Polizei Wissenschaft Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch Zur forensischen Bedeutung der Verwendung opfernaher („hands-on“) und opferferner („hands-off“) Tatmittel bei Gewaltdelikten Dietmar Heubrock & Jennifer Krull Hintergrund und Fragestellung Die Analyse der bei einer Straftat verwendeten Tatmittel spielt sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Forensischen Psychiatrie, vor allem bei der Schuldfähigkeitsbegutachtung (Kröber, 1993, 1998), und in der Kriminalpsychologie, hier insbesondere zur Tathergangs- oder Operativen Fallanalyse (Turvey, 2002), eine große Rolle. Bei der Wahl der Tatmittel sind aus der Sicht des Täters natürlich pragmatische Gesichtspunkte (deliktspezifische Zweckmäßigkeit), aber offenbar auch geschlechts- und kulturabhängige Präferenzen zu beachten. So gilt beispielsweise die Verwendung von Gift als eine ausgesprochen „weibliche“ Tötungsart und der Gebrauch von Messern ist Zusammenfassung wiederholt bei so genannten „Ehrenmorden“ und Familienfehden unter Migranten beschrieben worden. In der Kriminalpsychologie wird im Rahmen der Operativen Fallanalyse („Profiling“) zwischen so genannten „hands-on“- und „hands-off“-Waffen unterschieden, denen eine unterschiedliche Bedeutung bei der Tatbeurteilung und zur Beschreibung des Persönlichkeit eines unbekannten Täters zugeschrieben wird. Obwohl sich in der Literatur bislang keine Definition dieser beiden Waffentypen finden lässt, werden unter „hands-on“-Waffen solche Tatmittel verstanden, die eine geringe Distanz zwischen Opfer und Täter erfordern, um erfolgreich eingesetzt zu werden. Als klassische „hands-on“-Waffe gelten hierbei die Hände selbst (etwa bei Abstract Untersucht werden die spezifischen Persönlichkeitsunterschiede von Tätern, die entweder keine oder aber opferferne vs. opfernahe Waffen bei der Begehung von Gewaltstraftaten angewandt haben. Im Gruppenvergleich konnte gezeigt werden, dass Waffen einsetzende Straftäter sich als deutlich aggressiver, impulsiver und rachsüchtiger erwiesen sowie durch Defizite hinsichtlich des Ärgerausdrucks und der Konfliktbewältigung und durch eine geringere Empathie und Fähigkeit zur Perspektivenübernahme gekennzeichnet waren. Straftäter mit Verwendung von opfernahen Tatmitteln zeigen hier eine deutlich auffälligere und unausgewogenere Konfliktbewältigung und richten ihren Ärger in Konfliktsituationen signifikant häufiger gegen andere Menschen. Die Ergebnisse werden hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Operative Fallanalyse und die forensische Begutachtung von Gewaltstraftätern diskutiert. The impact of personality variables on the “no use of weapon” or “hands-off” versus “hands-on” use of weapon while committing a violent crime is assessed. Offenders who used any kind of weapon appeared to be more aggressive, impulsive, and revengeful. They also had deficits in anger control and conflict management and demonstrated less empathy and perspective taking. Offenders who used “hands-on” weapons demonstrated a much more aggressive conflict management style, frequently acting out anger against others. These findings are discussed concerning their implications for profiling and forensic evaluations. Gewaltstraftaten, Täterpersönlichkeit, Waffengebrauch, Operative Fallanalyse, forensische Begutachtung Violent crimes, Offender personality, Use of weapon, Profiling, Forensic Evaluation Seite 2 Ausgabe 3/2008 Polizei Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch Drosseln, Würgen und Ersticken), aber auch andere Körperteile (z.B. die Füße beim Zu-Tode-Treten) und ebenso Messer, Elektroschockgeräte oder Nun Chakus, bei denen sich der Angreifer seinem Opfer bis auf wenige Zentimeter nähern muss, um seine Waffe zielorientiert anwenden zu können. Sie können gewissermaße als „Verlängerung des Armes“ verstanden werden. Dagegen stellen Schusswaffen, Wurfsterne, Armbrust oder Sprengstoffe „hands-off“-Waffen dar, da sie aus größerer Distanz und somit ohne direkten Körperkontakt zwischen Opfer und Täter zur Anwendung gebracht werden können. In einigen Fällen ist jedoch die Zuordnung eines Tatmittels zur Gruppe der „hands-on“oder „hands-off“-Waffen schwierig. Dies betrifft beispielsweise Fallkonstellationen, bei denen Messer als Wurfgeschosse oder Schusswaffen zu aufgesetzten Nahschüssen eingesetzt werden. Aber auch die Verwendung lanzenartiger Waffen, wie sie etwa vom so genannten norddeutschen „Pferderipper“ eingesetzt wurden, bereitet Schwierigkeiten in der Zuordnung (Heubrock & Parildayan-Metz, 2007). Entscheidend scheint nicht allein die