arXiv:physics/0604195v1 [physics.gen-ph] 24 Apr 2006 Zum kleinschen Modell des Elektromagnetismus S. L. Vesely1 , A. A. Vesely 2. Februar 2008 1 I.T.B., C.N.R., via Fratelli Cervi 93, I-20090 Segrate(MI) Italy email: [email protected], [email protected] Keywords: electromagnetic theory, projective geometries PACS: 02.40.Dr, 03.50.De, 92.40.Cy Zusammenfassung Weil das kleinsche Modell des Elektromagnetismus den meisten kein Begriff sein dürfte, sagen wir sofort aus welchem Anlass wir gerade diesen Titel gewählt haben. Seit J. Maxwells Zeit hat eine ziemliche Schwierigkeit bei dem von ihm aufgestellten Gleichungssystem in der Deutung dessen Lösungen bestanden. Sie wurden hauptsächlich auf das mechanische Denkmodell gestützt. 1905 hat dann der junge A. Einstein gegen das damalige Establishment die Meinung vertreten, dass rein formale Gesichtspunkte ausgedient hätten. Er hat bahnbrecherisch statuiert, dass die Elektrodynamik lauter physikalische Aussagen über Vermessungen betrifft. Kein Wunder dass er, als er 1917 mit vier freundlichen, und interessanten, und inzwischen wohl verschollenen Brieflein von F. Klein konfrontiert wurde, es ablehnte die darin erwähnten Arbeiten mathematischen Inhalts zur Kenntnis zu nehmen, oder gar Hand an deren physikalischen Interpretation zu legen. Damals war Klein ein furchterregender Kontrahent. Er war sich dessen auch bewusst. Heute dürften dagegen all die mit der Relativitätstheorie verbundenen Prioritätsfragen genug abgeflaut sein, um gleichfalls einen Blick auf seinen Ansatz zu erlauben. Denn er war bestimmt ein Vertreter des deutschen Establishments, aber er war zugleich selber ein origineller Denker. Wir heben hier einige Punkte hervor, die mit Bezug auf Relativität und Elektromagnetismus heute noch von einigem Interesse sein könnten. 1 Übersicht Im ersten Kapitel wird die Anlehnung der Dynamik an die analytische Geometrie an den Beispielen der elastischen Anziehung und der Gravitation klar gemacht. Im Anschluss daran wird der mechanische Zeitbegriff diskutiert. Die t-parametrisierte Bahn wird als stationäre Bewegung gedeutet, und es wird dargetan, dass sich der Ansatz zur räumlichen Bewegung ausgedehnter Körper aus geometrischen Gründen nicht eindeutig parametrisieren lässt. Die Deutung der Ausbreitung auf wahrscheinlichkeitstheoretischer Grundlage scheint keinen Ersatz für die geometrische Auffassung zu bieten, weil sie sich auf 1 2 EINLEITUNG 2 völlig andere Merkmale stützt. Im zweiten Kapitel wird das Problem angesprochen, ob überhaupt Felder und Bewegungen zusammenhängend behandelt werden sollen. Die Schwierigkeit besteht darin, Massenpunkte im Feld aufzulösen. Es wird nahegelegt, dass elektromagnetische Felder zu ihrer physikalischen Kennzeichnung allerdings keinerlei Vorstellung von Flugbahnen bedürfen, so dass t-parametrisierte Ausdrücke vermutlich nur zur Lösung der Gleichungen herangezogen worden sind. Werden ferner freie elektromagnetische Felder als Signale aufgefasst, was sich angesichts der Relativitätstheorie Einsteins empfiehlt, dann können stationäre Wellenfronten phasendifferenztreu in der gaußschen Zahlenebene bzw. auf der riemannschen Kugel abgebildet werden. Dabei gestaltet sich die geometrische Modellierung, trotzdem sie ihre veranschaulichende Funktion beibehält, anders als eine räumliche Versinnbildlichung der äußeren Welt. Im dritten Kapitel greifen wir zwecks der geometrischen Modellierung die kleinschen Arbeiten über die geometrischen Grundlagen der Lorentzgruppe und über die mit dem Nullsystem verbundenen Raumverwandtschaften wieder auf. Sie enthalten Beiträge aus verschiedenen Gebieten der mathematischen Physik, und handeln laut dem Erlanger Programm von zwei verschiedenen Transformationsgruppen. Als 1910 Klein, gelegentlich seiner Beschäftigung mit der speziellen Relativitätstheorie, die elektromagnetischen Gleichungen im Vakuum an die letztgenannte Gruppe anlehnte, zog er nur deshalb den lorentzschen Hyperkegel zusätzlich heran, weil er der Außenwelt eine pseudoeuklidische raumzeitliche Struktur verleihen zu sollen meinte. Wenn man aus seiner geometrischen Schilderung der speziellen Relativitätstheorie die Maßbestimmung wieder abstreift, bleibt also ein selbstständiges geometrisches Modell des Elektromagnetismus übrig. Weil die geometrische Modellierung relational aufgefasst werden kann, wirft das nicht nur die Frage nach dem eventuellen Träger der raumzeitlichen Struktur der Außenwelt, sondern auch diejenige nach der Interpretation der maxwellschen Gleichungen von neuem auf. 2 Einleitung Um 1900 ist die weitläufige Frage gestellt worden, ob denn unsere Welt anhand der elektromagnetischen als der vereinheitlichenden Naturgesetze gefasst werden könne. Doch suchte man zu jener Zeit zunächst einmal nach einer rationalen Erklärung für eine Menge rätselhaft anmutender Erscheinungen. Man hoffte sich ein besseres Verständnis der elektrisch ausgelösten Phänomene dadurch zu verschaffen, dass man deren Verknüpfung mit der mechanischen Lehre klarstellte. Gesetzt man könnte die mechanischen Gesetze mit dem Wahrheitswert ,,wahr“ kennzeichnen, trotzdem würde die mechanische Begründung aller Befunde höchstens einen logischen Zusammenhang aufdecken, und sie vermöchte keinen Einblick in die zugrundeliegenden Prozesse zu geben. Da sich zudem die gewohnte bildliche Darstellung nicht zwanglos auf die Elektrodynamik übertragen ließ, diente jene Formalisierung keineswegs der Anschaulichkeit. Deshalb trat damals neben den Bedarf an einheitlichem Verständnis noch die Frage nach Rolle und Grundlage der graphisch-anschaulichen Schilderung hinzu. Aus jener Auffassung heraus hat sich 1905 Albert Einstein der elektromagnetischen