sie oft als dezentrale Einspeisung
angesehen. Wiederum andere Definitionen orientieren sich an der Netzstruktur oder der
Spannungsebene
in
die
eingespeist
wird.
Auch
die
Einspeiseleistung
wird
oft
als
Entscheidungskriterium herangezogen.
Aufschlussreich ist vielleicht die Beschreibung zentraler Kraftwerke. Es sind dies im Allgemeinen
Großkraftwerke mit einer Leistung von einigen 100 MW und darüber, welche in die vermaschten
Hochspannungs- und Höchstspannungsnetze einspeisen. Sie wurden meist nach den Gesichtspunkten
der
Verfügbarkeit
der
Primärenergie
errichtet
und
stehen
meist
abseits
von
Verbraucherschwerpunkten. In diesen Übertragungsnetzen haben die Übertragungsnetzbetreiber die
Aufgabe, für den Ausgleich zwischen Bedarf und Aufbringung zu sorgen. Die Aufgaben der
Georg Oberlechner
Seite 10
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Blindleistungsregelung, Lastflusskontrolle und -steuerung ist nachzukommen und die eingebetteten
Kraftwerke tragen zur Primär-, Sekundär- und Terziärregelung bei.
Demnach könnte im Gegenschluss behauptet werden, dass als dezentrale Energieerzeugungsanlagen
solche Einspeisungen bezeichnet werden können, welche ihre Anbindung an ein Netz haben, das nicht
dem Stand der Netzsteuerung und der Netzinformationssysteme sowie der Schutz und Leittechnik
weder auf dem technischen noch auf dem organisatorischen Niveau dem der Übertragungsnetze
entspricht [5].
2.3 Warum Dezentrale Energieerzeugung
Abgesehen von den bereits erwähnten politischen Zielen und den daraus resultierend günstigen
Rahmenbedingungen für den Einsatz Erneuerbarer Energien, möge ein kurzer Rückblick in die
Geschichte helfen die Frage zu klären, warum neben dem zentralen Großkraftwerksbau zunehmend
wirtschaftlich auch in kleinere dezentrale Energieerzeugungseinrichtungen investiert werden kann [4]:
Schon seit langer Zeit wurden natürlich verfügbare Energieressourcen genutzt, wie Wasserkraft und
Windmühlen für Sägewerke, Mühlen und Manufakturen. Dies waren kleine dezentrale
Fertigungsstätten, die sich zwangsläufig aufgrund der Nichttransportierbarkeit der Energie und der
geringen Dichte der natürlich vorkommenden Energie, entwickelt haben. Mit der späteren
Entwicklung der Dampfmaschine war es nun erstmals möglich, Energie in großem Maße verfügbar zu
machen, wegen der eingeschränkten Transportmöglichkeit jedoch zunächst begrenzt auf die nähere
Umgebung der Fördergebiete. Der Einsatz einer solchen Maschine war in einem kleinen Unternehmen
nicht möglich. Dampfmaschinen waren aufwendige und personenintensive Konstruktionen, ihr Einsatz
lohnte sich erst für eine große Anzahl von Fertigungsmaschinen. So entwickelten sich größere
Fabriken zur Zentralisierung der Fertigung.
Die Erfindung des elektrischen Motors und der Ausbau von elektrischen Netzen entkoppelte die
Energieanwendung und Energieerzeugung – die industrielle Fertigung war nicht mehr an
Dampfmaschinen gebunden und konnte dezentral erfolgen. Im gleichen Atemzug schufen die Netze
die Vorraussetzung, die Kostendegressionseffekte bei der Erzeugung elektrischer Energie in
Großanlagen zu nutzen – die Zentralisierung der Energieerzeugung begann.
Ob sich nun eine dezentrale- gegenüber einer zentralen Struktur durchsetzen kann, kann rein
wirtschaftlich betrachtet nur von den Faktoren
-
Transportkosten (sofern vorhanden) des Primärträgers
-
Transportkosten der elektrischen Energie und
-
Kostendegression bei zunehmender Größe der Erzeugungseinheit
Georg Oberlechner
Seite 11
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
abhängen.
Demnach können sich dezentrale Strukturen in der Energieerzeugung nur durchsetzen, wenn entweder
beim Bau größerer Erzeugungsanlagen keine Kostendegression realisierbar ist oder wenn die
Transportkosten für das Endprodukt relativ teuer sind. Letzteres ist bei der Verteilung von Prozessund Fernwärme der Fall, so dass dezentrale Strukturen besonders bei einer gemeinsamen Erzeugung
von elektrischer Energie und Wärme wirtschaftlich eine Chance haben dürften. Auch die
überschaubaren Investitionskosten und schnellen Errichtungszeiten mögen für DEA sprechen.
Georg Oberlechner
Seite 12
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
3 Berechnungs- und Simulationsverfahren
3.1 Die Kurzschlussrechnung
3.1.1 Der
Kurzschluss
und
seine
Darstellung
in
symmetrischen
Komponenten
Die Methode der symmetrischen Komponenten erlaubt es, ein Dreileiter- Drehstromnetz,
zusammengesetzt aus einzelnen elektrischen Betriebsmitteln, mit seinen induktiven und kapazitiven
Kopplungen zwischen den drei Leitern unter Einbeziehung des Erdreiches und geerdeter Leiter in drei
voneinander unabhängige einpolige Systeme, nämlich das Mit-, Gegen- und Nullsystem zu zerlegen.
Besonders bei der Durchführung von Kurzschlussberechnungen ist es von Vorteil wenn man die
Ersatzschaltung im Mitsystem (dreipoliger Kurzschluss) oder auch die Ersatzschaltungen im Gegenund Nullsystem (unsymmetrische Fehler) aufzeichnet. So bekommt man schnell einen Überblick,
welche Impedanzen (Mit-, Gegen- und Nullimpedanz) des Netzwerkes wirksam werden und wie sich
die messbaren Klemmenströme und –Spannungen aus den jeweiligen Systemen zusammensetzen
lassen. Auch deren Berechung wird einfacher, da es bei unsymmetrischer Belastung nicht mehr
genügen würde eine Phase allein zu betrachten. Mit dem Verfahren der symmetrischen Komponenten
ist es möglich, alle unsymmetrischen Belastungen mit Hilfe symmetrischer Systeme zu beschreiben.
Das in dieser Arbeit für die Kurzschlussuntersuchungen mit Synchronmaschinen verwendete
Simulationsprogramm NEPLAN stellt lediglich die Messgrößen im Mitsystem dar. Wie man nun
daraus auf die Phasenspannungen und – Ströme schließen kann zeigen folgende Überlegungen:
¾ 3-ph. Kurzschluss [16]
I1
I2
I3
L1
L2
L3
I’’
K3p
U1 U2 U3
PE
Abbildung 3-1: 3- phasiger Kurzschluss am Netz
Aus den Fehlerbedingungen
U L1 = U L 2 = U L 3 und I L1 = I L 2 = I L 3
lassen sich mit Hilfe der Symmetrierungsmatrix S die Ströme und Spannungen am Fehlerort
Georg Oberlechner
Seite 13
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
für die Darstellung in symmetrischen Komponenten finden:
1 a
U 1 
 2 1 
2
U  = 3 ⋅ 1 a
1 1
U 0 

 
a  U L1 

a  ⋅ U L 2  und
1  U L 3 
2
1 a
I1 
 2 1 
2
 I  = 3 ⋅ 1 a
1 1
I 0 

 
a   I L1 

a  ⋅  I L 2  mit a = e j 2π / 3
1   I L 3 
(3-1)
2
U = U = 0
⇒ 
0
 I =0
1
2
Dieses Ergebnis, kombiniert mit den elektrischen Bedingungen für das Verhalten des Netzes
in symmetrischen Komponenten
U 1 = U 1L − Z 1 ⋅ I 1
 2
2
2
 U = −Z ⋅ I
 U 0 = −Z 0 ⋅ I 0

(3-2)
führt zum Ergebnis in symmetrischen Komponenten:
1
U
2
U = 0 ; I = 1L ; I = 0
Z
0
1
(3-3)
I1
I0
Mitsystem
Nullsystem
I2
Gegensystem
Abbildung 3-2: Schaltung der symmetrischen Komponenten für den 3- phasiger Kurzschluss
Mit Hilfe der Entsymmetrierungsmatrix T lassen sich die Ergebnisse in Phasengrößen angeben:
1
2
T = a
 a
⇒
Man
I L1
1 1
a 1
2
a 1
U L1 = U L 2 = U L 3 = 0
1
1
1
U
U
2 U
= 1L ; I L 2 = a ⋅ 1L ; I L1 = a ⋅ 1L
Z
Z
Z
sieht,
bei
einem
dreipoligen
Kurzschluss
(3-4)
sind
alle
drei
Außenleiter
des
Drehstromsystems gleichermaßen beteiligt. Das Drehstromsystem wird symmetrisch belastet,
so dass in jedem Außenleiter der gleiche Kurzschlussstrom fließt. Das heißt, es tritt nur das
Mitsystem auf und folglich sind die Phasengrößen gleich den Größen des Mitsystems.
Georg Oberlechner
Seite 14
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
¾ 2-ph. Kurzschluss [16]
I1
I2
I3
L1
L2
L3
I’’
K2p
U1 U2 U3
PE
Abbildung 3-3: 3- phasiger Kurzschluss am Netz
Die Fehlerbedingungen in diesem Fall lauten:
I L1 = 0 ; I L 2 = − I L 3 und U L 2 = U L 3
Geht man nun wiederum über in die Darstellung der symmetrischen Komponenten erhält man
die folgenden zwei Gleichungssysteme:
U 1 = U 1L − Z 1 ⋅ I 1
 I0 = 0
 2
 1
2
2
2
 I + I = 0 und  U = − Z ⋅ I
 U 0 = −Z 0 ⋅ I 0
 U1 =U 2


(3-5)
Das Lösen dieser Gleichungen führt zu den Ergebnissen:
0
1
2
1
2
U = 0 ; U =U =U L ⋅
Z
1
1
2
1
und I = − I = U L ⋅ 1
1
2
2
Z +Z
Z +Z
I0
Nullsystem
(3-6)
I1
Mitsystem
I2
Gegensystem
Abbildung 3-4: Schaltung der symmetrischen Komponenten für den 2- phasiger Kurzschluss
Georg Oberlechner
Seite 15
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Stellt man das Ergebnis wiederum in Phasengrößen dar erhält man folgende Ausdrücke:
2
U L1 = U L ⋅
2⋅Z
1
2
Z +Z
U L 2 = U L3
Z
= −U ⋅ 1
2
+4
Z
142
4Z 43
1
2
1
L
(3-7)
=U 1
1
1
I L 2 = − I L3 = − j 3 ⋅ U L ⋅ 1
2
+4
Z
142
4Z 43
=I1
Der zweipolige Fehler erweist sich als unsymmetrische Belastung für das Netz. Neben dem
Mitsystem kommt deshalb auch das Gegensystem zum Tragen. Da aber das Mit- und
Gegensystem vom selben Strom durchflossen werden, ist es nahe liegend, dass man den
tatsächlichen Phasenstrom auch von nur einer symmetrischen Komponente berechnen kann. Die
letzte Gleichung aus (3-7) bestätigt dies: Multipliziert man den Strom des Mitsystems mit
3
erhält man betragsmäßig den Phasenstrom in L2 bzw. L3.
Die Phasenspannungen sind gleich der Spannung des Mitsystems.
Etwas anschaulicher ist die Darstellung der symmetrischen Größen und den daraus
resultierenden Phasengrößen in den Zeigerdiagrammen:
Abbildung 3-5: Strom- und Spannungszeiger für den 2- phasigen Kurzschluss
Georg Oberlechner
Seite 16
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
3.2 Verhalten von dezentralen Energieerzeugungsanlagen
im
Fehlerfall
3.2.1 Die Synchronmaschine [2]
Wird der erregte Synchrongenerator plötzlich kurzgeschlossen, so
treten innerhalb des
Ausgleichsvorgangs hohe Stromspitzen auf, welche den folgenden Dauerkurzschlussstrom wesentlich
übertreffen können. Der Grund liegt darin, dass zunächst der begrenzende Einfluss der
Ankerrückwirkung, die das Luftspaltfeld weitgehend abbaut, noch nicht wirksam ist. Zu Beginn des
Kurzschlusses besteht noch das volle Hauptfeld, das erst allmählich abklingt.
Der zeitliche Verlauf des Kurzschlussvorganges lässt sich über das Differentialgleichungssystem in
der Parkschen Transformation berechnen. Ohne einschränkende Vernachlässigungen ist die
Berechnung dessen genauen Verlaufs beträchtlich.
Für den einfachsten Fall, dass der Generator aus dem Leerlauf mit Up = UN heraus kurzgeschlossen
wird, und für die Spannung im Strang U bis zum Kurzschlusseintritt bei ωt=0 die Beziehung
uu = 2 ⋅ U N ⋅ sin (ωt − α )
(3-8)
gilt, ergibt sich für einen Strang (hier U) die folgende Beziehung:


t
t


−
−




2 ⋅ U N  1
1 
1
1  Ts
Ts

⋅
+
⋅ cos(α ) ⋅ e +
−
⋅ e ⋅ cos(2ωt − α ) −
iu =
 X '' X '' 
2
 X d'' X q'' 

q 
 d
 14444244443 1444442444443 
doppeltfrequentes Glied
Gleichglied




t
t

− '
− '' 




1
1
1
1
1
 ⋅ e Td +  '' − '  ⋅ e Td  ⋅ cos(ωt − α )
− 2 ⋅U N ⋅ 
+  ' −
Xd
X 
Xd Xd 
 {

