Studie für das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen zum Ausbau und zur Finanzierung von Breitband-Hochleistungsinfrastrukturen in dünn besiedelten Gebieten Autoren: Roman Inderst Jürgen Kühling Karl-Heinz Neumann Martin Peitz Bad Honnef, 1. Juni 2011 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen I Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis IV Tabellenverzeichnis IV Einleitung 5 1 Ökonomische Rahmenbedingungen 6 1.1 Flächendeckungsziele von Breitbandstrategien 6 1.1.1 Breitbandstrategie der Bundesregierung 6 1.1.2 Europäische Ziele der Digitalen Agenda 6 1.1.3 Ökonomische Aspekte von Flächendeckungszielen 7 1.1.4 Fazit 9 1.2 Performance der Netztechnologien 1.2.1 VDSL 9 9 1.2.2 Kabelnetze 10 1.2.3 Funktechnologien 10 1.2.4 FTTB/FTTH 11 1.2.5 Fazit 13 1.3 Heutige Nutzung und heutiger Ausbaustand in Deutschland mit NGA 14 1.3.1 Nutzung von Breitband und NGA 14 1.3.2 Ausbaustand bei bundesweiter Betrachtung 15 1.3.3 Ausbaustand im ländlichen Raum 16 1.3.4 Fazit 17 1.4 Ökonomische Ausbaugrenzen von NGA 18 1.4.1 Investitionskalkül und wesentliche Kostentreiber 18 1.4.2 Beispielhafte Modellrechnungen 20 1.4.2.1 Euroland 20 1.4.2.2 Deutschland 22 1.4.3 Dynamische Aspekte des Ausbaus 25 1.4.4 Fazit 27 2 Rechtliche Rahmenbedingungen 28 2.1 Verfassungsrechtliche Vorgaben und Grenzen des Universaldienstauftrags aus Art. 87 f GG 28 2.1.1 Funktion des verfassungsrechtlichen Universaldienstauftrags nach Art. 87 f Abs. 1 GG 28 II Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 2.1.2 Universaldienstauftrag als Mindeststandard 29 2.1.3 Rechtliche Verbindlichkeit und Adressaten des Universaldienstauftrags 32 2.1.4 Funktionserfüllung des Auftrags unter Wahrung des Wettbewerbsprinzips aus Art. 87 f Abs. 2 GG 33 2.1.5 Verfassungsadäquate Ausgestaltung im geltenden TKG 35 2.1.6 Fazit 36 2.2 Vorgaben aus der Finanzverfassung des Grundgesetzes 2.2.1 Steuerrechtliche Vorgaben 37 37 2.2.1.1 Steuergesetzgebungskompetenz 37 2.2.1.2 Normenklarheit und Bestimmtheit 37 2.2.1.3 Belastungsgleichheit, Art. 3 I GG 38 2.2.2 Vorgaben für Sonderabgaben 38 2.2.2.1 Gefährdungspotential von Sonderabgaben 38 2.2.2.2 Arten von Sonderabgaben 39 2.2.2.3 Anforderungen an die Erhebung von Sonderabgaben 39 2.2.3 Fazit 40 2.3 Kommunalrechtliche Vorgaben, insbesondere Zulässigkeit kommunalwirtschaftlicher Tätigkeit 40 2.3.1 Öffentlicher Zweck 40 2.3.2 Angemessenes Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde 41 2.3.3 Subsidiarität 41 2.3.4 Fazit 41 2.4 Vorgaben des Europäischen Beihilfenrechts 42 2.4.1 Grundsätzliches Verbot staatlicher Beihilfen, Art. 107 I AEUV 42 2.4.2 Tatbestandsausschluss 42 2.4.2.1 „Altmark-Trans“-Kriterien 42 2.4.2.2 „De-minimis“-Beihilfen 44 2.4.3 Genehmigungsfähigkeit nach Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV 45 2.4.3.1 Breitbandnetze 45 2.4.3.2 NGA-Netze 46 2.4.3.3 Ausgestaltung der Maßnahme 47 2.4.4 Fazit 48 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen III 2.5 Vorgaben des Europäischen Telekommunikationsrechts nach der Universaldienstrichtlinie 49 2.5.1 Universaldienstdefinition in der Universaldienstrichtlinie, durch Kommission und COCOM als Mindestversorgung 49 2.5.2 Schranken für weiter reichende Universaldienstmechanismen und hoheitliche gesteuerte Versorgungsmodelle nach URL und COCOM 51 2.5.3 Finanzierungsmechanismus 51 2.5.4 Fazit 52 3 Ergebnisse 53 Literaturverzeichnis 57 IV Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Abbildungsverzeichnis Abbildung 1-1: Der Wert von Flächendeckung bei NGA 8 Abbildung 1-2: Nutzen von Flächendeckung bei NGA (% der Bevölkerung) 9 Abbildung 1-3: Breitbandanschlüsse pro 100 Einwohner in den G7-Staaten und der OECD (in %) 14 Abbildung 1-4: Entwicklung DSL-Anschlüsse nach Bandbreite 2005-2010 (in %) 15 Abbildung 1-5: Entscheidungskalkül für NGA-Investitionen 18 Abbildung 1-6: FTTH-Investitionen in „Euroland“ 21 Abbildung 1-7: Investitionen für den Breitbandausbau in Deutschland pro Home passed (Durchschnitt aller Cluster bei 50% Marktanteil) Abbildung 1-8: Investitionen für den Breitbandausbau in Deutschland pro Home passed (je Cluster) Abbildung 1-9: 23 24 Vergleich von Investitionen und anschließbaren Haushalten nach Clustergruppen in Deutschland 25 Tabellenverzeichnis Tabelle 1-1: Anschlussdichte in „Euroland“* 21 Tabelle 1-2: Clusterbildung anhand der Kundendichte in Deutschland 22 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 5 Einleitung Im ersten Kapitel entwickeln wir die ökonomischen Rahmenbedingungen, die im Zusammenhang mit Flächendeckungszielen von Breitbandstrategien zu beachten sind (dazu 1.). Dieses Papier fokussiert dabei nicht auf eine flächendeckende Versorgung mit der Basisleistung des Breitbandzugangs, d.h. mit Anschlussgeschwindigkeiten von 1 Mbit/s, sondern auf den sog. Next Generation Access (NGA). Die Grundversorgung mit Breitbandzugang steht in Deutschland nahezu flächendeckend zur Verfügung. Insofern stellen sich hier keine weiter gehenden Fragen eines politisch-ökonomischen Handlungsbedarfs. Anders stellt sich dies für den NGA dar. Wir verstehen darunter Anschlussgeschwindigkeiten von mindestens 50 Mbit/s bis hin zu 100 Mbit/s und darüber hinaus. Der Ausbau von NGA schreitet in Deutschland in den Ballungsgebieten bereits voran, im ländlichen Raum stehen Entwicklungen, die zu einer größeren Flächendeckung führen könnten, aber erst am Anfang. Insofern stellen sich hier potenziell zahlreiche ökonomische und politische Fragestellungen. Auf der Basis dieses ersten Kapitels sollen im zweiten Kapitel die rechtlichen Rahmenbedingungen skizziert werden (dazu 2.), die gemeinsam mit den ökonomischen Rahmenbedingungen die Grundlage für die vertiefte Analyse einzelner Finanzierungsinstrumente in Inderst et. al. (2011a) darstellen. 6 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 1 Ökonomische Rahmenbedingungen 1.1 Flächendeckungsziele von Breitbandstrategien 1.1.1 Breitbandstrategie der Bundesregierung Die Breitbandstrategie der Bundesregierung misst dem Flächendeckungsziel bei Breitbandanschlüssen einen hohen Stellenwert zu. Die flächendeckende Versorgung mit der Basisleistung des Breitbandzugangs sollte danach bereits bis Ende 2010 erreicht sein. Dieses Ziel ist auch mit einer Rate von ca. 98,5% nach Angaben im Breitbandatlas nahezu erreicht worden1. Für das nächste Ziel der Breitbandstrategie, die Verfügbarkeit von hochleistungsfähigen Breitbandanschlüssen mit Übertragungsraten von mindestens 50 Mbit/s, wurde zwar zunächst „nur“ bis 2014 eine Vorgabe von 75% der Haushalte avisiert. Doch sollen, so das inzwischen erklärte Ziel, derartige Anschlüsse bis 2018 flächendeckend verfügbar sein. Diese Ziele wurden nach intensiver Diskussion mit der Branche und den Ländern zwar als ambitioniert, aber auch als realisierbar angesehen. Hinsichtlich des letztgenannten Ziels bleibt die deutsche Breitbandstrategie dabei ehrgeiziger als die im Mai 2010 verabschiedete Digitale Agenda der Europäischen Union. 1.1.2 Europäische Ziele der Digitalen Agenda Die im Rahmen der Digitalen Agenda formulierten Breitbandziele sind getragen von gesamtwirtschaftlichen Wachstums- und Innovationszielen einerseits und der Sicherstellung von freiem Zugang zu Inhalten und Diensten anderseits. Hinsichtlich der Netzausbauziele der Breitbandnetze formuliert die Digitale Agenda drei Zielmarken: (1) Bis 2013 sollen alle EU Bürger Zugang zu einer Basisleistung des Breitbandzugangs haben. (2) Bis 2020 soll in der EU flächendeckend für alle EU Bürger eine Zugangsmöglichkeit zu einem schnellen Breitbandzugang mit 30 Mbit/s oder schneller bestehen. (3) Ebenfalls bis 2020 sollen 50% der Haushalte in der EU auch tatsächlich über einen hochleistungsfähigen Breitbandanschluss mit mindestens 100 Mbit/s verfügen. Das dritte Ziel hebt sich insofern von den anderen (und den sonst üblichen) Zielsetzungen dadurch ab, dass es nicht (nur) auf eine Netzzugangsmöglichkeit bzw. Netzabdeckung abstellt. Es ist vielmehr auf das effektive Teilnehmerverhältnis, oder, ökonomisch 1 Statistische Angaben gemäß TÜV Rheinland auf Grundlage des Breitbandatlas der Bundesregierung (www.zukunft-breitband.de). Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 7 formuliert, auf eine faktisch realisierte Nachfrage orientiert. Netzverfügbarkeit und realisierte Nachfrage stehen natürlich in einer engen Beziehung zueinander, die durch die Penetrationsrate oder die „Take-up“-Rate beschrieben wird. 1.1.3 Ökonomische Aspekte von Flächendeckungszielen Es gibt inzwischen eine Reihe von empirischen Untersuchungen, die einen positiven Zusammenhang zwischen der Breitbandpenetration und gesamtwirtschaftlichen Größen wie Produktivität und Wachstum festgestellt haben. Diese Untersuchungen differenzieren in der Regel allerdings nicht nach der Breitbandgeschwindigkeit. Unterstellt man eine über die Zeit steigende Nachfrage nach höherer Geschwindigkeit, dann mag der untersuchte positive Zusammenhang auch zwischen der NGA-Penetration und dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum bestehen. Dies dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit auch von der Verfügbarkeit von Diensten abhängen, die die entsprechenden Bandbreiten benötigen. Es ist zu erwarten, dass sich solche Dienste in Zukunft entwickeln werden, zum jetzigen Zeitpunkt stehen solche Dienste jedoch erst am Anfang ihrer Entwicklung. In einer eher mikroökonomischen Analyse hat Ingenious Consulting (2010) ein internationales Benchmarking zu den Kosten und Nutzen von Hochgeschwindigkeitsnetzen erstellt. Im Vordergrund steht dabei der Trade-off zwischen dem wirtschaftlichen Nutzen von Flächendeckung und der Profitabilität von NGA-Investitionen. Der Nutzen von Flächendeckung wird, wie in Abbildung 1-1 dargestellt, durch den Wert von Produzentenund Konsumentenrente sowie den Wert von Externalitäten abgebildet. Externalitäten werden durch die Fläche oberhalb der Nachfragekurve dargestellt und sind nicht in den privaten Transaktionen zwischen Nachfragern und Anbietern nach NGA-Anschlüssen abgebildet. Positive Externalitäten werden in der Verbesserung des Gesundheitswesens, in der effektiveren Nutzung von Energie, in Produktivitätsgewinnen durch Cloud Computing oder verbesserte Anbindungsmöglichkeiten für geschäftliche Nutzer sowie in der Innovation durch neue Dienste gesehen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass es genauerer Untersuchungen bedarf, um abzuschätzen, inwieweit die genannten Begründungen für Externalitäten bereits von den Marktteilnehmern internalisiert werden. 8 Abbildung 1-1: Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Der Wert von Flächendeckung bei NGA Quelle: Ingenious Consulting Network (2010) Abbildung 1-2 zeigt die Ergebnisse für sieben europäische Länder und für Australien. Für den deutschen Fall etwa sind die Ergebnisse folgendermaßen zu interpretieren: Für eine NGA-Abdeckung von 87% der Bevölkerung gibt es einen positiven gesamtwirtschaftlichen Nettonutzen, ohne dass es dazu der Berücksichtigung von Externalitäten bedarf. Allerdings gibt es nur für 21% der Bevölkerung einen profitablen Netzausbau, signalisiert durch eine positiven Gewinn für den (oder die) Netzbetreiber. Die Studie lässt offen, ob und inwieweit es möglich ist, Mechanismen zu finden, mit denen die Netzbetreiber die Zahlungsbereitschaft der Endnutzer abschöpfen können, um die potenzielle Profitabilitätsgrenze von 87% zu erreichen. Soll die Abdeckung der restlichen 13% der Bevölkerung gesamtwirtschaftlich sinnvoll sein, bedarf es dazu der Existenz (relevanter) Externalitäten. Neben Belgien und UK ist in dieser Studie Deutschland das Land mit dem höchsten positiven Nettonutzen der Flächendeckung. Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist zu beachten, dass die zugrundeliegenden Annahmen bei jedem einzelnen Land hinterfragt werden können und deshalb einer regelmäßigen Prüfung bedürfen. Eine Robustheitsüberprüfung kann desweiteren klären, wie belastbar die erzielten Ergebnisse sind. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Abbildung 1-2: 9 Nutzen von Flächendeckung bei NGA (% der Bevölkerung) Quelle: Meek (2010) 1.1.4 Fazit Flächendeckungsziele haben in der deutschen und der europäischen Breitbandstrategie generell einen hohen Stellenwert. Um die volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit von anspruchsvollen Flächendeckungszielen zu untersuchen, sind detaillierte KostenNutzen-Analysen erforderlich. Vorliegende erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass gesamtwirtschaftliche Produktivitätsverbesserungen und Innovationspotentiale in Verbindung mit einer hohen Verbreitung von Hochleistungsnetzen bestehen (Netzwerkeffekte), so dass Flächendeckungsziele durchaus auch aus rein volkswirtschaftlicher Perspektive gerechtfertigt sein können. 1.2 Performance der Netztechnologien 1.2.1 VDSL Bei Einsatz von VDSL wird die Glasfaserleitung bis zum KVZ geführt bzw. ein VDSLProdukt im Umkreis eines mit Glasfaser angebundenen HVt angeboten. Für das DropSegment des Netzes vom KVZ bis zum Endkunden wird weiterhin die bestehende Kupferleitung genutzt. Die übertragungstechnische Performance von VDSL ist damit insbesondere auch durch die Performance des Kupferanschlussnetzes bestimmt. Neben der Leitungsqualität selbst entscheidet die Länge der Sub-Loop (Entfernung vom Endkunden zum VDSL-DSLAM im KVZ oder HVT) über die realisierbare Übertragungsgeschwindigkeit. Auch wenn VDSL übertragungstechnisch eine Anschlussgeschwindigkeit von 50 Mbit/s leisten kann, sinkt diese Geschwindigkeit mit der Entfernung zum Netz- 10 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen knoten. Bei Längen bis zu 500 m ist für einen Teil der Anschlussleitungen eine Performance von 50 Mbit/s down- und 20 Mbit/s upstream und somit eine Leistung innerhalb der Ziele der Breitbandstrategie realisierbar, darüber hinaus nicht mehr. Dabei ist die garantierbare Leistung abhängig von der Zahl der tatsächlichen Nutzer, die gleichzeitig auf den Dienst zugreift. 1.2.2 Kabelnetze Durch Kanalbündelung können in Kabelnetzen, die auf DOCSIS 3.0 aufgerüstet sind, Übertragungsgeschwindigkeiten von 160 Mbit/s downstream sowie 120 Mbit/s upstream (und mehr) für die Kunden realisiert werden, die an einem Koax-Strang hängen. Die Bandbreite, die für den einzelnen Nutzer zur Verfügung steht, hängt hierbei von der Zahl der Nutzer am jeweiligen Strang des Netzes sowie der zeitlichen Verteilung ihres Nutzungsverhaltens ab. An einem aktiven Glasfaserknoten des Kabelnetzes können jeweils mehrere Koax-Stränge verwaltet werden. Allerdings kommen in ihrer Wirkung vergleichbare Einwände streng genommen auch bei den meisten anderen leitungsgebundenen Technologien mit Ausnahme bestimmter Varianten der leistungsstärksten Technologie FTTH zum Tragen. Kabelnetze sind somit in jedem Fall für einen bestimmten Marktanteil NGA-fähig, darüber hinaus jedoch verschlechtert sich die Qualität und Performance. Allerdings beabsichtigen die Kabelnetzbetreiber ihr Netz weiter in Richtung FTTB, vereinzelt sogar zu FTTH auszubauen oder die Zellen zu verkleinern, um den Performanceverlust auszugleichen bzw. die Performance zu steigern. Dies ist ein durchaus relevantes Entwicklungsszenario für Kabelnetze. 1.2.3 Funktechnologien Mobilfunktechnologien der heute implementierten 3. Generation (UMTS, HSPA, WiMAX I) erreichen bereits heute eine (theoretische) Bandbreite von mehreren Mbit/s je Nutzer. Technologien der 4. Generation (HSPA+, WiMAX II, LTE, LTE Advanced) werden die Datenraten im Mobilfunk weiter steigern. Für LTE zeichnen sich sogar Datenraten von 100 Mbit/s und mehr ab. Auch Mobilfunksysteme können diese Datenraten jedoch immer nur für alle Nutzer innerhalb einer Funkzelle gemeinsam anbieten. Das heißt, alle Nutzer, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Funkzelle befinden, teilen sich die Bandbreite des Systems. Weder physikalisch noch wirtschaftlich lassen sich Funkzellen beliebig verkleinern, um sie für eine geringe Anzahl von Nutzern zu optimieren. Gleichwohl kann technischer Fortschritt in der Zukunft auch hier zur Leistungsverbesserungen führen. Hinzu kommt, dass das den Betreibern zur Verfügung stehende Funkspektrum eine knappe Ressource ist und die effektiv zur Verfügung stehende Kapazität im relevanten Bereich weiter begrenzt. Aus diesen Faktoren ergeben sich zwangsläufig Obergrenzen der Bandbreite in Mobilfunksystemen, die auch künftig signifikant unter denen der leitungsgebundenen Systeme liegen. Viele Analysen, die die nutzerspezifische Bandbreite von LTE in einem Netzkontext berechnen, stellen fest, Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 11 dass diese leistungsstärkste Mobilfunktechnologie heute bereits Bandbreiten von bis zu 10 Mbit/s für den einzelnen Endnutzer bereit stellen kann. Damit wird bereits eine gehobene Basisbreitbandversorgung unterstützt. Eine potentiell noch höhere Bandbreite als mobile Funksysteme leisten stationäre Funksysteme wie WLAN, WiMAX und Richtfunk. Die theoretischen Bandbreiten von WLAN-Systemen betragen bis zu 600 Mbit/s, die sich wiederum eine Gruppe von Nutzern teilt. Kommerzielle Angebote setzen den Anschluss von 20 bis 30 Nutzern voraus. Typische Netzgrößen liegen bei 200 bis 300 Haushalten. Auf dieser Basis lassen sich derzeit Bandbreiten für eine gehobene Basisbreitbandversorgung realisieren. WLAN hat sich in Deutschland allerdings nicht großflächig durchgesetzt. Ähnliches gilt für WiMAXLösungen. Nach Schätzungen des WIK liegt die Abdeckung mit stationären Funklösungen bei 1 bis 2% der Bevölkerung. 1.2.4 FTTB/FTTH Die höchsten Bandbreiten werden in Anschlussnetzen bereitgestellt, bei denen die Glasfaser bis in die Wohnung des Endkunden geführt wird. Diese FTTH-Netze sind besonders leistungsstark und zukunftssicher in dem Sinne, dass das passive (im Boden liegende) Netz voraussichtlich im Rahmen seiner 20- bis 50-jährigen Lebensdauer nicht mehr verändert bzw. aufgerüstet werden muss, um auch künftigem Kapazitätsbedarf gerecht zu werden. Ein Bedarf nach Leistungssteigerung kann dann in diesen Netzen durch Austausch der aktiven Technik des Netzes erreicht werden, deren Lebensdauer sowieso auf fünf bis acht Jahre beschränkt ist. FTTH-Netze können in unterschiedlichen Architekturen ausgebaut werden.2 Die beiden in Europa bedeutendsten Architekturen sind Ethernet Point-to-Point (P2P) und GPON. Bei einer P2P-Architektur wird eine dedizierte Glasfaser vom zentralen Netzknoten (Metropolitan Point of Presence (MPoP)) bis zur Wohnung jedes Endkunden geführt. Die gesamte Kapazität der Glasfaser steht, nur durch die Leistungsfähigkeit der Elektronik begrenzt, uneingeschränkt dem jeweiligen Endkunden zur Verfügung und leistet auf der Anschlussleitung Bandbreiten von 100 Mbit/s und mehr. Diese Architektur ist damit besonders offen für künftiges Wachstum des Bandbreitenbedarfs. Unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten weist diese Technologie darüber hinaus den besonderen Vorteil auf, auf Ebene des MPoP entbündelt werden zu können, ähnlich wie die Entbündelung der Kupferanschlussleitung. Wettbewerber haben dadurch die Möglichkeit, die gesamte Leistungsfähigkeit einer Glasfaserleitung restriktionsfrei für sich in Anspruch zu nehmen. Bei der GPON-Technologie ist das passive Netz in einer Point-to-Multipoint-Architektur ausgelegt. Hierbei wird der Verkehr einer Gruppe von Teilnehmern an einem optischen Splitter zwischen MPoP und Endkunden auf eine einzige Glasfaser konzentriert. Diese Glasfaser führt den Verkehr dann gebündelt zum zentralen Netzknoten (MPoP). Bei 2 Vgl. hierzu Hoernig et al. (2010). 12 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen dieser Architektur verfügt der einzelne Endkunde nur bis zum Splitter über eine dedizierte Glasfaser, dann muss er sich eine Glasfaser mit bis zu 128 anderen Kunden teilen. Insofern stellt auch diese Technologie ein Shared Medium dar. Während bei einer P2P-Architektur symmetrische Bandbreiten für jeden einzelnen Nutzer im Gbps-Bereich angeboten werden können, gibt es bei GPON-Architekturen deutlichere Begrenzungen. GPON-Systeme leisten heute eine Downstream-Bandbreite von 2,5 Gbit/s und eine Upstream-Bandbreite von 1,25 Gbit/s. Diese Bandbreite müssen sich alle an den gleichen Splitter angebundenen Endkunden teilen. Im Falle von 64 Endkunden sind dies im Durchschnitt 40 bzw. 20 Mbit/s. Bei asymmetrischer Verteilung der Nutzungsnachfrage über die Zeit kann die effektive Bandbreite für den einzelnen Kunden natürlich größer sein. Im Vergleich zu P2P sind die wettbewerblichen Zugangsmöglichkeiten bei GPON deutlich wettbewerbsunfreundlicher. Ein Zugang, der die physikalisch unbegrenzte Nutzung der Glasfaser ermöglicht, ist hier nur bei Zugang am optischen Splitter möglich. Dies ist zwar technisch möglich, allerdings zu einem höheren Aufwand als die Entbündelung am MPoP. Die weitaus wichtigere Einschränkung ergibt sich aber daraus, dass Wettbewerber bei Nutzung des Zugangs an jedem einzelnen Splitter das eigene Glasfasernetz wesentlich näher zum Endkunden ausbauen müssen. Dies erhöht die Markteintrittsbarrieren signifikant und lässt diese Zugangsmöglichkeit wirtschaftlich unbedeutsam werden. Zugang ist bei GPON-Technologien daher im Prinzip nur über Bitstrom-Zugang möglich mit allen Einschränkungen auf der Ebene der Dienstegestaltung. Nur kurz angerissen werden kann hier, dass es auch GPON-Varianten gibt, die einige der Restriktionen der GPON-Technologie zumindest partiell überwinden. Bei einer Variante wird die GPON-Elektronik auf eine P2P-Architektur des passiven Netzes implementiert. Durch diese hybride Architektur können die Vorteile von GPON und P2P kombiniert werden. In der Entwicklung befindet sich die Implementierung der WDM-Technologie für das Access-Netz. Hierbei erhält jeder Kunde eine dedizierte Wellenlänge („Farbe“) auf einer gemeinschaftlich genutzten Glasfaser. Damit stehen dem einzelnen Endkunden Bandbreiten ähnlich restriktionsfrei wie bei der P2P-Ethernet-Technologie zur Verfügung. Außerdem können bei dieser Architektur erhebliche Mengen an Glasfaser und auch Netzknoten eingespart werden. Berücksichtigt man die möglichen Wettbewerbsmodelle auf diesen Architekturen, hat die genannte Studie noch eine Fülle von gesamtwirtschaftlich relevanten Bewertungsergebnissen generiert: (1) Architekturen, die entbündelungsfähig sind, generieren eine größere gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt und einen höheren Konsumentennutzen. (2) Ein Ethernet-P2P-Netz erfordert zwar etwa 10% höhere Investitionskosten als ein GPON basiertes FTTH-Netz. Diese Nachteile können jedoch durch die Vor- Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 13 teile im Wettbewerb aufgewogen werden, so dass sich insgesamt ein höherer gesamtwirtschaftlicher Nutzen ergibt. Bei einer FTTB-Architektur wird die Glasfaser nur bis ins Haus geführt. Innerhalb des Hauses wird das vorhandene Kupfer- oder Koax-Netz weiter mitgenutzt. Für jedes Gebäude wird dadurch im Prinzip nur eine Glasfaser erforderlich. Gleichwohl kann FTTB sowohl auf Basis einer P2P- oder einer Point-to-Multipoint-Architektur errichtet werden. Im letzteren Fall wird eine GPON-Technologie erforderlich. Größere Flexibilität bietet auch hier die P2P-Architektur. Ein FTTB-Netz weist mehrere Restriktionen auf. Zunächst ist die maximale Kapazität für jeden Nutzer beschränkt durch die in das Haus geführte (Gesamt-)Bandbreite. Darüber hinaus ergeben sich Restriktionen durch die Zahl der Kunden innerhalb eines Gebäudes sowie die Leistungsfähigkeit der InHausverkabelung. Bei typischen Verteilungen werden durch FTTB Bandbreiten zwischen 50 und 100 Mbit/s möglich. Begrenzungen gibt es auch hinsichtlich der Symmetrie der zur Verfügung stehenden Bandbreiten. 1.2.5 Fazit Grundsätzlich können mehrere Netztechnologien zu einer Versorgung mit 50 Mbit/s oder mehr beitragen. Hierzu zählen FTTB/H-Netze, Kabelnetze und die VDSLTechnologie. Allerdings bestehen deutliche Unterschiede in der Leistungsfähigkeit. Die derzeit leistungsstärkste Netztechnologie ist ein FTTH-Netz. Als besonders zukunftssicher sind hier P2P-Architekturen einzuschätzen, da sie Performance-Steigerungen ohne (aufwändige) Veränderung im passiven Netz, sondern ausschließlich durch Aufrüstung der aktiven Technik realisieren können. Dies ist wohlgemerkt nur die PerformanceBetrachtung der Technologie. Damit sind keine Bewertungen zu Kosten, Bedarf, Nachfrage und deren Zeitstruktur verbunden. Zu beachten ist ferner, dass der Aufbau einer großräumig verfügbaren FTTB/H-Infrastruktur mindestens ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen würde. Der Bedarf nach großflächiger Verfügbarkeit derartiger Bandbreiten wird sich im Übrigen erst allmählich über die Zeit aufbauen. Auch Kabel- und FTTB-Netze sind NGA-fähig, das heißt sie stellen Bandbreiten von mindestens 50 Mbit/s bereit. Allerdings sind insbesondere die Kabelnetze in ihrer heutigen Form dies nur mit gewissen Einschränkungen. Mit der Steigerung des Bandbreitenbedarfs und der Zahl der Nutzer, die gleichzeitig Hochgeschwindigkeitsleistungen nachfragen, müssen diese Netze auch in ihrem passiven Teil weiter aufgerüstet werden. An der Grenze und in Abhängigkeit von der relativen Marktgröße, die diese Netze abdecken, können und müssten Kabelnetze dann zu FTTB- oder FTTH-Netzen migrieren. Dies definiert natürlich auch eine gewisse Flexibilität dieser Netzarchitekturen. VDSL ist hingegen nur eingeschränkt als NGA-fähig einzustufen, da nur ein Teil der Haushalte damit in Ausbaugebieten eine Bandbreite von mindestens 50 Mbit/s nutzen können. Funktechnologien sind in ihrer heutigen technischen Ausprägung noch nicht als NGA-fähig einzuschätzen. 14 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 1.3 Heutige Nutzung und heutiger Ausbaustand in Deutschland mit NGA 1.3.1 Nutzung von Breitband und NGA Deutschland zählt in europaweiter und weltweiter Betrachtung zu den Ländern mit einer hohen Breitbandpenetrationsrate. Bezogen auf Einwohner liegt die Penetrationsrate inzwischen bei 31,3% und damit deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 24,2% (Juni 2010). Deutschland hatte hier in den letzten fünf Jahren ein deutlich höheres Wachstum zu verzeichnen als andere Industrieländer. Der ganz überwiegende Teil der realisierten Nachfrage entfällt dabei auf Anschlüsse unterhalb der NGA-Geschwindigkeit der Breitbandstrategie. Nach Erhebungen des VATM (siehe Abbildung 1-4) wiesen 2010 nur 1% der DSL-Anschlüsse Geschwindigkeiten über 50 Mbit/s auf. 7% der DSL-Anschlüsse hatten (theoretische) Downloadgeschwindigkeiten von 16-50 Mbit/s. Im Vergleich mit der heutigen, deutlich höheren Verfügbarkeit (s. Abschnitt 1.3.2) deuten diese Zahlen darauf hin, dass derzeit noch keine signifikante Nachfrage nach Anschlüssen mit sehr hohen Geschwindigkeiten besteht. Abbildung 1-3: 40 Breitbandanschlüsse pro 100 Einwohner in den G7-Staaten und der OECD (in %) OECD Fixed (wired) broadband subscriptions per 100 inhabitants, by technology, June 2010 DSL Cable Fibre/LAN Other 35 30 OECD average 25 20 15 10 5 N et he rl a D nds Sw enm i tz a r er k la nd Ko r N ea Lu or x e wa m y bo u Ic rg el Sw and ed e Fr n an G c U ni erm e te an d Ki y ng d C om an ad U Be a ni lg te iu d m St at es Fi nl an d N ew J a Ze pan al a Au nd st ra Au li a st ria Sp ai n Ita ly Ire la Po n d rtu g G al re ec C H ze un e ch ga r R ep y ub Sl ov P li c a k ol a R nd ep ub lic C hi M le ex ic Tu o rk ey 0 Source: OECD Quelle: BMWi (2010) Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Abbildung 1-4: 15 Entwicklung DSL-Anschlüsse nach Bandbreite 2005-2010 (in %) Quelle: VATM (2010) 1.3.2 Ausbaustand bei bundesweiter Betrachtung Bei der vorliegenden Untersuchung geht es jedoch jenseits der realisierten Nachfrage vor allem um die Verfügbarkeit, d. h. die Angebotsseite von NGA. Nach den Erhebungen zum Breitbandatlas waren Ende 2010 bereits rund 36% der Haushalte in Deutschland mit Bandbreiten von mindestens 50 Mbit/s versorgbar. Die DTAG hat ihr VDSL-Netz zunächst in Ballungsgebieten ausgebaut. In den ausgebauten 50 Städten können ca. 11 Mio. Anschlüsse mit VDSL erreicht werden. In den letzten zwei Jahren hat die DTAG VDSL-DSLAMs auch außerhalb von Ballungsgebieten in Hauptverteilerstandorten und in einzelnen KVZ-Bereichen installiert. Anders als im Rahmen der Ausbaustrategie in den Ballungsgebieten können damit Anschlussbereiche nicht flächendeckend in den jeweiligen Ausbaugebieten mit VDSLGeschwindigkeit (oberhalb von 16 Mbit/s) erreicht werden, sondern immer nur solche Anschlüsse, deren Leitungslänge eine bestimmte Entfernung zwischen Endkunden und Hauptverteiler nicht übersteigt. Das WIK schätzt, dass mit diesen Direktanschlüssen am HVt derzeit bis zu 1 Mio. weitere Anschlüsse mit VDSL erreicht werden können. Auch einige alternative Betreiber haben primär außerhalb von Ballungsgebieten VDSLAnschlussmöglichkeiten geschaffen. Wir schätzen den Umfang dieser Aufrüstungen auf ca. 0,5 Mio. Anschlüsse. Weitere systematische Ausbauaktivitäten von VSDL durch die DTAG oder durch alternative Betreiber sind in Deutschland nicht erkennbar. 16 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Die Aufrüstung der Kabelnetze auf DOCSIS 3.0 und Breitbandgeschwindigkeiten von (bis zu) 100 Mbit/s sind unterschiedlich weit fortgeschritten. Während Kabel BW diese Aufrüstung bereits für 99% seiner Anschlüsse geleistet hat, hat der größte Kabelbetreiber Kabel Deutschland bis Ende 2010 erst einen Aufrüstungsgrad von 25% seiner Anschlüsse erreicht.3 Rechnet man diese Anteile auf die gesamte Kabelbranche hoch, kann man davon ausgehen, dass derzeit ca. 9 Mio. oder ca. 45% der 20 Mio. Kabelanschlüsse in Deutschland als (potentiell) NGA-fähig bewertet werden können.4 Nach den Bekundungen der Kabelnetzbetreiber soll eine vollständige Aufrüstung nahezu aller Kabelanschlüsse bis 2013 erreicht sein. Ganz am Anfang steht in Deutschland die Entwicklung mit hochleistungsfähigen FTTB/H-Anschlüssen. In größerem Umfang wird FTTB derzeit von NetCologne in Köln und von M-Net in München ausgebaut. Einige andere Regionalcarrier haben kleinere Anschlussgebiete mit FTTB erschlossen. In Summe sind durch diese Carrier Anschlüsse von 0,25 bis 0,5 Mio. im Sinne von Homes passed erschlossen. Der Aufbau von FTTH-Netzen hat in Deutschland den Status von Pilotprojekten (noch) nicht verlassen. Carrier wie HLKom, Hansenet, Helinet, EWETel und andere werden bislang FTTHAnschlüsse in einer Größenordnung von nicht mehr als 0,25 Mio. erschlossen haben. Im Frühjahr 2010 hatte die DTAG angekündigt, bis 2012 10% aller Anschlüsse in Deutschland auf FTTH auszubauen. Dies wären ca. 4 Mio. Anschlüsse gewesen. Es sind jedoch derzeit keine „Roll-out“-Aktivitäten der DTAG in dieser Richtung zu beobachten. Sie betreibt derzeit nur zwei Pilotprojekte in Dresden und Berlin-Hennigsdorf. Berücksichtigt man übliche „Roll-out“-Zeiten, kann das genannte Ausbauziel nicht mehr erreicht werden. Nach dem derzeitigen Ankündigungsstand will die DTAG nun bis Ende 2011 160.000 FTTH-Anschlüsse realisiert haben. 1.3.3 Ausbaustand im ländlichen Raum Die Abgrenzung zwischen Ballungsgebiet und ländlichen Raum soll hier nach dem Kriterium der Bevölkerungs- oder Anschlussdichte erfolgen5. Demzufolge ist annäherungsweise davon auszugehen, dass eine Hälfte der Anschlüsse auf Ballungsgebiete entfällt und die andere Hälfte dem ländlichen Raum zuzurechnen ist. Für diese Abgrenzung soll im Folgenden ermittelt werden, welcher Abdeckungsgrad heute mit NGAfähigen Anschlüssen im ländlichen Raum besteht. Bei großzügiger Zurechnung kann man bis zu 1 Mio. der vom VDSL-Netz der DTAG erreichbaren Anschlüsse dem ländlichen Raum zurechnen, wenn man alle nicht in der ursprünglichen Abdeckung für VDSL in Ballungsgebieten errichteten potentiellen Anschlüsse entsprechend zurechnet. Die von alternativen Betreibern errichteten VDSLAnschlüsse sind primär im hier großräumig abgegrenzten ländlichen Raum angesiedelt. 3 Vgl. hierzu Stamm (2010). 4 Wir verweisen auf die weiter oben angeführte Qualifizierung dieser Aussage. 5 Bei bekannter Verteilung der Anschlussdichten lassen sich diese Zusammenhänge natürlich wesentlich filigraner darstellen. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 17 Damit sind im Maximum heute 1,5 Mio. oder etwa 10% aller (im Sinne von homes passed) potentiellen VDSL-Anschlüsse dem ländlichen Raum zuzurechnen. Kabelanschlüsse sind in Deutschland primär in Städten errichtet, allerdings z. T. auch in den Kernbereichen ländlicher Ortschaften zu finden; im Bundesdurchschnitt verfügt etwa jeder zweite Haushalt über einen Kabelanschluss. Es ist davon auszugehen, dass die Aufrüstung der Kabelnetze in Ballungsgebieten weiter vorangeschritten ist als im ländlichen Raum. Nahezu alle bislang errichteten FTTB/H-Anschlüsse sind in Ballungsgebieten errichtet. Im ländlichen Raum gibt es nur einige kleinere FTTB/H-Projekte, die in der Gesamtbilanz eher unbedeutend sind. Ebenso wie für Ballungsgebiete lassen sich die mit VDSL und Kabel aufgerüsteten Anschlüsse nicht addieren, um Rückschlüsse über die Bevölkerungsabdeckung zu erreichen. Es steht eher zu erwarten, dass Kabel gerade dort aufgerüstet ist, wo auch Zugang zu VDSL besteht.6 Für die versorgten Haushalte bedeutet dies natürlich, dass sie eine wettbewerbliche Auswahl zwischen verschiedenen Anbietern mit Netzen unterschiedlicher komparativer Vorteile haben. Die gesamtwirtschaftliche Netzabdeckung mit NGA ist jedoch entsprechend geringer. Im Ergebnis gilt, dass der NGA-Ausbau, soweit er in Deutschland stattfindet, sich bisher weitestgehend auf die Ballungsgebiete konzentriert. NGA-Investitionen im ländlichen Raum stellen bisher eher singuläre investive Einzelmaßnahmen dar oder erfolgen zur Arrondierung von Ausbaugebieten. Dieses Investitionsverhalten folgt weitgehend der ökonomischen Logik der unterschiedlichen Profitabilität des Ausbaus (siehe hierzu Abschnitt 1.4). NGA-Anschlüsse im ländlichen Raum erfordern wesentlich höhere Investitionen als in Ballungsgebieten, ohne dass dort eine entsprechend höhere Zahlungsbereitschaft der Nutzer vorliegt. 1.3.4 Fazit Mit dem hohen Ausbaugrad von VDSL und den auf DOCSIS 3.0 aufgerüsteten Kabelnetzen wird in Deutschland in zwei bis drei Jahren eine hohe Netzverfügbarkeit mit Breitbandanschlüssen mittlerer Geschwindigkeit (20 – 50 Mbit/s) in den Ballungsgebieten gegeben sein. Im ländlichen Raum (50% der Anschlüsse) wird die Verfügbarkeit dieser Anschlüsse deutlich niedriger liegen. 6 Es kann natürlich auch sein, dass die Wettbewerbsrichtung genau umgekehrt gewesen sein mag. Der hier betrachtete Effekt ist derselbe. 18 1.4 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Ökonomische Ausbaugrenzen von NGA 1.4.1 Investitionskalkül und wesentliche Kostentreiber Ein gewinnorientiertes Unternehmen wird Investitionen in NGA-Netze nur dann tätigen, wenn es erwartet, damit einen Gewinn zu erzielen. Die Profitabilität von NGAInvestitionen hat dabei auch eine räumliche Dimension. Es gibt Anschlussbereiche, in denen es hohe und solche, in denen es geringe Gewinnerzielungsmöglichkeiten gibt, und dann gibt es Gebiete, in denen (bei heutigen Preis- und Kostenstrukturen) kein Gewinn erzielt werden kann. Sortiert man NGA-Investitionsprojekte (oder Anschlussbereiche) nach der Höhe der damit erzielbaren Gewinne (pro Anschluss) ergibt sich das in Abbildung 1-5 stilisiert dargestellte Bild. Ein gewinnorientiertes Unternehmen wird solange NGA-Investitionsprojekte realisieren, bis der Break-Even-Punkt, beschrieben durch die Nullgewinnlinie, erreicht wird. Es wird also Investitionsprojekte im Umfang von Anschlüssen realisieren. Der Break-Even-Punkt ist so bestimmt, dass der Investor im letzten von ihm ausgebauten Anschlussprojekt gerade noch seine Kosten decken kann.7 In den vorhergehenden Investitionsprojekten erwirtschaftet er dagegen Gewinn, beschrieben durch die schraffierte Fläche links von . Abbildung 1-5: Entscheidungskalkül für NGA-Investitionen Quelle: WIK-Consult 7 Bei Unsicherheit und Risikoneutralität müssen die Erwartungsgewinne strikt positiv sein. Bei Risikoaversion wird der Investor eine Risikoprämie mit einkalkulieren und entsprechend einen geringeren Umfang wählen. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 19 Ein Betreiber, der nicht am Gewinnziel, sondern am Ziel der Wohlfahrtsmaximierung ausgerichtet ist, würde den NGA-Ausbau weiter in der Fläche vorantreiben.8 Er würde typischerweise solange in NGA-Projekte investieren, bis das Gesamtprojekt über alle investierten Anschlussbereiche gerade noch kostendeckend ist.9 In Abbildung 1-5 würde er bspw. in NGA-Projekte bis zum Punkt investieren. Dieser Punkt ist dadurch charakterisiert, dass die schraffierte Fläche der bis zum Ausbaugrad realisierten Gewinne gerade so groß ist wie die schraffierte Fläche der Verluste in den NGA-Projekten von bis . Diese Aussage gilt unter zwei Annahmen: Erstens wird angenommen, dass der wohlfahrtsmaximierende Betreiber keine Verluste macht und zweitens wird angenommen, dass selbst die in Punkt getätigte Investition einen positiven Beitrag zur Wohlfahrt leistet. Der wohlfahrtsmaximierende Anbieter würde also mit Gewinnen aus Investitionen in profitablen Ausbaugebieten Investitionen in unprofitablen Gebieten subventionieren, so dass insgesamt eine maximale Anzahl von NGA-Anschlüssen realisiert wird, unter der Nebenbedingung, dass er keine Verluste erleiden darf. Was sind die wesentlichen Faktoren, die Einfluss auf die Profitabilität von NGAInvestitionen haben? Hier sind vor allem vier Aspekte zu nennen: (1) Die Kosten des Ausbaus: Bei gleichen Preisen und gleicher Nachfrage ist ein NGA-Ausbau umso rentabler, je niedriger die Kosten pro realisiertem Anschluss sind. (2) Die Nachfrage nach NGA-Anschlüssen: Je höher die Penetrationsrate mit NGAAnschlüssen ceteris paribus ist, desto profitabler wird ein NGA-Projekt. Denn der Ausbau kann im Allgemeinen nicht der Nachfrage folgen, sondern muss vorab realisiert sein, bevor sich Anschlussnachfrage entfalten kann. Entscheidend bei der Nachfrage ist nicht nur die erreichbare Zielpenetration, sondern auch die Geschwindigkeit, mit der diese erreicht wird. Je schneller eine hohe Zielpenetrationsrate in einem NGA-Ausbaugebiet erreicht wird, desto profitabler das Projekt. (3) Die Höhe der erzielbaren Preise: Gegeben eine bestimmte Penetrationsrate werden bei hohen Endkundenpreisen mehr NGA-Projekte profitabel als bei niedrigen Endkundenpreisen. Dies ist nicht bzw. nicht nur eine Frage des allgemeinen Preisniveaus. Entscheidend ist hier die Frage der Preisdifferenzierung. Wir haben weiter oben gezeigt, dass die Entscheidung, in NGA zu investieren, projektabhängig erfolgt. Insofern kommt es auch auf die erzielbaren Endkundenpreise in den jeweiligen Ausbaugebieten an. Ein Gebiet, das bei einem (nationalen) Einheitspreis unrentabel ist, kann rentabel werden, wenn es dem Anbieter gelingt, in diesem Gebiet höhere Endkundenpreise durchzusetzen. Die Anwendung des Prinzips der Tarifeinheit im Raum ist damit nicht förderlich für die Investitionstätigkeit in NGA. 8 Dies gilt unabhängig von externen Effekten dann, wenn Netzbetreiber durch ihre Preisgestaltung nicht die gesamte Konsumentenrente abschöpfen können. 