Raum-Zeitmessung bahnbrecherisch zugewandt und in ihrer Namen sämtliche bisher gewohnte Raumvorstellungen gestürzt. Heute, wo man zur Versinnbildlichung der Daten ohnehin zunehmend rein 2 EINLEITUNG 3 elektrische und optische Mittel einsetzt, und man sich kurzum der baren elektrischen Antwort materieller Sachverhalte annimmt, verlagert sich das um 1900 gestellte Deutungsproblem um einen Deut von dem Verständnis der elektrischen Erregung als solcher auf die Interpretation von elektrischen Messergebnissen. Es entspricht aber die spezielle Relativitätstheorie dieser Wendung auch nicht ganz, denn das empfangene Signal veranschaulicht raumzeitliche Abmessungen zumindest nicht unmittelbar. Auch gelten Raum und Zeit nicht von Haus aus als typisch elektrische Größen. Ihre Maßeinheiten werden heute zwar elektrisch festgelegt. Aber bis keine fundamentalen Uhren und Maßstäbe in die Relativitätstheorie aufgenommen werden können, bleibt Kants Deutung der raumzeitlichen Ereignisse, wie Einstein wusste, trotzdem eine nicht zu verwerfende Alternative. Endlich scheinen die weiterführenden Theorien gegenüber dem seit 1900 erreichten enormen Fortschritt in der Nachrichtentechnik nur einen wahrscheinlichkeitstheoretischen Zugang zur Interpretation des empfangenes Signals hervorgebracht zu haben. Das kleinsche Modell des Elektromagnetismus bietet insofern eine mögliche Antwort auf dieses Problem, als es ein Bindeglied zwischen Erscheinungen und deren Formalisierung darlegt. Historisch hat es F. Klein dazu getrieben, sich zur Geometrisierung der Physik zu äußern, um die Zeit als H. Minkowski seine vierdimensionale Geometrie der Welt aufstellte, und D. Hilbert mit Einstein um eine einheitliche physikalische Theorie der mechanischen und elektromagnetischen Erscheinungen zu wetteifern begann. Zu dieser Zeit machte Klein keinen Hehl1 daraus, dass er die Aufmerksamkeit der Physiker auf seine über lange Jahre hinweg geleistete Arbeit über nichteuklidische Geometrien zu lenken hoffte und womöglich damit eine physikalische Theorie zu verbinden wünschte. Er hat entsprechend im Artikel: “Über die geometrischen Grundlagen der Lorentzgruppe,, das bestehende Problem der grundlegendsten physikalischen Gesetze etwa folgendermaßen eingegrenzt. Man habe anfangs geglaubt, dass es einen absoluten mit Äther gefüllten Raum gäbe, weil die elektromagnetischen Gesetze auf eine charakteristische Weise von den Koordinatentransformationen abhängen. Laut seinem Erlanger Programm hätte man demnach, wenn man gleich die Zeit als Raumveränderliche dazunimmt, die galileische Gruppe der mechanischen Bewegungen als G10 , diejenige des Elektromagnetismus aber als G7 bezeichnen sollen. Die Angehörigkeit zur Lorentzgruppe verleiht dem Elektromagnetismus unter Zugrundelegung einer nichteuklidischen Maßbestimmung dann wieder die volle Bewegungsfreiheit. Diese Aussage knüpft die Lorentz-Quadrik an eine vierdimensionale Raumstruktur. Andererseits knüpfen die geometrischen Betrachtungen über das elektromagnetische Gleichungssystem bei Klein direkt an die maxwellschen Entwicklungen, und sind noch vor 1905 angestellt worden. Indem er nun die Lorentzinvarianz als projektive Maßbestimmung einordnet, und zugleich den maxwellschen Gleichungen in der hertzschen analytischen Bezeichnung[1], unabhängig von jeder Metrik auch ein lineares geometrisches Gebilde zuschreibt, kommt er zum Ergebnis, dass die zwei Transformationsgruppen nicht übereinstimmen. Das veranlasst ihn 1921 zur testamentarischen Frage nach der Interpretation des Elektromagnetismus. Wir denken, dass man beim Vorhaben, den Sinn graphisch-anschaulicher Darstellungen zu diskutieren, man gleichfalls klarstellen sollte, ob die Versinnbildlichung vorzüglich der Beschreibung oder der Modellierung des gemeinten Umstandes 1 Es lohnt sich zu betonen, dass Klein von Anfang an an die restlose Durchführbarkeit des hilbertsschen Programms nicht glaubte. Vorzüglich aus diesem Grund hätte er es sehr begrüßt, wenn seine eigenen Entwicklungen auf irgendein Gebiet der Naturwissenschaften Anwendung gefunden hätten. 2 EINLEITUNG 4 dienen soll. Was die reine Beschreibung betrifft, gibt die restlose Identifizierung einer Beobachtung mit der Gestalt des zu beschreibenden Objekts im Nachhinein keinen Aufschluss mehr über sein Verhalten unter bestimmten Versuchsbedingungen an die Hand. Man möge deshalb viererlei bedenken. Zum Ersten. Gesetzt es gäbe eine wirklichere Beschaffenheit als diejenige, die man durch Sinneswahrnehmung erfährt, beinhalten physikalische Gesetze, sofern sie sich nach den Befunden richten, schwerlich mehr Wahrheit als Beobachtungen. Zum Zweiten. Obwohl die Physiker davon ausgehen, dass es eine äußere Welt gibt, mag das Vorhaben ihre wirkliche Beschaffenheit mit lauter optischen Mitteln zu erschließen etwas naiv sein. Zum Dritten hat auch die umgekehrte Ansicht, dass uns beim Auseinandernehmen eines Mechanismus unmissverständlich seine Funktionen, einschließlich der elektrischen und optischen Eigenschaften, bekannt werden, etwas verhängnisvolles mit sich. Viertens können wir voraussetzen, dass ein Informationsgehalt bereits in den optischen bzw. elektrischen Messungen enthalten sei. Aber die Vorstellung, wonach jedem Signal eindeutig ein Musterbaustein zukommt, mag sich einem einheitlichen Naturverständnis sowohl fordernd wie hinderlich zeigen. Was die Modellierung der Erscheinungen betrifft, wird sie vorzüglich argumentierend oder vergleichend gebaut. Im ersten Fall ist das Verlangen, dass die nachträgliche Interpretation einer mathematischen Formulierung kein allzu befremdendes Bild der Naturereignisse liefern soll freilich eine Geschmacksfrage. Wichtiger