Universitätsklinikum Münster Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie und Pflege in der Onkologie Besonderheiten einer Anästhesie bei Patienten mit Epidermolysis bullosa von: Katrin Rose Mai 2008 Soester Straße 64 48155 Münster 1 Inhaltsverzeichnis Vorwort ............................................................................................................... 3 1 Zusammenfassung ....................................................................................... 4 2 Einleitung ...................................................................................................... 4 3 Epidermolysis bullosa – was ist das? ........................................................... 5 3.1 DEFINITION ........................................................................................................................ 5 3.2 URSACHE .......................................................................................................................... 6 3.3 EINTEILUNG IN ABHÄNGIGKEIT DES DEFEKTEN GENORTES .................................................... 7 4 Wesensmerkmale des EB-Erkrankten .......................................................... 9 4.1 DER EB-PATIENT ............................................................................................................... 9 4.2 "SCHMETTERLINGSKIND" ALS EMBLEM .............................................................................. 11 5 An welchen Punkten im Rahmen einer Anästhesie sind Menschen mit Epidermolysis bullosa besonders gefährdet? ................................................... 12 5.1 W IE WIRD DEN GEFAHREN BEGEGNET?............................................................................. 14 5.2 SILIKONVERBÄNDE ........................................................................................................... 15 6 Ablauf einer Anästhesie bei EB-Patienten .................................................. 18 6.1 PRÄ-ANÄSTHESIE-VISITE.................................................................................................. 18 6.2 VORBEREITUNG AM OP-TAG ............................................................................................ 19 6.3 EINSCHLEUSEN UND UMLAGERN ....................................................................................... 24 6.4 ANÄSTHESIE-EINLEITUNG ................................................................................................. 25 6.5 BESONDERHEITEN WÄHREND DER OP-PHASE ................................................................... 35 6.6 BESONDERHEITEN DER OPERATIVEN VERSORGUNG ........................................................... 36 6.7 ANÄSTHESIE-AUSLEITUNG ................................................................................................ 37 6.8 BETREUUNG IM AWR ....................................................................................................... 38 6.9 POST-ANÄSTHESIE-VISITE AUF STATION ........................................................................... 39 7 Schlussfolgerung ........................................................................................ 39 8 Anhang ....................................................................................................... 41 8.1 LITERATURVERZEICHNIS ................................................................................................... 41 8.2 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ................................................................................................ 41 2 Vorwort Es erschien mir zuerst gar nicht so einfach, ein geeignetes Facharbeitsthema aus dem Arbeitsumfeld der Anästhesiepflege zu finden, welches originell genug ist um nicht langweilig zu sein und zugleich weitestgehend unberührt ist. Obwohl ich retrospektiv zugeben muss, dass mir besonders diese „Unberührtheit“ bei der Recherche nicht gerade nützlich war. Literatur über Besonderheiten im Umgang mit Epidermolysis bullosa Erkrankten existiert für den deutschsprachigen Raum nur spärlich und noch weniger findet man Hinweise für den richtigen Umgang mit diesen Betroffenen im Rahmen einer Anästhesie. An dieser Stelle gilt ein ganz besonderer Dank der Fachkrankenschwester Elke Roth, die sich innerhalb der letzten Jahre intensiv mit diesem außergewöhnlichen Thema auseinandergesetzt hat und an der Entwicklung eines Standards zum Umgang mit Patienten mit Epidermolysis bullosa im Rahmen einer Anästhesie maßgeblich beteiligt ist. Zahlreiche von ihr dokumentierten Fallbeispiele, Fotos und Ausarbeitungen waren mir für meine Arbeit die umfangreichste Hilfe und der ständige rote Faden. Elke Roth macht sich für die Weitergabe ihrer gesammelten Informationen an Pflegepersonal und Ärzte in unserer Klinik stark und ist mir zur Ansprechpartnerin und Mentorin meiner Facharbeit geworden. 3 1 Zusammenfassung In Deutschland leben derzeit ca. 4700 Menschen mit Epidermolysis bullosa (EB), von denen ca. 1000 an einer schweren Verlaufsform erkrankt sind. Fast alle von ihnen kommen in Kontakt mit einer operativen Versorgung und müssen daher auch anästhesiologisch betreut werden. Im Rahmen dieser Facharbeit sollen zunächst verschiedene Aspekte der seltenen Epidermolysis bullosa beschrieben werden, die für ein umfassendes Verständnis dieser Erkrankung hilfreich sind. Besonderes Gewicht soll die ausführliche Darstellung der pflegerischen Tätigkeiten im Rahmen der anästhesiologischen Betreuung von Menschen mit Epidermolysis bullosa erfahren. Dabei wird auf die wichtigsten Fehlerquellen hingewiesen, die besonders dann eine Rolle spielen, wenn Patienten mit Epidermolysis bullosa nach den üblichen Standards ohne entsprechende Modifikation versorgt werden. 2 Einleitung Um eine optimale anästhesiologische Versorgung bei einem Patienten mit Epidermolysis bullosa durchzuführen ist ein umfangreiches Verständnis für die Besonderheiten dieser Erkrankung notwendig. Die Seltenheit der Erkrankung und die Individualität bei jedem einzelnen EB-Betroffenen, mit denen medizinisches Fachpersonal konfrontiert werden, erschwert zudem die Entwicklung von routinierten Abläufen während der innerklinischen Betreuung. Kaum ein Krankheitsbild stellt deshalb im vergleichbaren Maß eine Herausforderung an das gesamte Behandlungsteam wie die EB. Dies bezieht sich vor allem auf die professionelle Anpassung der standardisierten Abläufe an die fragile Hautbeschaffenheit der Patienten. Jeglicher Hautkontakt kann für den EB-Betroffenen in Abhängigkeit der Schwere der Erkrankung schädlich und somit schmerzhaft sein. Da diese während einer medizinischen Behandlung nicht ausschließlich vermeidbar sind, müssen viele „Handgriffe“ und Verfahren an die empfindliche Haut des EB-Patienten abgestimmt werden. Des Weiteren kann sich im Rahmen einer 4 Anästhesie die Sicherung der Atemwege als schwierig erweisen. Diese und weitere speziellen Probleme und deren Lösungsvorschläge sollen im Nachfolgenden dargestellt werden. 