9 Kostendeckung im hier verwendeten Sinne schließt natürlich die Erzielung einer risikoadäquaten Verzinsung auf das eingesetzte Kapital ein. 20 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen (4) Der Wettbewerb: Da NGA-Netze i.A. hohe Marktanteile an der Gesamtzahl der potentiell adressierbaren Anschlüsse benötigen, um rentabel zu sein, entscheidet das Wettbewerbsumfeld wesentlich, ob Investitionen getätigt werden oder nicht. Da NGA-Netze praktisch nicht wirtschaftlich replizierbar sind, steht nicht zu erwarten, das ein weiterer Anbieter in diesem Fall ein Netz aufbaut. Ebenso gilt, dass das Profitabilitätsproblem für ein neues NGA-Netz schwer zu lösen ist, wenn in diesem Gebiet bereits ein aufgerüstetes Kabelnetz existiert. Zudem ist zu erwarten, dass der Betreiber des Kupfernetzes leichter die Profitabilität eines NGA-Netzes erreichen kann, da zu erwarten ist, dass er eine größere Kundenzahl auf das neue Netz migrieren kann, ohne dies im Wettbewerb austragen zu müssen. Besonders der Aspekt der Kosten wirkt sich zu Lasten des ländlichen Raums aus. Die für NGA-Netze erforderlichen Investitionen korrelieren eng mit der Anschlussdichte, wie wir im Abschnitt 1.4.2 an zwei Beispielen zeigen werden. Je mehr Anschlüsse auf einem km2 realisierbar sind, desto kürzer sind die spezifischen Leitungslängen für den Netzaufbau. Dieses Ergebnis ist getrieben durch die Verteilung der Gebäude im Raum und die Zahl der (potentiellen) Kunden innerhalb eines Gebäudes. Allerdings gibt es eine gegenläufige Entwicklung. Die Verlegekosten des Leitungsbaus sind in Ballungsgebieten höher als im ländlichen Raum. Diese gegenläufige Entwicklung zum Effekt der spezifischen Leitungslängen wird den monotonen Zusammenhang zwischen Anschlussdichte und Investitionskosten aber nicht grundsätzlich ändern, sondern nur abschwächen. Die im Abschnitt 1.4.2 dargestellten Modellrechnungen zeigen, dass in den ausgewählten Fällen im Beispiel der Netztechnologie FTTH 50% der kostenungünstigsten Anschlussgebiete (ländlicher Raum) im Durchschnitt ca. 2,5 mal so hohe Investitionen erfordern wie eine entsprechende Versorgung in Ballungsgebieten (50% der kostengünstigsten Anschlussgebiete). 1.4.2 Beispielhafte Modellrechnungen 1.4.2.1 Euroland Für ein europäisches Land mit einer repräsentativen Besiedlungsverteilung für ein Land mit ca. 40 Mio. Einwohnern („Euroland“) wurden kürzlich10 die Implikationen eines flächendeckenden Glasfaserausbaus untersucht. Euroland wurde dazu in 8 Cluster unterschiedlicher Anschlussdichte (siehe Tabelle 1-1) aufgeteilt. 10 Hoernig et. al. (2010). 21 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Anschlussdichte in „Euroland“* Tabelle 1-1: Potential Cluster customers ID per km² Geotype Total potential customers per cluster Share of Potential custototal mers (cumulated) customers Number of MDF Potential customers per MDF Average trench length per potential customer (m) Dense urban 1 4,000 1,763,916 8% 1,763,916 69 25,564 2.4 Urban 2 1,600 2,163,672 10% 3,927,588 168 12,879 5.4 Less Urban 3 800 2,646,000 12% 6,573,588 252 10,500 7.8 Dense Suburban 4 470 2,062,480 9% 8,636,068 280 7,366 10.2 Suburban 5 280 2,460,360 11% 11,096,428 303 8,120 13.1 Less Suburban 6 150 2,989,056 14% 14,085,484 417 7,168 17.4 Dense Rural 7 60 4,331,208 20% 18,416,692 1,421 3,048 28.6 Rural 8 < 60 3,448,368 16% 21,865,060 2,488 1,386 55.1 21,865,060 100% * 5,398 Repräsentatives Land, kompiliert auf Basis von detaillierten Geodaten für mehrere Länder Quelle: Hoernig et al. (2010) Im Vordergrund der Untersuchung stand dabei die Abschätzung der Performance unterschiedlicher Glasfaserarchitekturen. Dieser Aspekt ist hier nicht weiter von Interesse. Abbildung 1-6 zeigt jedoch die Verteilung der Investitionskosten in den einzelnen Clustern. Diese steigen von ca. 1.250 € pro Anschluss im kostengünstigsten Cluster auf über 4.800 € im kostenungünstigsten ländlichen Cluster. Abbildung 1-6: FTTH-Investitionen in „Euroland“ Incumbent invest per subscriber (70% take-up) 6.000 € 5.000 € 4.000 € P2P 3.000 € 4.911 4.855 4.795 4.810 GPON over P2P Suburban Less Suburban 2.888 2.826 2.772 2.808 Dense Suburban 2.383 2.320 2.269 2.311 1.878 1.814 1.765 1.806 Less Urban 2.201 2.137 2.071 2.112 1.966 1.901 1.841 1.907 1.691 1.627 1.555 1.618 1.000 € 1.324 1.260 1.166 1.223 2.000 € 0€ Dense urban Urban Quelle: Hoernig et al. (2010) Dense Rural Rural GPON WDM PON 22 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Die profitable Ausbaugrenze in Euroland ist abhängig von der eingesetzten Technologie. Mit FTTH kann noch bis zum Suburban Cluster 5 oder für 50,7% der Bevölkerung profitabel ausgebaut werden. Mit anderen Technologien kann ein oder zwei Cluster weiter ausgebaut werden. 1.4.2.2 Deutschland Für Deutschland liegen derzeit noch keine vergleichbaren Ergebnisse in ähnlicher Robustheit vor. Einen ersten Ansatz haben Doose u.a. (2009) auf einer allerdings noch sehr groben und asymmetrischen Clusterung erstellt. Das Modell gliedert Deutschland in die acht Cluster nach Tabelle 1-2. Das dichtest besiedelte Cluster hat hier mit 10.000 Anschlüssen pro km2 eine sehr hohe Anschlussdichte und ist entsprechend „schwach“ belegt. Dahingegen repräsentieren die letzten drei Cluster 75% der Bevölkerung. Tabelle 1-2: Cluster Clusterbildung anhand der Kundendichte11 in Deutschland Customer density per km² Dense urban Customer base (mn) Cumulated% of total customers >10.000 0,12 0,3% Urban >6.000 0,90 2,4% Less Urban >2000 4,86 13,7% Dense Suburban >1.500 2,04 18,5% Suburban >1000 2,85 25,1% Less Suburban >500 5,25 37,4% Dense Rural >100 14,62 71,5% Rural ≤100 12,19 100,0% Total 42,83 Quelle: Elixmann et al. (2008) Im NGA-Kostenmodell für Deutschland werden die Netze wiederum so aufgebaut, dass in einem Cluster jeweils immer jeder Kunde anschließbar ist. Im Falle von VDSL bedeutet dies etwa, dass alle Kabelverzweiger im Cluster angebunden und ausgebaut werden. Im Falle von FTTH wird jedes Gebäude mit Glasfasern erschlossen mit einer dedizierten Faser für jeden potentiellen Teilnehmer. Natürlich lassen sich diese Grundüberlegungen auch auf einen räumlichen Technologiemix übertragen. Im Ergebnis zeigt sich Folgendes: Die Investitionen für den flächendeckenden Aufbau von FTTC/VDSL und FTTH/P2P in Deutschland bei einem einheitlichen Marktanteil von 50% in allen Clustern betragen mit dem gewählten Modellansatz basierend auf heutigen Kostenstrukturen für FTTC rund 41 Milliarden Euro und für FTTH/P2P rund 117,6 Milliarden Euro. 11 Die Customer base umfasst sowohl private als auch geschäftliche Nutzer. 23 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Die genannten Werte sind in einem Greenfield-Ansatz gerechnet. Die Mitbenutzung bestehender TK-Anlagen und Synergien mit anderen Infrastrukturträgern werden den Investitionsbedarf real niedriger ausfallen lassen. Rechnet man die genannten Werte auf die Zahl von rund 43 Millionen potenziell anschließbarer Kunden in Deutschland um, so ergeben sich die folgenden Investitionen, um einen Teilnehmer „anschließbar“ zu machen, also Investitionen pro Home passed (vgl. Abbildung 1-7). Abbildung 1-7: Investitionen für den Breitbandausbau in Deutschland pro Home passed (Durchschnitt aller Cluster bei 50% Marktanteil) 3.000 € 2.746 € 2.500 € 2.000 € 1.500 € 1.000 € 958 € 500 € 0€ FTTC FTTH P2P Quelle: WIK Eine nach Besiedlungsdichte differenzierte Analyse zeigt erwartungsgemäß, dass die Investitionen in den dicht besiedelten Clustern deutlich niedriger sind. Aufgrund des starken Gewichts der weniger dicht besiedelten Cluster (ca. 62,5% der Bevölkerung leben in den weniger dichten Gebieten) liegen die durchschnittlichen Investitionen in der nationalen Sicht jedoch auf dem dargestellten erheblich höheren Niveau. Die Investitionen für FTTH steigen von 596 € pro Anschluss auf 4.506 € pro Anschluss. 24 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Abbildung 1-8: Investitionen für den Breitbandausbau in Deutschland pro Home passed (je Cluster) 5.000 4.506 Investition pro Home Passed (in Euro) 4.500 4.000 3.500 FTTC FTTH/P2P 3.000 2.613 2.500 2.109 2.009 2.000 1.538 1.500 1.157 1.259 852 1.000 796 596 500 129 184 219 Dense Urban Urban Less Urban 252 392 416 0 Dense Suburban Less Suburban Suburban Dense Rural Rural Quelle: Doose et al. (2009) In der nachfolgenden Abbildung 1-9 sind die acht Cluster in drei Clustergruppen entsprechend ihrer Kennzeichnung zusammengefasst worden. Die Abbildung zeigt, dass die zwei ländlichen Cluster („rural clusters“) gemessen an ihrer Teilnehmerzahl mehr Investitionen als die sechs Suburban und Urban Cluster zusammen genommen erfordern. Dies demonstriert noch einmal den ausgeprägten investitionserhöhenden Effekt einer geringeren Besiedlungsdichte. 25 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Abbildung 1-9: Vergleich vonhaben Investitionen und anschließbaren Ländliche Cluster deutlich höherenHaushalten Anteil nach Clustergruppen in Deutschland an Gesamtinvestitionen. Bei FTTC sogar mehr als bei FTTH/P2P FTTC 41 Mrd € FTTH/P2P 43 Mio homes passed 117 Mrd € 100% 43 Mio homes passed 100% 75% 26,8 88% 75% 26,8 63% 79% 36.136 50% 63% 93.141 "Rural Clusters" 50% "Rural Clust "Suburban Clusters" 100% 10,1 25% 24% 9% 75% 0% 3% 3.636 1.248 5,9 15% 14% 26,8 5% 0% 50% 36.136 Invest (mn €) 10,1 25% 0% Customer base (mn "homes") 3.636 1.248 "Suburban C "Urban Clusters" 25% "Rural Clusters" "Urban Clusters" 24% 5,9 14% "Urban Clus 18.024 6.462 Invest (mn €) "Suburban Clusters" 10,1 Customer base (mn "homes") An 100% fehlende = Rundung 5,9 Bei einheitlichem Marktanteil von 50% Quelle:Invest Doose(mn et al. €)(2009) Customer base 27 Ohne CPE & Inhausverkabelung (mn "homes") 1.4.3 Dynamische Aspekte des Ausbaus Statische Betrachtungsweisen erschließen nicht alle ökonomischen Charakteristika des Aufbaus neuer Netzinfrastrukturen. Wesentliche Eigenschaften von NGA-Netzen können insbesondere durch „Steady-State“-Betrachtungen abgeleitet werden, die davon ausgehen, dass das NGA-Netz das heutige Kupfernetz abgelöst hat. Die gesamtwirtschaftliche Effizienz des Ausbaus hängt jedoch auch von dem (dynamischen) Pfad ab, mit dem der Netzaufbau erfolgt. Unter dynamischen Gesichtspunkten bedeutsam ist zum einen das Management der Unsicherheit und zum anderen der Einfluss der Zeit auf die Kosten des Netz-„Roll-out“ und die Nachfrage. Aus heutiger Sicht gibt es noch Unsicherheiten über die langfristige Dominanz von NGA-Netzen gegenüber dem heutigen Festnetz und den Kabelnetzen sowie über das Nebeneinander von Fest- und Mobilnetzen. Verzögert sich der Aufbau auf der Zeitachse, bauen sich Unsicherheiten ab und die Entscheidungen über das langfristige Zielnetz sind leichter, d.h. risikofreier zu treffen. Zwar wächst die Nachfrage nach höheren Bandbreiten im statistischen Durchschnitt stetig an. Doch kann die heutige Nachfrage mit den bestehenden Netzen aktuell nahezu uneingeschränkt befriedigt werden. Wann die Nachfrage nach höheren Bandbreiten und Diensten ein Niveau erreicht hat, das mit den heutigen Netzen nicht mehr befriedigt 26 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen werden kann, ist eine unsichere Größe auf der Zeitachse. Ein langsamerer Ausbau reduziert diese Unsicherheit und das damit einhergehende Investitionsrisiko. Wächst der Bandbreitenbedarf und die Nachfrage nach hochbitratigen Anschlüssen erst über die Zeit, dürfte auch die Penetration erst allmählich über die Zeit zunehmen. Eine Verzögerung des Ausbaus würde die Penetrationsgeschwindigkeit und damit die Profitabilität eines NGA Business Cases erhöhen. Ein weiterer Aspekt ergibt sich im zeitlichen „Roll-out“ hinsichtlich der Realisierung von Synergien mit anderen Infrastrukturträgern. Es existiert bereits heute eine Vielzahl von Infrastrukturkomponenten wie bspw. Leerrohre, Glasfasern, Kabeltröge oder Masten im Bereich der Energie- und Wasserwirtschaft, der Verkehrswege oder der öffentlichen Hand, die sich potentiell für den Ausbau von TK-Netzen mitnutzen lassen. Hierdurch lassen sich insbesondere Tiefbaukosten, die den Hauptkostentreiber bei leitungsgebundenen Infrastrukturen ausmachen, in gesamtwirtschaftlich intelligenter und effizienter Weise deutlich senken. Weitere Kostensenkungspotenziale bestehen durch Mitverlegung von neuen TK-Netzen bei geplanten Baumaßnahmen z. B. von Versorgungsunternehmen für Strom, Gas und Wasser oder öffentlicher Träger. Legen diese Infrastrukturträger etwa für TK-Zwecke nutzbare Leerrohre im Zuge ihrer Neubau- oder Reparaturarbeiten aus, sind die inkrementellen Kosten dieser Mitverlegungsmaßnahmen deutlich niedriger als Neubaumaßnahmen eines TK-Unternehmens, die stand-alone für den TK-Zweck durchgeführt werden. Generell lassen sich die erheblichen Kostensenkungspotenziale durch derartige Synergien besser ausschöpfen, wenn ein Ausbau schrittweise über einen längeren Zeitraum erfolgt. Die bisherigen Argumente suggerieren ein eindeutiges Ergebnis: Ein langsamer NGAAusbau reduziert Unsicherheit, vermindert das Investitionsrisiko und erlaubt zudem Kostensenkungen durch Synergien. Allerdings hat ein schrittweiser Ausbau auch Opportunitätskosten. Selbst ein planmäßiger Ausbau erfordert Zeit. Wird dieser verlangsamt, stehen natürlich auch die erweiterten Nutzungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung. Wächst der Bandbreitenbedarf im Übrigen schneller als heute gedacht, können Bandbreiten-Bottlenecks entstehen, die zu volkswirtschaftlichen Produktivitäts- und Wachstumsverlusten führen. Auch die Kosten des Netz-„Roll-outs“ haben eine dynamische Dimension. Jeder Aufbau eines neuen Netzes erfordert eine bestimmte Zeitdauer, die in Grenzen gestaltbar ist. Die Business Pläne von Netzbetreibern sehen i.d.R. Zeitperioden von drei bis fünf Jahren vor, um ein Ausbaugebiet in der Größe einer Stadt auszubauen. Erfolgt eine Vielzahl von Ausbauprojekten zeitgleich, können z.B. Tiefbaukapazitäten gesamtwirtschaftlich knapp werden und dann zu Kostensteigerungen führen. Dies gilt auch, wenn übliche Zeitpläne komprimiert werden. Die Abwägung dieser verschiedenen Aspekte kann nicht abstrakt vorgenommen werden. Dem nicht unerheblichen Risiko von Fehlinvestitionen, (temporären) Überkapazitäten und nicht genutzten Möglichkeiten zur Kostensenkung durch Synergien bei einem schnellen Ausbau stehen Opportunitätskosten durch mögliche Bottlenecks gegenüber. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 27 Zur Abschätzung des Gesamteffekts bedarf es eines quantitativen Modells, das mit geeignet zu bestimmenden Szenarien zu befüllen ist. Das Ergebnis hinsichtlich des überwiegenden Effekts ist a priori offen. 1.4.4 Fazit Gewinnorientierte TK-Unternehmen werden NGA-Investitionsprojekte bis zur Profitabilitätsgrenze realisieren. Dies ist der Break-Even-Punkt, bei dem im letzten Ausbaugebiet gerade die Kosten noch gedeckt werden. Profitable NGA-Ausbaugebiete zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine hohe Anschlussdichte pro Quadratkilometer haben. Im ländlichen Raum ist die Anschlussdichte aber typischerweise gering. Es gibt erste Studien, die für NGA-Netze diese ökonomische Ausbaugrenze bestimmen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass bspw. für FTTH ca. 50% der Anschlüsse profitabel erschließbar sind. Es gibt Indikationen dafür, ohne dass dies bislang belastbar gerechnet worden ist, dass für FTTH die ökonomische Ausbaugrenze in Deutschland unterhalb von 50% liegen kann. In jedem Fall gilt, dass ein ausschließlich marktgetriebener Ausbau ohne Nutzung von Synergien in absehbarer Zeit nicht zu einer flächendeckenden Verfügbarkeit von NGA führen wird. Hierauf hat die Breitbandstrategie der Bundesregierung insofern reagiert, als sie neben einer Betonung des Technologiemixes auch Synergieeffekte und Fördermaßnahmen berücksichtigt. 28 2 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Rechtliche Rahmenbedingungen Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Finanzierung des Breitbandausbaus werden v.a. durch die verfassungsrechtlichen Vorgaben und Grenzen des widerstreitenden Wettbewerbs- und Universaldienstauftrags aus Art. 87 f GG (2.1), die Vorgaben aus der Finanzverfassung des Grundgesetzes (2.2), die kommunalrechtlichen Bestimmungen (2.3) und die Grenzen aus dem Europäischen Beihilfenrecht (2.4) sowie dem Europäischen Telekommunikationsrecht (2.5) gesetzt. 2.1 Verfassungsrechtliche Vorgaben und Grenzen des Universaldienstauftrags aus Art. 87 f GG Art. 87 f Abs. 1 GG bestimmt, dass der Bund im Telekommunikationsbereich flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen gewährleistet. Art. 87 f Abs. 2 GG verpflichtet dabei auf das Wettbewerbsprinzip. Dieser Universaldienstauftrag im Wettbewerb ist angesichts der festgestellten Wirtschaftlichkeitslücken im ländlichen Raum und der damit einhergehenden Erwartung fehlender privatwirtschaftlicher Ausbauanreize in seiner Funktion, Reichweite und mit Blick auf die Adressaten für die Frage der in Teilprojekt 4 diskutierten Ausgestaltung der hoheitlichen Förderinstrumente von Bedeutung. 2.1.1 Funktion des verfassungsrechtlichen Universaldienstauftrags nach Art. 87 f Abs. 1 GG Der Staat unterwirft nach der Konzeption des Art. 87 f GG nicht mehr einen gesamten Wirtschaftszweig der hoheitlich reservierten Leistungserstellung, weil möglicherweise spezifische Produkte am Markt nicht in angemessenem Umfang oder zu angemessenen Bedingungen zur Verfügung gestellt werden. Stattdessen überlässt er die Herstellung der Produkte grundsätzlich einem regulierten Wettbewerb. Nur in Randbereichen, in denen es zu einer Unterversorgung kommt, greift er ein und sorgt für die privatwirtschaftliche Bereitstellung dieser Produkte, ohne die Produktion selbst zu übernehmen. Dabei geht es maßgeblich um die angemessene Verbreitung telekommunikativer Dienstleistungen in der Fläche, das heißt um die Sicherung eines hinreichenden Leistungsumfangs auch in dünn besiedelten Gebieten, unabhängig von der Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung. Art. 87 f Abs. 1 GG beschränkt sich damit auf eine raumordnungspolitische Dimension und verwirklicht ein darauf ausgerichtetes Mindestversorgungskonzept.12 Zurückzuweisen ist dagegen die Annahme einer sozialpolitischen Dimension.13 Das heißt, dass es nicht Aufgabe der Universaldienstvorgabe ist, die Finanzierung von Telekommunikationsleistungen für einkommensschwache Bevölke12 Dazu und zum Folgenden auch Kühling (2002), S. 144 ff. 13 In begrifflicher Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass „sozialpolitisch“ hier eng im Sinne der Förderung bestimmter hilfsbedürftiger Nutzergruppen verstanden wird. Die geografische Dimension einer flächendeckenden Versorgung, die unbestritten gleichfalls sozialpolitische Implikationen in einem weiteren Sinne aufweist, bleibt davon unberührt. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 29 rungsgruppen zu gewährleisten. Dies ist vielmehr eine Frage der Sozialgesetzgebung.14 Zugleich ist Art. 87 f Abs. 1 GG gerade in seiner Wechselbezüglichkeit zum Privatisierungsgebot des Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG als Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips aufzufassen.15 Das gilt in einem doppelten Sinne: Zum einen greift zuvörderst die Leistungserstellung im Markt, zum anderen wird einem Marktversagen durch Regulierungseingriffe des Staates mit marktorientierten Instrumenten, nicht jedoch durch eine hoheitliche Leistungserstellung begegnet. Es wird gewissermaßen ein Markt um die Bekämpfung eines Marktversagens geschaffen. Zu Recht weist Eifert auf die Notwendigkeit der Systemkompatibilität hin, die eine möglichst weitreichende Gewährleistung des Wettbewerbsprinzips auch bei der Beseitigung der Universaldienstdefizite verlangt.16 2.1.2 Universaldienstauftrag als Mindeststandard Die Bestimmung des inhaltlichen Umfangs des Universaldienstauftrags unterliegt in der Telekommunikationswirtschaft, die von einer besonders dynamischen Entwicklung geprägt ist, in hohem Maße einer ständigen Anpassung. Ausgangspunkt ist dabei eine traditionelle Betrachtung. Das heißt, es ist zunächst auf den Leistungsumfang, wie er zum Zeitpunkt der Liberalisierung bestand, abzustellen. Dieser Bestand wird jedoch nicht „konstitutionalisiert“, sondern stellt lediglich einen Orientierungspunkt dar. Hinzu kommt, dass es ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht um „den Ausbau einer optimalen Infrastruktur“, sondern nur um einen Mindeststandard geht.17 Dies eröffnet neben einer sachlich erweiternden Anpassung durch die Marktentwicklung auch die Verminderung des Ausgangsumfangs in Teilbereichen. Entscheidend ist stets die Definition eines Mindeststandards zu einem gegebenen Zeitpunkt. An diesen Parametern sind die weiteren Qualifikationsmerkmale auszurichten. Dabei geben die Adjektive „angemessen“ und „ausreichend“ für eine nähere Bestimmung ihrem Wortlaut nach nur wenig verwertbare Auskünfte. Hier helfen die Gesetzesmaterialien zur Verfassungsänderung jedoch weiter. In der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf18 wird das Qualifikationsmerkmal „angemessen“ auf die Qualität bezogen („angemessene Beschaffenheit“) und das Qualifikationsmerkmal „ausreichend“ auf die Quantität („ausreichende Mengen“).19 Diese Qualifikation ist unwidersprochen Grundlage der insoweit wortlautidentischen finalen Fassung des Art. 87 f Abs. 1 GG geworden20 und mangels entgegenste14 Zur vorliegend nicht relevanten Frage, inwieweit auch die Zusammenschaltungsregulierung auf die Universaldienstvorgabe gestützt werden kann, Eifert (1998), S. 176. 15 Kühling (2004), S. 587 f. 16 Eifert (1998), S. 206 ff.; so auch Möstl (2010), Rn. 340. 17 Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes, BT-Drs. 12/7269, S. 5. 18 Der Bundesrat hielt die Begriffe in seiner ersten Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Verfassungsänderung sogar für latent widersprüchlich, Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 12/7269, S. 8. 19 Vgl. BT-Drs. 12/7269, S. 10. 20 Die Definitionen der Bundesregierung bestätigt der Bericht der Abgeordneten Scholz und Wiefelspütz des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/8108, S. 6. 30 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen hender teleologischer Erwägungen der weiteren Auslegung zugrunde zu legen. Danach geht es darum, dass Telekommunikationsdienstleistungen qualitativ und quantitativ hinreichend zur Verfügung gestellt werden. Bei der Festsetzung der Untergrenze des Universaldienstumfangs kommt dem Bundesgesetzgeber und der Regulierungsbehörde aber ein weiter Ermessensspielraum zu. Dieser wird erst überschritten, wenn eine evidente Unterversorgung festgestellt werden kann.21 Bezugspunkt ist dabei der durchschnittliche Nutzer.22 Dabei dürfte die vom COCOM zugrunde gelegte Orientierung an der Bandbreite, die von mindestens 80 % der Endkunden genutzt wird23, aus verfassungsrechtlicher Sicht einen Maßstab darstellen, dessen Anwendung in Deutschland – nicht zuletzt aufgrund des weiten Spielraums des Gesetzgebers und der Regulierungsbehörde – im Einklang mit dem Universaldienstverständnis und insbesondere mit der in Art. 87 f Abs. 1 GG geforderten „angemessenen Qualität“ stünde. Allerdings stellt das COCOM dabei auf die übliche Nutzung innerhalb der Gruppe der Telekommunikationsteilnehmer ab, so dass dabei die Gruppe derjenigen, die gar kein Internet nutzen, nicht berücksichtigt wird. Dieser Gruppe trägt das COCOM jedoch in einem zweiten Kriterium Rechnung, das verhindern soll, dass zu hohe Bandbreiten, die bezogen auf die gesamte Bevölkerung nur wenig verbreitet sind, vom Umfang des Universaldienstes erfasst werden. Danach können nur Bandbreiten vom Universaldienst umfasst werden, die in mehr als 50 % aller nationalen Haushalte verfügbar sind.24 Genau diese Vorgehensweise ist verfassungsrechtlich keineswegs indiziert, aber jedenfalls im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Praktisch bedeutet das für die Situation in Deutschland Folgendes: Ende 2009 verfügten bereits 64,6 % aller Haushalte über Breitbandanschlüsse.25 Am Ende desselben Jahres und erst recht 2011 liegt der Anteil der Nutzer, die Bandbreiten von mindestens 1 – 2 Mbit/s nutzen, bezogen auf die Gruppe aller Internetnutzer oberhalb der 80 %Schwelle26. Angesichts der derzeitigen flächendeckenden Versorgung mit 4 Mbit/s im Downstream nicht zuletzt durch die flächendeckend verfügbare satellitäre Breitbandversorgung27 sind die verfassungsrechtlichen Universaldienst-Vorgaben demnach in je- 21 Windthorst (2000), S. 301. Dazu auch Wegmann (2000), S. 135 f. m.w.N. 22 Siehe amtliche Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes, BT-Drs. 12/7269, S. 5 („aus Sicht der Benutzer“); in der Literatur etwa Eifert (1998), S. 196 f. 23 COCOM (2011), S. 4. 24 COCOM (2011), S. 4. 25 Vgl. OECD (2010), im WWW abrufbar unter der URL http://www.oecd.org/dataoecd/21/35/39574709.xls. 26 So verfügten schon Ende 2009 78 % der Haushalte über einen Internetzugang, den 75 % im Rahmen eines DSL-Anschlusses und 9 % mit einem anderen (höherwertigen) Anschluss nutzten, wobei wiederum davon auszugehen ist, dass die Mehrzahl der DSL-Nutzer mindestens 1-2 MBit/sAnschlüsse nachfragen, vgl. dazu die Hinweise vom Statistischen Bundesamt (2010), S. 116. 27 Die Angebote von Filiago auf http://www.filiago.org, SkyDSL auf http://de.skydsl.eu und T-Home auf http://www.telekom.de/is-bin/INTERSHOP.enfinity/WFS/EKI-PK-Site/-/-/-/ViewProductDetailsStart;sid=cRhntYJY0j5mtc9EIPRoAYldzq4eNwwGEgeO8hJ5iysxrs1o6o3BRE4PzP7p0g==?CatalogC ategoryID=cJ0FC7ISlLAAAAEdHXYMVfLR&vpnr=4205000&ProductRefID=0306001000054%40EKIPK&mlid=917.9.141453.a67712ffbf74f75d3ce1dcdd42c7b070.102908.1455494001351410688.0.1293 701614.1.1296293614&StageProductRefID=0306001000054_0003%40EKIPK&KeywordPath=katalog%2Fsurfen%2Feinzeltarife%2Fsurfen-mit-dsl%2Fsatellit ermöglichen Bandbreiten im Downstream von bis zu 6 MBit/s. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 31 dem Fall erfüllt. Daher muss diese Frage vorliegend nicht weiter vertieft werden, da sie gegenwärtig praktisch nicht relevant ist. Fraglich ist aber, inwieweit der Preis der zur Verfügung gestellten Dienstleistungen in den Interventionsstrahl des Universaldienstauftrags fällt. Dies wird zum Teil auf der Grundlage einer historischen Auslegung des Art. 87 f Abs. 1 GG verneint.28 Dabei wird darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung in den bereits erläuterten Ausführungen zu dem Qualifikationsmerkmal „angemessen“ die vom Bundesrat erwogene Umschreibung, „dass bei den Dienstleistungen ein angemessenes Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen muss“29, unwidersprochen30 verworfen hat.31 Das ist zwar zutreffend, widerspricht aber keinesfalls einer preisrelevanten Interpretation des Universaldienstauftrags. Zielführend ist dagegen die teleologische Überlegung, dass eine preisblinde Bestimmung der hinreichenden Quantität und Qualität diese Anforderungen weitgehend leer laufen ließe. Denn der Preis bestimmt maßgeblich die Quantität der nachgefragten Leistungen ebenso wie die Zahlungsbereitschaft der Kunden für entsprechende Produkte deren angebotsseitige Erbringung. Die Erschwinglichkeit der Dienstleistungen ist damit zwangsläufig Bestandteil der Universaldienstanforderungen.32 Das bedeutet, dass die entsprechend verfügbare Grundversorgung zu einem erschwinglichen Preis angeboten werden muss. Allerdings ist hier erneut zu betonen, dass damit keineswegs eine sozialpolitische Dimension impliziert ist, d.h. die Erschwinglichkeit orientiert sich an der Finanzierbarkeit eines Dienstes durch die breite Bevölkerung nicht hingegen an einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen. Besteht beispielsweise in manchen Regionen nur ein satellitäres Breitbandangebot, das teurer ist als das Festnetzangebot, so sind diese Dienste bei der Prüfung etwaiger Universaldienstangebote sehr wohl zu berücksichtigen, sofern die Angebote von den durchschnittlichen Einkommensgruppen zu finanzieren sind. Dies ist selbst bei den vergleichsweise teuren satellitären Breitbandangebot mit Kosten in Höhe von etwa 40 – 60 € pro Monat der Fall.33 Die Finanzierbarkeit dieses Angebots durch einkommensschwache Bevölkerungsgruppen ist dann wiederum eine Frage der Sozialgesetzgebung. In der Debatte um die Postreform II hat die Gewährleistung einer flächendeckenden Grundversorgung eine besonders große Rolle gespielt. Immer wieder wurde auf die Gefahr des so genannten Rosinenpickens hingewiesen, die insbesondere hinsichtlich einer geografisch unausgewogenen Leistungsbereitstellung befürchtet wurde.34 Der Universaldienstauftrag ist damit auf eine flächendeckende Vergleichbarkeit der Telekommunikationsdienstleistungen angelegt. Wie in der vom Telos, also vom Zweck, her 28 29 30 31 32 33 Adler (2000), S. 49 f. Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 12/7269, S. 8. Vgl. vielmehr den bestätigenden Nachweis in Fn. 20. Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 12/7269, S. 10. Wie hier Möstl (2010), Rn. 72; Uerpmann-Wittzack (2003), Rn. 8 und Windthorst (2000), S. 302 ff. Siehe Angebote von Filiago (4 Mbit/s Downstream und 256 kbit/s Upstream ab 59,90 € pro Monat), SkyDSL (3,5 Mbit/s Downstream und 384 kbit/s Upstream ab 50 € pro Monat) und T-Home (2 Mbit/s Downstream und 256 kbit/s Upstream ab 39,95 € pro Monat, höhere Bandbreiten zu speziellen Preisen auf Nachfrage). 34 Vgl. exemplarisch die Ausführungen des Bundestagsabgeordneten Gysi, insbesondere BT-Drs. 12/17921, S. 17929; siehe auch Fehling (1995), S. 600 (609 f. mit dessen Fn. 38). 32 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen vergleichbaren Bestimmung des Art. 72 Abs. 2 GG bedeutet dies jedoch keine Einheitlichkeit.35 Damit wird insbesondere keine Tarifeinheit im Raum verfassungsmäßig vorgeschrieben.36 Lokale Differenzierungen sind durchaus zulässig, sofern die Grundversorgung auch in versorgungstechnisch teureren, das heißt insbesondere dünn besiedelten, Gebieten gewährleistet wird. 2.1.3 Rechtliche Verbindlichkeit und Adressaten des Universaldienstauftrags Beim Universaldienstauftrag aus Art. 87 f Abs. 1 GG handelt es sich um einen rechtlich verbindlichen Verfassungsauftrag, der sich primär an den Gesetzgeber („nach Maßgabe eines Bundesgesetzes“) wendet, obgleich der Bund umfassend Adressat des Universaldienstauftrags ist. Das bedeutet, dass auch die Exekutive und Judikative bei der Gesetzesanwendung und -auslegung an den Gewährleistungsauftrag rechtlich gebunden sind.37 Eine subjektiv-rechtliche Dimension kann Art. 87 f Abs. 1 GG nicht entnommen werden.38 Die Formulierung „nach Maßgabe eines Bundesgesetzes“ weist zum einen dem Bundesgesetzgeber einen entsprechenden Gesetzgebungskompetenztitel zu und stellt zum anderen einen Gesetzesvorbehalt auf.39 In Bezug auf den Gesetzesvorbehalt erfolgt eine Anreicherung der Wesentlichkeitslehre des Bundesverfassungsgerichts40 dahin gehend, dass der parlamentarische Gesetzgeber selbst die Grundzüge der Universaldienstleistung bestimmen muss. Das betrifft Begriff, Gegenstand und Umfang des Universaldienstes ebenso wie das Verfahren seiner Erbringung.41 Angesichts der dynamischen Entwicklung der Telekommunikationswirtschaft darf aber gerade in diesem Bereich der Exekutive eine nähere Konkretisierung im Rahmen der materiellen Gesetzgebung durch Rechtsverordnung überlassen werden.42 Ferner wird der Legislative in Art. 87 f Abs. 1 GG bei der Umsetzung des Gesetzgebungsauftrags eine Konkretisierungsprärogative eingeräumt. Dabei führt die strenge Formulierung des Gesetzgebungsauftrags dazu, dass mit Wegmann eine „Reduktion des gesetzgeberischen Entschließungsermessens auf Null“ im Hinblick auf das „Ob“ der Verabschiedung einer legislativen Universaldienstregelung anzunehmen ist.43 Bei der Festlegung der Einzelheiten (dem „Wie“ der Universaldienstgewährleistung) verfügt der Gesetzgeber aber über einen erheblichen Gestaltungsspielraum44, der durch die Regelung im geltenden TKG zweifellos gewahrt ist (dazu sogleich 2.1.5). 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 So für Art. 72 Abs. 2 GG Degenhart (2009), Rn. 15. Herdegen (1999), S. 67. Zu Art. 87 f Abs. 1 statt vieler Wegmann (2000), S. 125 m.w.N. Uerpmann-Wittzack (2003), Art. 87f, Rn. 7. Gersdorf (2001), Rn. 37. Siehe bereits BVerfGE 40, S. 237 (249 f.) und später 95, S. 267 (307 f.); ferner im Überblick Sachs (2009), Rn. 113 ff. Windthorst (2000), S. 324. Herdegen (2004), Rn. 46. Wegmann (2000), S. 127; ebenso Kämmerer (2001), S. 505. Möstl (2010), Rn. 65, spricht von einer Einschätzungsprärogative bzw. einem Gestaltungsspielraum; Pieroth (2011), Rn. 4, von einem Entscheidungsspielraum. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 33 Durch Art. 87 f Abs. 1 GG wird im Übrigen keine Tarifeinheit im Raum verfassungsmäßig vorgeschrieben. Lokale Differenzierungen sind vielmehr zulässig, sofern die Grundversorgung zu annehmbaren Preisen auch in „teuren“ Regionen gewährleistet ist. Auch wenn verfassungsrechtlich in erster Linie der Bund verpflichtet ist, für eine hinreichende Grundversorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen zu sorgen, so schließt das eine Tätigkeit der Länder und Kommunen zur Ergänzung und insbesondere Erhöhung der Versorgung über ein entsprechendes Minimum hinaus keineswegs aus, solange die im Folgenden analysierte Vereinbarkeit mit dem Wettbewerbsprinzip gewahrt wird. 2.1.4 Funktionserfüllung des Auftrags unter Wahrung des Wettbewerbsprinzips aus Art. 87 f Abs. 2 GG Der Spielraum im Hinblick auf die Bestimmung des Verfahrens der Universaldienstsicherung wird durch den aus Art. 87 f Abs. 2 GG folgenden Grundsatz der Systemkompatibilität beschränkt, der eine möglichst weit reichende Gewährleistung des Wettbewerbsprinzips auch bei der Beseitigung der Universaldienstdefizite einfordert (dazu bereits unter 2.1.1.).45 Daraus folgt, dass ein Maximum an Wettbewerbselementen in die Universaldienstgewährleistung einzubringen ist. Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Postexklusivlizenz46 ableiten. Das darin formulierte Zurückweichen des in Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG konstituierten Wettbewerbsprinzips ist auf die aus der Übergangsphase im Postsektor resultierenden spezifischen Anforderungen zurückzuführen und dürfte auf den TK-Sektor nicht übertragbar sein. Das bedeutet beispielsweise, dass eine Reservierung von Diensten zur Kompensation der Universaldienstleistungen wie sie in der Anfangszeit der Postliberalisierung vorgesehen war, solange ausgeschlossen ist, wie es funktionsfähige wettbewerbskompatible Alternativen beispielsweise in Form einer Ausschreibung gibt. Das bedeutet, dass etwa eine Reservierung bestimmter Dienste für eine wie auch immer geartete „Deutsche Breitband AG“ grundsätzlich verfassungswidrig wäre. Daraus kann im Übrigen auch ein Primat der Ausschreibung für Universaldienste gefolgert werden47, wie es mit der TKG-Novelle 2005 auch in § 81 Abs. 3 TKG normiert worden ist. Schließlich ist eine eigene Dienstleistungserbringung des Staates durch Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG verboten. Dasselbe gilt für eine Universaldienstleistung im Wege einer Beteiligungsverwaltung. Nur in einem sehr hypothetischen „Worst-case“-Szenario der absolut unmöglichen privaten Leistungserbringung wäre eine staatliche Leistungserbringung denkbar. Es ist allerdings kaum vorstellbar, dass bei einer entsprechenden hoheitlichen Finanzierung kein leistungsfähiger privater Anbieter ermittelt werden könnte. Vor dem Hintergrund des Art. 87 f Abs. 2 GG scheidet im Übrigen eine Beteiligungsverwaltung für Unternehmen in öffentlicher Hand aus, sofern diese dem Gebot der au45 Vgl. Möstl (2010), Rn. 340. 46 BVerfGE 108, 370. 47 Dazu Kühling (2004), S. 594 f. 34 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen tonomen Unternehmensführung und einem privatwirtschaftlichen Verhalten des Unternehmens widersprechen. Öffentlichen Unternehmen wird der Marktzutritt dadurch nicht verboten. Sie dürfen allerdings angesichts des Wettbewerbsprinzips nicht privilegiert werden. Vor diesem Hintergrund ist die kommunale wirtschaftliche Betätigung im Telekommunikationsbereich der Stadtwerketöchter verfassungsrechtlich zu bewerten. Der Einsatz öffentlicher Unternehmen zur Schaffung eines betriebswirtschaftlich nicht darstellbaren NGA-Ausbaus wäre daher wohl verfassungswidrig. Das Wettbewerbsprinzip entfaltet in Bezug auf die Bestimmung des konkreten Leistungsumfangs dagegen lediglich eine schwache Beschränkungswirkung des legislativen Gestaltungsspielraums. Solange auch hohe staatliche Festsetzungen des Leistungsniveaus noch im Wettbewerb realisiert werden können, ist das Wettbewerbsprinzip nicht verletzt. Jedenfalls kann erst ein deutlich überzogen angesetztes Leistungsniveau den Grundansatz einer prinzipiell durch den Markt zu erfolgenden Bestimmung des Dienstleistungsumfangs in Frage stellen. Allerdings wird das in der Literatur teilweise anders beurteilt. So versucht Gersdorf48, einen hoch angesetzten Grundversorgungsumfang mit dem Hinweis zurück zu weisen, dass der Minimalstandard in der Regel im und durch den Wettbewerb sicherzustellen ist. Dem ist indes entgegenzuhalten, dass die hoheitliche Feststellung eines Versorgungsdefizits keinesfalls das (vollständige) Zurücktreten des Wettbewerbs impliziert. Lediglich das Marktprinzip zur Feststellung des Versorgungsumfangs wird zunächst ausgeschaltet. Das Wettbewerbsprinzip ist gleichwohl so weit wie möglich etwa durch die Anwendung von Ausschreibungsverfahren zu gewährleisten. Ergänzend weist Gersdorf allerdings zu Recht darauf hin, dass Art. 87 f Abs. 1 GG lediglich einen Kompetenztitel zur Gewährleistung des Universaldienstes als Minimalstandard gewährt, nicht dagegen eine umfassende Gesetzgebungskompetenz.49 Daher ist eine den Universaldienst überschreitende Gesetzgebung nicht von Art. 87 f Abs. 1 GG gedeckt. Weitere Kompetenztitel wie insbesondere Art. 73 Nr. 7 GG, aber auch Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG werden von der Spezialnorm des Art. 87 f Abs. 1 GG nach teilweise vertretener Auffassung verdrängt.50 Damit begegnet ein legislativ hoch angesetzter Universaldienstumfang Bedenken hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Im Übrigen wird der legislative Spielraum bei der Festsetzung der Obergrenze durch die Grundrechte etwaig betroffener Unternehmen eingeengt. Nicht zuletzt bestimmte Modelle einer „Breitband AG Deutschland“51, die mit massiven Eingriffen in die Strukturen der etablierten Breitbandanbieter einhergingen, wie etwa einer Verpflichtung, die eigenen Infrastrukturen in eine entsprechende AG einzubringen, würden kaum rechtfertigbare Eingriffe in die Berufs- und Eigentumsfreiheit der betroffenen Unternehmen aus Art. 12 und 14 GG darstellen. 