erscheint uns, dass zwei verschiedene Theorien nicht unbedingt dasselbe leisten, und auch nicht ineinander aufgehen. Weiter kann eine mathematische Struktur rein logisch-formalen Prinzipien gehorchen oder, in Anlehnung an F. Klein, zusätzlich an die Plastik appellieren. Darüber hinaus gibt es üblichere Weisen bestimmte mathematische Aufgaben zu lösen, an die manchmal neue Erkenntnisse mit Vorteil geknüpft werden können. Im zweiten Fall zweifeln wir nicht daran, dass sich jedes mal wegweisende Ähnlichkeiten mit den herkömmlichen Vorstellungen der Physiklehre herausarbeiten lassen. Es gibt aber sehr viele Kriterien, wonach sich Gegenstände vergleichen lassen. Eine Analogie könnte, nachdem sie einmal in Erwägung gezogen wurde, sich auf die Grundlage purer Beobachtung immer wieder aufdrängen, oder sich erst bei der Beschreibung bieten. Bestimmte modellierende Verhältnisse könnten die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, oder man könnte die Möglichkeit dazu erst nach der mathematischen Einkleidung erkennen. Es ist nicht so, dass man sich unbedingt an ein bestimmtes Kriterium zu halten habe, aber es ist manchmal von Interesse die Richtlinien deutlich herauszukehren. Das kleinsche Modell scheint uns interessant, weil F. Klein den Unterschied zwischen Geometrie, graphischer Beschreibung und versinnlichtem geometrischem Modell zuletzt scharf erkannt hat. Auch müssen wir hervorheben, dass sich der Geometer die Frage, woran es bei der physikalischen Deutung einer Geometrie ankommt, nicht weniger als Einstein überlegt hat. Im Wesentlichen haben beide angenommen, dass physikalische Aussagen experimentell auf ihren Wahrheitsgehalt getestet zu werden brauchen. Dazu war aber der Physiker offensichtlich immer bestrebt den physikalischen Teil seiner Theorie damit zu begründen, dass es nur eine einzige von der Physiklehre zu fassende Wirklichkeit geben kann. Er hat sich bemüht zu zeigen, wie sich in erster Annäherung seine allgemeine Relativitätstheorie auf das newtonsche als ein anerkanntes und gut geprüftes Beobachtungsgesetz zurückführen lässt. Daher tut es leid, dass sich Newton 3 DREHUNGEN LÄNGS GEOMETRISCHER ÖRTER 5 selber, als er die Gravitationssätze erforschte, mit der transzendentalen Raumanschauung nicht hat vertraut machen können. Trotzdem wir nämlich auch von der Einheit der Welt fest überzeugt sind, sehen wir nicht ein, wie wir sie eindeutig und womöglich anschaulich auf mathematische Lehrsätze reduzieren könnten. 3 3.1 Drehungen längs geometrischer Örter Lineare physikalische Theorien Wie weit stellen Theorien die experimentell vorherrschenden Verhältnisse sinnvoll dar? Diese Frage vom Grund auf zu beantworten suchen hieße zu vermuten, dass sich hinter den Erscheinungen eine dem menschlichen Verstand fassbare Logik berge, die es zu erraten gilt. Weil uns nur unsere Vernunft zwecks der Deutung von Experimenten zur Verfügung steht, dürfte das Beklopfen der Natur nach ihrer Funktionsweise außerhalb des von uns erkennbaren Bereiches zu liegen kommen. Die alten Griechen haben aber eine etwas anders formulierte Frage positiv beantwortet. Nämlich die, ob man den Naturereignissen auch etwa vernünftig begegnen könne2 . Im Folgenden versuchen wir, uns rein pragmatisch an diese Art des Naturverständnisses zu halten. Die zu linearen Theorien führenden Erklärungen sind in den oben erwähnten Sinn allgemeiner und am leichtesten durchschaubar zugleich. 3.2 Gesetzliche Bahnen und deren analytische Darstellung In der klassischen Mechanik nimmt man bekanntlich an, dass die Bewegungsgesetze der Körper weder vom Aufenthaltsort des Beobachters – z.B. Kos bzw. Luleå -, noch von dessen konstanten Geschwindigkeit abhängen. Das läuft auf Homogenität und Isotropie unserer Welt hinaus. Die letzte als Trägheitsprinzip bekannte Aussage wird am Vergleich der vom Gestade aus beobachteten Vorfälle mit den sich auf einem einen Fluss hinabgleitenden Schiff abspielenden Ereignissen illustriert. Obwohl sich an Bord und am Boden (neulich kommt die Eisenbahn als Betriebsmittel auch in Betracht), keine übereinstimmende Ortung angeben lässt, nimmt man an, die Lage eines Gegenstandes relativ zum Beschauer, innerhalb einer gewissen Klasse von Bezugssystemen, immer berechnen zu können. Die Verknüpfung der Flugbahn zum Gesetz wird sogar ganz wichtig, wenn man den Meter und die Sekunde als fundamentale Maßeinheiten wählt. Auch in Betreff der Kraftvorstellung tritt bei Newton eine Neuerung auf. In der Impetustheorie verband man mit der Kraft die Erfahrung eines tastsinnlichen, muskelbewegungsempfindlichen Reizes und den entsprechenden Eindruck einer strikt lokalen, über Berührung vermittelten Wirkung. Newton hat zur Herleitung der Beobachtungssätze Keplers die Kraft zur rein logischen Notwendigkeit erhoben3 . Dabei hat er die auf geometrischen Betrachtungen fußenden Gesetze noch in Worte gekleidet. Weil aber inzwischen alle Geometrie auf die analytische Geometrie zurückgeführt worden ist, dient heute der mathematische Ausdruck F (r, t) = mb 2 Das Argument von der vernünftigen Begegnung der Fakten hat etwas für sich. Wenn wir von umstrittenen sowie völlig subjektiven Erfahrungen wie etwa Poltergeistern und Telepathie, oder Visionen und Träumen absehen, können wir annehmen, dass unser Verständnis der Erscheinungen zwar nicht die Naturereignisse selber, wohl aber unsere Lage beeinflussen kann. 3 Newton hat das Wesen der Gravitationskraft am Magnet triftig gezeigt. 