 Xd 4
42d4
44
3 14
4
42444
3
 stationäres Glied 14
transientes Glied
subtransientes Glied
 44443
1444444444444244444444
(3-9)
netzfrequentes Glied
Aus drei wesentlichen Strombeiträgen setzt sich der Stosskurzschlussstrom zusammen:
Der erste Summand stellt ein abklingendes Gleichstromglied dar, dessen Größe vom Augeblick des
Kurzschlusseintrittes
Gleichstromglied
am
abhängt.
größten.
Schaltet
Es
man
bei
verschwindet
Spannungs-Nulldurchgang,
wenn
der
so
Schaltaugenblick
wird
das
mit
dem
Spannungsmaximum zusammentrifft. Die Entstehung dieses Gliedes erklärt sich wie beim
Transformator daraus, dass der Ständerstrom bei einer Spannungskurve nach (3-8) im
Kurzschlussaugenblick nicht den für die induktive Last erforderlichen stationären Verlauf
Georg Oberlechner
Seite 17
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
− cos(ωt − α )
(3-10)
annehmen kann. Es muss vielmehr nach der Anfangsbedingung i = 0 beginnen und erreicht dies durch
ein Gleichstromglied der Höhe
2 ⋅ I k" ⋅ cos(α ) .
Der zweite Anteil ist ein Wechselstrom doppelter Netzfrequenz, der mit der Zeitkonstante des
Gleichstromliedes abklingt. Er entsteht nur bei X d" ≠ X q" , was für Schenkelpolmaschinen ohne oder
mit unvollständiger Dämpferwicklung zutrifft.
Der übrige Anteil besteht aus netzfrequenten Wechselstrom der den maximalen Effektivwert
I k" =
UN
3 ⋅ X d"
(3-11)
besitzt und als Anfangs- Kurzschlusswechselstrom bezeichnet wird. Da Td" < Td' ist, bleiben bald nach
dem Kurzschlusseintritt nur die ersten beiden Summanden mit transienten Kurzschlusswechselstrom
des maximalen Effektivwertes
I k' =
UN
3 ⋅ X d'
(3-12)
übrig. Dieser erreicht dann nach einigen Sekunden den Dauerkurzschlussstrom
Ik =
UN
3 ⋅ Xd
(3-13)
Die maximale Spitze des Ständerstromes entsteht eine halbe Periode nach einem Kurzschluss im
Spannungs- Nulldurchgang. Hier addieren sich die Amplituden des Stosskurzschlusswechselstromes
und das Gleichstromglied.
Abbildung 3-6: Verlauf des Stosskurzschlussstromes eines Stranges bei maximalem Gleichstromglied
Georg Oberlechner
Seite 18
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Der Ständerstrom ist bei zweipoligem Dauerkurzschluss größer als im symmetrischen Fall. Sein Wert
lässt sich abschätzen, wenn man vereinfacht annimmt, dass durch die Rückwirkung der mitlaufenden
Ständerdurchflutungen die Läufererregung voll kompensiert wird. Bei gegebener Erregung muss dann
bei allen drei Kurzschlussarten die gleiche mitlaufende Ständerdurchflutung entstehen. So erhält man
für die erforderlichen Kurzschlussströme der im Leerlauf auf UN erregten Maschine
3 ⋅ I k 3 pol = 3 ⋅ I k 2 pol
(3-14)
In Wirklichkeit wird dieses Verhältnis nicht ganz erreicht, da auch die Streureaktanzen und der
Einfluss des gegenläufigen Ständerfeldes zu berücksichtigen sind. Berücksichtigt man auch dies, so
erhält man die genaueren Beziehungen:
UN
Dreipoliger Dauerkurzschluss: I k 3 pol =
(3-15)
3 ⋅ Xd
Zweipoliger Dauerkurzschluss: I k 2 pol =
UN
Xd + X 2
(3-16)
3.2.2 Die Asynchronmaschine
Asynchrongeneratoren
liefern
Anteile
zum
Anfangs-
Kurzschlusswechselstrom,
zum
Stosskurzschlussstrom, zum Ausschaltwechselstrom und bei zweipoligem Fehler auch zum
Dauerkurzschlussstrom. Der Kurzschlussstrom von Asynchrongeneratoren klingt umso langsamer ab,
je größer die Generatorleistung je Polpaar ist. Verglichen mit einer Synchronmaschine erfolgt das
Abklingen wesentlich schneller.
Nachstehende Gleichungen beschreiben die Anteile des Kurzschlussstromes bei zwei- und
dreiphasigem Kurzschluss:
Dreiphasiger Kurzschluss
Anfangs- Kurzschlusswechselstrom
mit Motorreaktanz
Dauerkurzschlussstrom
Zweiphasiger Kurzschluss
I k" 3 pol =
XM =
UN
3⋅ XM
UN
1
⋅
I an / I N
3 ⋅ IN
I k 3 pol = 0
(3-17)
(3-18)
(3-19)
Georg Oberlechner
Seite 19
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Anfangs- Kurzschlusswechselstrom
I k" 2 pol =
3 "
⋅ I k 3 pol
2
(3-20)
Dauerkurzschlussstrom
I k 2 pol = 0.5 ⋅ I k" 3 pol
(3-21)
3.3 Die Simulation
Bis etwa 1980 erfolgte die Berechnung und Simulation von dynamischen Vorgängen in
Energieversorgungsnetzen ausschließlich durch analoge Netzmodelle. Leitungen wurden durch
diskrete Elemente in π-Schaltung realisiert, Lasten durch Widerstände und Drosseln. Generatoren
wurden einerseits mit Synchronmaschinen, andererseits mit Drehtransformatoren modelliert. Mit
steigender Rechentechnik wurden vermehrt gemischte analog-digitale Netzmodelle entwickelt und bis
heute eingesetzt, wie z.B. im Forschungszentrum IREQ (Hydro Quebec, Kanada) [11].
Durch die enorme Zunahme der Rechenleistung und der Speichergröße von digitalen Rechnern in den
vergangenen zehn Jahren, können nun auch dynamische Vorgänge in elektrischen Netzen nachgebildet
werden. Im wesendlichen lassen sich zwei Simulationsmethoden an digitalen Rechnern unterscheiden:
Effektivwertberechnungen durch lösen linearer algebraischer Gleichungssysteme und Berechnungen
im Zeitbereich durch lösen von Differentialgleichungssysteme. Beide Varianten der Simulation finden
in dieser Arbeit ihre Anwendung.
Georg Oberlechner
Seite 20
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
3.3.1 Verwendete Simulationsprogramme
NEPLAN®
In der Praxis der Kurzschlussrechnung ist die Bestimmung des vollständigen zeitlichen Verlaufes des
Kurzschlussstromes und des Spannungseinbruches nicht immer erforderlich. In diesen Fällen erfolgt
die Berechnung unter Annahme quasistationärer, linearer Verhältnisse. Man reduziert hier redundante
Informationen der mit Netzfrequenz periodischen Zeitverläufe auf komplexe Effektivwerte. Die
Zusammenhänge zwischen Strom und Spannung werden durch die komplexe Systemadmittanzmatrix
Y des Netzes bzw. der dazu inversen Impedanzmatrix Z gebildet. Mit den auf diesen Ansätzen
beruhenden Berechungsalgorithmen, ist es in NEPLAN® möglich, neben Lastflussberechnungen,
Ausfallsrechnungen, Oberschwingungsanalysen, …, im transienten Modul den Verlauf der
Effektivwerte bei dynamischen Vorgängen wie Kurzschlüssen zu berechnen und darzustellen.
In Abb. 3-7 sieht man die grafische Benutzerschnittstelle zum Erstellen eines Simulationsmodells.
Abbildung 3-7: Grafische Benutzerschnittstelle von NEPLAN®
MATLAB® – Simulink®
MATLAB® ist ein dialogorientiertes Programmsystem für numerisches Rechnen und zur
Visualisierung der Ergebnisse. Der Name MATLAB® steht für Matrix Laboratory. Weit über diese
ursprüngliche Bedeutung des Namens hinaus ist MATLAB® zusammen mit dem Zusatz Simulink®
und den Toolboxen zu einem außerordentlich vielseitigen Werkzeug geworden. Simulink® ist ein
Georg Oberlechner
Seite 21
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
interaktives
Tool
zur
Modellierung,
Simulation
und
Analyse
von
dynamischen
Mehrdomänensystemen. Es erlaubt den Aufbau von Simulationsmodellen in Blockstruktur, wobei
jeder Block einem System von (nichtlinearen) Differentialgleichungen 1. Ordnung entspricht. Von
einem übergeordneten Programm werden die Blöcke nach Reihenfolge der Abarbeitung sortiert und
mittels
eines
gewählten
Integrationsalgorithmus
gelöst.
Alle
Algorithmen
arbeiten
mit
Schrittweitensteuerung, wobei eine maximale und eine minimale Schrittweite vorgegeben werden
kann. Die Simulationsergebnisse lassen sich während der Simulation, also sozusagen „online“,
darstellen. Da sich Simulink® nahtlos in MATLAB® einfügt, können die Ergebnisse auf
unkomplizierte Weise durch weitere Analyse- und Entwicklungs- Tools weiterverarbeitet werden.
Abbildung 3-8: Grafische Benutzerschnittstelle von Simulink®
3.3.2 Vergleich der Simulationsmethoden
Um konkrete Messergebnisse aus beiden Simulationsprogrammen miteinander zu vergleichen, wurde
in beiden Simulatoren das selbe Netzmodell, eine Einbindung von dezentralen Synchrongeneratoren in
das Verbundnetz, nachmodelliert. Die Simulationen sollen Aufschluss über das Verhalten der Ströme
und Spannungen an den Generatoren geben, wenn ein 3- phasiger Kurzschluss auf Freileitung Fl-3
(siehe Abb. 5-9) samt anschließender Auslösung der AWE eintritt.
Im Koppelplan von Simulink® muss bei der Visualisierung der Ergebnisse ein Berechnungsschritt
eingefügt werden, der aus den zeitlich aufgelösten Spannungen und Ströme, vergleichbare
Effektivwerte für die Gegenüberstellung mit den Ergebnissen aus NEPLAN® liefert. Zudem muss
noch berücksichtigt werden, dass der Berechnungsalgorithmus in NEPLAN® eventuell auftretende
Gleichkomponenten in den Strom- und Spannungsverläufen, im Gegensatz zu Simulink®, nicht
berücksichtigen kann. So wird der Gleichanteil vor der Effektivwertbildung durch analoge Filter (je
Phase ein Butterworth – Filter 10. Ordnung) herausgefiltert.
Georg Oberlechner
Seite 22
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
In der nachfolgenden Tabelle sind die Abweichungen zwischen den beiden Berechnungsmethoden
sowohl für die Ströme als auch für die Spannungen zusammengefasst.
Die prozentuellen Abweichungen sind auf die jeweiligen Ergebnisse von MATLAB® bezogen. Das
abweichung [%]
Kurzschlussstrom-
heißt, bei negativen Prozentangaben hat NEPLAN® größere Berechnungswerte erhalten.
KS 1,5 km nach SS-3
KS 5,5 km nach SS-3
KS 9,5 km nach SS-3
bei Fehlereintritt
4,52
0,45
0,55
50 ms nach Fehlereintritt
2,33
-1,63
-1,92
bei AWE-Auslösung
2,04
0,94
-0,98
50 ms nach AWE-Auslösung
-3,84
-6,61
-11,48
-6,66
3,57
2,70
Restspannungsabweichung nach
AWE-Auslösung [%]
Tabelle 3-1: Abweichungen der Berechnungsmethoden aus NEPLAN® und MATLAB®
Anmerkung: Für die Ergebnisse aus MATLAB® wurde der Mittelwert der jeweiligen drei Phasen
zugrunde gelegt.
Auffallend ist, dass bei der Simulation in MATLAB® der Kurzschlussstrom im Inselnetz (nach AWEAuslösung) etwas schneller abklingt, als jener bei der Simulation in NEPLAN®.
Im Grunde kommt es aber zu keinen nennenswerten Differenzen in den Ergebnissen. Es lässt sich also
beruhigt sagen, dass beide Verfahren mit den jeweiligen Nachbildungen der Netzelemente für diese
Untersuchungen ihre Berechtigung haben.
Georg Oberlechner
Seite 23
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
4 Schutztechnik
4.1 Anlagenschutz
4.1.1 Überstromschutz
Der Überstromschutz besteht aus einer Kombination aus Überstrom- und Zeitschutz. Moderne
Überstrom- Zeitschutzeinrichtungen enthalten diese Funktion in einem integrierten Algorithmus.
Bezüglich ihrer Anregung lassen sich heute zwei Typen voneinander unterscheiden:
•
Unabhängige Maximalstrom – Zeitrelais (UMZ – Relais)
Ströme oberhalb eines einstellbaren Schwellwertes werden ein- oder mehrphasig erfasst und setzen ein
Zeitrelais in Gang, welches den Überstrom nach einer eingestellten Zeit abschaltet. Die Auslösezeit ist
unabhängig davon, um wie viel der Schwellwert überschritten wurde. In Abb. 4-1 ist eine typische
zweistufige Auslösekennlinie dargestellt.
•
Abhängige Maximalstrom – Zeitrelais (AMZ – Relais)
Bei diesen Schutzrelais ist die Auslösezeit von der Stromhöhe abhängig, so können sie bei höheren
Strömen in kürzeren Zeiten ausschalten. Sie werden vorwiegend zum Schutz von Motoren,
Transformatoren und Kabeln eingesetzt. Neben den normal-inversen Kennlinien, wie eine in Abb. 4-2
dargestellt ist, sind stark-inverse und extrem-inverse Kennlinien üblich.
Üblicherweise sind die Maximalstrom-Zeitrelais mit einem Rückfallwert ausgestattet. Fällt das
Anregesignal also während der Laufzeit unter diesen Wert, welcher typischerweise 80 % des
Ansprechwertes beträgt, wird kein Ausschaltkommando erteilt [3].
Georg Oberlechner
Seite 24
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 4-1: Unabhängige Auslösekennlinie
Abbildung 4-2: Normal invers
4.1.2 Wechselspannungsrelais
Wechselspannungsrelais werden zur Über- und Unterspannungsüberwachung von Netzen eingesetzt.
Sie besitzen je eine unabhängige Über- und Unterspannungsüberwachung mit meist getrennt
einstellbaren Ansprechwerten und gemeinsam einstellbarer Auslösezeit. Die Spannungen werden
dabei mit den voreingestellten Grenzwerten verglichen.
Des Öfteren sind zudem noch zusätzliche Funktionen implementiert, die eine Überwachung der
dreiphasigen Spannungen auf Asymmetrien in Betrag und Phasenlage, Phasenausfall und Phasenfolge
ermöglichen.
Auch bei Netzkupplungsrelais sind sie in Zusammenhang mit Unter- und Überfrequenzschutz
implementiert.
4.1.3 Vektorsprungrelais
Die Vektorsprungüberwachung wird vor allem zum Schutz von netzparallelarbeitenden Generatoren
durch schnelle Abschaltung bei Netzstörungen verwendet. Grundsätzlich sind zwei Anwendungsfälle
zu unterscheiden:
¾ Nur Netzparallelbetrieb, kein Inselbetrieb: Hier schützt die Vektorsprungüberwachung den
Generator durch Ausschalten des Generatorschalters bei Netzfehlern
Georg Oberlechner
Seite 25
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
¾ Netzparallel und Inselbetrieb: Hier wirkt die Vektorsprungüberwachung auf den Netzschalter.
Dadurch wird gewährleistet, dass die dezentrale Einspeisung gerade dann nicht blockiert wird,
wenn sie als „Notstromaggregat“ gefordert ist.
Gibt ein Synchrongenerator Leistung ab, so entsteht zwischen der Polradspannung UP und der
Klemmenspannung (Netzspannung) U1 der so genannte Polradwinkel ϑ (Abb. 4-3).
Der Polradwinkel ϑ zwischen Ständerdrehfeld und Polrad ist abhängig von der Leistungsabgabe und
der Synchronreaktanz xd. Es bilden sich ein Gleichgewicht zwischen der zugeführten mechanischen
Wellenleistung und der elektrischen abgegebenen Netzleistung, wobei die synchrone Drehzahl
erhalten bleibt (Abb. 4-4)
Abbildung 4-3: ESB netzparalleler Synchrongenerator
Abbildung 4-4: Abhängigkeit des Polradwinkels
ϑ von der Last
Bei einem Netzausfall oder einer AWE ändert sich die Belastung des Generators. Sie ist davon
abhängig, wie groß der zuvor vom Netz gedeckte Teil der Last war. Es kommt zu einer Verdrehung
des Polradwinkels und somit zu einer Veränderung des Spannungsvektors U1. (Abb. 4-5 und Abb. 4-6)
Georg Oberlechner
Seite 26
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 4-5: ESB Synchrongenerator bei Netzausfall
Abbildung 4-6: Änderung des Polradwinkels bei
veränderter Belastung der Maschine
Im zeitlichen Verlauf der Spannung (Abb. 4-7) sieht man den Sprung der Spannung auf einen anderen
Wert, wodurch sich die Phasenlage ändert.
U1(t)
U1´(t)
∆t ∼ ∆Θ
Abbildung 4-7: Spannungsvektorsprung
Das Messgerät misst die Zeit einer Schwingungsperiode, wobei bei jedem Spannungsnulldurchgang
eine neue Messung gestartet wird. Die gemessene Periodendauer wird mit einer Referenzzeit
verglichen. Daraus wird die Periodendauerabweichung des Spannungssignals ermittelt. Durch einen
Vektorsprung erfolgt der Nulldurchgang entweder früher oder später. Die ermittelte Periodendauer
entspricht dem auftretenden Vektorsprungwinkel. Überschreitet jener den eingestellten Wert, so
erfolgt die unverzögerte Auslösung.
Georg Oberlechner
Seite 27
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
4.2 Netzschutz
4.2.1 Überstromschutz
Für den Überstromschutz als Netzschutz werden vorwiegend die bereits unter Abschnitt 4.1.1
beschriebenen unabhängigen Maximalstrom-Zeitrelais eingesetzt. Sie werden ausschließlich in
Verteilnetzen eingesetzt wo durch Staffelung der Auslösezeiten die Selektivität erreicht wird.
Durch ein Richtungsglied mit Strom- und Spannungsmessung können die Relais aber auch zu einem
gerichteten Überstromschutz erweitert werden. Ihr Einsatz erfolgt vorzugsweise an Parallelleitungen
und transformatorunterspannungsseitig bei Transformator – Parallelbetrieb.
4.2.2 Distanzschutz
In vermaschten Netzen ist der Distanzschutz die zentrale Schutzfunktion im Abzweigschutz. Er ist