48 49 50 51 Art. 87f, Rn. 34, 61. Gersdorf (2010), Rn. 35 f. Gersdorf (2010), Rn. 40 ff. m.w.N.; ebenso Kühling (2004), S. 596. Vgl. etwa die entsprechenden im Sommer 2009 von Steinmeier ins Spiel gebrachten Pläne, siehe dazu die Meldung im Handelsblatt, abrufbar im WWW unter der URL http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/steinmeier-plant-breitband-ag/3242772.html. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 35 2.1.5 Verfassungsadäquate Ausgestaltung im geltenden TKG Die gegenwärtige Ausgestaltung des Universaldienstes in den §§ 78 ff. TKG entspricht den hier skizzierten verfassungsrechtlichen Vorgaben zweifellos. Das wird v.a. angesichts des Zusammenspiels des Universaldienstauftrags in Art. 87 f Abs. 1 mit dem in Art. 87 f Abs. 2 GG normierten Wettbewerbsprinzip deutlich, da dieses eine Universaldiensterfüllung im Wettbewerb verlangt. Jenes Konzept einer Universaldiensterbringung im Wettbewerb wird im Mechanismus der §§ 78 ff. TKG umgesetzt. Der Universaldienstmechanismus greift nur, wenn der definierte Universaldienstkatalog im Markt nicht „freiwillig“ von den Unternehmen erbracht wird, also eine Unversorgungssituation (§ 81 Abs. 1 S. 1 TKG) eintritt. Und auch dann wird der Universaldiensterbringer primär über einen wettbewerblichen Ausschreibungsmechanismus identifiziert (§ 81 TKG). Die Kompensation wird durch die Ausschreibung gleichermaßen auf ein Minimum reduziert, da dasjenige Unternehmen den Zuschlag erhält, das die geringste Ausgleichsleistung verlangt. Damit wird dann zwar der Versorgungsumfang hoheitlich definiert, aber nicht die Dienstleistungserbringung selbst. Insoweit wird vielmehr das Wettbewerbsprinzip gewahrt. Finanziert wird der Mechanismus über eine Universaldienstabgabe der im relevanten Markt tätigen und damit universaldienstverpflichteten Unternehmen (§ 83 TKG).52. Angesichts der engen Universaldienstdefinition ist es bislang zu entsprechenden Versorgungsausfällen und damit zu einer Aktivierung des Universaldienstmechanismus nicht gekommen. So wird die hier relevante Universaldienstvorgabe in § 78 Abs. 2 TKG als „Anschluss an ein öffentliches Telefonnetz an einem festen Standort und den Zugang zu öffentlichen Telefondiensten an einem festen Standort“ festgelegt. Damit werden Breitbandangebote nicht explizit in den Universaldienstumfang aufgenommen. Allerdings dürfte die entsprechende Vorgabe schon jetzt im Lichte der Universaldienstrichtlinie (dazu unten 2.5) so zu verstehen sein, dass damit auch ein funktionaler Internetzugang abgedeckt ist. Nach dem jetzigen Stand der TKG-Novelle soll dies künftig auch im Gesetz klargestellt werden, was zu begrüßen ist. Dabei kann gestritten werden, wie man diese Grundversorgung näher ansetzt, also bei nur 128 kbit/s (wie beim ISDN-Zugang bei Nutzung beider B-Kanäle) oder bei 384 kbit/s Downstream (wie bei ADSL („DSL-light“)) oder vielmehr bei 1 oder 2 Mbit/s unter Berücksichtigung der 80 %-Regel des COCOM, wofür mit obiger Argumentation (2.1.2) Einiges spricht. Dieser Standard ist gegenwärtig angesichts der flächendeckend verfügbaren satellitären Angebote jenseits von 2 Mbit/s jedenfalls erfüllt. Es besteht damit keine rechtliche Notwendigkeit der Aktivierung des Universaldienstmechanismus im TKG53, so dass die verfassungsrechtliche Diskussion um die exakte Fixierung der Grundversorgung vorliegend nicht vertieft werden soll. 52 Dazu im Überblick Kühling/Elbracht (2008), Rn. 373 ff. 53 So auch die BNetzA (2009a), S. 89 f. 36 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 2.1.6 Fazit Art. 87 f Abs. 1 GG sichert damit den Rahmen des Universaldienstumfangs nach unten ab. Der Pflichtenumfang des Bundes und insbesondere des Bundesgesetzgebers als Adressat des Universaldienstauftrags aus Art. 87 f Abs. 1 GG ist dabei überschaubar. Aus der Bestimmung folgt lediglich die Pflicht, eine qualitative und quantitative Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen zu annehmbaren Preisen zu gewährleisten. Dies dürfte mit dem bisherigen Stand eines funktionalen Internetzugangs (also tendenziell 512 kbit/s) wohl nicht (mehr) erfüllt sein. Eine Verpflichtung, eine Versorgung jenseits von 2 Mbit/s zu gewährleisten, ist gegenwärtig jedoch verfassungsrechtlich keineswegs ableitbar, auch wenn ein großer Teil der Breitbandkunden Produkte im Bereich von 2 bis 6 Mbit/s nachfragt. Denn es geht nur um eine Grundversorgung, bei deren Fixierung der Bund über einen entsprechenden Spielraum verfügt. Mit 1 bis 2 Mbit/s Downstream ist jedenfalls die Grundversorgung mit den basalen Internet-Diensten bei einer vertretbaren Geschwindigkeit gewährleistet. Derartige Angebote liegen aber zumindest satellitär flächendeckend und zu annehmbaren Preisen vor.54 Ein verfassungsrechtlich relevantes Universaldienstdefizit ist damit nicht feststellbar. Dementsprechend ist auch der verfassungsadäquat im TKG in den §§ 78 angelegte Universaldienstmechanismus bislang nicht aktiviert worden. Auch die Bundesnetzagentur vermochte bislang kein Universaldienstdefizit zu erkennen.55 Damit werden die verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Mindestversorgung gegenwärtig in europarechtskonformer Art und Weise gewahrt. Eine Aktivierung des Universaldienstmechanismus ist rechtlich nicht indiziert. Im Übrigen stößt vielmehr umgekehrt eine staatlich geförderte Breitbandversorgung deutlich jenseits dieses Standards und insbesondere jenseits der 24 Mbit/s (also ADSL2+) trotz einer Befugnis öffentlicher Stellen zur zukunftsoffenen Planung zumindest bei einem Teil der Literatur auf verfassungsrechtliche Bedenken. Damit wird die Universaldienstverpflichtung des Art. 87 f Abs. 1 GG verlassen und es greifen die für die gegenwärtige Diskussion praktisch relevanteren Grenzen einer öffentlich forcierten Breitbandversorgung jenseits der Mindestversorgung. Diese speisen sich zum einen aus den verfassungsrechtlichen Grenzen des Wettbewerbsprinzips aus Art. 87 f Abs. 2 GG und zum anderen wird bestritten, dass insoweit eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht. Ersteres beschränkt auch die Möglichkeiten einer Breitbandförderung auf kommunaler und auf Landesebene, die dem Grunde nach durchaus zulässig ist. Damit steigt jedenfalls der verfassungsrechtliche Begründungsaufwand für eine Fixierung des Versorgungsauftrags im NGA-Bereich deutlich. 54 Einer eingehenderen Überprüfung bedarf es noch dahingehend, inwieweit die satellitär verfügbaren eher mäßigen Upload-Geschwindigkeiten zukünftig ausreichen, um einen funktionalen Internetzugang zu gewährleisten. Angesichts zunehmender Partizipation der Internetnutzer am sog. Cloud Computing und an Web 2.0-Anwendungen (z.B. youtube.com) steigen auch die Anforderungen an die UpstreamDatenraten, um z.B. größere Daten, Photos und Videos auf Webserver zu übertragen, und damit auch Zweifel an der langfristigen Tauglichkeit der satellitären Lösung zur Gewährleistung eines funktionalen Internetanschlusses. 55 BNetzA (2009a), S. 89 f. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 37 Im Übrigen setzt Art. 87 f Abs. 2 GG einer Beteiligungsverwaltung auf kommunaler Ebene Grenzen. So scheidet eine Beteiligungsverwaltung für Unternehmen in öffentlicher Hand aus, sofern diese dem Gebot der autonomen Unternehmensführung und einem privatwirtschaftlichen Verhalten des Unternehmens widersprechen. Öffentlichen Unternehmen wird der Marktzutritt dadurch nicht verboten. Sie dürfen allerdings angesichts des Wettbewerbsprinzips nicht privilegiert werden. Der Einsatz öffentlicher Unternehmen zur Schaffung eines betriebswirtschaftlich nicht darstellbaren NGA-Ausbaus wäre daher verfassungswidrig. 2.2 Vorgaben aus der Finanzverfassung des Grundgesetzes 2.2.1 Steuerrechtliche Vorgaben Sollte das zur Schließung der Rentabilitätslücken benötigte Kapital mit Hilfe von Steuern finanziert werden, richtet sich die verfassungsmäßige Rechtmäßigkeit des Modells nach den Vorgaben der Art. 104a – 115 GG. Der die Steuer erhebende Hoheitsträger muss eine Steuergesetzgebungskompetenz für die entsprechende Steuer aufweisen (2.2.1.1). Der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts sowie das steuerliche Legalitätsprinzip erfordern zudem die Normierung der Steuerpflichtigkeit in einem formellen Gesetz. Dieses Gesetz muss in seiner Ausgestaltung hinreichend klar und bestimmt sein (2.2.1.2). Daneben muss die Steuer in ihrer konkreten materiellen Ausgestaltung dem Grundsatz der Belastungsgleichheit entsprechen (2.2.1.3). 2.2.1.1 Steuergesetzgebungskompetenz Die Verteilung der Steuergesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern ist in Art. 105 GG geregelt. Für die in dieser Studie vorgeschlagenen Finanzierungsmodelle sind insbesondere Art. 105 Abs. 2 und Abs. 2a GG relevant. Für örtliche Verbrauchsund Aufwandssteuern sind ausschließlich die Länder zuständig. Der Bund ist zuständig für die Erhebung von Steuern, soweit ihm die Ertragskompetenz gem. Art. 106 GG ganz oder zum Teil zusteht und die Erforderlichkeit i.S.d. Art. 72 Abs. 2 GG vorliegt. Macht der Bund von dieser konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch, sind auch hierfür die Länder zuständig. 2.2.1.2 Normenklarheit und Bestimmtheit Nach dem Grundsatz der Bestimmtheit muss die konkrete Ausgestaltung des gesetzlichen Steuertatbestands nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß ausreichend bestimmt sein und sich vom Bürger erschließen lassen.56 Dieser aus dem Vertrauensschutzprinzip resultierende Grundsatz wird vom BVerfG in seiner Rechtsprechung aber eher zurückhaltend angewendet: Es reicht aus, wenn der Gesetzgeber die wesentlichen 56 BVerfGE 34, 348, 367. 38 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Bestimmungen mit hinreichender Genauigkeit trifft, sodass die Verwaltungsbehörden und Gerichte „auftauchende Zweifelsfragen mithilfe der anerkannten Auslegungsmethoden zu beantworten“ in der Lage sind.57 Daneben erfordert der Grundsatz der Normenklarheit, dass der Gesetzgeber die steuerliche Vorschrift so genau, verständlich und klar fassen muss, wie dies nach der Eigenart des zu besteuernden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.58 2.2.1.3 Belastungsgleichheit, Art. 3 I GG In materieller Hinsicht muss die Steuer dem aus Art. 3 Abs. 1, 12 und Art. 14 GG hergeleiteten Verfassungsgrundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit genügen. Nach diesem Grundsatz hat sich die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerschuldner zu orientieren.59 Für deren Beurteilung werden dem Gesetzgeber ein weiter Ausgestaltungsspielraum60 und eine weitreichende Befugnis zur Vereinfachung und Typisierung eingeräumt.61 2.2.2 Vorgaben für Sonderabgaben Soweit das erforderliche Kapital nicht über Steuern, sondern über Sonderabgaben finanziert wird, müssen die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Anforderungen an Sonderabgaben eingehalten werden. 2.2.2.1 Gefährdungspotential von Sonderabgaben Die Erhebung von Sonderabgaben steht verfassungsrechtlich in Konkurrenz zum System der Finanzverfassung und gefährdet damit die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Steuerstaatlichkeit, des Haushaltsverfassungsrechts, insbesondere des Budgetrechts des Parlaments, der bundesstaatlichen Finanzverfassung und der Belastungsgleichheit der Bürger.62 Daher unterliegen Sonderabgaben grundsätzlich strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen. 57 58 59 60 61 62 BVerfGE 21, 209, 215. BVerfG 2 BvL 59/06. BVerfGE 118, 168, 196; 93, 121, 134 ff; BVerfGE 107, 27, 46 ff; BVerfGE 116, 164, 180. BVerfGE 117, 1, 30. BVerfGE 99, 280, 290; 105, 73, 127; BVerwGE 110, 237, 239 f. BVerfGE 91, 186, 202. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 39 2.2.2.2 Arten von Sonderabgaben Dabei unterscheidet das BVerfG zwischen verschiedenen Arten von Sonderabgaben:63 Ausgleichs-Finanzierungsabgaben64 sollen Belastungen oder Vorteile innerhalb eines bestimmten Erwerbs- oder Wirtschaftszweiges ausgleichen. Ausgleichsabgaben eigener Art65 verfolgen hingegen keinen Finanzierungszweck, sondern einzig den Ausgleich einer Belastung, die sich aus einer primär zu erfüllenden öffentlich-rechtlichen Pflicht ergibt.66 In jüngerer Zeit treten zunehmend im Umweltrecht Sonderabgaben mit primärem Lenkungscharakter67 hinzu. Die Einordnung einer entsprechenden Abgabe in eine dieser Kategorien hat Auswirkungen auf die verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen. Für Ausgleichsabgaben eigener Art sowie Lenkungsabgaben gelten die für Ausgleichs-Finanzierungsabgaben entwickelten Maßstäbe nicht uneingeschränkt.68 Dies gilt jedoch nur in engen Grenzen. Sobald mit einer Sonderabgabe - wenn auch nur untergeordnet - ein Finanzierungszweck verfolgt wird, tritt diese in gefährliche Konkurrenz zum System der Finanzverfassung des GG und es gelten die strengeren Maßstäbe.69 2.2.2.3 Anforderungen an die Erhebung von Sonderabgaben Entsprechend der Konkurrenz, in der Sonderabgaben zu den Abgabentypen aus der Finanzverfassung stehen, sind die Rechtfertigungsanforderungen an die Zulässigkeit dieses „finanzverfassungsrechtlichen Ausnahmetatbestandes“70, die das BVerfG im Rahmen seiner Rechtsprechung entwickelt hat, relativ hoch.71 Zunächst muss die Abgabe bzw. der mit der Abgabe verfolgte Zweck auf eine Sachgesetzgesetzgebungskompetenz außerhalb der Art. 104a – 115 GG gestützt werden können (1). Bei der belasteten Gruppe muss es sich um eine homogen abgrenzbare Gruppe handeln (2), die eine hinreichende Sachnähe zum Abgabezweck aufweist. Aus dieser Sachnähe muss eine spezifische Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen (3). Schließlich muss das Aufkommen der Abgabe gruppennützig verwendet werden (4), um die Sonderbelastung der bestimmten Gruppe zu rechtfertigen. Die Homogenität sowie die spezifische Sachnähe und die daraus resultierende Gruppenverantwortung der Abgabenschuldner entziehen sich einer normativen Bestimmung durch den Gesetzgeber. Sie müssen aus einer in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebenen Interessenlage oder aus besonderen gemeinsamen Gegebenheiten resultieren.72 63 BVerfGE 67, 256, 277. 64 Beispiele: Preisausgleichsabgabe (BVerfGE 8, 274), Hebammenabgabe (BVerfGE 17, 278), Mehrwertabgabe (BVerfGE 18, 274), Milchausgleichsabgabe (BVerfGE 18, 315). 65 Beispiele: Feuerwehrabgabe (BVerfGE 92, 91), Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz (BVerfGE 57, 139), Konjunkturzuschlag (BVerfGE 29, 402). 66 BVerfGE 92, 91, 117. 67 Beispiel Abwasserabgabe. 68 BVerfGE 57, 139, 167. 69 BVerfGE 67, 256, 278. 70 Kluth (1996), S. 260. 71 BVerfGE 55, 274, 298; 67, 256, 275 ff.; 82,159,179 ff. 72 BVerfGE 55, 274, 306 f. 40 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 2.2.3 Fazit Die Vorgaben aus der Finanzverfassung setzen Grenzen primär in zweierlei Richtung: Zum einen ist festzustellen, dass ein ökonomisches „Finetuning“ der Fördermodelle im Sinne einer Fokussierung auf förderbedürftige Regionen, um Mitnahmeeffekte gering zu halten, an die Grenzen der Gebote der Normenklarheit und Normenbestimmtheit stößt und zugleich in der Gefahr steht, hohe Vollzugs- und damit Transaktionskosten auszulösen. Zum anderen engt die Sonderabgaben-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Spielraum ein, die Kosten aus den Fördermodellen den TKNachfragern und nicht den Steuerzahlern aufzuerlegen. Insoweit ist jeweils kritisch zu prüfen, ob tatsächlich eine hinreichende gruppenspezifische Verantwortung und eine gruppennützige Verwendung vorliegen. 2.3 Kommunalrechtliche Vorgaben, insbesondere Zulässigkeit kommunalwirtschaftlicher Tätigkeit Soweit sich Kommunen wirtschaftlich betätigen, um dünn besiedelte Gebiete mit mehr Breitband zu versorgen, sind die einschlägigen gemeinderechtlichen Vorgaben aus den entsprechenden Gemeindeordnungen der Länder zu berücksichtigen. Die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden wird z.B. in NRW73 einer Schrankentrias unterworfen. Eine Gemeinde darf sich nach Art. 107 GO NRW nur wirtschaftlich am Bau und Betrieb von Kommunikationsinfrastrukturen beteiligen, wenn ein dringender öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert (1), die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht (2) und bei einem Tätigwerden außerhalb des Betriebs von TK-Leitungsnetzen einschließlich der Telefondienstleistungen der dringende öffentliche Zweck durch andere Unternehmen nicht ebenso gut und wirtschaftlich erfüllt werden kann (3). 2.3.1 Öffentlicher Zweck Die Beurteilung des Vorliegens eines öffentlichen Zwecks unterliegt grundsätzlich der Einschätzungsprärogative sachgerechter Kommunalpolitik. Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde dient bereits dann einem öffentlichen Zweck, sobald sie eine gemeinwohlorientierte, im öffentlichen Interesse der Einwohner liegende Zielsetzung, also die Wahrnehmung einer sozial-, gemeinwohl- und damit einwohnernützigen Aufgabe, verfolgt. Die Errichtung einer kommunalen Telekommunikationsinfrastruktur liegt als Maßnahme der Wirtschaftsförderung und Standortsicherung im öffentlichen Interesse der Einwohner.74 Dementsprechend wird der TK-Sektor vom Gesetzgeber als kommunales Betätigungsfeld, das durch einen öffentlichen Zweck gedeckt wird, eingestuft (vgl. beispielsweise § 107 Abs.1 S. 1 Nr. 3 GO NRW). 73 Dies ist z.B. in Bayern ähnlich, vgl. Art. 87 BayGO. 74 Vgl. Holznagel et al. (2010), S. 117. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 41 2.3.2 Angemessenes Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde Die Beurteilung, inwieweit die Aufwendung der erforderlichen Mittel in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht, obliegt ebenfalls der Einschätzungsprärogative sachgerechter Kommunalpolitik. Dennoch darf die Gemeinde keine unüberschaubaren und nicht kalkulierbaren Risiken auf sich nehmen. Eine abschließende Beurteilung dieser Voraussetzung ist nur auf Basis der finanziellen Situation der Gemeinde im konkreten Einzelfall möglich. 2.3.3 Subsidiarität § 107 Abs. 1 Nr. 3 GO NRW normiert wie die vergleichbaren Vorgaben in den anderen Bundesländern die grundsätzliche Subsidiarität kommunalwirtschaftlicher Betätigung, soweit der dringende öffentliche Zweck durch andere Unternehmen ebenso gut und wirtschaftlich erfüllt werden kann. Der Betrieb von Telekommunikationsnetzen ist allerdings hiervon teilweise – wie z.B. in NRW gemäß § 107 Abs. 1 Nr. 3 GO NRW – ausdrücklich ausgenommen. Dasselbe gilt auch für den Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge im Allgemeinen, dem Telekommunikationsdienste und -infrastrukturen weitestgehend zugerechnet werden können.75 Jene Vorgaben greifen sowohl für die unmittelbare Erbringung von Telekommunikationsdiensten durch kommunalwirtschaftliche Betätigung als auch für die Förderung privatwirtschaftlicher Aktivitäten, wobei letztere in der vorzunehmenden Abwägung der verfassungsrechtlichen Zielsetzung in privatwirtschaftlicher Ausgestaltung einem geringeren Rechtfertigungsdruck unterliegen. 2.3.4 Fazit Bei einer Betätigung der öffentlichen Hand in Form unmittelbarer wirtschaftlicher Beteiligungen, wie sie in Inderst et. al. (2011a) am Rande untersucht wird, muss aus kommunalrechtlicher Sicht ein öffentlicher Zweck erkennbar und ein angemessenes Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Kommune vorliegen. Dies beides kann regelmäßig bei einem überschaubaren Engagement gewährleistet werden. Auch die Subsidiarität wird regelmäßig erfüllt sein, sofern es um das Schließen vorhandener Versorgungslücken geht. Insoweit setzen die kommunalrechtlichen Anforderungen keine besonders scharfen Restriktionen für eine entsprechende Betätigung der öffentlichen Hand. 75 In Art. 87 I 1 Nr. 4 GO Bayern findet sich ein entsprechender Ausschluss für den Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge. 42 2.4 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Vorgaben des Europäischen Beihilfenrechts 2.4.1 Grundsätzliches Verbot staatlicher Beihilfen, Art. 107 I AEUV Sämtliche staatliche Förderungsmodelle müssen zudem den Vorgaben des höherrangigen europäischen Beihilfenrechts, insbesondere Art. 107 AEUV, entsprechen. Grundsätzlich kann jegliche Form staatlich initiierter Förderung des Auf- und Ausbaus von Hochleistungsinfrastrukturen mit dem Verbot76 staatlicher Beihilfen des Art. 107 Abs. 1 AEUV kollidieren. Ein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV kann auf drei alternativen Wegen ausgeschlossen werden: Zum einen könnte die staatliche Maßnahme bereits auf Tatbestandsebene nicht unter den Begriff der Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV einzuordnen sein. Dies ist der Fall, sofern die Finanzierung der Profitabilitätslücken nachgewiesenermaßen eine Kompensation für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse darstellt („Altmark-Trans“-Kriterien des EuGH77, vgl. Ziff. 2.4.2.1). Zweitens kommt ein Tatbestandsausschluss nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung über „Deminimis“-Beihilfen78 in Betracht (vgl. Ziff. 2.4.2.2). Soweit die staatliche Unterstützungsmaßnahme dennoch als Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV einzuordnen ist, könnte sie von den gesetzlichen Ausnahmen von Art. 107 Abs. 1 AEUV, insbesondere von Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV, gedeckt und damit durch die Kommission genehmigungsfähig sein (vgl. Ziff. 2.4.3). Ein Tatbestandsausschluss aufgrund des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers79 dürfte für die in dieser Studie80 vorgeschlagenen Modelle keine Relevanz haben, da es gerade um Förderungsmaßnahmen in dünn besiedelten Regionen geht, in denen sich aufgrund der suboptimalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (fehlende Dichtevorteile, überproportional steigende Stückkosten) keine privaten Investoren unter marktwirtschaftlichen Bedingungen für Investitionen in Breitbandinfrastrukturen finden lassen. 2.4.2 Tatbestandsausschluss 2.4.2.1 „Altmark-Trans“-Kriterien Eine spezifische staatliche Förderungsmaßnahme im Breitbandbereich unterfällt nicht dem Tatbestand von Art. 107 Abs. 1 AEUV, sofern die Maßnahme die vier vom EuGH 76 Mit Erlaubnisvorbehalt, vgl. Khan (2010), Rn. 2. 77 Rechtssache C-280/00, Altmark-Trans GmbH und Regierungspräsidium Magdeburg/Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH, Slg. 2003, I-7747. 78 Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf „De-minimis“-Beihilfen. 79 In einer Entscheidung C 53 / 2006 hat die Kommission allerdings staatliche Beihilfen in ein Glasfasernetz in Amsterdam aufgrund des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers vom Tatbestand des Art. 107 I AEUV ausgenommen. 80 Vgl. Inderst et al. (2011). Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 43 entwickelten „Altmark-Trans“-Kriterien erfüllt.81 Das begünstigte Unternehmen muss förmlich mit der Bereitstellung und Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sein, wobei die diesbezüglichen Verpflichtungen klar definiert sein müssen (1), die Berechnungsparameter für die Vergütung müssen vorab auf objektive und transparente Weise festgelegt werden (2), die Vergütung ist auf die Höhe der Kostendeckung82 zu beschränken (3) und für den Fall, dass das begünstigte Unternehmen nicht über eine öffentliche Ausschreibung bestimmt wird, muss als Kostenmaßstab ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen zugrunde gelegt werden (4).83 Die Bestimmung der Art und des Umfangs einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesses unterliegt grundsätzlich der Einschätzungsprärogative der einzelnen Mitgliedstaaten. Dennoch kann die Kommission die Definition solcher Dienstleistungen durch die Mitgliedstaaten im Falle eines offenkundigen Fehlers in Frage stellen.84 Auf dieser Grundlage sieht sie die Bereitstellung einer parallelen, öffentlich geförderten Breitbandinfrastruktur in Regionen, in denen bereits private Investoren in eine Breitbandinfrastruktur investiert haben bzw. investieren, nicht als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse an. Soweit jedoch nachgewiesen werden kann, dass private Investoren möglicherweise nicht in der Lage sind, in einem Zeitraum von drei Jahren eine angemessene Breitbandabdeckung für alle Bürger oder Nutzer bereitzustellen und damit ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung ohne Breitbandversorgung bliebe (sog. „weiße Flecken“), ist nach Ansicht der Kommission von der Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse auszugehen.85 Eine Beschränkung auf bestimmte Bandbreiten ist nicht vorgesehen. Damit kommt gleichermaßen ein Angebot zum Zugang zu Basis-Breitbandinfrastukturen (> 1 Mbit/s) als auch zu Hochleistungsnetzen (> 50 Mbit/s) als Dienstleistung von allgemeinem Interesse in Betracht. Die Kommission stellt jedoch Anforderungen an den anzubietenden Dienst: Er muss einen universalen und obligatorischen Charakter aufweisen. Zudem ist nur das Bereitstellen von Diensten auf Vorleistungsebene von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Eine staatliche Subvention von Kommunikationsdiensten für Endkunden entspricht demnach nicht den „Altmark-Trans“-Kriterien. Dies ist auf die Annahme der Kommission zurückzuführen, dass die freien Kräfte des Marktes (zusammen mit einer gegebenenfalls erforderlichen Regulierung) dazu führen, dass auf Grundlage der universellen Breitbandinfrastruktur ein Endkundenmarkt für Telekommunikationsdienste entsteht, der den Nutzern Telekommunikationsdienste zu wettbewerbsfähigen Preisen hervorbringt.86 81 Vgl. Rechtssache C-280/00, Altmark-Trans GmbH und Regierungspräsidium Magdeburg/Nahverkehrsgesellschaft Altmark GmbH, Slg. 2003, I-7747. 82 Dabei sind alle einschlägigen Einnahmen sowie ein angemessener Gewinn anzusetzen. 83 Vgl. Mitteilung der Kommission: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau, 2009/C 235/04, Rn. 21. 84 Vgl. Rechtssache T-289/03, Bupa u.a./Kommission, Slg. 2008, II-00081, Rn. 165, und Rechtssache T106/95 FFSA u.a./Kommission, Slg. 1997, II-229, Rn. 99. 85 Vgl. Mitteilung der Kommission: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau, 2009/C 235/04, Rn. 24. 86 Vgl. Mitteilung der Kommission: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau, 2009/C 235/04, Rn. 27. 44 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen In der Genehmigungspraxis der Kommission im Bereich staatlicher Fördermaßnahmen des Ausbaus von Breitbandinfrastrukturen kommt dem Tatbestandsausschluss nach den „Altmark-Trans“-Kriterien eine eher untergeordnete Bedeutung zu. In nur zwei Entscheidungen aus dem Jahr 200487 (von bisher über 60 Genehmigungsverfahren) sah die Kommission die vier Voraussetzungen als erfüllt an und schloss Breitbandförderungsmaßnahmen Frankreichs vom Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV aus. In den meisten Genehmigungsverfahren finden die „Altmark-Trans“-Kriterien dagegen keine Erwähnung. Die Kommission prüft die Vereinbarkeit der Fördermaßnahmen zumeist direkt und ausschließlich auf Grundlage des Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV. Unabhängig davon könnten die in der Studie (Teilvorhaben 4)88 vorgeschlagenen Fördermodelle (staatliche Investitionszuschüsse, Fondsmodell eines modifizierten Universaldienstkonzepts, etc.) bei entsprechender kostenorientierter Beschränkung der Förderung (siehe Voraussetzungen (2) – (4)) von Art. 107 Abs. 1 AEUV ausgeschlossen und damit als beihilfenrechtlich unproblematisch eingeordnet werden. 2.4.2.2 „De-minimis“-Beihilfen Alternativ sind staatliche Fördermaßnahmen zum Ausbau von Breitbandinfrastrukturen nicht als Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV einzuordnen und damit mit dem europäischen Beihilfenrecht vereinbar, soweit die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 - 5 der Verordnung über „De-minimis“-Beihilfen89 vorliegen, vgl. Art. 2 Abs. 1 „De-minimis“-VO. Kleinbeihilfen sind von Art. 107 Abs. 1 AEUV auszuschließen, soweit die Förderung eines Unternehmens den Betrag von 200.000 € innerhalb von drei Jahren nicht übersteigt (Art. 2 Abs. 2 S. 1 „De-minimis“-VO). Dieser Höchstbetrag wird bei BreitbandInfrastrukturprojekten in dünn besiedelten Gebieten aufgrund der hohen Ausbau- und Verlegekosten regelmäßig überschritten, insbesondere wenn ein Unternehmen mehrere entsprechende Projekte betreut oder das Ausbaugebiet eine relevante Größe erreicht. Dementsprechend scheidet ein Ausschluss der hier betrachteten Finanzierungsmodelle vom Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV aufgrund Art. 2 Abs. 1 „De-minimis“-VO faktisch in den meisten Fällen aus. Von größerer praktischer Relevanz hingegen ist die Ausnahme vom Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV für staatliche Bürgschaften, die an Unternehmen gehen, die nicht in Schwierigkeiten sind, soweit sie die Summe von 1,5 Mio. Euro nicht übersteigen und der Verbürgungsanteil nicht höher als 80 % des zugrundeliegenden Darlehens ist (Art. 2 Abs. 4 lit. d „De-minimis“-VO). 87 Entscheidung der Kommission N 381/04 – Frankreich, Projet de réseau de télécommunication haut débit des Pyrénées-Atlantiques und Entscheidung der Kommission N 382/04 – Frankreich, Mise en place d’une infrastructure haut débit sur le territoire de la région Limousin (DORSAL). 88 Vgl. Inderst et al. (2011). 89 Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf „De-minimis“-Beihilfen, nachfolgend als „De-minimis“-VO bezeichnet. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 45 2.4.3 Genehmigungsfähigkeit nach Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV In den häufigsten Fällen der Beihilfenverfahren im Bereich der Breitbandförderung hat die Kommission jedoch im Rahmen ihres allgemeinen Ermessens über die Zulässigkeit der staatlichen Breitbandausbauförderung auf Ebene der Genehmigung nach Art. 107 Abs. 3 AEUV entschieden. Prüfungsmaßstab ist Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV, demzufolge die Breitbandförderungsmaßnahme eine Zielsetzung von gemeinsamem Interesse aufweisen (1), sowie hierzu geeignet (2), erforderlich (3) sowie verhältnismäßig (4) sein muss.90 Die Kommission unterscheidet dabei begrifflich zwischen der Förderung von Breitbandnetzen und der Förderung von NGA-Netzen.91 Unter den Begriff „Breitbandnetze“ werden zurzeit die bisherigen Kabel- und Kupfernetze gefasst, die Downstream-Raten von maximal 24 Mbit/s ermöglichen. NGA-Netze liegen nach gegenwärtigem Verständnis der Kommission in den folgenden drei alternativen Fällen vor: (a) Teile des bisherigen Kupfernetzes bis hin zu den Verteilerkästen werden durch Glasfaserleitungen substituiert und damit Downstream-Raten von mindestens 40 Mbit/s sowie Upstream-Raten von mind. 15 Mbit/s ermöglicht (s.o. FTTC/VDSL der DTAG). (b) Im Bereich der Kabelnetze ist die Verwendung des neuen Kabelmodem-Standards DOCSIS 3.0, das Übertragungsraten von bis zu 50 Mbit/s ermöglicht, Voraussetzung für das Vorliegen eines NGA-Netzes. (c) Zudem sind Netze als NGA-Netze einzuordnen, die Büro- und Wohnneubauten per Glasfaserkabelnetz (FTTB bzw. FTTH), das Dienste bis 100 Mbit/s und mehr sowie den Zugang zu neuartigen Diensten ermöglichen. 2.4.3.1 Breitbandnetze Die Kommission nimmt in Abhängigkeit vom Grad der gegenwärtigen Breitbandversorgung bzw. Wettbewerbssituation eine Kategorisierung der unterschiedlichen Regionen in drei Bereiche vor: „weiße Flecken“, „graue Flecken“ und „schwarze Flecken“.92 „Weiße Flecken“ sind Gebiete, in denen keine Breitbandinfrastruktur vorhanden ist und in den nächsten drei Jahren auch keine Breitbandinfrastruktur aufgebaut wird. „Graue Flecken“ zeichnen sich dadurch aus, dass in diesen Regionen ein Netzbetreiber tätig ist. „Schwarze Flecken“ sind Regionen, in denen mindestens zwei Breitbandnetzbetreiber tätig sind. In Regionen, die die Merkmale „weißer Flecken“ aufweisen, geht die Kommission vom Vorliegen eines Marktversagens und Kohäsionsproblemen aus. Eine staatliche Förderung des Ausbaus von Breitbandnetzen in diesen Gebieten steht in Einklang mit den Zielen der Unionspolitik: der Förderung des territorialen, sozialen und wirtschaftlichen 90 Vgl. Khan (2010), Rn. 22. 91 Mitteilung der Kommission: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau, 2009/C 235/04, Rn. 27, abrufbar im Internet unter http://ec.europa.eu/competition/consultations/2009_broadband_guidelines/guidelines_de.pdf. 92 Vgl. Mitteilung der Kommission: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau, 2009/C 235/04, Rn. 40 ff. 46 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Zusammenhalts.93 Dementsprechend ist eine Unterstützung des Netzausbaus in diesen Regionen beihilfenrechtlich mit nur niedrigem Begründungsaufwand genehmigungsfähig. In den sog. „grauen Flecken“ existiert bereits ein Netzbetreiber. Staatliche Fördermaßnahmen zum Aufbau einer (konkurrierenden) Breitbandinfrastruktur in diesen Regionen werden dementsprechend sorgfältig von der Kommission geprüft. Eine Subventionierung eines Anbieters in diesen Gebieten ist nur unter besonderen Voraussetzungen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar: Es muss an einem Angebot an erschwinglichen oder angemessenen Diensten zur Deckung des Bedarfs von Bürgern und Unternehmen mangeln. Zudem darf das gleiche Ziel nicht mit weniger wettbewerbsverzerrenden Mitteln erreicht werden können.94 Ein derartiges Mittel stellt regelmäßig die Vorabregulierung des einzigen Netzbetreibers dar. Soweit durch diese sichergestellt ist, dass die Endkundenpreise erschwinglich und die nachgefragten Breitbanddienste auch verfügbar sind, kommt eine Förderung des weiteren Breitbandausbaus in dieser Region – falls diese als Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen ist – nicht in Betracht. Soweit dies jedoch verneint werden kann und nur wenig Aussicht besteht, dass von Dritten eine konkurrierende Infrastruktur geschaffen wird, entspricht eine Förderung der konkurrierenden Infrastruktur durch Investitionszuschüsse den europarechtlichen Vorgaben. In den sog. „schwarzen Flecken“ stehen mindestens zwei Breitbandnetzbetreiber in infrastrukturbasiertem Wettbewerb zueinander. In diesen Gebieten ist nicht von einem Marktversagen auszugehen.95 Staatliche Interventionen führen folglich zu unannehmbaren Wettbewerbsverzerrungen und verstoßen gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV. Dementsprechend sind staatliche Subventionsmaßnahmen in diesen Gebieten beihilfenrechtlich nicht zulässig. 2.4.3.2 NGA-Netze Die für die Förderung des Ausbaus von Breitbandnetzen entwickelte Differenzierung zwischen „schwarzen“, „grauen“ und „weißen Flecken“ und die sich daraus ergebenden Folgen bezüglich der Genehmigungsfähigkeit von staatlichen Förderungsmaßnahmen werden von der Kommission analog auf die Förderung des Ausbaus von NGA-Netzen übertragen. Aufgrund eines gewissen Maßes an Substituierbarkeit zwischen NGANetzen und bisherigen Breitbandnetzen müssen bei der beihilfenrechtlichen Beurteilung der Förderung des Ausbaus von NGA-Netzen zusätzlich die Auswirkungen der NGAFörderung auf die vorhandenen Breitbandnetze berücksichtigt werden.96 Hieraus ergeben sich unterschiedlich hohe Anforderungen für die Annahme der Vereinbarkeit der 93 Vgl. Mitteilung der Kommission: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau, 2009/C 235/04, Rn. 41 f. 94 Vgl. Mitteilung der Kommission: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau, 2009/C 235/04, Rn. 44 ff. 95 Vgl. Mitteilung der Kommission: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau, 2009/C 235/04, Rn. 43. 96 Vgl. Mitteilung der Kommission: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau, 2009/C 235/04, Rn. 65 ff. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 47 Fördermaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt. Mit der Anzahl der Breitbandanbieter in einer Region steigt auch der Begründungsaufwand in Bezug auf die Darlegung der Notwendigkeit der Subventionierung von NGA-Netzen in dieser Region. In „weißen NGA-Flecken“ ist eine staatliche Förderung von NGA-Netzen damit beihilfenrechtlich nicht uneingeschränkt möglich. Soweit in dieser Region ein Breitbandanbieter tätig ist („grauer Fleck der Breitbandversorgung“), muss der staatliche Akteur nachweisen, dass die Breitbandversorgung in dem entsprechenden Gebiet nicht zur Deckung des Bedarfs von Bürgern und Unternehmen ausreicht und dass keine weniger wettbewerbsverzerrenden Mittel (insbesondere eine Vorabregulierung) verfügbar sind, um dasselbe Ziel zu erreichen.97 Soweit dieser Nachweis gelingt, ist eine staatliche Förderung des NGA-Ausbaus beihilfenrechtskonform möglich. Daraus ergibt sich eine gewisse Subsidiarität der NGA-Förderung gegenüber einem Breitbandausbau bzw. einer Breitbandförderung. In „grauen NGA-Flecken“, in denen bereits ein privater Investor ein NGA-Netz aufgebaut hat (bzw. in den nächsten drei Jahren wird), ist erforderlich, dass das bestehende (bzw. geplante) NGA-Netz nicht zur Deckung des Bedarfs der Bürger und Unternehmen ausreicht. Zudem dürfen keine milderen Mittel bestehen, die verfolgten Ziele (Kohäsion) zu erreichen.98 Fördermodelle in diesen Regionen, die auf den Aufbau eines konkurrierenden NGA-Netzes abzielen, sind beihilfenrechtlich nur schwer realisierbar, sofern dieses konkurrierende NGA-Netz keine zusätzlichen Funktionalitäten erfüllt. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine NGA-Infrastruktur, soweit diese auch zugangsreguliert ist, ausreicht, den Bedarf der Bürger zu decken. In „schwarzen NGA-Flecken“ ist ein staatlich bezuschusster Ausbau eines weiteren NGA-Netzes aufgrund erheblicher Wettbewerbsverzerrungen unzulässig. 2.4.3.3 Ausgestaltung der Maßnahme Um potentielle Wettbewerbsverzerrungen auf ein Minimum zu beschränken, müssen zusätzlich zu den Voraussetzungen unter 2.4.3.1 und 2.4.3.2 die folgenden Voraussetzungen99 erfüllt sein, damit die staatliche Beihilfe von der Kommission im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung als verhältnismäßig eingestuft wird: Erstellung einer detaillierten Breitbandkarte und Analyse der Breitbandabdeckung100, offenes Ausschreibungsverfahren, 97 Vgl. Mitteilung der Kommission: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau, 2009/C 235/04, Rn. 73. 98 Vgl. hierzu die detailliertere Darstellung der von der Kommission zu prüfenden Punkte in der Mitteilung der Kommission: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau, 2009/C 235/04, Rn. 75. 99 Deren Fehlen führt mit großer Wahrscheinlichkeit zur Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt, vgl. Mitteilung der Kommission: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau, 2009/C 235/04, Rn. 51. 