3 DREHUNGEN LÄNGS GEOMETRISCHER ÖRTER 6 unmittelbar als allgemeine Kraftdefinition. Wenn b die zweite Ableitung b = d2 r /dt2 eines mit dem Zeitparameter t veränderlichen Standorts r bedeutet, erhält man für endliche b-Werte den sich unter den gegebenen Bedingungen einstellenden Zeitablauf einer Körpermarkierung r = r (t) mittels Integration. Hier misst r nichtqdie von der Anfangsstelle P◦ an zurückgelegte Strecke als R P′ 2 Bogenlänge 4 P ◦ ( dr dt ) dt auf der Bahnkurve, sondern es stellt ein unbestimmtes Zeitintegral dar. Wird dieses jedoch mit einer zurückgelegten Strecke s verknüpft, dann wird das die Ein-Körper R wProblem Ru Rw R u Bewegung zu bestimmen linearisiert. Es ist also s = 0 0 dudv = 0 du 0 dv = 21 w2 laut Descartes ein zur zweiten Potenz erhobener Ausdruck für das Maß einer Strecke. Das war nicht immer so. In der klassischen Antike hat man Strecken und Flächen auseinandergehalten und nicht zahlenmäßig verstanden. Die Griechen spalteten anscheinend von der Geometrielehre überhaupt alles ab, was sich nicht in ihre eigene analytische Methode fügte, und gingen geometrische Aufgaben mit Zirkel und Lineal nur an, um anhand der Konstruktionen zu beweisen, dass es die entsprechenden Figuren gibt. Zur Bewältigung der mit Zirkel und Lineal nicht zu lösenden, und also philosophisch nicht zu begründenden Probleme haben freilich die meisten unter ihnen besondere Kurven gezeichnet. Schon der Kreis darf in dieser Hinsicht als besondere Kurve gelten. Zur praktischen Durchführung einer weiteren Klasse von Rechnungen wurden Kegelschnitte verwertet. Schließlich gab es noch die Klasse der “linearen Probleme“, zu deren Bearbeitung man komplizierterer Kurven – z.B. der Quadratrix – bedurfte. Weil die Altgriechen die zur Schätzung von Flächen und Volumen benötigten Kurven meist nur mit Hilfe mechanischer Vorrichtungen zeichnen konnten, und dabei vermutlich nicht über mit Fehlern behaftete Zahlenwerte kamen, nannten sie die entsprechenden Probleme abschätzend auch ,,mechanisch“. Das waren sie auch 5 . Die Integralrechnung diente in erster Linie der Bewältigung dieser mechanischen Probleme, weil sie sie endlich in mathematische Obhut führte. Man gibt in der klassischen Mechanik an verwickelte in einfachere Bewegungen irgendwie zerlegen zu können – das lehnt an die descartesschen Entwicklungen -, so dass sich Kräfte F spalten lassen. Kann man umgekehrt bei Zugrundelegung eines kartesischen Koordinatensystems mit Einheitsvektorenı̂ und ̂ F in jedem Augenblick t0 laut F ≡ FD (r, t0 ) ≡ FDx ı̂+FDy ̂ zerlegen, so sollen auch ihre orthogonalen Komponenten unmittelbar und unabhängig voneinander den Bewegungszustand in der jeweiligen Richtung bestimmen. Somit nimmt das Grundgesetz die Form ordentlicher Differentialgleichungen mit einem einzigen gemeinsamen Parameter t an. Die Ortkurve für eine Masse m kann in der kartesischen (x, y)-Ebene, sobald die Hilfsvariable t aus dem Zeitablauf eliminiert wird veranschaulicht werden. Das bedeutet, dass bei festgehaltenem Anfangspunkt der Vektor r = r(t) analytisch eine Funktion der Koordinaten des Endpunktes beschreibt, die geometrisch 4 Die heute für die Bogenlänge einer nach dem Parameter u zweimal ableitbaren Kurve f R qP R q df 2 df aκλ fκ′ fλ′ du bzw. E( du ) + 2F ( du ) + Gdu setzen bereits die üblichen Ausdrücke Abwickelbarkeit der Fläche mit den Koordinaten u = Konst., v = f (u) = Konst. auf der Ebene voraus. Die geodätischen Linien auf der u,v-Fläche ergeben sich aus dem obigen Ausdruck durch einen Variationsansatz. 5 Die mechanische Art Bögen zu strecken hat später wieder Beachtung erlangt. Besonders zur Beförderung zu Lande kommen mechanische Getriebe, die der Umsetzung von Kreisbewegungen in lineare Bewegungen und umgekehrt dienen, häufig vor. Es auch nichtsdestoweniger mathematisch interessante Gelenke, wie der Inversor von Peaucellier. 3 DREHUNGEN LÄNGS GEOMETRISCHER ÖRTER 7 als Ortkurve gedeutet werden darf. Elastische Anziehung. - Nehmen wir das Paradebeispiel einer andauernd von einem federnden Instrument veranlassten hookeschen elastischen Anziehung auf einen Punkt der Masse m. Das Grundgesetz führt für den relevanten Ortpunkt (x, y) zu parametrischen Gleichungen md2 x/dt2 = −mk 2 x und md2 y/dt2 = −mj 2 y, mit den einfach periodischen Integralen x = a sin 2π/T (t−t0 ) = a sin k(t− t0 ) = a[sin kt cos kt0 − cos kt sin kt0 ], y = b sin 2π/T ′ (t − t′0 ) = b sin j(t − t′0 ) = b[sin jt cos jt′0 −cos jt sin jt′0 ], wobei T = 2π/k und T ′ = 2π/j als pure Tautologien hinzunehmen sind. Bisher waren es lauter mathematische Spekulationen. Tatsächlich lassen sich aber leicht elektrische, und mit geringfügiger Mühe auch mechanische Geräte bauen, an die man nahezu periodische, auf die hookeschen Gesetze zurückführbare Bewegungen feststellen kann. Man kann geradezu bewirken, dass bei der Bewegung eine Spur, die sogenannte Lissajous-Figur, hinterlassen wird. Gar manche Bahnen sind auch anhand eines Spirographs, eines Kinderspielzeugs, nachzuahmen. Wir hypotisieren, dass hier unweigerlich das hookesche Gesetz zur Geltung kommt, und fragen nach der analytischen Kurve. Wir überschauen die Methode die Ortkurve analytisch festzulegen am besten, wenn wir weitere Spezialisierungen einführen. Setzen wir synchrone Bewegung längs der zwei orthogonalen ı̂ und ̂ Richtungen voraus, ergo j = k, so folgt mit a = b = R: R2 sin k(t′0 − t0 ) sin kt = R[x sin kt′0 − y sin kt0 ], R2 sin k(t′0 − t0 ) cos kt = R[x cos kt′0 − y cos kt0 ], woraus man die Zeitverläufe R sin kt = Ax − By und R cos kt = Cx − Dy als lineare Funktionen von x, y bestimmt6 und die Ortkurven R2 = (Ax−By)2 +(Cx−Dy)2 = (A2 +C 2 )x2 −2(AB +CD)xy + (B 2 + D2 )y 2 erhält. Diese geometrischen Örter sind konzentrische Ellipsen mit gegen ı̂ um 45◦ verdrehter Hauptachse. Ihre Exzentrizität hängt von (t′0 − t0 ) ab, weshalb die spezielle Wahl kt′0 = 0, kt0 = −π/2 zu dem mit gleichmäßiger Geschwindigkeit vom Betrag |v| = Rk