3 Epidermolysis bullosa – was ist das? 3.1 Definition Epidermolysis bullosa (EB) ist eine seltene Dermatose, die durch eine extrem vulnerable Haut mit häufigen vernarbenden Wundflächen am gesamten Integument gekennzeichnet ist. Die begleitenden Beeinträchtigungen sind vielfältig und je nach Erkrankungsform unterschiedlich ausgeprägt. Wichtigstes gemeinsames Merkmal aller Formen ist dabei die Neigung zur Ausbildung von Blasen an der Haut und den Schleimhäuten, die bereits durch minimalen Druck-, Zug- oder Scherkräfte ausgelöst werden. Bei einigen Formen können Blasen auch spontan ohne mechanische Belastung entstehen. Auch Stress wird als blasen-auslösender Faktor beschrieben. In den Sommermonaten ist die Neigung zur Blasenbildung durch vermehrtes Schwitzen meist stärker ausgeprägt als in der kalten Jahreszeit. EB ist weder infektiös noch assoziiert mit einer mentalen Retardierung, führt aber zu mehr oder weniger schweren körperlichen Behinderungen und nicht selten auch zu einem früheren Tod der betroffenen Patienten. Trotz fehlender Heilungsmöglichkeiten sind ständige Behandlungen nötig, um Begleiterscheinungen wie Unterernährung, Minderwuchs, Finger- und Zehenverwachsungen, Karies oder teils ausgeprägte Bewegungsbehinderungen zu mildern. Die häufigen Wunden müssen kontinuierlich versorgt werden. Neben einer multimodalen Schmerztherapie steht darüber hinaus eine penible Prophylaxe weiterer Läsionen im Vordergrund der Behandlung [1. 2. 3.]. 5 3.2 Ursache Allen Formen der EB liegt ein Gendefekt zugrunde. Dabei sind je nach Form unterschiedliche Gene an der Mutation beteiligt. Die Genmutationen führen zu defekten Strukturproteinen. Durch die unterschiedliche Lokalisation der gestörten Strukturproteinfunktion lassen sich drei Hauptformen der EB unterscheiden. Die weitere Unterteilung in jeweils drei bis vier Unterformen ist uneinheitlich und zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abgeschlossen. Durch die jeweils unterschiedliche genetische Veränderung, die ursächlich der EB zugrunde liegt, sind Übergänge von einer Hauptform in eine andere ausgeschlossen. Die pathologischen Gendefekte sind entweder für eine Instabilität der Epithelzellen (Epidermolysis bullosa simplex), für ein gestörtes Gefüge der Basalmembranzone (Epidermolysis bullosa junctionalis) oder für eine unzureichende Verzahnung der epithelnahnen Bindegewebefasern mit dem Epithel (Epidermolysis bullosa dystrophica) verantwortlich (s. Abb. 1) [1. 2. 4.]. Abb. 1 Spaltebenen der EB-Formen 6 3.3 Einteilung in Abhängigkeit des defekten Genortes Epidermolysis bullosa simplex (EBS) Es werden verschiedene Subtypen unterschieden, von denen die EB simplex generalisata die häufigste Form der gesamten EB-Gruppe darstellt. 1 von 50000 Lebendgeburten zeigt diese Hauterkrankung, wobei Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen. Bereits eine leichte mechanische Belastung der Haut durch Reibung oder Druck führt zu einer verstärkten Freisetzung eiweißabbauender Enzyme, welche die Epidermiszellen angreifen und dadurch intraepidermale Blasen, also Blasen die in der Epidermis liegen, hervorrufen. Diese Blasen können bereits bei der Geburt auftreten, manche Kinder entwickeln diese Hauterscheinung jedoch erst im Krabbelalter, wenn die Berührungsfaktoren zunehmen. Dabei bilden alle Hautstellen, die Druck, Stoß oder Reibung ausgesetzt sind, wie z.B. Hände, Ellenbogen, Knie, Füße, Ferse oder Hinterkopf, erbsen- bis fingernagelgroße, einkammerige Blasen. Diese enthalten in der Regel ein farbloses Sekret. Die Blasen wachsen und platzen schließlich auf. Bei dieser Form der EB heilen die Blasen narbenlos ab. Die Schleimhäute, insbesondere die Mundschleimhaut, sind bei dieser Form fast nie befallen. Epidermolysis bullosa junctionalis (EBJ) Die EB der Junktionszone weist subepidermale Blasen im Bereich der Basalmembran der Haut auf. Sie tritt seltener auf als die EB simplex und kann in sehr leichter bis sehr schwerer Ausprägung auftreten. Sie besteht meist schon bei der Geburt oder entwickelt sich innerhalb der ersten Lebenstage. Dabei bilden sich großflächige, größtenteils blutgefüllte Blasen an nahezu allen mechanisch belasteten Hautstellen, die narbenfrei abheilen. Auch die Mundschleimhaut und sogar die Luftröhre und die Bronchien können betroffen sein. In ihrer schwersten Form kann sie im Säuglings- oder Kleinkindalter zum Tod durch Blutvergiftung führen. 7 Epidermolysis bullosa dystrophica (EBD) Bei dieser Form der EB kommt es nach Abheilung der Blasen in der Regel, ähnlich wie bei einer Verbrennung, zu starken Vernarbungen und Pigmentveränderungen. Diese bedeuten für den Erkrankten einen zunehmenden Funktionsverlust der Haut. Sind Finger, Zehen oder Nägel befallen, kann es zu Verwachsungen der Finger oder Zehen kommen und damit zu einer Schwerstbehinderung. Hinzu kommt die starke psychische Belastung durch Vernarbungen aus kosmetischer Sicht. Die Blasen entstehen teilweise nach einem Trauma durch Druck oder Stoß, können jedoch auch spontan entstehen. Auch die Schleimhäute sind beteiligt. Die Erkrankung wird häufig begleitet von weiteren Symptomen wie fehlgeformte Zähne, sehr dünnes Kopfhaar und starker Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes [1. 2. 4. 8.]. Abb. 1 Häufige EBD-Symptome 8 4 Wesensmerkmale des EB-Erkrankten Ursache und Auswirkungen von EB sind an der Grenzfläche zwischen dem „Ich“ der Betroffenen und ihrer „Umwelt“ lokalisiert. Jede Auseinandersetzung des eigenen Körpers der EB-Erkrankten mit Widerständen, die die Umwelt ihnen entgegensetzt, führt zu Reibungen und dementsprechenden Schädigungen, die zumeist Ähnlichkeiten mit Brandverletzungen haben. Jeder EBErkrankte ist gewissermaßen ein „gebranntes Kind“ allein dadurch, dass er sich, wie jeder andere auch, in der Welt behaupten und mit ihr auseinandersetzen muss, um zu leben. Man kann nur vermuten, daß dies nicht ohne Folgen sein kann für das Seelenleben, auch wenn einheitliche Persönlichkeitsveränderungen bislang nicht beschrieben worden sind. Verallgemeinern lassen sich dennoch einige Umstände der Lebenssituation, in der sich EB-Erkrankte befinden und mit der sie sich auseinander zu setzen haben. 4.1 Der EB-Patient EB tritt im Vergleich zu anderen „herkömmlichen“ Erkrankungen relativ selten auf. Zusätzlich werden die Symptome von medizinischen Laien als zumindest „befremdlich“ wahrgenommen. Somit wird ein EB-Erkrankter in die Position eines „Exoten“ gedrängt, der er nicht entfliehen kann, da die Zeichen seiner Erkrankung kaum übersehbar nach außen gekehrt sind. Zusätzlich führen die Einschränkungen, die oft zahlreich und schmerzlich sind, zu einer weiteren Entfremdung der Erkrankten von ihrer Umwelt. Ohnehin erschweren ihre zahlreichen therapeutischen Termine eine Teilnahme am sozialen Leben. Somit schränkt sich das soziale Umfeld meistens auf die engere Familie ein, die, ähnlich wie bei anderen chronisch Erkrankten, meist stark in den therapeutischen Prozess mit eingebunden ist. Da die Krankheit angeboren ist, sind überdurchschnittlich viele Kinder unter den behandlungsbedürftig Erkrankten, wenngleich der Anteil an Älteren durch sich verbessernde Versorgung weiter zunehmen dürfte. Diese Versorgung schließt jedoch nicht nur viele therapeutischen Termine sondern auch so manche stati- 9 onäre Hospitalisation mit ein. Durch zahlreiche negative Erlebnisse im Krankenhaus, die sie dort vor allem im Kindesalter machen, sind die EB-Erkrankten oft zusätzlich seelisch traumatisiert. Dies wird noch dadurch verstärkt, daß die Hautdefekte einen Schmerz verursachen, welcher in Intensität und Qualität mit Brandwunden verglichen werden kann. Eine kontinuierliche Schmerztherapie kann in schweren Fällen notwendig sein. Jede (Krankenhaus-) Behandlung stellt eine potentielle Gefahr der Verschlimmerung des Krankheitserlebnisses dar. Die ungewisse Zukunft, die verminderte Lebenserwartung und die hohen Behandlungskosten bereiten den EB-Erkrankten und ihren Angehörigen darüber hinaus große Sorgen [ 6.] . Abb.3 Kleinkind mit EB Bei allen Besonderheiten, die EB mit sich bringt, darf jedoch nicht übersehen werden, daß EB-Erkrankte ganz gewöhnliche Bedürfnisse haben, denen man genauso Rechnung tragen muss. Es ist allerdings nicht immer ganz einfach, hinter den markanten Krankheitszeichen, die sich sehr in den Vordergrund der 10 Wahrnehmung drängen, den „ganz normalen“ Menschen zu erkennen. Doch in dem Moment, wo dieses nicht gelingt, wird der Mensch, dem wir begegnen, reduziert auf seine Erkrankung. 