Umweltbezogene Gesundheitsstörungen

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Fort− und Weiterbildung
Umweltbezogene Gesundheitsstörungen
Environmental Health Conditions
Monika Bullinger
Bibliografie
DOI 10.1055/s−0028−1090032
Psychother Psych Med 2008; 58:
430 ± 442 Georg Thieme
Verlag KG Stuttgart ´ New York ´
ISSN 0302−4350
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Monika Bullinger
Institut für Medizinische Psycho−
logie Universitätsklinikum
Hamburg−Eppendorf
Martinistraße 52
20246 Hamburg
[email protected]−hamburg.de
Lernziele
!
Kennenlernen von ¼
biopsychosozialen Modellen der Wirkung von
Umweltbedingungen auf die Gesundheit
" Informationen über umweltbezogene
Gesundheitsstörungen (MCS, SBS, CFS)
" diagnostischen und therapeutischen
Ansatzpunkten
" klinischen Implikationen für das Patienten−
management in der Praxis
"
Einleitung
!
Zu den Bereichen, die die Beziehung zwischen
Medizin und Psychologie in besonderer Weise
beleuchten, gehört das Leiden an der Umwelt. Pa−
rallel zu den Bemühungen um eine Reduktion
von Umweltbelastungen wird fast tagtäglich in
den Medien die Versehrtheit unserer Lebenswelt
eindrücklich präsentiert. Von den ersten Ausei−
nandersetzungen um die ¹Startbahn West“ des
Frankfurter Flughafens über die vehementen De−
monstrationen gegen die Castortransporte bis
hin zu den prognostizierten Folgen des Klima−
wandels verfolgt viele Menschen im Lande die
Sorge um schädliche Auswirkungen von Umwelt−
faktoren. Dies ist sicherlich auch Folge eines ge−
stiegenen Umweltbewusstseins: Repräsentative
Bevölkerungsumfragen zum Thema zeigen, dass
der Schutz der Umwelt im Verhältnis zu anderen
politischen Problemfeldern (z. B. Arbeitslosig−
keit) zwar nicht den ersten, aber immerhin den
dritten Platz inne hat [1].
Die zunehmende Erkenntnis, dass Umwelt ein
schützenswertes Gut ist und die natürliche Um−
welt durch vom Menschen initiierte Aktivitäten
negativ verändert wird, hat zu umweltbewusste−
rem Verhalten und zu einer höheren Sensibilität
für mögliche Gefahren aus der Umwelt geführt.
Gestiegenes Umweltbewusstsein.
Bullinger M. Umweltbezogene Gesundheitsstörungen ¼ Psychother Psych Med 2008; 58: 430 ± 442
Immerhin wird die Gefahr, an umweltbedingten
Gesundheitsstörungen zu erkranken, von über
45 % der Befragten einer Münchener Public
Health Studie als eher ¹sehr hoch“ bewertet, wo−
bei besonders Umweltfaktoren wie Schadstoffbe−
lastung in der ¹Nahrung“ und im ¹Autoverkehr“
als störend und gesundheitsabträglich gewertet
werden [2]. Die potenzielle Bedrohlichkeit, die
von diesen Veränderungen ausgeht, hat sich
auch in verstärkten Befürchtungen um negative
Effekte von Umweltfaktoren auf die Gesundheit
geäußert.
Die Frage, ob die Umwelt krank macht, bewegt
die Gemüter [3]. Allerdings werden Erkrankun−
gen durch Umweltfaktoren nicht nur befürchtet,
sondern auch real erlebt. Dieses reale Erleben,
das Gefühl oder die Vermutung, körperliche
oder psychische Beschwerden aufgrund von Um−
weltfaktoren erleiden zu müssen, führt zu einer
Verunsicherung, gepaart mit dem Versuch, ärzt−
lichen Rat zu suchen. Dazu ein Fallbeispiel: Eine
46−jährige Frau berichtet ihrer Zahnärztin, dass
sie schon lange und aktuell zunehmend unter
Symptomen wie Kopfschmerz, Abgeschlagenheit
und Konzentrationsstörungen leidet. Die vorerst
unerklärlichen Symptome schreibt sie ihren
Amalgamfüllungen zu, seit sie vor einigen Tagen
eine Fernsehsendung zu diesem Thema gesehen
hat. Sie bittet um Entfernung der ± ohnehin
schon erneuerungsbedürftigen ± Amalgamfül−
lungen, worin die Ärztin auch einwilligt. Die Pa−
tientin berichtet bei der Nachuntersuchung über
eine fast vollständige Beschwerdefreiheit, die die
Ärztin verblüfft. Diese hat nämlich gerade einen
Enquete−Bericht zum Thema gelesen, nachdem
von Amalgamfüllungen keine Gesundheitsschä−
digung ausgeht.
Mit solchen oder ähnlichen Fällen beschäftigt
sich das Fach Umweltmedizin, das aufgrund gesi−
cherter, wissenschaftlicher Erkenntnisse die
mögliche Verursachung von gesundheitlichen
Störungen durch Umweltschadstoffe erforscht
[4]. Die Umweltmedizin hat mehrere Identitäten:
Die erste ist eine deskriptiv−epidemiologische,
wobei es hier um bevölkerungsbezogene Daten
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430
Fort− und Weiterbildung
bild noch für einen bestimmten Umweltfaktor
spezifisch.
Beziehungen zwischen Umweltfaktoren in der
Umgebung und Gesundheitsstörungen der Be−
troffenen sind in der Umweltmedizin schwer
nachweisbar.
Das umweltmedizinische, diagnostische Proze−
dere führt häufig zur Erkenntnis, dass entweder
keine Umweltfaktoren, wie z. B. Schadstoffe, vor−
handen sind oder dass diese in einer so niedrigen
Konzentration vorliegen, dass aufgrund etablier−
ten, toxikologischen Wissens kein Hinweis auf
eine ursächliche Beteiligung am Krankheitsge−
schehen gefunden werden kann [7]. Dies ist so−
wohl für die konsultierten Ärztinnen und Ärzte
als auch für die Patientinnen und Patienten in ho−
hem Maße frustrierend. Erstere schwanken zwi−
schen Skepsis an den eigenen Untersuchungsme−
thoden und Ärger über die Persistenz des Patien−
ten; Letztere fühlen sich häufig unverstanden, al−
leingelassen, in die ¹psychische Ecke geschoben“,
und damit diskriminiert. Denn die Patienten lei−
den an ihren Beschwerden, unabhängig davon,
ob eine organische bzw. umweltbezogene Ursa−
che für die gesundheitliche Einschränkung zu
finden ist oder nicht, und sie sind von der ärztli−
chen Vermutung einer psychogenen Störung
nicht begeistert.
Beispiele umweltbezogener
Gesundheitsstörungen
!
Unter umweltbezogenen Syndromen werden Er−
krankungen verstanden, die sich als Befindlich−
keitsstörungen der Patienten äußern und die
von den Patienten im Zusammenhang mit Um−
weltfaktoren gebracht werden. Die meist disku−
tierten umweltbezogenen Syndrome sind das
Multiple Chemial Sensitivity Syndrome bzw.