physikalische Eigenschaft des Tatmittels selbst, sondern die erzielte Dynamik zwischen Opfer und Täter während der Tatausführung zu sein. Demnach können solche Tatmittel den „hands-on“Waffen zugeordnet werden, die zur zielorientierten Anwendung eine Körperverbindung zwischen Täter und Opfer herstellen und dabei den Täter den Einsatz seiner Waffe gegen das Opfer sowie dessen körperliche Reaktion und physikalischen Widerstand körperlich spüren lassen. Als „hands-off“-Waffen können dagegen solche Tatmittel definiert werden, für deren zielorientierte Anwendung es keiner erheblichen Annäherung an das Opfer bedarf und die auch bei direkter Anwendung auf den Körper des Opfers dessen körperliche Reaktion und physikalischen Widerstand auf den Einsatz der Waffe kaum oder gar nicht körperlich spürbar übertragen. In der Kriminalpsychologie orientiert sich die Analyse der bei einer Gewaltstraftat ausgewählten Waffe bislang vorwiegend an impliziten Persönlichkeitstheorien und kriminalistischem Erfahrungswissen. Demnach gilt die Verwendung von „hands-on“-Waffen entweder als Hinweis auf eine prädeliktische emotionale Beziehung zwischen Opfer und Täter oder ein „aus dem Ruder gelaufenes“ Bereicherungsdelikt, wenn das Opfer der Bedrohung unerwartet Widerstand entgegensetzt. Allerdings lässt auch dieses kriminalistische Erfahrungswissen noch keine Aussage über die Motive des Täters zu. So kann es zu Tötungen mittels opfernaher Tatmittel sowohl spontan, beispielsweise während eines heftigen eskalierenden Streites, in dessen Verlauf der Täter ein am Tatort vorhandenes Messer einsetzt, Ausgabe 3/2008 Wissenschaft als auch vorsätzlich, etwa im Kontext geplanter sexuellsadistischer Handlungen, kommen. Die hier vorgestellte empirische Untersuchung soll daher einen Beitrag zur Klärung der Frage leisten, ob und gegebenenfalls welche Zusammenhänge zwischen der Täterpersönlichkeit und der zur Begehung von Gewaltdelikten eingesetzten Waffen bestehen. Waffenbesitz und Persönlichkeit Die meisten empirischen Untersuchungen über Ursachen und Folgen privaten Waffenbesitzes stammen naheliegenderweise aus den USA, in denen dieses Recht –zur Verteidigung von Haus und Hof historisch bedingt – bürgerrechtlich verankert ist (NRA-ILA, 2006). Noch heute gibt die Mehrzahl der US-Amerikaner dieses Motiv für den Erwerb und Besitz von Schusswaffen an [Blendon, Young & Hemenway, 1996; Cook & Ludwig, 1998). Obwohl Schusswaffen dem Eigentümer demnach ein Gefühl der Sicherheit vermitteln und ihn befähigen sollen, Haus und Familie zu beschützen, konnten Dahlberg, Ikeda und Kresnow (2004) in einer epidemiologischen Studie nachweisen, dass das Risiko eines gewaltsamen Todes innerhalb des eigenen Haushalts für solche Personen, die mit Schusswaffenträgern zusammenleben, deutlich höher ist als für Personen ohne Schusswaffenkontakt im eigenen Haushalt. Dies erstaunt auch nicht, wenn man berücksichtigt, dass Schusswaffen in den USA wesentlich häufiger zur Bedrohung und Einschüchterung von Familienmitgliedern, insbesondere des Intimpartners, benutzt werden als zur Verteidigung von Haus und Hof (Azrael & Hemenway, 2000). Eine weitere missbräuchliche Verwendung finden Schusswaffen in den USA auch im Zusammenhang mit suizidalen Handlungen. So konnten Wintemute et al. (2004) zeigen, dass ein Suizid innerhalb eines Jahres nach dem Erwerb einer Schusswaffe mit 24,5% die führende Todesursache unter Schusswaffenbesitzern darstellt, wobei der Anteil von Frauen mit 51,9% hier auffallend hoch ist. Unter den Persönlichkeitseigenschaften, die im Zusammenhang mit dem Besitz und Gebrauch von Schusswaffen untersucht wurden, nimmt die Aggression einen besonderen Stellenwert ein. Untersuchungen konnten nicht nur zeigen, dass in den USA Kinder von Schusswaffenbesitzern signifikant häufiger mit Spielzeugwaffen spielten, sondern dass sie auch ein insgesamt aggressiveres Verhalten zeigten [Hardy, Armstrong, Martin & Strawn, 1996). Hinsichtlich der persönlichen Motive deutlich fielen auch Untersuchungen aus, die bei (Sport-) Waffen besitzenden Schülern Seite 3 Polizei Wissenschaft Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch insgesamt zwar nur ein geringfügig häufigeres antisoziales Verhalten, dagegen bei jenen Schülern, die Waffen zur Erlangung von Respekt trugen, ein deutlich erhöhtes antisoziales Verhalten nachweisen konnten (Cunningham er al., 2000). Auch ein Bullying-Verhalten in der Schule korreliert hoch mit kriminellem Verhalten und dem Tragen von Waffen auf der Straße (Andershed, Kerr & Stattin, 2001). Als psychosoziale Faktoren, die sowohl Bullying in der