eine Kombination aus Impedanzrelais und Zeitrelais. Im Kurzschlussfall entspricht die gemessene
Impedanz der Leitungsimpedanz zwischen Messstelle und Fehlerort. Sie ist also ein Maß für die
Fehlerentfernung.
Die Selektivität wird durch die Stufung der Auslösezeit und Impedanz erreicht. Bei einer
einfachgespeisten Strecke reicht die einseitige Überwachung in Richtung Netzeinspeisung, welche
durch eine einseitige Stufenkennlinie realisiert werden kann. Wird die Strecke von zwei Seiten
gespeist, müssen für jede Richtung eigene Distanzrelais installiert werden. Die Selektivität wird hier
durch eine zweiseitige Stufenkennlinie gewährleistet.
Georg Oberlechner
Seite 28
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
5 Netzkonfiguration für Simulation
5.1 Aufstellen eines geeigneten Simulationsmodells
Das Simulationsmodell soll eine möglichst realistische Konstellation im Netz repräsentieren, so dass
die in der Praxis vorkommenden Netzanschlüsse mit den Ergebnissen dieser Untersuchung abgedeckt
werden. Dabei sollen auch die Fälle untersucht werden, in denen
¾ genügend Kurzschlussstrom aus der dezentralen Anlage die Fehlerstelle speist, dass ein
selbständiges Erlöschen des Lichtbogens verhindert wird
¾ geringe Spannungseinbrüche an den dezentralen Anlagen auftreten und die Generatoren sich
mit geringen Kurzschlussströmen am Fehlergeschehen beteiligen
Grundsätzlich sind zwei Fehlerorte denkbar:
Abbildung 5-1: Netzschaltbild mit der Einbindung einer DEA in das 110 kV Netz und einem Fehler in der
Anspeiseleitung bzw. im Parallelzweig
Die Methode der Ersatzspannungsquelle am Fehlerort kann nun dazu verwendet werden, um eine
Abschätzung des Spannungseinbruches am Generator und deren Abhängigkeit von den verschiedenen
Impedanzen zu erhalten.
Fehler in der Anspeiseleitung
Für einen 3- phasigen Kurzschluss auf einem der Anspeiseleitungen Fl-1 oder Fl-2 kann der
Parallelzweig mit der Freileitung Fl-3 aufgrund der hochohmigen Last für die Kurzschlussberechnung
vernachlässigt werden. Tritt nun der Fehler sehr nahe zum Verteiltransformator T-1 auf, so ergibt sich
folgendes ESB:
Georg Oberlechner
Seite 29
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 5-2: Ersatzschaltbild im Mitsystem mit Ersatzspannungsquelle am Fehlerort
Mit den Generator-, Transformator-, Netz- und Leitungsimpedanzen lassen sich die vorkommenden
Impedanzen, bezogen auf die 20 kV MS – Ebene, für den transienten Kurzschlussfall bestimmen.
Die Impedanzen ZL1 und ZL2 lassen sich zu einer gemeinsamen Impedanz der Anspeiseleitung ZL
zusammenfassen. Für den 3-phasigen Kurzschluss kann nun die Spannungsänderung am Generator
bestimmt werden:
∆U G =
c ⋅U N
ZG
⋅
Z L + ZT2 + ZG
3
(5-1)
Die DEA liefert dabei den folgenden Anfangskurzschlusswechselstrom:
I k'' 3 pol , DEA =
c ⋅U N
3
⋅
1
Z + ZT2 + Z L
"
G
(5-2)
Aus diesen Zusammenhängen sieht man, je länger die Leitung bzw. je weiter entfernt der Kurzschluss
von der DEA, umso geringer ist der Spannungseinbruch und der Anfangskurzschlusswechselstrom.
Fehler im Parallelzweig
Nimmt man nun einen 3- phasigen Fehler am Ende der Freileitung FL-3 an und führt die
Ersatzspannungsquelle am Fehlerort ein ergibt sich nachstehendes ESB:
Georg Oberlechner
Seite 30
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 5-3: Ersatzschaltbild im Mitsystem mit Ersatzspannungsquelle am Fehlerort
So ergibt sich die Spannungsänderung am Generator aus:
∆U G =
(Z L 2 + Z T 2 + Z G ) // (Z L1 + Z T 2 + Z N ) ⋅ c ⋅ U N
ZG
⋅
Z L 2 + Z T 2 + Z G Z L 3 + ((Z L 2 + Z T 2 + Z G ) // (Z L1 + Z T 2 + Z N ))
3
(5-3)
Anfangskurzschlusswechselstrom der DEA:
I k" 3 pol , DEA =
c ⋅U N
3
⋅
1
Z + Z T 2 + Z L 2 + (Z L1 + Z N ) // Z L 3
"
G
(5-4)
Aus der Berechnung ist ersichtlich, dass die Längen der einzelnen Leitungen den Spannungseinbruch
am Generator unterschiedlich beeinflussen. Je länger die Freileitungen Fl-2 und Fl-3 sind, umso
geringer ist der Spannungseinbruch. Mit der Freileitung Fl-1 verhält es sich umgekehrt, d.h. je kürzer
diese Leitung, umso näher ist die stützende Spannung aus dem Hochspannungsnetz an der DEA und
dementsprechend geringer der Spannungseinbruch.
Einem geringen Spannungseinbruch am Generator folgt auch ein geringerer Kurzschlussstrombeitrag.
So ermöglichen diese Abschätzungen für den Spannungseinbruch am Generator die Schlussfolgerung,
dass, im Hinblick auf möglichst geringen Ansprechwerte für die Schutzorgane, der Fehlerfall im
Parallelzweig genauer untersucht werden soll, als es beim Fehler in der Anspeiseleitung notwendig ist.
Ebenfalls sollen große Ausdehnungen der Freileitungen Fl-2 und Fl-3 berücksichtigt werden. Da in
Mittelspannungsnetzen die Länge eines Ausläufers mit 20 km schon sehr lang ist, erscheint eine
Variation der Längen für alle Freileitungen von 1 km bis 20 km als vernünftig.
Georg Oberlechner
Seite 31
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
5.2 Die Synchronmaschine als Energieumformer
Für die dynamische Simulation mit der Synchronmaschine wurde das Modell nach Abb. 5-1 in
NEPLAN® nachgebildet. Abb. 5-9 beinhaltet zudem die Parameter der einzelnen Netzelemente:
4 St. parallel
Sync.- Gen.
Sr = 1,75 MVA
Ur = 0,69 kV
cosϕ = 0,9
xd = 150 %
x’d = 40 %
x’’d = 20 %
x2 = 12 %
AS
4 St. parallel
20 kV – 0,69 kV
Trafo
SS-5
SS-1
Sr = 2,5 MVA
ur = 0,8 %
ux = 5,95 %
Yd5
SS-3
SS-2
FL - 2
FL - 1
SS-4
AWE
FL - 3
110 kV Netz
S“k = 2 GVA
110 kV – 20 kV
Trafo
Sr = 40 MVA
ur = 0,4 %
ux = 11 %
Yy0
Freileitung
Last
Al/St = 95/12
r = 0,3058 Ω/km
x = 0,35 Ω/km
C = 5 nF/km
PL = 500 kW
Abbildung 5-4: Netzmodell unter NEPLAN® mit Einspeisung durch Synchrongeneratoren
Georg Oberlechner
Seite 32
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
5.3 Die Asynchronmaschine als Energieumformer
Für die Modellierung einer dezentralen Einspeisung mit Asynchrongeneratoren und der transienten
Simulation von Kurzschlüssen und Netzauftrennungen zeigte sich NEPLAN® als nicht recht geeignet,
da die Netzberechnungen für den Fall einer Inselbildung mit der Asynchronmaschine nicht mehr
konvergieren.
Aufgrund dessen wurde das Modell mit der Asynchronmaschine mithilfe des numerischen
Simulationstools Simulink® aus MATLAB® erstellt. Das zugrunde gelegte Modell ist dasselbe, wie es
schon für die Synchronmaschine verwendet wurde. Die verwendete Asynchronmaschine wird als
Schleifringläufer modelliert, wobei die rotorseitigen Wicklungen für diese Untersuchungen
kurzgeschlossen werden.
Abbildung 5-5: Simulink® - Koppelplan des Netzmodells für einen Kurzschluss auf Fl-3
Der elektrische Teil der Asynchronmaschine wird durch ein Gleichungssystem vierter Ordnung
beschrieben, wobei alle Größen auf den Stator bezogen werden. Die Darstellung erfolgt im Zwei –
Achsen Referenzsystem (dq-System), d.h. in Längs- und Querrichtung.
Der mechanische Teil dieser Maschine wird durch ein System zweiter Ordnung beschrieben.
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 5-6: Mathematische Beschreibung des elektrischen und mechanischen Systems des
Asynchrongenerators
Generatordaten:
Nennleistung: PN = 1,5 MW
Nennspannung: UN = 0,69 kV
Nennfrequenz: fN = 50 Hz
Die genauen Daten für Resistanz- und ReaktanzWerte
wurden
einer
doppeltgespeisten
Asynchronmaschine, wie sie in einer NORDEX
Südwind
S70
und
S77
eingebaut
wird,
entnommen.
Abbildung 5-7: Parametrierung des Asynchrongenerators
Da kaum Unterschiede in den Simulationsergebnissen zu erkennen sind, ob jetzt nur eine Maschine
am Netz angeschlossen ist oder vier der gleichen Bauart parallel geschaltet sind, wurden die
Georg Oberlechner
Seite 34
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Simulationen mit nur einer Maschine durchgeführt, da ansonsten die Simulationsdauer für eine
Berechung noch länger dauern würde als sie ohnehin schon für eine Maschine dauert.
Restliche Netzelemente
Die Parameter des Blocktransformators, Netztransformators, Netzes, Last und der Leitungen sind
identisch dem Modell mit der Synchronmaschine aus Abschnitt 5.2.
Blocktransformator
Netztransformator
Leitung
Übergeordnetes 110 kV Verteilnetz
Last
Abbildung 5-8: Parametrierung der Netzelemente
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
AWE
Fehler
Abbildung 5-9: Parametrierung des Schutz- und Fehlerblockes
Um die Simulation aus einem stationären Zustand zu starten hilft der „Powergui Block“. Durch seine
grafische Benutzerschnittstelle können grundlegende Lastflussparameter eingegeben werden und die
Anfangsbedingungen des Generators und des antreibenden mechanischen Momentes werden errechnet
und neu gesetzt.
Zwischen der dezentralen Einspeisung und dem Blocktransformator bzw. zwischen dem HS- Netz und
dem Netztransformator wurde jeweils eine kleine 3- phasige ohmsche Last von 100 W und kapazitive
Last von 10 VAr eingefügt. Dies hat einerseits den Grund, um für die Spannungsmessung ein
definiertes Bezugspotential zu erhalten und zum anderen macht eine kleine Kapazität die Berechung
numerisch stabiler, da kleine Spannungsspitzen von dieser gepuffert werden können.
Der in Abb. 5-10 befindliche Block – Visualisierung –, stellt die interessierenden Messergebnisse
grafisch dar und speichert sie in entsprechenden Datenstrukturen um eine spätere genaue Analyse zu
ermöglichen.
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 5-10: Simulink® - Koppelplan für die Visualisierung der Messgrößen
Ausgehend von den Ständergrößen für Spannung und Strom, wird die aufgenommene bzw.
abgegebene Wirk- und Blindleistung des Generators ermittelt.
Auch für die Schutzeinstellungen interessanten Effektivwerte von Ständerströme und –Spannungen
werden aus dem jeweiligen Messsignals gebildet. Die Ermittlung dieses Wertes wird mit der doppelten
Netzfrequenz und unter zu Hilfenahme eines mitlaufendes Fenster halber Periodendauer gelöst, da
somit erreicht werden kann, dass die Anpassung des Effektivwertes nur eine halbe Periode der
Netzfrequenz nachhängt.
Neben diesen Strom- und Spannungsmessungen am Stator werden dieselben noch für den Rotor
gemessen, der magnetische Fluss im Rotor und noch einige Maschinengrößen wie Rotorwinkel,
Rotorgeschwindigkeit und elektrisches Moment. So lässt sich das Verhalten der Maschine besser
nachvollziehen und erklären.
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
6 Gefährdung
des
Erfolges
einer
automatischen
Wiedereinschaltung
6.1 Problembeschreibung
Ziel einer automatischen Wiedereinschaltung (AWE), früher auch Kurzunterbrechung (KU) genannt,
ist es, den fehlerbehafteten Leistungsabschnitt kurzzeitig spannungsfrei zu schalten. Somit wird
ermöglicht, dass die in Freileitungsnetzen mehrheitlich vorkommenden als Überschläge der
Außenisolation auftretenden Fehlerlichtbögen erlöschen und eine Wiederverfestigung der Luftstrecke
gelingt. Der Erfolg einer solchen Fehlerbehebung kann jedoch gefährdet sein, wenn während der
vermeintlich spannungsfreien Pause eine dezentrale Energieerzeugungsanlage auf die Fehlerstelle
speist und somit den Lichtbogen mit genügend Energie versorgt, dass er nicht abreißen kann.
Die Frage ist nun ob eine solche dezentrale Anlage einen Lichtbogen überhaupt aufrechterhalten kann
und ob bzw. wie sie gegebenenfalls rechtzeitig vom Netz genommen werden kann.
6.2 Ablauf der automatischen Wiedereinschaltung
Im Allgemeinen wird ein Mittelspannungsnetz mit kompensiertem oder isoliertem Sternpunkt
betrieben, so dass Erdschlussfehler meist von selbst in kürzester Zeit erlischen. Deshalb kann man die
Betrachtung auf zweipolige und dreipolige Kurzschlüsse beschränken.
Wird nun ein solcher Fehler festgestellt wird die AWE eingeleitet. Hierzu wird die Spannung in dem
betreffenden Netzabschnitt unverzögert abgeschaltet, d.h. der fehlerbehaftete Strahl wird nach ca. 50
ms bis 150 ms vom von der Einspeisung aus dem übergeordneten Netz getrennt. Nach einer
einstellbaren Pausenzeit von 300 ms bis 500 ms wird der Netzabschnitt wieder zugeschaltet. Liegt
nach dem Wiedereinschalten der Fehler noch immer an, wird der gesamte Leitungsabschnitt endgültig
vom Netz getrennt [17].
Die kurze Pausenzeit richtet sich nach der Entionisierungszeit der Luftstrecke, so dass es nicht zu
einem Wiederzünden an der Fehlerstelle kommen soll.
Richtwerte hierfür sind [17]:
100 ms in 10 kV Netzen
130 ms in 20 kV Netzen
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
6.3 Einfluss von DEA
Es stellt sich nun die Frage ob dezentrale Energieerzeugungsanlagen, im speziellen die weit
verbreiteten Windkraftwerke und Blockheizkraftwerke, den Lichtbogen allein aufrechterhalten
können. Aufgrund des komplexen, nicht vorhersagbaren Verhaltens frei in Luft brennender
Lichtbögen, ist eine exakte Vorhersage, bis zu welcher Stromstärke der Lichtbogen erlischt, nicht
möglich [18]. Man kann sich also nur auf Erfahrungswerte und Messungen beziehen, die mit einer
gewissen Wahrscheinlichkeit das Erlischen des Lichtbogens bei einem bestimmten Fehlerstrom
möglich macht.
Eine bekannte Faustformel sagt, dass der Fehlerstrom 1 A pro 1 kV Nennspannung nicht überschreiten
sollte.
Spannungsebene
Fehlerstrom
Anlagenleistung
10 kV
10 A
170 kVA
20 kV
20 A
690 kVA
Tabelle 6-1: Minimale Einspeiseleistungen in MS-Netze die das selbständige Erlöschen eines Lichtbogens in
Frage stellen
6.4 Mögliche Lösungen
Vorangestellte Überlegungen haben gezeigt, dass man davon ausgehen muss, dass zumindest eine
Windenergieanlage oder ein Blockheizkraftwerk in den heutzutage üblichen Größenordnungen, das
Erlöschen des Lichtbogens durchaus in Frage stellen. Es muss nun das Ziel sein, die Anlage so schnell
wie möglich vom Netz zu nehmen, so dass die eingestellte Pausenzeit der AWE noch ausreicht, eine
Verfestigung der Luftstrecke zu ermöglichen.
Eine mögliche Lösung des Problems wäre die Installation eines zum Anlagenschutz zusätzliches
Schutzgerät – ein Vektorsprungrelais. Es erkennt den Augenblick der AWE- Auslösung und somit die
Entstehung eines Inselnetzes, und kann das Abschaltung der DEA veranlassen. Natürlich ist eine
solche Investition mit einem zusätzlichen finanziellen Aufwand und bei bereits bestehenden Anlagen
mit einem Eingriff in das bestehende Schutzsystem verbunden.
Eine angenehmere und vor allem auch mit keinen zusätzlichen Kosten verbundene Lösung wäre, wenn
durch geschickte Parametrierung des bestehenden bzw. „normalen“ Anlagenschutzes eine rechtzeitige
Abschaltung der DEA erreicht werden könnte. Der Frequenzschutz dürfte hierfür wohl nicht in Frage
kommen, da die Änderung der Frequenz stark mit dem zu AWE- Auslösung herrschenden Überschuss
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
bzw. Defizit an Energie im gebildeten Inselnetz zusammenhängt. Die Möglichkeit einer geschickten
Parametrierung des Überstrom- und Spannungsrückgangsschutzes wird aber im Weiteren untersucht.
6.5 Untersuchungen für den Spannungsrückgangsschutz
6.5.1 Neplan-Modell mit Synchrongeneratoren
6.5.1.1 3-phasiger Kurzschluss
Aufgrund des Kurschlusses bricht die Spannung im gesamten Netzabschnitt ein. Folgendes Bild zeigt
einen typischen Spannungseinbruch an einem der vier Synchrongeneratoren wenn der Fehler entlang
der Freileitung Fl-3 auftritt (Speziell hier → Leitungslängen: l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km; Fehler in
95% Entfernung von SS-3 zu SS-4)
0,83 p.u.
0,79 p.u.
0,36 p.u.
Fehlereintritt
AWE - Abschaltung
170 ms
Max. Zeit für Spannungsrückgangschutz
AWE - Zuschaltung
130 ms
Entionisierungszeit
Abbildung 6-1: Spannungsverlauf am Synchrongenerator bei 3- phasigen Kurzschluss
in 95 % Entf. von SS-3 zu SS-4