4.2 "Schmetterlingskind" als Emblem Abb. 4 Schmetterlinge „ Die Haut von EB-Patienten ist sehr sensibel, zart und verletzlich - wie der Flügel eines Schmetterlings. Mit diesem Symbol wird diese Hauterkrankung mittlerweile international in Verbindung gebracht.“ [6.] Die Bezeichnung „Schmetterlingskind“ bezieht sich in erster Linie auf den Betroffenen und nicht auf seine Erkrankung, die damit beschönigt und verharmlost wird, weil es die Unentrinnbarkeit aus ihr verschweigt. Ähnlich wie viele Laienbegriffe für Erkrankungen gibt auch dieser der Epidermolysis Bullosa einen umgangssprachlichen Namen und nimmt ihr durch seine Umschreibung ein wenig den Schrecken, indem er Betroffene als liebliche und anmutige Fantasieobjekte bezeichnet. 4.2.1 Wirkung des Begriffes auf Betroffene Für Hautgesunde ist es auch bei außerordentlicher Empathie kaum möglich sich ein vollständiges Bild davon zu machen, wie sich ein Leben mit dieser Erkrankung gestaltet. Krankheitserlebnis und Selbstwahrnehmung des EBErkrankten bleiben damit für Nicht-Betroffene schwer nachfühlbar. An dieser Stelle bleibt die Frage offen, inwieweit sich Betroffene mit diesem Symbol der Schönheit und Leichtigkeit identifizieren können. Allerdings ist zu vermuten, dass es insbesondere für Kinder leichter sein dürfte, die Wirkmechanismen der eigenen Erkrankung zu verstehen und an z.B. Spielkameraden weiterzuvermit- 11 teln („…das ist wie bei einem Schmetterling, den darf man auch nicht anfassen, sonst geht der kaputt“). 5 An welchen Punkten im Rahmen einer Anästhesie sind Menschen mit Epidermolysis bullosa besonders gefährdet? Da, wie bereits erwähnt, die gesamte Grenzfläche zwischen eigenem Körper und der Umgebung betroffen ist, sind Menschen mit EB im Rahmen einer Anästhesie an ihrer gesamten Körperoberfläche gefährdet. Zusätzlich stark von Verletzungen bedroht sind die „inneren Grenzflächen“ wie oberer Gastrointestinaltrakt und die oberen Atemwege sowie die Schleimhäute an Körperöffnungen (s. Abb. 5). Abb.5 Mundschleimhautdefekt Jede Berührung oder Manipulation und damit ein verursachen von Scher-, Druck- oder Zugkräfte, stellt für den EB-Patienten eine potentielle Gefährdung dar. Dies betrifft auch eine Reihe von scheinbar harmlosen Handgriffen und Tätigkeiten am Patienten, die für den Hautgesunden nicht nur selbstverständlich, sondern auch Ausdruck von Kommunikation sind. Die Sicherung der Atemwege und damit die essentielle Aufrechterhaltung der lebensnotwendigen Körperfunktionen, kann sich für EB- Patienten im schlimmsten Fall zu einer lebensbedrohlichen Situation entwickeln und bedarf deshalb einer maximal sorgfältigen Handhabung im Bezug auf Abklärung, Abwägung, Absprache, Vorbereitung und Durchführung. Mit einer schwierigen Atemwegs- 12 sicherung muss bei EB-Patienten gerechnet werden, auch wenn der Patient im Vorfeld nach geltenden Klassifikationen wie Mallampati oder Patil, objektiv als gut intubierbar eingeschätzt wird. Eine eingeschränkte Mundöffnung und Halsreklination, ein schlechter Zahnstatus, Aphthen und Schleimhautdefekte z.B. in Form von serös gefüllten Blasen im Mund- und Rachenraum, treten bei dieser Patientengruppe gehäuft auf und stellen damit eine Herausforderung an die Qualität der anästhesiologischen Arbeit. Abb.6 eingeschränkte Mundöffnung Die Intubation oder Platzierung einer Larynxmaske können multiple Haut- und Schleimhautdefekte mit anschließender Blasenbildung, Ödembildung und Vernarbung verschlimmern und Neubildungen dessen verursachen, die postoperativ eine Dyspnoe auslösen können. Des Weiteren können bestehende Schluckstörungen eine Regurgitation und somit eine Aspiration während der Ein- und Ausleitung der Narkose begünstigen. Durch die Reflexsteigerung und Erregung während der Exzitationsphase ist insbesondere die Haut der Kinder, bei denen aus verschiedenen Aspekten eine Inhalationseinleitung favorisiert wird, bedroht neue Schäden zu entwickeln. Vor allem, wenn diese zum Eigenschutz festgehalten werden müssen. So ist auch die Muskelfaszikulation, die nach Succinylcholingabe auftritt, als potentielle Gefahr für die fragile Hautbeschaffenheit anzusehen. Besonders zu erwähnen ist die ungewöhnlich ausgeprägte Unverträglichkeit von Klebematerialien wie Elektroden, Pflaster und Abdeckungen, die sich nicht ohne erhebliche Zug- und Scherkräfte wieder entfernen lassen. Als Ausnahme 13 gelten sanft haftende Wundauflagen, wie im Einzelnen in Kap. 5.2 beschrieben [5. 9. ]. Abb.7 stark ausgeprägte Blasenbildung 5.1 Wie wird den Gefahren begegnet? Übergeordneter Leitgedanke der anästhesiologischen Betreuung EB-Erkrankter ist die Vermeidung von zusätzlichen (epidermalen) Schäden. Um derartige Schäden zu vermeiden, ist aufgrund der zahlreichen und sehr unterschiedlichen Gefahrenquellen ein multimodales Risikomanagement von größter Bedeutung. Zunächst muss ein Bewusstsein für die speziellen Anforderungen an die Betreuung von EB-Patienten vorherrschen. Außerdem sind ein gutes Hintergrundwissen („Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“), das Miteinbeziehen aller Beteiligten über die Berufsgrenzen hinaus sowie eine sorgfältige Planung und Vorbereitung entscheidend über die Qualität der anästhesiologischen und therapeutischen Versorgung. Des Weiteren spielt die Erfahrung und Routine des Teams für eine professionelle und optimale Versorgung eine übergeordnete Rolle. Die Reduktion von Stress und Angst beim Patienten reduziert auch dessen Gegenwehr, die ihn wiederum verstärkt gefährdet. Daher müssen diese Faktoren unter allen Umständen vermindert werden. Im einzelnen ist auf eine entsprechende Schonung der Augenpartien, Nase, 14 Mund- und Rachenraum bis hin zum Kehlkopf, Lippen, Ohren, sämtliche Orte, an denen das Monitoring etabliert wird und an denen hautirritierende Maßnahmen durchgeführt werden (wie z.B. Zugänge, Katheter, Fixierungen, Bairhugger-Decken, Wischdesinfektionen) einschließlich der Auflageflächen zu achten. Darüber hinaus muss spezielles Material vorgehalten und die Anwendung sicher beherrscht werden [5. 8. 9.]. 5.2 Silikonverbände Die hier beschriebenen Silikonverbände beziehen sich auf die Produkte der Firma Mölnlycke Health Care GmbH und lehnen sich mehrheitlich den Produktbeschreibungen der Firma an. Silikon ist ein in der Natur vorkommendes Element und wird in Verbindung mit Öl und Wasser verarbeitet. Der Einsatz von Silikon ist vielseitig, man findet Silikon in unterschiedlichsten Härtegraden in Haushalts-, Hygiene-, Pflege- und Medizinprodukten. Das von Mölnlycke Health Care verwendete Silikon ist leicht vernetzt d.h. die Moleküle bilden ein Netzwerk, welches sich nicht auflösen kann. Über die Dichte der Vernetzung wird die Adhäsivität des Silikonverbandes gesteuert. Die Eigenschaften der Silikonverbände entsprechen weitestgehend den Anforderungen zum optimalen Schutz der fragilen Epidermolysis bullosa Haut. Durch die weiche und flexible Beschaffenheit des Materials und die geringe Oberflächenspannung lassen sich diese Wundauflagen, ggf. auf die erforderliche Größe und Form zurechtgeschnitten, auch auf unebener Hautstruktur sehr gut anpassen. Silikon ist inert (inaktiv) und nicht toxisch, es reagiert demzufolge nicht mit anderen Stoffen. Allergien, die durch Silikon ausgelöst wurden, sind nicht bekannt. Silikon ist in Wundsekret unlöslich und die Silikonmoleküle sind zu groß um durch Zellmembranen zu wandern oder durch die Hautschichten