umgelaufenen Kreis R2 = x2 + y 2 führt. Die mathematisch zum kreisförmigen Locus führende Methode kann umgekehrt werden. Stellt also ein Kreis oder irgendeine andere endlich lange Kurve eine mögliche Bahn analytisch dar, dann kann sie in t-abhängige Bewegungszustände übersetzt werden. Weil die Masse m dabei aus der Vektor-Differentialgleichung ausfällt, überholt die Integration die Exhaustionsmethode kinematisch 7 . Bezeichne nämlich 21 rϕ, mit ϕ im Bogenmaß, den Flächeninhalt eines halben Kreissektors, 12 rvt = 21 r2 (dϕ/dt) = 1 2 2 r ω aber den infinitesimalen Flächeninhalt (die Flächengeschwindigkeit). Wenn die Tangentialgeschwindigkeit vt anstelle von ϕ tritt, wird der Ausdruck 21 (dϕ/dt)r2 6A = sin kt′0 /[sin k(t′0 − t0 )] u.s.w. Bewegungsvorstellung liegt bereits der Konstruktion der Quadratrix zugrunde. Man stellte sie sich als geometrischer Ort der Schnittpunkte eines mit konstanter Winkelgeschwindigkeit im Uhrzeigersinn drehenden Strahls mit einer zu sich selbst parallel und ebenfalls mit konstanter Geschwindigkeit fallenden Linie vor. Weil diese Kurve im Altertum obendrein zum Quadrieren von Kreisen, d.h. zur Bestimmung der Seite eines mit einem Kreis inhaltsgleichen Vierecks, diente lohnt es sich zu erwähnen, dass sich damit in erster Linie Bögen u rektifizieren ließen. Dazu wurde die Quadratrix innerhalb eines Quadrats der Seite ℓ eingezeichnet. Dann teilte man die Basisseite OL = ℓ in genauso viele kongruente Streifen ein, wie der Winkel in O gleiche Zonen von 0◦ bis 90◦ hatte. Schließlich ordnete man dem n-ten Winkel den n-ten Abschnitt zu. Damit wurden Winkel als Abschnitte auf die Ordinatenachse lesbar. Wenn A der Durchschnitt des Winkels 0◦ mit dem Basisabschnitt OL bezeichnet, also OA = a < ℓ, ist es nach Pappus u : ℓ = ℓ : a, womit sich der Bogen als u = ℓ2 /a ergibt. Wegen u = 41 2πℓ (in moderner Schreibweise), muss man zur Bestimmung des mit dem Kreis inhaltsgleichen Quadrat das Rechteck ℓ × 2u anschließend ,,quadrieren“. 7 Eine 3 DREHUNGEN LÄNGS GEOMETRISCHER ÖRTER 8 im linearen Maß messbar. Lässt man folglich die zu den Fluxionen führende mathematische Entwicklung zu, so lässt sich im Prinzip jeder gekrümmte Weg linear messen. Denkt man darüber nach, dass seit Newton ein Längenmaß die irrationale Zahl π als Faktor enthalten kann, so hat man den Beitrag Newtons zur Rektifizierung des Kreisumfangs richtig eingeschätzt. Beiläufig kann der Kreis derart parametrisiert werden, dass unendlich viele rationale Punkte auf dem Umfang zu liegen kommen. Die parametrische Darstellung x = R2t/(1+t2), y = R(1 − t2 )/(1 + t2 ) leistet das, wenn man für t ∈ [0, 1] rationale Zahlen wählt. Die diophantischen Gleichungen stellen lauter ebene Kurven dar, welche solche Darstellungen nicht gestatten. Gravitationskraft. - Nun wollen wir die kühne durch Integration erlangte Lösung des Quadraturproblems mit der dynamischen Vorstellung der gesetzmäßigen Drehungen um einen festen anziehenden Punkt vergleichen. Der Gegenüberstellung schicken wir folgende Bemerkung voraus. Wäre man mit den einem Massenpunkt zugeschriebenen Bewegungszuständen genauso kühn verfahren, dann hätte es geheißen das Trägheitsgesetz mit dem Grundsatz der Gravitation zu vereinigen und, sofern sich die Gleichungen integrieren ließen, die Integrale als Geodäten zu vermerken. Das wurde später Einsteins Ansatz. Newton wollte jedoch die Meinung durchsetzen, dass sich natürlich ergebende Flugbahnen gesetzlich fassen ließen, und hat entsprechend einen rational erklärbaren Unterschied zwischen Kurventypen aufgestellt. Diese Festlegung der krummen Bahnen als kraftbedingte Drehungen scheint quasi auftischen zu wollen, dass es für einen Körper eine in jedem Zeitabschnitt eindeutig bestimmte Bahnkurve gibt, die als Funktion eines in alle Ewigkeit andauernden Zeitflusses t analytisch bestimmt werden kann. Der Zeitablauf x = at + b auf unbeschränkter gerader Bahn hebt sich durch die besondere Hypothese md2 x/dt2 ≡ 0, ∀t vor allen anderen Bewegungen hervor. Newton hat bekanntlich die drei von Kepler auf experimenteller Grundlage aufgestellten Gesetze seinem Kraftgesetz nach interpretiert. Der Bewegungsablauf gehorcht dann folgendem, den eben besprochenen beobachtbaren Lissajous Schwingungen ähnlich aussehendem Gravitationsgesetz md2 r/dt2 = −mk 2 r. Mit r = xı̂+ŷ 2 2 2 dem Fahrstrahl Brennpunkt – Ortlinie p schreibt man d x/dt = −k x und 2 2 2 2 2 2 3 d y/dt = −k y, wobei k = GM/ [x + y ] , M die Sonnenmasse und G die Gravitationskonstante bedeuten. Experimentell umläuft nun die Erde auf einer nach Keplers 1. Gesetz elliptischen Kurve die Sonne einmal jährlich, was ja einer früher festgelegten Zeitmessung entspricht. Und es ist, wenn a die große Halbachse der Ellipse, und T √ die Periode eines vollen Umlaufs bezeichnen, laut dem 3. keplerschen Gesetz v a3 ÷T 8 . Zum Schluss gilt, laut 2. Gesetz, für jeden endlichen vom Perihel an erstreckten Ellipsensektor Σ das Doppeltverhältnis τ : Σ = T : πab. Die seit Newton mögliche alternative infinitesimale Schreibweise für dieses Doppeltverhältnis heißt: πab : dϕr2 /2 = T : dt. In dieser Form bezieht sich, weil die Winkelgeschwindigkeit ω = dϕ/dt nicht konstant bleibt, sondern von der auf der Kurve mit ϕ zu kennzeichnenden Lage abhängt, die Umlaufsfrequenz vornehmlich auf einen Berührungskreis vom Halbmesser r, und der Satz besagt, dass die Bewegung auf dieser Kreisbahn gleichförmig mit ω = 2π/T erfolgt 9 . Da sich der Bewegungszustand auf den Kreis nicht 8 Daraus hat Newton die besondere im Faktor k enthaltene 1/r 2 Abhängigkeit der Anziehungskraft abgeleitet. 