Schule als auch kriminelles Verhalten und das Tragen von Waffen begünstigen, wurden unter anderem fehlende elterliche Fürsorge, geringe emotionale Wärme, eine ausgeprägte Abenteuerlust und Neugier, ein geringes Selbstwertgefühl, soziale Isolation in der peer group und das Vorkommen devianten Verhaltens im engeren Freundeskreis berichtet (Barnow, Lucht & Freyberger, 2005). Diese US-amerikanischen Ergebnisse sind auch insofern interessant, weil ein Zusammenhang zwischen missbräuchlichem Schusswaffengebrauch, sozialer Isolation, Versagenserlebnissen und geringer emotionaler Zuwendung durch die Eltern auch bei deutschen Schulamoktätern, so etwa beim Erfurter Todesschützen Robert Steinhäuser, aufgezeigt werden konnten (Gasser et al., 2004; Heubrock et al., 2005). Demnach scheint aggressives Verhalten zwar eine logische Begleiterscheinung missbräuchlichen Schusswaffengebrauchs, nicht jedoch die Ursache hierfür zu sein. Tatsächlich ist seit langem bekannt, dass depressive Menschen häufig durch aggressives Verhalten, aber auch durch aggressive Einstellungen und latente und verdeckte Aggressionen auffallen (Wolfersdorf & Kiefer, 1998) und vermehrt zu delinquentem Verhalten neigen [Langhinrichsen-Rohling et al., 2004; 2005). Auch ein erhöhtes Ausmaß an Eifersucht, das sich wiederum bei Menschen mit geringem Selbstwerterleben häufig findet (Kast, 1997a), stellt – ebenso wie ein Bedürfnis nach Rache Kast 1997b) - einen Risikofaktor für Gewalthandlungen mit Schusswaffen und häusliche Gewalt dar [Holtzworth-Munroe, Stuart &, Hutchinson, 1997; Zwenger, 1994). Aber nicht nur depressive Störungen scheinen hoch mit Gewalttätigkeit zu korrelieren, auch paranoide und andere Persönlichkeitsstörungen wurden mehrfach als Prädiktor für Gewaltdelikte nachgewiesen (Espelage et al., 2003; Fisher, 2000; Morton, Farris & Brenowitz, 2002), wobei hier wiederum paranoide Frauen besonders gefährdet bzw. gefährlich zu sein scheinen (De Souza & Doyal, 1998; Kalichman, 1998). Insgesamt scheint bei Tätern, die zur Lösung von Konflikten und zur Durchsetzung eigener Interessen, Schusswaffen verwenden, ein erhebliches Defizit in der Emotionsregulation vorzuliegen (Kalichman,1998), was besonders deutlich für eine defizitäre Ärger- und Ärgerausdrucks- Seite 4 regulation nachgewiesen werden konnte [Bongard et al., 2001; Hajnsek, 2005; Hodapp et al., 1997). Als ein weiterer zentraler Prädiktor für Gewaltdelinquenz konnte auch ein Mangel an Empathie nachgewiesen werden (Hosser & Beckurts, 2005; Sams & Truscott, 2004). Umgekehrt erwies sich der Glaube an eine gerechte Welt als Schutzfaktor, weil er mit höherer Toleranz und günstigeren Copingstrategien in Ärger verursachenden Situationen einhergeht (Dalbert, 2002; Otto & Dalbert, 2005). Zusammengefasst ergibt sich für den Zusammenhang zwischen bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und der Neigung zu Gewaltstraftaten ein komplexes Bild, in dem sich jedoch schwerwiegende psychische Störungen, emotionale Verwahrlosung, soziale Isolation und ein geringes Selbstwerterleben als wichtige Prädiktoren herauskristallisieren, die ihrerseits aggressionsfördernd wirken und die Wahrscheinlichkeit schwerer Gewaltstraftaten mit und ohne Waffengebrauch deutlich erhöhen. Da bislang jedoch der Zusammenhang zwischen distinkten Persönlichkeitsmerkmalen und der Art der zu Gewaltstraftaten verwendeten Waffen nicht untersucht wurde, soll im folgenden eine Studie beschrieben werden, in der die spezifischen Persönlichkeitsausprägungen bei Straftätern miteinander verglichen wurden, die zur Deliktbegehung entweder keine Waffen, „hands-on“-Waffen oder „hands-off“-Waffen eingesetzt haben. Probanden und Methode Die Untersuchung wurde bei Jugendlichen, Heranwachsenden und Erwachsenen in norddeutschen Einrichtungen der Jugendhilfe und des Jugendstrafvollzuges durchgeführt.1 Bei den Probanden aus Einrichtungen der Jugendhilfe handelt es sich um jugendliche Delinquenten, die durch mindestens eine Gewaltstraftat auffällig geworden waren, und die im Rahmen der unter gerichtlichen Auflagen zur Bewährung ausgesetzten Strafe untergebracht waren. Die heranwachsenden Probanden wurden in Einrichtungen des Straf- und Maßregelvollzuges in Norddeutschland rekrutiert. An der Untersuchung waren insgesamt N = 60 Probanden beteiligt, darunter zehn Patienten aus dem Maßregelvollzug. Da sich bei Sichtung der Daten deutliche Hinweise darauf ergaben, dass die Patienten des Maßregelvollzuges in erhöhtem Maße im Sinne der sozialen Erwünschtheit geantwortet hatten, wurden diese zehn Probanden aus der Auswertung ausgeschlossen. Auch