100 Siehe http://www.zukunft-breitband.de/BBA/Navigation/breitbandatlas.html. 48 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen wirtschaftlich günstigstes Angebot, Technologieneutralität, Nutzung bestehender Infrastruktur, Verpflichtung zur Zugangsgewährung auf Vorleistungsebene, Benchmarking und Rückforderungsmechanismus im Fall der Überkompensation. Eine beihilfenrechtskonforme Förderung des Ausbaus von NGA-Netzen muss zudem folgende Voraussetzungen erfüllen: Sieben Jahre lang Gewährung von „offenem Zugang“ auf Vorleistungsebene (inklusive Nutzung von Leerrohren oder Straßenverteilerkästen), Konsultation der nationalen Regulierungsbehörde bei Festlegung der Bedingungen für den Netzzugang und die Netzarchitektur muss die tatsächliche und vollständige Entbündelung erlauben und alle verschiedenen Arten von Netzzugängen bieten (Leerrohr-, Glasfaser- und Bitstromzugang)101 Diese zusätzlichen Anforderungen greifen jedoch nicht in „weißen NGA-Flecken“, die zugleich „weiße Breitbandflecken“ sind.102 2.4.4 Fazit Grundsätzlich gibt es vorliegend drei einschlägige Wege, für eine Beihilfenrechtskonformität von Fördermodellen zu sorgen: Für sehr niedrigschwellige, insbesondere kommunale Fördermaßnahmen kleinerer Anbieter kann ausnahmsweise eine „De-minimis“Förderung unterhalb von 200.000 € in einem Drei-Jahres-Intervall in Betracht kommen. Regelmäßig dürfte dies jedoch daran scheitern, dass das betreffende Unternehmen auch anderweitig Fördergelder erlangt. Eher einschlägig ist die Förderung auf der Basis der „Altmark-Trans“-Kriterien, insbesondere wenn in einem Ausschreibungswettbewerb dasjenige Unternehmen identifiziert wird, dass die Versorgungslücke zu den geringsten Kosten schließt. In der bisherigen Kontrollpraxis der Kommission in Bezug auf Fördermaßnahmen im Breitbandbereich spielt jedoch die Genehmigungspraxis nach Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV die wichtigste Rolle. Dabei differenziert die Kommission zwischen Breitbandnetzen (bis 24 Mbit/s) und NGA-Netzen, die darüber hinaus gehen. Im Übrigen setzt die 101 Eine „Multiple Fibre“-Architektur ist für langfristig nachhaltigen Wettbewerb förderlich und unterstützt Point-to-Point und Point-to-Multipoint-Lösungen, ist also technologieneutral. 102 Vgl. Mitteilung der Kommission: Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau, 2009/C 235/04, Rn. 79. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 49 Genehmigungsfähigkeit jeweils voraus, dass es sich um ein förderwürdiges Gebiet handelt, in denen eine Unterversorgung vorliegt. Das ist bei „weißen (Breitband)Flecken“, also Gebieten ohne Breitbandinfrastruktur, unproblematisch der Fall. In „grauen (Breitband)-Flecken“, in denen bereits eine Breitbandinfrastruktur existiert, ist die Genehmigungsfähigkeit schwieriger herbeizuführen, da durch eine Zugangsregulierung regelmäßig eine hinreichende Angebotsvielfalt bestehen wird. In „schwarzen (Breitband)-Flecken“, die durch konkurrierende Breitbandinfrastrukturen geprägt sind, ist eine Förderung nicht genehmigungsfähig. Ähnliches gilt für NGA-Netze, wobei hier in „weißen NGA-Flecken“ noch zusätzlich auf die Auswirkungen hinsichtlich etwaiger bestehender Breitbandinfrastrukturen geachtet werden muss. Im Übrigen müssen sämtliche Fördermodelle zu möglichst geringen Wettbewerbsbeeinträchtigungen führen und dazu wettbewerbs- und technologieneutral sein sowie auf Ausschreibungen und Benchmarks setzen. Im Fall von NGA-Netzen müssen zusätzlich Zugang und Entbündelung ermöglicht werden. 2.5 Vorgaben des Europäischen Telekommunikationsrechts nach der Universaldienstrichtlinie Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der in dieser Studie103 analysierten Fördermodelle müssen zudem die Vorgaben aus der Universaldienstrichtlinie104 (URL) berücksichtigt werden. Es stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die mittels Universaldienstmechanismus förderbare Bandbreite beschränkt ist. 2.5.1 Universaldienstdefinition in der Universaldienstrichtlinie, durch Kommission und COCOM als Mindestversorgung Gemäß Art. 4 Abs. 2 URL umfasst der Universaldienst einen Anschluss an das öffentliche Telefonnetz, der eine Datenkommunikation mit Übertragungsraten ermöglicht, die für einen funktionalen Internetzugang ausreichen. Die hierzu erforderliche Bandbreite, die einen funktionalen Internetzugang ermöglicht, richtet sich nach der von der Mehrzahl der Teilnehmer vorherrschend verwendeten Technologien und der technischen Durchführbarkeit (vgl. Art. 4 Abs. 2 Hs. 2 URL). Von der Mehrzahl der Teilnehmer ist nach der Definition des COCOM jedenfalls dann auszugehen, wenn mindestens 80 % der Breitbandnachfrager die entsprechenden Dienste nutzen (dazu oben 2.1.2).105 Da die technische Durchführbarkeit und die vorherrschend verwendeten Technologien in den einzelnen europäischen Mitgliedstaaten (mehr oder weniger stark) divergieren106, 103 Vgl. Inderst et al. (2011). 104 Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, geändert durch Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009. 105 Siehe hierzu auch Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 2009/136/EC. 106 Faktoren sind z.B. unterschiedliche Internet-Verbundfähigkeiten der Anbieter, verschiedene Anwendungen, unterschiedliche Merkmale der Teilnehmerendeinrichtungen und Anschlüsse (vgl. Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 2009/136/EC. 50 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen verzichtet der europäische Gesetzgeber auf die Festsetzung einer bestimmten statischen Mindestbandbreite und überlässt es den Mitgliedstaaten, abhängig von den nationalen Gegebenheiten den Umfang des Universaldienstes festzulegen. So können national auch Bandbreiten mit Hilfe des Universaldienstmechanismus etabliert werden, die zwar noch nicht ausreichen, um einen funktionalen Internetzugang zu gewährleisten, wohl aber einzelne unterversorgte Regionen dem Ziel eines funktionalen Internetzugangs näher bringen. Ebenso können in stark industriellen Ländern höhere Bandbreiten mit Hilfe des Universaldienstmechanismus gefördert werden als in Ländern, in denen bestimmte Traffic-intensive Dienste eher selten genutzt werden.107 Vor dem Hintergrund der rasanten Weiterentwicklung der Kommunikationsmärkte gibt der europäische Gesetzgeber der Kommission zudem auf, den Begriff des funktionalen Internets dynamisch zu interpretieren und dessen Umfang regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu definieren, vgl. Art. 15 URL.108 Aus diesem Anlass startete die Kommission im März 2010 erneut eine Konsultation zu einer gegebenenfalls notwendigen Neufestlegung des Umfangs des Universaldienstes.109 Hinsichtlich der technischen Mittel, mit denen der Anschluss an das öffentliche Telefonnetz an einem festen Standort realisiert werden kann, bestehen keine Einschränkungen (vgl. Erwägungsgrund 8 der URL). Es sind sowohl leitungsgebundene als auch drahtlose Technologien zulässig.110 Gegenwärtig genügen in Deutschland damit jedenfalls Anschlüsse mit einer Geschwindigkeit von 1 bis 2 Mbit/s, um unter Berücksichtigung der vorherrschend verwendeten Technologien einen funktionalen Internetzugang zu gewähren.111 Dies ist flächendeckend jedenfalls durch die satellitären Angebote gegeben (vgl. dazu oben 2.1.2, 2.1.5 und 2.1.6). Die europarechtlichen Vorgaben werden demnach eingehalten. 107 Vor dem Hintergrund der zunehmenden Verwendung Traffic-intensiver Dienste scheint in Deutschland eine Bandbreite von 1 MBit/s erforderlich zu sein, um einen funktionalen Internetzugang zu gewährleisten; siehe auch die Stellungnahme des BMWi zum Konsultationsverfahren der EUKommission, im WWW abrufbar unter der URL http://ec.europa.eu/information_society/policy/ecomm/doc/library/public_consult/universal_service201 0/comments/germany_bmwit_de.pdf. 108 Letztmalig veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung über die Überprüfung des Umfangs des Universaldientes gemäß Artikel 15 der Richtlinie 2002/22/EG im Jahr 2008, im WWW abrufbar unter der URL http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2008:0572:FIN:DE:PDF. 109 Hierbei wurde auch die Frage behandelt, inwieweit breitbandige Internetanschlüsse vom Umfang des Universaldienstes erfasst sein sollen; Informationen zum Konsultationsverfahren sind im WWW abrufbar unter der URL http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/10/218&format=HTML&aged=1&langua ge=DE&guiLanguage=en. 110 Vgl. hierzu Mitteilung der Kommission über die zweite regelmäßige Überprüfung des Umfangs des Universaldienstes in elektronischen Kommunikationsnetzen und –diensten, S. 3, im WWW abrufbar unter der URL http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2008:0572:FIN:DE:PDF. 111 Die Übertragungsgeschwindigkeit von 1 MBit/s reicht aus, um Dienste wie „youtube“ und „Skype“ zu nutzen. Skype benötigt nur für Gruppen-Videoanrufe ab fünf Personen höhere Übertragungsraten, vgl. https://support.skype.com/de/faq/FA1417/Wie-viel-Bandbreite-braucht-Skype. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 51 2.5.2 Schranken für weiter reichende Universaldienstmechanismen und hoheitliche gesteuerte Versorgungsmodelle nach URL und COCOM Diese moderate Definition des Universaldienstkonzeptes schließt jedoch nicht per se aus, dass Breitbandinfrastrukturen mit höheren Bandbreiten durch den Universaldienstmechanismus gefördert werden. Dies ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 S. 2 URL, demzufolge in der URL nur ein Mindestangebot an Diensten definiert wird. Damit überlässt es die URL den einzelnen Mitgliedstaaten, die Übertragungsraten ihres Universaldienstes gegebenenfalls auch höher zu definieren. Eine Obergrenze besteht nicht. Eine Einschränkung der maximal förderbaren Übertragungsgeschwindigkeiten ergibt sich aber aus Art. 10 Abs. 1 URL. Nach dieser Vorschrift haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass, soweit die Bereitstellung der Dienste über das Mindestangebot hinausgeht, die Bedingungen so festzulegen sind, dass der Teilnehmer nicht für Einrichtungen oder Dienste zu zahlen hat, die nicht notwendig oder für den beantragten Dienst nicht erforderlich sind. Sollten also Infrastrukturen mit höheren als den für einen funktionalen Internetzugang notwendigen Bandbreiten über den Universaldienstmechanismus gefördert werden, müssen die über diese Infrastruktur angebotenen Dienste derart skaliert werden, dass Nutzer – soweit sie nur einen dem Mindestangebot eines funktionalen Internetzugangs entsprechenden Anschluss wünschen – auch nur für diesen funktionalen Internetzugang bezahlen. Dies setzt eine relevante Grenze für eine zwingende weit reichende Querfinanzierung von Breitband-Hochleistungsinfrastrukturen durch die Endkunden wie sie in Inderst et al. (2011a) diskutiert werden. Auch das COCOM geht in seiner Interpretation davon aus, dass der bestehende Spielraum der Mitgliedstaaten durch die Vorgaben der URL wesentlich eingeengt wird und aus Gründen der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und Verdrängungseffekten eine Universaldienstfinanzierung nur für die mehrheitlich verfügbaren Bandbreiten zulässig ist.112 Insofern stoßen Art. 87 f GG und die europarechtlichen Vorgaben in dieselbe Richtung. 2.5.3 Finanzierungsmechanismus Hinsichtlich der Berechnung der Kosten, die dem Unternehmen, das durch die Erbringung der Universaldienstleistung unzumutbar belastet wird, erstattet werden, schreibt Art. 12 URL eine Orientierung an den Nettokosten unter Berücksichtigung des entstehenden Marktvorteils vor. In Bezug auf die Finanzierung des Kapitals zur Deckung der durch die Universaldienstverpflichtung entstandenen Kosten gibt Art. 13 URL zwei verschiedene Möglichkeiten vor. In Betracht kommt zum einen die Entschädigung des verpflichteten Unternehmens aus öffentlichen Mitteln (Art. 13 Abs. 1 lit. a URL). Diesen Weg hat der deutsche Gesetzgeber mit seiner Universaldienstumlage in § 83 TKG nicht gewählt. Dieser fußt vielmehr auf der alternativen Möglichkeit der URL, die Nettokosten unter den Betreibern von elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten aufzuteilen (Art. 13 Abs. 1 lit. b URL). Dies hat in einem Aufteilungsverfahren zu erfolgen, das unter größt112 COCOM (2011), S. 4. 52 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen möglicher Transparenz, geringstmöglicher Marktverfälschung, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit durchzuführen ist. Die erhobenen Entgelte müssen ungebündelt sein und für jedes Unternehmen gesondert erfasst werden. Abgabepflichtig sind nur Unternehmen, die in dem entsprechenden Hoheitsgebiet Dienste erbringen. 2.5.4 Fazit Aus der Universaldienstrichtlinie lassen sich demnach gegenwärtig keine Vorgaben für den deutschen Gesetzgeber oder die Exekutive ableiten, die über den Universaldienstmechanismus, wie er im TKG angelegt ist, hinaus gehen. Insofern stellt der Universaldienstmechanismus der §§ 78 ff. TKG und dessen bislang fehlende Aktivierung eine europarechtskonforme Umsetzung der Vorgaben der URL dar. Der erforderliche „funktionale Internetzugang“, der nach der Definition des COCOM für eine vorherrschende Nutzung eine 80 %ige Verwendung durch die Breitbandkunden verlangt, ist zurzeit nicht zuletzt angesichts der flächendeckend verfügbaren satellitären Breitband-Angebote jenseits von 2 Mbit/s flächendeckend gewährleistet. Aus europarechtlicher Sicht ergibt sich insoweit keine Handlungsnotwendigkeit. Umgekehrt setzt Art. 10 Abs. 1 URL aber einem Modell einer nutzerbasierten Querfinanzierung des NGA-Ausbaus, wie er in in Inderst et al. (2011a) diskutiert wird, Grenzen, da jeweils auch ein Dienst auf Basis des Mindestangebots und zu den für diesen Dienst erforderlichen Kosten angeboten werden muss. Einer steuerfinanzierten Förderung von NGA-Angeboten steht dies nicht entgegen. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 3 53 Ergebnisse Die vorliegende Untersuchung analysiert die ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen zum Ausbau und zur Finanzierung von Breitband-Hochleistungsinfrastrukturen in dünn besiedelten Gebieten. Mit Blick auf den ökonomischen Rahmen ist zunächst festzustellen, dass Flächendeckungszielen in der deutschen und der europäischen Breitbandstrategie ein hoher Stellenwert zukommt. Das Ziel der Bundesregierung, bis 2018 flächendeckend hochleistungsfähige Breitbandanschlüsse von mindestens 50 Mbit/s verfügbar zu haben, kann nach derzeitigem Stand der Technik unter der Prämisse der weiteren technischen Entwicklung durch einen Mix aus verschiedenen Technologien erreicht werden, wobei es je nach Technologie Leistungsunterschiede gibt. Die derzeit erkennbaren Ausbaupläne werden zur Erreichung des Ziels im ländlichen Raum jedoch nicht genügen. Hierauf hat die Breitbandstrategie der Bundesregierung insofern reagiert, als sie neben einer Betonung des Technologiemixes auch Synergieeffekte und Fördermaßnahmen berücksichtigt. Um die volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit der genannten anspruchsvollen Flächendeckungsziele und ihre weitere Verfolgung zu untersuchen, sind umfassende KostenNutzen-Analysen erforderlich. Vorliegende erste Studien deuten darauf hin, dass gesamtwirtschaftliche Produktivitätsverbesserungen und Innovationspotentiale in Verbindung mit einer hohen Verbreitung von Hochleistungsnetzen bestehen, so dass die hohen Flächendeckungsziele volkswirtschaftlich grundsätzlich gerechtfertigt erscheinen. Dies konnte im Rahmen dieser Studie aber nicht abschließend bewertet werden. Das Ausmaß sinnvoller hoheitlicher Intervention ist durch erhebliche Unsicherheiten geprägt, da der künftige Breitbandbedarf nur schwer prognostizierbar ist und der volkswirtschaftliche Nutzen einer hoheitlich induzierten bzw. subventionierten Nachfrageund Angebotsstimulation der Höhe nach unklar ist. In einer dynamischen Perspektive sind die Unsicherheiten nochmals verstärkt, da eine verspätete Intervention angesichts des zeitlichen Vorlaufs entsprechender Investitionen ebenso Wohlfahrtsverluste generieren kann wie eine verfrühte oder zu intensive staatliche Intervention, die Verluste durch nicht genutzte Synergien (etwa im parallelen Infrastrukturausbau) bedingen kann, die v. a. aber das Risiko einer Fehleinschätzung der Nachfrage erhöht. Je nach Bewertung dieser Faktoren bemisst sich das Ausmaß der notwendigen staatlichen Interventionen. Insoweit wären weitere quantitative Untersuchungen erforderlich, die in der vorliegenden Studie nicht geliefert werden können. Was die rechtlichen Rahmenbedingungen anbelangt, geht es v. a. um die verfassungsrechtlichen Vorgaben und Grenzen des Universaldienstauftrags aus Art. 87 f GG, die Vorgaben aus der Finanzverfassung des Grundgesetzes, die kommunalrechtlichen Bestimmungen und die Grenzen aus dem Europäischen Beihilfenrecht sowie dem Europäischen Telekommunikationsrecht. 54 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen Der Pflichtenumfang des Bundes und insbesondere des Bundesgesetzgebers als Adressat des Universaldienstauftrags aus Art. 87 f Abs. 1 GG ist dabei überschaubar. Aus der Bestimmung folgt lediglich die Pflicht, eine qualitative und quantitative Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen zu annehmbaren Preisen zu gewährleisten. Auch wenn dies mit dem bisherigen Stand eines funktionalen Internetzugangs (also tendenziell 128 kbit/s) gegebenenfalls nicht mehr erfüllt sein dürfte, besteht gegenwärtig jedenfalls keine Verpflichtung, eine Versorgung jenseits von 1 Mbit/s zu gewährleisten. Eine derartige Versorgung ist aber jedenfalls über die satellitären Angebote, aber annähernd auch festnetzseitig gegeben. Aus verfassungsrechtlicher Sicht des Art. 87 f Abs. 1 GG besteht damit gegenwärtig kein Handlungsbedarf. Denn es geht nur um eine Grundversorgung, bei deren Fixierung der Bund im Übrigen über einen entsprechenden Spielraum verfügt. Stattdessen stößt umgekehrt eine staatlich geförderte Breitbandversorgung deutlich jenseits dieses Standards und insbesondere jenseits der 24 Mbit/s (also ADSL2+) trotz einer Befugnis öffentlicher Stellen zur zukunftsoffenen Planung zumindest bei einem Teil der Literatur auf verfassungsrechtliche Bedenken. Diese speisen sich zum einen aus den verfassungsrechtlichen Grenzen des Wettbewerbsprinzips aus Art. 87f Abs. 2 GG und zum anderen wird bestritten, dass insoweit überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht. Ersteres beschränkt auch die Möglichkeiten einer Breitbandförderung auf kommunaler und auf Landesebene, die dem Grunde nach durchaus zulässig ist. Damit steigt jedenfalls der verfassungsrechtliche Begründungsaufwand für eine Fixierung des Versorgungsauftrags im NGA-Bereich. Im Übrigen setzt Art. 87f Abs. 2 GG einer Beteiligungsverwaltung auf kommunaler Ebene Grenzen. So scheidet eine Beteiligungsverwaltung für Unternehmen in öffentlicher Hand aus, sofern diese dem Gebot der autonomen Unternehmensführung und einem privatwirtschaftlichen Verhalten des Unternehmens widersprechen. Öffentlichen Unternehmen wird der Marktzutritt dadurch nicht verboten. Sie dürfen aber angesichts des Wettbewerbsprinzips nicht privilegiert werden. Der Einsatz öffentlicher Unternehmen zur Schaffung von NGA-Angeboten jenseits einer betriebswirtschaftlichen Rationalität wäre vor diesem Hintergrund verfassungswidrig. Die Vorgaben aus der Finanzverfassung setzen Grenzen primär in zweierlei Richtung: Zum einen ist festzustellen, dass für ein ökonomisches „Finetuning“ der Fördermodelle im Sinne einer Fokussierung auf förderbedürftige Regionen, um Mitnahmeeffekte gering zu halten, an die Grenzen der Gebote der Normenklarheit und Normenbestimmtheit stößt und zugleich in der Gefahr steht, hohe Vollzugs- und damit Transaktionskosten auszulösen. Zum anderen engt die Sonderabgaben-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Spielraum ein, die Kosten aus den Fördermodellen den TKNachfragern und nicht den Steuerzahlern aufzuerlegen. Insoweit ist jeweils kritisch zu prüfen, ob tatsächlich eine hinreichende gruppenspezifische Verantwortung und eine gruppennützige Verwendung vorliegt. Bei einer direkten wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand im Rahmen der Verwirklichung der Fördermodelle muss aus kommunalrechtlicher Sicht ein öffentlicher Zweck erkennbar und ein angemessenes Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Kommune vorliegen. Dies beides kann regelmäßig bei einem überschaubaren Engagement Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 55 gewährleistet werden. Auch die Subsidiarität wird regelmäßig erfüllt sein, sofern es um das Schließen vorhandener Versorgungslücken geht. Was die Beihilfenrechtskonformität anbelangt, gibt es vorliegend grundsätzlich drei einschlägige Wege, für eine Beihilfenrechtskonformität der Fördermodelle zu sorgen: Für sehr niedrigschwellige, insbesondere kommunale Fördermaßnahmen kleinerer Anbieter kann ausnahmsweise eine „De-minimis“-Förderung unterhalb von 200.000 € in einem Drei-Jahres-Intervall in Betracht kommen. Regelmäßig dürfte dies jedoch daran scheitern, dass das betreffende Unternehmen auch anderweitig Fördergelder erlangt. Eher einschlägig ist die Förderung auf der Basis der „Altmark-Trans“-Kriterien, insbesondere wenn in einem Ausschreibungswettbewerb dasjenige Unternehmen identifiziert wird, dass die Versorgungslücke zu den geringsten Kosten schließt. In der bisherigen Kontrollpraxis der Kommission in Bezug auf Fördermaßnahmen im Breitbandbereich spielt jedoch die Genehmigungspraxis nach Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV die wichtigste Rolle. Dabei differenziert die Kommission zwischen Breitbandnetzen (bis 24 Mbit/s) und NGANetzen, die darüber hinaus gehen. Im Übrigen setzt die Genehmigungsfähigkeit jeweils voraus, dass es sich um ein förderwürdiges Gebiet handelt, in dem eine Unterversorgung vorliegt. Das ist bei „weißen (Breitband)-Flecken“, also Gebieten ohne Breitbandinfrastruktur, unproblematisch der Fall. In „grauen (Breitband)-Flecken“, in denen bereits eine Breitbandinfrastruktur existiert, ist die Genehmigungsfähigkeit schwieriger herbeizuführen, da durch eine Zugangsregulierung regelmäßig eine hinreichende Angebotsvielfalt bestehen wird. In „schwarzen (Breitband)-Flecken“, die durch konkurrierende Breitbandinfrastrukturen geprägt sind, ist eine Förderung nicht genehmigungsfähig. Ähnliches gilt für NGA-Netze, wobei hier in „weißen NGA-Flecken“ noch zusätzlich auf die Auswirkungen hinsichtlich etwaiger bestehender Breitbandinfrastrukturen geachtet werden muss. Im Übrigen müssen sämtliche Fördermodelle zu möglichst geringen Wettbewerbsbeeinträchtigungen führen und dazu wettbewerbs- und technologieneutral sein sowie auf Ausschreibungen und Benchmarks setzen. Im Fall von NGA-Netzen müssen zusätzlich Zugang und Entbündelung ermöglicht werden. Die Vorgaben des Europäischen Telekommunikationsrechts sind wesentlich weniger voraussetzungsreich und im Falle der Einhaltung des Europäischen Beihilfenrechts sind jene Vorgaben regelmäßig erfüllt. Auch wird der europarechtlich geforderte Universaldienststandard in Deutschland gegenwärtig unzweifelhaft erfüllt. Insoweit besteht kein europarechtlich indizierter Handlungsbedarf. Interessant ist aber zusätzlich die Anforderung des Art. 10 Abs. 1 URL. Nach dieser Vorschrift haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass, soweit die Bereitstellung der Dienste über das Mindestangebot hinausgeht, die Bedingungen so festzulegen sind, dass der Teilnehmer nicht für Einrichtungen oder Dienste zu zahlen hat, die nicht notwendig oder für den beantragten Dienst nicht erforderlich sind. Sollten also Infrastrukturen mit höheren als den für einen funktionalen Internetzugang notwendigen Bandbreiten über den Universaldienstmechanismus gefördert werden, müssen die über diese Infrastruktur angebotenen Dienste derart skaliert werden, dass Nutzer – soweit sie nur einen dem Mindestangebot eines funktionalen Internetzugangs entsprechenden Anschluss wünschen – auch nur für diesen funktionalen Internetzugang bezahlen. Dies setzt eine relevante Grenze für eine zwingende weit 56 Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen reichende Querfinanzierung von Breitband-Hochleistungsinfrastrukturen durch die Endkunden. Vor dem Hintergrund dieser ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen ist eine umfassende Bewertung verschiedener Finanzierungsansätze mit unterschiedlichem Grad an öffentlicher Beteiligung bzw. Unterstützung möglich (dazu Inderst et al. 2011a), die von der Subventionierung von Breitbandinvestitionen durch Zuschüsse, Kredit- oder Bürgschaftsprogramme über die lokale Bündelung der Anschlussnachfrage bis hin zur Beteiligung der Nutzer an den Netzausbauinvestitionen etwa durch die (ggf. steuerlich incentivierte) Übernahme der In-Haus-Verkabelung oder der Hausanschlüsse durch den Endkunden reicht. Ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen 57 Literaturverzeichnis Adler, M. (2000): Universaldienstleistungen nach dem TKG: Verfassungsrechtliche Grundlagen und Fragen des Rechtsschutzes, Aachen Alcatel-Lucent (2007): Access requirements and access options in a VDSL environment An engineering perspective, Vortrag auf der WIK Konferenz Access requirements and access options in a VDSL environment An engineering perspective, Bonn 21 – 22 März 2007 BMWi (2010): 1. 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Juni 2011 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze I Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis IV Zusammenfassung 1 Einleitung 5 1 Finanzierungsinstrumente und alternative Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus 6 1.1 Finanzierungsinstrumente im Überblick 6 1.2 Senkung der Investitionskosten 6 1.2.1 Verstärkte oberirdische Verkabelung 7 1.2.2 Stärkere Nutzung von Synergien mit anderen Infrastrukturträgern 7 1.2.3 Fazit 9 1.3 Regulierungsmaßnahmen 10 1.3.1 TAL-Preise 10 1.3.2 Zugangspreise für NGA-Netze 11 1.3.3 Fazit 12 2 Verbesserung der Nachfragebedingungen 2.1 Höhere Preise für Endnutzerdienste im ländlichen Raum 13 13 2.1.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung 13 2.1.2 Juristische Bewertung 16 2.1.3 Fazit 16 2.2 Lokale Bündelung der Anschlussnachfrage und Nachfrage-Commitments 17 2.2.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung 17 2.2.2 Juristische Bewertung 18 2.2.3 Fazit 19 2.3 Steuerliche Anreize für Anschlussnachfrage 20 2.3.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung 20 2.3.2 Juristische Bewertung 21 2.3.3 Fazit 22 3 Subventionierung von Breitbandinvestitionen 3.1 Direkte Investitionszuschüsse 24 24 3.1.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung 24 3.1.2 Juristische Bewertung 28 3.1.3 Fazit 29 II Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 3.2 Steuerliche Anreize für Betreiberinvestitionen 29 3.3 Kreditprogramme staatlicher Banken 30 3.3.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung 30 3.3.2 Juristische Bewertung 33 3.3.3 Fazit 33 3.4 Staatliche Bürgschaftsprogramme 34 3.4.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung 34 3.4.2 Juristische Bewertung 35 3.4.3 Fazit 36 4 Beteiligung der Nutzer an den Netzausbauinvestitionen 4.1 Übernahme der In-Haus-Verkabelung und/oder der Hausanschlüsse 37 37 4.1.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung 37 4.1.2 Juristische Bewertung 39 4.1.3 Fazit 40 4.2 Mitfinanzierung durch Baukostenzuschüsse oder Anschlussbeiträge 41 4.2.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung 41 4.2.2 Juristische Bewertung 42 4.2.3 Fazit 42 4.3 Steuerliche Anreize für Nutzerbeiträge zu Investitionen 43 4.4 Zeichnung von Anteilen an genossenschaftlich organisierten Betreibergesellschaften 43 4.4.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung 43 4.4.2 Juristische Bewertung 44 4.4.3 Fazit 45 5 Universaldienstansatz 46 5.1 Der klassische Universaldienst 46 5.1.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung 46 5.1.2 Juristische Bewertung 47 5.1.3 Fazit 48 5.2 Ein modifizierter Universaldienstansatz Breitbandfonds 48 5.2.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung 48 5.2.2 Juristische Bewertung 51 5.2.2.1 Einordnung des Breitbandfonds als Sonderabgabe 51 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 5.2.2.2 Prüfung der Anforderungen an Sonderabgaben 52 5.2.2.2.1 Gesetzgebungskompetenz 52 5.2.2.2.2 Gruppenhomogenität 52 5.2.2.2.3 Spezifische Sachnähe und daraus resultierende 5.2.2.2.4 5.2.3 Fazit III Gruppenverantwortung 53 Gruppennützige Verwendung 55 56 6 Fazit 58 Literaturverzeichnis 61 IV Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Abbildungsverzeichnis Abbildung 2-1: Gewinn und Verlust pro Kunde und Monat (in CHF) in der Schweiz Abbildung 2-2: Für Kostendeckung benötigter APRU pro Kunde und Monat (in CHF) Abbildung 3-1: 14 in der Schweiz 15 Erforderliche FTTH-Investitionen in „Euroland― 24 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 1 Zusammenfassung Das vorliegende Papier bewertet und priorisiert auf der Basis des in Inderst et al. (2011) aufgespannten ökonomischen und rechtlichen Beurteilungsrahmens einzelne Instrumente zur Förderung des Ausbaus von Breitbandhochleistungsnetzen außerhalb von Ballungsgebieten. Das Papier beschäftigt sich nicht mit der Frage, ob es gesamtwirtschaftlich begründeten Bedarf zur (weiteren) staatlichen Unterstützung von Hochleistungsnetzen gibt, sondern bewertet für den Fall, dass diese Frage bejaht wird, unterschiedliche Instrumente zur Umsetzung dieser Unterstützung auf ihre Geeignetheit. Eine Analyse, ob es (weiteren) Förderbedarf für Hochleistungsnetze gibt, muss sich insbesondere mit der Nachfrage nach den entsprechenden Diensten, der Profitabilitätslücke beim Ausbau sowie mit den Kosten und Nutzen einer Förderung quantitativ befassen. Dies ist nicht Gegenstand der vorliegenden Studie. Die einzelnen Instrumente haben wir klassifiziert nach - (1) Mechanismen zur Verbesserung der Nachfragebedingungen, - (2) der Subventionierung von Breitbandinvestitionen, - (3) der Beteiligung der Nutzer an den Netzausbauinvestitionen und - (4) einem (modifizierten) Universaldienstansatz. Im Einzelnen ergibt sich dabei folgendes Bild: (1) Mit Blick auf die Verbesserung der Nachfragebedingungen sind geografische Preisdifferenzierungen rechtlich grundsätzlich zulässig und volkswirtschaftlich auch sinnvoll. Sofern sie am Markt durchsetzbar sind, können sie einen Beitrag für den weiteren Breitbandausbau leisten. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Prinzipen wie etwa die „Tarifeinheit im Raum― einen Ausbau eher behindern. Sinnvoll ist im Übrigen auch die lokale Bündelung der Anschlussnachfrage und Nachfrage-Commitments, die grundsätzlich auch rechtlich zulässig sind. Steuerrechtliche Anreize zur Förderung der Anschlussnachfrage können aus volkswirtschaftlicher Sicht durchaus sinnvoll sein. Ihre praktische Implementierung setzt jedoch über die Handwerkerprivilegierung in § 35a Abs. 3 EStG hinaus eine weitere Abklärung mit der Europäischen Kommission voraus, um eine steuerrechtlich belastbare und zugleich EU-beihilfenrechtskonforme Ausgestaltung zu gewährleisten. Insoweit besteht das Problem darin, dass das Beihilfenrecht eine Ausdifferenzierung nach der Förderwürdigkeit in der konkreten Region verlangt. Diese lässt sich in allgemeinen Steuertatbeständen jedoch nicht einfach abbilden. Deswegen stehen wir derartigen Maßnahmen eher skeptisch gegenüber. 2 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze (2) In Bezug auf die Subventionierung von Breitbandinvestitionen sind steuerliche Anreize für Betreiberinvestitionen wenig sinnvoll, da sie die Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung steuertatbestandlicher Fördervarianten teilen, ohne hinreichende Vorteile gegenüber direkten Investitionszuschüssen, Kredit- oder Bürgschaftsprogrammen aufzuweisen. Direkte Investitionszuschüsse können hingegen zur gezielten Schließung von Breitbandlücken sinnvoll sein. Insoweit greifen keine spezifischen steuerrechtlichen Anforderungen und die ökonomische Rationalität sowie die beihilfenrechtlichen Anforderungen lassen sich sehr gut in der Ausgestaltung der Förderbedingungen abbilden. Dabei kann an die bisherige Förderpraxis angeknüpft werden. Ergänzend zu direkten Zuschüssen sind auch Finanzierungsprogramme staatlicher Banken grundsätzlich geeignet, die orientiert etwa an dem KfW-Sonderprogramm 2009 zusätzlich auf NGAInvestitionen fokussieren und Großunternehmen etwa jenseits eines Gruppenumsatzes von einer oder zwei Milliarden Euro ausschließen, auch öffentliche Unternehmen erfassen und bei einer Beschränkung der maximalen Kredithöhe von etwa 100 Mio. Euro eine Laufzeit von mindestens zehn Jahren eröffnen sollten. Sofern die Kredite nach marktüblichen Konditionen vergeben werden, können die öffentlichen Haushalte geschont werden und es ergibt sich auch kein beihilfenrechtliches Kontrollproblem. Wenn aber abweichend davon Kredite mit Konditionen unterhalb vom Marktzinsniveau angeboten werden sollen, besteht eine Genehmigungsbedürftigkeit, die allerdings durch die Beschränkung auf „weiße― und gegebenenfalls noch „graue― Flecken entsprechend der Beihilfen-„Dogmatik― der Kommission unproblematisch gewährleistet werden kann. Ebenso wie Kreditprogramme sind auch Bürgschaftsprogramme geeignete Instrumente zur Förderung von Breitbandinvestitionen. Die bestehenden Bürgschaftsprogramme können diese Aufgabe auch ohne weitere Modifikationen grundsätzlich erfüllen. In den Vergaberichtlinien sollte die Förderungswürdigkeit von NGA-Projekten entsprechend signalisiert werden. Sofern diese Programme bereits notifiziert wurden, bedarf es auch keiner weiteren Notifizierung bei der Europäischen Kommission. Andernfalls muss die Notifizierung nachgeholt werden. Sie muss die Beschränkung auf „weiße― bzw. gegebenenfalls „graue Flecken― entsprechend den beihilfenrechtlichen Prüfungsmaßstäben der Kommission gewährleisten, sofern die Bürgschaften nicht zu marktüblichen Konditionen vergeben werden und insofern der Beihilfentatbestand entfällt. Diese Voraussetzungen können jedoch unproblematisch gewährleistet werden. Allerdings mag fraglich sein, ob in den hier betrachteten dünn besiedelten Gebieten die Gewährung von Bürgschaften zur Incentivierung eines Ausbaus quantitativ ausreicht. (3) Schwieriger gestaltet sich eine Neuausrichtung der Förderung einer verstärkten Beteiligung der Nutzer an den Netzausbauinvestitionen. Die nachfrageorientierte steuerliche Förderung von Investitionen bei der In-Haus-Verkabelung und dem Hausanschluss kann abgesehen von den Effekten auf den Wettbewerb ökonomisch durchaus sinnvoll sein, um Anreize für Investitionen zu Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 3 schaffen. Jene (negativen) wettbewerblichen Auswirkungen stellen jedoch die rechtliche Machbarkeit einer Förderung – über die Handwerkerprivilegierung in § 35a Abs. 3 EStG hinaus – in Frage. Da mit dem Modell mittelbare und bestimmte Begünstigungen von FTTB/H-Anbietern einhergehen, die jenseits der De-minimis-Schwelle liegen, besteht eine Genehmigungspflichtigkeit. Angesichts der fehlenden Technologieneutralität des Förderansatzes ist davon auszugehen, dass die Kommission dieses Fördermodell besonders kritisch prüfen wird. Das ist auch zum Schutz der Wettbewerber jedenfalls in „weißen NGAFlecken― erforderlich. Daher wird eine regionale Differenzierung des Steuertatbestands beihilfenrechtlich erforderlich. Vor diesem Hintergrund bestehen insgesamt Zweifel, ob eine pragmatisch sinnvolle steuerrechtliche Ausgestaltung entwickelt werden kann, die zugleich die Vereinbarkeit mit dem EUBeihilfenrecht gewährleistet. Eine Mitfinanzierung der NGA-Investitionen durch Baukostenzuschüsse und/oder Anschlussbeiträge der Nutzer würde das verfügbare Finanzvolumen deutlich steigern und zu einer erhöhten Investitionstätigkeit führen. Entsprechende Zuschüsse und Beiträge sind auch rechtlich grundsätzlich unproblematisch möglich, soweit sie am Markt gegenwärtig durchsetzbar sind. Wenn dies nicht der Fall ist, ist ihre Realisierung aber auf eine hoheitliche Flankierung etwa in Form eines Anschlusszwangs mit anschließender Beitragspflicht angewiesen, die nicht zuletzt mit Blick auf das Wettbewerbsprinzip des Art. 87 f Abs. 2 GG verfassungsrechtlich bedenklich und ordnungspolitisch verfehlt wäre. Mit Blick auf die Variante eines Genossenschaftsmodells sind aus ökonomischer Sicht keine besonderen Vorteile erkennbar, da auch hier regelmäßig Subventionen erforderlich bleiben. Als „Testmodell― kann ein derartiger Ansatz aber durchaus sinnvoll sein. Die kommunalwirtschaftlichen Anforderungen im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung der Kommune können regelmäßig gewahrt werden. (4) Eine Modifikation des Universaldienstansatzes im Sinne einer Breitbandabgabe, die einen Breitbandfonds speist, ist vor dem Hintergrund der strengen Sonderabgabenrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht mit dem Finanzverfassungsrecht vereinbar, sofern kein hinreichender Gruppennutzen sowie eine Gruppenverantwortlichkeit nachgewiesen werden kann. Insofern kann der Universaldienstansatz auch in der modifizierten Form nicht eingesetzt werden, um einen Ausbau zu stimulieren, selbst wenn ökonomische Gründe für den Einsatz dieses Instruments sprechen sollten. Es bleibt insoweit die Möglichkeit einer Finanzierung aus Steuermitteln. Der unternehmens- bzw. endkundenfinanzierte Universaldienstmechanismus kann dagegen nur im Hinblick auf ein absolutes Mindestangebot von Telekommunikationsdienstleistungen zur Lückenschließung verwendet werden. Am einfachsten lässt sich damit gegenwärtig das Instrument einer direkten Subventionierung von Breitbandinvestitionen durch Zuschüsse, Kreditprogramme staatlicher Banken und staatliche Bürgschaftsprogramme verwirklichen. Diese Ansätze können an die 4 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze gesteigerten Ausbauziele auf der Zeitschiene – flexibel in Reaktion auf die tatsächliche marktgetriebene Entwicklung – angepasst werden. Ob und in welchem Ausmaß auf diese Instrumente zurückgegriffen werden sollte, hängt dann von einer umfassenden volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse der Breitbandförderung insgesamt ab. Diese ist jedoch nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Unabhängig davon haben wir in diesem Papier anknüpfend an die Ausführungen in Inderst et al. (2010a) dargelegt, dass eine substantielle Änderung des Regulierungsrahmens – abgesehen von der begrenzten europarechtlichen Zulässigkeit – keinen eindeutigen Effekt auf die Steigerung von NGA-Investitionen hat. Weiter untersucht werden sollten stattdessen, so ein Ergebnis der vorliegenden Studie, hoheitliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Senkung der Investitionskosten etwa durch Informationspflichten oder Zugangspflichten zur gemeinsamen Nutzung von Infrastrukturen. Insoweit könnte der ohnehin schon geplante Ausbau an Informationspflichten in § 77a TKG–E in einem eigenständigen Breitbandausbaugesetz um entsprechende Zugangsrechte zu Infrastrukturen alternativer Infrastrukturinhaber aus der Energie-, Verkehrs- und Wasserwirtschaft ergänzt werden, um die Synergieeffekte zu stärken. Derartige Fragen gehen jedoch über diese Untersuchung hinaus. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 5 Einleitung Das vorliegende Papier arbeitet nach einer kursorischen Prüfung alternativer Ansätze (dazu Abschnitt 1) Instrumente auf und bewertet diese, mit denen Investitionen in Hochgeschwindigkeitsnetze außerhalb von Ballungsgebieten initialisiert und finanziert werden können, wenn sie aus sich heraus nicht profitabel sind. Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass ein rein marktgetriebener und finanzierter Ausbau von NGA in ländlichen Gebieten vorbehaltlich der kostensenkenden Nutzung von Synergien, neuer technologischer Entwicklungen oder die Zahlungsbereitschaft erhöhender neuer Dienste heute und auf absehbare Zeit nur in sehr begrenztem Umfang stattfindet. Diese Grundannahme wird in diesem Arbeitspapier nicht weiter entwickelt und bewiesen. Wir beziehen uns diesbezüglich auf das Arbeitspapier von Inderst et. al (2011), das sich damit primär beschäftigt. Wir betrachten insgesamt vier Maßnahmengruppen oder Instrumente, mit denen eine stärkere Versorgung mit Hochgeschwindigkeitsanschlüssen im ländlichen Raum erreicht werden kann. Die erste Gruppe von Maßnahmen, die wir im zweiten Abschnitt behandeln, setzt beim NGA-Nutzer an. Durch eine räumliche Differenzierung der Preisgestaltung für Endnutzerdienste durch die Unternehmen, aber auch durch Bündelung der Anschlussnachfrage kann die Profitabilität des Ausbaus verbessert werden. Die Anschlussnachfrage kann aber auch steuerlich incentiviert werden. Wir erörtern im dritten Abschnitt eine Vielzahl von Maßnahmen, die NGA-Investitionen subventionieren, um so dem Profitabilitätsproblem im ländlichen Raum entgegenzuwirken. Die Profitabilität von NGA-Investitionen für den Investor kann auch dadurch herbeigeführt werden, dass der Nutzer einen Teil der Investitionen, z. B. die In-HausVerkabelung oder den Hausanschluss selbst trägt. Ansätze dazu erörtern wir im vierten Abschnitt. Diesem Maßnahmenbereich sind auch organisatorische Selbsthilfemaßnahmen von Nutzern oder Kommunen zuzurechnen. Schließlich erörtern wir im fünften Abschnitt, ob der Universaldienstansatz des TKG zur Flächendeckung von NGA beitragen kann. Neben dem Universaldienstansatz des TKG erörtern wir in jenem Abschnitt ferner einen modifizierten Universaldienstansatz in Form eines Fondsmodells. In unserer Vorgehensweise stellen wir eine Maßnahme zunächst dar und bewerten sie dann ökonomisch hinsichtlich ihres potenziellen Problemlösungsbeitrags. Anschließend erörtern wir juristische Aspekte der Ausgestaltung sowie rechtliche Schranken und Randbedingungen. In einem kurzen Fazit erfolgt jeweils eine abschließende Bewertung der Einzelmaßnahme sowohl hinsichtlich juristischer als auch ökonomischer Aspekte. 6 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 1 Finanzierungsinstrumente und alternative Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus 1.1 Finanzierungsinstrumente im Überblick Soweit NGA-Projekte jenseits der ökonomisch rationalen Ausbaugrenzen entwickelt werden sollen, sind dazu öffentlich gestützte Finanzierungsmaßnahmen erforderlich, die letztlich darauf hinaus laufen, die Wirtschaftlichkeitslücken durch geeignete Zuschuss- bzw. Subventionierungsmodelle zu schließen. Die dazu möglichen Instrumente und Maßnahmen erörtern und bewerten wir sogleich (2. – 5.). Im Folgenden sollen zuvor Maßnahmen vorgestellt und erörtert werden, die dazu beitragen können oder von denen vermutet wird, dass sie dazu beitragen können, privatwirtschaftliche Investitionen in Richtung auf eine größere Flächendeckung mit NGA zu unterstützen. Wir erörtern in diesem Zusammenhang Maßnahmen zur Senkung der Investitionskosten sowie Regulierungsmaßnahmen. 1.2 Senkung der Investitionskosten Wir haben in Inderst et al. (2011) gezeigt, dass die höheren Investitionskosten pro Anschluss NGA-Investitionen im ländlichen Raum nicht oder weniger profitabel werden lassen. Können diese Investitionskosten (hinreichend) abgesenkt werden, kann auch im ländlichen Bereich die Profitabilitätsschwelle eher erreicht werden. 70 bis 80% der für den NGA-Ausbau erforderlichen Investitionen fließen in den Leitungsbau. Diese Investitionen betreffen einerseits den Anschluss an das Backbone mit Glasfaser, die Verlegung von einem Netzknoten (Kopfstelle, Kabelverzweiger, Hauptverteiler) bis zum Grundstück und die Verteilung auf dem Grundstück. Im Anschlussbereich sind die Investitionen primär von zwei Parametern getrieben: der durchschnittlichen Leitungslänge vom Netzknoten zum Endkunden und den Verlegekosten pro Meter. Die durchschnittlichen Leitungslängen sind (im Wesentlichen) nicht beeinflussbar, sondern allenfalls durch die Netzkonfiguration optimierbar. Sie ergeben sich im Wesentlichen durch die Verteilung der Gebäude im Raum und die Zahl der Wohnungen pro Gebäude. So betragen etwa im vom WIK modellierten Euroland die durchschnittlichen Trassenlängen1 pro Anschluss im dichtest besiedelten Cluster 1 nur 2,4 Meter, während sie im ländlichen 8. Cluster 55 Meter betragen. Zwar betragen die Verlegekosten (für unterirdische Verlegung) auf dem Land nur 60 € pro Meter und im Cluster 1 100 € pro Meter, doch reicht diese Kostendifferenz nicht annähernd aus, um die Längendifferenz als Kostentreiber zu kompensieren. Alle Maßnahmen, die die Kosten der Verlegung vermindern, wirken sich damit insbesondere im ländlichen Raum als positive Investitionsanreize für NGA-Investitionen aus. 1 Die Trassenlängen beziehen sich hier auf einen FTTH-Ausbau. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 7 1.2.1 Verstärkte oberirdische Verkabelung Verlegekosten ließen sich im ländlichen Raum durch eine stärkere oberirdische Leitungsverlegung einsparen. Für die oberirdische Verlegung gehen wir von Verlegekosten in Höhe von 15 € pro Meter aus.2 Dies sind nur etwa ein Viertel der Kosten unterirdischer Verlegung. Zwar wird diese Investitionskostendifferenz teilweise wieder aufgezehrt durch die höheren (laufenden) operativen Kosten, die bei oberirdischen Leitungen anfallen. In der Nettobetrachtung bleibt jedoch nach unseren Einschätzungen und Berechnungen noch eine relevante Kostenersparnis bei oberirdischer Verlegung.3 Bauvorschriften lassen heute in vielen Städten eine oberirdische Verkabelung nicht zu. Bei lokaler Entscheidung können hier jedoch die Trade-offs klar auf der Hand liegen. Wenn in einem ländlichen Ausbaugebiet ein NGA-Ausbau nur bei Zulassung von oberirdischer Verlegung profitabel und damit durchführbar wäre, können lokale Entscheidungsträger die notwendigen Abwägungen treffen und entscheiden, was ihnen wichtiger ist: Zugang zum Hochgeschwindigkeitsnetz oder ein durch hängende Leitungen ungetrübtes Stadt- oder Dorfbild. 1.2.2 Stärkere Nutzung von Synergien mit anderen Infrastrukturträgern Die Nutzung von Synergien verschiedener Infrastrukturträger kann ebenfalls die Verlegekosten von NGA-Netzen senken. Potentiell lassen sich Synergien mit allen Versorgungsunternehmen für Strom, Gas, Wasser und Abwasser realisieren. Synergien bestehen aber auch mit den Infrastrukturressourcen von Städten, Bahnen, Bundesautobahnen, Bundeswasserstraßen sowie der Bundeswehr. Trotz weitgehender Bereitschaft der meisten Infrastrukturinhaber, Synergien gemeinsam zu heben, treten in der Praxis zahlreiche Hürden auf. So fehlt oftmals bereits das Wissen über bestehende Infrastrukturen, die mitgenutzt werden könnten. Bund und Länder haben sich dieses Problems mit dem Aufbau unterschiedlicher Datenbanken angenommen. Zukünftig wird insbesondere der Infrastrukturatlas der Bundesregierung, der von der Bundesnetzagentur betreut wird, Bauplanungsträgern und ihren Auftragnehmern die entsprechenden Informationen bereitstellen. Basierte die Datenlieferung bislang auf freiwilliger Basis insbesondere der Telekommunikations- und Energiewirtschaft, so sieht die laufende TKGNovelle nunmehr eine Auskunftsverpflichtung aller Inhaber geeigneter Infrastrukturen vor (§ 77a Abs. 3 des Kabinettsentwurfs). Sofern Infrastrukturen in einem für einen potenziellen Nutzer relevanten Bereich grundsätzlich vorhanden sind, ist damit aber noch nicht sichergestellt, dass diese auch für einen konkreten Netzausbau nutzbar sind (genaue Lage, Unversehrtheit/ Durchgängigkeit des Rohres, Ein- und Ausstiegspunkte, Anforderungen des geplanten Netzwerkprofils). Standardisierte Verfahren zur Überprüfung der Nutzbarkeit sind derzeit unseres 2 Dieser Wert ist abgeleitet in Hoernig et al. (2010). 3 Siehe hierzu Hoernig et al. (2010). 8 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Wissens nicht etabliert. Es stellen sich Fragen zum Zugang zu diesen Infrastrukturen für die Überprüfung der Nutzbarkeit und zur Tragung angemessener Kosten hierfür. Anschließend muss eine Einigung mit den Eigentümern der Infrastrukturen über die beabsichtigte Nutzung gefunden werden. Hier könnten Best-Practice-Beispiele, Musterverträge und eine Feststellung marktüblicher Preisniveaus die Einigung im Einzelfall erleichtern oder gar überhaupt ermöglichen. Über die Unterstützung freiwilliger Mitnutzungsvereinbarungen hinaus sollte auch geprüft werden, auf welcher Rechtsgrundlage ein allgemeiner Anspruch auf Mitnutzung von Leerrohr- oder anderen physischen Infrastrukturen verankert werden kann. Schon das geltende Telekommunikationsgesetz sieht – bezogen auf TK-Infrastrukturen – in § 70 vor, dass marktmachtunabhängig bei Knappheit im öffentlichen Verkehrsraum auch bereits mitnutzbare Leerrohre durch Nachfrager mitgenutzt werden können. Insoweit besteht ein zivilrechtlicher Duldungsanspruch. Diese abstrakte Möglichkeit wird nach unserer Kenntnis aufgrund der zahlreichen Detailprobleme im Einzelfall so gut wie nie genutzt. So gibt es weder allgemeinverbindliche Fristen, innerhalb derer Anfragen beantwortet werden müssen, noch eine Auskunftsverpflichtung über Details der Infrastruktur (genaue Lage, Belegungsgrad, Nutzbarkeit etc.) oder eine Duldungspflicht für den Anschluss. Ungeregelt ist auch, ab wann eine Infrastruktur als zusätzlich mitnutzbar angesehen werden kann, d.h. welchen Vorbehalt an Kapazitätsreserve ein Eigentümer nicht freigeben muss. Auch Maßstäbe, an denen sich ein Entgelt orientieren könnte, fehlen. Einzig die DTAG ist als Marktbeherrscherin bereits heute im Rahmen von Regulierungsauflagen dazu verpflichtet, ihre Infrastrukturen als BackhaulVerbindung zwischen KVz/ Schaltverteiler und HVT zur Mitnutzung zu öffnen, aber dies gilt explizit nicht für ggf. bestehende Infrastrukturen zu Endteilnehmern. Die bereits im Kabinettsentwurf vorgesehene Vorschrift eines neuen – ebenfalls marktmachtunabhängigen – § 77a TKG sollte aus unserer Sicht erweitert werden. Während Abs. 3 im Hinblick auf den Infrastrukturatlas eine neue allgemeine Informationspflicht für alle potenziell mitbenutzungsfähigen Infrastrukturen statuiert, mit der neben TKUnternehmen auch Unternehmen der Energie-, Gas- und Wasserversorgung verpflichtet werden können, fehlt es nach wie vor an einer Möglichkeit zur Anordnung des Zugangs bzw. zur Anordnung der Mitbenutzung von Leitungen letztgenannter Unternehmen. Dies könnte Gegenstand eines eigenständigen Breitbandausbaugesetzes sein. § 77a Abs. 1 des TKG-E gibt der Bundesnetzagentur lediglich für die Anordnung der Mitbenutzungsmöglichkeit der Verkabelungen in Gebäuden (sog. In-Haus-Verkabelung) oder bis zum ersten Konzentrations- oder Verteilerpunkt eine Ermächtigungsgrundlage an die Hand. Adressaten der Anordnung – also mitbenutzungspflichtig – sind dabei vor allem TK-Betreiber und Inhaber der Verkabelung (insb. die Hauseigentümer). Ein möglicher Vorbehalt zur Nutzung freier Infrastrukturen durch Dritte mag im Übrigen ein geplanter oder vermuteter Eigenbedarf oder auch eine Reparatur- oder Migrationsreserve (freier Raum zum Austausch von Kabeln im Reparaturfall) sein. Es stellt sich Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 9 die Frage, welche Bedarfe bei diesen geltend gemachten Vorbehalten als angemessen angesehen werden können und ab wann u. U. ein öffentliches Interesse die Oberhand gewinnt, und wer hierüber ggf. entscheiden kann. Die Nutzung von Synergien stellt sich nicht nur als Option für bereits in der Vergangenheit errichtete und damit vorhandene Infrastrukturen dar. Die Nutzung von Synergien kann potentiell noch wesentlich relevanter sein, wenn bei der Neuverlegung von Infrastruktur oder bei partieller Neuverlegung bei Reparaturen jeweils die Option der Mitverlegung von Breitbandinfrastruktur geprüft und bei entsprechenden Abstimmungsmaßnahmen der Infrastrukturträger auf Synergiehebung hingewirkt wird. Geplante Bauvorhaben z.B. im Bereich der öffentlichen Verkehrswege eröffnen die Möglichkeit, ggf. geeignete Infrastrukturen für Hochleistungs-Telekommunikationsnetze mit zu verlegen oder gleichzeitig mit verlegen zu lassen. Für die Optionen zur Mitverlegung sind in einigen Städten verhältnismäßig wirksame Verfahren der Vorabinformation an potenzielle Interessenten zur Mitverlegung etabliert, in vielen Regionen aber gar nicht. Offen bleibt, inwieweit eine Mitverlegung erzwungen werden kann, Baumaßnahmen diesbezüglich ggf. etwas verzögert oder erweitert werden können. Es gibt zumindest teilweise eine geübte Praxis zur Kostenaufteilung der Mitverlege-Partner, die jedoch unseres Wissens nicht weiter standardisiert/kodifiziert ist. Häufig ist zu beobachten, dass bei der Erschließung neuer Baugebiete keine Leerrohr- oder Glasfaserinfrastruktur mitverlegt wird. Argumentiert wird in diesen Fällen vielfach damit, dass die Kostentragung nicht geregelt sei oder noch keine konkrete Nachfrage vorliege und somit der vorsorgliche Ausbau nicht gerechtfertigt sei. In diesem Zusammenhang stellt sich einerseits die Frage, inwieweit ein solcher vorsorglicher Ausbau verpflichtend vorgegeben werden kann und andererseits, inwieweit die Nutzung dieser ggf. geschaffenen vorsorglichen Infrastrukturen verpflichtend vorgegeben werden kann. Die genannten Fragestellungen können hier nur aufgezeigt, aber nicht abschließend behandelt werden. Dazu wäre zunächst eine zumindest exemplarische Bestandserhebung an einem konkreten Beispiel erforderlich, was im Rahmen dieser Studie nicht geleistet werden kann. 1.2.3 Fazit Hoheitliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Senkung der Investitionskosten etwa durch Informationspflichten oder Zugangspflichten zur gemeinsamen Nutzung von Infrastrukturen sollten weiter untersucht werden. Insoweit könnte der ohnehin schon geplante Ausbau an Informationspflichten in § 77a TKG-E um entsprechende Zugangsrechte zu Infrastrukturen alternativer Infrastrukturinhaber aus der Energie-, Verkehrs- und Wasserwirtschaft ergänzt werden, um die Synergieeffekte zu stärken. Alternativ wären entsprechende Rechte in einem eigenständigen Breitbandausbaugesetz zu begründen. 10 1.3 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Regulierungsmaßnahmen 1.3.1 TAL-Preise Es wird oft die These vertreten, dass höhere Zugangspreise für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung des Kupferanschlussnetzes höhere Investitionen in neue Hochleistungsnetze auslösen. So wird sogar argumentiert, dass dies insbesondere für NGA-Investitionen in ländlichen Räumen gelte. Höhere TAL-Preise, so das Argument, sollten höhere Gewinne ermöglichen und so die Finanzierungsfähigkeit aus eigenem Cash Flow für Investitionen in moderne Anschlussnetze verbessern. Wir werden hier argumentieren, dass es sehr wohl einen Zusammenhang zwischen TAL-Preis und Investitionen in NGA-Netze gibt. Doch gilt es, diesen Zusammenhang differenziert zu betrachten. Hinsichtlich der DTAG ist es wenig wahrscheinlich, dass sie derzeit nicht in NGA-Netze investiert, weil sie über einen zu geringen Cash Flow verfügt. Erst kürzlich hat die DTAG über ein Aktienrückkaufprogramm ihr Eigenkapital vermindert, ein weiteres aus dem Erlös des Verkaufs der Tochter T-Mobile USA an AT&T ist angekündigt. Damit drückt das Management aus, dass es über überschüssiges Eigenkapital verfügt, das nicht sinnvoll in Real- oder Finanzinvestitionen angelegt, sondern besser an die Eigentümer zurückgeführt wird, damit diese es effizienter einsetzen können. Durch ihr Kreditrating kann die DTAG im Übrigen auch problemlos Fremdkapital im Markt zu relativ günstigen Konditionen platzieren. Mangelnde Finanzierungsfähigkeit erscheint daher derzeit nicht als Engpass für die Investitionsfähigkeit der DTAG in NGA-Netze. Höhere TAL-Preise würden den Gewinn der DTAG aus dem Wholesalegeschäft mit der Vermietung von TALs erhöhen. Die ökonomische Analyse hat ebenfalls ergeben, dass auch die Endnutzerpreise steigen4, so dass das Unternehmen auch höhere Gewinne im Endnutzergeschäft erzielen kann. Höhere Gewinne aus dem Geschäft mit Anschlussleitungen des Kupfernetzes (sei es aus dem Wholesale- oder dem Retailgeschäft oder aus beiden) erhöhen aber die Opportunitätskosten der DTAG, von einem Kupfernetz auf ein Glasfasernetz zu migrieren. Der Verzicht auf (höhere) Gewinne müsste durch höhere Gewinne aus dem Glasfasernetz kompensiert werden. Dieses Kannibalisierungsproblem bremst heute schon die Investitionsneigung der DTAG in NGA-Netze. Ihre Investitionsanreize würden bei steigenden TAL-Preisen noch geringer.5 Anders stellt sich dieser Zusammenhang für alternative Betreiber dar. Ein wesentliches Investitionsmotiv für alternative Betreiber, in eigene Netze zu investieren, besteht in der Substitution der TAL. Mit einem eigenen Netz ist ein alternativer Betreiber nicht mehr auf das Vorleistungsprodukt der DTAG angewiesen. Das eigene Netz ersetzt die Vorleistungsnachfrage. Diese Entscheidung ist zu einem wesentlichen Teil durch die relati4 Die Wettbewerber werden eine TAL-Vorleistungspreissteigerung zumindest teilweise an ihre Endkunden weitergeben. Siehe Inderst et al. (2010a). 5 Wir untersuchen dies ausführlich in Inderst et al. (2011b). Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 11 ven Preise zwischen dem Vorleistungsprodukt und den Kosten des eigenen Netzes bestimmt. Steigen die Vorleistungspreise der TAL, wird es für mehr Betreiber bzw. Anschlussbereiche lukrativ, die Inanspruchnahme der TAL durch ein eigenes Netz zu ersetzen. Insofern gilt, dass höhere TAL-Preise die Investitionsanreize alternativer Betreiber in breitbandige Hochleistungsnetze tendenziell steigern. Wie in Inderst et al. (2011a) analysiert, verschwindet diese Steigerung der Investitionsanreize bei einer vollkommenen Marktabdeckung im Kupfernetz und kann im Allgemeinen als eher schwach eingestuft werden. Gegenläufig wirkt sich aus, dass alternative Betreiber durch höhere TAL-Preise an Profitabilität, Cash Flow und damit auch eventuell an Finanzierungsfähigkeit für Investitionen in neue Netze einbüßen. Auf NGA-Investitionen im ländlichen Raum dürften höhere TAL-Preise dagegen nur einen geringen Einfluss haben. Die Höhe der TAL-Vorleistungspreise ändert nichts am grundsätzlichen Entscheidungskalkül des Investors. Jeder NGA-Investor wird zunächst die besonders kostengünstig und damit profitabel ausbaubaren Gebiete versorgen. Dies sind die Gebiete mit hoher Anschlussdichte. Der Investor wird sein Netz soweit ausbauen, bis das letzte Ausbaugebiet gerade noch für ihn profitabel ist. Diese Ausbaugrenze wird durch die Profitabilität des Netzes bestimmt. Steigen die TALVorleistungspreise und damit die Opportunitätskosten der Migration, wird die Zahl der Ausbaugebiete, in denen für die DTAG ein Ausbau rational ist, eher sinken. Insofern mag die Ausbaugrenze (leicht) in die dichteren Anschlussbereiche verschoben werden. In jedem Fall ist von einem gewinnorientierten Unternehmen nicht zu erwarten, dass es höhere Gewinne durch höhere Vorleistungspreise dazu einsetzt, die Ausbaugrenze in weniger dicht besiedelte und unprofitable Ausbaugebiete auszudehnen. 1.3.2 Zugangspreise für NGA-Netze Der Referenzpunkt für Zugangspreise sind auch bei NGA-Netzen die LRIC der Anschlüsse. Durch derartige Vorleistungspreise werden kostenbasierte Investitions- und Preissignale an den Netzbetreiber und die Vorleistungsnachfrager vermittelt. Höhere Vorleistungspreise für Zugangsleistungen können grundsätzlich positive Investitionsanreize auslösen, insbesondere dann wenn dadurch höhere Endnutzerpreise möglich werden. In jedem Fall gehen wir davon aus, dass höhere Vorleistungspreise nicht zu Preis-Kosten-Scheren führen, so dass der Netzbetreiber höhere Marktanteile durch Diskriminierung gegenüber seinen Wettbewerbern erreichen könnte. Der mögliche Spielraum für höhere Endnutzerpreise bei NGA-Netzen ist jedoch durch mehrere Faktoren (deutlich) begrenzt. Zunächst gilt heute, dass die höhere Zahlungsbereitschaft der Kunden für höhere Bandbreiten noch sehr begrenzt ist. Solange das Kupferanschlussnetz noch im Markt ist, stellt es auch eine Schranke für hohe Preise für NGA-Netze dar. Ähnlich oder noch stärker wirkt der Wettbewerb durch Kabelnetze. Bedenkt man, dass eine der entscheidenden Einflussgrößen auf die Profitabilität eines NGA-Projektes die Penetrationsrate ist, und die Geschwindigkeit, mit der die Nachfrage 12 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze auf ein neues Netz gezogen werden kann, ergibt sich, dass auch der Netzbetreiber nur ein begrenztes Interesse an hohen Endnutzerpreisen haben kann, solange die Nachfrage preiselastisch reagiert. Es ist sogar möglich, dass die Einführung von NGAAnschlüssen über eine „Penetration-Pricing―-Strategie, d. h. mit zunächst niedrigen und im Zeitablauf steigenden Preisen, geeigneter erfolgt. Relevant für die Frage der Investitionsanreize erscheint uns neben dem Niveau die Struktur der Vorleistungspreise. Nichtlineare Vorleistungspreise können potentiell als Mittel zur Teilung des Risikos zwischen Investor und Vorleistungsnachfrager6 eingesetzt werden und verringern potentiell die Preisverzerrung im Endkundenmarkt. Wie in Inderst et al. (2010a und 2011b) näher erläutert, bergen nichtlineare Vorleistungspreise aber auch Gefahren, insbesondere weil aufgrund intensiveren Wettbewerbs (im Vergleich zu linearen Zugangsentgelten, die zu den gleichen Erlösen im Vorleistungsmarkt führen) Investitionen möglicherweise nicht profitabel sind. Mit Blick auf NGA-Investitionen im ländlichen Raum kommt es auch darauf an, ob die Vorleistungspreise auf Basis eines Durchschnitts über alle Ausbaugebiete oder spezifisch für jedes Ausbaugebiet festgelegt werden. Durchschnittliche Vorleistungspreise führen dazu, dass der Incumbent bei den marginalen Ausbaugebieten einen Wholesaleverlust erleidet. Dies mag einen negativen Einfluss auf die Investitionsbereitschaft in ebensolche Ausbaugebiete haben. Werden die Vorleistungspreise spezifisch für jedes Ausbaugebiet festgelegt, gibt es diese negativen Investitionsanreize nicht. 1.3.3 Fazit Anknüpfend an unsere vorangegangenen Ausführungen (Inderst et al. 2010a) lässt sich feststellen, dass eine substantielle Änderung des Regulierungsrahmens – abgesehen von der begrenzten europarechtlichen Zulässigkeit – keinen eindeutigen Effekt auf die Steigerung von NGA-Investitionen hat – das gilt sowohl für eine Erhöhung der TALEntgelte als auch für die NGA-Zugangsentgelte jenseits einer angemessenen Rendite. 6 Vgl. hierzu auch Inderst et al. (2010a) und Inderst et al. (2011b). Wie in Inderst et al. (2011b) näher ausgeführt, ist ein nichtlineares Zugangsentgelt aber nicht unbedingt zielführend. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 2 13 Verbesserung der Nachfragebedingungen 2.1 Höhere Preise für Endnutzerdienste im ländlichen Raum 2.1.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung Bundesweit einheitliche Endkundenpreise für Breitbandanschlüsse sind nicht unbedingt förderlich für eine möglichst große Flächenabdeckung mit NGA-Netzen. Wir haben in Inderst et al. (2011) den Zusammenhang zwischen Anschlussdichte und Netzausbaukosten beleuchtet. Vereinfachend gilt, dass die Netzausbaukosten kontinuierlich mit der Anschlussdichte sinken. Unter Wettbewerbsbedingungen wäre es naheliegend, wenn auch die Endnutzerpreise sich entsprechend den Kosten räumlich differenzieren. Betrachten wir dazu zunächst das Entscheidungskalkül eines gewinnmaximierenden Netzbetreibers. Dieser wird sein NGA-Netz gerade soweit ausbauen, bis an der Ausbaugrenze kein Gewinn mehr erzielt werden kann und er dort gerade kostendeckend anbieten kann. In den ersten (den inframarginalen) Ausbaugebieten erzielt er Gewinn. Würde er darüber hinaus ausbauen, würde er in diesen Ausbaugebieten Verluste erzielen und seinen Gesamtgewinn vermindern. Dieser Zusammenhang wurde in einer Glasfasernetzstudie des WIK7 für die Schweiz näher abgeleitet. Abbildung 2-1 zeigt dazu den Gewinn und Verlust auf, den ein flächendeckend ausbauender Netzbetreiber in den einzelnen Clustern pro Kunde und Monat bei einem landesweit einheitlichen Endkundenpreis erzielen würde. Dieser Referenzpreis würde für die Schweiz mit durchschnittlich 85 CHF pro Kunde und Monat angenommen. Im Cluster 9 würde der Netzbetreiber gerade noch einen Gewinn von 0,91 CHF pro Kunde und Monat erzielen. Im Cluster 10 würde er dagegen bei dem genannten Referenzpreis von 85 CHF einen Verlust von 6,34 CHF pro Kunde und Monat erwirtschaften. Der Netzbetreiber, der eine (räumlich) einheitliche Preissetzung verfolgt, würde also sein NGA-Netz bis zum Cluster 9 ausbauen. Dies entspricht in der Schweiz einer Bevölkerungsabdeckung von 54%. 7 Vgl. Ilic, Neumann, Plückebaum (2009). 14 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Abbildung 2-1: Gewinn und Verlust pro Kunde und Monat (in CHF) in der Schweiz Profit/Loss per subscriber and month, in CHF 150 100 15,95 14,99 7,31 3,41 4 5 6 7 8 0 11 12 -100 -60,38 -21,04 10 -39,67 -16,75 -50 -6,34 -111,87 Gewinn/Verlust (in CHF) 21,96 3 0,91 26,79 8,87 21,74 50 -150 -200 -235,19 -250 -300 1 2 9 13 14 15 16 Cluster Quelle: Ilic et al. (2009) Wären die Kunden bereit, in den (auf Basis eines Einheitspreises ermittelten) unprofitablen Landesteilen höhere Preise zu zahlen, so könnten auch diese profitabel versorgt werden. Abbildung 2-2 zeigt, dass in Cluster 10 etwa ein (durchschnittlicher) Endkundenpreis von rd. 91 CHF pro Monat statt der ansonsten zugrunde gelegten 85 CHF erforderlich wäre, um in diesem Cluster Kostendeckung für den Netzbetreiber zu erzielen. Im Cluster 13 beträgt der kostendeckende Preis bereits 125 CHF und im (letzten) Cluster 16 schon 320 CHF, d.h. das Vierfache des ursprünglich zugrunde gelegten Preises. Zahlen nur die Kunden in den nicht profitabel versorgbaren Landesteilen einen einheitlich höheren Preis, so müssten sie (in den Clustern 10 bis 16) im Durchschnitt etwa 150 CHF zahlen. Bei einem für die Gesamtschweiz einheitlichen Preis über alle Cluster müsste der modellierte Netzbetreiber im Durchschnitt einen Preis in Höhe von 116,9 CHF erheben statt 85 CHF pro Kunde und Monat, d. h. wenn alle Nutzer einen um 38% höheren Endnutzerpreis zahlen würden, könnte in der Schweiz ein flächendeckend profitabel betreibbares Glasfasernetz aufgebaut werden. Auch wenn ein solches Netz insgesamt profitabel ist, so entstehen doch Verluste in sehr ländlich geprägten Regionen. Insofern stellt ein flächendeckend erhöhter Einheitspreis nur ein Gedankenexperiment zur Erzielung von Flächendeckung, aber kein real verfügbares Instrument dar. 15 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Abbildung 2-2: Für Kostendeckung benötigter APRU pro Kunde und Monat (in CHF) in der Schweiz 320.17 350 300 250 196.85 84.98 84.98 84.98 84.98 84.98 84.98 3 4 5 6 7 8 9 11 12 145.36 84.98 2 106.02 84.98 1 91.32 84.98 100 101.73 150 124.65 ARPU 200 50 0 10 13 14 15 16 Cluster Für profitablen Vollausbau erforderlicher ARPU (84.98+31.87 CHF) pro Kunde und Monat Modell relevanter ARPU (84.98 CHF) pro Kunde und Monat Quelle: Ilic et al. (2009) Sicherlich sind die hier vorgestellten Rechnungen zunächst nur (quantitative) Gedankenexperimente, die aber aufzeigen, dass über eine differenzierte Endnutzerpreissetzung die Flächendeckung des NGA-Ausbaus erweitert werden kann. Wir wollen hier nicht weiter der Frage nachgehen, welche Kalküle ein bundesweit tätiger Netzbetreiber bei seiner Preissetzung anstellen muss und wird. In jedem Falle gilt, dass (nur) lokal oder regional tätige Betreiber von NGA-Netzen wesentlich naheliegender eine Preissetzung entlang ihrer jeweiligen Kosten betreiben und sich nicht von irgendwelchen bundesweiten Einheitspreisüberlegungen leiten lassen (müssen). Dies zeigt etwa auch der Branchenvergleich mit den Gas- und Stromversorgungsunternehmen. Die Preise sind dort anbieterabhängig und streuen im Bundesgebiet erheblich. Dieses Szenario ist in Deutschland auch für NGA zu erwarten, wenn der NGA-Ausbau primär durch lokal oder regional tätige Unternehmen getragen wird, so wie dies gegenwärtig zu beobachten ist. 21 16 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 2.1.2 Juristische Bewertung Der Markt Nr. 1 („Zugang von Privatkunden zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten―) ist gegenwärtig der letzte nach der Marktempfehlung der EU-Kommission8 noch prinzipiell regulierungsbedürftige Endkundenmarkt. Die DTAG ist zurzeit – angesichts einer nach Einschätzung der Bundesnetzagentur noch nicht angezeigten Regionalisierung9 – der einzige Akteur mit beträchtlicher Marktmacht und damit der einzige potentielle Adressat von Entgelt-Regulierungsverfügungen auf dem bundesweiten Endnutzermarkt.10 Bei der Auferlegung von Regulierungsverfügungen agiert die Bundesnetzagentur auf diesem Markt aber eher zurückhaltend. Sie verzichtet auf eine Ex-anteEntgeltregulierung und beschränkt die Regulierung der Entgelte auf eine Ex-postMissbrauchskontrolle nach § 38 Abs. 2 - 4 TKG.11 Diese Zurückhaltung ist insbesondere auf das Rangverhältnis zwischen Vorleistungsbereich und Endnutzerebene zurückzuführen: Maßnahmen auf Vorleistungsebene sind grundsätzlich vorzugswürdig (vgl. Art. 17 Abs. 1 lit. b URL).12 Dementsprechend ist der Handlungsspielraum der DTAG bezüglich einer Preisdifferenzierung für Endnutzerdienste im ländlichen Raum telekommunikationsrechtlich nur dahingehend eingeschränkt, dass das Preissetzungsverhalten nicht missbräuchlich i.S.d. § 28 TKG sein darf.13 In diesem Rahmen kann die derzeit als marktbeherrschendes Unternehmen eingestufte DTAG Preise regional differenziert festsetzen. Alternative TK-Diensteanbieter unterliegen nicht einmal dieser weichen Einschränkung und können ihre Endnutzerpreise im Rahmen ihrer Privatautonomie uneingeschränkt selbst festlegen und regional differenzieren. Dementsprechend ergeben sich letztlich keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken aus dem TK-, Wettbewerbs-, Verfassungs- oder Europarecht gegen eine Differenzierung der Endkundenpreise. 2.1.3 Fazit Die Erhöhung der Endnutzerpreise im ländlichen Raum auf der Basis einer entsprechenden Preisdifferenzierung ist für ein bundesweit agierendes Unternehmen wie die DTAG schwieriger darstellbar als für regional tätige Anbieter. Unabhängig davon ist 8 Empfehlung der Kommission vom 17. Dezember 2007 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen, Amtsblatt Nr. L 344 vom 28/12/2007, S. 65-69. 9 Vgl. hierzu Inderst et al. (2010). 10 Vgl. Festlegung der Bundesnetzagentur für den Markt Nr. 1 der Empfehlung der Kommission, im WWW abrufbar unter der URL http://www.bundesnetzagentur.de/cae/servlet/contentblob/146846/publicationFile/5101/BK2-09-002R_RegVerf_Festlegung_PraesK.pdf;jsessionid=60939C1CCECBE6E05803F562F09CE632. 11 Vgl. Regulierungsverfügung BK 2c 09/002-R der BNetzA vom 25.1.2010, im WWW abrufbar unter der URL http://www.bundesnetzagentur.de/cae/servlet/contentblob/146584/publicationFile/5100/BK2-09-002R_RegVerf_Notifizierungsentwurf_Stand_21012010.pdf;jsessionid=60939C1CCECBE6E05803F562F09C E632. 12 Ebenso Holznagel (2003), S. 322 ff. 13 Zum Vorliegen eines Missbrauchs nach § 28 TKG vgl. Kühling / Elbracht (2008), Rn. 181-187. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 17 eine entsprechende Preisdifferenzierung je nach Cluster-Zuordnung eines Anschlusses sowohl für einen bundesweit agierenden als auch für einen regionalen Anbieter rechtlich grundsätzlich unproblematisch möglich. Die Grenze besteht hier in einer preishöhenmissbräuchlichen Endkundenentgeltgestaltung in besonders ländlichen „Clustern―, sofern eine marktbeherrschende Stellung vorliegt, die die Bundesnetzagentur in Abwesenheit einer Regionalisierung der Märkte bislang nur in Bezug auf die DTAG annimmt. Der Preissetzungsspielraum für den Anbieter dürfte hierbei jedoch hinreichend groß sein. Die Schwierigkeit wird eher darin bestehen, dass den Preisdifferenzierungsmöglichkeiten der Unternehmen oft keine entsprechende regionale Differenzierung der Zahlungsbereitschaft der Endnutzer gegenüber steht. 2.2 Lokale Bündelung der Anschlussnachfrage und NachfrageCommitments 2.2.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung Ein profitables NGA-Projekt erfordert bei gegebenen Endnutzerpreisen eine bestimmte Zielpenetrationsrate aller potentiellen Anschlüsse. Der Business Case eines Investors ist jedoch nicht nur von der Höhe der Zielpenetrationsrate abhängig, sondern auch von der Geschwindigkeit, mit der diese erreicht wird. Je schneller dies der Fall ist, desto profitabler wird der Business Case für den Investor oder anders ausgedrückt, ein grenzwertiger oder gar unprofitabler Business Case kann durch eine besonders hohe Anschlussgeschwindigkeit für das Hochleistungsnetz profitabel werden. Angesichts dieser zentralen Bedeutung der Anschlusspenetration und ihres zeitlichen Verlaufs stellt sie für (potentielle) Investoren auch den größten Unsicherheitsfaktor für Investitionen in Hochgeschwindigkeitsnetze dar. Je nachdem wie ein Investor diese Unsicherheit einschätzt, kann sie zur Investitionszurückhaltung führen. Nachfrager können Investoren die genannte Unsicherheit nehmen oder sie doch relevant vermindern. Sie können dies marktlich vermittelt über ihre Anschlussnachfrage darstellen. Dies ist jedoch nur begrenzt problemlösend, da sich eine Anschlussnachfrage erst realisieren lässt, wenn das Netz bereits gebaut ist. Vielmehr geht es ja gerade darum, die Unsicherheit über die Anschlussnachfrage ex ante, d. h. bevor die Investition in das neue Netz getätigt wird, zu vermindern. Netzbetreiber haben in dieser Situation zu dem Mittel gegriffen, Vorabverträge mit potentiellen Anschlusskunden zu schließen und die Investitionsentscheidung vom Erreichen einer bestimmten Mindestanschlussquote abhängig zu machen. Dieser Prozess kann lokal transaktionskostensparend durch Nachfrager- oder Bürgerinitiativen mit oder ohne Mitwirkung der lokalen Politikrepräsentanten unterstützt werden. 18 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 2.2.2 Juristische Bewertung Vorabverträge mit künftigen Nachfragern von Breitbanddiensten unterliegen grundsätzlich der Privatautonomie der TK-Unternehmen und der Nachfrager. Soweit diese ohne Beteiligung der öffentlichen Hand geschlossen werden, ergeben sich grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken aus dem Kommunal-, Verfassungs- oder Europarecht. Je nach Dauer der abgeschlossenen Verträge kann sich jedoch eine Wettbewerbsbeeinträchtigung und damit ein telekommunikations- und wettbewerbsrechtliches Problem daraus ergeben, dass eine langfristige Kundenbindung generiert wird. So könnte gegebenenfalls eine missbräuchliche Vertragsgestaltung im Sinne des § 28 TKG vorliegen, wobei insbesondere ein Behinderungsmissbrauch im Sinne des Abs. 1 S. 2 Nr. 2 jener Norm in Betracht kommt. Dieser ist anzunehmen, soweit durch entgeltrelevante Bestandteile des Vertrags die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen auf erhebliche, nicht rechtfertigbare Weise beschränkt werden. Die Beweislast bezüglich der Rechtfertigung trägt das potentiell behindernde Unternehmen (vgl. § 28 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 TKG). Die Bundesnetzagentur hat § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TKG zum Beispiel auf eine dreimonatige Kündigungsfrist für Anschlusspakete der DTAG angewendet.14 Wann bei einer entsprechenden Bindung vorliegend ein Missbrauch vorläge, hinge sehr stark vom Einzelfall ab und würde ohnehin nur im Falle der Annahme einer marktbeherrschenden Stellung von Relevanz sein. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass dies eine prinzipielle rechtliche Hürde darstellt. Soweit sich jedoch Kommunen an der (Finanzierung der) Vermittlung der Vorabverträge beteiligen, ist deren Handeln insbesondere an den Maßstäben des Kommunalwirtschaftsrechts und des Europäischen Beihilfenrechts zu messen. Kommunalrechtlich ergeben sich keine hohen Schranken. In der Gemeindeordnung in NRW z.B. ist die Vermittlertätigkeit der Kommune als Tätigkeit der Wirtschaftsförderung i.S.d. § 107 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GO NRW zu qualifizieren15 und damit kommunalrechtlich zulässig. EU-beihilfenrechtlich ist die Vermittlung der Vorabverträge angesichts des weiten Beihilfenbegriffs grundsätzlich als Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen. Die konkrete Ausgestaltung der zwischen der Gemeinde und dem TK-Unternehmen geschlossenen Kooperationsvereinbarung entscheidet über die Möglichkeit eines Tatbestandsausschlusses nach der Altmark-Trans-Rechtsprechung des EuGH. Dieser scheint aber eher unwahrscheinlich, sofern in den Vereinbarungen keine Ausgleichsparameter im Sinne einer marktgerechten Gegenleistung für die Vermittlungstätigkeit der Kommune festgelegt sind. Eher einschlägig kann hingegen die De-minimis-Klausel sein, sofern es sich finanziell um nur sehr geringfügige Unterstützungsmaßnahmen handelt. Allerdings ist dabei zu beachten, dass der Schwellenwert von 200.000 € über drei Jahre hinweg von dem betreffenden Unternehmen insgesamt nicht überschritten werden darf. Sofern 14 Nach Gestaltung der damaligen Anschlussverträge mussten Telekom-Kunden, die zu einem alternativen Anbieter wechseln wollten, eine dreimonatige Kündigungsfrist abwarten oder alternativ 29,94 Euro bezahlen, vgl. Beschluss BK 2a 04/015 der BNetzA vom 27.8.2005. 15 Vgl. Holznagel, Picot, Deckers, Grove, Schramm (2010), S. 153. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 19 also vergleichbare Unterstützungsmaßnahmen in unterschiedlichen Kommunen von dem betreffenden Unternehmen in Anspruch genommen werden, ist dieser Schwellenwert schnell erreicht. Denkbar wäre schließlich noch eine Qualifikation als „unbestimmte― Maßnahme, wenn entsprechende Unterstützungsaktivitäten allen Breitbandanbietern offen stehen. Da es sich regelmäßig aber um sehr konkrete Projekte handeln wird, dürfte das Tatbestandsmerkmal der Bestimmtheit im Zweifel vorliegen. Daher wird zumeist nur die Möglichkeit der Genehmigung der von der Kommune übernommenen Vertragsakquisitionstätigkeiten nach Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV verbleiben, die nach den oben dargestellten Kriterien (vgl. Inderst et al. (2011), Ziff. 2.4.3) für jeden Einzelfall gesondert zu beurteilen ist. Denkbar wäre es hier, entsprechende allgemeine Programme von der Kommission genehmigen zu lassen, sofern sich insoweit ein nachhaltiges Bedürfnis entwickeln sollte. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass eine im Rahmen der laufenden TKGNovelle vorgesehene Aufnahme einer Pflicht des TK-Anbieters, zumindest ein Produkt mit maximal 12-monatiger Laufzeitbindung anzubieten, dem nicht entgegen steht, da eine derartige Vorgabe Rabatte für langfristige Nachfrage-Commitments nicht ausschließt, so dass diese weiterhin für beide Seiten attraktiv sein könnten. 2.2.3 Fazit Eine lokale Bündelung der Anschlussnachfrage und Nachfrage-Commitments, wie sie etwa beim „Roll-out― der Kabelnetze für deren Realisierung üblich waren, sind grundsätzlich ein sinnvolles Instrument, um die Nachfrage nach breitbandigem Internet und nach NGA-Anschlüssen in „weißen Flecken― zu steigern, v.a. aber um Investitionsanreize durch eine bessere Planbarkeit der künftigen Nachfrage zu setzen. Das Kernproblem bei der Realisierung dieses Ansatzes wird dabei weniger im rechtlichen Bereich liegen, als bei der Bereitschaft einer entsprechenden langfristigen Bindung auf Nachfragerseite. Aus rechtlicher Sicht können sich zwei Probleme ergeben: So dürfen entsprechende Vertragsgestaltungen nicht missbräuchlich sein (insbesondere im Sinne des § 28 TKG). Dies kann jedoch grundsätzlich bei einer entsprechenden Ausgestaltung gewährleistet werden, auch wenn hier vieles vom Einzelfall abhängt. Sofern die öffentliche Hand den Abschluss von Nachfrage-„Commitments― fördert, sollte sie dies grundsätzlich wettbewerbsneutral und „geringschwellig―, d.h. ohne finanziell aufwendige Maßnahmen tun, sofern sie nicht ein beihilfenrechtliches Genehmigungserfordernis auslösen möchte. Insoweit wäre allerdings auch an die allgemeine Notifizierung entsprechender Unterstützungsmaßnahmen bei der Kommission mit dem Ziel der allgemeinen Genehmigung zu denken, sofern sich diese Maßnahmen als besonders wichtig erweisen. 20 2.3 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Steuerliche Anreize für Anschlussnachfrage 2.3.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung In zweierlei Hinsicht kann auch durch gezielte Ansatzpunkte an der Nachfrage die Penetration von NGA-Anschlüssen gesteigert werden. Bei diesen Maßnahmen ist nicht das NGA-Anschlüsse anbietende Unternehmen, sondern der einen NGA-Anschluss nachfragende Nutzer Ansatzpunkt der staatlichen Fördermaßnahme. Zunächst kann generell der NGA-Anschluss steuerlich durch Einführung eines entsprechenden Steuerabzugsbetrages gefördert werden. Zum anderen kann durch gezielte steuerliche Maßnahmen die Anschlussfähigkeit unrentabler Anschlüsse hergestellt bzw. verbessert werden. Wirtschaftlich betreibbare NGA-Netze setzen eine hohe Penetration der potenziellen Nachfrage voraus. Dies ist zumindest so lange ein relevantes Anbieterproblem, wie die Konsumenten zwischen einem traditionellen und einem NGA-Anschluss wählen können. Fehlende bzw. eine zu geringe Nachfrage nach NGA-Anschlüssen in einem Ausbaugebiet stellen gerade in den ersten Jahren nach dem Netzaufbau eine besondere Belastung für jeden Wirtschaftsplan eines NGA-Anbieters dar. Die Unsicherheit über die Nachfrage nach NGA stellt zudem das größte projektspezifische Risiko von NGAInvestitionen dar. Insofern sollte eine allgemeine Förderung der Anschlussnachfrage das Investitionsrisiko mindern und damit die Investitionsneigung in NGA steigern. Die Laufzeit dieser Fördermaßnahme muss eine relevante Zeitperiode umfassen, wenn sie denn auch Investitionsanreize auslösen und das Investitionsrisiko mindern soll. Würde etwa die Fördermaßnahme nur zwei bis drei Jahre umfassen, würden faktisch keine Investitionen angestoßen, denn neue NGA-Projekte benötigen zu ihrer Umsetzung nicht weniger als zwei Jahre. Eine derart kurz bemessene Maßnahme würde „nur― die Anschlussrate bereits getätigter NGA-Projekte verbessern. Einen objektiven Maßstab für die Förderhöhe gibt es nicht. Ein Ansatzpunkt könnte die Preisdifferenz zwischen traditionellen und NGA-Anschlüssen sein. Würde etwa die Preisdifferenz zwischen den Anschlussarten steuerlich kompensiert werden, sollte ein Wechsel hinreichend motiviert werden. Die Preisdifferenz sollte mittelfristig bei heutigen Preisen nicht höher als 10 € pro Monat liegen. Eine steuerliche Förderung von 100 € pro Jahr für einen Zeitraum von drei Jahren sollte eine relevante Anzahl von Konsumenten zum Wechsel auf NGA motivieren. Genauer ließe sich der Effekt einer steuerlichen Förderung der allgemeinen NGA-Nachfrage über eine Marktforschungserhebung erfassen. Auch geeignete Pilotprojekte könnten hier eine Quantifizierung des Nachfrageeffekts ermöglichen. Die damit näher beschriebene steuerliche Fördermaßnahme wirkt zielgerichtet zur Steigerung der Penetration bereits getätigter NGA-Projekte. Investitionen werden indirekt durch Minderung des Investitionsrisikos angereizt und gefördert. Die Nachfrageförderung ist grundsätzlich anbieterneutral. Sieht man vom Effekt auf bestehende Anschlüs- Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 21 se ab, ist die Fördermaßnahme auch wettbewerbsneutral. Die Förderung selbst lässt sich technologieabhängig oder technologieneutral ausgestalten. Kritisch bleibt anzumerken, dass die Mitnahmeeffekte hoch sein können, da auch Konsumenten gefördert werden, die ohne steuerliche Förderung NGA-Anschlüsse nachfragen würden. Dabei lässt sich eine Nachfrageförderung auch auf NGA-Projekte im ländlichen Raum ausrichten, der dazu geeignet zu definieren ist. Ein Ansatz dazu könnte die (modellmäßige) Ermittlung von profitablen Ausbaugrenzen sein und die Förderung auf den Teil des Landes begrenzt sein, in dem nur bei besonders hohen Penetrationsraten Profitabilität gegeben wäre. 2.3.2 Juristische Bewertung Prinzipielle verfassungsrechtliche oder europarechtliche Bedenken gegen steuerliche Anreize zur Steigerung der Anschlussnachfrage durch Steuerabzugsbeträge und vergleichbare steuerliche Maßnahmen zur Steigerung der Nachfrage nach hochbreitbandigen Anschlüssen bestehen nicht. Die Schwierigkeiten bestehen vielmehr in der rechtskonformen Ausgestaltung im Detail. Hier zeigt sich der Nachteil dieser Fördervariante gegenüber unmittelbaren Zuschüssen16, nämlich die vergleichsweise geringere Steuerungsfähigkeit einer Förderung durch Steuertatbestände. Diese müssen nämlich deutlich höhere Anforderungen an die Normenklarheit und Bestimmtheit (dazu Inderst et al. (2011), Ziff. 2.2.1.2) erfüllen als entsprechende Förderprogramme in Form von Zuschüssen, Darlehen etc. Auch Pilotprojekte können regelmäßig nicht als steuerliche Tatbestände ausgestaltet werden, da dies grundsätzlich mit dem Prinzip der Belastungsgleichheit kollidiert. Damit hat man letztlich einen Trade-off: Entweder formuliert man die Normen sehr weit reichend wie § 35a Abs. 3 EStG und generiert daraufhin erhebliche Mitnahmeeffekte, was die ökonomische Zweckmäßigkeit in Frage stellt. Oder man versucht, durch eine Feindifferenzierung die ökonomische Rationalität der Förderung zu erhöhen. Dann gerät man in Schwierigkeiten, jene Vorgaben normenbestimmt und normenklar zu formulieren. Auch auf der Vollzugs- und Kontrollebene erhöht man dadurch die Transaktionskosten, da nicht mehr – wie bei angebotsseitigen Fördermaßnahmen – einzelne Projekte geprüft werden müssen, sondern eine Vielzahl von einzelnen Steuerabzugsbeträgen, die von den Verbrauchern als Steuerzahlern geltend gemacht werden. Je komplexer dabei die Tatbestände formuliert werden, desto größer werden die Vollzugsstreitigkeiten, was zusätzlich die Transaktionskosten steigert. Dabei müssen die Tatbestände auch eine hinreichende Belastungsgleichheit gewährleisten (dazu Inderst et al. (2011), Ziff. 2.2.1.3), was trotz legislativer Einschätzungsprärogative eine anspruchsvollere Aufgabe ist als bei Förderprogrammen, bei denen vergleichsweise weichere Maßstäbe greifen. Im Übrigen sind entsprechende Steuertatbestände in ihrer Anwendung in einer Zeitperspektive wesentlich weniger flexibel, da sie für einen bestimmten Zeitraum einen Vertrauenstatbestand schaffen und dann auch weniger 16 Vgl. hierzu Abschnitt 3 dieses Papiers. 22 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze leicht modifiziert werden können, wenn sich herausstellt, dass ihre Wirkungsweise nicht überzeugt. Unabhängig davon stellt sich die Frage, inwiefern die NGA-Anbieter nicht umfangreicher davon Gebrauch machen können, die Steuerermäßigung bei Aufwendungen für Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG bei den Endkunden stärker zu aktivieren. Die Vorschrift ermöglicht schon jetzt dem Hauseigentümer und gegebenenfalls auch Mieter, in Höhe der Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen die tarifliche Einkommensteuer um 20 Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um 1.200 € zu mindern. Das BMF-Anwendungsschreiben zu § 35a EStG vom 15. Februar 2010 stellt klar, dass die Installation, Wartung und Reparatur von Breitbandanschlüssen auf dem Grundstück des Eigentümers (bzw. Mieters), zu den begünstigten Handwerkerleistungen zählen.17 Auch beihilfenrechtlich führt die Ausgestaltung als Steuer nicht per se zur mangelnden Bestimmtheit der Maßnahme im Sinne des Beihilfenrechts und damit zum fehlenden Eingreifen des prinzipiellen Beihilfenverbots. So muss vielmehr darauf geachtet werden, dass der Steuertatbestand auch faktisch wettbewerbsneutral gegenüber allen Formen der Breitbandnachfrage wirkt, wie das bei § 35a Abs. 3 EStG unproblematisch der Fall ist. Je nach Ausgestaltung kann hier eine mittelbare Begünstigung bestimmter TKAnbieter gegebenenfalls nicht ausgeschlossen werden, so dass auch insoweit eine Notifizierung bei der Kommission erforderlich bliebe. So hat die Kommission bei der Förderung des Kaufs von DVBT-Receivern durch Endkunden sehr wohl eine mittelbare Begünstigung und damit eine Beihilfe gegenüber den betroffenen TV-Sendern, Betreibern von DVBT-Netzen und Geräteherstellern angenommen.18 Läge eine solche Begünstigung vor, müssten die dargestellten Anforderungen eingehalten werden (Inderst et al. (2011), Ziff. 2.4.3). Dann müssen jedoch „weiße Flecken― bzw. unter bestimmten Voraussetzungen auch „graue Flecken― als exklusive Gebiete, in denen die Steuerabzüge bzw. sonstigen Steuervorteile geltend gemacht werden können, definiert werden. Das führt wiederum zu den aufgezeigten Problemen der Abfassung normenklarer und normenbestimmter sowie belastungsgleicher Steuertatbestände und der Steigerung der Vollzugskosten einschließlich entsprechender Rechtsstreitigkeiten. 2.3.3 Fazit Steuerliche Anreize für die nachfrageseitige Steigerung der Abnahmemengen etwa durch Steuerabzugsmöglichkeiten kommen aus ökonomischer Sicht durchaus als Finanzierungsinstrument infrage. Jedoch stößt ihre Verwirklichung zwar nicht auf prinzipielle, aber doch auf praktische Schwierigkeiten. Entweder werden die entsprechenden 17 Das Schreiben ist abrufbar im WWW unter der URL http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_290/DE/BMF__Startseite/Aktuelles/BMF__Schreiben/Vero ffentlichungen__zu__Steuerarten/einkommensteuer/112__a,templateId=raw,property=publicationFile. pdf. Vgl. dort die beispielhafte Aufzählung von Handwerkerleistungen im Anhang. 18 KomE v. 24.1.2007, Zuschuss zur Anschaffung von Digitaldecodern, ABl. 2007 L 147/1 Ziff. 81 ff. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 23 Steuertatbestände sehr weit gehend formuliert wie § 35a Abs. 3 EStG. Dann generieren sie erhebliche Mitnahmeeffekte und verlieren an ökonomischer Vorteilhaftigkeit. Oder sie müssen versuchen, diese Effekte durch Feindifferenzierung zu verhindern. Dann geraten sie aber regelmäßig in Konflikt mit den durchaus strengen steuerrechtlichen Anforderungen der Normenbestimmtheit und -klarheit sowie der Belastungsgleichheit. Die Möglichkeiten einer pragmatisch sinnvollen Ausgestaltung sind daher eher eng begrenzt. Außerdem können auch Pilotprojekte wegen des Grundsatzes der Belastungsgleichheit grundsätzlich nicht über steuerliche Fördertatbestände realisiert werden. Daher dürfte es eher ratsam sein, dass die NGA-Anbieter stärker die bereits vorhandenen Steuerabzugsmöglichkeit für Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG auf Endkundenseite aktivieren, da diese auch für entsprechende Netze nach dem einschlägigen BMF-Rundschreiben greifen. Darüber hinaus gehende Steuerfördermodelle stoßen auf Bedenken. 24 3 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Subventionierung von Breitbandinvestitionen 3.1 Direkte Investitionszuschüsse 3.1.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung Direkte Investitionszuschüsse setzen unmittelbar am Problem an, dass ein NGAAusbau nur bis zu einer bestimmten Höhe der erforderlichen Anschlussinvestitionen in einem Ausbaugebiet ein rentables Investitionsprojekt begründet. Mit einem direkten Investitionszuschuss werden im Idealfall die erforderlichen Investitionen auf die Höhe der Rentabilitätsschwelle heruntergefahren und damit wird das entsprechende Projekt durchführbar. Die erforderlichen Investitionen streuen, wie bereits dargestellt, räumlich, präziser in Abhängigkeit von der Anschlussdichte. Für ein repräsentatives europäisches Land hat das WIK kürzlich19 die erforderlichen Investitionen beispielhaft für einen Ausbau mit FTTH nach räumlichen Clustern ermittelt (siehe Abbildung 3-1). Pro Anschluss (und in Abhängigkeit von der eingesetzten Technologie) streuen diese Investitionen von ca. 1.200 € pro Anschluss im „Dense urban― Cluster (Anschlussdichte > 4.000 Anschlüsse pro km2) bis zu 4.800 € im ländlichen Bereich (< 60 Anschlüsse pro km2). Abbildung 3-1: Erforderliche FTTH-Investitionen in „Euroland― Incumbent invest per subscriber (70% take-up) 6.000 € 5.000 € 4.000 € P2P 3.000 € 4.911 4.855 4.795 4.810 GPON over P2P Suburban Less Suburban 2.888 2.826 2.772 2.808 Dense Suburban 2.383 2.320 2.269 2.311 1.878 1.814 1.765 1.806 Less Urban 2.201 2.137 2.071 2.112 1.966 1.901 1.841 1.907 1.691 1.627 1.555 1.618 1.000 € 1.324 1.260 1.166 1.223 2.000 € 0€ Dense urban Urban Quelle: Hoernig et al. (2010) 19 Hoernig et. al. (2010). Dense Rural Rural GPON WDM PON Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 25 Nach unserer Kenntnis von FTTB/H-Geschäftsplänen und Berechnungen des WIK liegt die Rentabilitätsschwelle im Beispiel von FTTB/H-Projekten bei grober Annäherung bei Investitionen in Höhe von ca. 2000 Euro pro Anschluss. Projekte, bei denen der Durchschnittswert der Anschlussinvestitionen unter Einbeziehung von Synergien wesentlich oberhalb dieses Wertes liegt, sind nicht mehr wirtschaftlich darstellbar. Damit kann diese Größe auch als Orientierungspunkt für staatliche Investitionszuschüsse dienen, mit denen der Ausbaugrad ausgedehnt werden kann, ohne dass es zu ineffizienten Mitnahmeeffekten kommt. Gleichzeitig kann diese Investitionsgröße auch Maßstab für die Höhe des erforderlichen staatlichen Investitionszuschusses sein. Sind etwa in einem Stadtgebiet mit 50.000 Anschlüssen Investitionen in Höhe von 70 Mio. Euro erforderlich, um z. B. 60% der Anschlüsse auf NGA umzustellen, so ist dieses Projekt wirtschaftlich nur bei einem Investitionszuschuss in Höhe von 10 Mio. Euro durchführbar (50.000 x 0,6 x 2000 Euro ./. 70 Mio. Euro = - 10 Mio. Euro). Stellt man sich gedanklich die Städte (und Gemeinden) geordnet nach der Höhe der erforderlichen Investitionen zur Realisierung von NGA-Anschlüssen vor, lässt sich mit derartigen Ansätzen ermitteln, welcher investive Zuschussbedarf erforderlich ist, um ein bestimmtes mengenmäßiges Ausbauziel zu erreichen. Vice versa ergibt sich, wie viele zusätzliche NGA-Anschlüsse bei einem vorgegebenen Subventionsbudget realisierbar sind. Soll mit einem Investitionsförderprogramm ein maximaler Fördereffekt, definiert über die Zahl zusätzlich realisierbarer NGA-Anschlüsse, erzielt werden, ist in dieser Logik vorzugehen. Im Grundsatz lässt sich das gleiche Konzept auch auf bestimmte regionale Schwerpunkte beziehen. Die Gewährung von Investitionszuschüssen ist im Prinzip im Antragsverfahren möglich. Die vergebende Institution hat dazu vorab den Rahmen für den Erhalt von Investitionszuschüssen zu definieren. Zu den Mindestelementen dieses Rahmens zählen die folgenden: (1) Gebiete/Städte/Regionen, in denen eine Förderung möglich ist. In erster pragmatischer Annäherung könnten dies alle Städte/Regionen sein, in denen bislang kein VDSL-Roll-out oder die Aufrüstung eines TV-Kabelnetzes stattgefunden hat bzw. keine FTTB/H-Projekte bereits realisiert oder in den nächsten drei Jahren erkennbar beabsichtigt sind. (2) Zur Identifikation nachhaltig wirtschaftlicher NGA-Projekte sind Geschäftspläne vorzulegen, aus denen sich auch die Höhe der erforderlichen Investitionszuschüsse ergibt. Diese Geschäftspläne sind in Alternativen hinsichtlich Abdeckung (und Endkundenpreis) und damit Zuschussbedarf zu formulieren. (3) Es sind Mindeststandards für Fachkunde und Leistungsfähigkeit zu fördernder Netzbetreiber zu definieren. (4) Zu definieren ist, in welcher Reihenfolge bzw. unter welchen Voraussetzungen Investitionszuschüsse gewährt werden. Denkbare Prinzipien sind hier „First co- 26 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze me first serve―, nach der Höhe des (spezifischen) Zuschussbedarfs, nach regionalen Gesichtspunkten. (5) Im Falle konkurrierender Anträge für das gleiche Gebiet / die gleiche Stadt sind Auswahlkriterien zu definieren. Bei Erfüllung relevanter Mindeststandards könnte dies etwa die Höhe des geltend gemachten Zuschussbedarfs sein. (6) Performance- bzw. Rückzahlungsvoraussetzungen sind zu definieren, falls die Fördermittel nicht bzw. nicht zweckentsprechend eingesetzt werden. (7) Es muss definiert werden, ob eine Kumulierungsmöglichkeit mit anderen Fördermaßnahmen zugelassen ist oder nicht. Das Antrags- und Prüfverfahren bei der Gewährung von Investitionszuschüssen weist gewisse strukturelle Mängel auf. Der Prüfaufwand, um ungerechtfertigte (Subventions-) Forderungen auszuschließen, ist hoch, wenn auch prinzipiell bewältigbar. Gleichwohl gibt es zwei grundsätzliche Moral-Hazard-Probleme: Netzbetreiber haben generell den Anreiz, den Zuschussbedarf überhöht auszuweisen. Insbesondere haben sie keinen Anreiz, von allen denkbaren und realisierbaren Investitionsersparnissen auch Gebrauch zu machen. Dies gilt zumindest ex ante. Diesen Schwächen eines Antragsverfahrens kann in einem relevanten Umfang durch das Verfahren eines Ausschreibungswettbewerbs begegnet werden. Bei einem Ausschreibungswettbewerb wird im Kern der Anbieter/Netzbetreiber ermittelt, der ein gegebenes (NGA-)Versorgungsziel in einer bestimmten Region am effizientesten erreicht. Effizienzmaßstab ist die Höhe des staatlichen Investitionszuschusses. Der Wettbewerber erhält den Zuschlag, der den geringsten Investitionszuschuss beantragt. Soweit Wettbewerb um die Fördermittel besteht, sollten die bestehenden Kostersparnisund Mitnutzungsmöglichkeiten auch genutzt werden. Ein Ausschreibungswettbewerb benötigt ähnliche, aber tendenziell dezidiertere Vorgaben als ein Antragsverfahren: (1) Es sind eine oder mehrere Institutionen zu bestimmen, die die Ausschreibungswettbewerbe organisieren. (2) Dezidierter als im Antragsverfahren sind die Ausbaugebiete festzulegen. Relevante Einheiten können hier etwa Städte oder Ortsteile sein. (3) Auch hier sind Mindeststandards für Fachkunde und Leistungsfähigkeit festzulegen. (4) Um vergleichbare Angebote zu erhalten, sind anders als im Antragsverfahren die Versorgungsziele vorab festzulegen. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 27 Ein Programm staatlicher Investitionszuschüsse ist grundsätzlich offen für die Setzung regionaler Schwerpunkte. Dies ist etwa dadurch denkbar, dass Länder und Gemeinden zusätzlich zu den oben skizzierten Bundesmitteln weitere Mittel für Investitionszuschüsse zur Verfügung stellen. Diese Mitfinanzierung von Ländern und Gemeinden könnte z. B. so ausgestaltet werden, dass dadurch Projekte realisiert werden, die allein auf der Basis von Bundesmitteln nicht zustande kämen. Auch für eine effiziente Mittelallokation hat das Mitfinanzierungsmodell positive Anreizeffekte, insoweit sollte, wie bei einigen heutigen Fördermaßnahmen bereits der Fall, ein gewisser Selbstbehalt von Ländern und Gemeinden Standard sein. Potentiell sind darüber hinaus Mittel des EUStrukturfonds mobilisierbar. Das Fördermodell direkter staatlicher Investitionszuschüsse lässt sich auch darstellen über Zinsverbilligungen, d.h. durch ein Förderprogramm, das die Kreditgewährung für NGA-Projekte zu niedrigeren Zinssätzen als den Marktzinssätzen vorsieht. Durch modellmäßige Abbildung von Geschäftsplänen lässt sich ermitteln, wie durch niedrigere Zinsen der profitable Netzausbau erweitert werden kann. Modellmäßig lässt sich auch die Äquivalenz von direkten Investitionszuschüssen und verbilligten Zinssätzen ermitteln. Allerdings ist ein Förderansatz über Zinsverbilligung durch die Null-Zins-Schwelle nach oben begrenzt. Wir haben hervorgehoben, dass NGA-Investitionen nur in ganz wenigen Clustern und dichtest besiedelten Stadtteilen replizierbar sind. In den Städten und Regionen, die nach dem hier skizzierten Konzept für eine Investitionsförderung in Frage kommen, ist eine Replizierbarkeit nahezu per Definition ausgeschlossen. Insofern wird der Betreiber der NGA-Infrastruktur alleiniger Anbieter von NGA-Anschlüssen sein. Wettbewerb auf der Ebene dieser Infrastruktur ist ökonomisch nicht darstellbar. Damit sind aber nicht die Möglichkeiten des Wettbewerbs erschöpft. Das Entbündelungskonzept für NGAAnschlüsse ermöglicht die wettbewerbliche Existenz von mehreren Anbietern im Markt neben dem Betreiber der Infrastruktur.20 Neben dem eigenen Retailgeschäft mit Breitbandanschlüssen muss dazu der Infrastrukturanbieter auf der Wholesale-Ebene entbündelte NGA-Anschlüsse an Wettbewerber anbieten. Im Prinzip sollte dazu auch ein wirtschaftliches Interesse bestehen. Um dies friktionsfrei und ohne First-Mover-Vorteile darzustellen, empfiehlt sich eine unmittelbare Verpflichtung für geförderte Netzbetreiber, entbündelte Anschlüsse bereitzustellen. Die Entbündelung ist dabei in der effizientest denkbaren Form darzustellen. Dies entspricht auch dem aus dem Beihilferecht folgenden Open Access-Erfordernis. Der hier skizzierte Ansatz ist wettbewerbsneutral, da jeder (potenzielle) Anbieter unter Einschluss der DTAG Zugang zu den Fördermitteln hat. Dies ist besonders evident im Falle des Ausschreibungswettbewerbs. Die Fördermaßnahme ist auch sehr zielgerichtet, da sie bewirkt, dass NGA-Anschlüsse in Bereichen realisiert werden, die sonst nicht erschlossen würden. Insbesondere das Ausschreibungsverfahren sollte sicherstellen, dass keine Mitnahmeeffekte entstehen. Der hier skizzierte Ansatz staatlicher Investiti20 Vgl. hierzu auch die Ergebnisse der Studie Hoernig et. al. (2010). 28 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze onszuschüsse beeinträchtigt nicht den Wettbewerb, sondern führt ihn auf zwei Ebenen herbei: Erstens auf der Ebene um den Erhalt eines Investitionszuschusses und damit als Wettbewerb um den Markt und zweitens (über den Entbündelungsansatz) auf der Ebene der NGA-Anschlüsse und der damit realisierten Dienste. 3.1.2 Juristische Bewertung Die direkte Bezuschussung privatwirtschaftlicher Investitionen in Breitband- bzw. NGAInfrastrukturen wirft v.a. beihilfenrechtliche Probleme auf, die allerdings lösbar sind. Die hier skizzierten Ansätze stellen grundsätzlich eine Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV dar und sind beihilfenrechtlich ohne Beschränkung auf eine bestimmte Bandbreite realisierbar.21 Einschränkungen der staatlichen Handlungsmöglichkeiten ergeben sich jedoch in Abhängigkeit zu der Wettbewerbssituation in den zu fördernden Regionen (vgl. Inderst et al. (2011), 2.4.3). Soweit es sich bei den geförderten Gebieten um „weiße Breitband- bzw. NGA-Flecken― handelt, kommt – unabhängig von der Realisierung über ein Antrags- oder Ausschreibungsverfahren – ein Ausschluss vom Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV nach den „Altmark-Trans―-Kriterien in Betracht. Hierzu müssten die Berechnungsparameter der Kosten objektiv und transparent festgelegt werden. Die Zuschüsse sind auf die Höhe der erwarteten Kostendeckung zu beschränken. Ein Tatbestandsausschluss nach Art. 2 Abs. 2 S.1 „De-minimis―-VO scheidet wegen der niedrigen Schwelle von 200.000 € zumeist aus. Darüber hinaus sind staatliche Zuschüsse zu Investitionen in „weißen und grauen Flecken― gem. Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV durch die Kommission genehmigungsfähig (vgl. Inderst et al. (2011), Ziff. 2.4.3). In Regionen, die in der Differenzierung der Kommission als „schwarze Flecken― einzuordnen sind, scheidet die Finanzierung einer etwaigen Wirtschaftlichkeitslücke mit Hilfe von Investitionszuschüssen mangels Vorliegens eines Marktversagens hingegen aus. Der Nachweis eines Marktversagens soll vorliegend jedoch ohnehin im Rahmen der Prüfung der Förderfähigkeit gefordert werden. Das ist auch unproblematisch entsprechend ausgestaltbar. Aufbauend auf den bisherigen Erfahrungen mit Programmnotifizierungen in Deutschland für die Breitbandförderung im ländlichen Raum22 können die Förderrichtli21 Vgl. beispielweise die Entscheidung der Kommission über staatliche Beihilfe N 266/2008 – Deutschland, Breitbanderschließung in ländlichen Gebieten Bayerns. 22 Vgl. insbesondere N 53/2010 Federal framework programme on duct support, Germany (http://ec.europa.eu/competition/state_aid/register/ii/doc/N-53-2010-WLWL-en-12.07.2010.pdf), N 368/2009 - Amendment of the State aid broadband scheme N115/2008, Germany (http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp-2009/n368-09.pdf), N 243/2009 Extension of broadband coverage in Niedersachsen, Germany (http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp-2009/n243-09.pdf), N 153/2009 - Amendment of the State aid broadband scheme N266/2008, Germany (http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp-2009/n153-09.pdf), N 238 / 2008 – Broadband infrastructure development in Germany (http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp-2008/n238-08.pdf), N 266 / 2008 - Broadband in rural areas of Bayern, Germany (http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp-2008/n266-08.pdf), N 237 / 2008 - Broadband support in Niedersachsen, Germany (http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp-2008/n237-08.pdf), N 150 / 2008 - Broadband in rural areas of Freistaat Sachsen, Germany (http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp-2008/n150-08.pdf), N 115 / 2008 - Broadband in rural areas of Germany (http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp-2008/n115-08.pdf), Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 29 nien entsprechend ergänzt und an die aktuelle Entwicklung der Breitbandnachfrage (einschließlich entsprechender Versorgungslücken) angepasst werden, bevor die Programme anschließend (re)notifiziert werden. 3.1.3 Fazit Direkte Investitionszuschüsse kommen grundsätzlich als sinnvolles Instrument der Förderung von NGA-Investitionen infrage. Sie erlauben eine ökonomische Feinsteuerung über die Genehmigungsbedingungen und können damit relativ zielgenau zur Ergänzung des Netzes zeitlich flexibel zur Schließung von Lücken eingesetzt werden. Sie können auch einfach angepasst und optimiert werden. Sie können zudem unproblematisch für Pilotprojekte herangezogen werden. Der hier vorgestellte Förderansatz ist zudem kompatibel mit dem europäischen Beihilfenrecht, da er durch die angestrebte Ausgestaltung der Förderbedingungen eine Beschränkung auf weiße und gegebenenfalls graue Gebiete ermöglicht. Dies verhindert jedoch nicht konkrete Probleme asymmetrischer Information, die sich auf Ebene der Klassifizierung von „Flecken― ergeben. Ob in einer bestimmten Region in den nächsten Jahren ausgebaut werden soll oder nicht (handelt es sich also um einen „weißen― oder um einen „grauen Fleck―), ist nur durch Abfrage bei den Unternehmen selbst zu ermitteln. Für diese besteht in diesem Stadium gegebenenfalls kein Anreiz, wahrheitsgemäß zu antworten. Potenziellen sich daraus ergebenden Fehlallokationen kann jedoch durch die Wahl des Ausschreibungsverfahrens zur Bestimmung der zu bezuschussenden Unternehmen begegnet werden. Das Ausschreibungsverfahren minimiert durch die Schaffung eines Wettbewerbs auch die Gefahr, dass private Investitionen verdrängt werden. Damit wird der Wettbewerb im Ergebnis nicht beeinträchtigt, sondern eher gefördert. Insofern ist ein derartiges Förderkonzept vergleichbar mit Maßnahmen, wie sie die EU-Kommission zur Förderung von Breitband in ländlichen Gebieten für verschiedene Mitgliedstaaten in inzwischen mehr als 60 Entscheidungen genehmigt hat. Entscheidungselemente der beihilfenrechtlichen Genehmigungen waren stets die Technologieneutralität, die Sicherung des Open Access (hier dargestellt über eine Entbündelung), die wettbewerbliche Vergabe und ein Markttest, die hier allesamt erfüllt werden sollen. Weitere rechtliche Hürden sind nicht erkennbar. 3.2 Steuerliche Anreize für Betreiberinvestitionen Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass auch steuerliche Anreize für Betreiberinvestitionen theoretisch als Fördervariante denkbar sind. Dabei werden jedoch die Nachteile einer anspruchsvollen Ausgestaltung von Steuertatbeständen generiert (dazu 2.3.2), ohne irgendwelche erkennbaren Vorteile gegenüber direkten Zuschüssen (dazu soeben 3.1) oder Kredit- und Bürgschaftsprogrammen (dazu sogleich 3.3 und 3.4) zu schaffen. Sie sollen daher im Weiteren nicht näher betrachtet werden. N 570 / 2007 – Broadband in rural areas of Baden-Württemberg – Germany (http://ec.europa.eu/community_law/state_aids/comp-2007/n570-07.pdf) [N 391/2010, N 424/2010 und SA.32021 waren im Zeitpunkt des Abschlusses der Studie noch nicht veröffentlicht]. 30 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 3.3 Kreditprogramme staatlicher Banken 3.3.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung Die Finanzmarktkrise hat die Finanzierungskosten gerade von kleinen und mittleren Unternehmen erhöht. Darüber hinaus hat die Bereitschaft der Banken generell abgenommen, risikobehaftete Projekte zu finanzieren. NGA-Projekte kleiner und mittlerer Unternehmen, die unter „normalen― Kapitalmarktverhältnissen finanziert worden wären, weil sie rentabel sind, erhalten oft keine Finanzierung oder nur eine zu (deutlich) höheren Kapitalkosten. Unter heutigen Kapitalmarktbedingungen werden demnach weniger NGA-Projekte realisiert als vor der Finanzmarktkrise. Neben den unmittelbar finanzierungsbedingten Effekten können daraus auch (negative) selbstverstärkende Effekte in der Entscheidung über NGA-Projekte folgen. In Deutschland sind derzeit erst einzelne NGA-Projekte realisiert. Jenseits objektiver Geschäftsplanüberlegungen gibt es sicherlich entscheidungsorientierte Externalitäten: Je mehr NGA-Projekte realisiert werden, desto eher werden an der Grenze positive Entscheidungen über weitere NGA-Projekte getroffen. Insofern steht zu erwarten, dass die aktuelle Finanzmarktkrise zumindest den Start vieler NGA-Projekte hinauszögert. Einer Lösung zugeführt werden sollte in diesem Zusammenhang auch das Problem, dass Banken häufig Netzbestandteile neuer Netze nicht als besicherungsfähige Anlagegüter werten. Ein staatliches Bürgschafts- und Finanzierungsprogramm, wie es die KfW für andere Wirtschaftsaktivitäten aufgelegt hat, kann sehr dezidiert ausgelegt werden, um die realwirtschaftlichen Effekte der Finanzmarktkrise auf die Realisierung von NGA-Projekten zu kompensieren. Das Programm müsste dazu auf die Unternehmen ausgerichtet sein, deren Finanzierungsbedingungen sich verschlechtert haben. Ziel sollte es dabei sein, für NGA-Projekte Finanzierungsbedingungen zu schaffen, wie sie vor der Finanzmarktkrise bestanden haben. Weiterhin gilt es damit eine positive Erwartungsbildung am Kapitalmarkt für NGA-Projekte zu schaffen. Vorbild und Muster für ein derartiges Finanzierungsprogramm kann etwa das KfWSonderprogramm 2009 sein.23 Dieses Programm dient der Sicherstellung der Kreditversorgung der Wirtschaft und insbesondere des Mittelstandes. Es erweitert im Auftrag des Bundes befristet das Finanzierungsangebot der KfW Mittelstandsbank und wurde im Rahmen des ersten Konjunkturprogramms 2008 aufgelegt. Finanziert werden Kredite zu Marktkonditionen insbesondere an mittelständische Unternehmen zur mittel- und langfristigen Finanzierung von Vorhaben in Deutschland. Bei der Finanzierung von Investitionen stellt die KfW die durchleitenden Banken bis zu 90% von der Haftung frei und trägt somit den überwiegenden Teil des Kreditrisikos. Kreditgewährung im Rahmen des Programms ist beschränkt auf Investitionen in Deutschland, die einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg erwarten lassen, 23 Dieses Programm ist hier nur exemplarisch für inzwischen aufgelegte weitere Programme öffentlicher nationaler oder supra-nationaler Banken angeführt. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Unternehmen, die sich mehrheitlich im Privatbesitz befinden, Unternehmen mit einem maximalen (Gruppen-)Umsatz von 500 Mio. Euro. 31 Gefördert werden bis zu 100 % der förderfähigen Investitionskosten bzw. der Betriebsmittel. Die maximale Kredithöhe ist auf 50 Mio. Euro pro Vorhaben begrenzt. Die möglichen Kreditlaufzeiten betragen bei Investitionen fünf bis acht Jahre. Der Programmzinssatz orientiert sich an der Entwicklung des Kapitalmarktes. Darlehen werden mit einem kundenindividuellen Zinssatz im Rahmen von Maximalzinssätzen der jeweiligen Preisklasse zugesagt. Der Zinssatz wird unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers und der Werthaltigkeit der für den Kredit gestellten Sicherheiten von der Hausbank festgelegt. Hierbei erfolgt eine Einordnung in von der KfW vorgegebene Bonitäts- und Besicherungsklassen. Vom Kreditnehmer sind bankübliche Sicherheiten zu stellen. Das Programm hat ein Gesamtvolumen von 15 Mrd. Euro. Da die Kreditgewährung zu Marktkonditionen auf Basis der Refinanzierungskosten der KfW zusätzlich (Risiko-) Marge und Bearbeitungsprovision erfolgt, sind im Prinzip keine öffentlichen Mittel für dieses Programm erforderlich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die eingepreiste Risikomarge nicht ausreichen sollte, um die Kreditrisiken der gewährten Kredite für die KfW abzudecken. Nimmt man dieses Programm als Muster für ein neu aufzulegendes KfW-Programm zur Förderung von NGA-Investitionen, so sind folgende Spezifikationen bzw. Modifikationen vorzunehmen: (1) Das Programm ist fokussiert auf NGA-Investitionen. (2) Ebenso wie das KfW-Sonderprogramm sollte es auf Unternehmen bestimmter Größenklassen beschränkt sein, da Großunternehmen keine vergleichbaren Finanzierungsprobleme aufweisen. Allerdings sollte das Größenkriterium nach oben angepasst werden auf ein bis zwei Mrd. Euro Gruppenumsatz, da relevante Projekte für NGA sonst nicht darstellbar sind. (3) Auch die Begrenzung auf Unternehmen im Privatbesitz sollte modifiziert werden, da gerade für viele NGA-Projekte Stadtwerke die natürlichen Träger derartiger Projekte sind. (4) Die maximale Kredithöhe sollte auf 100 Mio. Euro pro Vorhaben angepasst werden. Mit diesem Investitionsbetrag lässt sich z. B. ein Glasfaserprojekt in einer (mittleren) deutschen Großstadt finanzieren. (5) Die Kreditlaufzeiten sollten dem langfristigen Charakter von NGA-Investitionen entsprechen und oberhalb von 10 Jahren liegen. 32 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Ansonsten erscheinen die Strukturparameter des Sonderprogramms 2009 der KfW auch für dieses Programm angebracht. Allerdings scheint derzeit das Hausbankenprinzip einer effektiven Kreditgewährung für NGA-Projekte entgegenzustehen. Verfügbare Mittel können auch deshalb nicht an potenzielle Investoren weitergeleitet werden, weil die Hausbanken der Investoren teilweise nicht bereit sind, den Eigenanteil von 10% des Risikos zu übernehmen. Den Finanzierungsbedürfnissen von Stadtwerken und ihren TK-Unternehmen ließe sich auch durch Anpassung des KfW-Programms 148 „Kommunal Investieren - Finanzierung von Investitionen kommunaler Unternehmen im Bereich der kommunalen Infrastruktur― entsprechen. Dieses KfW-Förderprogramm ermöglicht kommunalen Unternehmen eine zinsgünstige, langfristige Finanzierung von Investitionen in die kommunale Infrastruktur. Förderberechtigt sind Unternehmen mit mehrheitlich kommunalem Gesellschafterhintergrund (durch direkte oder indirekte Beteiligung). Diese Voraussetzung wäre für eine Vielzahl von TK-Carriern in Deutschland gegeben, wie etwa für NetCologne, HL komm in Leipzig sowie M-Net. Als förderungsfähige kommunale Infrastruktur gelten eine Vielzahl von Feldern wie etwa die kommunale Verkehrsinfrastruktur. TKInfrastruktur selbst zählt bislang nicht zum Förderungskatalog; hier wären die Richtlinien anzupassen. Der Kredithöchstbetrag liegt bei 10 Millionen Euro pro Vorhaben. Dieser Betrag erscheint für viele TK-Vorhaben als zu gering und sollte angepasst werden. Ansonsten hat das Programm ähnliche Merkmale wie das oben dargestellte KfWProgramm und erscheint geeignet, NGA-Investitionen kommunaler TK-Carrier (mit) zu finanzieren. Da das Kreditfinanzierungsprogramm durch die KfW zu Marktkonditionen24 dargestellt wird, sind im Prinzip keine öffentlichen Mittel zur Durchführung des Programms erforderlich. Im Prinzip ergibt sich (nur) eine Erhöhung der Risikopositionen der KfW. Dies sollte durch die (Risiko-)Marge der gewährten Kreditzinssätze abgedeckt sein. Dies gilt vor allem auch deshalb, da nur rentable Projekte gefördert werden sollen. Mit einem Förderkreditprogramm ließen sich auch der Bereich profitabel darstellbarer NGA-Investitionen und damit die Versorgung mit NGA-Anschlüssen ausdehnen. Dazu müssten die Förderzinssätze gegenüber vergleichbaren Marktkonditionen entsprechend verbilligt werden. Es lässt sich zumindest modellmäßig ermitteln, welche mögliche mengenmäßige Ausdehnung von Versorgungsbereichen mit verbilligten Zinssätzen darstellbar wäre. Ebenso ließe sich das Programm ausrichten bzw. beschränken auf NGA-Investitionen im ländlichen Raum, um hier gezielt durch Subventionierung von Kapitalkosten die Profitabilitätsschwelle und damit auch den Flächendeckungsgrad des Ausbaus auszudehnen. 24 Marktkonditionen sind hierbei die Konditionen der KfW, die andere sein können als die Konditionen der Geschäftsbanken. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 33 Ein KfW-Sonderprogramm für NGA-Investitionen kann sehr zielgerichtet wirken, insbesondere wenn es auch ein besonderes Augenmerk auf die Vermeidung von Mitnahmeeffekten wirft. Es werden die relevanten Investitionen gefördert. Durch die Finanzmarktkrise zurückgestellte Investitionen in NGA-Projekte werden aktiviert. Ein Wettbewerbsproblem mag darin gesehen werden, dass nur bestimmte Unternehmen Zugang zur Förderung erhalten. Hierbei handelt es sich aber faktisch um die Kompensation der aktuellen Finanzierungsprobleme einer bestimmten Unternehmensgruppe. Insofern wird durch das Programm tendenziell eher Wettbewerbsgleichheit hergestellt und eine durch die Finanzmarktkrise entstandene Wettbewerbsverzerrung beseitigt. Durch gezielte Reduktion von Kapitalkosten ließen sich auch gezielt Investitionen im ländlichen Raum anstoßen. 3.3.2 Juristische Bewertung Soweit die Kredite in wettbewerbsneutraler Weise zu marktüblichen Konditionen vergeben werden, sind diese grundsätzlich nicht unter den Beihilfenbegriff des Art. 107 Abs. 1 AEUV zu subsumieren und damit bedenkenlos EU-beihilfenrechtlich zulässig. Vorliegend können jedoch gegebenenfalls auch Kredite in Situationen vergeben werden, in denen eine privatwirtschaftliche Krediterlangung nicht möglich ist. Daher könnte sich aufgrund der konkreten Ausgestaltung eine Einordnung des in dieser Studie vorgeschlagenen Kreditprogramms als Beihilfe und damit deren Genehmigungsbedürfnis ergeben. Da im Übrigen selektiv nur Unternehmen mit einer bestimmten Größenordnung unterstützt werden, die in NGA-Infrastrukturen investieren, wäre auch eine Bestimmtheit gegeben. Denn diese Unternehmen stehen in Wettbewerb zu anderen TKUnternehmen, die entweder aufgrund ihrer Größe oder aufgrund ihrer Investitionstätigkeit (lediglich in Breitband- und nicht in NGA-Netze) nicht an dem Kreditprogramm teilnehmen können. Aufgrund der Substituierbarkeit von NGA- und Breitbandnetzen kann die Möglichkeit etwaiger Wettbewerbsverzerrungen nicht vollständig ausgeschlossen werden. Soweit sich hieraus eine Einordnung des Kreditprogramms als Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV ergibt, ist dieses allerdings nach der „Flecken―-Dogmatik der Kommission gem. Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV im Einzelfall genehmigungsfähig und damit europarechtskonform realisierbar. Es gelten insoweit die obigen Ausführungen (siehe 3.1.2.). Die Beschränkung auf kleinere und mittlere Unternehmen würde voraussichtlich einer Genehmigungsfähigkeit nicht im Wege stehen, da ein entsprechender KMUFörderansatz beihilfenrechtlich durchaus typisch ist und es sich letztlich nur um eine genehmigungsfähige Kompensation der aktuellen Finanzierungsprobleme einer bestimmten Unternehmensgruppe handelte. 3.3.3 Fazit Ergänzend zu direkten Zuschüssen sind auch solche Kreditprogramme staatlicher Banken ökonomisch sinnvoll, die orientiert etwa an dem KfW-Sonderprogramm 2009 zusätzlich auf NGA-Investitionen fokussieren und Großunternehmen etwa jenseits eines 34 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Gruppenumsatzes von einer oder zwei Milliarden Euro ausschließen, auch öffentliche Unternehmen erfassen und bei einer Beschränkung der maximalen Kredithöhe von etwa 100 Mio. Euro eine Laufzeit von mindestens zehn Jahren eröffnen sollten. Sofern die Kredite nach marktüblichen Konditionen vergeben werden, können die öffentlichen Haushalte geschont werden und es ergibt sich auch kein beihilfenrechtliches Kontrollproblem. Wenn aber abweichend davon Kredite mit Konditionen unterhalb vom Marktzinsniveau gewährt werden sollen, besteht eine Genehmigungsbedürftigkeit, die allerdings durch die Beschränkung auf „weiße― und gegebenenfalls noch „graue― Flecken unproblematisch gewährleistet werden kann. 3.4 Staatliche Bürgschaftsprogramme 3.4.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung Die Gewährung staatlicher Bürgschaften gehört zu den wirtschaftspolitischen Standardinstrumenten staatlicher Wirtschaftsförderung. In Deutschland sind Bürgschaften zur Kreditabsicherung im Kern Länderangelegenheit. Gleichwohl ist der Bund involviert. Staatliche Bürgschaften werden im Rahmen von drei Bürgschaftsprogrammen gewährt: (1) Bürgschaften durch die Bürgschaftsbanken in jedem Bundesland. Diese decken i. d. R. alle Bürgschaftsgewährungen bis zu einer Million Euro ab. (2) Landesbürgschaften. (3) Bundesbürgschaften unter Einbindung paralleler Landesbürgschaften: Die Mitwirkung des Bundes erfolgt, wenn keine alleinigen Landesbürgschaften in Betracht kommen. Für die neuen Bundesländer trifft dies für einen Bürgschaftsbedarf von mehr als 10 Mio. Euro zu. Für die alten Bundesländer werden die Kräfte eines Landes i. d. R. erst bei einem Bürgschaftsbedarf von mehreren 100 Mio. Euro überschritten. Die verschiedenen Bürgschaftsprogramme haben im Prinzip alle die gleichen Ausgangsvoraussetzungen. Bürgschaften werden gewährt zur „Absicherung volkswirtschaftlich förderungswürdiger und betriebswirtschaftlich vertretbarer Vorhaben―. Verbürgungsfähig sind Investitions- und Betriebsmittelkredite einschließlich Avale. Voraussetzung der Bürgschaftsgewährung ist, dass bankübliche Sicherheiten nicht im erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen. Die Bürgschaften sind grundsätzlich als Ausfallbürgschaften konzipiert. Für die Bürgschaftsprogramme liegen Richtlinien vor, die die beihilfenrechtlichen Vorgaben der EU-Kommission beachten. Weitere Einzelheiten seien hier am Beispiel der Bürgschaftsrichtlinie des Landes Nordrhein-Westfalen erläutert. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 35 (1) Im Vordergrund der Förderung stehen Unternehmen, die keinen ausreichenden Zugriff zum Kapitalmarkt haben. (2) Bürgschaften werden nur für Kredite übernommen, deren Rückzahlung bei „normalem wirtschaftlichen Ablauf― vereinbarungsgemäß zu erwarten steht. (3) Bürgschaften werden gegenüber den kreditgebenden Banken übernommen. (4) Staatliche Bürgschaften werden i. d. R. auf einen „angemessenen Teil― des Kredits oder des Ausfalls beschränkt. Eine 100 %ige Risikoabsicherung ist nicht möglich. (5) Gesellschafter mit wesentlichem Einfluss auf das zu fördernde Unternehmen sollen grundsätzlich ganz oder teilweise für den zu verbürgenden Kredit mithaften. (6) Für die Bürgschaftsübernahme hat der Kreditnehmer (unbedeutende) einmalige Antragsentgelte sowie laufende Gebühren in Höhe von jährlich 1% des Bürgschaftsbetrages für die Laufzeit der Bürgschaft zu tragen. Mit den staatlichen Bürgschaftsprogrammen stehen etablierte Förderinstrumente zur Verfügung, die auch für die Unterstützung der Finanzierung von NGAInvestitionsprojekten genutzt werden können25. Mit staatlichen Bürgschaften wird die Kreditgewährungsbereitschaft der Banken gesteigert, da ihr Kreditrisiko bei den geförderten Unternehmen/Projekten abnimmt. Staatliche Bürgschaften für NGA-Projekte erweitern a priori nicht den Bereich des profitablen NGA-Rollouts, da eine Voraussetzung der Bürgschaftsgewährung die (realistisch) zu erwartende Rückzahlfähigkeit des Kredits und damit die Profitabilität der zugrunde liegenden Investition selbst ist. Im Prinzip bedürfen die bestehenden Bürgschaftsprogramme keiner Änderung, um Kredite für NGA-Investitionen zu verbürgen. Die über die Bürgschaften entscheidenden Bürgschaftsausschüsse müssten nur die volkswirtschaftliche Förderungswürdigkeit von NGA-Projekten signalisieren. Dies könnte durch entsprechende explizite Aussagen in den Vergaberichtlinien oder durch entsprechende Hinweise und Erklärungen erfolgen. 3.4.2 Juristische Bewertung Aus rechtlicher Sicht ist als Prüfungsmaßstab erneut das Beihilfenrecht einschlägig. Bürgschaften sind als Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen26, wenn mit diesen ein wirtschaftlicher Vorteil verbunden ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Kreditnehmer, für den der Hoheitsträger bürgt, aufgrund der Bürgschaft einen niedrigeren 25 Allerdings scheint auch bei diesen Programmen das Hausbankenprinzip in der Praxis Anwendungsrestriktionen auszulösen. 26 Vgl. hierzu auch EU-Kommission, Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 des EG-Vertrages auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften v. 20.6.2008, 2008/C 155/02, ABl. C 155/10 ff. 36 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Zinssatz oder weniger Sicherheiten an den Kreditgeber leisten muss. Dennoch unterfiele eine entsprechende Bürgschaft bei Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht dem Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV, sofern die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 4 lit. d „De-minimis―-VO erfüllt sind (vgl. Inderst et al. (2011), Ziff. 2.4.2.2). Bürgschaften, die über den Betrag von 1,5 Mio. Euro hinausgehen, sind ebenso wie Investitionszuschüsse gem. Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV im Einzelfall genehmigungsfähig. Vorliegend gilt das zu den Kreditprogrammen Gesagte (dazu oben 3.3.2) entsprechend. Sofern von der Marktüblichkeit der Konditionen abgewichen wird, liegen grundsätzlich notifizierungsund genehmigungspflichtige Beihilfenelemente vor. Sollten diese unter bereits genehmigte Bürgschaftsprogramme fallen, wäre allerdings keine erneute Notifizierung erforderlich. Andernfalls wäre bei der Ausgestaltung darauf zu achten, dass entsprechend den Vorgaben der Europäischen Kommission grundsätzlich nur in „weißen― und gegebenenfalls noch in „grauen― Flecken gefördert wird. 3.4.3 Fazit Ebenso wie Kreditprogramme (und alternativ zu diesen) sind auch Bürgschaftsprogramme zur Förderung von NGA-Investitionen geeignet. Die bestehenden Bürgschaftsprogramme können diese Aufgabe auch ohne weitere Modifikationen grundsätzlich erfüllen. In den Vergaberichtlinien sollte die Förderungswürdigkeit von NGA-Projekten entsprechend signalisiert werden. Sofern diese Programme bereits notifiziert wurden, bedarf es auch keiner weiteren Notifizierung bei der Europäischen Kommission. Andernfalls muss die Notifizierung nachgeholt werden. Sie muss die Beschränkung auf „weiße― bzw. gegebenenfalls „graue Flecken― entsprechend den beihilfenrechtlichen Prüfungsmaßstäben der Kommission gewährleisten, sofern die Bürgschaften nicht zu marktüblichen Konditionen vergeben werden und insofern der Beihilfentatbestand entfällt. Diese Voraussetzungen können jedoch unproblematisch gewährleistet werden. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 4 4.1 37 Beteiligung der Nutzer an den Netzausbauinvestitionen Übernahme der In-Haus-Verkabelung und/oder der Hausanschlüsse 4.1.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung Der Hauseigentümer kann einen Teil der Anschlusskosten übernehmen, die ansonsten der Netzbetreiber zu tragen hätte, und erhöht so die Anschlussfähigkeit seines Hauses gegenüber dem Netzbetreiber. Wir sehen hier zwei Ansatzpunkte, die beide dem gleichen Prinzip folgen: der Hauseigentümer kann entweder die Kosten für den Hausanschluss oder die anfallenden Kosten für eine notwendige neue In-Haus-Verkabelung (oder beides) tragen. Übernimmt der Hausbesitzer die Realisierung des Hausanschlusses, so trägt er die Kosten des Anschlusses von der Grundstücksgrenze bis zum Haus einschließlich der Hauseinführung und des passiven Leitungsabschlusses im Haus. Dies muss natürlich in unmittelbarer Koordination mit dem Netzbetreiber erfolgen. Die Aufwendungen bestehen im Wesentlichen aus den Tiefbaukosten für die Kabelverlegung. Typische Hausanschlusslängen liegen zwischen 5 und 10 Metern. Bei typischen Investitionskosten für Verlegearbeiten zwischen 60 und 100 Euro pro Meter ergeben sich (investive) Aufwendungen in Höhe von 300 bis 1000 Euro. Wir gehen von einem Mittelwert von 500 Euro pro Haus aus. Für die Hauseinführung können zusätzlich bis zu 250 Euro anfallen. Neue In-Haus-Verkabelungen werden im Wesentlichen nur bei FTTH-Netzen benötigt. FTTB und VDSL greifen in der Regel auf die bestehende Hausverkabelung des Festnetzes zurück. Für die Aufrüstung der Kabelnetze ist in der Regel keine Anpassung bei der bestehenden Koax-Verkabelung erforderlich. Die Aufwendungen für eine neue Glasfaser-In-Haus-Verkabelung betragen typischerweise 300 Euro pro Wohnung. Beide Maßnahmen senken die Investitionskosten auf der Netzbetreiberseite gezielt dort, wo die anschlussspezifischen Kosten hoch sind und anderenfalls kein Anschluss realisiert würde. Der Hausbesitzer kann durch entsprechende steuerliche Anreize motiviert werden, diese investiven Eigenbeträge zu leisten. Ansatzpunkt der steuerlichen Förderung kann etwa die Realisierung des Hausanschlusses oder die Hausverkabelung im Falle von FTTB/H oder ggfs. auch beides zusammen sein, was jedoch in großen Teilen durch § 35a Abs. 3 EStG schon jetzt möglich ist (dazu oben 2.3.2). Die meisten Ausbaustrategien von FTTB/H sehen vor, dass in den ausgebauten Anschlussbereichen nur Mehrfamilienhäuser mit drei und mehr Wohneinheiten angeschlossen werden. Typische Einfamilien- und Zweifamilienhaussiedlungen (EFH/ZFH) 38 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze und selbst einzelne EFH/ZFH in typischen Mehrfamilienhaussiedlungen werden nicht angeschlossen. Diese Ausbaustrategie folgt aus der ökonomischen Logik, dass die Netzausbaukosten für FTTB/H primär von der Zahl der angeschlossenen Häuser getrieben sind. Bezogen auf die einzelne Wohnung und damit den potenziellen Kunden sinken die Netzanschlusskosten pro Wohnung bzw. pro potenziellem Kunden mit der Wohnungsanzahl in einem Haus. Dieser Zusammenhang macht Mehrfamilienhäuser zu wirtschaftlich attraktiveren Anschlussobjekten als EFH und ZFH. Kommen größere spezifische Anschlusslängen hinzu, liegen die Anschlusskosten von EFH/ZFH häufig unterhalb der anschlussfähigen Rentabilitätsschwelle und diese werden dann konsequenterweise selbst in den entsprechenden Ausbaugebieten nicht angeschlossen. Durch gezielte steuerliche Fördermaßnahmen kann z. B. die Anschlussfähigkeit von EFH und ZFH erleichtert und damit die Penetration von NGA-Anschlüssen gesteigert werden. Solche Maßnahmen sind sehr zielgerichtet, weil dadurch Anschlüsse realisiert würden, für die anderenfalls nicht investiert würde. Der finanzielle Eigenanteil des Hausbesitzers stellt (hinreichend) sicher, dass die entsprechenden Anschlüsse nicht nur gelegt, sondern auch genutzt werden. Insofern wird unmittelbar auch die Penetrationsrate von NGA-Anschlüssen erhöht. Die Mitnahmeeffekte dürften gering sein, da alle uns bekannten Business Pläne für NGA-Projekte mit FTTx-Technologien nur den Anschluss von Mehrfamilienhäusern vorsehen. Die Fördermaßnahme ist wettbewerbsneutral, sieht man von den Effekten auf bestehende Anschlüsse ab, da sie beim Nachfrager und einer spezifischen „Anschlusslücke― ansetzt. Sie ist allerdings nicht technologieneutral, da vor allem die FTTB/H-Technologie, bzw. im Falle der Hausverkabelung nur FTTH unterstützt wird. Denkbar ist natürlich auch, dass die Kabelnetze weiter ausgebaut und neue Anschlussbereiche erschlossen werden. Dann kann sich auch hier die Frage der Errichtung neuer Hausverkabelungen ergeben. Bei der Ausgestaltung der Maßnahme sind darüber hinaus eine Reihe von Implementierungsfragen zu lösen. Zunächst stellt sich bei beiden Maßnahmen die Frage, ob nur marktvermittelte Leistungen oder auch Eigenleistungen unterstützt werden sollen. Bei beiden Maßnahmen sind Eigenleistungen des Hausbesitzers relevant. Werden auch Eigenleistungen unterstützt, sollte der Finanzbedarf zur Realisierung des gleichen Fördereffektes geringer sein. Weiter stellt sich die Frage, ob die steuerliche Förderung nach Aufwand oder nach Pauschalbeträgen erfolgen soll. Um die Verwaltungskosten gering zu halten und um Anreize zur Ineffizienz zu vermeiden, empfiehlt sich die Orientierung an Pauschalbeträgen. Dies ist auch eher kompatibel mit der Berücksichtigung von Eigenleistungen. Die Berücksichtigung von 300 Euro für neue In-HausVerkabelungen und 500 Euro für den Hausanschluss dürfte nicht zu Überkompensationen führen, zumal dies nur steuerliche Abzugsbeträge sind, denen ein Eigenanteil des Hausbesitzers in Abhängigkeit vom individuellen Steuersatz gegenübersteht. Gilt es, verteilungspolitische Aspekte der Nachfrageförderung durch steuerliche Abzugsfähigkeit von NGA-Anschlussaufwendungen zu berücksichtigen, so könnten die entsprechenden Abzugsbeträge nicht auf die steuerliche Bemessungsgrundlage bezo- Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 39 gen werden, sondern direkt von der Steuerschuld abgezogen werden. Jeder Berechtigte könnte dann einen einheitlichen Steuerabzugsbetrag unabhängig von seinem individuellen Steuersatz geltend machen. Dieser Ansatz entspricht dem Verfahren bei der Abzugsfähigkeit von Anteilen bestimmter Handwerkerrechnungen nach § 35a Abs. 3 EStG, der entsprechend ausgebaut würde. Die Abzugsfähigkeit von NGAAufwendungen ließe sich auch bei Definition entsprechender Pauschalbeträge vollständig in dieses bestehende steuerliche Förderkonzept integrieren. Im ländlichen Raum besteht eine wesentlich höhere Dichte mit EFH/ZFH als in Ballungsgebieten. Insofern folgt aus dieser Struktureigenschaft bereits, dass eine Förderung bei EFH/ZFH sich im ländlichen Raum eher stärker auswirken würde. Dieser Effekt ließe sich natürlich noch verstärken, wenn die steuerliche Förderung auf EFH/ZFH im ländlichen Raum beschränkt bliebe. 4.1.2 Juristische Bewertung Aus juristischer Sicht ist die Übernahme der Finanzierung bzw. die Realisierung der Hausanschlüsse bei FTTB/H-Infrastrukturen durch den Hauseigentümer grundsätzlich vollkommen unproblematisch im Rahmen dessen Privatautonomie möglich. Kernelement des Vorschlags ist jedoch eine steuerliche Incentivierung. Dies wirft steuerrechtliche und EU-beihilfenrechtliche Fragen auf. Steuerrechtlich geht es dabei um die Bewertung eines spezifischen Steuervorteils, der über den bereits beschriebenen, beihilfenrechtlich und steuerrechtlich unproblematischen, breiten Steuerbegünstigungstatbestand des § 35a Abs. 3 EStG für Handwerkerleistungen hinaus geht. Sofern dieser Steuervorteil sodann auf EFH/ZFH beschränkt bleibt und nicht nach der Lage des Objekts im ländlichen Raum differenziert, ist eine normenklare und normenbestimmte Steuertatbestandsdefinition grundsätzlich möglich, ohne dass die oben in Bezug auf die steuerlichen Anreize für die Anschlussnachfrage skizzierten Probleme entstehen (vgl. Ziff. 2.3.2). Sofern hingegen eine regionale Differenzierung gewünscht ist, steigen die Anforderungen entsprechend. Steuerrechtlich scheint das Modell jedoch grundsätzlich realisierbar. Kernproblem der steuerlichen Förderung der „In-Haus―-Verkabelung bzw. der Hausanschlüsse ist stattdessen die mangelnde Technologie- und damit auch Wettbewerbsneutralität, die zu beihilfenrechtlichen Problemen führen kann, soweit wie dargestellt gezielt eine Förderung von FTTH- bzw. FTTB/H-Technologie angestrebt würde. Kabeltechnologien können hingegen keine vergleichbare Förderung erlangen. Daher wäre beim vorliegenden Modell der Tatbestand der Beihilfe erfüllt, da angesichts der Technologiespezifität eine Bestimmtheit gegeben ist. Die mittelbar Begünstigten FTTB/HAnbieter werden in toto auch eine Begünstigung jenseits der De-minimis-Schwelle erlangen. Dabei läge nach der bereits erwähnten Entscheidungspraxis der Kommission auch eine entsprechende mittelbare Begünstigung der FTTB/H-Anbieter vor. Damit wäre eine Genehmigungspflichtigkeit nach Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV gegeben. Hier ver- 40 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze langt die Kommission in ihrer ständigen Entscheidungspraxis27 jedoch grundsätzlich, dass die Technologieneutralität gewährleistet wird. Allerdings kann insoweit eine Zulässigkeit deshalb gegeben sein, weil letztlich zwar ein „grauer NGA-Fleck― vorliegt, allerdings kein Zugang zur bereits vorhandenen Infrastruktur erfolgt, was bei der Kabeltechnologie ja der Fall ist. Dann kann die Förderung einer weiteren Technologie gegebenenfalls auch unter Aufgabe der Technologieneutralität zulässig sein. Es bleibt jedoch das Problem, dass gegebenenfalls eine Förderung auch in „weißen NGA-Flecken― erfolgt, in denen bereits ein NGA-Roll-out erfolgt ist. Das wäre beihilfenrechtlich in jedem Fall unzulässig. Daher müsste schon aus EU-beihilfenrechtlichen Gründen eine regionale Differenzierung erfolgen, was wiederum die Regelungskomplexität des Steuertatbestands erhöht, so dass eine pragmatische steuerrechtliche Ausgestaltung schwierig wird. Damit bestehen insgesamt Zweifel, ob eine pragmatisch sinnvolle steuerrechtliche Ausgestaltung über die schon bestehende steuerrechtlich und beihilfenrechtlich unproblematische Regelung des § 35a Abs. 3 EStG hinaus entwickelt werden kann, die zugleich die Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilfenrecht gewährleistet. Ergänzend sei betont, dass dieser Ansatz einer Technologiefokussierung auch mit dem technologieneutralen Ansatz der Universaldienstförderung gemäß der Universaldienstrichtlinie in Konflikt gerät (dazu Inderst et al. (2011), Ziff. 2.5). Daher wäre eher zu prüfen, inwiefern die NGA-Anbieter den allgemeinen Steuervorteil nach § 35a Abs. 3 EStG auf Endkundenseite stärker für ihre Produktvermarktung aktivieren können. 4.1.3 Fazit Die nachfrageorientierte steuerliche Förderung von Investitionen bei der In-HausVerkabelung und dem Hausanschluss kann über den bereits beschriebenen beihilfenrechtlich und steuerrechtlich unproblematischen breiten Ansatz der auf 1200 € begrenzten steuerlichen Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG hinaus zielführend sein, um Investitionen zu incentivieren. Allerdings geht dieses Modell mit negativen Effekten auf den Wettbewerb einher. Jene negativen wettbewerblichen Auswirkungen stellten jedoch die rechtliche Machbarkeit dieses Modells in Frage. Da mit dem Modell mittelbare und bestimmte Begünstigungen von FTTB/H-Anbietern einhergehen, die jenseits der De-minimis-Schwelle liegen, besteht eine Genehmigungspflichtigkeit. Angesichts der fehlenden Technologieneutralität dieses Förderansatzes ist davon auszugehen, dass die Kommission dieses Fördermodell besonders kritisch prüfen wird. Das ist auch zum Schutz der Wettbewerber jedenfalls in „weißen NGA- 27 Die Kommission hat bisher – soweit ersichtlich – in nur einem einzigen Ausnahmefall die gezielte Förderung einer einzigen technischen Lösung akzeptiert, vgl. Entscheidung der Kommission N 222/06 — Italien, Aid to bridge the digital divide in Sardinia. Dies wurde mit der speziellen Topographie der geförderten Region begründet. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 41 Flecken― erforderlich. Daher wird eine regionale Differenzierung des Steuertatbestands beihilfenrechtlich erforderlich. Vor diesem Hintergrund bestehen insgesamt Zweifel, ob eine pragmatisch sinnvolle steuerrechtliche Ausgestaltung entwickelt werden kann, die zugleich die Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilfenrecht gewährleistet. 4.2 Mitfinanzierung durch Baukostenzuschüsse oder Anschlussbeiträge 4.2.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung Auch das Telefonnetz in seiner heutigen Form ist zum Teil durch Eigenbeiträge der Nutzer entstanden. Im Falle besonders aufwändig zu realisierender Anschlüsse waren Hauseigentümer verpflichtet, Baukostenzuschüsse an die DTAG zu leisten, um einen Telefonanschluss zu erhalten. In bestimmten Phasen des Netzaufbaus war es auch Sache des Nutzers, den Hausanschluss von der Grundstücksgrenze bis zum Haus selbst zu realisieren bzw. dafür die Kosten zu übernehmen. Gleiches galt für die InHaus-Verkabelung. Diese Art der Mitfinanzierung des Netzaufbaus durch den Nutzer erscheint auch für den Aufbau von NGA-Netzen überlegenswert. Die Investitionen für In-Haus-Verkabelung und Hausanschluss betragen durchschnittlich 800 €. Hat der Netzbetreiber diese Kosten nicht zu tragen, kann die Profitabilitätsgrenze des Netzausbaus entsprechend ausgedehnt werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Mitfinanzierung durch den Nutzer von einem „Hold-up―-Problem begleitet sein kann, weil nach der Mitfinanzierung dem Nutzer eventuell ein zu großer Teil seiner Rente abgeschöpft wird. Diese Gefahr ist als gering einzustufen, wenn aufgrund von Zugangsverträgen mit Wettbewerbern oder aufgrund des Wettbewerbs durch andere Technologien davon ausgegangen werden kann, dass der Netzbetreiber nur einen kleinen Teil der entstehenden Renten abschöpfen kann. Auch in anderen Netzwirtschaften wie der Wasserwirtschaft war und ist eine Finanzierung über Baukostenzuschüsse bzw. Anschlussbeiträge zu beobachten, wobei hier entsprechende Finanzierungsmechanismen durch den Anschluss- und Benutzungszwang ermöglicht werden (vergleiche zum Beispiel Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO Bayern). Die genannten Nutzerbeiträge zu den Investitionskosten senken nicht nur den Investitionsaufwand für den Netzbetreiber. Sie bewirken auch einen positiven Nachfrageanreiz. Nutzer, die investive Eigenbeiträge leisten, können daraus nur Nutzen ziehen, wenn sie auch tatsächlich Nutzer des neuen Netzes werden. Aufgrund der „Hold-up―-Problematik können potentielle Nutzer allerdings auch davon abgeschreckt werden, einen Eigenbeitrag zu leisten. 42 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 4.2.2 Juristische Bewertung Einer freiwilligen Übernahme entsprechender Investitionskosten durch den Anschlussinhaber in Form von Baukostenzuschüssen oder Anschlussbeiträgen steht unter rechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich nichts entgegen. Diese Möglichkeit stößt jedoch auf die Grenze des am Markt Durchsetzbaren. Jenes Finanzierungsinstrument müsste daher durch hoheitliche Intervention durchgesetzt werden, wenn es darüber hinaus Bedeutung erlangen sollte. Eine Übertragung des Modells der Mitfinanzierung durch Anschlussbeiträge bzw. Baukostenzuschüsse – wie dies im Kommunalrecht z.B. bezüglich der Wasserversorgung vorgesehen ist – auf TK-Infrastrukturordnungen scheidet aufgrund systemischer rechtlicher Unterschiede zwischen beiden Infrastrukturen jedoch aus. So besteht in der Wasserwirtschaft im Gegensatz zur TK-Ordnung gerade die Möglichkeit der Gemeinden, einen Anschluss- und Benutzungszwang anzuordnen (vergleiche zum Beispiel Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO Bayern). Die Gemeinde hat damit nicht nur die Möglichkeit, in ihrem Gemeindegebiet die Wasserversorgungsstrukturen zu monopolisieren, weshalb sich die Infrastrukturen oftmals auch in öffentlicher Hand befinden. Auf diesem Weg sind darüber hinaus v.a. der Anschluss und die Nutzung der Wasserversorgungsinfrastruktur zu erzwingen, deren Kosten sodann über Anschlussbeiträge bzw. Baukostenzuschüsse auf die Nachfrager umgelegt werden können. Durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Infrastrukturen rechtfertigt sich auch die Erhebung der Beiträge bzw. Gebühren. Im TK-Sektor besteht kein vergleichbarer Infrastrukturbenutzungszwang. Es besteht auch kein weitreichendes regionales natürliches Monopol. Ganz im Gegenteil wird hier ein Wettbewerb der Infrastrukturen (Festnetz, Kabel, Mobilfunk etc.) angestrebt, die um die potenzielle Nachfrage „ringen―. Sämtliche Ansätze in Richtung „Anschluss-, Beitrags- bzw. Baukosten-ZuschussZwang― sind daher aufgrund der Unterschiede zwischen dem TK- und dem Wassersektor in der TK-Ordnung nicht realisierbar. Ordnungspolitisch wären derartige Zwangsbeiträge nur mit erheblichen, verfassungsrechtlich schon vor dem Hintergrund des Wettbewerbsprinzips des Art. 87 f Abs. 2 GG (siehe Inderst et al. (2011), Ziff. 2.1.4) kaum durchsetzbaren Rückschritten in eine Zeit vor der Erfolgsgeschichte der Liberalisierung und damit zugleich in Richtung einer Remonopolisierung denkbar. 4.2.3 Fazit Eine Mitfinanzierung der NGA-Investitionen durch Baukostenzuschüsse und/oder Anschlussbeiträge würde das verfügbare Finanzvolumen womöglich deutlich steigern und potentiell zu einer erhöhten Investitionstätigkeit führen. Entsprechende Zuschüsse und freiwillige Beiträge sind auch rechtlich grundsätzlich unproblematisch möglich, soweit sie am Markt gegenwärtig durchsetzbar sind. Fraglich wäre nur, wenn und soweit zu ihrer Realisierung auf eine hoheitliche Flankierung etwa in Form eines Anschlusszwangs mit anschließender Beitragspflicht zurückgegriffen wird. Dies wäre verfassungsrechtlich nicht zuletzt mit Blick auf das Wettbewerbsprinzip des Art. 87 f Abs. 2 GG bedenklich und ordnungspolitisch verfehlt. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 4.3 43 Steuerliche Anreize für Nutzerbeiträge zu Investitionen Die Bereitschaft, dass Nutzer Eigenbeiträge für NGA-Netze leisten, kann dadurch incentiviert werden, dass es steuerliche Anreize für derartige Eigenbeiträge gibt. Dieser Gedanke ist ausführlicher in Abschnitt 2.3 und 4.1. ausgearbeitet. 4.4 Zeichnung von Anteilen an genossenschaftlich organisierten Betreibergesellschaften 4.4.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung Eine besonders intensive Form der Beteiligung von Nutzern an den Netzausbauinvestitionen besteht darin, dass sie Anteilseigner einer lokalen Netzgesellschaft werden, die den NGA-Ausbau betreibt. Mit ihrer Kapitalbeteiligung tragen die Nutzer dann zur Investitionsfinanzierung bei. Das Modell hat natürlich seine Stärke primär dann, wenn es lokal organisiert ist und dann ein unmittelbarer Bezug zwischen der Kapitalbeteiligung und der Realisierung des individuellen Anschlusses besteht. Von daher entfaltet das Modell seine besonderen Stärken in der Erschließung des ländlichen Raums. Historisch hat dieses organisatorische Selbsthilfemodell eine besondere Bedeutung bei der Entwicklung der Telefonie im ländlichen Raum in den USA erhalten. In dünn besiedelten und abseits gelegenen Orten interessierten sich Anfang des 20. Jahrhunderts die großen Telefongesellschaften nicht für eine Telefonerschließung. Vielfach griffen die Bürger dort zur Selbsthilfe und gründeten eine eigene, häufig sehr kleine Telefongesellschaft, die Telefonanschlüsse verlegte und das Netz betrieb. Viele dieser kleinen Telefongesellschaften existieren noch heute in den USA und sind jetzt dabei, ihr Netz auf NGA aufzurüsten. Aktuelle Bedeutung hat das genossenschaftliche Selbsthilfemodell beim Bau von Glasfasernetzen in den Niederlanden gefunden, z.B. in dem Modellprojekt Nuenen. Nuenen ist eine Kleinstadt in den Niederlanden mit etwa 30.000 Einwohnern. Dort wurde 2005 die Betreibergesellschaft NEM für den Bau eines Glasfasernetzes in der Stadt gegründet. Anteilseigner an NEM sind zu 40% die Genossenschaft OnsNet („unser Netz―) und zu 60% die Bau- und Investitionsgesellschaft Reggefiber.28 Anteilseigner von OnsNet kann jeder Einwohner der Gemeinde Nuenen werden. NEM hat in weniger als einem Jahr ein flächendeckendes Glasfasernetz errichtet, an das in 2010 bereits 7.500 Häuser (≙ 97% homes passed) angeschlossen waren. Nicht nur der Netzausbau ist umfassend erfolgt, auch die Penetration ist mit über 80% extrem hoch. Diese wurde über ein im ersten Jahr kostenloses Angebot incentiviert. Die Kosten des Anschlusses sind in Nuenen mit 2.100 € pro Anschlussleitung eher hoch. OnsNet erhält von der niederländischen Regierung eine Subvention in Höhe von 28 Reggefiber hat in 2008 ein Joint Venture mit KPN zum Bau von Glasfasernetzen begründet. 44 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 800 € pro Anschluss. Diese Subvention wurde als Eigenkapital in die Betreibergesellschaft NEM eingebracht. Der restliche Finanzierungsbedarf wird über Fremdfinanzierung dargestellt. Jeder Genosse zahlt eine monatliche Grundgebühr in Höhe von 20 €, mit der Betriebsund Kapitalkosten bedient werden. Zum Bezug von Diensten über das Netz ist eine Mitgliedschaft in OnsNet erforderlich. Für einen Grundtarif in Höhe von 15,95 € pro Monat erhält der Kunde/das Mitglied einen 100 Mbit/s Glasfaseranschluss in FTTHTechnologie inklusive einer Internetflatrate. Optional können weitere Dienste wie Telefonie, Mehrwertdienste, TV u.a. nachgefragt werden. Aus ökonomischer Sicht sind derartige „Testmodelle― durchaus sinnvoll. Allerdings zeigt sich auch im hier konkret betrachteten Fall die Notwendigkeit einer staatlichen Subventionierung, so dass das Modell letztlich vergleichbar den direkten Investitionszuschüssen (dazu oben 3.1.) unter den dort skizzierten Anforderungen positiv bewertet kann. Im Übrigen stellt sich das Modell als eine besondere Form der lokalen Bündelung der Anschlussnachfrage bzw. Nachfrage-Commitments sowie der Nutzerbeiträge dar (dazu oben 2.2). Besondere Gründe, die gerade für die Realisierung der Genossenschaftsvariante sprechen, sind aus ökonomischer Perspektive außer in der hohen Nachfragebündelung sowie der hohen Anschlussbereitschaft und dem langfristigen Commitment der Endkunden nicht ersichtlich. Im Übrigen fallen die zusätzlichen Transaktionskosten einer derartigen Ausgestaltung negativ ins Gewicht. 4.4.2 Juristische Bewertung Sofern das Modell Subventionselemente in Form direkter Investitionszuschüsse enthält, ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen (oben 3.1.2). Allerdings dürfte angesichts der Spezifität derartiger „Testregionen― die Gewährleistung der Technologie- und Wettbewerbsneutralität regelmäßig schwierig sein, so dass zusätzliche beihilfenrechtliche Schwierigkeiten entstehen können. Insofern ist eine konkrete Einzelfallprüfung erforderlich, da das Modell regelmäßig nicht unter das oben vorgeschlagene und zu notifizierende „Förderprogramm― (dazu 3.1.2) für Breitband-Investitionen in ländlichen Gebieten fallen wird. Allerdings dürfte auf der Basis der Erfahrungen mit der Genehmigung von OnsNet eine Genehmigungsfähigkeit im konkreten Fall hergestellt werden können. Hinzu kommen allerdings aus kommunalrechtlicher Sicht weitere Anforderungen für die Beteiligung der öffentlichen Hand an derartigen Genossenschaften. Sie unterliegen den Grenzen der kommunalwirtschaftlichen Tätigkeit, wobei in weißen Flecken die Anforderungen – insbesondere auch an die Subsidiarität – bei angemessenen Investment regelmäßig erfüllt sein dürften. Insoweit ist allerdings auch unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlich gebotenen Wettbewerbsneutralität (Art. 87 f Abs. 2 GG) Vorsicht geboten. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 45 4.4.3 Fazit Aus ökonomischer Sicht sind keine besonderen Vorteile eines Genossenschaftsmodells erkennbar, da auch hier wohl überwiegend Subventionen erforderlich bleiben. Als „Testmodell― kann ein derartiger Ansatz aber durchaus sinnvoll sein. Die beihilfenrechtlichen Anforderungen sind regelmäßig auf der Basis der obigen Ausführungen (Ziff. 3.1.2) erfüllbar. Die kommunalwirtschaftlichen Anforderungen im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung der Kommune können regelmäßig auch gewahrt werden. Vorsicht ist allerdings unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlich gebotenen Wettbewerbsneutralität (Art. 87 f Abs. 2 GG) geboten. So begegnet der Einsatz öffentlicher Unternehmen zur Beseitigung von NGA-Defiziten erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Wettbewerbsprinzips aus Art. 87 f Abs. 2 GG. Vor diesem Hintergrund fehlender ökonomischer Vorteile und zusätzlicher rechtlicher Hürden erscheinen Genossenschaftsmodelle wenig empfehlenswert. 46 5 5.1 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Universaldienstansatz Der klassische Universaldienst 5.1.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung Ein Ansatz, ein flächendeckendes Angebot darzustellen, wenn dies über die Marktangebote nicht (hinreichend) bereitgestellt wird, ist der klassische Universaldienstansatz, der allerdings als Instrument zur Schaffung eines Mindestniveaus erforderlicher Telekommunikationsdienstleistungen angelegt ist. Im vorliegenden Fall bestünde der Universaldienst dagegen in einem superschnellen Breitbandzugang mit einer Geschwindigkeit von z. B. 50 oder 100 Mbit/s. Dessen ungeachtet beinhaltet das Universaldienstkonzept des § 81 TKG die Möglichkeit der Verpflichtung eines oder mehrerer Anbieter zur Erbringung benannter Universaldienstleistungen. Entstehen durch diese Universaldienstauflage Nettokosten der Erbringung, so erhalten das oder die verpflichteten Unternehmen einen finanziellen Ausgleich. Dieser wird über eine (wettbewerbsneutrale) Abgabe aller entsprechenden Marktanbieter finanziert. Selbst ungeachtet der Tatsache, dass der klassische Universaldienst eine Mindestversorgung sicherstellen soll, kann er das Flächendeckungsproblem bei NGA nicht ohne Modifikationen lösen. Zunächst gibt es bei NGA keinen „natürlichen― Adressaten einer Universaldienstverpflichtung. Das Problem ist ja gerade, dass es in den weitaus meisten Regionen in Deutschland keinen Anbieter von NGA-Anschlüssen gibt. Selbst wenn es einen (oder mehrere) Anbieter gäbe, wäre die Umsetzung von Flächendeckung insbesondere mit FTTB/H-Anschlüssen extrem teuer und ineffizient. Insbesondere Glasfasernetze können effizient immer nur für ganze Städte bzw. Stadtteile ausgerollt werden. Die Realisierung einzelner oder einiger weniger Anschlüsse außerhalb eines Ausbaugebiets wäre nur zu prohibitiv hohen Kosten möglich. Dies gilt nicht nur in räumlicher, sondern auch in zeitlicher Hinsicht. Auch der Finanzierungsansatz des Universaldienstkonzepts reicht nicht aus, das Flächendeckungsproblem zu lösen. Die zusätzliche Zahlungsbereitschaft für Hochgeschwindigkeitsanschlüsse ist sehr begrenzt. Würde man alle erzielbaren Gewinne in den kostengünstig auszubauenden Gebieten im Wege des Mechanismus der internen Subventionierung einsetzen, um den Ausbaugrad in der Fläche auszudehnen, würde dadurch der Ausbaugrad nur um wenige Prozentpunkte gesteigert werden können. Wir haben diesen Zusammenhang mit einem Glasfasernetzmodell für die Schweiz am Beispiel von FTTH detailliert untersucht.29 Dort gibt es zunächst eine relativ hohe profitable 29 Vgl. hierzu Ilic, Neumann, Plückebaum (2009). Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 47 Ausbaugrenze für FTTH von 60% der Bevölkerung. In Deutschland läge diese Grenze unter 50%. Die Anwendung des Universaldienstansatzes in der Schweiz, d. h. die Verwendung der Gewinne in profitablen Bereichen zur Deckung der Verluste in unprofitablen Bereichen kann die kostendeckende Ausbaugrenze dort auf 80%, d. h. um ca. ein Drittel ausdehnen. Läge die profitable Ausbaugrenze in Deutschland etwa bei 40%, dann ließe sich bei ähnlichen Relationen über interne Subventionierung nur eine Ausdehnung auf ca. 55% der Anschlüsse erreichen. Das über einen Universaldienstansatz im Sinne des TKG abschöpfbare und einsetzbare Mittelvolumen reicht demnach auch nicht annähernd aus, eine Flächendeckung zu erzielen. Damit würde die Universaldienstumlage bei einem flächendeckenden Ausbau dazu führen, dass die Anbieter im Markt mehr für den Ausbau des Universaldienstes ausgeben müssten, als sie mit dem Gesamtausbau zukünftiger Netze überhaupt an Rendite erzielen könnten. Dieser Eingriff in den Telekommunikationsmarkt wäre vor dem Hintergrund der Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG und der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG hoch problematisch. Aus dem Gesagten folgt, dass aus einer Reihe von Gründen der klassische Universaldienstmechanismus ungeeignet ist, einen flächendeckenden NGA-Ausbau zu bewirken. 