Chemikalienüberempfindlichkeit (MCS), das Sick
Building−Syndrome (SBS) und das Chronic Fati−
gue−Syndrome (CFS). Darüber hinaus existieren
noch weitere Syndrome, z. T. mit eher weniger
definiertem klinischen Spektrum. Die auch als
¹idiopathic environmental illnesses“ (IEI) ge−
kennzeichneten Störungen sind von ihrer Symp−
tomatik her ausgesprochen vielschichtig, beson−
ders beim MCS und SBS lässt sich ein großes
Spektrum unterschiedlicher klinischer Sympto−
me und Befindlichkeitsstörungen finden. Ge−
meinsam ist diesen Störungen, dass die Sympto−
me Müdigkeit, vegetative Beschwerden, körperli−
che Einschränkungen, Konzentrationsstörungen
und Verstimmungen bzw. depressive Symptome
häufig vorkommen. Für die Patienten selbst ste−
hen die konkreten Beschwerden im Vordergrund,
die mit bestimmten Umweltfaktoren (meist
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zum Vorkommen und zur statistischen Bezie−
hung von Gesundheitsstörungen zu Umweltfak−
toren geht. Die zweite ist eine toxikologisch−ana−
lytische, wobei unter Laborbedingungen experi−
mentell die Wirkung von Umweltschadstoffen
überprüft wird. Die dritte ist die klinisch−medizi−
nische Identität; hier geht es um die Frage, ob ein
angeschuldigter Umweltfaktor Auslöser für ein
bestimmtes Beschwerdebild ist (Pathogenese),
wie dieses charakterisiert ist (Diagnostik) und
wie Patienten mit berichteten umweltbedingten
Störungen zu helfen ist (Therapie). Alle 3 Identi−
täten beziehen sich auf die Fragen, wie bei einem
spezifischen Umweltfaktor (z. B. einem Schad−
stoff in der Luft) die Emission, z. B. der Ausstoß
aus dem Fabrikkamin, mit der Immission, d. h.
dem Niederschlag des Schadstoffes in der unmit−
telbaren Umgebung und der Exposition, d. h. dem
Ausgesetztsein des Betroffenen gegenüber die−
sem Schadstoff, verbunden ist. Ist dieser über
Biomonitoring im Körper nachweisbar, und wie
kann dieser letztlich zur gesundheitsschädigen−
den Wirkung führen?
Nun ist die eingangs gestellte Frage nach Bezie−
hungen zwischen Umwelt und Erkrankung leider
nicht so einfach beantwortbar. Es ergeben sich
Fragen nach der Definition von Umwelt und Ge−
sundheit, nach Theorien über beteiligte Faktoren
und mögliche Wirkungsmechanismen, und nach
nachweisenden Verfahren wie z. B. Experiment
und Beobachtung [5]. Derzeit sind trotz umfang−
reicher Forschung und eindrucksvollen Lehrbü−
chern nur wenige gesicherte Aussagen zur Rela−
tion zwischen Umweltfaktoren und Gesundheits−
störungen möglich. Dazu gehört z. B. aus dem Be−
reich der Toxikologie die Entwicklung von Chlor−
akne durch Dioxin oder aus dem Bereich der Epi−
demiologie der Befund, dass verkehrsbedingt er−
höhte Stickoxidkonzentrationen das Risiko für
Asthma bei Kindern um mehr als das Doppelte
steigern.
Toxikologie und Epidemiologie sind allerdings in
ihren strengen wissenschaftlichen Kriterien
überfordert, wenn sich in Arztpraxen und Um−
weltambulanzen immer wieder Patienten prä−
sentieren, die an einem sehr breiten Beschwerde−
spektrum leiden und fest davon überzeugt sind,
dass diese Beschwerden von einem bestimmten
Umweltfaktor bzw. durch eine bestimmte Kom−
bination solcher Faktoren herrühren könnte [6].
Trotz intensiver Bemühungen ist selten ein Hin−
weis auf das Vorhandensein eines Schadstoffes
im Umfeld des Patienten (über Ortsbegehung
und Schadstoffanalytik) bzw. der Nachweis des
Schadstoffes im Körper zu finden (über Labor−
tests und Biomonitoring). Verblüffend ist, dass
die Patienten von einer Vielzahl individuell un−
terschiedlicher Symptome berichten, wobei im
Gesamtkollektiv häufig auch Kopfschmerzen,
Müdigkeit, Abgeschlagenheit und sogenannte
vegetative Störungen vorkommen. Diese Störun−
gen sind weder für ein bestimmtes Krankheits−
431
Fort− und Weiterbildung
Schadstoffen, aber auch Gerüchen und Nah−
rungsmitteln) in Verbindung gebracht werden.
Eine Übersicht über häufige umweltmedizinische
Diagnosen zeigt, dass es sich hier um vielfältige,
in ihren Benennungen wechselnde, in ihrer
Symptomatik aber nicht klar voneinander unter−
scheidbare Erkrankungen handelt.
Umweltbezogene Gesundheitsstörungen sind
MCS, SBS, CFS.
Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit
Das multiple Chemikalienüberempfindlichkeits−
Syndrom (MCS) gibt es seit über 30 Jahren, wobei
fast ebenso viele Bezeichnungen für diesen
Symptomkomplex verwendet werden [8]. Die Pa−
tienten berichten multiple, rezidivierende, auf
andere Stoffe übergreifende Störungen im physi−
schen und psychischen Bereich. Diese sind mit
Umweltbedingungen verbunden, welche von an−
deren Menschen meist gut vertragen werden
und die durch keine andere medizinische Störung
zu erklären sind. Charakteristisch für das MCS
sind Beschwerden wie Konzentrationsproble−
me, Gedächtnisstörungen, Atemwegreizungen,
Schmerzen, Übelkeit, Schwindelgefühl, Kopf−
schmerzen, Müdigkeit, Depression, Reizbarkeit
und als Kernsyndrom die sogenannte Überemp−
findlichkeit auf bestimmte Stoffe [9]. Vermutete
Auslöser reichen von flüchtigen, organischen
Verbindungen bis hin zu elektromagnetischen
Feldern. Bisherige Ansätze zur Erforschung des
MCS liegen vor allem aus dem amerikanischen
Sprachraum vor und reichen von toxikologischen
Hypothesen über aussichtsreichere immunologi−
sche, allergologische Faktoren bis hin zu psy−
chischen Problematiken wie Traumata in der
Kindheit. Bevölkerungsrepräsentative Studien
sind nötig, bisher aber kaum vorhanden [10]. Mit
Ausnahme der bereits berichteten allergologisch−
immunologischen Komponente findet sich kein
Hinweis beim MCS auf eine pathologisch vermit−
telte Reaktion, weswegen das MCS zu den idiopa−
thischen Umweltintoleranzen zählt. Hiermit
wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in−
dividuelle Unverträglichkeitsreaktionen auf ver−
schiedenste Umweltfaktoren möglich sein könn−
ten. Die Probleme der Umweltmedizin sind beim
MCS besonders deutlich: Bei unbestrittener Exis−
tenz von Symptomen ist die Ursache umstritten,
die Manifestation nicht korrekt diagnostizierbar,
eine umfangreiche Ausschlussdiagnostik nötig,
und fraglich, wie die Störung zu therapieren ist.
MCS als Überempfindlichkeitssyndrom.