in Blutgefäße vorzudringen. Mölnlycke Health Care besitzt eine patentierte Hafttechnologie für die Wundauf- 15 lagen. Die Haftungsschwelle der Silikonverbände liegt unterhalb der Schädigungs- und Schmerzschwelle der Haut, d.h. die Silikonverbände besitzen eine sanft haftende Eigenschaft und die Epidermis wird durch die Entfernung des Verbands weitestgehend nicht beschädigt. Auf feuchtem Wundgrund haftet diese Art der Wundauflage nicht, sondern nur auf der trockenen Umgebungshaut. Damit ist ein atraumatischer und schmerzfreier Verbandswechsel möglich. Die Haftungsintensität ist im Vergleich zu herkömmlichen Wundauflagen dadurch aber auch erheblich geringer. Die Verbände lösen sich schneller ab und die Fixierung von Tuben und Zugängen ist vergleichsweise unsicher und der Umgang damit bedarf einer besonderen Achtsamkeit. Da die Silikonverbände sowohl zuschneidbar als auch kostenintensiv sind, bietet es sich an, den anfallenden Bedarf an Hautschutzunterlagen aus einer größeren Platte ohne viel „Abfall“ zuzuschneiden. Ganz unumgänglich ist die Schädigung sehr empfindlicher Epidermolysis bullosa Haut allerdings auch mit Silikonverbänden nicht. Auch wenn die Traumatisierung im Vergleich minimal ist lassen sich Neubildungen von Blasen nicht immer vermeiden, weshalb auch beim Einsatz dieser Wundauflagen gilt: "So viel wie nötig, so wenig wie möglich" [5. 7.]. Mepitel® ist ein elastisches und silikonbeschichtetes Polysamidnetz, welches an Körperkonturen angepasst werden kann. Seine Transparenz und drainagefähig ist mit der von Fettgazen vergleichbar. Mepitel® kann mehrere Tage auf der Wund verbleiben. Die Netzstruktur ermöglicht dem Wundexsudat, in einen darüberliegenden Verband zu drainieren. Die Mazeration des Wundrandes wird so verringert. Die Silikonbeschichtung ermöglicht eine sanfte Haftung auf trockener Haut aber nicht auf feuchtem Wundmilieu. Damit wird ein Verkleben von Wunde und Verband verhindert und der Verbandswechsel erfolgt schmerzarm und atraumatisch. Anwendungsgebiet: Mepitel® kann für eine Vielzahl von schmerzhaften, traumatischen Wunden mit empfindlicher Haut eingesetzt werden, wie zum Beispiel Verbrennungen, Epi- 16 dermolysis bullosa, chronische Wunden und Fixierungen von Transplantaten. Durch seine transparente Beschaffenheit ist Mepitel® als Hautschutz unter der Pulsoxymetrie geeignet. Pulskurvenstörungen und Artefakte sind zugunsten des Hautschutzes tolerabel. Außerdem wird Mepitel® bevorzugt als Primärverband der OP-Wunde bei EB-Patienten eingesetzt. Mepilex lite® ist ein dünner, silikonbeschichteter Polyurethanschaumverband, der mit einem wasserdampfdurchlässigen und wasserabweisendem Polyurethanfilm beschichtet ist. Der Polyurethanschaum ermöglicht die Aufnahme von Exsudat und passt sich der Körperform flexibel an. Die Silikonbeschichtung gewährleistet eine atraumatische und schmerzfreie Wundversorgung und durch seine Beschichtung werden die Wundränder versiegelt, wodurch eine Mazeration vermindert wird. Das feuchte Wundmilieu bleibt erhalten. Mepilex lite® kann auf die erforderliche Größe zugeschnitten werden. Anwendungsgebiete: Mepilex lite® ist für eine Vielzahl von nicht bis leicht exsudierenden Wunden geeignet, wie zum Beispiel Bein- und Fußgeschwüre, Dekubitalulcerationen, partielle Verbrennungen, Strahlenschäden oder Epidermolysis bullosa. Außerdem lässt sich Mepilex lite® als Hautschutz bei gefährdeter und fragiler Haut einsetzten. Eine Kombination mit Gelen und als Primärunterlage bei Kompressionsverbänden ist möglich. Mepilex transfer® ist ein besonders dünner, flexibler, hydrophiler und silikonbeschichteter Polyurethanschaumverband. Seine Eigenschaften stimmen mit den des Mepilex lite® weitgehend überein, allerdings ist Mepilex transfer® bedeutend dünner und geeignet Wundflüssigkeit wie eine Gaze an einen Sekundärverband abzuleiten. Mepilex lite® und Mepilex transfer® werden als Hautschutz für Patienten mit Epidermolysis bullosa gewählt für z.B. Zugänge, Augenschutz, EKG-Elektroden etc... Alternativ kann man den Einsatz von Urgotül® oder Allevyn® in Erwägung 17 ziehen, allerdings hat sich am UKM der Gebrauch von Mepitel® und Mepilex® etabliert und steht in der Anästhesie für die Versorgung der Epidermolysis bullosa Patienten zur Verfügung [7.]. 6 Ablauf einer Anästhesie bei EB-Patienten In diesem Rahmen werden vor allem die Besonderheiten einer Anästhesie bei Patienten mit Epidermolysis bullosa vorgestellt. Kontrollen, Vorbereitungen, Abläufe und Durchführungen, die unerlässlich sind und bei jeder Standardnarkose Anwendung finden, wie z.B. Gerätecheck, Bereitstellen aller Narkose- und Notfallmedikamente, Abklärung der Nüchternheit, Pupillenkontrolle, Dokumentation etc., sind Voraussetzungen einer professionellen anästhesiologischen Betreuung und werden hier nicht im Besonderen erwähnt. 6.1 Prä-Anästhesie-Visite Alle oben genannten Vorbedingungen können nur greifen, wenn ausreichend Zeit für ihre jeweilige Umsetzung zur Verfügung steht. Die Betreuung von EBPatienten muss zwangsläufig eine zeitaufwändige und damit kostenintensive sein, wenn sie eine sichere und gute Betreuung sein soll. Sie fängt bereits am Tag vor dem geplanten Eingriff an. Als erstes müssen, zusammen mit dem betreuenden Anästhesisten, alle wichtigen Informationen über den EBPatienten erfasst werden. Es ist wichtig, sich ein Bild von der Schwere der Erkrankung sowie von den zu erwartenden Problemen im individuellen Fall zu machen. Besonderes Augenmerk gilt hier dem allgemeinen Hautzustand, der Mundöffnung, Problemen bei Vornarkosen und den Möglichkeiten einer Regionalanästhesie. Zusätzlich sollte im Fall von Kindern als Patienten die Möglichkeit genutzt werden, schon im Vorfeld die Familie mit einzubeziehen und von vornherein Ängste zu vermindern, um somit einen streßreduzierten Anästhesieablauf zu erleichtern. Ohnehin ist eine großzügige medikamentöse Anxiolyse und Sedierung gerade bei Kindern wünschenswert, um physische Belastungen der Haut durch 18 Abwehrbewegungen und psychische Belastungen durch „Traumatisierungen“ und frustrierende Erlebnisse zu vermeiden. Besonders im Hinblick darauf, dass diese Patientengruppe gehäuft Operationen über sich ergehen lassen muss und eine gute Kooperation auch in Zukunft von entscheidender Bedeutung sein kann. All dies kann vor allem dann erreicht werden, wenn am Vortag außerdem eine pflegerische Anästhesie-Visite am Patientenbett stattfindet. Dass dies im Klinikalltag viel zu selten ermöglicht wird, legt den Verdacht nahe, dass die Risiken einer unzureichenden Vorbereitung unterschätzt werden. Ist anschließend die Anästhesie-Planung erfolgt, muss das Vorgehen mit allen an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen, insbesondere zwischen dem zuständigen Anästhesisten und der Anästhesiepflegekraft, abgesprochen werden. Ebenso sollten z.B. die Operateure darauf hingewiesen werden, dass die Anästhesie-Einleitung deutlich länger dauert. Auch die OP-Pflegekräfte müssen von vornherein dafür sensibilisiert werden, dass die üblichen Abläufe wie z.B. Einschleusen oder OP-Gebietdesinfektion den außergewöhnlichen Umständen angepasst werden müssen. Die Stationspflegekräfte sollten zumindest über die wichtigsten Ausnahmen der präoperativen Versorgung informiert werden, die für die EB-Patienten gelten, wie z.B. der Verzicht auf EMLA®-Pflaster. Die Vorbereitung am prä-OP-Tag wird abgeschlossen durch die Überprüfung des benötigten Materials und der Geräte wie z.B. spezielle Wundauflagen oder einer entsprechenden Fiberoptik [5.]. 