Persönlichkeit und Beziehungen entwickeln (in der OKJA) von Dieter Boristowski OKJA als Ort der Entwicklung von Persönlichkeit und Beziehungsfähigkeit Als Antwort auf veränderte Sit. von Ki-&Jugl muss OKJA beziehungsreiche Lebensorte zur Verfügung stellen. Sie muss sich bemühen, - soz. Beziehungen zwischen jungen Menschen und zw. den Generationen herzustellen und - Räume der Komm. bereitzustellen, in denen Menschen Beziehungen pflegen können. Diesen Anforderungen wird OKJA gerecht, wenn sie personales, sozialräumliches und subjektorientiertes Angebot ist. Was bedeutet personales Angebot ? Freizeitstätten werden nicht nur von ihrem äußeren Erscheinungsbild und der Vielfalt ihrer Angebote, sondern vor allem durch Menschen geprägt, die in unterschiedlichen Funktionen und Situationen in den Einrichtungen leben und arbeiten. Sie geben durch ihre Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit der Einrichtung das entscheidende Gepräge und die Ausstrahlungskraft. Als 2. muss wahrgenommen werden, dass die Gruppe der Gleichaltrigen sich selbst personales Angebot ist. Gleichaltrigenorientierung hat eine wesentl. Bedeutung für die Entwickl. der Persönlichkeit. Es geht dabei nicht um eine verstärkte Bildung von Gleichaltrigengruppen im Sinne festgefügter sozialer Gruppen – es ist sowieso ein Fehler, wenn der MA glaubt, Gruppen „machen“ zu können. Vielmehr geht es darum Orientierungsmöglichkeiten zu schaffen, da sich Jugendliche in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit heute weniger an der Familie orientieren, sondern an Gleichaltrigenszenen: an gleichaltrigen Personen, an den Medien, Stilen, Kommunikationsformen der Gleichaltrigenwelt. Böhnisch/Münchmeier sagen 1990 in Pädagogik des Jugendraumes: „Jugl. schaffen sich Gleichaltrigenräume, um ihre Selbständigkeit ausleben, darstellen und widerspiegeln zu können." (, S. 54) Die von den MA getragene Atmosphäre, muss von eine akzeptierende Grundhaltung geprägt sein. Dann erst tragen die von ihnen initiierten Angebot dazu bei, dass den Jugl. positive und schöpferische Kräfte zur Gestaltung und Bewältigung ihres Lebens erwachsen. Die MA dabei das Problem und die Herausforderung, ständig wechselnde, oft unklare Rollen in der Kommunikation mit Ki. und Jugl. einnehmen zu müssen. Freund und Ermahner, Anleiter und Begleiter, Partner und Verantwortlicher ... Dafür ist eine hohe Flexibilität sowie die Fähigkeit, Beziehungen und Rollen zu gestalten, nötig. Die kommunikative und animatorische Kompetenz der MA konkretisiert sich insbesondere in der Fähigkeit: - zuhören und wahrnehmen zu können, - kontakt- und gesprächsfähig zu sein und - unmittelbar entscheiden zu können. Voraussetzung dafür, dass man sich mit der Lebensphase Jugendalter identifizieren kann, ist, dass man sie als „sinnvoll" erleben kann. Dazu braucht es die Klärung und Bearbeitung von Sinn- und Orientierungsfragen. Dies wiederum schafft Möglichkeiten zur innerlichen Auseinandersetzung besonders mit der Erwachsenenwelt. Jugl. suchen nach solchen Möglichkeiten der Auseinandersetzung und entwickeln eine neuartige Neugier und ein Interesse für die Vielfalt der Lebensweisen. Sie suchen Bsp. und Modelle für Lebensmuster, mit denen sie sich auseinandersetzen, die sie prüfen, ausprobieren, nachahmen oder verwerfen können. Sie suchen deshalb Erwachsene - Ju.