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Das Sick−Building−Syndrom
Ein weiteres Syndrom ist das Sick−Building−Syn−
drom, eine Bezeichnung für einen Komplex von
Befindlichkeitsstörungen und Beschwerdemus−
tern, die besonders in klimatisierten, der Außen−
luft nicht direkt zugänglichen Gebäuden berich−
tet wird [11]. Das Sick−Building−Syndrom ist nach
WHO−Definition charakterisiert durch Schleim−
hautreizung und vegetative Störungen wie Mü−
digkeit, Kopfschmerz und Mattigkeit, die nach
Verlassen des Gebäudes zurückgehen. Vermutete
ätiologische Faktoren beim Sick−Building−Syn−
drom reichen von physikalischen Charakteristika
des Innenraumklimas bis zu Gerüchen, beinhal−
ten aber auch psychosoziale Hypothesen. Als
mögliche psychische Einflussfaktoren auf das
SBS werden Arbeitsunzufriedenheit, Tätigkeits−
struktur, Stress, Belastung, mangelnde Kontroll−
möglichkeiten oder auch akzentuierte Persön−
lichkeitszüge herangezogen [12].
In der Danish−Town−Hall−Studie an 3 444 Perso−
nen, wurde die Präsenz des Beschwerdemusters
des Sick−Building−Syndroms untersucht [13]. Da−
bei wurden im Sinne eines ätiologischen Erklä−
rungsversuches folgende, für das Sick−Building−
Syndrom disponierende Faktoren identifiziert:
weibliches Geschlecht, Rauchen, Neigung zu
Heuschnupfen und Migräne, einfache Verwal−
tungstätigkeit am Bildschirm oder Fotokopierer,
mangelnde Arbeitszufriedenheit und Arbeits−
stress. Der ausschlagende Faktor für die Präsenz
des Sick−Building−Syndroms war allerdings die
Belüftungsart: In klimatisierten Gebäuden wur−
den höhere Beschwerderaten angegeben als in
natürlich belüfteten Gebäuden.
In einer Metaanalyse der bis dahin 6 größten Stu−
dien zum Sick−Building−Syndrom konnten Men−
del u. Smith [14] zeigen, dass Kopfschmerz, Le−
thargie, obere Atemwegs− und Schleimhaut−
symptome in klimatisierten Gebäuden konsis−
tent statistisch signifikant häufiger sind als in
nicht klimatisierten, wobei der Einfluss der
Raumluftbefeuchtung möglicherweise über−
schätzt wird. Die Existenz des Sick−Building−Syn−
droms ist somit unbestritten, umstritten ist aber
nach wie vor noch seine spezifische Ätiologie.
Bisherige Untersuchungen zum Sick−Building−
Syndrom zeigen eine schwache Beziehung zwi−
schen dem gemessenen Raumklima und selbst−
berichteten gebäudebezogenen Beschwerden,
was nahelegen könnte, dass der Selbstbericht
der Gebäudenutzer kein valider Indikator für
den potenziellen Effekt des Raumklimas ist, oder
± wie häufig vonseiten der Gebäudebetreiber
vermutet ± dass die Beschwerden der ¹Einbil−
dungskraft“ der Beschäftigten entspringen könn−
ten. Aus der psychologischen Literatur ist aber
bekannt, dass kognitive Prozesse sowie persönli−
che Charakteristika eine wichtige modulierende
Rolle für die Reaktion einer Person auf ihre Um−
welt spielen. Wie der stresstheoretische Ansatz
nahelegt, kann ein suboptimales Innenraumkli−
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Fort− und Weiterbildung
SBS als gebäudebezogene Befindlichkeitsstörung.
Das Chronic−Fatigue−Syndrom
Das chronische Erschöpfungssyndrom ist primär
charakterisiert durch Müdigkeit im Sinne tiefer
Erschöpfung, die mindestens 6 Monate anhält
und die mit deutlicher Leistungsminderung ein−
hergeht [17]. Weitere Charakteristika sind der
plötzliche Beginn der Erschöpfung sowie ihre Un−
abhängigkeit von externen Faktoren wie Überlas−
tung, Anstrengung oder Schlafmangel. Obwohl
mit der Erschöpfung und dem dramatischen Ver−
lust der Leistungsfähigkeit Kernsymptome vor−
liegen, ist die Symptomatik vielfältig und ver−
gleichbar mit den oben bereits berichteten Syn−
dromen [18]. Die Prävalenz des CFS liegt bei 2
Personen pro 1000, allerdings schwankt die Prä−
valenz entsprechend der untersuchten Popula−
tion und der methodischen Qualität der epide−
miologischen Studien. Hypothesen zu ätiologi−
schen Faktoren reichen von viralen Infektionen
(Epstein−Barr−Virus) bis hin zu Umweltbelastun−
gen (Pyrethroid−Exposition). Wie auch MCS ba−
siert die CFS−Diagnose auf einem Ausschluss ver−
schiedener infrage kommender klinischer Stö−
rungen und kann somit erst nach kompletter so−
matischer und psychiatrischer Befunderhebung
gestellt werden. Das amerikanische Center of
Disease Control (CDC) bietet auf seiner Homepa−
ge www.cdc.gov/cfs aktuelle und umfassende In−
formationen zum CFS an und bemüht sich die
Störung bekannt zu machen.
CFS äußert sich als chronische Erschöpfung.
Diagnose und Ätiologie umwelt−
bezogener Gesundheitsstörungen
aus psychologischer Perspektive
!
Diagnostisch steht bei den 3 dargestellten Syn−
dromen die Frage im Vordergrund, inwieweit
aus den umweltbezogenen Beschwerden ein Hin−
weis auf eine umweltbedingte Störung abgeleitet
werden kann, oder ob sie sich als eine psychische
oder somatische Störung ohne objektivierbare
Umweltbeteiligung charakterisieren lassen. Dif−
ferenzialdiagnostisch sind die Beschwerden bei
umweltmedizinischen Syndromen schwer vonei−
nander zu unterscheiden. Aufgrund des fehlen−
den Bezugs zu bekannten Erkrankungen erschei−
nen sie den Neurasthenien oder somatoformen
Störungen ähnlich, und sie sind häufig vergesell−
schaftet mit Depressionen und Angststörungen
[19]. Die wesentliche Frage bei den umweltbezo−
genen Störungen ist, ob es sich dabei um altbe−
kannte Erkrankungen im neuen Gewande han−
delt, oder ob sie in ihrer Umweltbezogenheit
eine neue Erkrankungskategorie repräsentieren.
Immerhin sprechen Zahlen dafür, dass sich bei
ca. 10 % der Patienten parallel zu den Beschwer−
den eine von der Norm abweichende Erhöhung
von Schadstoffkonzentrationen z. B. in der Wohn−
umgebung finden lässt, was zumindest einen
Hinweis auf einen Umweltbezug, wenn auch
noch keine kausale Hypothese ermöglicht [20].
Bei über 50 % der Patienten sind psychologische
Symptome zu finden, wobei diese nicht notwen−
digerweise Ursache, sondern auch Konsequenz
der Belastung durch Umweltfaktoren sein kön−
nen. Die Frage, ob psychische Störungen Ursache
oder Folge umweltbezogener Symptome sind,
bzw. ob sie zufällig koexistieren oder interagie−
ren, ist bisher noch ungeklärt.
Psychologische Belastungen können sowohl Ursa−
che als auch Folge umweltbezogener Störungen
sein.