6.2 Vorbereitung am OP-Tag Die Vorbereitung der Anästhesie umfasst zunächst die Maßnahmen, die zur Vorbereitung einer Standard-Anästhesie der entsprechenden Altersgruppe getroffen werden müssen. Sie wird erweitert durch das Bereitstellen von individuell zurechtgeschnittenen Wundauflagen, speziellen Hilfsmitteln. und dem speziell vorbereiteten OP-Tisch. Wie oben ausgeführt, sind die Haut und Schleimhäute des EB-Patienten gefährdet. Als wichtiger Schutz vor zusätzlichen Defekten werden deshalb speziell 19 angepasste Wundauflagen überall dort verwendet, wo sonst üblicherweise konventionelle Klebeartikel angebracht würden [5.]. 6.2.1 Wundauflagen Die Silikon-Wundauflagen werden einzeln zurechtgeschnitten und dienen zum Schutz der Haut und zur Unterlage unter notwendigen Fixierungen von Tuben, Zugängen etc.. Für die EKG-Elektroden werden elektrodengroße Mepilex lite® Pflaster zurechtgeschnitten, auf die die EKG-Elektroden geklebt werden. Die Kontaktstelle in der Mitte wird mit einem Loch in Größe der Gelauflage versehen. (s. Abb.8) Die Klebefläche der Elektroden sollte die Kleberänder der Mepilex lite® Pflaster nicht überragen. Eine verbesserte Leitfähigkeit der EKG-Elektroden kann später durch aufbringen von K-Y Femilind®-Gleitgel zwischen Elektrodengel und Haut erreicht werden. Abb.8 EKG-Elektroden mit Mepilex lite® Aus Mepitel® wird ein Hautschutz für den Pulsoxymeter-Fingerclip geschnitten. Eine elastische selbsthaftende Wickel wird für die anschließende Fixierung benötigt. Es sollte außerdem ein Kinderklebepulsoxymeter bereitgehalten werden (s.Abb. 9). 20 Abb.9 Kinderklebepulsoxymeter und Wickel Zum Schutz vor Belastungen durch die RR-Messung kann wahlweise Mepilex® oder Verbandwatte vorbereitet und an die Größe der RR-Manschette angepasst werden. Als Unterpolsterung für den Stauschlauch zur Venenfüllung, kann wahlweise Mepilex® oder Watte zurechtgeschnitten werden. Für den i.v.-Zugang benötigt man selbsthaftende Wickel und ein herkömmliches Porofix®, welches später über die T-förmig eingeschnittene Mepilex lite® Platte geklebt wird. Zum Schutz des Gesichtes werden für den Tubus werden aus Mepilex lite® zwei Unterpolsterungen zurechtgeschnitten, die unter Aussparung der Lippen später das Gesicht unterhalb der Nase bis über die Wangen fast vollständig bedecken und auf die mit Leukoplast® der Tubus fixiert wird (s. Abb 10). Alternativ kann Tuboclip® eingesetzt werden. Für den Augenschutz werden zwei pflaumengroße Mepilex lite® Pflaster zurechtgeschnitten. 21 Abb. 10 Pflaster für die Tubusfixierung Aus Mepitel® wird in der Größe einer Temperatursondenhülle ein Stück zurechtgeschnitten, ist die Anwendung eines Bair Huggers® geplant, kann man in Erwägung ziehen für die Größe der Klebefläche ein Mepilex lite® Pflaster zurechtzuschneiden [5.]. 6.2.2 Vorbereiten weiterer Hilfsmitel An die Beatmungsmaske werden hohe Ansprüche gestellt. Sie muss mit einer weichen, aus Silikon bestehenden, aufblasbaren Abdichtung versehen sein, die sich optimal an die Gesichtsstrukturen anpassen kann. Abb. 11 Intubationszubehör 22 Geeignet sind Klarsichtmasken wie z.B. die der Firme VitalSign, und für Kinderanästhesien SweetDreams-King-Masken. Rendell-Baker Masken sind wegen ihrer Scharfkantigkeit nicht geeignet. Um eine gute Abdichtung auch bei nur geringen Anpressdrücken zu erreichen, wird die Beatmungsmaske zusätzlich mit einem Gleitmittel eingegelt, z.B. K-Y Femilind®-Gleitgel (s. Abb. 11). Ein solches Gel eignet sich darüber hinaus auch vorzüglich, um die Reibung des Laryngoskopiespatels im Mundraum zu vermindern sowie als Kontaktgel zwischen unterpolsterter EKG-Elektrode und Hautoberfläche. Des Weiteren wird Bepanthen®-Salbe für Mundwinkel und Lippen bereitgelegt. Falls eine Regionalanästhesie geplant ist, muss eine Vorbereitung aller hierfür notwendigen Utensilien getroffen werden, unter den Berücksichtigungen der Pflasterunverträglichkeit des EB-Patienten. An speziellen Hilfsmitteln sollte eine Fiberoptik mit entsprechendem Equipment zur Verfügung stehen, selbst in dem Fall, dass eine umkomplizierte Intubation erwartet wird. Ist hingegen im Vorfeld eine fiberoptische Intubation geplant, muss die Vorbereitung dafür entsprechend erweitert werden. Besonders bei Kindern hat sich die fiberoptische Intubation über eine präparierte Larynxmaske bewährt. Ineinander passende Larynxmasken, Fiberoptiken und Tuben sollten in Zugehörigkeit bereitgelegt werden. Bevor der Patient den OP erreicht müssen alle Vorbereitungen und Gerätekontrollen abgeschlossen sein [5.]. 6.2.3 OP-Tisch Der OP-Tisch wird ausgerüstet mit einer besonders weichen Unterlage und Lagerungskissen. Er sollte mit einer einteiligen OP-Tischauflage versehen sein (z.B. von Tempur-Med®, Steinhagen), auf die lediglich ein Laken gespannt wird. Außerdem wird eine weiche Kopfschale (z.B. von Tempur®) verwendet, die von einer Unterlage geschützt werden kann [5.]. 23 6.2.4 Kommunikation mit dem OP-Personal In keiner Phase der anästhesiologischen Betreuung hat eine ausreichende Zeit einen größeren Stellenwert als Sicherheitsfaktor als bei der Narkoseeinleitung. Daher muss der EB-Patient frühzeitig in den OP-Bereich bestellt werden, um einen ruhigen, sicheren und vollständigen Ablauf der anästhesiologischen Betreuung überhaupt zu ermöglichen. Es sollte anschließend noch einmal die Aufmerksamkeit der beteiligten Personen auf die besondere Situation gelenkt werden, damit nicht die sonst üblichen Maßnahmen angewendet werden, die im Falle einer EB-Erkrankung schädlich sein können. 6.3 Einschleusen und Umlagern Die Ausnahmen vom Routinebetrieb fangen bereits beim Einschleusen an. EBPatienten sollten bei besonders defekter und fragiler Haut unter Umgehung des Maquet® Schleusenbandes eingeschleust werden. Dadurch kann es nötig sein, mit mehreren Helfern den Patienten auf einem gespannten Laken auf den OPTisch zu transferieren, sofern er nicht aus eigener Kraft „hinüberkrabbeln“ kann. Ohne ein ausreichend großes Team sollten EB-Patienten nicht eingeschleust werden. Oft können die begleitenden Angehörigen eine gute Hilfe sein, da sie die „wunden Punkte“ des Patienten, wie z. B. in Abb. 12 dargestellt, am besten kennen. Abb. 12 Hautdefekt an der Schulter 24 Häufigster schwerer Fehler beim Umlagern ist das Hochziehen des Patienten durch Griff unter die Arme. Dabei wirken starke Druck- und Scherkräfte auf die empfindliche Haut der Schulter, der Axilla, den Rücken und das Gesäß. Mit den Begleitpersonen von Kindern sollte nach dem Einschleusen eine Verabredung für die AWR-Zeit getroffen und geklärt werden, wo sie später zu erreichen sind. Wird im weiteren Verlauf eine Lageveränderung des Patienten notwendig, wird er von mehreren Personen auf dem glatt gespannten Laken gemeinsam angehoben und in die gewünschte Position gebracht. Dabei sollte unbedingt vermieden werden, den Patienten mit seinem Körper über die Unterlage (OP-Tisch oder Bett) zu „schleifen“ [5.]. 6.4 Anästhesie-Einleitung Durch den persönlichen Kontakt während der prä-OP-Tag-Visite (wenn erfolgt) und das gemeinsame Umlagern beim Einschleusen sollte bereits ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen Anästhesie-Team und Patient bestehen. Dieses Vertrauen wird gefährdet, wenn in der Phase der Einleitung Hinweisen und Wünschen des Patienten zu wenig Rechnung getragen wird. Das NichtEinhalten von gemachten Zusagen und ein Nichteingehen auf geäußerte Befürchtungen des Patienten kann eine effiziente, stressreduzierte und damit patientenschonende Ausgangsbasis leichtfertig verspielen. Das wäre besonders bei so empfindlichen Patienten wie den EB-Erkrankten ein schwerwiegender Fehler. 