die Daten der beiden weiblichen Probanden wurden zum Ausschluss von Ausgabe 3/2008 Polizei Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch Geschlechtseffekten nicht berücksichtigt, so dass insgesamt N = 48 Probanden im Alter von 16 bis 57 Jahren einbezogen wurden. Von diesen waren 50% der Probanden im Alter von über 21 Jahren und im regulären Erwachsenenstrafvollzug untergebracht. Die andere Hälfte der Probanden stammt aus Einrichtungen des Jugendstrafvollzuges und der Jugendhilfe. Ein Drittel der Gesamtstich- Wissenschaft probe verfügte über keinen Schulabschluss, etwa 23% hatten die Mittlere Reife und 8,3% die Hochschulreife. Tabelle 1 zeigte die Verteilung der Stichprobe auf diejenigen Straftaten, die aktuell zur Inhaftierung geführt hatten oder zur Bewährung ausgesetzt sind sowie die Verteilung auf die drei Gruppen „kein Waffengebrauch“, „hands-on“-Waffen und „hands-off“-Waffen. Tabelle 1: Verteilung der Indexdelikte auf die Untersuchungsgruppen Indexdelikte „hands-on“ N = 22 „hands-off“ N = 11 keine Waffen N = 16 Gesamt N = 48 Betrug, Unterschlagung 1 0 0 1 Brandstiftung 0 0 1 1 Diebstahl 7 1 2 10 Einbruch 6 1 0 7 Erpressung 2 2 1 5 Hehlerei 5 0 0 5 Körperverletzungsdelikte 17 9 6 32 Mord 2 0 2 4 Raubdelikte 6 5 7 18 Sachbeschädigung 4 1 1 6 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 1 0 6 7 Totschlag 2 0 0 2 Verstoß gegen BtMG 5 2 2 9 Gesamt 58 21 28 107 Ausgabe 3/2008 Seite 5 Polizei Wissenschaft Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch Hinsichtlich der Indexdelikte unterscheiden sich die drei Gruppen kaum. Straftäter mit deliktbezogener Verwendung von „hands-on“-Waffen weisen signifikant häufer Hehlerei als Indexdelikt auf. Signifikant seltener treten Körperverletzungsdelikte in der Gruppe der Straftäter ohne Anwendung von Waffengewalt auf. Allerdings entfallen auf diese Gruppe deutlich häufiger Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Hinsichtlich der Vorstrafen (siehe Tab. 2) lassen sich für die drei Gruppen keine signifikanten Unterschiede feststellen. bank digitalisiert. Jedem Probanden wurden die Items einzeln dargeboten, wobei das Auslassen eines Items das weitere Bearbeiten unmöglich machte. Die statistische Berechnung der Gruppenunterschiede, die zum einen für die beiden Gruppen „kein Waffengebrauch“ vs. „Waffengebrauch“ („hands-on“- und „hands-off“-Waffenverwendung) und zum anderen für die drei Gruppen getrennt vorgenommen wurde, erfolgte mittels T-Test für unabhängige Stichproben (Zwei-Gruppen-Vergleich) bzw. einfaktorieller multivariater Varianzanalyse (Drei-Gruppen-Vergleich). Zur Signifikanzprüfung wurde der F-Test und im Falle von Varianzhomogenität post hoc der SchefféTest durchgeführt. Bei Varianzheterogenität wurde die Tamhane-T2-Statistik angewandt. Alle Mittelwertunterschiede Zur Erhebung der Persönlichkeitsmerkmale wurden aus den in Tabelle 3 aufgelisteten 16 Testverfahren 38 Skalen mit insgesamt 352 Items computergestützt vorgegeben. Hierzu wurden die Items unverändert über eine SQL-Daten- Tabelle 2: Verteilung der Vorstrafen auf die Untersuchungsgruppen Vorstrafen „hands-on“ N = 22 „hands-off“ N = 11 keine Waffen N = 16 Gesamt N = 48 Betrug, Unterschlagung 2 0 2 4 Diebstahl 5 1 4 10 Einbruch 4 2 0 6 Erpressung 2 0 1 3 Hehlerei 3 0 0 3 Körperverletzungsdelikte 15 8 6 29 Raubdelikte 5 1 3 9 Sachbeschädigung 2 2 1 5 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 0 0 1 1 Verstoß gegen BtMG 6 1 3 10 keine 4 0 4 8 Gesamt 48 15 25 88 Seite 6 Ausgabe 3/2008 Polizei Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch Wissenschaft Tabelle 3: Angewandte Testverfahren Testverfahren Abkürzung Autoren Allgemeine DepressionsSkala ADS-K Hautzinger & Bailler, 1993 Barratt Impulsiveness Scale BIS-11 Patton, Stanfort & Barratt, 1995 Fragebogen zur Erfassung von Aggressivitätsfaktoren FAF Fragebogen zur Messung von Eifersucht FE Fragebogen Konfliktbewältigungsstrategien FKBS Fragebogen zu Kompetenzund Kontrollüberzeugungen FKK Fragebogen Rache FR Fenigstein and Venable Paranoia Scale Allgemeiner-Glaube-an-einegerechte-Welt-Skala FVPS GWAL Interpersonal Trust Scale IST Neo-5-Faktoren-Inventar Neo-FFI Saarbrücker PersönlichkeitsSPF fragebogen Revidierte Selbstwert-Skala SSR State Trait-ÄrgerausdrucksInventar STAXI Satisfaction With Life Scale SWLS Waffenverlässlichkeitstest WVT(-V) Verwendete Skalen Depression • Kognitive Impulsivität • Motorische Impulsivität • Voraussicht • Spontane Aggressivität • Reaktive Aggressivität Hampel & Selg, 1998 • Erregbarkeit • Selbstaggression • Aggressionshemmung • Bedrohung der Exklusivität • Neid Bringle, 1979 (dt. • Eifersucht nach Ungerechtigkeit Bauer, 1988) • Eifersucht auf Geschwister • Eifersucht auf Familie und Freunde Hentschel, Kiessling & • Turning agains object Wiemers, 1998 • Turning against self • Internalität • Sozial bedingte Externalität Krampen, 1991 • Fatalistische Externalität • Selbstkonzept eigener Fähigkeiten Stuckless & Goranson, Rachebedürfnis 1992 Fenigstein & Venable, Paranoides Verhalten 1992 Dalbert, Montada & Allgemeiner Glaube an eine gerecht Welt Schmitt, 1987 Krampen, Viebig & • Vertrauen in die Zuverlässigkeit anderer Walter, 1982 • Soziales Misstrauen/Soziale Angst • Neurotizismus • Extraversion Borkenau & Ostendorf, • Offenheit für Erfahrungen 1993 • Verträglichkeit • Gewissenhaftigkeit • Empathie Paulus, 2000 • Perspektivenübernahme Von Collani & HerzSelbstwert berg, 2003 Schwenkmezger, • Ärger-in Hodapp & Spielberger, • Ärger-out 1992 • Ärger-control Diener, Emmons, LarLebenszufriedenheit sen & Griffin, 1985 Keckeis, 2001 Ausgabe 3/2008 Verlässlichkeit Seite 7 Polizei Wissenschaft Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch wurden auf dem 5%-Niveau auf Signifikanz überprüft, als tendenziell signifikant wurden Mittelwertunterschiede < 10% interpretiert. Für den WVT wurden gemäß Handan- weisung Rangordnungen gebildet, deren Abweichungen qualitativ zu interpretieren sind. Tabelle 4: Aggression (FAF) hands-on Spontane Aggression hands-off keine Waffen hands-on Selbstaggression hands-off keine Waffen hands-on Reaktive Aggression hands-off keine Waffen hands-on Erregbarkeit hands-off keine Waffen hands-on Aggressionshemmung hands-off keine Waffen hands-on Summe der Aggressivität hands-off keine Waffen Mittlere Differenz Signifikanz 2,9818 14,9318* -2,9818 11,9500* -14,9318* -11,9500* -1,8455 ,7670 1,8455 2,6125 -,7670 -2,6125 4,7818 17,9318* -4,7818 13,1500* -17,9318* -13,1500* 3,3545 10,8920* -3,3545 7,5375 -10,8920* -7,5375 -2,4818 -,2443 2,4818 2,2375 ,2443 -2,2375 11,1182 43,7557* -11,1182 32,6375* -43.7557* -32,6375* .720 .000 .720 .013 .000 .013 .653 .905 .653 .468 .905 .468 .467 .000 .467 .009 .000 .009 .604 .002 .604 .111 .002 .111 .501 .991 .501 .604 .991 .604 .551 .000 .551 .015 .000 .015 hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off * = Die mittlere Differenz ist auf dem 5%-Niveau signifikant Seite 8 Ausgabe 3/2008 Polizei Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch Ergebnisse Aggression Hinsichtlich der Aggressivität zeigen sich zwischen den drei Gruppen deutliche Unterschiede. Dabei unterscheiden sich Probanden, die bei ihren Delikten Waffen verwendeten, hinsichtlich der spontanen und der reaktiven Aggressivität sowie in der Summe der Aggressivität signifikant von solchen Probanden, die keine Waffen benutzten. Täter mit „hands-on“-Waffengebrauch waren zudem leichter erregbar als solche ohne Waffenanwendung. Es lässt sich insgesamt eine Rangreihe bilden, der zufolge Straftäter mit „hands-on“-Waffengebrauch durchweg, wenngleich nicht signifikante, höhere Punktwerte erzielen als Probanden, die „hands-on“-Waffen anwandten. Diese wiederum weisen – mit Ausnahme der Erregbarkeits-Skala – höhere Werte auf als Probanden ohne deliktbezogenen Waffengebrauch. Ärgerausdruck Auch hinsichtlich des Ärgerausdrucks lassen sich signifikante Unterschiede zwischen Straftätern mit deliktbe- Wissenschaft zogener Waffenanwendung und solchen ohne Waffengebrauch feststellen. Erstere richten häufiger ihren Ärger gegen andere und sind weniger in der Lage, ihren Ärger zu kontrollieren. Darüber hinaus besteht die Tendenz, ärgerliche Gefühle zu unterdrücken. Insbesondere Straftäter, die „hands-on“-Waffen verwenden, erzielen in allen diesen Bereichen hohe Punktwerte, während sich Täter, die „hands-off“-Waffen verwenden, nicht signifikant von der Gruppe der Täter ohne Waffengebrauch unterscheiden. Auch hinsichtlich des Ärgerausdrucks ergibt sich dieselbe Rangfolge wie sie bei der Aggressivität festgestellt wurde. Depression und Lebenszufriedenheit Die Variablen Depression und Lebenszufriedenheit wurden durch die Kurzform der Allgemeinen DepressionsSkala (ADS-K) und die Satiscafction with Life Scale (SWLS) erfasst. Hinsichtlich der Lebenszufriedenheit treten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen auf. Auch bezüglich der Depressivität sind keine bedeutsamen Mittelwertunterschiede feststellbar. Probanden, die Tabelle 5: Ärgerausdruck (STAXI) hands-on Anger In hands-off keine Waffen hands-on Anger Out hands-off keine Waffen hands-on Anger Control hands-off keine Waffen hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off