Die Betrachtung der eben dargestellten Sympto−
matik der verschiedenen umweltbezogenen,
funktionellen Syndrome zeigt, dass sich als roter
Faden durch die klinischen Beschreibungen und
Fallgeschichten die Frage zieht, ob die Störungen
psychisch bedingt oder somatisch verursacht
sind. Häufig kommt es hier zu typischen Denk−
fehlern bezüglich der sogenannten psychischen
Faktoren, die in der Annahme bestehen, dass das
was ¹organisch“ nicht erklärbar ist, nur ¹psycho−
gen“ zustande gekommen sein kann. Um die Fra−
ge zu beantworten, ist eine Reflexion über mögli−
che psychologische Faktoren und Mechanismen
der feststellbaren oder angenommenen Schad−
stoffwirkung auf den Menschen vonnöten.
Bezüglich der Wirkweise von Umweltfaktoren
auf die Befindlichkeit des Menschen sind hier
verschiedene Modelle vorstellbar [21]. Neben
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ma als Stressfaktor gelten, der besonders, wenn
er als solcher wahrgenommen und bewertet
wird, zu psychologischen, körperlichen, sozialen
und mentalen Beeinträchtigungen der betroffe−
nen Personen führen kann [15].
In der groß angelegten ProKlimA−Studie [16], in
der 4 500 Arbeitsplätze raumklimatisch und
arbeitswissenschaftlich vermessen und die Be−
schäftigten medizinisch und psychologisch un−
tersucht wurden, ergaben sich Hinweise auf die
Bedeutung flüchtiger organischer Verbindungen
in der Raumluft für die Beschwerden der Be−
schäftigten. Es zeigte sich aber auch die herausra−
gende Rolle der subjektiven Wahrnehmung und
Bewertung des Raumklimas und die Rolle des so−
zialen Arbeitsklimas für die Befindlichkeit.
433
Fort− und Weiterbildung
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R ei wz
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Abb. 1 Informationsver−
arbeitungsmodell.
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R ie bez
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R e ak
t ion
dem Modell der Noxe, das der Umweltmedizin
entlehnt ist und eine physiologisch erklärbare
Relation zwischen Umweltreiz und menschlicher
Reaktion postuliert, sind die Modelle der Infor−
mationsverarbeitung und der Attribution inte−
ressant, die sich auf die Zuschreibung von Effek−
ten an einen Auslöser beziehen.
Von besonderer Bedeutung sind stresstheoreti−
sche Vorstellungen zur Genese von Befindlich−
keitsstörungen als emotionale oder körperliche
Reaktion auf belastende Faktoren, wie sie auch
Umweltbedingungen darstellen. Und nicht zu−
letzt sind lerntheoretische Modelle zu nennen,
die die Genese von Symptomen erklären können.
Informationsverarbeitung
Ein erstes Modell stammt aus der Informations−
verarbeitungstheorie und differenziert zwischen
Reizen auf der einen und Reaktionen auf der an−
deren Seite sowie verschiedenen dazwischen lie−
genden Stufen des Informationsverarbeitungs−
" Abb. 1). Der Reiz kann sowohl ein
prozesses (l
sinnlich wahrnehmbarer Umweltfaktor wie z. B.
Geruchsbelastung oder erhöhter Lärmpegel sein
bzw. auch die Vermutung der Präsenz eines schä−
digenden Umweltfaktors wie z. B. einer Schad−
stoffbelastung. Dieser Reiz wirkt über Prozesse
der Wahrnehmung, Bewertung und Verarbeitung
und löst eine Reaktion aus. Unter Wahrnehmung
ist die sinnliche Perzeption des Ereignisses zu
verstehen, unter der Bewertung die emotionale
Qualität (z. B. die Belästigung, die einem Reiz zu−
geschrieben wird) und unter Verarbeitung das ge−
dankliche Durchspielen von Handlungsmöglich−
keiten im Sinne von Bewältigungsreaktionen in
bestimmten Situationen.
Attribution
Der Bedrohungscharakter, der in der Bewertung
und Verarbeitung einer Information enthalten
ist, wird kognitiv verarbeitet und kann sich als
Gefühl der Angst zeigen [23]. Er kann sich aber
auch in massiven körperlichen Phänomenen äu−
ßern, wie dies z. B. bei der sogenannten ¹Toxoko−
pie“ beschrieben wird. Hierbei wird davon ausge−
gangen, dass sich Menschen in ihren umweltbe−
zogenen Befürchtungen sozusagen ¹anstecken“
können.
Die Frage ist, wie es nun möglich ist, dass allein
durch eine Information eine klinisch relevante
Symptomatik ausgelöst werden kann. Handelt es
sich in Analogie zum Placebo um einen Nocebo−
effekt, der durch die Attribution einer Schädi−
gung hervorgerufen wurde?
Der Mechanismus der Angst ist für das Verständ−
nis umweltmedizinischer Störungsbilder sowohl
hinsichtlich der Auslösung als auch der Aufrecht−
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erhaltung von Interesse. Hier sind lerntheoreti−
sche Grundlagen der Angstentstehung und neue−
re Vorstellungen zur Aufschaukelung von Angst−
symptomen zu diskutieren, veranschaulicht
durch den ¹Teufelskreis der Angst“. Wesentlich
aber sind Zuschreibungen, also kognitiv emotio−
nale Etikettierungen der Information.
Stress
Die Verknüpfung zwischen dem informations−
und attributionstheoretischen Modell und dem
eingangs zitierten Stressormodell besteht darin,
dass die Stressreaktionen selbst, wie bereits von
Lazarus [24] dargestellt, nicht nur von der Inten−
sität und Qualität des Reizes, sondern wesentlich
von Art und Muster der dazwischenliegenden
kognitiven Reizverarbeitungsprozesse abhängen.
Die Reaktionsebene ist gekennzeichnet durch
Veränderungen sowohl im psychischen als auch
im physischen, sozialen, mentalen und funktio−
nalen Bereich. Interessant ist nun, dass nicht nur
eine real vorhandene Belastung als solche wahr−
genommen werden kann, sondern auch die Mit−
teilung darüber, dass sie vorläge. Die Information
selbst kann also zum Stressor werden und kann
Reaktionen auslösen, die das ganze Spektrum
der Stressreaktionen umfassen.
Diese stresstheoretische Perspektive ist auch
Grundlage neuerer umweltpsychologischer Aus−
einandersetzungen mit dem Thema ¹Wirkung
von Umweltfaktoren auf den Menschen“. Hier
wird versucht, die Reaktion der Personen auf
Umweltreize als Antwort auf eine belastende Be−
dingung aus der Umwelt (z. B. Lärm, Geruch etc.)
zu verstehen [25]. Die Stressforschung legt be−
züglich menschlichen Erlebens und Verhaltens
als Alternative zur direkten Wirkung von Um−
weltfaktoren (Noxe) und zur indirekten Wirkung
durch Effektzuschreibung (Attribution) ein um−
fassendes Modell nahe, das nicht nur die Reizsei−
te, sondern auch die vermittelnde Reizbearbei−
tung, nämlich Wahrnehmung und Bewältigung
von Umweltstressoren, mit einbezieht. Auf der
Effektseite sind neben körperlichen und verhal−
tensbezogenen Daten auch Veränderungen der
Befindlichkeit wichtige Indikatoren von Um−
" Abb. 2).
weltstressoren (s. l
Lerntheoretische Aspekte
Die Lerntheorie postuliert im Wesentlichen 4
Lernmechanismen, die für die Frage des Zustan−
dekommens umweltmedizinischer Syndrome
von Bedeutung sind.