-MA, die sich ihnen öffnen + sich in Fragen verwickeln lassen. Entscheidend ist, dass ein Ansprechpartner zur Verfügung steht, der hilft und berät, der vermittelt und M. Wienecke, Gotha 27.01.2014 D:\Eigene Dateien\Uv\Erz - JA\Cliquenarbeit -OA\Skript Ansätze nach Boristowski.doc, 27.01.2014 14:00:00 Skript Ansätze nach Boristowski unterstützt, der eine Vertrauensperson ist. Dies ist für viele Kinder und Jugendliche eine völlig neue Erfahrung mit Erwachsenen. Die Ki und Jugl. sollen Menschen begegnen können, die ein echtes und ungeteiltes Interesse an ihnen haben. Was bedeutet sozialräumliches Angebot ? Freizeit hat in ihrer Bedeutung neue Akzente erhalten. Freizeit wird nun auch zum Ort der Auseinandersetzung und Bewältigung von existentiellen Lebensproblemen. Orte der Freizeit, wie die Einrichtungen der OKJA, werden zu sozialen Netzen, Stützpunkten, Kontaktstellen. Gleichzeitig ist Freizeit auch weiter Erlebnisraum, den junge Menschen brauchen, um "jugendgemäß" zu leben, sich auszudrücken, direkt und gegenwartsorientiert. OKJA kann hier ein Experimentierfeld sozialer Beziehungen, ein Erlebnisfeld sozialer Geselligkeit bieten. Für Ki. und Jugl. sind Räume und Gelegenheiten zum Erfahrungen sammeln entscheidend, nicht so sehr die pädagogisch arrangierten Interaktionen, die in diesen Räumen stattfinden. Offene Raum- und Kommunikationsangebote werden immer wichtiger in einer Zeit, da fast alle Bereiche der Umwelt längst verregelt, d.h. einer bestimmten Funktion zugewiesen sind. Der jeweiligen Funktion entsprechend sind sie ausschließlich z.B. Verkehrsfläche, Verkaufsfläche, Parkplatz, ökologische Schutzzone oder eben eine spezielle Jugendeinrichtung. Offene Raum- und Kommunikationsangebote bieten jungen Menschen Möglichkeiten für weitgehende Selbstentfaltungs-, Erprobungs- und Lernprozesse. Hier finden sie einen Raum, den sie sich als sozialen Raum mit ihrer gleichaltrigen sozialen Bezugsgruppe relativ frei aneignen können. Darüber hinaus können sie soziale Handlungs-, Kommunikations- und Organisationsmuster (z.B. ihre Cliquenbildungen und ihre jugendkulturellen Lebensformen) weitestgehend nach eigenen Vorstellungen und Interessen ausprobieren Einrichtungen der OKJA sind dabei längst nicht mehr nur „Fluchtpunkt vor dem Elternhaus" oder einzige Alternative dazu. Noch mal Böhnisch/Münchmeier: Viele Jugl. suchen ein eigenes, nicht am bzw. auch nicht gegen das Elternhaus definiertes jugendkulturelles Ambiente als Ausdruck ihrer soziokulturellen Eigenständigkeit Aber auch die „Kids" (9-14) suchen früh eigene Erlebnisräume, in denen sie sich selbst als eigene Persönlichkeit erleben können. Die Einrichtung wird für das Kind zum sozialräuml. erweiterten Lebenszusammenhang von Fam. und Schule, in dem Verhalten + Erleben über das dort Mögliche oder Erlaubte hinaus realisierbar sind. Was bedeutet subjektorientierte Pädagogik ? Jungen Menschen in der modernen Gesellschaft wird eine eigenverantwortliche Lebensführung zugemutet. Ihnen wird angeboten, sich als Bastler ihrer eigenen Biographie zu begreifen. Gleichzeitig erfahren sie jedoch, dass die gesellschaftlichen Voraussetzungen für eine autonome Lebensführung nur in begrenzter und sozial ungleicher Weise verfügbar sind. Kennzeichnend hierfür: - Widerspruch zwischen der Idee der freien Berufswahl und immer weniger Arbeitsmarktchancen, - zwischen den Versprechungen relativen