Mittlere Differenz Signifikanz ,8545 2,2045 -,8545 1,350 -2,2045 -1,3500 2,7818 5,6818* -2,7818 2,9000 -5,6818* -2,9000 -1,6818 -2,9943 1,6818 -1,3125 2,9943 1,3125 .826 .190 .826 .653 .190 .653 .227 .001 .227 .236 .001 .236 .543 .082 .543 .715 .082 .715 * = Die mittlere Differenz ist auf dem 5%-Niveau signifikant; kursiv = tendenziell signifikant Ausgabe 3/2008 Seite 9 Polizei Wissenschaft Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch Eifersucht und Neid Signifikante Gruppenunterschiede finden sich zwischen Straftätern mit deliktbezogener Waffenverwendung und bei ihren Delikten Waffengewalt anwendeten, erweisen sich als tendenziell unzufriedener mit dem eigenen Leben als die Gruppe der Straftäter ohne Waffengebrauch. Tabelle 6: Eifersucht und Neid (FE) hands-on Bedrohung der Exklusivität hands-off keine Waffen Mittlere Differenz Signifikanz 1,5182 8,5057* -1,5182 6,9875 -8,5057* -6,9875 .958 .008 .958 .217 .008 .217 Mittlere Differenz Signifikanz -5,8182 -12,2557* 5,8182 -6,4375 12,2557* 6,4375 -3,5727 -7,6477* 3,5727 -4,0750 76477* 4,0750 -2,2455 -4,6080* 2,2455 -2,3625 4,6080* 2,3625 .261 .001 .261 .230 .001 .230 .306 .002 .306 .253 .002 .253 .379 .007 .379 .382 .007 .382 hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off * = Die mittlere Differenz ist auf dem 5%-Niveau signifikant Tabelle 7: Empathie und Perspektivenübernahme (SPF) hands-on Empathiefähigkeit (E+P) hands-off keine Waffen hands-on Empathie hands-off keine Waffen hands-on Perspektivenübernahme hands-off keine Waffen hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off * = Die mittlere Differenz ist auf dem 5%-Niveau signifikant Seite 10 Ausgabe 3/2008 Polizei Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch Wissenschaft Tabelle 8: Impulsivität (BIS-11) hands-on Kognitive Impulsivität hands-off keine Waffen hands-on Motorische Impulsivität hands-off keine Waffen hands-on Voraussicht (Antizipation/Planen) hands-off keine Waffen hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off Mittlere Differenz Signifikanz -1,3909 -1,6534 1,3909 -,2625 1,6534 ,2625 2,0091 3,1591 -2,0091 1,1500 -3,1591 -1,1500 1,7818 6,4318* -1,7818 4,6500 -6,4318* -4,6500 .479 .251 .479 .976 .251 .976 .392 .051 .392 .757 .051 .757 .688 .003 .688 .112 .003 .112 * = Die mittlere Differenz ist auf dem 5%-Niveau signifikant; kursiv = tendenziell signifikant solchen ohne Waffengebrauch lediglich auf der Skala „Bedrohung der Exklusivität“. Auch hier erreichen Täter mit „hands-on“-Waffengebrauch die höchsten Punktwerte. Hinsichtlich der Skalen „Neid“, „Eifersucht nach Ungerechtigkeit“, „Eifersucht auf Geschwister“ und „Eifersucht auf Freunde und Familie“ konnten keine signifikanten Differenzen gefunden werden. Empathie und Perspektivenübernahme Straftäter, die bei der Deliktbegehung Waffen gebrauchten, erweisen sich als signifikant weniger empathisch und weniger in der Lage, die Perspektive des Gegenübers einzunehmen. Auch hier erwies sich die Gruppe derjenigen Probanden, die „hands-on“-Waffen verwendet hatten, als besonders auffällig. Glaube an eine gerechte Welt Hinsichtlich dieser Einstellungsdimension fanden sich zwischen den Gruppen keine signifikanten Mittelwertunterschiede. Ausgabe 3/2008 Impulsivität Straftäter, die bei der Deliktbegehung Waffen gebrauchten, erwiesen sich im Vergleich zu solchen ohne Waffengebrauch als signifikant motorisch impulsiver und weniger vorausschauend. Während Probanden mit „hands-on“-Waffenverwendung im Vergleich deutlich geringere Fähigkeiten zur Entwicklung von zukunftsorientierten Problemlösestrategien aufweisen, zeigen sich Täter mit Verwendung von „hands-off“-Waffen im Bereich der motorischen Impulsivität als unauffällig. Beide Gruppen neigen jedoch tendenziell zu unüberlegtem Handeln. Interpersonelles Vertrauen In Bezug auf das interpersonelle Vertrauen lassen sich zwischen Waffen anwendenden und keine Waffen anwendenden Tätern nur tendenziell signifikante Unterschiede feststellen. Insbesondere Straftäter mit Verwendung von „hands-off“-Waffen weisen gegenüber waffenlosen Tätern tendenziell ein geringeres soziales Vertrauen und eine höhere soziale Angst auf. Seite 11 Polizei Wissenschaft Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch Tabelle 9: Konfliktbewältigung (FKBS) hands-on Turning against Self hands-off keine Waffen hands-on Turning against Object hands-off keine Waffen Mittlere Differenz Signifikanz -,5000 ,1875 ,5000 ,6875 -,1875 -,6875 4,0818* 6,3693* -4,0818 2,2875 -6,3693* -2,875 .904 .981 .904 .843 .981 .843 .034 .000 .034 .366 .000 .366 hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off * = Die mittlere Differenz ist auf dem 5%-Niveau signifikant Konfliktbewältigung Im Vergleich zu Straftätern mit Waffengebrauch verfügen solche, die keine Waffen angewendet haben, über signifikant ausgewogenere Konfliktbewältigungsstrategien. Straftäter, die „hands-on“-Waffen eingesetzt hatten, verfügen über deutlich ungünstigere Konfliktlösungsstrategien als jene Delinquenten, die „hands-off“-Waffen zum Einsatz brachten. Kontrollüberzeugung Hinsichtlich ihrer Kontrollüberzeugungen unterscheiden sich Gewaltstraftäter nicht voneinander. Paranoide Störungen Auch hinsichtlich der Neigung zu paranoidem Verhalten ergaben sich zwischen den Gruppen keine signifikanten Mittelwertunterschiede. Rachebedürftnis Unabhängig von der Art der verwendeten Waffe weisen Täter, die zur Deliktbegehung eine Waffe eingesetzt haben, im Vergleich zu waffenlosen Tätern ein signifikant gesteigertes Rachebedürfnis auf. Tabelle 10: Rachebedürfnis (FR) hands-on hands-off keine Waffen hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off Mittlere Differenz Signifikanz 6,0091 18,4091* -6,0091 12,4000 -18,4091* -12,4000 .523 .001 .523 .093 .001 .093 * = Die mittlere Differenz ist auf dem 5%-Niveau signifikant Seite 12 Ausgabe 3/2008 Polizei Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch Wissenschaft Tabelle 11: Rangordnung für die Variable Verlässlichkeit Rangordnung 1 2 3 4 5 6 keine Waffen Kind Partnerin Beförderung Trennung Chef Nachbar hands-on Kind Beförderung Partnerin Trennung Chef Nachbar hands-off Kind Partnerin Beförderung Trennung Chef Nachbar Selbstwert Hinsichtlich dieser Persönlichkeitsdimension ließen sich keine Gruppenunterschiede feststellen. Verlässlichkeit Der speziell zur Begutachtung der waffenrechtlichen Eignung von Legalwaffenbesitzern in Österreich entwickelte Waffenverlässlichkeitstest (WVT) umfasst vier Subtests, von denen hier nur die Skala „Verlässlichkeit“ zur Anwendung kam. Sie besteht aus 15 Items, in denen sechs konflikthafte Situationen paarweise gegenübergestellt werden. Eine Person gilt als auffällig, wenn die gebildeten Rangordnungen signifikant von der Norm abweisen (Keckeis, 2004). In dieser Hinsicht unterschieden sich Waffen verwendende Täter nicht von waffenlosen Delinquenten. Es zeigt sich allerdings in der qualitativen Auswertung, dass Straftäter, die bei der Begehung des Deliktes „handson“-Waffen eingesetzt hatten, eine andere Rangordnung bilden als die beiden anderen Gruppen. Von diesen Tätern wird es als schwerwiegender empfunden, dass eine andere Person eine Beförderung erhält, für die man selbst qualifiziert ist, als das Bitten um den Tod des sterbenskranken Partners. Persönlichkeits-Screening Straftäter, die bei der Begehung von Delikten Waffen einsetzen, weisen auf den Skalen „Offenheit für Erfahrungen“ und „Verträglichkeit“ im Vergleich zu waffenlosen Tätern, signifikante Unterschiede auf und verfügen über die geringere Ausprägung dieser Eigenschaften. Während Delinquenten, die „hands-on“-Waffen einsetzen, sich deutlich weniger offen für Erfahrungen, unverträglicher und weniger gewissenhaft präsentieren, zeigen sich Straftäter, die „hands-off“-Waffen anwenden, hinsichtlich der Ausgabe 3/2008 Gewissenhaftigkeit als unauffällig; sie nehmen eine mittlere Position zwischen den beiden anderen Gruppen ein (siehe Tabelle 12). Diskussion Die empirische Untersuchung der Persönlichkeitsmerkmale von Gewaltstraftätern, die entweder keine Waffen, „hands-on“- oder „hands-off“-Waffen verwendet haben, ergab für die Konstrukte Aggression, Ärgerausdruck, Eifersucht und Neid, Empathie, Perspektivenübernahme, Impulsivität, Konfliktbewältigung, Rachebedürfnis, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit zum Teil sehr deutliche Gruppenunterschiede. Straftäter, die – bezogen auf das Indexdelikt und weitere Vorstrafen – Waffengewalt angewandt hatten, zeigten sich als deutlich aggressiver, impulsiver und rachsüchtiger, sie weisen Defizite hinsichtlich des Ärgerausdrucks und der Konfliktbewältigung auf und richten Ärger und Aggression häufiger gegen andere Menschen. Zudem zeigen sie sich als weniger empathisch und geringer zur Perspektivenübernahme fähig. In Bezug auf Persönlichkeitseigenschaften im Sinne der so genannten „Big Five“ erweisen sich Waffen verwendende Gewaltstraftäter als egozentrischer, antagonistischer, misstrauischer, weniger mitfühlend und weniger wohlwollend. Straftäter mit deliktbezogener Anwendung von Waffengewalt sind tendenziell unzufriedener mit ihrem Leben, misstrauischer und sozial ängstlicher als Straftäter, die