Beim klassischen Konditionieren wird davon aus−
gegangen, dass die Verknüpfung eines neuen, d. h.
konditionierten Stimulus an einen natürlichen
(unkonditionierten) Stimulus eine konditionierte
Reaktion hervorrufen kann, erstmals beschrieben
bei dem sogenannten Pawlow’schen Hund, bei
dem nach Kombination eines Futterreizes mit ei−
nem Glockenschlag bereits der Glockenschlag in
der Lage war, die Reaktion des Speichelflusses
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434
Fort− und Weiterbildung
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Klassisches Konditionieren kann das Entstehen
einer Verknüpfung zwischen Umweltreiz und
individuellen Reaktionen erklären.
äre Be
w lä t i gun
w äl t i gun
Modelllernen kann erklärt die Aneignung von Ver−
haltensweisen aus der Beobachtung einer für den
Lernenden wichtigen Person erklären.
In Weiterentwicklung der operanten Konditio−
nierung beschreibt das Modelllernen eine Form
des Lernens durch Verhaltensübernahme aus
einem Vorbild, einer anderen Person. Dies kann
erklären, wie im Kindesalter die Übernahme von
Verhaltensweisen (z. B. Kopfschmerzäußerungen
der Mutter bei Lärm) entstehen könnte.
Operantes Konditionieren kann die Aufrechter−
haltung von umweltbezogenen Beschwerden
erklären.
g
d ohunr
ausf
g
or d er un
w re t ngu
g smög
icl kh eit
g sf hiä g k eit ne
Be
inst
Modelle des instrumentellen bzw. operanten
Konditionierens legen den Schwerpunkt auf die
Verstärkung einer Reaktion durch nachfolgende
Konsequenzen. Bekannt ist diese Lernform durch
die sogenannten Skinner’schen Tauben, die durch
gezielte Belohnung zur Ausformung spezieller
Verhaltensweisen wie z. B. das Picken auf einen
Knopf zum Futtererhalt, trainiert werden konn−
ten. Übertragen auf umweltmedizinische Proble−
me können operante Konditionierungsvorgänge
erklären, wie umweltbezogene Beschwerden
durch spezifische Verstärkung (z. B. weitergehen−
de Information aus den Medien, Rückversiche−
rung aus dem sozialen Umfeld des Patienten)
aufrechterhalten werden. Solche Verstärkungen
können nicht nur auf psychologischer Ebene wir−
ken, sondern es können auch physiologische Vor−
gänge beeinflusst werden. Zudem kann es über
Aufschaukelungsprozesse zur Generalisierung
der Reaktionen und zunehmender Sensitivierung
für Noxen kommen. Nicht zuletzt können klas−
sisch konditionierte Reaktionen der Löschung ge−
genüber besonders dann resistent sein, wenn die
Konfrontation mit dem ursprünglich reaktions−
auslösenden Ereignis vermieden wird (negative
Verstärkung mit Vermeidungsverhalten) (s.
" Abb. 4).
l
gun
Be
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Se
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Abb. 2 Stresskonzept nach Lazarus.
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V er bind
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ht)
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(Gl
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ht)
CR
(Speic
he
l er höun
g )
Abb. 3 Klassisches Konditionieren.
Komplexe Person−Umwelt−Interaktionen
Dynamische Vorstellungen von zunehmender
Sensibilisierung und Generalisierung der Reak−
tion auf immer mehr Reize sowie von bereits nie−
derschwelliger Anregung einer vorher angeleg−
ten Reaktion sind ebenfalls denkbar [26]. Aus
der neurophysiologischen Schmerzforschung ist
bekannt, dass es ein neuronales Schmerzge−
dächtnis gibt, durch das Schmerzerfahrungen
auch ohne die Präsenz akuter und spezifischer
Reizung von Nozizeptoren möglich sind. Auch
hier werden gelernte Reiz−Reaktions−Verbindun−
gen angenommen. Auch neuroendokrine Auf−
schaukelungsprozesse, z. B. Kindling−Effekte (Sen−
sibilisierung), können zur Erklärung der Auslö−
sung von Gesundheitsstörungen herangezogen
werden (z. B. in der Psychiatrie für manisch−
depressive Psychosen).
Eine weitere lerntheoretische Erklärungsmög−
lichkeit bezieht sich auf die Rolle der kognitiven
Konzepte über die mögliche Verursachung von
Befindlichkeits− und Gesundheitsstörungen
durch Umweltfaktoren (Kausalattribution). Soge−
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auszulösen. Klassische Konditionierungsvorgän−
ge können vor allem bei sinnlich wahrnehmba−
ren Schadstoffen eine Rolle spielen. Die Assozia−
tion zwischen einem wahrgenommenen Um−
weltreiz und einer Reaktion kann, wie aus Kondi−
tionierungsexperimenten bekannt ist, relativ
schnell gefestigt werden, und sie kann gerade
die nicht der bewussten Kontrolle unterliegen−
den Reaktionen, z. B. des autonomen Nervensys−
" Abb. 3).
tems, betreffen (s. l
435
Fort− und Weiterbildung
V er hal
t en w
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Abb. 4 Operantes
Konditionieren.
nannte implizite Theorien, d. h. persönliche An−
nahmen zur Relation zwischen Umweltfaktor
und Befindlichkeit, sind bei vielen Umweltpa−
tienten zu finden und zeigen sich bei diesen als
besonders fixierte und veränderungsresistente
kognitive Schemata. Kausalattributionen (d. h.
Ursachenzuschreibung) und festgefügte, ge−
dankliche Einordnungsverfahren (d. h. kognitive
Schemata), können die Wahrnehmung, die Be−
wertung und die Reaktion der Person auf Um−
weltbelästigungen beeinflussen. In neueren
Theorien zur Aufrechterhaltung von Störungen
(z. B. Depression) wird davon ausgegangen, dass
die kognitiven Schemata oder kognitiven Kon−
zepte ausgesprochen einflussreich bei der Symp−
tomatik der Patienten sind [27].
Die Rolle der Psychologie für die
umweltmedizinische Forschung
und Praxis
!
Die Umweltmedizin hat mit einigen grundsätzli−
chen Schwierigkeiten zu kämpfen, die sowohl
den Kausalitätsnachweis im Sinne ätiologischer
Modelle, die diagnostischen Verfahren und diffe−
renzialdiagnostischen Abgrenzungen als auch
die Therapie umweltbezogener Syndrome betref−
fen. Welchen Beitrag kann die Psychologie zur
Bearbeitung dieser Probleme leisten? Im Bereich
der Ätiologie bezieht sich dies auf die Nutzung
der oben dargestellten Ansätze zur Erklärung
des Zustandekommens umweltbezogener Stö−
rungen. In der Diagnostik steht die Verfügbarma−
chung diagnostischer Verfahren im Vordergrund,
die in der medizinischen Psychologie aufgrund
langer Forschungstradition relativ gut ausgear−
beitet und methodisch robust sind. Es handelt
sich hier um Verfahren der Diagnosen von Wahr−
nehmungsprozessen über Befindlichkeitsstörun−
gen, mentaler Kompetenz und Gesundheitszu−
stand bis hin zu Sozialverhalten. Dabei kann auf
etablierte Tests und Fragebögen, auf Verhaltens−
beobachtungen, auf neuropsychologische, psy−
chophysikalische und psychophysiologische Me−
thoden sowie auf psycho−neuro−endokrinologi−
sche und −immunologische Verfahren zurückge−
griffen werden.