6.4.1 Monitoring Wenn nicht bereits in der prä-OP-Visite geschehen, muss sich spätestens jetzt vor Beginn der Einleitung ein detailliertes Bild vom aktuellen Hautzustand gemacht werden, um die anzubringenden Materialien in Feinabstimmung anpassen zu können. Da die Mundöffnung sehr häufig eingeschränkt ist, ist ihre Überprüfung besonders bei Patienten mit EB von größter Wichtigkeit. Unter Mithilfe des Patienten im Hinblick auf Nutzung seiner eigenen Ressour- 25 cen werden das Monitoring und ein sicherer Venenzugang etabliert. Bei Kinderanästhesien kann unter Umständen der venöse Zugang auch nach Induktion der Narkose gelegt werden. Relativ häufig sind die Venenverhältnisse an den oberen Extremitäten derart schlecht, dass auf eine Gefäßpunktion an den Füßen ausgewichen werden muss. Die zurecht gelegten Silikon-Wundauflage werden auf die intakten Hautareale aufgebracht, um sie vor den stark haftenden Klebematerialien zu schützen. Abb. 13 EKG- und Temperaturmonitoring Wenn vertretbar, wird auf ein 5-Kanal-EKG verzichtet zugunsten einer 3kanaligen Ableitung. Die Silikon-Wundauflagen für die EKG-Elektroden werden so dimensioniert und angelegt, dass in der Mitte der Wundauflage eine Aussparung bleibt, durch die ein gelvermittelter Kontakt der Elektrode mit der Haut möglich ist, der Haftkleber mit der Haut aber nicht in Berührung kommt (s. Abb. 13). Abb. 14 Pulsoxymetrie 26 Für die Ableitung der Pulsoxymetrie eignen sich nur Körperstellen, die defektfrei sind (z.B. Zehen). Besonders bei Kindern und Patienten mit schwerer EBVerlaufsform können übliche Sättigungsclips druckbedingt brandverletztungsähnliche Defekte hervorrufen. Geeigneter in einem solchen Fall ist ein KinderKlebepulsoxymeter, das mit zurechtgeschnittenem Mepitel® unterpolstert und anschließend mit einem elastischen selbsthaftenden Wickel locker fixiert wird. Das transparente Mepitel® ist, mit tolerablen Artefakt-Raten, durchlässig für das rote und infrarote Licht des Pulsoxymeters und haftet, ähnlich wie Gaze, nicht auf der Haut (s. Abb. 14, 15). Abb. 15 Pulsoxymetrie Um schädigende Druck- und Scherkräfte der RR-Blutdruckmanschette zu vermindern, wird sie von Verbandwatte faltenfrei unterpolstert. Das Messintervall wird auf ein vertretbares Maß verlängert. (s. Abb.16) Üblicherweise reicht ein Messwert vor Narkoseinduktion als Ausgangswert aus. Unnötige Messwiederholungen sind unbedingt zu vermeiden. Auf eine arterielle Blutdruckmessung sollte, wenn irgend möglich, verzichtet werden [5.]. Abb. 16 unterpolsterte RR-Manschette 27 6.4.2 Intravasale Zugangswege Die arteriellen und venösen Gefäßverhältnisse sind häufig sehr schlecht. Handelt es sich um Kinder, werden die Gefäßpunktionen häufig noch durch Unruhe und Gegenwehr erschwert. Ein energisches Festhalten der Gliedmaßen kann leicht zu Hautdefekten führen. Problematisch ist die Venenstauung durch einen Stauschlauch. Abb. 17 Venenstauung mit Polster Zunächst sollte versucht werden, durch ein Herabhängen der Extremität die schwerkraftbedingte Venenfüllung zu verbessern und gegebenenfalls mit der Hand ein sanfter Staudruck ausgeübt werden. Ist die Anlage eines Staubandes nicht zu vermeiden, muss dieses mit Verbandwatte oder Mepilex lite® unterpolstert werden und der Staudruck so niedrig wie möglich gehalten werden (s. Abb.17). Abb. 18 Fixierung mit Unterpolsterung Abb. 19 Fixierung mit Wickel 28 Die Hautdesinfektionslösung wird aufgesprüht, darf aber nicht abgewischt werden. Die Pflasterfixierung wird nicht direkt auf die Haut, sondern auf vorbereitete Mepilex lite®-Elemente geklebt (s.Abb.18). Anschließend wird auch hier ein elastischer selbsthaftender Wickel locker angebracht ( s. Abb.19) [5.]. 6.4.3 Regionalanästhesien Einen großen Stellenwert im Rahmen der anästhesiologischen Betreuung von EB-Patienten nehmen die Regionalanästhesie-Verfahren ein. Verbesserte Wundheilung, die Möglichkeit einer postoperativ wirksamen Schmerztherapie und vor allem der ggf. mögliche Verzicht auf eine Allgemeinanästhesie mit Beatmungsnotwendigkeit sprechen für eine großzügige Indikationsstellung. In Frage kommen sämtliche Regionalanästhesieverfahren, die auch im klinischen Alltag Verwendung finden. Neben den auch sonst geltenden Vorbedingungen und Kontraindikationen gilt hier vor allem, daß die Haut an dem Ort der Einstichstelle intakt sein muss (s.Abb. 20). Abb. 20 Hautdefekt in der Axilla Kinder sind angstbedingt häufig nicht in der Lage, sich in der notwendigen Weise auf die Durchführung einer Regionalanästhesie einzulassen. Daher müssen Kinder im Regelfall analgosediert werden, um physischen und psychischen 29 Stress auf ein vertretbares Maß zu reduzieren. Beim Aufsuchen der zu betäubenden Nerven im Rahmen einer Leitungsanästhesie muss die Elektrostimulation so schonend wie möglich eingesetzt werden, um durch die motorische Reizantwort keine zusätzlichen epidermalen Läsionen zu verursachen. Die Hautelektrode sowie ein ggf. erforderlicher Schmerzkatheter werden auf gleiche Art und Weise am Patienten fixiert, wie für EKG-Elektroden bzw. iv.Zugänge beschrieben. Ist eine gute regionale Analgesie erreicht, kann insbesondere im Falle eines schwierigen Atemwegszugangs auf eine beatmungspflichtige kombinierte Allgemeinanästhesie ggf. verzichtet werden. Reicht die Kombination von Regionalanästhesie mit einer spontanatmungserhaltenden Analgosedierung für die Operation nicht aus, muss eine Narkose induziert und der Atemweg gesichert werden. 6.4.4 Sicherung der Atemwege Vor der Maskenbeatmung werden Lippen und Mundwinkel des Patienten mit Dexpanthenol-Salbe eingecremt. Die mit Femilind®-Gel vorbereitete Beatmungsmaske wird zur Präoxygenierung nur sanft aufgesetzt. Die Hand, mit der die Maske gehalten wird, sollte ebenfalls mit Femilind®-Gel eingegelt werden. Nach Narkoseinduktion wird eine Maskenbeatmung konventionell mit C-Griff durchgeführt. Wenn möglich, wird auf den Handgriff nach Esmarch verzichtet. Insgesamt muss auf eine größtmögliche Schonung der Gesichtskonturen geachtet werden. Im Falle einer inhalativen Einleitung können während der Exzitationsphase dennoch ein erhöhter Maskenanpreßdruck und ein Festhalten des Patienten notwendig werden. Die Entscheidung, auf welchem Weg die Atemwege gesichert werden, liegt im Ermessen des Anästhesisten. In den meisten Fällen wird sich gegen die Applikation einer Larynxmaske und für eine endotracheale Intubation entschieden, da das Luftkissen der Larynxmaske häufig eine starke Druckbelastung für die Mund- und Rachenschleimhaut darstellt. Endotracheale Tuben ohne Cuff, die 30 während herkömmlicher Kinderanästhesien häufig verwendet werden, bringen das Risiko einer notwendigen Um-Intubation mit sich. Das Bestreben, das Ausmaß der Manipulation so gering wie möglich zu halten, führt meistens zu der Entscheidung, Tuben mit Cuff zu verwenden. Auch im Falle einer CuffLeckage wird eine Um-Intubation nur nach strenger Indikationsstellung erfolgen. Abb. 21 Intubation beim Kind mit eingeschränkter Mundöffnung Bei einem Patienten mit EB muss prinzipiell mit einer erschwerten Intubation gerechnet und entsprechendes Atemwegsicherungsmaterial bereitgehalten werden. Schwierigkeiten ergeben sich aus den in Kap. 5 genannten Besonderheiten der EB-Patienten. Dennoch gelingt in der Mehrzahl der Fälle eine konventionelle orale endotracheale Intubation unter direkter Laryngoskopie.Der Laryngoskop-Spatel wird mit Femilind-Gel vorbehandelt, worauf beim Tubus verzichtet werden kann, da die endotracheale Schleimhaut bei Epidermolysis bullosa nicht betroffen ist. Da Nase und Nasenhöhle besonders gefährdet sind, wird immer oral und niemals nasal intubiert. Auch Magensonden oder Absaugkatheter werden stets oral appliziert. Auf konventionelle Absaugkatheter wird zu Gunsten von atraumatischen Absaugkathetern verzichtet. 