Wohlstandes für alle und realer Ungleichheit, - zwischen den Glücksversprechungen des Konsums und den Realitäten der Wegwerfgesellschaft. Junge Menschen bekommen besonders den Widerspruch zwischen moralischer Beschwörung von Werten wie Solidarität, Wahrhaftigkeit und Fürsorglichkeit einerseits und abverlangter Härte und Durchsetzungsvermögen andererseits zu spüren. Selbstbestimmtes Leben ist also nur sehr begrenzt möglich. M. Wienecke, Gotha -2- 27.01.2014 Skript Ansätze nach Boristowski Eine JA, die den Anspruch der Erziehung zu einem selbstbestimmten Leben erhebt, ist daher aufgefordert „in sozialer Gemeinschaft soziale Orte zu schaffen, an denen dieses praktiziert und gelernt werden kann" (Scherr 1996, in Bildung am Subjekt, S. 217). Die Betonung des sozialen Kontextes steuert der Gefahr entgegen, dass die Entfaltung der Persönlichkeit zur Selbstbestimmung einseitig individualistisch verstanden wird. Die enge Verbindung von Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Mitverantwortung, wie sie auch das KJHG betont wird, will somit eine Selbstverwirklichung mit dem Ziel der Vereinzelung oder gar Ablösung des Individuums aus der Gesellschaft vermeiden. Zusammenhänge erkennen, Einflussmöglichkeiten sehen, Solidarität entwickeln, Fremdes kennen lernen, entdecken, dass das Ich nur ein Teil des Ganzen ist, Horizonte öffnen, den Blick über soziale, parteipolitische und ideologische Grenzen hinweg erweitern, Erfahrungen anbieten, Gefühle zulassen, Menschlichkeit vermitteln: Es geht darum, ein möglichst ganzheitliches Bewusstsein dafür zu vermitteln, dass jede Form des Handelns und auch des Nichthandelns - eine Parteinahme zugunsten bestimmter Werte bedeutet. Noch mal Herr Scherr: Wenn Jugend als Lebensphase Prozesse der Persönlichkeitsbildung beinhaltet, dann liegt die „Chance" von Jugendarbeit gerade darin, „an diesen experimentellen und relativ offenen Charakter der Lebensphase Jugend anzuschließen" und eine bewusste und offene Auseinandersetzung mit Alternativen der Lebensgestaltung anzubieten. (S. 219) Fazit: OKJA muss sich fragen, was erforderlich und förderlich ist für die Entwicklung der Persönlichkeit und Beziehungsfähigkeit junger Menschen: die Gestaltung sozialer Beziehungen und sozialer Orte, die zu einer partizipativen und kooperativen Wirklichkeitsgestaltung auffordert; ein Zutrauen in die Möglichkeiten der Selbstbestimmung junger Menschen; die Inszenierung sozialer Situationen, die einen Aufforderungscharakter in Richtung auf ein selbstverantwortetes und -bestimmtes Handeln beinhalten; Ermöglichung von Selbstachtung durch soziale Anerkennung, wobei entgegen dem gesellschaftlichen Konkurrenzdruck jede(r) einzelne mit ihren/seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen respektiert wird. Eine solche pädagogische Praxis geht weder von den Problemen aus, die Jugendliche machen, noch von denen, die sie haben, sondern von ihrer potentiellen Eigenschaft als selbstbestimmungsfähige soziale Subjekte. So können wir das Ziel einer subjektorientierten OKJA mit Scherr so formuliert werden: „selbstbewusstere und reflektiertere Menschen, die gelernt haben, sich selbst und anderen mit Respekt zu begegnen" (S. 221). (Dieter Boristowski „Persönlichkeit und Beziehungen entwickeln“ in „Handbuch Offene Jugendarbeit“, Münster 1998, S. 138 ff) M. Wienecke, Gotha -3- 27.01.2014