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In der Forschung berührt die Psychophysik zum
Beispiel die Beziehung zwischen definierten Rei−
zen und darauffolgenden menschlichen Reaktio−
nen unter Laborbedingungen, die Neuropsycho−
logie die standardisierte Diagnostik der Leis−
tungsfähigkeit von der Motorik bis zum Gedächt−
nis und die Psychophysiologie die Erfassung kör−
perlicher Aktivierung in spezifischen Situatio−
nen. Diese Methoden sind bisher vor allem in
der Forschung eingesetzt worden. Für die Praxis
gibt es eine Reihe psychodiagnostischer Verfah−
ren, mit denen die Art und Intensität der Be−
schwerden identifiziert werden können. In Bezug
auf die Ätiologie reichen die Denkansätze von
einfachen, lerntheoretischen Reiz−Reaktions−
Modellen über die Rolle der stressauslösenden
Wirkung von Information bis hin zu komplexen,
kognitiven Vorstellungen über die Rolle verhal−
tensformender Überzeugungen. Hier sind kausa−
le Beziehungen zwischen den angeschuldigten
Auslösern und den gesundheitlichen Verände−
rungen zu prüfen [28].
Ein weiterer Anwendungsbereich besteht in der
Therapie. Bisher sind therapeutische Optionen in
der Umweltmedizin begrenzt, meist symptom−
orientiert und empirisch wenig fundiert, dies
gilt auch für psychologische Verfahren. Dies ist
zwar angesichts der diagnostischen und differen−
zialdiagnostischen Probleme bei umweltmedizi−
nischen Störungen durchaus nachvollziehbar, für
die Patienten aber nicht erfreulich. Unabhängig
von der Frage nach Kausalität und Ätiologie lei−
den die Patienten unter ihren Beschwerden. Bei
nicht nachweisbarer organischer Ursache ihres
Leidens erübrigt sich für die Patienten eben nicht
das Problem ihrer gestörten Befindlichkeit und
Funktionsfähigkeit, ganz im Gegenteil. Adäquate
therapeutische Angebote können der Chronifizie−
rung der Beschwerden und damit auch der Pa−
tientenkarriere und dem ¹Doctor−Shopping“ ent−
gegenwirken.
Psychotherapeutische Ansätze reichen von eher
störungsübergreifenden
psychodynamischen
und gesprächstherapeutischen Angeboten bis
hin zu spezifisch auf die Patientengruppe zuge−
schnittenen Programmen der Verhaltensthera−
pie, die häufig auch Patientenedukation sowie
körperübende und kognitive Verfahren einschlie−
ßen.
Psychodynamische Therapieverfahren gehen da−
von aus, dass unbearbeitete innerpsychische
Konflikte und Traumata sich aktuell in umwelt−
bedingten Störungen äußern können. Schwer−
punkt der Therapie liegt in der Anerkennung die−
ser Konflikte und deren Bearbeitung, um damit
den Transfer in den somatischen Bereich zu redu−
zieren.
In der Verhaltenstherapie geht es um Aufdeckung
von Lernprozessen, die mit der Symptomatik ver−
bunden sind und um Modifikation genau derjeni−
gen kognitiven Strukturen, die mit für den Pa−
tienten negativen Attributionen behaftet sind
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436
(kognitive Umstrukturierung). Darüber hinaus
hat die Verhaltenstherapie einen deutlich stüt−
zenden und problembezogenen Ansatz, in dem
die Patienten konkrete Bewältigungshilfen für
den Alltag lernen können (von Entspannungstrai−
ning über Biofeedback bis hin zu Selbstmanage−
mentprogrammen).
Die Informationen der Patienten über ihre Stö−
rungen und eigenen Bewältigungsmöglichkeiten
(coping) und Verhaltensoptionen sind Gegen−
stand der Psychoedukation.
Bisher liegen nur wenige Arbeiten zur Wirksam−
keit psychotherapeutischer Strategien bei um−
weltbezogenen, funktionellen Syndromen vor.
Die meisten Arbeiten betreffen verhaltensthera−
peutische Gruppentherapie beim Chronic−Fati−
gue−Syndrom [29]. Die Studien sind allerdings
von den Fallzahlen her noch klein, und es handelt
sich dabei selten um randomisierte kontrollierte
klinische Studien.
Klinisch ist die Bedeutung psychologischer Fak−
toren den Patienten nicht immer leicht zu ver−
mitteln. Den Patienten psychotherapeutische
Verfahren als Ersatz für eine somatische bzw.
eine toxikologische Untersuchung vorzuschla−
gen, ist problematisch. Es geht vielmehr darum,
die Belastung der Patienten anzuerkennen und
Strategien zu erarbeiten, wie sie bei bestehender
Symptomatik und nicht nachweisbarer Ursache
mit ihrem Leben besser zurechtkommen. Das er−
fordert sowohl von ärztlicher Seite her eine Sen−
sibilität in der Vorbereitung dieser Kontakte als
auch vonseiten der Psychotherapeuten Kompe−
tenz im Umgang mit dieser Patientengruppe so−
wie die Bereitschaft zum Maßschneidern von
Therapien. Erforderliche Handlungsweisen, die
dieser Haltung entsprechen, haben viel mit klas−
sischen Kompetenzen in der Gesprächsführung
zu tun, nämlich Wertschätzung, Empathie und
Kongruenz. Die professionelle Kompetenz in Hin−
blick auf das ärztliche und psychologische Hand−
werkszeug ist für Diagnostik und Therapie eine
weitere Voraussetzung.
Schlussfolgerung
!
In der Umweltmedizin gibt es bisher kaum Einig−
keit über Diagnostik, Ätiologie und Therapie.
Über Forschungs− und Handlungsbedarf besteht
hingegen Einigkeit. Besonders der Forschungsbe−
darf ist groß, nicht nur auf der Seite der grundla−
genorientierten toxikologischen Ansätze oder der
deskriptiv−epidemiologischen Ansätze, sondern
auch im Hinblick auf therapeutische Optionen
und deren Evaluation in klinischen Studien. Auf−
fallend in der Umweltmedizin ist, dass bereits in
der Benennung der Symptome Kausalität präju−
diziert wird. Begriffe wie ¹Ökochondrie“ oder
¹Ökophobie“ sind nicht geeignet, die Phänome−
nologie der Störungen ohne Rückgriff auf noch
nicht genügend erforschte Verursachungsmodel−
le zu bearbeiten. Notwendig ist nicht nur eine
Auflistung und Beschreibung von Symptomprofi−
len, die bei verschiedenen Patientengruppen vor−
handen sind, sondern die Abwendung vom mo−
nokausal orientierten hin zum multifaktoriellen
Denkmodell (im Sinne systemisch miteinander
vernetzter, interaktiver Prozesse in der Genese
umweltbedingter Störungen).
Auf der Ebene der Grundlagenforschung geht es
um das Erkennen von Regulationsstörungen und
begleitenden neuromodulatorischen Effekten.