In diesem Fall erkennt man deutlich die Auswirkung der stützenden Spannung vom HS-Netz vor der
AWE-Abschaltung. Würde der Fehler auf Leitung Fl-1 oder Fl-2 auftreten, so wäre nur mehr ein
Spannungseinbruch bemerkbar, d.h. die Spannung würde bereits zum Zeitpunkt des Fehlereintrittes
stark zusammen.
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Die maximale, einzustellende Zeit für den Spannungsrückgangsschutz, richtet sich nach der
minimalen Pausenzeit von 300 ms der AWE und der typischen Entionisierungszeit von 130 ms bei 20kV-Netzen. Geht man nun davon aus, dass die Anregung des Schutzes erst bei AWE-Eintritt erfolgt,
so darf die Zeitspanne von 170 ms für die Anregung des Schutzes, Erteilung des Ausschaltkommandos
und Öffnen der Kontakte durch den Leistungsschalter, nicht überschritten werden.
Im nachstehenden Diagramm wurde der Fehlerort entlang der Freileitungen variiert und die
verbleibende Spannung nach der AWE-Abschaltung eingezeichnet. Die Leitungen Fl-1 und Fl-2 haben
eine Länge von 1 km und Fl-3 ist 10 km lang.
Abbildung 6-2: Restspannungen bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss
nach abschalten durch AWE (l1 = l2= 1 km; l3 = 10 km)
Wenn alle 3 Freileitungen eine Länge von 10 km aufweisen ergeben sich folgende
Spannungseinbrüche:
Abbildung 6-3: Restspannungen bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss
nach abschalten durch AWE (l1 = l2= l3 = 10 km)
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Man sieht, die Spannung bricht auch in den ungünstigsten Fällen, nach Eintritt der AWE-Abschaltung
unter 50 % der Nennspannung.
Fazit: Der Spannungsrückgangsschutz kann auf einen Wert von 0,5 UN mit einer maximalen Zeit von
170 ms eingestellt werden, so dass er immer noch rechtzeitig die DEA vom Netz nimmt, und der
Erfolg der AWE bei einem 3-phasigen Kurzschluss auf irgend einer Leitung gewährleistet werden
kann.
6.5.1.2 2- phasiger Kurzschluss
Beim zweiphasigen Kurzschluss wurde die Last im Parallelzweig entfernt (gegenüber dem
dreiphasigen Kurzschluss-Versuch, der mit einer Last von 500 kW untersucht wurde), da die iterative
Berechnung des Simulationsprogramms bei nahen Generatorfehlern ansonsten nicht mehr konvergiert.
Genauere Untersuchungen diesbezüglich haben gezeigt, dass sich auch bei Änderung der Last von
±500 kW für die Spannungsänderung praktisch keine Änderung ergibt.
Beim 2- phasigen Kurzschluss ergibt sich ein ähnlicher Verlauf der Spannung an der
Synchronmaschine wie beim 3- phasigen Kurzschlussfall. Nachstehende Abbildung zeigt den
Spannungsverlauf an einem der vier Synchrongeneratoren wenn der Fehler entlang der Freileitung Fl3 auftritt (Speziell hier → Leitungslängen: l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km; Fehler in 95% Entfernung
von SS-3 zu SS-4)
0,92 p.u.
0,90 p.u.
0,54 p.u.
Fehlereintritt
AWE - Abschaltung
170 ms
Max. Zeit für Spannungsrückgangschutz
AWE - Zuschaltung
130 ms
Entionisierungszeit
Abbildung 6-4: Spannungsverlauf am Synchrongenerator bei 2- ph. Kurzschluss in 95 % Entf. von SS-3 zu SS-4
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Wird nun wieder der Fehlerort für die gegebene Anordnung mit den Leitungslängen: l1 = l2 = 1 km und
l3= 10 km variiert, ergeben sich die nachstehenden Kurven für die Restspannung unmittelbar an dem
Anschlusspunkt der DEA nach dem Zeitpunkt der AWE- Abschaltung:
Abbildung 6-5: Restspannungen bei Fehlerortvariation für 2- ph. Kurzschluss
nach abschalten durch AWE (l1 = l2= 1 km; l3 = 10 km)
Für den Fall, dass alle drei Freileitungen dieselbe Länge von 10 km haben, ergeben sich folgende
Restspannungen nach AWE-Abschaltung:
Abbildung 6-6: Restspannungen bei Fehlerortvariation für 2- ph. Kurzschluss
nach abschalten durch AWE (l1 = l2 = l3 = 10 km)
Fazit: Damit der Spannungsrückgangsschutz die DEA rechtzeitig vom Netz nimmt, und der Erfolg der
AWE bei einem 2- phasigen Kurzschluss gewährleistet werden kann, muss der Schutz auf einen Wert
von nicht kleiner als 0,7 UN mit einer maximalen Ausschaltzeit von 170 ms eingestellt werden.
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
6.5.1.3 Anwendung des worst case auf lange Leitungen
20 km stellen eine ziemlich große Entfernung zum Anbinden eines Verbrauchers an eine Verteilanlage
im Mittelspannungsnetz dar. Es stellt sich nun die Frage, ob es, im Hinblick auf einen erfolgreichen
Ablauf einer AWE, aufgrund der großen Entfernung, Probleme geben könnte. D.h. es ist zu
untersuchen, ob ein möglicher Fehler am Ende dieses Ausläufers, durch den Anlagenschutz der DEA,
welche im Parallelzweig dazu einspeist, vernünftig erkannt werden kann, oder zumindest dann erkannt
wird, wenn die Verbindung zum Hochspannungsnetz durch die AWE kurzzeitig getrennt wird.
Aus den vorangegangenen Simulationsergebnissen geht hervor, dass den ungünstigeren Fehlerfall bei
der Einspeisung mit der Synchronmaschine für den Spannungsrückgangsschutz der 2-phasige
Fehlerfall auf der Freileitung Fl-3 darstellt.
Die Untersuchung beschränkt sich nun auf die genannte kritische Konstellation. Durchgeführt wird sie
am gleichen Modell und die Länge der Freileitungen werden auf l1 = l2 = 1 km und l3 = 20 km
festgelegt.
In Abb. 6-7 ist die Restspannung unmittelbar an dem Anschlusspunkt der DEA nach dem Zeitpunkt
der AWE-Abschaltung aufgetragen, wenn der Fehlerort auf der Freileitung Fl-3 variiert wird:
Abbildung 6-7: Restspannungen am Synchrongenerator bei Fehlerortvariation für 2- ph. Kurzschluss auf Fl-3
nach abschalten durch AWE (l1 = l2 = 1 km; l3 = 20 km)
Analog zur Anbindung weit entfernter Verbraucher, besteht die Möglichkeit, dass auch bei
Anbindungen von weit entfernten DEA an den nächstgelegenen Verteilknoten, zu schutztechnischen
Problemen kommen kann. Deshalb soll auch für den Fall, dass die dezentrale Einspeisung 20 km von
der Verteilstation entfernt ist, der Erfolg einer AWE überprüft werden.
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Die Simulation wird nun wieder mit dem kritischen 2-phasigen Fehler auf Freileitung Fl-3
durchgeführt. Die Entfernung des Fehlerortes im Parallelzweig zur DEA wird bis auf 10 km variiert ⇒
l1 = 1 km, l2 = 20 km, l3 = 10 km
Abbildung 6-8: Restspannungen am Synchrongenerator bei Fehlerortvariation für 2- ph. Kurzschluss auf Fl-3
nach abschalten durch AWE (l1 = 1 km; l2 = 20 km; l3 = 10 km)
Fazit: Bei einer Anbindung eines 20 km entfernten Verbrauchers bzw. dezentralen Erzeugers darf der
Spannungsrückgangsschutz nicht weniger als auf 0,75 UN eingestellt werden. So kann er jeden
möglichen Fehlerfall sicher erkennen, und wenn er innerhalb von 170 ms auslöst, kann auch der
Erfolg der AWE gewährleistet werden.
6.5.2 Simulink-Modell mit Asynchrongeneratoren
6.5.2.1 3- phasiger Kurzschluss
Der zeitliche Verlauf des Spannungseinbruches am Asynchrongenerator, wenn die Leitungslängen l1 =
l2 = 1 km und l3 = 10 km betragen und ein 3-phasiger Kurzschluss auf Fl-3 in 95 % der Entfernung von
der der Sammelschiene SS-3 auftritt, sieht wie folgt aus:
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Außenleiterspannungen an der DEA:
Fehlereintritt
AWE - Abschaltung
Abbildung 6-9: Spannungsverlauf (Ph – Ph) am Asynchrongenerator bei 3- ph. Kurzschluss auf Fl-3
in 95 % Entf. von SS-3
Auch die Phasenspannungen sehen im symmetrischen Fehlerfall ähnlich aus:
Fehlereintritt
AWE - Abschaltung
Abbildung 6-10: Spannungsverlauf (Ph – Gr) am Asynchrongenerator bei 3- ph. Kurzschluss auf Fl-3
in 95 % Entf. von SS-3
Variiert man nun den Fehler entlang der Freileitung Fl-3 ergeben sich die im nachstehenden
Diagramm eingetragenen verketteten Restspannungen für die 3 Phasen kurz nach Abschaltung durch
die AWE (l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km):
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 6-11: Restspannungen bei Fehlerortvariation auf Fl-3 für 3- ph. Kurzschluss
nach abschalten durch AWE (l1 = l2 = 1 km; l3 =10 km)
Auch wenn alle Leitungen 10 km lang sind, ergeben sich keine geringeren Spannungseinbrüche:
Abbildung 6-12: Restspannungen bei Fehlerortvariation auf Fl-3 für 3- ph. Kurzschluss
nach abschalten durch AWE (l1 = l2 = l3 =10 km)
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Tritt der Fehler auf irgendeiner anderen Leitung auf, bricht die Spannung noch stärker ein:
Abbildung 6-13: Restspannungen bei Fehlerortvariation auf Fl-1 für 3- ph. Kurzschluss
nach abschalten durch AWE (l1 = l2 = l3 =10 km)
Fazit: Da der Schutz auf jede einzelne verkettete Spannung reagieren kann, führt ein Einstellwert von
0,15 UN mit einer maximalen Auslösezeit von 170 ms zu einem rechtzeitigen Abschalten der DEA, so
dass der Erfolg der AWE gewährleistet werden kann.
6.5.2.2 2- phasiger Kurzschluss
Tritt ein 2-phasiger Kurzschluss auf Fl-3 in 95 % der Entfernung von der der Sammelschiene SS-3
auftritt, wobei die Leitungslängen l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km betragen, kommt es zu folgenden
unsymmetrischen Spannungseinbrüchen am Synchrongenerator:
Außenleiterspannungen:
Fehlereintritt
AWE - Abschaltung
Abbildung 6-14: Spannungsverlauf (Ph – Ph) am Asynchrongenerator bei 2- ph. Kurzschluss auf Fl-3
in 95 % Entf. von SS-3
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Die Phasenspannungen sehen in diesem Fall so aus:
Fehlereintritt
AWE - Abschaltung
Abbildung 6-15: Spannungsverlauf (Ph – Gr) am Asynchrongenerator bei 2- ph. Kurzschluss auf Fl-3
in 95 % Entf. von SS-3
Die Variation des Fehlers entlang der Freileitung Fl-3 führt zu wesentlich geringeren
Spannungseinbrüchen wie es im Fall des 3-phasigen Kurzschlusses war (l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km):
Abbildung 6-16: Restspannungen bei Fehlerortvariation auf Fl-1 für 2- ph. Kurzschluss
nach abschalten durch AWE (l1 = l2 = 1 km; l3 = 10 km)
Sind alle 3 Leitungen 10 km lang, kommt es wiederum zu etwas größeren Spannungseinbrüchen. Dies
deshalb, da in diesem Fall das unterstützend wirkende übergeordnete Netz etwas weiter entfernt von
der DEA ist:
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 6-17: Restspannungen bei Fehlerortvariation auf Fl-3 für 2- ph. Kurzschluss
nach abschalten durch AWE (l1 = l2 = l3 =10 km)
Ein 2-phasiger Fehler in einer der beiden anderen Leitungen, egal bei welcher Leitungslänge, führt
auch hier zu einem größeren Spannungseinbruch.
Fazit: Der geringste Spannungseinbruch in der am stärksten betroffenen Phase beträgt 0,44 UN.
Parametriert man den Schutz auf diesen Wert, so führt ein 2- phasiger Fehler zum rechtzeitigen
Abschalten der DEA.
6.5.2.3 Anwendung des worst case auf lange Leitungen
Auch im Fall der dezentralen Einspeisung mit Asynchrongeneratoren stellt der 2-phasige Kurzschluss
auf Freileitung Fl-3 den weiter zu untersuchenden kritischen Fehlerfall dar.
Für die Anbindung eines 20 km Entfernten Verbrauches sind in der folgenden Abbildung die
Restspannungen an der Asynchronmaschine für 2-phasige Kurzschlüsse entlang der Freileitung Fl-3
angeführt.
Georg Oberlechner
Seite 50
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 6-18: Restspannungen am Asynchrongenerator bei Fehlerortvariation für 2- ph. Kurzschluss auf Fl-3
nach abschalten durch AWE (l1 = l2 = 1 km; l3 = 20 km)
Erfolgt die Anbindung der dezentralen Energieerzeugungsanlage über eine 20 km lange Leitung und
wird der Fehlerort eines 2- phasigen Kurzschlusses entlang der Freileitung Fl-3 variiert ist mit
folgenden Restspannungen an der DEA zu rechnen:
Abbildung 6-19: Restspannungen am Asynchrongenerator bei Fehlerortvariation für 2- ph. Kurzschluss auf Fl-3
nach abschalten durch AWE (l1 = 1 km; l2 = 20 km; l3 = 10 km)
Fazit: Erfolgt die Einspeisung über Asynchrongeneratoren und kommen Leitungslängen von 20 km
für Fl-2 bzw. Fl-3 vor, so muss der Spannungsrückgangsschutz innerhalb 170 ms auslöst und nicht
kleiner als auf 0,4 UN eingestellt werden.
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Seite 51
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
6.5.3 Einspeisung über einen Stromrichter
Viele dezentrale Energieerzeugungsanlagen speisen über einen Wechselrichter ein. Hierbei ist zu
unterscheiden, ob der Umrichter wirklich die Einspeisung in das Netz vornimmt oder nur, wie es zum
Beispiel bei Windkraftgeneratoren mit doppelt gespeisten Asynchrongeneratoren der Fall ist, den
Läuferkreis der Maschine speist, und so, vereinfacht ausgedrückt, nur zum Einstellen eines
bestimmten Schlupfes verwendet wird. Den letzteren Fall würde die Untersuchung aus Abschnitt 6.5.2
für den Spannungsrückgangsschutz bzw. Abschnitt 6.6.2 für den Überstromschutz abdecken.
Im hier untersuchten Fall wird die Einspeisung eines Synchrongenerators über einen netzseitigen
Wechselrichter untersucht. Zur dynamischen Simulation wurde kein Wechselrichter nachgebildet
sondern davon ausgegangen, dass der Wechselrichter nur einen sehr kleinen Kurzschlussstrom liefern
kann. Dies wurde durch einen Synchrongenerator angenähert, bei dem die subtransienten- gleich den
stationären Reaktanzen gesetzt sind.
X d" = X d und X q" = X q
Tritt nun ein 3- phasiger Kurzschluss auf Freileitung Fl-3 (l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km) auf, so ist der
Spannungseinbruch an der DEA enorm:
Abbildung 6-20: Restspannungen bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss auf Fl-3
nach abschalten durch AWE (l1 = l2 = 1 km; l3 = 10 km)
Die Untersuchungen für den 2-phasigen Kurzschluss wurden nicht durchgeführt da für diesen Fall die
Ergebnisse zu stark vom typischen Verhalten der Synchronmaschine geprägt werden. Es kann aber
davon ausgegangen werden, dass auch für diesen Fehlerfall ein starker Spannungseinbruch bemerkbar
wird.
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Seite 52
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Fazit: Mit einer Einstellung für den Spannungsrückgangsschutz von nicht weniger als 0,15 UN und
einer Auslösezeit von max. 170 ms, kann ein 3-phasigen Fehler erkannt werden und die DEA
rechtzeitig vom Netz genommen werden, so dass die AWE nicht behindert wird.
6.6 Untersuchungen für den Überstromschutz
6.6.1 Neplan-Modell mit Synchrongeneratoren
6.6.1.1 3- phasiger Kurzschluss
Je stärker die Spannung am Generator zusammenbricht umso größer ist der Kurzschlussstrombeitrag
der dezentralen Synchronmaschinen.
Ein typischer Verlauf des Kurzschlussstromes eines Synchrongenerators der DEA bei 3-phasigem
Kurzschluss auf Leitung Fl-3 und folgender AWE zeigt nachstehende Abbildung (hier ein Kurzschluss
in 95 % Entfernung von SS-3 zu SS-4; l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km):
Fehlereintritt
AWE - Abschaltung
170 ms
Max. Zeit für Spannungsrückgangschutz
AWE - Zuschaltung
130 ms
Entionisierungszeit
Abbildung 6-21: Stromverlauf am Synchrongenerator bei 3- ph. Kurzschluss in 95 % Entf. von SS-3 zu SS-4
Solange die AWE noch nicht ausgelöst wurde, ist hier wiederum die Auswirkung der stützenden
Spannung aus dem Hochspannungsnetz deutlich sichtbar. Entfällt 100 ms nach Fehlereintritt diese
Unterstützung aus dem Hochspannungsnetz, sinkt die Spannung an den Generatorklemmen weiter,
was ein starkes Ansteigen des Kurzschlussstromes zur Folge hat.
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Tritt der Fehler nun auf FL-1 oder FL-2 auf, so ergibt sich, ähnlich wie beim Spannungsverlauf, nur
eine plötzliche Stromänderung, und zwar zum Zeitpunkt des Fehlereintrittes.
Fehlereintritt
AWE - Zuschaltung
AWE - Abschaltung
270 ms
Max. Zeit für Spannungsrückgangschutz
130 ms
Entionisierungszeit