9 Das übertrifft in gewisser Hinsicht die einfache galileische Aussage, da es in diesem Fall hinsichtlich des Ausdrucks des Gesetzes sicher ein mit der Sonne ruhendes bevorzugtes 3 DREHUNGEN LÄNGS GEOMETRISCHER ÖRTER 9 ändert, wenn man auf die kreisrunde Scheibe aus einem allmählich schieferen Blickwinkeln hinschaut, obwohl man den Kreismittelpunkt graduell in einen Ellipsenbrennpunkt rücken sieht, gilt der für Kreise über das endliche Doppeltverhältnis ausgedrückte Flächensatz auch für Ellipsen, ohne dass man eigens dazu ein Differentialgesetz aufzustellen braucht. Hooke hatte nun, wie vorweggenommen, seinerseits die Möglichkeit in Aussicht gestellt Ellipsenbahnen aus einem etwas anders aussehenden Gesetz zu erhalten. Die dort für k = j benutzten Gleichungen d2 x/dt2 = −k 2 x und d2 y/dt2 = −k 2 y führen zum Ausdruck: x(d2 y/dt2 ) − y(d2 x/dt2 ) = 0, woraus sich der d [x(dy/dt) − y(dx/dt)] = 0 schreiben lässt. Mit Flächensatz in der Form: 12 dt a = b = R lautet das Differentialgesetz x(dy/dt) − y(dx/dt) = r × dr = R2 k sin k(t′0 − t0 ), wobei die Differenz (t′0 − t0 ) für die Exzentrizität bestimmend ist, und die Winkelgeschwindigkeit synchroner harmonischer Schwingungen nach Definition ω = 2π/T ∝ k = j lautet. Für den Kreis schreibt man (t′0 − t0 ) = 1 2 π. Die Unabhängigkeit des Flächeninhalts einer allgemeinen ebenen Figur vom Innenpunkt in den man den Polarm eines Polarplanimeters (von Jakob Amsler [2]) einsetzt, um mit dem Fahrarm um die Kurve umzufahren kann nachgeprüft werden. Sind aber gesetzliche Bewegungen von Belang, so ergeben elastische Anziehung und Gravitationskraft trotzdem verschiedene periodische Bewegungen. Wir möchten hier zeigen, dass sich das keplersche Problem nicht auf den isotropen Oszillator zurückführen lässt, obwohl beides mal die schwer integrierbaren Ellipsen als Ortkurven in Betracht kommen. Sollte der Flächensatz beides mal denselben Sinn haben, dann würden harmonische Rundschwingungen um den Mittelpunkt einer Ellipse und Sonnenumläufe nach dem 1. keplerschen Gesetz zu derselben Zeitmessung führen. Leider haben wir uns doch das erste mal auf den Zentriwinkel ψ, das zweite auf die Anomalie ϕ bezogen. Wollte man auch die Planetenbahnen auf den Zentriwinkel beziehen, so würde dasselbe Doppeltverhältnis τ : (∆ + Σ) = T : πab wie p bei den elliptischen LissajousFiguren gelten. Der Dreieck Σ mit Basis ae = [a2 − b2 ], Höhe b sin ψ und dem Flächeninhalt ae/2b sin ψ dient dazu, den Ellipsensektor auf den Ellipsenmittelpunkt zu beziehen. Der Flächeninhalt des entsprechenden Kreissektors vom Radius a gilt Σ′ = a2 ψ/2. Wegen (∆ + Σ) : Σ′ = b : a, hat man Σ + ae/2b sin ψ = abψ/2, und somit Σ = ab/2(ψ − e sin ψ). Auf den Mittelpunkt bezogen, hätte der keplersche Satz vom periodischen Umlauf für jeden Zeitabschnitt τ also τ = T /(2π)[ψ − e sin ψ] geheißen, was sogleich nach Ansetzen der Bewegung eine zeitmodulierte Winkelabhängigkeit für das Gravitationsgesetz liefert. Zur Zeit von Hooke und Newton stand die Frage nach der natürlicheren Gesetzmäßigkeit zur Diskussion. Weil wir immerhin nur geometrische Betrachtungen zu beobachtbaren Bewegungen angestellt haben, kann die Modulation unmöglich auf einen Messfehler zurückgeführt werden. Es folgt, dass entweder die Planetenbahnen oder die Lissajous-Ellipsen nicht mit konstanter Flächengeschwindigkeit umgelaufen werden, und dass dasselbe geometrische Ort (nach Wahl einer Uhr 10 ) mit zwei verschiedenen Bezugssystem gibt. Diesen von der relativen Raumlage abhängigen Ausdruck erhält man für den Flächensatz in Polarkoordinaten. Es ist allerdings möglich die Punktlage als z = reiθ niederzuschreiben. Auf jeden Fall lautet, mit ω = dφ/dt, die radiale Beschleunigung br = d2 r/dr 2 −rω 2 , und die tangentiale Beschleunigung bt = rdω/dt+2(dr/dt)ω = (1/r)d(r 2 ω)/dt. Ist bt = 0, dann r 2 ω = r 2 dφ/dt = konst. 10 Als Uhr meint man eine Pendeluhr. Oberhalb der Erde wirkt auf sie laut Newton eine 1/r 2 proportionale Kraft. Huygens hat bewiesen, dass erst das Zykloidenpendel eine von der Schwingungsamplitude unabhängige Zeit misst. Ptolemaios hatte aber die Zykloide auf die Beschreibung der Planetenbewegung angewendet. 3 DREHUNGEN LÄNGS GEOMETRISCHER ÖRTER 10 Kraftgesetzen verbunden werden kann. 3.3 Gesetze zur Drehung der Körper Die Bewegungen der Himmelskörper sind reversibel und können rechnerisch bis in vorhistorische Zeitalter zurückverfolgt und mit historischen Angaben kontrolliert werden. Es trifft sich jedoch, dass die linearen Gleichungen der Mechanik nicht genügen, um die Endlage von Körperbewegungen unter irdischen Einflüssen zu berechnen. Es fragt sich dann, ob nicht unsere kausale Vorstellungen der Gravitation hierzu einer feineren analytischen Anpassung bedarf. Jedermann weiß, dass ein ehrlicher Spielwürfel, welcher von derselben Anfangsstellung gezogen wird, praktisch auf jede seiner Flächen enden kann, ohne dass es möglich wäre, daraus seine Anfangslage eindeutig wieder zu erschließen. Das beruht einer geläufigen Erklärung nach auf den Umstand, dass obschon sich Anfangs- und Endstellung jedes Mal experimentell genau beschreiben lassen, das angegebene Kraftgesetz für sämtliche Punkte in etwa dieselbe gerade oder parabolische Bahn vorschreibt. Die gravitative Kraft vorbesteht sozusagen, und wirkt augenblicklich nur aufgrund ihrer Höhe über dem Boden, wogegen sich während des Flugs weitere Wirkungen entwickeln können. Für den jetzt zur Diskussion gestellten Fall scheint das Problem darin zu liegen, dass der Spieler dem Würfel ballistisch auch ein von der Schwungmasse abhängiges Drehmoment erteilt. Der Impetus kann aber hart wie eine kleine Störung behandelt werden. Der Würfel rotiert nämlich unbekümmert des stracks ausfallenden Handkontakts augenscheinlich weiter, so dass der Effekt einer infinitesimal