Hypothesen wie Sollwertverstellungen im Hypo−
thalamus, die mit niedrigschwelliger Toxizität
durch Veränderung der Generatoren assoziiert
sein könnte, sind bisher noch wenig ausdisku−
tiert. Auch die interdisziplinäre Forschung, z. B.
die Kombination psychologischer Ansätze mit al−
lergologisch−immunologischer Fragestellung, ist
für die Umweltmedizin interessant. Mechanis−
men der Wirkung von Umweltfaktoren, wie sie
die Psychologie nahelegt, sind hilfreich für die
Wahl von therapeutischen Strategien. Umwelt−
faktoren können nicht nur Auslöser oder Verur−
sacher von Beschwerden sein, sondern mögli−
cherweise, vermittelt über Informationen, auch
als Verstärker derselben fungieren. Auch eine
Auseinandersetzung mit der Rolle von Massen−
medien ist notwendig. Häufig handelt es sich
um medial transportierte Information, die beim
Empfänger zumindest kurzfristig zu entspre−
chenden Symptomempfindungen und Arztkon−
sultationen führt.
Insgesamt scheint die Trennung zwischen psy−
chischen und körperlichen Prozessen entspre−
chend dem alten Leib / Seele−Problem nicht mehr
zeitgemäß. Genauso wie es schwierig ist, von
psychiatrischen versus somatischen Erkrankun−
gen zu sprechen, ist es müßig, bei Umwelterkran−
kungen psychische von somatischen Faktoren
trennen zu wollen. Die Zeiten des Dualismus
sind gerade im Gefolge der modernen Hirnfor−
schung eher der Vergangenheit zuzuordnen. Die
neue Herausforderung besteht darin, zu erken−
nen, auf welche Weise körperliche und psy−
chische Vorgänge miteinander verwoben sind
bzw. inwieweit sie 2 Äußerungsformen dessel−
ben Prozesses darstellen. Für die Umweltmedizin
bedeutet dies Multidisziplinarität, solide Daten,
universitäres Engagement und innovatives Den−
ken.
In Bezug auf die umweltmedizinische Praxis
empfiehlt sich ein pragmatisches Vorgehen. Di−
agnostisch lassen sich Qualität und Intensität
von Beschwerden mit standardisierten psycho−
metrischen Verfahren gut objektivieren. Es soll−
ten dann Informationen über den aktuellen Wis−
sensstand zu diesen Störungen gegeben werden
(Patientenedukation). Je nach ätiologischem Mo−
dell und therapeutischer Ausrichtung kann dann
eine eng an der Symptomatik ausgerichtete Inter−
vention (z. B. Selbstmanagement), eine der Lern−
theorie verpflichtete verhaltenstherapeutische
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Fort− und Weiterbildung
Fort− und Weiterbildung
Behandlung oder ein psychodynamisch motivier−
tes Therapieverfahren gewählt werden. Bisher
fehlen allerdings in den meisten umweltbezoge−
nen Erkrankungen solide Studien, die die Wahl
spezifischer Behandlungsweisen nahelegen. Stö−
rungsspezifische Konzepte, die Techniken aus
unterschiedlichen Richtungen nutzen, werden
für die Zukunft eine wesentliche Rolle spielen.
Gespeist von der Grundlagenforschung sollten
diese Konzepte entwickelt und in therapeutische
Ansätze umgesetzt werden, die dann in klinische
Studien auf ihre Wirkung hin geprüft werden.
Diese Verbindung von Forschung und Praxis ist
die nächste Aufgabe und prinzipielle Herausfor−
derung der klinischen Umweltmedizin.
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438
Fort− und Weiterbildung
439
1
n
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B
C
D
E
2
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B
C
D
E
3
n
A
B
C
D
E
Ein MCS−betroffener Patient prüft seine Umgebung stän−
dig darauf, inwieweit darin möglicherweise ihm abträgli−
che Schadstoffe zu finden sind. Mit welchem Konzept lässt
sich sein Verhalten am prägnantesten beschreiben?
Sensitivierung
Habituation
klassische Konditionierung
Aktivation
Somatisierung
Nach gründlicher auch extern fachärztlicher Untersu−
chung findet ein Hausarzt bei seinem CFS−Patienten keine
organische Begründung seiner Beschwerden. Nun möchte
er ihn zu Diagnostik und Therapie an einen psychologi−
schen / psychotherapeutischen Kollegen weitergeben.
Welche der folgenden Äußerungen der Hausarztes zur
Motivierung des Patienten veranlasst den Patienten am
wenigsten dem ärztlichen Rat zu folgen und eine Psycho−
therapeuten aufzusuchen?
¹Ihre Beschwerden sind nicht organisch, sondern psy−
chisch bedingt. Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.“
¹Psychische und körperliche Faktoren hängen miteinander
zusammen, um Beschwerden zu lindern kann man an
beidem ansetzen.“
¹Psychische Belastungen können Beschwerden auslösen
oder auch verstärken, deswegen sollte man sie nicht außer
acht lassen.“
¹Auch wenn nicht klar ist, wo die Beschwerden herkom−
men, sind sie dennoch für Sie beeinträchtigend, deswegen
wäre es gut zu wissen, wie Sie mit ihnen besser zurecht−
kommen können.“
¹Manche Menschen haben eine sensible Persönlichkeit,
die sie körperlich und psychisch besonders stark auf Be−
lastungen reagieren lässt. Da kann dann eine Psychothe−
rapie ein Ansatzpunkt sein.“
Viele Patienten mit umweltbezogenen Gesundheitsstö−
rungen sind der Meinung, dass ihre Beschwerden durch
bestimmte Umweltfaktoren ausgelöst worden. Welches
psychologische Modell ist bei dem Verständnis dieser
Zuschreibungsprozesse am hilfreichsten?
Das Modell der Kontrollattribution.
Das Modell der Kausalattribution.
Das Modell der Stressreaktion.
Das Modell des Modelllernens.
Das Modell der gesundheitlichen Überzeugungen.
4
n
A
B
C
D
E
5
n
A
B
C
D
E
6
n
A
B
C
D
E
Sie wollen, um die Prävalenz des CFS zu erkunden, wissen,
wie viele Menschen in Deutschland von CFS betroffen sind
und bemühen sich um ein Forschungsprojekt, mit dem Sie
dies untersuchen können. Welches Studiendesign er−
scheint Ihnen am geeignetsten?
Sie kontaktieren alle niedergelassenen Umweltmediziner
in Deutschland und fragen nach der Häufigkeit von CFS−
Diagnosen im vergangenen Jahr.
Sie ziehen aus der Liste aller niedergelassenen Allgemein−
mediziner eine Stichprobe und lassen alle in einem defi−
nierten Zeitraum den Arzt konsultierenden Patienten mit
CFS dokumentieren.
Sie planen eine Vollerhebung in allen umweltmedizini−
schen Ambulanzen Deutschlands und lassen beginnend
mit einem Datum für einen bestimmten Zeitraum alle
Patienten dokumentieren.
Sie schalten eine Großanzeige in einer überregionalen
Zeitung und bitten alle von CFS betroffenen Patienten sich
unter einer bestimmten Telefonnummer zu melden, um
dann die Untersuchung bei diesen Patienten vorzuneh−
men.
Sie beantragen ein Teilprojekt im neuen bundesdeutschen
Gesundheitssurvey und schließen in diesen eine CFS be−
zogene Dokumentation per Befragung sowie die Erhebung
klinischer Daten an einem Unterkollektiv der Befragten
ein.
Viele Patienten mit umweltbezogenen Störungen berich−
ten, dass ihre Mitmenschen nicht gerade verständnisvoll
auf ihre Beschwerden reagieren. Welche Äußerung deutet
am eindeutigsten darauf hin, dass dem Patienten ¹Simu−
lation“ unterstellt wird?