5.1.2 Juristische Bewertung Aus rechtlicher Sicht ist zudem bereits die Ausweitung des klassischen Universaldienstansatzes auf die Etablierung von breitbandigen Kommunikationsinfrastrukturen in dünn besiedelten Gebieten unzulässig. Der in den § 78 ff. TKG normierte Mechanismus soll nur einen funktionalen Internetzugang, d.h. einen unter Berücksichtigung der gegenwärtig vom Großteil der Nutzer in Anspruch genommenen Dienste ausreichenden Zugang ermöglichen. Ein derartiges Mindestangebot eines funktionalen Internetanschlusses (§ 78 Abs. 2 Nr. 1 TKG) wird unter Berücksichtigung der gegenwärtig genutzten Dienste jedenfalls mit 1 – 2 Mbit/s Downstream-Geschwindigkeiten gewährleistet. Zwar beinhaltet § 78 TKG dem Wortlaut nach keine Beschränkung auf eine maximal förderbare Bandbreite. Eine Beschränkung ergibt sich jedoch aus den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die die Finanzverfassung an das Finanzierungssystem, das hinter dem Universaldienstmechanismus steht, stellt. Bei Aktivierung des klassischen Universaldienstmechanismus werden die Kosten über eine Universaldienstabgabe, die verfassungsrechtlich als Sonderabgabe einzuordnen ist, von den TK-Unternehmen getragen, vgl. § 83 TKG. Diese tragen die Verantwortung dafür, dass flächendeckend Universaldienstleistungen erbracht werden. Dies ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber die Privatisierung des TK-Sektors nur unter der Prämisse durchgeführt hat, dass die Universaldienstleistungen grundsätzlich durch den Markt bzw. die TK-Unternehmen erbracht werden. Zudem haben die TKUnternehmer ebenso wie die Nutzer der Infrastruktur ein Interesse an der Erreichbarkeit eines jeden einzelnen Teilnehmers (Konnektivitätsinteresse). Diese beiden Punkte rechtfertigen die Sonderbelastung der TK-Unternehmen. Ein über das bloße Konnektivitätsinteresse hinausgehendes Versorgungsinteresse haben diese jedoch nicht 48 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze (vgl. auch unten 5.2.2.). Dementsprechend ist die Finanzierung, wie sie hinter dem Universaldienstmechanismus steht, nur zur Befriedigung des Konnektivitätsinteresses verfassungsgemäß. Eine Förderung von Bandbreiten über 1 – 2 Mbit/s im Wege des Universaldienstmechanismus des TKG scheidet damit aus. 5.1.3 Fazit Eine schlichte „Aufrüstung― des derzeitigen Universaldienstansatzes auf „NGABandbreiten― und Wahrung des Mechanismus im Übrigen scheidet unter ökonomischen und juristischen Gesichtspunkten aus. Er scheitert am Fehlen eines „natürlichen― Adressaten der Universaldienstverpflichtung und aller Voraussicht nach auch an den vorhandenen Unternehmensgewinnen für die Finanzierung der „NGA-Lücke―. Finanzverfassungsrechtlich läge eine unzulässige Sonderabgabe für die Unternehmen vor, solange es nicht darum geht, dass eine etablierte Standardnachfrage in der Fläche abgedeckt wird, sondern umgekehrt eine entsprechende Nachfrage überhaupt erst stimuliert werden soll. Der Universaldienstansatz eignet sich daher nicht, um eine breite Nachfrage erst zu initialisieren. 5.2 Ein modifizierter Universaldienstansatz Breitbandfonds 5.2.1 Beschreibung und ökonomische Bewertung Angesichts der Tatsache, dass der Universaldienstansatz des TKG ungeeignet ist, zur Flächendeckung mit NGA-Netzen beizutragen, hat einer der Autoren dieser Studie30 kürzlich als alternativen Ansatz vorgeschlagen, Flächendeckung mit NGA-Netzen über eine Breitbandabgabe für alle Anschlussinhaber herbeizuführen. Dieses Konzept belastet zur Finanzierung des Ausbaus alle Nutzer direkt mit einer Breitbandabgabe anstatt, wie nach dem bislang geltenden Universaldienstregime des Telekommunikationsgesetzes, die universaldienstverpflichteten Telekommunikationsunternehmen über eine Umlage zu beteiligen. Dieser Ansatz trägt damit dem Umstand Rechnung, dass NGANetze erst errichtet werden müssen. Die Breitbandabgabe könnte z. B. von allen Endnutzeranschlüssen in Höhe von 1 Euro pro Anschluss und Monat erhoben werden. Die Anschlussabgabe fließt in einem Fonds, der daraus Investitionskostenzuschüsse für Glasfasernetzinvestitionen leistet, in denen eine Profitabilitätslücke besteht. Wir gehen davon aus, dass dies für (mindestens) 50% der Anschlüsse vor allem im ländlichen Raum gilt. Die unprofitablen Ausbaugebiete werden vorab durch Modellrechnungen identifiziert. In diesen Gebieten werden „Universaldienstlizenzen― in einem kompetitiven Verfahren vergeben, die mit Ausbauverpflichtungen als Äquivalent für den Investitionskostenzuschuss vergeben werden. 30 Siehe Neumann (2010). Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 49 Wenn es die vielfach unterstellten positiven Externalitäten von NGA-Netzen und induzierte positive Wachstumseffekte in relevantem Umfang gibt, können alle Nutzer am Ende von einem flächendeckenden hochleistungsfähigen Glasfasernetz profitieren. Deswegen, so dieses Konzept, sollten alle Nutzer zu einem derartigen Regime beitragen. Die Telekommunikationsunternehmen haben durch den Wettbewerb der letzten Jahre erhebliche Ersparnisse für die Endnutzer realisiert. Im Festnetz liegen diese in einem 5-Jahreszeitraum sicherlich bei 10 € pro Anschluss und Monat und im Mobilfunk bei mindestens 5 €. Hierbei sind Leistungsverbesserungen (bei gleichem) Preis noch nicht berücksichtigt. Die Nutzer würden einen kleinen Teil ihrer realisierten Vorteile aus dem Wettbewerb der letzten Jahre in die Schaffung einer modernen NGA-Infrastruktur investieren. Der skizzierte Vorschlag geht hierbei von folgendem generierten Mittelvolumen aus: Festnetzanschlüsse: 37 Mio. x 1 € x 12 M. = 444 Mio.€ Anschlüsse über Kabelnetze: 20 Mio. x 1 € x 12 M. = 240 Mio.€ Mobilfunkanschlüsse: 110 Mio. x 1 € x 12 M. = 1,32 Mrd.€ Werden alle Anschlüsse in das Finanzierungsregime einbezogen, ergibt sich ein jährliches Mittelvolumen von ca. 2 Mrd. €. Legt man das Programm auf 5 Jahre an, ergäbe sich ein Mittelvolumen in Höhe von 10 Mrd. €. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass diese Schätzungen eher eine Obergrenze darstellen. So wird impliziert, dass die Anschlussnachfrage perfekt preisunelastisch ist und somit nicht auf die Einführung der Abgabe reagiert. Führt jedoch die Abgabe bspw. dazu, dass Nutzer verstärkt Festnetzanschlüsse durch mobile Anschlüsse substituieren, kann die Zahl der Anschlüsse insgesamt sinken und das Mittelvolumen geringer ausfallen. Ebenso basiert die Aufkommensschätzung darauf, dass sämtliche Fernsehkabelanschlüsse, d. h. auch solche, die lediglich zum Fernsehempfang genutzt werden, abgabepflichtig sind. Werden hingegen nur Breitband-/Telefonieanschlüsse über Fernsehkabel mit der Abgabe belegt, sinkt das Aufkommen jährlich um gut 200 Mio. Euro. Zudem mag es praktische Schwierigkeiten bei der Erhebung bei Mobilfunkanschlüssen mit Prepaid-Karten geben, die einen bedeutenden Teil der gesamten Mobilfunkanschlüsse ausmachen. Diese Faktoren würden tendenziell zu einem niedrigeren Aufkommen, oder, wenn das Aufkommen stabil gehalten werden soll, zur Notwendigkeit einer höheren Abgabe führen. Geht man trotz dieser Einschränkungen von einem Gesamtvolumen von 10 Mrd. Euro aus, lässt sich hiermit ein spürbarer Impuls für NGA-Investitionen im ländlichen Raum setzen, auch wenn dieser nicht zur Erreichung einer vollständig flächendeckenden Versorgung mit Glasfasernetzen ausreichen dürfte. Das mit einem Aufkommen von 10 Mrd. Euro umsetzbare Investitionsvolumen im ländlichen Raum liegt je nach Dichte und Anschlusskosten um den Faktor 2- bis 5-mal so hoch. Nehmen wir einen Durchschnittsfak- 50 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze tor von 4 an, können mit dem hier skizzierten Programm ca. 40 Mrd. € in die Glasfaserinfrastruktur des ländlichen Raums investiert werden. Natürlich lässt sich das Abgaberegime auch differenzierter ausgestalten, so dass etwa die Wertigkeit der Anschlüsse z.B. identifiziert über durchschnittliche Erlöse, die mit den einzelnen Anschlussarten erzielt werden, Berücksichtigung findet. Auch mag es Gründe dafür geben, Mobilfunkanschlüsse und Kabelanschlüsse weniger zu belasten als Festnetzanschlüsse. Der hier skizzierte Vorschlag weist die eine oder andere Parallele zur EEG-Umlage auf, mit der erneuerbare Energien gefördert werden. Diese Abgabe wird vom Stromverbrauch privater Haushalte in Euro/kWh erhoben. Die Abgabe in Höhe von 0,035 €/kWh führt in Abhängigkeit vom Stromverbrauch zu Mehrkosten pro Haushalt in Höhe von 5 € bis 15 € pro Monat. Bezogen auf alle Haushalte führt die hier vorgeschlagene Breitbandabgabe für ein flächendeckendes Glasfasernetz zu Mehrkosten von durchschnittlich 4 € pro Haushalt und Monat. Es steht auch zu erwarten, dass mit diesem Programm eine gewisse Sogwirkung für Anschlussinvestitionen in Ballungsgebieten entsteht, in denen bereits heute ein profitabler Roll-out möglich wäre. Gleichzeitig setzt es nicht auf die Übernahme der Infrastrukturverantwortung durch den Staat wie in Ländern wie Australien, Neuseeland oder Singapur. Die bewährten kompetitiven Sektormechanismen und -strukturen bleiben weitgehend erhalten. Weiterhin muss nicht der Staat als Finanzier einspringen, um Investitionszurückhaltung zu überwinden. Es sind die Nutzer, die mit ihrer Breitbandabgabe den entscheidenden Anstoß geben. In jedem Fall gilt, dass auch bei Einführung des Systems einer Breitbandabgabe der Aufbau einer großräumig verfügbaren Glasfaserinfrastruktur mindestens ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen würde. Auf jeden Fall müsste sich ein derartig weitreichendes Konzept einer gesamtwirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse stellen, bevor es implementiert und in seiner Reichweite festgelegt wird. So gilt, dass heute eine geringe Nachfrage nach Hochgeschwindigkeitsanschlüssen besteht und von daher von der Nachfrage heute nicht die Signale an Investoren für groß angelegte Investitionen in Glasfasernetze folgen. Dies kann in einigen Jahren völlig anders sein. Dann mögen viel eher die Anwendungen vorliegen und die nachgefragte Nutzung und das Nutzungsverhalten mögen dann primär über Hochgeschwindigkeitsanschlüsse dargestellt werden müssen. Allerdings ist die zukünftige Entwicklung des Bedarfs nach sehr hohen Bandbreiten mit Unsicherheit behaftet, so dass ein groß angelegter, schnellerer und nicht an der aktuellen Nachfrage orientierter Ausbau mit Fehlinvestitionsrisiken verbunden ist (siehe hierzu auch Inderst et al. 2011). Ebenso bestehen dahingehend Trade-offs, dass es bei einem schnelleren Ausbaupfad schwieriger ist, gesamtwirtschaftlich vorteilhafte Kostensenkungspotenziale durch Synergien mit anderen Infrastrukturträgern zu nutzen. Zudem würde mit der genannten Vorgehensweise das Prinzip der Technologieneutralität aufgegeben. Sicherlich ließe sich ein Abgabe- und Finanzierungsregime wie hier vorgestellt nur rechtfertigen, wenn die (weitgehend) flächendeckende Verfügbarkeit von NGA-Netzen Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 51 mit positiven Externalitäten sowie gesamtwirtschaftlichen Produktivitäts- und Wachstumseffekten in relevantem Umfang verbunden ist. Hieran werden von manchen Beobachtern Zweifel geäußert, die hier nicht abstrakt ausgeräumt werden können. Dies kann nur im Rahmen einer umfassenderen Kosten-Nutzenanalyse empirisch-quantitativ erfolgen, was nicht Gegenstand dieser Studie ist. Aus rein verteilungspolitischen Aspekten ließe sich das Regime einer Breitbandabgabe jedenfalls nicht rechtfertigen. Diesbezüglich sei ergänzt, dass zum heutigen Zeitpunkt mit heutigen Anwendungen der überwiegende Nutzengewinn aus einer Aufrüstung zu NGA-Anschlüssen bei den Inhabern der subventionierten Anschlüsse selbst verbleibt. Insoweit hängt die Rechtfertigung einer Breitbandabgabe entscheidend von den Annahmen über zukünftige positive Externalitäten ab. Auch bei der Ausgestaltung einer Breitbandabgabe sind eine Reihe von Aufgaben zu lösen, die für die Effizienz eines derartigen Regimes erheblich sein können. So gilt es etwa, die Wirkung der derzeit angestoßenen Synergiemaßnahmen zur Senkung der Investitionskosten bei neuen NGA-Netzen, soweit in einem solchen Regime möglich, zu berücksichtigen, um keine Überkompensation der Profitabilitätslücke oder Mitnahmeeffekte zu finanzieren. Damit die Breitbandabgabe tatsächlich von den Nutzern und nicht den Anschlussbetreibern wirtschaftlich getragen wird, sind besondere Ausweismöglichkeiten bei der Erhebung von allen Anschlussbetreibern zu beachten. Auch bedarf es der genaueren Abschätzung, welcher Zuschussbedarf zur Realisierung bestimmter Flächendeckungsgrade erforderlich ist. 5.2.2 Juristische Bewertung 5.2.2.1 Einordnung des Breitbandfonds als Sonderabgabe Gegen ein solches Modell bestehen jedoch erhebliche rechtliche Bedenken. So ist das Modell des modifizierten Universaldienstansatzes auch in Form eines Breitbandfonds verfassungsrechtlich nicht realisierbar. Die modifizierte Universaldienstabgabe ist ebenso wie die Universaldienstabgabe aus dem TKG als Sonderabgabe einzuordnen. Mit dem Ziel des Ausbaus von NGA-Infrastrukturen in dünn besiedelten Gebieten verfolgen beide einen außerfiskalischen wirtschaftspolitischen Hauptzweck. Die aus den Abgaben resultierenden Einnahmen sollen nicht (wenn auch zweckgebunden) in den Staatshaushalt fließen, nach Art. 110 Abs. 1 GG in den Haushaltsplan eingestellt und der Budgethoheit des Parlaments unterworfen werden. Dies würde dazu führen, dass sich die erzielten Einnahmen jährlich dem – durch die in Art. 115 Abs. 2 GG verschärfte Verschuldensbremse noch verstärkten – Verteilungskampf aussetzen müssten. Die zweckgebundene Verwendung als Quersubvention könnte damit nicht mehr garantiert werden. Dies liefe dem in dieser Studie vorgestellten Konzept zuwider. Die Einnahmen aus der modifizierten Universaldienstabgabe sollen zu 100% einem selbständigen Fonds außerhalb des Staatshaushalts zugewiesen werden, dessen Gelder ausschließlich als Investitionskostenzuschuss in erforderlicher Höhe zur Deckung der Profitabilitätslücke im ländlichen Raum verwendet werden und damit ausschließlich den Interes- 52 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze sen der abgabepflichtigen Telekommunikationsanschlussinhaber dienen sollen („Heutige Nutzer sind auch künftige Nutzer―). Die verfassungsrechtliche Bewertung dieses Finanzierungsmodells ergibt sich aus der Prüfung der Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Erhebung von Sonderabgaben stellt. Da die modifizierte Universaldienstabgabe mit der Schließung sog. „Profitabilitätslücken― einen Finanzierungszweck verfolgt, gelten – auch wenn man ihr zudem einen Ausgleichs- und Lenkungscharakter zuweist – die strengen Rechtfertigungserfordernisse. 5.2.2.2 Prüfung der Anforderungen an Sonderabgaben 5.2.2.2.1 Gesetzgebungskompetenz Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Erhebung einer derartigen Abgabe ist noch zu bejahen. Gem. Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 7 Var. 2 GG („Telekommunikation―) verfügt der Bund über die entsprechende Kompetenz, um gestaltende Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus von Breitbandinfrastrukturen gesetzlich zu normieren. Auch die Erhebung von Abgaben zur Finanzierung des erforderlichen Mittelbedarfs ist von Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 Var. 2 GG gedeckt.31 5.2.2.2.2 Gruppenhomogenität Schwierigkeiten ergeben sich jedoch bereits bei der Definition des Kreises der Abgabepflichtigen. Dieser müsste dem Merkmal der Gruppenhomogenität genügen, d.h. die Gruppe der Abgabepflichtigen müsste durch eine „gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar―32 sein. Nach obiger Konzeption soll die modifizierte Universaldienstabgabe an das Innehaben eines TK-Anschlusses anknüpfen. Das Merkmal des Innehabens eines TK-Anschlusses erlaubt theoretisch eine randscharfe Abgrenzung der Gruppe der Abgabepflichtigen. Deren Mitglieder vereint eine in der Wirklichkeit vorgegebene gemeinsame Gegebenheit: die Teilnahme an Telekommunikation. Als potentielle Gruppenmitglieder kommen Festnetzanschlussinhaber, Breitbandanschlussinhaber und Mobilfunkanschlussinhaber in Betracht. Auch wenn die Homogenität der Gruppe grundsätzlich nicht von deren Größe abhängt, können aber nicht all diese Gruppen – um ein möglichst maximales Finanzierungsvolumen anzustoßen – unter den Kreis der Abgabepflichtigen gefasst werden. Statistisch verfügte Ende 2009 jeder Bundesbürger im Durchschnitt über 1,3 Mobilfunkanschlüsse. Die Gruppe der Mobilfunkanschlussinhaber ist dementsprechend von der Allgemeinheit der Steuerzahler nicht mehr abgrenz31 Vgl. die ständige Rechtsprechung des BVerfG, dass eine Kompetenz des Gesetzgebers zur Einführung außersteuerlicher Abgaben sowie zur Regelung ihrer Verwendung aus den allgemeinen Sachzuständigkeiten nach Art. 73 ff. GG hergeleitet werden kann, vgl. BVerfGE 8, 274, 317; 18, 315, 328 f.; 29, 402, 409; 37, 1, 16 f.; 67, 256, 274. 32 BVerfGE 55, 274, 305 f. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 53 bar. Belastet würde nicht eine wenn auch sehr große spezifische Gruppe, die eine bestimmte Verantwortung für den Breitbandausbau in dünn besiedelten Gebieten träfe, sondern im Ergebnis die Allgemeinheit der Steuerzahler. Der darin begründete Verstoß gegen das Verbot der Inanspruchnahme der Allgemeinheit der Steuerzahler versperrt ein Anknüpfen der Abgabenpflicht an das Innehaben von Mobilfunkanschlüssen. Die Wahl des Festnetzanschlusses (PSTN/ISDN) als Anknüpfungspunkt erscheint ebenfalls problematisch. Hierbei handelt es sich zwar um eine kleinere Gruppe von Abgabepflichtigen (Ende 2009 in etwa 32,8 Mio) und nicht um die Allgemeinheit der Steuerzahler. Für diese Gruppe ist jedoch spätestens die Bejahung der Finanzierungsverantwortlichkeit problematisch. Die bloße Nachfrage nach einem Telekommunikationsanschluss formt die Verbraucher nach Rechtsprechung des BVerfG33 noch nicht zu einer Gruppe, die eine spezielle Finanzierungsverantwortlichkeit für den bestimmte Aufgabe träfe. Vor dem Hintergrund, dass Festnetzanschlüsse von einer Vielzahl von Personen benutzt werden, aber nur auf eine Person angemeldet sind, muss zudem berücksichtigt werden, dass das Anknüpfen der Abgabe an das Innehaben eines Festnetzanschlusses mit dem aus dem Rechtsstaatsgebot entspringenden Willkürverbot kollidieren könnte. In Betracht käme letztendlich die tatbestandsmäßige Anknüpfung der Abgabe an das Innehaben eines Breitbandanschlusses. Diese werden derzeit vor allem über DSL und Kabelfernsehanschlüsse (Kabelmodem) sowie marginal über Festverbindungen, Satellit, Stromleitungen (Powerline) sowie Glasfaser- und funkbasierte Infrastrukturen realisiert. Die Anzahl der Breitbandanschlüsse in Deutschland betrug Ende 2009 etwa 25 Mio. Knüpft man die Abgabenpflicht an das Innehaben eines Breitbandanschlusses, so ergeben sich weitere Abgrenzungsschwierigkeiten: Ab welcher Bandbreite ist von einem Breitbandanschluss auszugehen? Der Bestimmung einer bestimmten Mindestbandbreite steht das Tarifmodell der Breitbandanbieter, deren Angebote lediglich die maximal mögliche Verbindungsgeschwindigkeit und nicht die tatsächlich realisierte enthalten, entgegen. Zudem erscheint eine Kollision mit dem Willkürverbot aus denselben Gründen wie bei den Festnetzanschlüssen als nicht ausgeschlossen. Diese aufgeworfenen Fragen können jedoch dahinstehen, da die Erhebung einer modifizierten Universaldienstsonderabgabe verfassungsrechtlich auch an den nachfolgenden Kriterien der Sachnähe, daraus resultierenden spezifischen Gruppenverantwortung und eines entsprechenden Gruppennutzens scheitern würde. 5.2.2.2.3 Spezifische Sachnähe und daraus resultierende Gruppenverantwortung Die Gruppe der abgabepflichtigen Breitband-Anschlussinhaber müsste in einer sachnahen Beziehung zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck stehen. Dieser dem Gebot der Belastungsgleichheit entspringender Voraussetzung zufolge muss die Gruppe der Abgabepflichtigen „dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck evident näherstehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler―34. „Aus 33 Vgl. BVerfGE 91, 186, 205. 34 BVerfGE 55, 274, 306. 54 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze dieser Sachnähe muss [in Abgrenzung zu einer staatlichen Gesamtverantwortung] eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen.―35 Nur dadurch kann die Sonderbelastung der Abgabepflichtigen gerechtfertigt werden. Das Vorliegen einer derartigen Sonderstellung ist nach materiell-inhaltlichen Kriterien unter Anknüpfung an vorgegebene Strukturen der Lebenswirklichkeit bei Berücksichtigung der Rechts- und Sozialordnung zu bestimmen. Fraglich ist, ob die Teilnahme bzw. der Zugang zum gleichen Kommunikationsnetz bereits eine ausreichende spezifische Nähebeziehung begründen kann. Die bloße Nachfrage nach einem Wirtschaftsgut ist nach Rechtsprechung des BVerfG noch nicht geeignet, die Verbraucher zu einer Gruppe zu formen, die eine Finanzierungsverantwortlichkeit für eine bestimmte Aufgabe träfe (siehe oben 5.2.2.2.2). Soweit man dennoch die Teilnahme am selben Kommunikationsnetz ausreichen ließe um eine Nähebeziehung zu begründen, stellt sich dennoch die Frage, inwieweit die Gruppe der Breitbandanschlussinhaber im Gegensatz zu den anderen Gruppen von Anschlussinhabern, die ebenfalls (wenn auch nicht mit Breitbandgeschwindigkeiten) am Internet teilnehmen, in einer herausgehobenen Sonderbeziehung zu dem mit der Abgabe verfolgten Zweck steht. Diese Sonderbeziehung aus der privilegierten Stellung der Nutzer mit Breitbandanschlüssen innerhalb der Gruppe der Internetnutzer abzuleiten, erscheint verfehlt. Eine Ungleichverteilung der Übertragungsgeschwindigkeiten führt nicht zwangsläufig zu dem Erfordernis einer Umverteilung von Finanzierungsmitteln. Zudem sind die Bandbreitenunterschiede nicht ausschließlich auf Bottlenecks in dünn besiedelten Regionen zurückzuführen. Es besteht z.B. gegenwärtig keine flächendeckende Nachfrage nach Internet mit Verbindungsgeschwindigkeiten zwischen 50 und 100 Mbit/s. Vielen Nutzern reicht ein schmalbandiges Internet aus, um ihre Kommunikationsbedürfnisse zu befriedigen. Zudem ist breitbandiges Internet bis zu 4 Mbit/s inzwischen per Satellit auch flächendeckend in dünn besiedelten Gebieten zu zwar höheren, aber noch akzeptablen Preisen erhältlich. Im Ergebnis ist also nicht ersichtlich, warum unterschiedliche Übertragungsgeschwindigkeiten eine spezifische Nähebeziehung der breitbandigen Anschlussinhaber zu den schmalbandigen Anschlussinhabern in dünn besiedelten Gebieten begründen sollten. Eine intensivere Nähebeziehung besteht jedenfalls zwischen den unterversorgten Anschlussinhabern selbst und dem Breitbandausbau in diesen unterversorgten Gebieten. Dementsprechend lässt sich auch keine spezifische Finanzierungsverantwortlichkeit der Breitbandanschlussinhaber für den Ausbau von Breitbandinfrastrukturen in Profitabilitätslücken begründen. Bei Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion knüpft die Finanzierungsverantwortlichkeit an die Aufgabenverantwortung an. Die Gruppe der Breitbandanschlussinhaber kann nur dann mit der modifizierten Universaldienstsonderabgabe belastet werden, wenn der zu finanzierende Breitbandausbau in ihren Verantwortungsbereich fällt. Allgemeine wirtschaftspolitische Ziele wie z.B. die Strukturförderung im ländlichen Bereich, genügen nicht, um die Sonderbelastung der Breitbandanschlussinhaber zu rechtfertigen. Eine Verantwortung kann sich auch nicht durch Rückgriff auf 35 BVerfGE 55, 274, 306. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 55 das Verursacher- oder auf das Solidarprinzip ergeben. Nach dem Verursacherprinzip trifft die Breitbandanschlussinhaber nämlich keine Finanzierungsverantwortlichkeit. Das Entstehen der Breitbandkluft ist nicht auf ihr Handeln zurückzuführen. Sie resultiert aus wirtschaftlich rationalem Handeln der Telekommunikationsunternehmer, das auf die regional inhomogene Verteilung der Bevölkerungsdichte und den daraus resultierenden regional unterschiedlichen Gewinnaussichten zurückzuführen ist. In Betracht käme einzig die Herleitung einer etwaigen Verantwortlichkeit aus dem Solidarprinzip. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass das Solidarprinzip in einem an Wettbewerb orientierten Wirtschaftssystem außerhalb des Bereichs der Sozialversicherung Geltung beanspruchen kann. Der Ausbau von Breitbandinfrastrukturen fällt nicht in den Verantwortungsbereich der Nutzer. Die Errichtung derartiger Hochleistungsinfrastrukturen, die über das Mindestniveau des Universaldienstes hinausgehen, liegt als typische Gemeinwohlaufgabe im Verantwortungsbereich des Staates und ist folglich von der Allgemeinheit der Steuerzahler zu finanzieren. 5.2.2.2.4 Gruppennützige Verwendung Soweit man entgegen der hier vertretenen Auffassung dennoch eine spezifische Sachnähe und daraus resultierende Gruppenverantwortung der TK-Breitbandanschlussinhaber zur Errichtung von Hochleistungsinfrastrukturen in dünn besiedelten Gebieten annähme, müsste das Aufkommen aus der Abgabe gruppennützig verwendet werden. Dies setzt voraus, dass zwischen den Belastungen und den Begünstigungen, die eine Sonderabgabe bewirkt, eine sachgerechte Verknüpfung besteht. Hierzu ist nicht erforderlich, dass das Aufkommen im spezifischen Interesse jedes einzelnen Abgabepflichtigen verwendet wird. Eine Gruppennützigkeit ist bereits dann zu bejahen, wenn das Aufkommen überwiegend im Interesse der Gesamtgruppe der Abgabepflichtigen verwendet wird. Fremdnützige Sonderabgaben hingegen sind unzulässig, „es sei denn, dass die Natur der Sache eine finanzielle Inanspruchnahme der Abgabepflichtigen zugunsten fremder Begünstigter aus triftigen Gründen eindeutig rechtfertigt―36. Ein derartiger Gruppennutzen bereitet bei seiner Identifikation ebenfalls Schwierigkeiten. So ist es zwar möglich, dass sich durch die Erhöhung der Bandbreite bisher „unterversorgter― Nutzer positive Externalitäten für die bisherigen breitbandigen Nutzer (die Abgabenschuldner) ergeben. Hier müsste allerdings eine hinreichende positive Korrelation nachgewiesen werden. Anwendungen im Internet, die einen Breitbandanschluss des Kommunikationspartners oberhalb von 1 Mbit/s erfordern, kommt bisher nur marginale Bedeutung zu (ausreichend für Videotelefonie mit Skype sind z.B. 512 kbit/s). Neuartige Unterhaltungsdienste (z.B. Triple-Play, IP-TV in HD) und eHealth-Dienste, für die ein Breitbandanschluss im höheren Mbit-Bereich unabdingbar ist, dienen unmittelbar vor allem den Interessen des Dienstenutzers und nicht hinreichend der Gruppe der Abgabeschuldner. Der dargelegte gesamtwirtschaftliche Zusammenhang ist insoweit nicht hinreichend. 36 BVerfGE 55, 274, 307 f. 56 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Lediglich mittelbar könnte sich ein Nutzen für die Abgabenschuldner ergeben: Durch die größere Anzahl an potentiellen Nutzern neuartiger breitbandiger (Unterhaltungs-) Dienste erhöhen sich auch die potentiellen Gewinnaussichten, wodurch die Etablierung neuartiger Dienste aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten wahrscheinlicher wird. Von diesen neuen Diensten könnten auch die Abgabenschuldner profitieren. Die Entstehung neuartiger Dienste ist jedoch von wirtschaftlichen Abwägungen abhängig und damit keine sichere Folge des Breitbandausbaus. Ein Nutzen für die Gruppe der Abgabenschuldner lässt sich somit nicht mit hinreichender Sicherheit und in einer hinreichenden Deutlichkeit vorhersagen. Dementsprechend haben die bisherigen Breitbandanschlussinhaber trotz eines gewissen Produktivitäts- und Externalitätenzusammenhangs kein finanzverfassungsrechtlich betrachtet hinreichendes Interesse daran, dass TKTeilnehmer in bisher unterversorgten Regionen mit Hochleistungsbreitbandinfrastrukturen ausgestattet werden (Versorgungsinteresse). Ihr Interesse richtet sich vielmehr vor allem darauf, die TK-Teilnehmer in den unterversorgten Regionen zu erreichen (Konnektivitätsinteresse). Dieses Konnektivitätsinteresse könnte, soweit ihm nicht bereits durch die gegenwärtige Ausbausituation genüge getan würde, mit Hilfe des klassischen Universaldienstmechanismus, wie er im TKG geregelt ist, befriedigt werden. Eine Ausnahme vom Erfordernis des Gruppennutzens und damit die Erhebung einer fremdnützigen Sonderabgabe kommt mangels besonderer Verantwortung der in Anspruch genommenen Gruppe gegenüber der Allgemeinheit ebenfalls nicht in Betracht. 5.2.3 Fazit Die Erhebung von Sonderabgaben zur Finanzierung eines erweiterten Universaldienstes auch im Sinne eines modifizierten Universaldienstansatzes („Breitbandfonds―) zur Förderung des Breitbandausbaus im ländlichen Raum ist finanzverfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Sie erfüllt nicht die verfassungsgerichtlichen Vorgaben aus der Sonderabgabenrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es fehlt zum einen an einer besonderen Finanzierungsverantwortung der Abgabenschuldner. Sie trifft keine spezifische Verantwortung für die Versorgung unterversorgter Regionen mit NGA-Netzen. Zudem scheitert die Abgabe am Nachweis eines etwaigen Gruppennutzens, den die Anschlussinhaber an einer Strukturförderung von unterversorgten Regionen hätten. Solange es nicht darum geht, dass eine etablierte Standardnachfrage in der Fläche abgedeckt wird, sondern umgekehrt eine entsprechende Nachfrage überhaupt erst stimuliert werden soll, erweist sich auch ein modifizierter Universaldienstansatz nicht als finanzverfassungsrechtlich zulässiges Instrument. Den verfassungsrechtlichen Vorgaben könnte allenfalls die Erhebung einer Sonderabgabe bei den Anschlussinhabern entsprechen, die in den bisher unterversorgten Regionen beheimatet sind. Diese weisen aufgrund ihres Wohnsitzes in den „strukturschwachen― Regionen eine größere Sachnähe zum Abgabenzweck auf und profitieren auch direkt von dem Ausbau. Das würde jedoch den Zweck einer Universaldienstverpflich- Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 57 tung weitgehend ad absurdum führen. Ursächlich ist immerhin der Gedanke, dass die flächendeckende Gewährleistung angemessener Telekommunikationsinfrastrukturen als allgemeine Staatsaufgabe (Infrastrukturförderung) in den Verantwortungsbereich des Staates und nicht in den der strukturschwachen Regionen bzw. der dort beheimateten Bevölkerung selbst fällt. 58 6 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze Fazit Vor dem Hintergrund der in Inderst et al. (2011a) skizzierten ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen ist eine umfassende Bewertung der verschiedenen Finanzierungsinstrumente zur Förderung privatwirtschaftlicher Finanzierungsansätze oder öffentlich gestützter Finanzierungen möglich, die von der Subventionierung von Breitbandinvestitionen durch verlorene Zuschüsse, Kredit- oder Bürgschaftsprogramme über die lokale Bündelung der Anschlussnachfrage bis hin zur Beteiligung der Nutzer an den Netzausbauinvestitionen etwa durch die (gegebenenfalls steuerlich incentivierte) Übernahme der In-Haus-Verkabelung und/oder der Hausanschlüsse durch den Endkunden reicht. Unabhängig davon haben wir in einem vorangegangenen Papier auf den beschränkt eindeutigen Effekt und die beschränkten (europa)rechtlichen Möglichkeiten einer substantiellen Änderung von Regulierungsmaßnahmen hingewiesen (Inderst et al. 2010a). Weiter untersucht werden sollten stattdessen hoheitliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Senkung der Investitionskosten etwa durch Informationspflichten oder Zugangspflichten zur gemeinsamen Nutzung von Infrastrukturen. Damit stehen eine ganze Reihe ökonomisch sinnvoller und rechtlich zulässiger Instrumente zur Verfügung, um den Ausbau von Hochleistungsnetzen außerhalb von Ballungsgebieten zu fördern und damit zu beschleunigen. Vor dem Hintergrund der ökonomischen und rechtlichen Bewertungen können diese priorisiert werden. Angesichts der beihilfenrechtlichen und steuerrechtlichen Anforderungen ist aus rechtlicher Sicht ein Vorrang nicht-steuerrechtlicher Fördertatbestände erkennbar. Dies bezieht sich insbesondere auf direkte Investitionszuschüsse, Kreditprogramme staatlicher Banken und staatliche Bürgschaftsprogramme, die auch volkswirtschaftlich potentiell sinnvoll sind. Insoweit greifen keine spezifischen steuerrechtlichen Anforderungen und die ökonomische Rationalität sowie die beihilfenrechtlichen Anforderungen lassen sich hier sehr gut in der Ausgestaltung der Förderbedingungen abbilden. Dabei kann an die bisherige Förderpraxis angeknüpft werden. Diese kann an die gesteigerten Ausbauziele auf der Zeitschiene – flexibel in Reaktion auf die tatsächliche marktgetriebene Entwicklung – angepasst werden. In welchem Ausmaß auf diese Instrumente zurückgegriffen werden sollte, hängt dann von einer umfassenden volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse der NGA-Förderung insgesamt ab. Insofern sind über die bisherigen Erkenntnisse hinaus (vgl. dazu die Hinweise in Inderst et al. (2011), Ziff. 1.5) weitere Untersuchungen erforderlich, sollte die Förderintensität unter Rückgriff auf Steuermittel erheblich ausgebaut werden. Dies gilt auch für steuerrechtliche Anreize zur Förderung der Anschlussnachfrage. Obwohl dieses Instrument aus volkswirtschaftlicher Sicht durchaus Vorteile hat, bewerten wir es, sofern es über das beihilfen- und steuerrechtlich unproblematische Steuerprivileg für Handwerkerrechnungen nach § 35a Abs. 3 EStG hinausgeht, jedoch eher skeptisch. Diese eher skeptische Einschätzung folgt aus praktischen steuerrechtlichen Gestaltungsfragen. Die Möglichkeiten einer pragmatisch sinnvollen Ausgestaltung sind Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 59 eher eng begrenzt. Außerdem besteht die Gefahr relevanter Mitnahmeeffekte. Insbesondere setzt die praktische Implementierung eine weitere Abklärung mit der Europäischen Kommission voraus, um eine steuerrechtlich belastbare und zugleich EUbeihilfenrechtskonforme Ausgestaltung zu gewährleisten. Insoweit besteht das Problem darin, dass das Beihilfenrecht eine Ausdifferenzierung nach der Förderwürdigkeit in der konkreten Region verlangt, was sich in allgemeinen Steuertatbeständen nicht einfach abbilden lässt. Steuerliche Anreize für Betreiberinvestitionen sind hingegen wenig sinnvoll, da sie die Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung steuertatbestandlicher Fördervarianten teilen ohne hinreichende Vorteile gegenüber direkten Investitionszuschüssen, Kredit- oder Bürgschaftsprogrammen aufzuweisen. Eine Modifikation des Universaldienstansatzes im Sinne einer Breitbandabgabe, die einen Universaldienstfonds speist, ist vor dem Hintergrund der strengen Sonderabgabenrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht mit dem Finanzverfassungsrecht vereinbar, sofern kein hinreichender Gruppennutzen sowie eine Gruppenverantwortlichkeit nachgewiesen werden kann. Insofern kann der Universaldienstansatz auch in der modifizierten Form nicht eingesetzt werden, um einen Nachfrageschub zu stimulieren, auch wenn ökonomische Gründe für den Einsatz dieses Instruments sprechen sollten. Es bleibt insoweit nur die Möglichkeit einer Finanzierung aus Steuermitteln. Der unternehmens- bzw. endkundenfinanzierte Universaldienstmechanismus kann dagegen nur zur Lückenschließung in geografischer Hinsicht verwendet werden. Schließlich sind geografische Preisdifferenzierungen rechtlich grundsätzlich zulässig und volkswirtschaftlich auch sinnvoll. Sofern sie am Markt durchsetzbar sind, können sie einen Beitrag für den weiteren Breitbandausbau leisten. Preisdifferenzen der Anbieter derart, dass sie höhere Endnutzerpreise außerhalb von Ballungsgebieten verlangen, sind eine marktliche Antwort auf das ökonomische Problem höherer Kosten von NGA im ländlichen Raum und fördern Investitionsanreize in diesem Bereich. Preisdifferenzierung kann im Prinzip mit allen Fördermaßnahmen kombiniert werden und ergänzt die Reichweitenerhöhung. Je mehr die Nutzer selbst zur Rentabilität von NGA-Investitionen im ländlichen Raum beitragen, desto geringer sind die erforderlichen Fördermittel zur Erreichung eines bestimmten Ausbauziels. Anders formuliert, bei gegebenem (staatlichen) Budget für Fördermaßnahmen sind die Effekte im Sinne der Zahl der realisierten NGA-Anschlüsse umso höher, je mehr die Nutzer selbst durch ihre Endkundenpreise dazu beitragen (sofern sie dadurch nicht von der Teilnahme abgeschreckt werden). Ähnlich unterstützen Maßnahmen zur lokalen Bündelung der Anschlussnachfrage und Nachfrage-Commitments die Profitabilität von NGA-Investitionen sehr zielgerichtet und sind grundsätzlich auch rechtlich zulässig. Damit ergibt sich im Weiteren die Notwendigkeit, das Ausmaß der volkswirtschaftlich sinnvollen Förderung von NGA-Investitionen insbesondere durch Subventionen zu prüfen, und die entsprechenden Förderprogramme gegebenenfalls auszubauen. Bei einer solchen Prüfung ist insbesondere der Tatbestand des Marktversagens zu quantifizieren 60 Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze und den sozialen Kosten, die mit der Bereitstellung der Steuermittel verbunden sind, gegenüberzustellen. Dabei ist dann die jeweilige Auswirkung auf den bisherigen Ansatz einer primär wettbewerbsorientierten, aber auch marktwirtschaftlich geprägten Telekommunikationsordnung kritisch zu prüfen. Zu einer Marktwirtschaft gehört schließlich prinzipiell auch eine durch die Unternehmen erfolgende Identifikation der relevanten Nachfrage und die Abschätzung der dadurch indizierten Investitionsbedürfnisse. Hoheitliche Interventionen in dieses Spiel von Angebot und Nachfrage sind rechtfertigungsbedürftig, nicht nur aus ökonomischer Sicht, sondern auch vor dem Hintergrund des in Art. 87 f Abs. 2 GG verfassungsrechtlich angelegten Grundsatzes der marktwirtschaftlich geprägten Telekommunikationsordnung. Je intensiver entsprechende Interventionen sind, desto höher wird die Notwendigkeit, positive volkswirtschaftliche Effekte darzulegen. Angesichts des in Art. 87 f Abs. 2 GG gleichermaßen angelegten Wettbewerbsprinzips spricht aus juristischer Sicht wie auch aus ökonomischer Sicht nichts dafür, zur hoheitlichen Leistungsverantwortung zurückzukehren, um etwaige Versorgungslücken zu schließen, also staatlich gesteuerte Breitbandunternehmen zu schaffen. Privatwirtschaftliche Finanzierungsansätze 61 Literaturverzeichnis Department for Business Innovation & Skills (BIS) (2009): Digital Britain, Final Report, June Europäische Kommission (2010), Special Eurobarometer 335, E-Communications Household Survey, October 2010 Ilic, D., K.-H. Neumann und T. Plückebaum (2009): Szenarien einer nationalen Glasfaserausbaustrategie in der Schweiz, Studie für die Schweizer Regulierungsbehörde BAKOM, Dezember Inderst, R., J. Kühling, K.-H. Neumann und M. Peitz (2010): Nationale vs. sub-nationale Marktabgrenzung und Regulierung bei NGA, Studie für das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Inderst R., J. Kühling, K.-H. 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