keine Waffen eingesetzt hatten. Auch hinsichtlich des Gebrauchs von „hands-on“- und „hands-off“-Waffen konnten signifikante Persönlichkeitsunterschied aufgezeigt werden. Straftäter mit Verwendung von opfernahen Tatmitteln verfügen über eine deutlich auffälligere und unausgewogenere Konfliktbewältigung, Seite 13 Polizei Wissenschaft Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch Tabelle 12: Persönlichkeits-Screening (Neo-FFI) hands-on Neurotizismus hands-off keine Waffen hands-on Extraversion hands-off keine Waffen hands-on Offenheit hands-off keine Waffen hands-on Verträglichkeit hands-off keine Waffen hands-on Gewissenhaftigkeit hands-off keine Waffen Mittlere Differenz Signifikanz -,1909 ,9716 ,1909 1,1625 -,9716 -1,1625 -1,7545 -1,2670 1,7545 ,4875 1,2670 -,4875 -2,2455 -8,1705* 2,2455 -5,9250* 8,1705* 5,9250 -2,3455 -9,0455* 2,3455 -6,7000* 2,3455 -6,7000* -4,8455 -9,1705* 4,8455 -4,3250 9,1705* 4,3250 .996 .873 .996 .879 .873 .879 .723 .796 .723 .978 .796 .978 .584 .000 .584 .042 .000 .042 .642 .001 .642 .047 .001 .047 .536 .004 .536 .561 .004 .561 hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off hands-off keine Waffen hands-on keine Waffen hands-on hands-off * = Die mittlere Differenz ist auf dem 5%-Niveau signifikant so dass sie Ärger in Konfliktsituationen signifikant häufiger gegen andere Menschen richten. Auch bei der Beurteilung sozialer und Dilemma behafteter Konflikte – wie sie im Waffenverlässlichkeitstest erfragt werden – zeigten Täter mit „hands-on“-Waffengebrauch eine ungewöhnliche Rangordnung, da sie es als schwerwiegender empfinden, wenn eine andere Person eine Beförderung erhält, für die man selbst qualifiziert ist, als das Bitten um den Tod des sterbenskranken Partners. Seite 14 Für den Großteil der Persönlichkeitsdimensionen, die signifikante Gruppenunterschiede ergeben hatten, lässt sich anhand der Mittelwerte stets dieselbe Rangordnung bilden, derzufolge die Gruppe der waffenlosen Straftäter die im Vergleich günstigere Konstruktausprägung aufweist, die Gewaltstraftäter mit opferfernen Tatmitteln den mittleren Rang einnehmen und die Straftäter mit opfernahem Waffengebrauch die jeweils ungünstigste Merkmalsausprägung zeigen. Ausgabe 3/2008 Polizei Täterpersönlichkeit und Waffengebrauch Auch wenn einige methodologische Einschränkungen – etwa der geringe Stichprobenumfang und das Ausblenden kultureller Aspekte des Waffengebrauchs – zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine allzu großzügige Interpretation verbieten, so können sich die empirischen Belege für einen Zusammenhang zwischen der Persönlichkeitsstruktur eines Gewaltstraftäters und dem für das Tatgeschehen nachgewiesenen Waffengebrauch für die Operative Fallananlyse doch als nützlich erweisen. Die Belege bestätigen, dass es sich bei Taten, die mittels opfernaher Tatmittel begangen worden sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit um solche handelt, die als klassische „Affekthandlungen“ eingeordnet werden. Hierfür spricht insbesondere, dass Täter, die opfernahe Waffen eingesetzt hatten, im Gruppenvergleich über die geringste Fähigkeit zu zukunftsorientierten Problemlösestrategien verfügen, d.h., dass sie vor allem in Konfliktsituationen „aus dem Augenblick“ heraus handeln, was durch ein hohes Ausmaß an motorischer Impulsivität begünstigt wird. Für diejenigen Täter, die opferferne Distanzwaffen, meist Schusswaffen, angewandt hatten, konnte die Untersuchung bestätigen, dass diese durch ein im Gruppenvergleich höheres Ausmaß an sozialer Angst und ein geringeres soziales Vertrauen auffallen. Dieser Befund weist in eine Richtung, die dem Alltagsverständnis dieser Täter zu widersprechen scheint: Während die Anwender von Schusswaffen allgemein vermutlich als besonders „kaltblütig“ und „professionell“ gelten dürften, erweisen sie sich tatsächlich als sozial kontaktgestört, was wiederum durch Untersuchungen an Jugendlichen und Heranwachsenden, die entweder Amoktaten mittels Schusswaffen begangen oder solche angekündigt hatten, gestützt wird (Gasser et al., 2004; Heubrock et al., 2005). Zur weiteren Forschung wird empfohlen, anhand einer größeren Stichprobe, auch unter Einschluss weiterer Tätergruppen, etwa aus dem Kreis so genannter sexuellsadistischer Mörder, den Zusammenhang zwischen den verwendeten Tatmitteln, den im Ermittlungs- und Strafverfahren herausgearbeiteten Tatumständen und den Ergebnissen der forensisch-psychiatrischen Begutachtung eingehender zu untersuchen. LITERATUR Andershed, H., Kerr,M.& Stattin, H. (2001). 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