Da steigerst du dich doch nur rein!
Das bildest du dir doch nur ein!
Das spielst du uns doch nur vor!
Wenn du nur von einer neuen Krankheit gehört hast,
meinst du schon sie zu haben!
Damit kannst du dich gut vor deinen Pflichten drücken!
Welche der folgenden Aussagen trifft auf chronische
Erschöpfung als Leitsymptom des CFS nicht zu?
Die Erschöpfung setzt erstmalig meist plötzlich ein.
Die Erschöpfung bessert sich kaum durch Ruhe.
Die Erschöpfung tritt nur nach starker Anstrengung auf.
Die Erschöpfung kann so schwer sein, dass selbst kleinere
Aktivitäten des täglichen Lebens unmöglich werden.
Die Erschöpfung kann durch keine andere Erkrankung
erklärt werden.
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CME−Fragen Umweltbezogene
Gesundheitsstörungen
440
Fort− und Weiterbildung
Kennzeichen des Sick−Building−Syndroms ist,
A
¼ dass es in natürlich belüfteten Gebäuden besonders
häufig auftritt.
¼ dass es nur direkt nach Inbetriebnahme neuer Gebäude
auftritt.
¼ dass es einige wenige Beschäftigte betrifft.
¼ dass die Beschwerden beim Verlassen des Gebäudes
zurückgehen.
¼ dass das Arbeitsklima dabei keine Rolle spielt.
B
C
D
E
8
n
A
B
C
D
E
In einer psychologisch orientierten Therapie empfiehlt
eine Psychotherapeutin ihrer CFS−Patientin Tagebuch zu
führen. Dabei sollen Faktoren erkundet werden, die die
Symptomatik verbessern bzw. verschlechtern. Es soll dann
daraus erarbeitet werden, wie im Tagesablauf zukünftig
Belastungen und Verschlechterungen vermieden werden
können. Welcher Therapierichtung gehört die Psychothe−
rapeutin größter Wahrscheinlichkeit nach an?
Psychoanalyse
Gesprächspsychotherapie
Familientherapie
Verhaltenstherapie
Hypnose
9
n
A
B
C
D
E
10
n
A
B
C
D
E
Sie wollen wissen, ob ein bestimmter angeschuldigter
Stoff MCS−Symptome auslöst und führen einen Provoka−
tionstest durch. Was ist das beste Vorgehen?
Sie prüfen, ob der Stoff bei nicht MCS betroffenen, gesun−
den Personen eine Reaktion auslöst.
Sie prüfen, ob der Stoff bei MCS−betroffenen Personen eine
Reaktion auslöst.
Sie geben den angeschuldigten Stoff sowohl einer MCS−
Gruppe als auch einer Kontrollgruppe.
Sie geben einen neutralen Stoff sowohl der MCS als auch
der Kontrollgruppe.
Sie geben der MCS und der Kontrollgruppe sowohl einen
neutralen als auch einen angeschuldigten Stoff.
Welche Aussage reflektiert die kognitive Stresstheorie
nach Lazarus für die Erklärung von MCS−Beschwerden?
Sie besagt, dass die MCS−Symptome direkte Folge einer
körperlichen Aktivierung sind, die nach einem Stressreiz
auftreten.
Sie besagt, dass die individualspezifische Wahrnehmung
und Bewertung von Umweltreizen für die MCS−Sympto−
matik ausschlaggebend ist.
Sie besagt, dass die MCS−Symptome durch Vermeidung
der angeschuldigten Umweltschadstoffe häufiger werden.
Sie besagt, dass die MCS−Symptome durch Kopplung eines
Schadstoffs an eine Stressreaktion auftreten können.
Sie besagt, dass nach starken Stressreizen Erschöpfungs−
phasen auftreten.
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7
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Fort− und Weiterbildung
A
441
Angaben zur Person
Name, Vorname, Titel:
Straße, Hausnr.:
Anschrift:
PLZ | Ort:
n
privat
n
dienstlich
EFN−Nummer:
Ich bin Mitglied der Ärztekammer (bitte Namen der Kammer eintragen):
Jahr meiner Approbation:
Ich befinde mich in der Weiterbildung zum:
Ich habe eine abgeschlossene Weiterbildung in (bitte Fach eintragen):
B
Assistenzarzt
n
Oberarzt
n
Chefarzt
n
niedergelassener Arzt
n
Sonstiges:
Lernerfolgskontrolle
Bitte nur eine Antwort pro Frage
ankreuzen
C
n
1 n
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10 n
A n
B n
C n
D n
E
n
Erklärung
Ich versichere, dass ich die Beantwortung der Fragen selbst und ohne Hilfe durchgeführt habe
Ort | Datum:
D
Unterschrift:
E
Feld für CME−Wertmarke
Zertifizierungsfeld
Ihr Ergebnis
Bitte in dieses Feld die CME−Wertmarke kleben
oder Ihre Abonnement−Nummer eintragen:
Sie haben
(siehe Adressaufkleber)
n
von 10 Fragen richtig beantwortet.
Sie haben
Zertifizierungsfeld (wird durch den Verlag ausgefüllt)
n
n
bestanden und 3 CME−Punkte erworben.
nicht bestanden
Stuttgart, den
Datum
Stempel/Unterschrift
>
n
Bitte unbedingt Rückseite
ausfüllen!
Bullinger M. Umweltbezogene Gesundheitsstörungen ¼ Psychother Psych Med 2008; 58: 430 ± 442
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Ich bin tätig als:
Fort− und Weiterbildung
F
Fragen zur Zertifizierung
Eine Antwort pro Frage.
Bitte unbedingt ausfüllen bzw.
ankreuzen, da die Evaluation
sonst unvollständig ist!
Didaktisch−methodische Evaluation
1
n
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3
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n
4
Das Fortbildungsthema kommt in meiner ärztlichen Tätigkeit
häufig vor
regelmäßig vor
noch offene Einzelprobleme:
keine Strategie
Hinsichtlich des Fortbildungsthemas
fühle ich mich nach dem Studium des Beitrags in meiner Strategie bestätigt
habe ich meine Strategie verändert:
habe ich erstmals eine einheitliche Strategie erarbeitet
habe ich keine einheitliche Strategie erarbeiten können
Wurden aus der Sicht Ihrer täglichen Praxis heraus wichtige Aspekte des Themas
überbewertet?
6
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n
7
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n
n
8
>
n
Einsendeschluss
15.11.2009
gar nicht vor
eine feste Gesamtstrategie
zu knapp behandelt?
n
n
selten vor
Zum Fortbildungsthema habe ich
nicht erwähnt?
5
n
n
n
n
n
ja, welche
ja, welche
ja, welche
n
n
n
nein
nein
nein
Verständlichkeit des Beitrags
Der Beitrag ist nur für Spezialisten verständlich
Der Beitrag ist auch für Nicht−Spezialisten verständlich
Beantwortung der Fragen
Die Fragen lassen sich aus dem Studium des Beitrages allein beantworten
Die Fragen lassen sich nur unter Zuhilfenahme zusätzlicher Literatur beantworten
Die Aussagen des Beitrages benötigen eine ausführlichere Darstellung
zusätzlicher Daten
von Befunden bildgebender Verfahren
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Bullinger M. Umweltbezogene Gesundheitsstörungen ¼ Psychother Psych Med 2008; 58: 430 ± 442
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