Abbildung 6-22: Stromverlauf am Synchrongenerator bei 3- ph. Kurzschluss in 20 % Entf. von SS-3 zu SS-2
Variiert man den Fehler entlang der FL-3 und ermittelt den Kurzschlussstrombeitrag der
Synchronmaschine, so erhält man Aufschluss darüber, welche Fehlerentfernungen zu einem
Ansprechen des Überstromschutzes führen können bzw. mit welcher Amplitude des Stromes zu
rechnen ist (l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km):
AS: 2.7 IN
AS: 2.4 IN
Abbildung 6-23: Strombeiträge bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss auf Fl-3 (l1 = l2 = 1 km; l3 = 10 km)
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Die mit punktierter Linie verbundenen Messwerte sind Ströme wie sie beim Eintritt der AWEAuslösung (eingezeichnet in Blau) und 50 ms danach (eingezeichnet in Rot) ermittelt wurden. Die
strich-punktierte Linie verbindet hingegen analog die Messwerte zum Zeitpunkt des Eintritts des
Fehlers und 50 ms danach. Die jeweils in Grün dargestellte Linie kennzeichnet den Mittelwert des
Stromes in 25 ms.
Man sieht, je näher der Fehler auf der Leitung Fl-3 der DEA ist, umso höher wird der
Stosskurzschlussstrom zum Zeitpunkt des Fehlereintrittes und umso geringer zum Zeitpunkt der
AWE-Abschaltung. In diesen Fällen kann eine Auslösung des Überstromschutzes bereits durch den
ersten „Stromsprung“ ausgelöst werden.
Tritt der Fehler in einer anderen Leitung auf, so ist der Strombeitrag zwar bei AWE-Ausschaltung
kleiner als im obigen Bild, jedoch aber der Strombeitrag beim Eintritt des Kurzschlusses immer
wesentlich höher.
Dasselbe Variation, wenn alle drei Leitungen 10 km lang sind:
AS: 2.3 IN
AS: 2.1 IN
Abbildung 6-24: Strombeiträge bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss auf Fl-3 (l1 = l2 = l3 = 10 km)
Fazit: Der Überstromschutz, wenn er auf den Strom- Wert in 50 ms nach Überstromanregung
anspricht, kann auf den maximal 2,1 –fachen Nennstrom eingestellt werden, dass der Erfolg der AWE
gewährleistet werden kann. Reagiert er auf den Strom- Wert in 25 ms nach Überstromanregung, so
kann er auf den maximal 2,3 –fachen Nennstrom eingestellt werden. Die Zeit zwischen Anregung des
Schutzes und Öffnen der Kontakte darf die 170 ms wiederum nicht überschreiten.
Georg Oberlechner
Seite 55
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
6.6.1.2 2- phasiger Kurzschluss
Auch hier musste für die transienten Berechnungen die Last entfernt werden. Ein Unterschied in den
Strombeträgen beim Ändern der Last ist aber wiederum kaum bemerkbar.
Nachstehender Kurzschlussstromverlauf des Mitsystems ergibt sich bei einem 2-poligen Fehler auf
Freileitung Fl-3 in 95 % Entfernung von Sammelschiene SS-3 zu Sammelschiene SS-4 (l1 = l2 = 1 km
und l3 = 10 km)
Fehlereintritt
AWE - Zuschaltung
AWE - Abschaltung
170 ms
Max. Zeit für Spannungsrückgangschutz
130 ms
Entionisierungszeit
Abbildung 6-25: Stromverlauf am Synchrongenerator bei 2- ph. Kurzschluss in 95 % Entf. von SS-3 zu SS-4
Auch wenn der Fehler näher an der SS-3 oder in einer anderen Leitung ist, so weicht die Form des
Stromverlaufes, von oben Dargestellter, kaum ab. Im Gegensatz zum dreipoligen Kurzschluss treten
hier immer zwei Stoßkurzschlussströme auf, einer bei Fehlereintritt und einer bei AWE-Abschaltung.
Dies deshalb, da solange die AWE die Leitungen nicht getrennt hat, immer eine Phase mit dem
Hochspannungsnetz verbunden ist.
Variiert man den Fehler entlang der Freileitung FL-3 und ermittelt den Strombeitrag des Mitsystems
der Synchronmaschine, berücksichtigt zudem laut Abschnitt 3.1.1 den Anteil des Gegensystems,
indem man den gemessenen Strombetrag des Mitsystems um den Faktor
folgende Kurzschlussstrombeiträge der Synchronmaschinen:
3 multipliziert, erhält man
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Für l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km:
AS: 3.9 IN
AS: 3.5 IN
Abbildung 6-26: Strombeiträge bei Fehlerortvariation für 2- ph. Kurzschluss auf Fl-3 (l1 = l2 = 1 km; l3 = 10 km)
Für l1 = l2 = l3 = 10 km:
AS: 3.3 IN
AS: 3.0 IN
Abbildung 6-27: Strombeiträge bei Fehlerortvariation für 2- ph. Kurzschluss auf Fl-3 (l1 = l2 = l3 = 10 km)
Tritt der Fehler in einem der anderen Leiter auf, so ist der Kurzschlussstrom immer höher. Dies
untermauern die folgenden zwei Abbildungen.
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
AS: 4.7 IN
AS: 4.3 IN
Abbildung 6-28: Strombeiträge bei Fehlerortvariation für 2- ph. Kurzschluss auf Fl-2 (l1 = l2 = 1 km; l3 = 10 km)
AS: 3.9 IN
AS: 3.7 IN
Abbildung 6-29: Strombeiträge bei Fehlerortvariation für 2- ph. Kurzschluss auf Fl-1 (l1 = l2 = l3 = 10 km)
Fazit: Der Überstromschutz, wenn er auf den Stromwert in 50 ms nach Überstromanregung anspricht,
darf auf den maximal 3,0 –fachen Nennstrom eingestellt werden, so dass der Erfolg der AWE bei 2ph. Fehlern gewährleistet werden kann. Reagiert er schneller, auf den Stromwert in 25 ms nach
Überstromanregung, so kann er auf den maximal 3,3 –fachen Nennstrom eingestellt werden. Die
Dauer von 170 ms bis zum Trennen der Kontakte darf wiederum nicht überschritten werden.
Georg Oberlechner
Seite 58
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
6.6.1.3 Anwendungen des worst case auf lange Leitungen
Aus
den
erhaltenen
Simulationsergebnissen
geht
hervor,
dass
bei
Einspeisung
mit
Asynchronmaschinen und Verwendung des Überstromschutzes der 3-phasige Fehlerfall auf
Freileitung Fl-3 die für den Schutz ungünstigsten Auslösebedingungen schafft.
Untersucht man diese Fehlerkonstellation bei Anbindung eines 20 km entfernten Verbrauchers, so
ergeben sich folgende Kurzschlussstrombeiträge des Asynchrongenerators:
AS: 2,3 IN
AS: 2,1 IN
Abbildung 6-30: Strombeiträge vom Synchrongenerator bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss
auf Fl-3 (l1 = l2 = 1 km; l3 = 20 km)
Wird für denselben Fehlerfall hingegen die DEA mit einer 20 km langen Leitung angeschlossen, so
beteiligt sich die Asynchronmaschine mit folgenden Fehlerströmen:
AS: 2,4 IN
AS: 2,2 IN
Abbildung 6-31: Strombeiträge vom Synchrongenerator bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss auf Fl-3
(l1 = 1 km; l2 = 20 km; l3 = 10 km)
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Fazit: Wenn der Überstromschutz erst auf den Stromwert in 50 ms nach Überstromanregung
anspricht, darf er maximal auf den 2,1-fachen Nennstrom eingestellt werden. Reagiert er bereits auf
den Wert in 25 ms nach Überstromanregung, so kann der Überstromschutz auch mit einem
Einstellwert nicht größer als den 2,3-fachen Nennstrom parametriert werden. Mit diesen Einstellungen
würde also auch beim Anschluss von 20 km entfernten Erzeugern bzw. Verbrauchern jeder Fehler auf
den Freileitungen erkannt werden.
6.6.2 Simulink®-Modell mit Asynchrongeneratoren
6.6.2.1 3- phasiger Kurzschluss
Den Verlauf der Kurzschlussströme des Asynchrongenerators der DEA bei 3-phasigem Kurzschluss
auf Leitung Fl-3 und AWE-Eintritt zeigt folgendes Bild (hier ein Kurzschluss in 95 % Entfernung von
SS-3; l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km):
Abbildung 6-32: Stromverlauf am Asynchrongenerator bei 3- ph. Kurzschluss auf Fl-3 in 95 % Entf. von SS-3
Deutlich zu erkennen ist der starke zweite Kurzschlussstrombeitrag, wenn die stützende Spannung aus
dem Hochspannungsnetz durch die AWE abgetrennt wird. Die Dominanz der Amplituden der beiden
Stoßkurzschlussströme wechselt sich mit der Entfernung des Fehlers ab. Je näher der Kurzschluss auf
der Fl-3 zum dezentralen Generator hin ist, umso stärker tritt der Kurzschlussstrom bei Fehlereintritt
in Erscheinung.
Tritt der 3-phasige Fehler auf der Freileitung Fl-1 oder Fl-2 auf, so entfällt bereits bei Fehlereintritt die
Wirkung des stützenden Hochspannungsnetzes. Hier ein Kurzschluss auf Fl-2 in 20 % Entfernung von
der DEA (l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km):
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 6-33: Stromverlauf am Asynchrongenerator bei 3- ph. Kurzschluss auf Fl-2 in 20 % Entf. von SS-3
Man sieht, abhängig von der Phasenlage der Spannung bei Eintritt des Fehlers bzw. der AWEAbschaltung sind die Phasen unterschiedlich stark vom Kurzschlussstrom belastet. Für die Einstellung
des Überstromschutzes genügt im Weiteren die Betrachtung der Phase, welche den größten Strom
führt. Dies ist hier immer die Phase C (in Abb.6-34 in grün dargestellt).
Wird der Fehlerort entlang der Freileitung Fl-3 variiert so ergeben sich folgende Kurzschlussströme
am Asynchrongenerator in Phase C (l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km):
AS: 2,9 IN
AS: 1,5 IN
Abbildung 6-34: Strombeiträge bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss auf Fl-3 (l1 = l2 = 1 km; l3 = 10 km)
Aus dieser Variation des Fehlers auf der Parallelleitung zur DEA sieht man, dass mit dem geringsten
Kurzschlussstrom dann gerechnet werden muss, wenn der Fehler ungefähr in der Mitte der Leitung
auftritt. Hier ist der Kurzschlussstrombeitrag bei Eintritt des Fehlers und zum Zeitpunkt der AWEAuslösung gleich groß.
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Auch wenn alle Leitungen 10 km lang sind kommt es trotzdem zu keinen geringeren
Kurzschlussströmen:
AS: 2,9 IN
AS: 1,5 IN
Abbildung 6-35: Strombeiträge bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss auf Fl-3 (l1 = l2 = l3 = 10 km)
Der Kurzschlussstrom, hervorgerufen durch einen Fehler auf irgendeiner anderen Leitung, ist stets
größer, so z.B. auf Fl-2 (l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km):
AS: 6,1 IN
AS: 3,0 IN
Abbildung 6-36: Strombeiträge bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss auf Fl-2 (l1 = l2 = 1 km; l3 = 10 km)
Georg Oberlechner
Seite 62
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
oder auf Fl-1 (alle Leitungen 10 km):
AS: 4,8 IN
AS: 2,5 IN
Abbildung 6-37: Strombeiträge bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss auf Fl-1 (l1 = l2 = l3 = 10 km)
Fazit: Der Überstromschutz, wenn er auf den Strom- Wert in 50 ms nach Überstromanregung
anspricht, kann auf den maximal 1,5 –fachen Nennstrom eingestellt werden, dass der Erfolg der AWE
gewährleistet werden kann. Reagiert er bereits in 25 ms nach Überstromanregung, so kann er auf den
maximal 2,9 –fachen Nennstrom eingestellt werden.
6.6.2.2 2- phasiger Kurzschluss
Die zeitlichen Stromverläufe bei einem 2-phasigen Fehler auf Freileitung Fl-3 in 95 % Entfernung von
Sammelschiene SS-3 (l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km) zeigt folgendes Simulationsergebnis:
Abbildung 6-38: Stromverlauf am Asynchrongenerator bei 2- ph. Kurzschluss auf Fl-3 in 95 % Entf. von SS-3
Man sieht, der Anfangskurzschlussstrombeitrag zum Zeitpunkt des Fehlereintrittes ist in diesem Fall
sehr gering. Der darauf folgende Dauerkurzschlussstrom zeigt kein abklingendes Verhalten, sondern,
die in grün dargestellte Phase, steigt sogar etwas an.
Georg Oberlechner
Seite 63
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Im Vergleich, ein 2-phasiger Kurzschluss auf Fl-1, in 95 % Entfernung zu SS-3 (alle Leitungen sind
10 km lang)
Abbildung 6-39: Stromverlauf am Asynchrongenerator bei 2- ph. Kurzschluss auf Fl-1 in 95 % Entf. von SS-3
Variiert man nun den Fehlerort auf Freileitung Fl-3 und betrachtet den Strombeitrag in der am
stärksten belasteten Phase (Phase B, in Abb. 6-39 in rot dargestellt) so zeigt sich folgendes Verhalten
(l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km):
AS: 3,4 IN
AS: 2,6 IN
Abbildung 6-40: Strombeiträge bei Fehlerortvariation für 2- ph. Kurzschluss auf Fl-3 (l1 = l2 = 1 km; l3 = 10 km)
Auffallend ist die frühe Dominanz des Kurschlussstromes zu AWE- Auslösung.
Das erwähnte Ansteigen des Dauerkurzschlussstromes vor AWE-Auslösung in Phase C (in Abb. 6-39
und Abb. 6-40 in grün dargestellt) ist bei der Fehlervariation für diese Phase deutlich zu erkennen. Sie
nimmt aber mit der Entfernung des Fehlers zunehmend ab:
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 6-41: Strombeiträge (Phase C) bei Fehlerortvariation für 2- ph. Kurzschluss auf Fl-3
(l1 = l2 = 1 km; l3 = 10 km)
Der Fall in dem der geringste Kurzschlussstrom in der am stärksten betroffenen Phase (Phase B)
auftritt ist, wenn alle 3 Leitungen 10 km lang sind und der Fehler ungefähr in der Mitte der Fl-3
auftritt:
AS: 3,1 IN
AS: 2,4 IN
Abbildung 6-42: Strombeiträge bei Fehlerortvariation für 2- ph. Kurzschluss auf Fl-3 (l1 = l2 = l3 = 10 km)
Alle übrigen Fehlerorte auf den anderen Leitungen führen stets zu größeren Kurzschlussströmen.
Fazit: Der Überstromschutz, wenn er auf den Strom- Wert in 50 ms nach Überstromanregung
anspricht, kann auf den maximal 2,4 –fachen Nennstrom eingestellt werden, dass der Erfolg der AWE
bei 2-ph. Fehlern gewährleistet werden kann. Reagiert er in 25 ms nach Überstromanregung, so kann
er maximal auf den 3,1 –fachen Nennstrom eingestellt werden.
Georg Oberlechner
Seite 65
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
6.6.2.3 Anwendungen des worst case auf lange Leitungen
Wird der Parallelzweig zur dezentralen Einspeisung auf 20 km verlängert, so führt der kritische 3phasige Fehlerfall auf Freileitung Fl-3 zu folgenden Kurzschlussstrombeiträgen des Generators. Die
größten Strombeiträge treten hier in der Phase A und C gleichermaßen stark auf:
AS: 2,6 IN
AS: 1,3 IN
Abbildung 6-43: Strombeiträge vom Asynchrongenerator bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss auf Fl-3
(l1 = l2 = 1 km; l3 = 20 km)
Bei Anbindung der DEA mit einer 20 km langen Leitung treten für dieselbe Fehlervariation folgende
Kurzschlussströme des Generators auf:
AS: 2,3 IN
AS: 1,3 IN
Abbildung 6-44: Strombeiträge vom Asynchrongenerator bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss auf Fl-3
(l1 = 1 km; l2 = 20 km; l3 = 10 km)
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Fazit: Bei Anbindung von 20 km entfernten Verbrauchern bzw. dezentralen Erzeugungsanlagen darf
bei Verwendung eines Überstromschutzes, der erst auf den Strom-Wert in 50 ms nach
Überstromanregung anspricht, der Einstellwert den 1,3-fachen Nennstrom nicht übersteigen. Reagiert
der Schutz bereits 25 ms nach Überstromanregung, so kann er maximal auf den 2,3-fachen Nennstrom
eingestellt werden.
6.6.3 Einspeisung über einen Stromrichter
Das Simulationsmodell, welches den Einsatz eines Stromrichters annähern soll, liefert bei einer
Fehlerortvariation entlang der Freileitung Fl-3 für den 3-phasigen Kurzschluss folgende
Kurzschlussstrombeiträge der DEA (l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km):
Abbildung 6-45: Strombeiträge bei Fehlerortvariation für 3- ph. Kurzschluss auf Fl-3 (l1 = l2 = 1 km; l3 = 10 km)
Fazit: Wie erwartet, kann mit keinen großen Kurzschlussstrombeiträgen des Umrichters gerechnet
werden. Auch für einen schnellen Überstromschutz lässt sich kaum eine vernünftige Einstellung
finden, da der Kurzschlussstrombeitrag zu gering ist, als dass er, als vernünftiges Ausschaltkriterium
herangezogen werden könnte.
6.7 Phasendifferenz beim Wiederzuschalten des Inselnetzes
Sozusagen im Gegenzug zur Gefährdung des Netzschutzes durch eine DEA, kann es auch zu
kritischen Beeinflussungen der dezentralen Energieerzeugung durch die Schalthandlungen der AWE
kommen.
Durch das Auslösen der AWE wird der fehlerbehaftete Netzabschnitt, bestehend aus den örtlichen
Verbrauchern und der DEA, zu einem Inselnetz. Wenn der Anlagenschutz des dezentralen
Kraftwerkes bereits auf den Fehlereintritt reagiert hat, der in Folge nun zum Auslösen der AWE