kurzen Störung mit der Zeit anwächst, bis er beträchtlich wird. Es steht uns frei eine von der Fallbewegung unabhängige Ursache für die Kreiselbewegung auszumachen. Man könnte beispielsweise behaupten, dass man nun keine genaue geometrische Flugbahn markierter Punkte angeben kann, weil elastische Verzerrungen eine wesentliche Rolle auf die Bahnen der einzelnen Massenpunkte spielen11 . Zieht man aber die Kohäsion heran, so lässt sich dem Würfel als Ganzes, bis er sich wie ein starrer System von Massenpunkten verhält, trotzdem kein Drall aus linearen dynamischen Gesetzen zuschreiben. Nimmt man statt dessen, von vornherein einen Erhaltungssatz an, so lässt sich freilich das Torkeln nach dem Loslassen qualitativ damit erklären. Das bedeutet immerhin, dass beim Loslassen des Würfels gleich eine Kreiselbewegung stationär, also gesetzmäßig, verläuft. Soweit, so gut. Der Knobel kommt tatsächlich jedes Mal auf einer unberechenbaren Position zu liegen, wenn markierte Punkte auf ihm eben keine im Voraus abschätzbare Flugbahn zurücklegen. Wozu das Erhaltungsgesetz? Es ist in dieser Hinsicht genauso stichhaltig zu sagen, dass die Würfelbewegung infolge des Schusses erst gar keinen stationären Zustand erreicht, und dass deshalb keine Bahn im Voraus festgelegt werden kann. Wenn man gedenkt, dass sowohl das Kraftgesetz wie die Bahnangabe mit demselben Gegenstand – namentlich dem t-parametrisierten Ausdruck der Bewegung - befasst sind, und dass der Unterschied nur in der Beurteilung seiner Zwangsläufigkeit liegt, muss man zugeben, dass die Mechanik nicht immer mit der t-Parametrisierung endlicher Kurvenstrecken auskommt. Durch die Unmöglichkeit eine feste Bahn mit t zu parametrisieren wird allerdings die Reversibilität der Bewegung im Sinn ihrer Umkehrung auf demselben Gleis verhindert, ohne die Eindeutigkeit 11 Es bleibe dahingestellt, ob die Vorstellung von Unterschieden zwischen schwerer und träger Masse in dieses Bild passt. 3 DREHUNGEN LÄNGS GEOMETRISCHER ÖRTER 11 einer bereits durchgelaufenen Flugbahn anzutasten. Newton hat anscheinend zwischen t-parametrisierbaren und nicht parametrisierbaren Kurven unterschieden, und hat seine Dynamik auf die Ersteren gegründet. Diese Unterscheidung lässt keinen Schluss auf das Bestehen zweierlei Arten von Bewegungen in unserer Welt zu. Vorausgesetzt dem Chaos sei eine physikalische Bedeutung erteilt, kann man nicht behaupten, die nicht integrierbaren Bahnen entsprächen chaotischeren Bewegungen. Dynamische Kräfte als Vektoren. – Um diesen Übelstand zu beheben, kann man für eine gegebene Massenverteilung ein einziges Drehmoment aus der Statik übernehmen. Unter den Bedingungen, • dass dynamische Kräfte mittels des Dynamometers, also im Zweikörpersystem Körper + Messgerät, messbar sind - wozu das 3. Kraftgesetz seinen Dienst erweist -, dass also FD ∼ FS dyn gilt, • dass man die graphische Statik zur Erklärung einer Körperdrehung heranziehen kann, • und dass die Folge der Ruhelagen eine stetige Bewegung bildet, lässt sich das auf einen Würfel wirkende Kräftesystem in eine am Schwerpunkt angreifende Resultante und ein Paar bezüglich eines beliebigen weiteren Referenzpunktes zerlegen. Fasst man innerhalb der Dynamik die Kraft also als Vektor12 der Statik auf, dann sollte das am torkelnden Würfel angreifende Kräftesystem momentan durch eine Resultante und ein Paar zu ersetzen sein. Um zur dynamischen Auffassung zu übergehen, gibt man jeweils die Unterlage an, worauf liegend der Schwerpunkt zur Ruhe käme. So ist in jedem Augenblick der statische Druck der Beschleunigung, welche der haltlose Körper erfahren würde, äquivalent. Man bestimmt ferner das Kräftepaar in jedem Augenblick, indem man äquivalente Gegenkräfte so ansetzt, dass der bewegte Würfel in die Gleichgewichtslage versetzt wird. Damit ist das Problem auf die Statik zurückgeführt. Hier ist es geometrisch für den Raum nicht lösbar. Während es ein Leichtes ist Kräfte graphisch nach der Parallelogrammregel in der Ebene zu addieren, weil man Polygonkanten aus einem Zug schließen kann, bestimmt man mit Polyederkanten die Gleichgewichtslage nicht. Deshalb definieren dynamische Kräfte, sofern sie nicht von Anfang an zum Zweck der Addition von Vektoren nach einem Dreibein gespaltet worden sind, der graphischen Statik völlig fremde Größen. Da keine vektorielle Resultante aus der Statik heraufbeschwört wird, hilft unserer Meinung nach auch keine Kraftmixtur: Gravitation + Luftreibung + von der Erdkugelumdrehung verursachten Flieh- und zusammengesetzter Kraft. Statistische Überlegungen zu den Endlagen. - Da jede wissenschaftliche Theorie, als Mittel zum Austausch von Erfahrungen, auf Abmachungen seitens der Beteiligten beruht, kann man wohl die oben angeführte beschreibende Behandlung durch die nicht auf naturbedingten Zufall, sondern auf logischen Schlüssen fußende (lineare) Wahrscheinlichkeitstheorie ersetzen13 . Mit diesem Abkommen verfügt man sicher über ein neues Mittel zur Verständigung. Inwieweit das auch zu einem bestimmten Ziel über die Mechanik hinaus weiterführt wüssten wir nicht zu sagen. Indessen erzielt die Statistik keine Linearisierung der beobachteten 12 Bis jetzt haben wir angenommen, dass dynamische Kräfte am mitgeführten Massenpunkt angreifen. Statische Kräfte sind dagegen linienflüchtige Vektoren, und können deshalb addiert werden. 13 Wir Menschen sind eigentlich auch Naturerscheinungen, doch wollen wir, weil wir zugleich Objekt und Subjekt der angestellten Untersuchung wären, hier die Erforschung unserer geistigen Fähigkeiten unterlassen. 