31 Abb. 22 fiberoptische Lagekontrolle bei liegender Larynxmaske Wenn eine Intubation nur mit Hife einer fiberoptischen Bronchoskopie möglich ist, empfiehlt sich nach der Narkoseinduktion, ein Vorschieben der Fiberoptik (Kindergröße) durch eine gekürzte Larynxmaske (s. Abb. 22), deren distale Öffnung im Luftkissen vorher weiter ausgeschnitten werden muss. Über das Kinderbronchoskop wird dann der Endotrachealtubus durch die Larynxmaske appliziert und das Bronchoskop entfernt (s.Abb.23). Abb. 23 Tubusplatzierung über liegender Larynxmaske Ist eine tracheale Lage des Tubus durch Sichtkontrolle mit der Fiberoptik bewiesen, wird der Cuff-Indikator abgeschnitten, damit die Larynxmaske über den liegenden Tubus zurückgezogen werden kann. Ein zweiter Kindertubus ohne Cuff kann als Stempel verwendet werden, um eine Tubusdislokation zu vermeiden (s.Abb 24). 32 Abb. 24 Entfernung der Larynxmaske mittels 2. Tubus als Stempel Mit einem PDK-Katheter-Adapter kann anschließend ein Cuff-Indikator mit dem Schlauch zum Tubus-Cuff neu angeschlossen und der Cuff geblockt werden (s.Abb. 25). Abb. 25 Cuffkontrolle mittels PDK-Adapter Die Wahl der Tubusfixierung ist Abwägungssache. Den Gefahren, die durch eine akzidentelle Tubusdislokation drohen, stehen die Folgeschäden einer rigiden Fixierung gegenüber. Bewährt haben sich der Verzicht auf einen intraoralen Beißschutz (“Lolly”), die Anwendung eines Tuboclip® sowie eine gesichtsschützende Unterlage mit Mepilex lite® oder Mepilex transfer®. Häufig sind Hautdefekte in der Nackenfalte vorbestehend, die beim Einsatz von Tuboclip® ggf. gesondert durch Mepilex® abgedeckt werden müssen (s.Abb.26) [5.]. 33 Abb. 26 Hautirritation im Nacken 6.4.5 Augenschutz Die Anwendung von angefeuchteten Kompressen, um die Augen vor kornealen Austrocknungen zu schützen, ist wegen der schädigenden Aufweichung der Haut ungünstig. Besser ist eine Abdeckung mit vorbereiteten Wundauflagen aus Mepilex®. Aufgetragene Augensalben müssten im Rahmen der Ausleitung wieder abgewischt werden, weshalb auf die Anwendung von Augensalben wie Bepanthen® unbedingt verzichtet werden muss. Auch herkömmliche Pflaster dürfen keinesfalls zur Anwendung kommen, um die empfindliche Lidhaut nicht zu gefährden. Pupillenkontrollen während der Anästhesie sollten auf ein notwendiges Mindestmaß reduziert werden [5.]. Abb 27 Vollständiger Hautschutz 34 6.4.6 Temperaturmanagement Patienten mit EB neigen nicht nur nach Einwirkung von Druck- und Scherkräften sondern auch bei Schweißbildung (z.B. im Rahmen von Körpertemperaturanstieg) zu vermehrter epidermaler Blasenbildung. Eine zu niedrige Körpertemperatur führt wiederum häufig zu postoperativem Kältezittern mit erhöhter Gefahr der Hautschädigung. Eine perioperative Normothermie ist daher unbedingt anzustreben. Unter Berücksichtigung der hygienischen Vertretbarkeit, wird der EB-Patient wenn möglich nicht ausgezogen. Besonders Baumwollwäsche hat gute schweißabsorbierende Eigenschaften, außerdem besteht auch beim Entkleiden die Gefahr der Hautirritation. Ist ein Entkleiden dennoch erforderlich, so sollte dies vor der Einleitung und unter Mithilfe des Patienten und ggf. seiner Angehörigen erfolgt sein. Eine kontinuierliche Kontrolle der Körpertemperatur ist bei dieser Patientengruppe obligat, allerdings sind übliche nasale oder rektale Messverfahren aus beschriebenen Gründen nicht geeignet. Zur Auswahl stehen hier nur die weniger genauen axialen, inguenalen oder transcutanen Messmethoden. Zum Hautschutz wird dabei die möglichst flexible Temperatursonde mit Mepitel® umschlossen. Die transcutane Sonde kann wahlweise mit Mepitel® oder Mepilex® an der Haut fixiert werden. Bei längeren Operationen bietet sich der Einsatz von konvektive Erwärmung z.B. durch einen Bair-Huggern®, an. Die Klebeflächen der Wärmedecken muss, wenn nicht ganz auf das Aufkleben verzichtet werden kann, mit einer verträglichen Wundauflage z.B. Mepilex® unterpolstert werden [5.]. 6.5 Besonderheiten während der OP-Phase Um Druckschäden zu vermeiden, dürfen Monitorkabel und Beatmungsschläuche nicht auf Gesicht und Körper des Patienten aufliegen. Ist dies nicht zu vermeiden, müssen sie zum Schutz der empfindlichen Haut unterpolstert werden. Auch ein Zug auf die ableitenden Kabel muss vermieden werden. Die Einstellung der Messintervalle des Blutdrucks unterliegt wie zu jedem Zeitpunkt der Versorgung, einer strengen Indikation. Bei gut tastbarem Radialispuls kann ü- 35 ber einen längeren Zeitraum auch ein Verzicht der RR-Messung in Betracht gezogen werden. Teamwechsel während der Betreuung eines Patienten mit Versorgungsbesonderheiten wie sie bei EB-Patienten notwendig werden, gefährden die Qualität und sind, wenn umgehbar zu vermeiden. ("Never change a winning team") 6.6 Besonderheiten der operativen Versorgung Auch wenn die hier beschriebenen Maßnahmen überwiegend in der Verantwortung der operativen Kollegen liegt, sollten die wichtigsten Abweichungen von den üblichen Verfahren erwähnt und von allen beteiligten Personen gekannt werden um eventuell Hilfestellungen anzubieten und um gemeinsam die bestmögliche Versorgung des EB-Patienten zu gewährleisten . Dies betrifft insbesondere die Lagerung, die unter dem Gesichtspunkt einer maximalen Schonung und Entlastung der Auflageflächen gemeinsam mit den operativen Kollegen durchgeführt werden sollte. Wie schon erwähnt, darf die Haut nicht wie sonst zur Desinfektion mit alkoholgetränkten Tupfern abgewischt werden. Das gilt selbstverständlich auch für das Operationsgebiet. Gefärbte Desinfektionsmittel müssen dabei vermieden werden, da die Farbrückstände aufgrund der fragilen Hautbeschaffenheit postoperativ nicht abgerieben werden können. Sind Operationen an den Extremitäten geplant, sollte der Einsatz einer "Blutleere" nur unter strengster Indikation erfolgen, da das Auswickeln mit dem Gummiband und die kontinuierlich aufgepumpte Druckmanschette stärkste Druck-, Scher- und Zugkräfte freisetzt. Die stark haftenden und großflächigen Neutralelektroden, die zur Erdung für das Kautern eingesetzt werden, sind für EB-Patienten nicht geeignet. Die Klebeflächen der sterilen Abdecktücher dürfen ebenso wie alle konventionellen Klebematerialien, nicht direkt auf die Haut des EB-Patienten aufgebracht werden, sondern nur auf die zum Hautschutz aufgebracht Wundauflage. Zum Ende der Operation ist es für die postoperative Schmerztherapie sehr hilfreich, wenn die Operationswunde mit Lokalanästhetikum infiltriert wird, dieses 36 liegt allerdings im Ermessen des Operateurs. Der Wundverband muss den Anforderungen der empfindlichen Haut entsprechen. Als Primärverband bietet sich eine drainagefähige Gaze ohne Hafteigenschaft (z.B. Mepitel®, Adaptic®) an, die mit einem sekretabsorbierenden Sekundärverband versehen wird und wenn möglich mit einer elastischen selbsthaftenden Wickel anschließend locker fixiert wird [5.]. 6.7 Anästhesie-Ausleitung Grundsätzlich ist während der Ausleitungsphase darauf zu achten, dass alle unnötigen und störenden Geräusche unterlassen werden, wie z.B. das Entsorgen von OP-Instrumenten oder OP-Tischen. Diese Patientengruppe sollte aus Sicherheitsaspekten im Saal und in jedem Fall gemeinsam mit der zuständigen Anästhesiepflegekraft ohne Zeitdruck, ausgeleitet werden. Für eine gute Analgesie muss vor der Ausleitung gesorgt sein. Müssen Sekrete aus dem Mund- und Rachenraum abgesaugt werden, so ist auch hier ein atraumatischer Absaugkatheter, wie schon im Einleitungskapitel erwähnt, zu verwenden, der nur unter größter Vorsicht zum Einsatz kommt darf, um unnötige Schleimhautschäden zu vermeiden. Die Entscheidung ob der Patient schlafend oder wach extubiert wird, wird kontrovers diskutiert und liegt im Ermessen des zuständigen Anästhesisten. Bestehen bekannte Schluckstörungen und damit ein erhöhtes Regurgitations- und Aspirationsrisiko, ist es unter Umständen sinnvoll, den Oberkörper des Patienten zur Ausleitung hoch zulagern. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Exzitationsphase zu legen, in der es durch die bereits beschriebene Reflexsteigerung, zu vermehrter Hautbelastung kommen kann. Aufgrund klinischer Erfahrung, neigen deshalb viele Anästhesisten zu eine einmaligen Gabe von niedrig dosiertem Propofol, um eine sanftere Ausleitung mit gedämpfter Exzitationsphase zu erreichen. Ist nach erfolgreicher Ausleitung der Patient ausreichend stabil um in den Aufwachraum verlegt zu werden, erfolgt der Transfer des Patienten in das Patientenbett unter Mithilfe mehrere Kollegen auf einem gespannten Laken. Wie 37 schon bei der Einleitung erwähnt, kann die fragile Haut der EB-Patienten beim konventionellen Schleusen, Schaden nehmen. Auch ein Rollbrett, die in diesen Situationen regelmäßig eingesetzt werden, ist für Patienten mit EB ungeeignet [5.]. 6.8 Betreuung im AWR Auch hier setzt eine gute Versorgung des EB-Patienten eine genaue Information über seinen gesamten Zustand, an die betreuende Anästhesiepflegekraft und dem Arzt im AWR, voraus. Eltern oder Begleitpersonen sollten rechtzeitig über das Eintreffen des Patienten im AWR benachrichtig werden. Um den Stress und Belastung des Patienten so gering wie möglich zu halten, ist für eine ruhige Atmosphäre zu sorgen. "Notfallmedikamente" und Intubationszubehör ist bereitzulegen, da sich wie in Kap. 5 erwähnt, Dyspnoe entwickeln kann. Die Atemgeräusche und die Sauerstoffsättigung müssen sorgfältig kontrolliert werden. Ansonsten wird das Monitoring unter Berücksichtigung der Sicherheitaspekte auf das Notwendigste beschränkt. Liegt eine stabile Herz- Kreislauffunktion vor, reicht üblicherweise ein gut übertragendes Pulsoxymeter, welches der EB-Patient wie zuvor angebracht, aus dem OP-Saal mitbringt. Auch auf regelmäßige, auf kurze Intervalle eingestellte RR-Messungen sind bei stabiler Herz-Kreislaufsituation zu verzichten. Sind RR-Messungen erwünscht, muss das Messintervall unter strenger Indikation erfolgen. Benötigt der Patient eine Sauerstoffvorlage wird die Beatmungsmaske aus der Ein- und Ausleitung locker vor das Gesicht gelegt. Mit Metallklammern und Haltegummis versehene Sauerstoffmasken sind für EB-Patienten ungeeignet, da sie durch ihre Scharfkantigkeit Hautschäden verursachen können. Falls noch nicht erfolgt, müssen alle nicht mehr notwendigen Wundauflagen vor dem vollständigen Erwachen des Patienten vorsichtig entfernt. Hierbei bietet es sich an die Pflaster nicht wie üblich abzuziehen, sondern sanft abzurollen. Die Mithilfe der Angehörigen kann dabei meisst gut in Anspruch genommen werden. Da EB-Erkrankte wie bereits beschrieben gehäuft unter Schmerzen leiden, ist eine optimale Analgesie von zentraler Bedeutung. Vor allem nach umfangreichen Eingriffen an den Extremi- 38 täten, wie in der Unfallchirurgie häufig durchgeführt, erweisen sich Regionalanästhesien in Kombination mit patientenkontrollierten Schmerzpumpen als die idealste Schmerztherapie. Konnte diese keine Anwendung finden, so ist der Patient im Fall von auftretenden Schmerzen, frühzeitig mit intravenösen Analgetika zu versorgen. Zäpfchen dürfen wegen der empfindlichen perianalen Haut nicht verabreicht werden. Zu beachten ist ein eventuell erhöhter Bedarf an Schmerzmedikamenten, wenn der EB-Patient zur Linderung der ständigen Wundschmerzen regelmäßig Analgetika einnimmt [5.]. 6.9 Post-Anästhesie-Visite auf Station Um einen Standard für die optimale Versorgung eines Patienten mit Epidermolysis bullosa zu entwickeln, ist es Voraussetzung, dass wir unser Handeln hinterfragen und, wo immer möglich, zu verbessern. Deshalb ist es bei Patienten, deren therapeutische Versorgung noch einem Entwicklungsprozess unterliegt, außerordentlich wichtig, alle Informationsquellen über die Ergebnisse der bislang als optimal empfundenen Maßnahmen auszuschöpfen. Die PostAnästhesie-Visite am Patientenbett ist dabei ein wertvoller Bestandteil und sollte nicht, wie sonst üblich, nur vom ärztlichen Personal alleine durchgeführt werden. Bei kindlichen Patienten ist die Anwesenheit der Eltern oder Betreuer notwendig. Neben einem Feed-Back durch Patienten und Angehörige bezüglich des Gesamtablaufs der anästhesiologischen Versorgung sind auch eventuell neuentstandene Hautdefekte zu dokumentieren. Nach Verbesserungsvorschlägen und bislang nicht bemerkten Fehlerquellen sollte gezielt gefragt werden. Kritik sollte in diesem Rahmen als Möglichkeit wahrgenommen werden, die Betreuung eines EB-Erkrankten in unserem Krankenhaus zu verbessern und erträglicher zu gestalten [5.]. 7 Schlussfolgerung Nur wenige Erkrankungsbilder setzen ein so umfangreiches Maß an spezialisiertem Hintergrundwissen und Kenntnis von notwendigen Verhaltensregeln 39 voraus wie die Epidermolysis bullosa. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, wie groß der ökonomische Aufwand ist, der für eine optimale Betreuung betrieben werden muss. Um den EB-Patienten angemessen zu begegnen, sind aber neben den fachlichen Eignungen auch menschliche Qualitäten vonnöten. Alle Beteiligten sind also auf ganzer Linie professionell gefordert. Ich halte daher den informellen Zusammenschluss zu einer Art "Netzwerk" zu einer wichtigen und lohnenswerten Bestrebung, um die Erfahrungen im Umgang mit dieser so schwierigen wie seltenen Erkrankung effizient weiterzugeben. Durch den gemeinsamen Austausch können darüber hinaus Berührungsängste abgebaut werden. Dabei ist aus meiner Sicht bedeutsam, dass ein solches Netzwerk mithelfen muss, den Kreis an beteiligten Personen zu vergrößern. Patienten und Angehörige werden ein solches Netzwerk zu schätzen wissen und sich dadurch sicherlich vermehrt an das UKM wenden. Damit bietet sich für das UKM die Möglichkeit, eine Nische in der Krankenversorgung kompetent zu besetzen und durch die Erhöhung der Fallzahlen und die damit verbundene Kostenreduktion pro Einzelfall die Betreuung von EB-Patienten finanziell darstellbarer zu gestalten. Die bislang initiierten Konzepte zur anästhesiologischen Betreuung von Patienten mit EB und ihre Verbreitung stellen einen über die Maßen lobenswerten Ansatz dar und finden einen durchweg positiven Anklang bei Patienten und Mitarbeitern. 40 8 Anhang 8.1 Literaturverzeichnis 1. Jung EG, Moll i. Dermatologie. Stuttgart: Thieme, 2005 2. Netter F Dermatologie, Stuttgart: Thieme, 2006 3. de Gruyter W Pschyrembel Klinisches Wörterbuch Berlin, 2003 4. Wikipedia Foundation (Hrsg.): Epidermolysis bul- losa.nhttp://de.wikipedia.org/wiki/Epidermolysis_bullosa 5. Roth E. Anästhesierelevante Besonderheiten bei Epidermolysis Bullosa. Unveröffentlicht 6. http://www.netzwerk-eb.de/e14/index_ger.html 7. Produktbeschreibung Mepitel, Mepilex,tendra, Mölnlycke Health Care GmbH, 2006 8. Gannon BA.:Epidermolysis bullosa: pathophysiology and nursing care. Neonatal Netw. 2004 Nov-Dec;23(6):25-32. 9. Crowley KL, Shevchenko YO: Anesthetic management of a difficult airway in a patient with epidermolysis bullosa: a case report. AANA J. 2004 Aug;72(4):261-3 8.2 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: www.netzwerk.de Abbildung 2: www.netzwerk.de Abbildung 3: www.geocities.com/bruceandeb/ Abbildung 4: www.fotocomunity.de Abbildung 5: www.netzwerk.de Abbildung 7: www.debra.ch Abbildung 12: www.debra.ch Abbildung 6, 8-11, 13-27: Elke Roth 41