geführt hat, so sollte die Anlage zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschaltet sein. Spätestens aber sollte
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
der Anlagenschutz auf die Schalthandlung der AWE reagieren und innerhalb 170 ms veranlassen, dass
die DEA ihre Leistungsabgabe einstellt. Sollte aus irgendeinem Grund die dezentrale Anlage dennoch
am Netz bleiben, speist sie im entstandenen Inselnetz die vorhandenen Verbraucher. In Abhängigkeit
des Überschusses bzw. Mangels an elektrischer Energie im entstandenen Teilnetz werden die
Generatoren beschleunigt bzw. gebremst. Somit ändert sich auch entsprechend die Frequenz dieses
Netzes.
Nach einer einstellbaren Pausenzeit der AWE, üblicherweise min. 300 ms bis max. 500 ms, werden
die zwei Netze wieder gekuppelt. Es ist nun durchaus denkbar, dass die Spannungswinkel der beiden
Netze zu diesem Schaltaugenblick nicht mehr in Phase sind, d.h. die wiederkehrende Netzspannung
könnte die dezentralen Generatoren in asynchroner Phasenlage treffen. In Abhängigkeit der Größe der
Phasen- und Spannungsdifferenz muss aufgrund des synchronisierenden Momentes mit hohen
Ausgleichströmen und starken Pendelungen am dezentralen Energieerzeuger gerechnet werden.
6.7.1 Untersuchungsergebnisse
Das Ausmaß dieses möglichen Problems wird am Modell der Synchronmaschine, dargestellt in Abb.
5-4, untersucht. Die Leitungslängen betragen l1 = l2 = 1 km und l3 = 10 km. Die AWE wird durch
einen 3- phasigen Fehler auf Freileitung Fl-3, in 95 % Entfernung von der Sammelschiene SS-3,
ausgelöst. Am Ende dieser Freileitung befindet sich eine ohmsche Last von 500 kW.
Wird von den Synchronmaschinen, mit einer Anlaufzeitkonstante von TJ = 25 s, reine Wirkleistung in
der Größe von 10 % der Nennleistung abgegeben, also jeweils 175 kW, so ist folgendes Verhalten der
Synchronmaschinen zu beobachten:
Abbildung 6-46: Kurzschlussstrombeitrag
Abbildung 6-47: Rotorfrequenz
Georg Oberlechner
Seite 68
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 6-48: Rotorwinkel
Abbildung 6-49: Wirk- und Blindleistungsabgabe
An den relativ hohen Wirkwiderständen der Freileitungen (0,3058 Ω/km) wird auch eine hohe
Wirkleistung umgesetzt. Dies führt bei geringen Einspeiseleistungen zum Abbremsen der
Synchronmaschinen. Das heißt, die Rotorfrequenzen sinken und damit auch die Frequenz im
entstandenen Inselnetz. Der Verlauf der Spannungswinkel an den Sammelschienen SS-3 und SS-2
sind in der folgenden Abbildung dargestellt:
starres Netz
∆ϕ300ms
∆ϕ500ms
Inselnetz
Fehlereintritt
AWE-Auslösung
Abbildung 6-50: Verlauf der Spannungswinkel an SS-3 und SS-2 für P = 0,1 SN und TJ = 25 s
Im Weiteren wird die Leistungsabgabe der Generatoren mit cos ϕ = 1 von P = 0,1 … 1 SN variiert.
Eine Veränderung der Ergebnisse bei Einspeisung von Blindleistung wird nicht erwartet. Da auch die
Dynamik der Generatoren Einfluss auf deren Beschleunigung hat, werden verschiedene Werte für
Anlaufzeitkonstanten von TJ = 5 … 25 s durchvariiert.
Eine Verschiebung der Fehlerentfernung bewirkt nahezu keine Änderung am Simulationsergebnis.
Die in den nachfolgenden Diagrammen dargestellten Winkeldifferenzen repräsentieren den
Unterschied des Spannungswinkels, gemessen an den Sammelschienen SS-3 und SS-2. Die, wenn
auch nur sehr geringe, Winkeldifferenz zwischen den Enden der Freileitung Fl-1 im Normalbetrieb, ist
hierbei bereits berücksichtigt.
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 6-51: Phasendifferenz nach 300 ms in Abhängigkeit von PN und TJ
Abbildung 6-52: Phasendifferenz nach 500 ms in Abhängigkeit von PN und TJ
6.8 Schlussfolgerung
6.8.1 Maßnahmen für eine erfolgreiche AWE
DEA mit Synchronmaschinen
Fasst man die entsprechenden Simulationsergebnisse zusammen, so kann man sagen, dass bei DEA
mit direkter Einspeisung über Synchronmaschinen, welche mit Nennleistung betrieben werden,
sowohl für den Spannungsrückgangsschutz als auch für den Überstromschutz Einstellungen möglich
sind, die ein erfolgreiches und rechtzeitiges Trennen der dezentralen Anlage vom Netz veranlassen, so
dass der Erfolg der AWE gegeben ist.
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Für maximal 10 km lange Freileitungen lässt sich folgendes festhalten:
¾ Der ungünstigere Fall für das Erkennen eines Fehlers durch den Spannungsrückgangsschutz
ist der 2-ph. Kurzschluss. Hier bricht die Spannung im ungünstigsten Fall auf nur knapp
unterhalb von 70 % der Nennspannung ein, so dass der Spannungsrückgangsschutz auf einen
nicht kleineren Wert als 0,7 UN eingestellt werden sollte.
¾ Für den Überstromschutz ungünstigerer Fehlerfall ist der 3-ph. Kurzschluss, da hier der
Anfangskurzschlussstrom bedeutend kleiner ist. Auch der Dauerkurzschlussstrom ist für den
3-ph. Fehlerfall wesentlich geringer als für den 2-ph. Fehlerfall, da beim unsymmetrischen
Fehler im Gegensystem der symmetrischen Komponenten zeitunabhängig mit der
subtransienten Generatorimpedanz zu rechnen ist.
Spricht der Überstromschutz auf den Stromwert in 50 ms nach Überstromanregung an, so darf
er maximal auf den 2,1 – fachen Nennstrom eingestellt werden. Reagiert der Schutz schneller,
und spricht bereits auf den Wert in 25 ms nach Überstromanregung an, so kann er maximal
auf den 2,3 –fachen Nennstrom eingestellt werden.
Für eine maximal 20 km lange Freileitung zum Verbraucher bzw. zur DEA kommt es zu denselben
kritischen Fehlern, die Einstellwerte der Schutzorgane müssen zum Teil aber etwas korrigiert werden:
¾ In Bezug auf die Parametrierung des Spannungsrückgangsschutzes muss lediglich bei
Anbindung von 20 km entfernten dezentralen Erzeugungsanlagen der Einstellwert um 6 %
nach oben korrigiert werden, also auf 0,76 UN
¾ Änderungen betreffend den Überstromschutz müssen keine gemacht werden.
Die Auslösezeit von 170 ms darf in keinem Fall überschritten werden, da man immer vom
ungünstigeren Fall ausgehen muss, dass das Schutzorgan erst bei Inkrafttreten der AWE angeregt
wird.
DEA mit Asynchronmaschinen
Aus den Simulationsergebnissen ist ersichtlich, dass sich zumindest für maximale Leitungslängen von
10 km sowohl für den Spannungsrückgangsschutz als auch für den Überstromschutz Einstellwerte
finden lassen, die jeden möglichen kritischen Fehler für den Erfolg der AWE am Mittelspannungsnetz
erkennen.
Für maximal 10 km lange Freileitungen lässt sich folgendes festhalten:
¾ Der wohl deutlich ungünstigere Fall für den Spannungsrückgangsschutz ist der 2-phasige
Kurzschluss, obwohl der Spannungseinbruch auch hier immer größer als 56 % der
Georg Oberlechner
Seite 71
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Nennspannung ist. Das heißt ein Einstellwert von nicht kleiner als 44 % der Nennspannung
führt zu einem sicheren Erkennen jedes Fehlers durch den Spannungsrückgangsschutz.
¾ Für den Überstromschutz verhält es sich wieder genau anders rum. Hier ist der 3-phasige
Kurzschluss derjenige, bei dem der geringste Kurschlussstrom in der stärksten Phase zu finden
ist. 50 ms nach AWE- bzw. nach Fehlereintritt ist hier nur der 1,5- fache Nennstrom messbar,
so dass dieser als Einstellwert für einen langsamen Schutz nicht überschritten werden soll. Für
die Reaktion auf den Wert in 25 ms wäre auch ein Einstellwert vom 2,9- fache Nennstrom ziel
führend.
Für eine maximale Leitungslänge von 20 km zum Verbraucher bzw. zum dezentralen Erzeuger
ergeben sich auch hier für die kritischen Fehlerfälle geringere Ansprechwerte für die Schutzorgane:
¾ Die Einstellwerte für den Spannungsrückgangsschutz müssen nicht geändert werden
¾ Der Kurzschlussstrom hingegen nimmt in den kritischen Fällen um ca. 10 % ab. In beiden
Fällen dürfte der Überstromschutz welcher auf den Wert in 50 ms nach Überstromanregung
reagiert nicht größer als auf den 1,3-fachen Nennstrom eingestellt werden. Bei Verwendung
des schnelleren Schutzes ist bei der Anbindung eines weit entfernten Verbrauchers ein
maximaler Einstellwert des 2,6-fachen Nennstromes und bei Anbindung der weit entfernten
DEA ein Einstellwert vom maximal 2,3-fachen Nennstrom ziel führend. Man sieht, dass bei
Verwendung eines langsamen Schutzes hier keine vernünftige Schutzeinstellung mehr
möglich ist.
170 ms für die Auslösezeit dürfen wiederum nicht überschritten werden.
DEA mit Einspeisung über Stromrichter
Aus den untersuchten 3-phasigen Kurzschlussfällen ist ersichtlich, dass sich für den Überstromschutz
kaum vernünftige Einstellwerte finden lassen, da der Kurzschlussstrombeitrag zu gering ist, als dass er
als vernünftiges Ausschaltkriterium herangezogen werden könnte.
Der Spannungsrückgangsschutz ist hier demnach wohl die weitaus bessere Wahl, da bei jedem 3phasigen Fehler, die Spannung am Generator um mindestens 85 % einbricht. D.h. eine
Schutzeinstellung, nicht kleiner als 0,15 UN mit einer Auslösezeit von max. 170 ms, führt zumindest
bei einem symmetrischen Fehler zu einem sicheren trennen der DEA von der Fehlerstelle.
Georg Oberlechner
Seite 72
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
6.8.2 Schlussfolgerungen zu Winkeldifferenzen bei Zuschaltung
Die Ergebnisse der Simulationen zeigen, dass sowohl die Höhe der Einspeiseleistung als auch die
Größe der Anlaufzeitkonstante der Maschinen einen großen Einfluss auf eine Winkeldifferenz haben.
Im Hinblick auf die Leistung, führen Einspeisungen mit der vollen Nennleistung als auch geringe
Einspeisungen von 10 % der Nennleistung zu den stärksten Phasendifferenzen; nur, dass für den einen
Fall die Spannung des Inselnetzes vorauseilt, und einmal hinten nach hinkt. Für Einspeiseleistungen
die im Bereich dazwischen liegen, nimmt die Phasendifferenz ab. Die Abhängigkeit von der
Anlaufzeitkonstante der Generatoren macht sich für dynamischere Maschinen (TJ <) in Richtung
größere Phasendifferenz bemerkbar. Je länger die Pausenzeit der AWE und je näher die
Einspeiseleistung in Richtung Nennleistung kommt, umso größer ist der Einfluss dieser Maschinen
mit kleinen Anlaufzeitkonstanten auf die Phasendifferenz.
Dennoch sind die Phasendifferenzen, mit denen insbesondere bei kurzen Pausenzeiten zu rechnen ist,
nicht allzu gravierend. Würden die beiden Netze z.B. für eine Zeit von 300 ms entkoppelt sein, müsste
man maximal mit 25 … 50 ° Phasendifferenz rechnen. Hier kann man also im Allgemeinen durchaus
von Schalthandlungen ausgehen, welche zu keinen kritischen Folgen für die DEA führen. Erst wenn
die Pausenzeit in Richtung 500 ms geht und man Maschinen mit sehr kleinen Anlaufzeitkonstanten
verwendet, kann es durchaus zu kritische Phasendifferenzen von bis zu 120 ° kommen.
Diese Untersuchungen wurden bewusst nur für die Synchronmaschine durchgeführt, da beim
Einspeisen durch Asynchronmaschinen eine Vergrößerung der Phasendifferenz nicht erwartet wird.
Auch die Spannungen klingen bei Verwendung dieser Maschinen schneller ab, so dass es
diesbezüglich nur zu geringeren Problemen kommen kann.
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
7 Gefährdung der Schutzselektivität
7.1 Problembeschreibung
Das üblicherweise offen betriebene Mittelspannungsnetz enthält meist am Anfang eines
strahlförmigen Abgangs einen unabhängigen Überstromzeitschutz (UMZ) der die selektive
Abschaltung, des im Fehlerfall betroffenen Leitungszweiges, veranlasst. Kommen jedoch aber
dezentrale Energieerzeugungsanlagen in zumindest einem der Leitungszweige vor, so können diese
den Fehler in einem Parallelzweig über die Sammelschiene der Umspannstation, und somit auch über
den UMZ- Schutz des Strahls an dem sie angeschlossen sind, speisen. Ist nun der
Kurzschlussstrombeitrag der DEA genügend groß, besteht die Möglichkeit, dass der UMZ- Schutz des
Leitungszweiges mit der DEA anspricht, und aufgrund der fehlenden Richtungsinformation diesen
gesunden Zweig unselektiv abschaltet.
Je nach dem, wo der Fehler im Parallelzweig zur DEA auftritt, kann es zu drei verschiedenen
Reaktionen der Schutzanlagen führen:
HS
MS
UMZ-1
AS
DEA
I k, DEA
UMZ-2
a)
c)
b)
I k, Netz
Abbildung 7-1: Mögliche Gefährdung der Selektivität durch eine dezentrale Einspeisung
a) Tritt der Fehler im Parallelzweig zur DEA nahe an der Sammelschiene auf, d.h. elektrisch
nahe zum dezentralen Erzeuger, so kann die Spannung an den Generatorklemmen so stark
absinken, dass der Anlagenschutz der DEA ausgelöst wird. Er ist im Vergleich zum UMZSchutz viel schneller und schaltet die Anlage ab. UMZ-1 bekommt somit keine Möglichkeit
mehr unselektiv auszulösen.
b) Ist der Fehler so weit entfernt, dass sowohl der Spannungseinbruch als auch der
Kurzschlussstrombeitrag an der DEA zu keinem Auslösen der dort installierten Schutzorgane
führt, und weiters der Kurzschlussstrom der DEA nicht ausreicht um UMZ-1 auszulösen, kann
UMZ-2 selektiv der fehlerbehafteten Netzzweig abtrennen.
Georg Oberlechner
Seite 74
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
c) Zwischen den genannten Bereichen gibt es jedoch Möglichkeiten für eine Fehlerentfernung
bei denen der Anlagenschutz gerade nicht auslöst, wohl aber UMZ-1 angeregt wird. Somit
kann es zu einem unselektiven Trennen des Strahles, in dem die DEA sitzt, kommen.
7.2 Sicherstellung der Selektivität
In Mittelspannungsnetzen wird zur selektiven Abschaltung von Kurzschlüssen am Anfang jedes
Verteilungszweiges ein unabhängiger Überstromzeitschutz, meist ohne Richtungsentscheid, installiert.
Im Falle eines Fehlers spricht jener nun bei Überschreitung des eingestellten Wertes für den
Überstrom an und löst nach einer festen Laufzeit von 0,5 s bis 2 s die Abschaltung des
fehlerbehafteten Strahles aus. Die meisten UMZ-Schutzgeräte ermöglichen zudem die Einstellung
eines Rückfallwertes. Das heißt, wenn das Anregesignal während der Laufzeit unter einen
eingestellten Wert fällt, welcher typischerweise 80 % des Ansprechwertes beträgt, wird kein
Ausschaltkommando erteilt. In Richtung Hochspannungsnetz wird die Selektivität durch zeitliche
Staffelung dieser Schutzgeräte erreicht.
7.3 Mögliche Lösungen
Diesem Problem kann auf mehreren Wegen begegnet werden. So bietet sich zum einen die
Möglichkeit an, in ein erweitertes bzw. neues Schutzsystem zu investieren:
¾ Nachrüsten des UMZ-Schutzes mit Richtungsrelais, die erkennen wohin der Kurzschlussstrom
fließt.
¾ Einsetzen eines Distanzschutzes, der aufgrund von Impedanzgrößen Entscheidungen trifft.
Beide Lösungsvorschläge sind aber teilweise mit einem nicht zu unterschätzenden finanziellen
Aufwand verbunden. Nicht zuletzt deshalb, da beide Methoden das Vorhandensein von
Spannungswandlern benötigen. Besonders für bereits bestehende Verteilstationen bei denen solche
Wandler nicht installiert sind, könnte diesbezüglich ein Platzproblem hinzukommen.
Dass diesem Problem auch ohne Investitionen und den damit verbundenen Unannehmlichkeiten
begegnet werden kann zeigen folgende Ansätze:
¾ Wenn nur ein Strahl im Mittelspannungsabschnitt dezentrale Einspeiser enthält, kann man die
Ansprechzeit des in diesem Zweig installierten UMZ- Schutzes (hier UMZ-1) auf einen
größeren Wert als die der restlichen Schutzgeräte einstellen.
¾ Wenn mehrere Strahlen dezentrale Einspeiser enthalten kann durch geschicktes Abstimmen
des Anlagenschutzes der DEA und des in diesem Abzweig installierten UMZ- Schutzes
erreicht werden, dass sich die oben beschriebenen Abschnitte a) und b) soweit ausdehnen bis
Georg Oberlechner
Seite 75
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
sie sich schließlich überschneiden. Somit kann nun das Auftreten des unselektiven Bereiches
c) vermieden werden.
Die hier zuletzt erwähnte Möglichkeit soll nun weiter analysiert werden um Anhaltswerte für die
Schutzeinstellungen zu bekommen.
7.4 Aufstellen eines geeigneten Simulationsmodells
Die Grundstruktur des Simulationsmodells ist bereits bei der Problembeschreibung in Abb. 7.1
skizziert. Hierbei handelt es sich um ein ähnliches Modell wie bei der AWE-Untersuchung verwendet
wurde. Im Parallelzweig zu einem verbraucherversorgenden Netzstrahl speist die dezentrale
Energieanlage in das Mittelspannungsnetz ein. Auf der Freileitung zum Verbraucher hin wird ein
Fehler angenommen.
Tritt ein Fehler auf, so bricht die Spannung im Netzabschnitt und so auch an den Generatorklemmen
der DEA ein. Von der dezentralen Anlage wird ein dem Spannungseinbruch entsprechend großer
Kurzschlussstrom liefert. Der kritischste Fall für unselektives Auslösen des UMZ-1 ist gegeben, wenn
die Restspannung an den Generatorklemmen bei Verwendung eines Spannungsrückgangsschutzes
bzw. die Höhe des Kurzschlussstrombeitrages bei Einsatz einer Überstromschutzeinrichtung die
Auslösebedingung gerade noch nicht erreicht. Hier wird der größte mögliche Dauerkurzschlussstrom
von der DEA geliefert und so der UMZ-1 am stärksten angeregt.
Wird der Überstromschutz in der dezentralen Anlage verwendet so stellt deren Einstellwert die untere
Grenze
für
die
Parametrierung
des
UMZ-Schutzes
dar.
Bei
Verwendung
des
Spannungsrückgangsschutzes hingegen bedarf es dynamischer Simulationen, in denen der Fehlerort
im Modell so gewählt wird, dass die Restspannung am Anlagenschutz nahezu auf den eingestellten
Wert des Spannungsrückgangsschutzes fällt. Aus den daraus resultierenden Kurzschlussströmen am
Schutzgerät lassen sich rückschliessend geeignete Einstellwerte finden.
Georg Oberlechner
Seite 76
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
7.5 Neplan-Modell mit Synchrongeneratoren
Auch hier wird bei Verwendung von Synchronmaschinen die Simulation in NEPLAN® durchgeführt.
Nachstehendes Modell zeigt die Netzstruktur und die Kenngrößen der Betriebsmittel:
4 St. parallel
Sync.- Gen.
Sr = 1,75 MVA
Ur = 0,69 kV
cosϕ = 0,9
xd = 150 %
x’d = 40 %
x’’d = 20 %
AS
4 St. parallel
20 kV – 0,69 kV
Blocktrafo
SS-1
SS-2
110 kV
20 kV
SS-3
20 kV
FL - 1
UMZ-1
UMZ-2
110 kV Netz
S“k = 2 GVA
110 kV – 20 kV
Verteiltrafo
Sr = 40 MVA
ur = 0,4 %
ux = 11 %
Yy0
Sr = 2,5 MVA
ur = 0,8 %
ux = 5,95 %
Yd5
SS-4
20 kV
FL - 2
Freileitung
Last
Al/St = 95/12
r = 0,3058 Ω/km
x = 0,35 Ω/km
C = 5 nF/km
l1 = 1km
l2 = 10km
PL = 500 kW
Abbildung 7-2: Netzmodell in NEPLAN® mit Synchrongeneratoren zur Überprüfung der Selektivität
7.5.1.1 3- phasiger Kurzschluss
Ein dreiphasiger Kurzschluss auf Fl-2, in 4,5 km Entfernung zur Sammelschiene SS-2, führt binnen
500 ms (schnellste Einstellzeit des UMZ- Schutzes) nach Fehlereintritt zu einem Spannungseinbruch
am Generator von ungefähr 0,7 UN. Der Verlauf dieses Spannungseinbruches und der
Kurzschlussstrombeitrag der DEA kann den folgenden Simulationsergebnissen entnommen werden:
Georg Oberlechner
Seite 77
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
0,7 p.u.
Fehlereintritt
500 ms
Minimale Einstellzeit für UMZ - Schutz
Abbildung 7-3: Spannungsverlauf am Synchrongenerator bei 3- ph. Kurzschluss auf Fl-2 in 4,5 km von SS-2
Fehlereintritt
500 ms
Minimale Einstellzeit für UMZ - Schutz
Abbildung 7-4: Strombeitrag des Synchrongenerators bei 3- ph. Kurzschluss auf Fl-2 in 4,5 km von SS-2
In der nachstehenden Tabelle sind die durch Simulationen gemessenen Ströme, in Abhängigkeit des
Fehlerortes bzw. des Spannungseinbruches am Generator, eingetragen. Diese Ströme dürfen beim
UMZ-1 zu keiner Auslösung führen.
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
UG nach 500 ms [%]
Fehler auf Fl-2 von SS-2 [km]
Ik bei Fehlereintritt [A]
Ik nach 500ms [A]
0,5
2,1
4225 [3,0 IN]
2654 [1,9 IN]
0,55
2,5
4000 [2,9 IN]
2510 [1,8 IN]
0,6
3
3760 [2,7 IN]
2360 [1,7 IN]
0,65
3,6
3521 [2,5 IN]
2215 [1,6 IN]
0,7
4,5
3237 [2,3 IN]
2055 [1,5 IN]
0,75
5,6
2974 [2,1 IN]
1919 [1,4 IN]
0,8
7,4
2671 [1,9 IN]
1780 [1,3 IN]
0,85
10
2390 [1,7 IN]
1667 [1,2 IN]
0,9
15
2090 [1,5 IN]
1566 [1,1 IN]
Tabelle 7-1: Kurzschlussstrom an SS-2 in Abhängigkeit der Restspannung am Synchrongenerator bei
3- ph. Kurzschluss
Aus der obigen Tabelle kann man nun den Kurzschlussstrom in Abhängigkeit des eingestellten Wertes
für den Spannungsrückgangsschutz der DEA entnehmen, mit dem im schlimmsten Fall am
Überstromschutz UMZ-1 zu rechnen ist. Das installierte Schutzrelais sollte also mindestens auf den
jeweiligen Stromwert eingestellt werden, der sich bei der entsprechenden Parametrierung des
Anlagenschutzes ergeben kann.
Aus der Tabelle lassen sich der Kurzschlussstrombeitrag und die Restspannung am Generator über der
Distanz des Fehlers in einem Diagramm festhalten:
Abbildung 7-5: Kurzschlussstrom an SS-2 und Restspannung am Synchrongenerator bei Variation eines
3- ph. Kurzschlusses auf Fl-2
Georg Oberlechner
Seite 79
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Der Strom, mit dem beim dreiphasigen Kurzschluss am Überstromschutz zu rechnen ist, lässt sich als
Funktion des eingestellten Wertes für den Spannungsrückgangsschutz auftragen:
Abbildung 7-6: Kurzschlussstrom an SS-2 bei Variation der Restspannung am Synchrongenerator und
3- ph. Kurzschluss
Wenn das Schutzrelais nach einer Anregung nicht mehr deaktiviert werden kann, so muss sich seine
Parametrierung danach richten, dass die oben dargestellten möglichen Kurzschlussströme zu keinem
anregen des UMZ-Schutzes führen. D.h. der Schutz soll mindestens auf den in Abb. 7-6 in blau
eingezeichneten Wert eingestellt werden. Eine am Anlagenschutz minimal zugelassene Restspannung
von z.B. 0,7 UN, würde so zu einem Einstellwert vom mindestens 2,3-fachen Nennstrom der
dezentralen Anlage führen.
Wäre jedoch das UMZ-Relais mit einem Rückfallwert von 80 % des Ansprechwertes parametriert, so
muss sichergestellt werden, dass der Wert des Stromes in der kürzest möglichen Einstellzeit, also in
500 ms, bereits unter 80 % des Ansprechwertes gefallen ist. Für dasselbe Beispiel, wenn der
Spannungsrückgangsschutz auf den Wert von 0,7 UN eingestellt ist, muss 500 ms nach
Kurzschlusseintritt noch mit einem 1,5-fachen Nennstrom gerechnet werden. Zurückgerechnet auf den
minimalen Ansprechwert ergibt sich für den UMZ-Schutz der minimale Einstellwert von
1,5 ⋅ I n ⋅
100%
= 1,875 ⋅ I n
80%
(7-1)
Der Schutz wird in diesem Fall zwar angeregt, das Anregesignal fällt während der Laufzeit aber unter
den Rückfallwert von 80 % des Ansprechwertes und der Schutz erteilt somit kein
Ausschaltkommando.
Berücksichtigt man den Rückfallwert von 80 % des Ansprechwertes so lässt sich der Einstellwert für
den UMZ-Schutz bei minimaler Laufzeit von 500 ms (wäre die Laufzeit länger, wäre diese Einstellung
Georg Oberlechner
Seite 80
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
eine Absicherung zur sicheren Seite), in Abhängigkeit des eingestellten Wertes für den
Spannungsrückgangsschutzes bei der DEA, aus folgendem Diagramm entnehmen:
Abbildung 7-7: Einstellempfehlung für UMZ- Schutz mit 80 % Rückfallwert in Abhängigkeit der Restspannung
am Synchrongenerator bei 3- ph. Kurzschluss
7.5.1.2 2- phasiger Kurzschluss
Bei der Auswertung der Simulationsergebnisse muss beim 2- phasigen Kurzschluss unter NEPLAN®
wiederum beachtet werden, dass nur Größen des Mitsystems dargestellt werden. D.h. die erhaltenen
Beträge der Ströme müssen noch mit dem Faktor
3 multipliziert werden um auf die gewünschten
Phasenströme zu kommen.
Die aus der Simulation sich ergebenden Spannungs- und Stromverläufe sind ähnlich dem dreiphasigen
Kurzschluss.
Die Ergebnisse der Fehlervariation sind wiederum in einer Tabelle dargestellt:
UG nach 500 ms [%]
Fehler auf Fl-2 von SS-2 [km]
Ik bei Fehlereintritt [A]
Ik nach 500ms [A]
0,60
0,5
5563 [4,0 IN]
4036 [2,9 IN]
0,65
1,0
5196 [3,7 IN]
3760 [2,7 IN]
0,70
1,4
4948 [3,5 IN]
3577 [2,6 IN]
0,75
2,2
4554 [3,3 IN]
3300 [2,4 IN]
0,80
3,0
4257 [3,0 IN]
3109 [2,2 IN]
0,85
4,4
3892 [2,8 IN]
2906 [2,1 IN]
0,90
7,0
3490 [2,5 IN]
2723 [1,9 IN]
Tabelle 7-2: Kurzschlussstrom an SS-2 in Abhängigkeit der Restspannung am Synchrongenerator bei
2- ph. Kurzschluss
Georg Oberlechner
Seite 81
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Man sieht, dass beim zweipoligen Kurzschluss mit wesentlich höheren Dauerkurzschlussströmen
gerechnet werden muss, als beim symmetrischen Fehler.
Der Kurzschlussstrombeitrag und die Restspannung am Generator, aufgetragen über der Distanz des
Fehlers, beinhaltet folgendes Diagramm:
Abbildung 7-8: Kurzschlussstrom an SS-2 und Restspannung am Synchrongenerator bei Variation eines
2- ph. Kurzschlusses auf Fl-2
Der maximale Kurzschlussstrom aufgetragen über die Einstellwerte des Spannungsrückgangsschutzes:
Abbildung 7-9: Kurzschlussstrom an SS-2 bei Variation der Restspannung am Synchrongenerator und
2- ph. Kurzschluss
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Seite 82
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Minimale Einstellwerte für den UMZ-Schutz mit Berücksichtigung des 80 % Rückfallwertes:
Abbildung 7-10: Einstellempfehlung für UMZ- Schutz mit 80 % Rückfallwert in Abhängigkeit der
Restspannung am Synchrongenerator bei 2- ph. Kurzschluss
7.6 Simulink®-Modell mit Asynchrongeneratoren
Bei der Modellierung des Netzes mit der Asynchronmaschine wird wiederum MATLAB® als
Simulationsplattform gewählt. Die Modellierung des Netzes und die Visualisierung der Ergebnisse
zeigen nachstehende Blockdiagramme:
Abbildung 7-11: Koppelplan des Netzmodells in Simulink® mit Asynchrongenerator zur Überprüfung
der Selektivität
Georg Oberlechner
Seite 83
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 7-12: Koppelplan für die Visualisierung der Messgrößen in Simulink®
Im wesendlichen setzt sich dieses Modell aus denselben Komponenten zusammen wie sie in Abschnitt
5.3 beschrieben sind.
7.6.1.1 3- phasiger Kurzschluss
Tritt der 3-ph. Fehler auf Fl-2 in 9,5 km Entfernung zur Sammelschiene SS-2 auf, so bricht die
Spannung in 500 ms auf 0,69 UN zusammen und die Asynchronmaschine liefert hier einen
Dauerkurzschlussstrom von 1,23 IN. Die nachstehenden Simulationsergebnisse beschreiben diesen
Fall:
Abbildung 7-13: Spannungsverlauf am Asynchrongenerator bei 3- ph. Kurzschluss auf Fl-2 in 9,5 km von SS-2
Georg Oberlechner
Seite 84
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 7-14: Strombeitrag des Asynchrongenerators bei 3- ph. Kurzschluss auf Fl-2 in 9,5 km von SS-2
Die Variation des Fehlerortes entlang der Parallelleitung führt zu folgenden Messergebnissen:
Ik bei Fehlereintritt [p.u.]
B
C
ABC
Ik nach 500ms [p.u.]
identisch in allen Phasen
UG nach 500
ms [%]
Fehler auf Fl-2
von SS-2 [km]
A
0,47
4,5
3,17
2,25
3,22
2,97
2,08
0,51
5,2
2,98
2,35
2,97
2,77
1,81
0,58
6,1
2,75
2,22
2,77
2,58
1,58
0,64
7,7
2,45
2,03
2,43
2,30
1,35
0,69
9,5
2,20
1,86
2,25
2,10
1,23
0,72
11,0
2,03
1,76
2,03
1,97
1,14
0,78
15,0
1,75
1,54
1,71
1,66
1,06
0,81
18,0
1,59
1,46
1,59
1,55
1,02
0,84
22,0
1,48
1,35
1,46
1,43
1,00
Tabelle 7-3: Kurzschlussstrom an SS-2 in Abhängigkeit der Restspannung am Asynchrongenerator bei
3- ph. Kurzschluss
Die verketteten Restspannungen der drei Phasen sind in 500 ms nach Fehlereintritt identisch.
Nachstehend ist nun der jeweils größtmögliche Kurzschlussstrom mit dem in einer Phase bei
Fehlereintritt als auch 500 ms nach Fehlereintritt zu rechnen ist, in Zusammenhang mit der
verbleibenden Restspannung in 500 ms eingezeichnet.
Georg Oberlechner
Seite 85
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Abbildung 7-15: Kurzschlussstrom an SS-2 und Restspannung am Asynchrongenerator bei Variation eines
3- ph. Kurzschlusses auf Fl-2
Kurzschlussstrom als Funktion der Restspannung:
Abbildung 7-16: Kurzschlussstrom an SS-2 bei Variation der Restspannung am Asynchrongenerator und
3- ph. Kurzschluss
Georg Oberlechner
Seite 86
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Minimale Einstellempfehlung für den UMZ-Schutz mit Berücksichtigung des 80 % Rückfallwertes:
Abbildung 7-17: Einstellempfehlung für UMZ- Schutz mit 80 % Rückfallwert in Abhängigkeit der
Restspannung am Asynchrongenerator bei 3- ph. Kurzschluss
7.6.1.2 2- phasiger Kurzschluss
Beim 2-phasigen Fehler auf Fl-2 in 9,5 km Entfernung zur Sammelschiene SS-2 ergeben sich folgende
Simulationsergebnisse
für die verketteten Spannungen:
Abbildung 7-18: Restspannung am Asynchrongenerator bei 2- ph. Kurzschluss auf Fl-2 in 9,5 km von SS-2
Georg Oberlechner
Seite 87
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
für die Ströme:
Abbildung 7-19: Strombeitrag des Asynchrongenerators bei 2- ph. Kurzschluss auf Fl-2 in 9,5 km von SS-2
Die Ergebnisse für die Variation des Kurzschlussortes sind in der nachstehenden Tabelle
zusammengefasst:
A
UG nach 500 ms [%]
B
C
Fehler auf Fl-2
von SS-2 [km]
Ik bei Fehlereintritt [p.u.]
A
B
C
ABC
A
Ik nach 500ms [p.u.]
B
C
ABC
0,99
0,49
0,74
3,5
0,92 2,78 1,89 1,86 0,66 1,74 2,39 1,60
0,99
0,53
0,78
4,5
0,77 2,52 1,77 1,69 0,52 1,65 2,17 1,45
0,99
0,59
0,82
6
0,62 2,23 1,63 1,49 0,41 1,54 1,95
0,99
0,62
0,84
7
0,57 2,07 1,55 1,40 0,37 1,48 1,84 1,23
0,99
0,67
0,85
8
0,53 1,94 1,49 1,32 0,35 1,42 1,74 1,17
0,99
0,69
0,87
9,5
0,52 1,79 1,42 1,24 0,35 1,34 1,62 1,10
0,99
0,72
0,88
11
0,53 1,67 1,36 1,19 0,35 1,28 1,52 1,05
0,99
0,78
0,91
15
0,57 1,45 1,24 1,09 0,41 1,17 1,35 0,98
0,99
0,81
0,93
18
0,59 1,34 1,18 1,04 0,47 1,11 1,27 0,95
0,99
0,84
0,94
22
0,63 1,24 1,13 1,00 0,51 1,06 1,20 0,92
Tabelle 7-4: Kurzschlussstrom an SS-2 in Abhängigkeit der Restspannung am Asynchrongenerator bei
2- ph. Kurzschluss
1,3
Georg Oberlechner
Seite 88
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Den Zusammenhang der jeweils kleinstmöglichen Restspannung am Anlagenschutz mit den maximal
zu erwartenden Kurzschlussströmen zu Fehlereintritt und 500 ms danach, beschreibt Abb. 7.20.
Abbildung 7-20: Kurzschlussstrom an SS-2 und Restspannung am Asynchrongenerator bei Variation eines
2- ph. Kurzschlusses auf Fl-2
Kurzschlussstrom als Funktion der Restspannung:
Abbildung 7-21: Kurzschlussstrom an SS-2 bei Variation der Restspannung am Asynchrongenerator und
2- ph. Kurzschluss
Georg Oberlechner
Seite 89
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
Minimale Einstellempfehlung für den UMZ-Schutz mit Berücksichtigung des 80 % Rückfallwertes:
Abbildung 7-22: Einstellempfehlung für UMZ- Schutz mit 80 % Rückfallwert in Abhängigkeit der
Restspannung am Asynchrongenerator bei 2- ph. Kurzschluss
7.7 Schlussfolgerung
Bei Einspeisung mit einer Synchronmaschine muss man für den Einbruch auf dieselbe Restspannung
am Generator beim 2-phasigen Kurzschluss mit dem nahezu 70 % größeren Kurzschlussstrom als
beim 3-phasigen Fehler rechnen – sei es bei Eintritt des Fehlers als auch 500 ms danach.
Die Asynchronmaschine hingegen liefert zwar kurzzeitig beim 3-phasigen Kurzschluss einen um ca.
20 % höheren Anfangskurzschlussstrom als beim 2-phasigen Kurzschluss, klingt aber auch viel
schneller ab. 500 ms nach Fehlereintritt dominiert wieder der 2-phasige Kurzschluss mit etwa 20 %
mehr gegenüber dem symmetrischen Fehler.
Wird nun ein UMZ-Relais mit 80 % Rückfallwert installiert, so soll sich die Einstellung des
Ansprechwertes bei Anbindung einer Synchron- oder Asynchronmaschine nach dem 2-phasigen
Fehlerfall richten. Der minimale Einstellwert kann der entsprechenden Tabelle entnommen werden.
Wenn ein UMZ-Relais verwendet wird, dessen Ausschaltkommando durch keinen Rückfallwert
unterbunden werden kann, so müssen sich die Einstellungen nach den möglichen Kurzschlussströmen
zum Zeitpunkt des Fehlereintrittes richten. Das Schutzrelais darf also bei anormalen Netzzuständen,
die einen vom Anlagenschutz der DEA akzeptierbaren Spannungseinbruch zur Folge haben, erst gar
nicht angeregt werden. In diesem Fall soll sich die Schutzeinstellung bei Ankopplung von
Synchrongeneratoren
nach
dem
2-phasigen
Kurzschlussstrom
und
Asynchrongeneratoren nach dem 3-phasigen Kurzschlussstrom orientieren.
bei
Ankopplung
von
Georg Oberlechner
Seite 90
Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
8 Weitere mögliche Beeinträchtigungen des Schutzes
Im Folgenden sind einige Punkte angeführt, welche im Zuge dieser Arbeit nicht weiter untersucht
wurden, aber durchaus im Zusammenhang mit der dezentralen Einspeisung von Energie und der
Schutzproblematik in den Verteilnetzen von Bedeutung sind.
8.1 Verringerte Kurzschlussleistung
8.1.1
Bedeutung der Kurzschlussleistung
Die Kurzschlussleistung ist ein wesentlicher Planungsparameter für den Bau von elektrischen Netzen.
Ursprünglich war sie als spannungsebenen-unabhängiges Maß für die Beanspruchung der
Betriebsmittel im Kurzschlussfall gedacht. Heute wird sie zudem für die Abschätzung von
Netzrückwirkungen und Planung des Netzschutzes eingesetzt.
8.1.2
Beeinträchtigung der Kurzschlussleistung
Die Kurzschlussleistung in einem Netz wird im Wesentlichen von den in Großkraftwerken
installierten Synchrongeneratoren zur Verfügung gestellt. Es sind diese konventionellen Kraftwerke in
der Lage, einen erheblichen Beitrag zum Kurzschlussstrom über mehrere Sekunden zu liefern [19].
Dezentrale Energieerzeugungsanlagen können diesen Anforderungen nur zum Teil gerecht werden, da
die Einspeisung der elektrischen Energie nicht immer direkt über die rotierende Maschine erfolgt. In
Erzeugungseinheiten mit Einspeisung über Wechselrichtersysteme, wie man sie z.B. in
drehzahlvariablen Windenergieanlagen findet, ist der maximale Strom begrenzt. Solange die volle
Netzspannung anliegt, arbeiten die Wechselrichter gemäß dem Angebot an Primärenergie praktisch
innenwiderstandslos. Bricht die Spannung etwas ein können sie zwar auch geringfügig mehr als ihre
Nennleistung einspeisen, sie begrenzen aber im Allgemeinen ihren Strom, sobald die Spannung
gewisse Werte unterschreitet. Dann liefern sie keinen Strom mehr, was einer unendlich hohen
Innenimpedanz entspricht. Die Stromrichtereinspeisung entspricht daher einem spannungsabhängigen
Quellwiderstand und weist somit eine spannungsabhängige Kurzschlussleistung auf [5].
Bei einem Übertragungsnetz mit überwiegend dezentralen Energieerzeugern bei gleichzeitigem
Rückbau der konventionellen Kraftwerke, als auch bei Inselnetzbildungen mit nur dezentralen
Einspeisern, muss also mit einer verringerten Kurzschlussleistung gerechnet werden.
Georg Oberlechner
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8.1.3
Folgen verringerter Kurzschlussleistung
Schutzeinrichtungen in elektrischen Netzen benötigen für eine ordnungsgemäße Funktion ein
Mindestmaß an Kurzschlussstrom. In üblichen Verteilnetzen führt eine zu geringe Einspeisung von
Kurzschlussstrom bei vielen Schutzeinrichtungen (Überstromschutz, Distanzschutz) zu Problemen, da
diese auf Überstrombasis, zumindest hinsichtlich der Anregefunktion arbeiten. Wenn aber wegen zu
kleiner Kurzschlussströme keine Anregung erfolgen kann, muss auch das bisher bewehrte
Schutzkonzept versagen.
Auch ein sehr wichtiger und zu berücksichtigender Punkt ist der Personenschutz in NS-Netzen [5],
insbesondere wenn DEA in dieses Netz einspeisen. Zum Schutz von Personen ist in der
Niederspannungsebene die Schutzmaßnahme Nullung vorgeschrieben, deren Wirksamkeit auf dem
Auftreten von kontrollierten, genügend großen Fehlerströmen beruht, welche zum raschen und
sicheren Ansprechen der Schutzorgane (i. Allg. Sicherungen) führen. Technisch ist hierfür die erste
Nullungsbedingung maßgebend:
I Fehler =
mit
U Phase !
> I ab = m ⋅ I N , Sicherung
Z Schleife
IFehler
… Strom über die Fehlerstelle
ZSchleife
… Impedanz der Leiter – Erde – Schleife
Iab
… Abschaltstrom der Sicherung
(10-1)
IN, Sicherung … Nennstrom der Sicherung
m
… =5
in Verbraucheranlagen für Schmelzsicherungen und Automaten L bzw. B
= 10 in Verbraucheranlagen für Automaten U bzw. C
Diese Schutzmaßnahme könnte bei Einspeisungen von DEA in der Niederspannungsebene in ein
Inselnetz oder ein Netz mit leistungsschwacher Netzanbindung an die höhere Spannungsebene
gefährdet sein.
8.2 Messprobleme beim Distanzschutz
Die Anregung des Distanzschutzes in Verteilnetzen erfolgt mittels Überstromanregung. Um zu
gewährleisten, dass er auch bei Schwachlast oder Inselbetrieb funktioniert, ist eine entsprechend
empfindliche Anregefunktion nötig.
Ein weiteres Problem kann es bei der Entfernungsmessung (Impedanzmessung) geben. Durch sog.
Zwischeneinspeisungen kommt es zu einer Erhöhung der scheinbaren Fehlerimpedanz und damit zu
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einer Verkürzung der Reichweite. Aufgrund der reichweitenabhängigen Auslösung dieses
Schutzorgans kann es somit zu einer verlängerten Auslösezeit kommen. Greift nun der Reserveschutz
ein, kann es zu einer unselektiven Mehrfachauslösung kommen.
Dieser Problematik kann durch eine detaillierte Netzstruktur, welche keine T- Anbindungen größerer
dezentraler Anlagen beinhaltet, entgegengewirkt werden.
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9 Zusammenfassung
Aus der Vielzahl an durchgeführten Untersuchungen an einem Modellnetz ist nun ersichtlich, dass bei
dezentraler Einspeisung mit Synchrongeneratoren, Asynchrongeneratoren und Stromrichtern durch
geschicktes Parametrieren des Spannungsrückgangsschutzes oder Überstromschutzes jeder mögliche
2- oder 3-phasige Kurzschluss auf einer Freileitung erkannt werden kann. Durch die daraufhin vom
Schutz eingeleitete Abschaltung der DEA wird der Erfolg einer AWE nicht behindert. Wird zudem der
verwendete UMZ-Schutz zur dezentralen Anlage hin auf den Einstellwert des Anlagenschutzes
abgestimmt, so ist auch die Schutzselektivität nicht gefährdet.
Bei direkter Anbindung von dezentralen Synchrongeneratoren oder Asynchrongeneratoren und
Leitungslängen von bis zu je 10 km, kann sowohl der Spannungsrückgangsschutz als auch der
Überstromschutz für einen einwandfreien Netzbetrieb bezüglich AWE-Erfolg und Schutzselektivität
verwendet werden. In einigen Ausnahmefällen, wie bei Einspeisung über Stromrichter oder bei
möglicher Umschaltung der Einspeisung auf einen Generator geringerer Leistung (z.B. bei WKA auf
einen Schwachwindgenerator), sollte die Verwendung des Spannungsrückgangsschutzes jedoch dem
Überstromschutz vorgezogen werden. Auch bei der Einbindung weit entfernter Energieerzeuger und
Versorgung weit entfernter Verbraucher mit Entfernungen von 10 - 20 km von der Verteilerstation,
kann bei Verwendung von Asynchrongeneratoren in Zusammenhang mit einer langsamen
Überstromschutzeinrichtung kein vernünftiger Einstellwert für den Schutz gefunden werden. Bei
Verwendung des Spannungsrückgangsschutzes gibt es diesbezüglich aber keine Probleme.
Fällt die Wahl für den Anlagenschutz nun auf den Spannungsrückgangsschutz so sollte der eingestellte
Wert die entsprechende Empfehlung aus der unten angeführten Tabelle 9.1 nicht unnötig
überschreiten, es sei denn, dass vom Betriebsverhalten der dezentralen Anlage ein frühzeitigeres
Trennen gefordert wird. Aus den gewählten Einstellungen für den Spannungsrückgangsschutz kann
nun mit Hilfe dieser Arbeit die Schutzeinstellung für den zur DEA hin installierten UMZ-Schutz
bestimmt werden.
Wird der Überstromschutz als Anlagenschutz verwendet, so kann entsprechend der benötigten Dauer
für seine Messwertbildung der maximal einzustellende Wert aus der unten angeführten Tabelle 9.1
entnommen werden. Hier sollte darauf geachtet werden, dass kein unbedingt notwendig kleinerer Wert
eingestellt wird. Der Wert des eingestellten Überstromschutzes stellt zugleich den Richtwert für die
Einstellung des UMZ-Schutzes.
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Spannungsrückgangsschutz
Überstromschutz
Reaktion auf den
Wert in 50 ms
Reaktion auf den
Wert in 25 ms
SG
max. 10 km lange FL
min. 0,7 UN
max. 2,1 IN,DEA
max. 2,3 IN,DEA
ASG
max. 10 km lange FL
min. 0,44 UN
max. 1,5 IN,DEA
max. 2,9 IN,DEA
SG
max. 20 km lange FL
min. 0,76 UN
max. 2,1 IN,DEA
max. 2,3 IN,DEA
ASG
max. 20 km lange FL
min. 0,4 UN
nicht möglich
max. 2,3 IN,DEA
Tabelle 9-1: Einstellempfehlungen für den Spannungsrückgangs- und Überstromschutz
Bei dezentraler Einspeisung über Stromrichter ist der Kurzschlussstrom durch die Leistungselektronik
derart begrenzt, dass die Verwendung eines Überstromschutzes keinen Sinn macht. Für den
untersuchten 3-phasigen Kurzschlussfall bricht die Spannung an den Klemmen des Wechselrichters
jedoch sehr stark ein, so dass die Verwendung eines Spannungsrückgangsschutzes hier sinnvoll
erscheint. Für den untersuchten Fehlerfall bei Freileitungslängen von bis zu je 10 km würde bereits ein
minimaler Einstellwert von 0,15 UN für ein sicheres Auslösen reichen.
Die maximale Auslösezeit für den Anlagenschutz von 170 ms soll im Hinblick auf eine erfolgreiche
AWE in keinem der Fälle überschritten werden, da man immer davon ausgehen muss, dass dieser erst
bei Inkrafttreten der AWE angeregt wird.
Eingehende Untersuchungen bezüglich der Möglichkeit eines asynchronen Netzzusammenschlusses
durch die AWE haben gezeigt, dass sowohl die momentane Leistungsabgabe der dezentralen
Erzeugungsanlage als auch die Anlaufzeitkonstanten derer Generatoren großen Einfluss auf das
Entstehen einer Winkeldifferenz zwischen dem Verbundnetz und dem entstandenen Inselnetz haben.
Bei Pausenzeiten der AWE von 300 ms muss mit maximal 25 … 50° Phasendifferenz der Spannungen
gerechnet werden. Beträgt die Pausenzeit jedoch 500 ms und die einspeisenden Generatoren weisen
eine geringe Anlaufzeitkonstante auf, so kann es bei hohem Leistungsüberschuss im Inselnetz
durchaus zu Phasendifferenzen von bis zu 120° kommen. Insbesondere bei kurzen Pausenzeiten kann
man aber nun von Schalthandlungen ausgehen, welche zu keinen kritischen Folgen für die DEA
führen.
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10 Ausblick
Die Schutztechnik, speziell deren Einsatz in den Verteilnetzen, wird unter Berücksichtigung der
derzeitigen Zuwachsraten bei der dezentralen Energieerzeugung in Zukunft sicherlich ein heiß
diskutiertes Thema werden bzw. bleiben.
Die vorliegende Arbeit liefert einen Beitrag um dezentrale netzgekoppelte Erzeugungsanlagen in ein
bestehendes Netzsystem einzubinden ohne die vorhandenen Schutzstrategien negativ zu beeinflussen.
Es wird gezeigt, dass für die untersuchten Fälle keine zusätzlichen Investitionen getätigt werden
müssen, um zu gewährleisten, dass die betroffenen Verteilnetze schutztechnisch „sicher“ bleiben.
Besonders interessant ist das für die bereits bestehenden Erzeugungsanlagen und Netzverteilstationen,
bei denen ansonsten vielleicht zwingende Aus- bzw. Zubauten für Spannungswandler etc.
durchgeführt werden müssten.
Die aktuell Österreichweit gültigen Regeln für die Auslegung des Schutzkonzeptes in den Netzen und
den Erzeugungsanlagen sind in der TOR [21] festgelegt. Die vorliegende Arbeit untermauert zum Teil
diese Anforderungen und gibt zudem auch Aufschluss über bereits berücksichtigte und mögliche
unberücksichtigte Hintergründe. Sie ermöglicht also einen tiefgreifenden Einblick in diese durchaus
komplexe Materie und mag somit für künftige Erweiterungen der Regeln für die Schutzauslegung
hilfreich sein.
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11 Akronyme
Im Text
AMZ
…
Abhängiges Maximalstrom – Zeitrelais
ASG
…
Asynchrongenerator
AWE
…
Automatische Wiedereinschaltung
DEA
…
Dezentrale Energieerzeugungsanlage
ELWOG
…
Elektrizitäts- Wirtschafts- und Organisationsgesetz
Fl
…
Freileitung
HöS
…
Höchstspannung
HS
…
Hochspannung
KS
…
Kurzschluss
KWK
…
Kraft – Wärme – Kopplung
MS
…
Mittelspannung
NS
…
Niederspannung
SG
…
Synchrongenerator
SS
…
Sammelschiene
UCTE
…
Union pour la Coordination du Transport de l’Electricité
UMZ
…
Unabhängiges Maximalstrom – Zeitrelais
WKA
…
Windkraftanlage
In Berechnungen
ϑ
…
Polradwinkel
Ik
…
Kurzschlussstrom
Ik’
…
Übergangs – Stoßkurzschlussstrom
Ik’’
…
Anfangs Stoßkurzschlussstrom
Td’ Td’’
…
transiente bzw. subtransiente Dämpfungszeitkonstante
TJ
…
Anlaufzeitkonstante
TS
…
Zeitkonstante des Gleichstromgliedes
ü
…
Übersetzungsverhältnis
Xd’ , Xq’
…
transiente Längs- bzw. Querreaktanz
Xd’’ , Xq’’
…
subtransiente Längs- bzw. Querreaktanz
…
synchrone Längs- bzw. Querreaktanz
…
Null-, Mit- bzw. Gegensystem in der Darstellung der symmetrischen
Komponenten
Xd , Xq
0
1
2
… , … , …
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12 Literatur
[1]
Happold H., Oeding D.: Elektrische Kraftwerke und Netze. Springer Verlag, 5. Auflage 1978
(Kapitel 13 und 15)
[2]
Fischer R.: Elektrische Maschinen. HANSER, 11.Auflage 2001
[3]
Dany G., Haubrich H.-J.: Schutzkonzepte in Mittelspannungs- Verteilnetzen. ETGFachbericht 71
[4]
Radtke U., Kühn H.: Der Einfluss von Windenergie auf das Verbundnetz
[5]
Fickert L.: Technische Besonderheiten und Schutzproblematik bei der Einbindung dezentraler
Stromerzeugungsanlagen – vom Netz zum Erzeuger und umgekehrt
[6]
E.ON Netz GmbH: Netzanschlussregeln Hoch- und Höchstspannung, August 2003
[7]
Schiebelsberger B., Zimmermann W.: Einsatz dezentraler regenerativer Erzeugung im Mittelund Niederspannungsnetz unter dem Aspekt der Systemführung
[8]
VEÖ – Verband der Elektrizitätswerke Österreichs: Technische und organisatorische Regeln
für Betreiber und Benutzer von Übertragungs- und Verteilnetzen gemäß ELWOG, Teil D4.
Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen mit Verteilnetzen, 2001
[9]
Sakulin M.: Dezentrale Energieerzeugung und Kraftwärmekopplung. Vorlesungsskript TUGraz, 2003
[10]
Fickert L.: Elektrische Energiesysteme 2. Vorlesungsskript TU- Graz, 2002
[11]
Renner H.: Netzregelung und Stabilität. Vorlesungsskript TU- Graz, 2003
[12]
Stiegler H.: Elektrizitätswirtschaft 2 . Vorlesungsskript TU- Graz, 2002
[13]
Todem C.: Aufbringungsoptimierung in geschlossenen und liberalisierten Strommärkten. 7.
Symposium Energieinnovation, Februar 2002
[14]
Stiegler H.: Anforderungen an die Energieinnovation 1. 7. Symposium Energieinnovation,
Februar 2002
[15]
Europäische Kommission: Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen.
Richtlinie, Juli 2001
[16]
Muckenhuber R.: Elektrische Anlagen 3. Vorlesungsskript TU- Graz, 1985
[17]
Richtlinien für die Kurzunterbrechung in Mittelspannungs-Freileitungsnetzen. VDEW, 1956
Georg Oberlechner
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Schutzaspekte bei dezentralen netzgekoppelten Energieerzeugungsanlagen
[18]
Poll J.: Löschung von Erdschlusslichtbögen. Elektrizitätswirtschaft, 1984
[19]
Luther M., Radtke U., Winter W.: Einbindung großer Windleistungen – Systemverhalten und
Maßnahmen zur Erhaltung der Versorgungsqualität im Übertragungsnetz. ETG Fachtagung,
Februar 2003
[20]
Nitsch J., Krewitt W., Langniss O.: Renewable Energy in Europe. Veröffentlichung, 2003
[21]
VEÖ – Verband der Elektrizitätsunternehmen Österreichs: Technische und organisatorische
Regeln für Betreiber und Benutzer von Übertragungs- und Verteilnetzen gemäß ElWOG, Teil
D Besondere technische Regeln, Hauptabschnitt D4 Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen
mit Verteilnetzen, 1. Ausgabe 2001
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