3 DREHUNGEN LÄNGS GEOMETRISCHER ÖRTER 12 Würfe, sondern sie kennzeichnet denselben Gegenstand durch ein anders geartetes Merkmal, die Augenzahl. Wir versuchen den neuen Aufschluss besser zu schildern. Was das Informationsgehalt angeht, lehrt uns im Rahmen dieser Darstellung ein einzelner Zug nichts Neues über die äußeren Umstände die es bedingt haben, da das Spielresultat nicht vom gesamten Verlauf der Bewegung, sondern nur von der schließlich nach oben zu gewandten Würfelfläche abhängt, was laut newtonscher Dynamik mit der Versetzung der beliebig zu wählenden Anfangsbedingungen in die stationäre Endlage gleichkommt. Die für einen Spielwürfel charakteristische Endlage wird zum Aufbau der Statistik mit einer von 6 (4, 8, 12 oder 20) Augenzahlen im Voraus identifiziert. Die Statistik über eine genügende Anzahl von Zügen lehrt uns über die Bewegung des achteckigen ehrlichen Würfels nichts. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass er eine Augenzahl von 1 bis 6 zeigt haben wir nämlich aus Symmetriegründen durch logisches Schluss14 auf jeweils 1/6 festgelegt. Also gehört einerseits die a priori Wahrscheinlichkeit eine Anzahl Augen zu ziehen nicht zu den Würfeleigenschaften. Andererseits kann ein Glücksspieler durch geschicktes Mogeln15 jedes willkürliche Resultat erreichen, was nachträglich (a posteriori) daran hindert eine statistisch festgestellte mittlere Augenzahl ausschließlich mit den dem Würfel zugeordneten Eigenschaften zu erklären. Dessen unbeachtet setzt man meistens beim Ersetzen der Dynamik mit einer statistischen Theorie voraus, dass das wahrscheinlichkeitstheoretisch als Einzelfall betrachtete Ereignis sich mit einer aus der Dynamik resultierenden (stationären) Endlage deckt. Über die wahrscheinlichkeitstheoretische Deutung des einzelnen Zuges ist viel diskutiert worden. Wie oben verdeutlicht, kann man nämlich einen (bereits gezogenen) Zug eines bestimmten Würfels beliebig genau beschreiben. Aber alle möglichen Würfe kann man weder aufzählen, noch prinzipiell im Voraus bestimmen. Deshalb kann kein Einzelzug als mittlerer Zug in die Wahrscheinlichkeitstheorie eingehen. Und umgekehrt kommt kein statistisch berechneter Mittelwert als mögliche Augenzahl bei einem Wurf vor. Man kann höchstens ein Kompromiss zwischen Beschreibung des einzelnen Falls (logisches es gibt ) und Wiedergabe des allgemeinen Verhaltens (logisches für alle) suchen. Das gelingt zum Zweck des Würfelns, wenn man die auf der nach oben zu gewandten Fläche erscheinenden Punktezahl als Einzellfall zu betrachten vereinbart. Aus dem Merkmal ,,Punktezahl auf der oberen Fläche“ lässt sich jedoch nicht erschließen, wie sich ein ,,Las Vegas“ Würfel als Kreisel verhalten mag, weil es beim Drehen gar nicht auf die von einem Würfel schließlich gezeigten Punktezahl ankommt. Dazu merkt man, sobald es darum geht aus dem Spielmodell durch logische Schlüsse auf kinematische Befunde näherungsweise zu schließen, dass der 0.16̄-Würfel weder experimentell existiert noch logisch verwertbar ist. Rechnerische Hilfsmittel zur Näherung der Lösungen. - Wie bereits erwähnt, ist die Beschreibung der Drehungen von ausgedehnten Körpern um endliche Winkel kaum linear zu bewältigen. Vorausgesetzt dem Einzelfall sei irgendwie durch Optimierung oder numerische Simulation beizukommen[3], könnte man auf die Idee kommen, die bei einem Wurf vorherrschenden Verhältnisse rein numerisch mit beliebiger Genauigkeit zu ermitteln. Heutzutage erlauben in der Tat die rechnerischen Hilfsmittel numerische Lösungen von komplizierten Gleichungen umgehend zu bestimmen. Eine mathematische Beziehung zwischen physikalischen Größen ließe sich aber nur bestätigen, wenn sich das Gerät, 14 Das Laplacesche Prinzip des unzureichenden Grundes. dass er sich in eine bestimmte Weise zu ziehen einübt, und sich die dazugehörige Tabelle merkt. 15 Dadurch, 4 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 13 das wir von der angewendeten Software verschieden annehmen wollen, einem Algorithmus entsprechend verhielte. Die reine Übereinstimmung von berechnetem und gemessenem Wert ist kein Beweis hierfür, sondern sie ist die notwendige Bedingung zur Durchführung der numerischen Kontrolle. Sie unbedingt voraussetzen zu wollen hieße, dass Naturgesetze vor ihrer ,,Entdeckung“ schon als mathematische Formeln parat daliegen. Indessen stößt die Vorstellung, dass z.B. der Teilchenimpuls in Wirklichkeit einen bestimmten Wert hat, auch gegen ein Prinzip der Quantenmechanik. Der Frage, ob sich irgendwelche Zahlensysteme auf Erscheinungen zurückführen lassen, so dass die Naturerscheinungen unmittelbar mit numerischen Gleichungen zu belegen sind, wollen wir nicht nachgehen. Vorgreifend wollen wir aber schreiben, dass sobald der Zahlenbereich nicht mit in die Formulierung des Gesetzes eingehen muss, die Wahl des Zahlenbereichs frei zur Verfügung steht, wenn man zur mathematischen Modellierung übergeht. Hinsichtlich dieser Wahl kann man es dann versuchen, lineare physikalische Theorien aufzustellen. 4 Algebraische Vektorfelder und Bahnen Weil man heute mit nunmehr algebraischen Vektorfeldern vielfach sehr abstrakte Wirklichkeiten in Verbindung bringt, wollen wir von den moderneren Fragestellungen absehen, und uns zu den Betrachtungen aus der Zeit wenden, wo man noch die Wirklichkeit wie sie nun einmal ist physikalisch durchdringen zu können glaubte. Insbesondere möchten wir zeigen, dass sich die Frage nach der wirklichen Raumstruktur nicht beantworten lässt. Dazu versuchen wir ein paar ältere Feldbegriffe ganz knapp zurückzuverfolgen. Während unserer Analyse des Kraftbegriffs, haben wir beiläufig hinzugefügt, dass graphische Darstellungen unter Umständen von den geometrischen Ausführungen abweichen können. Dieses Problem taucht schon bei Euklid auf, weil er graphische Existenzbeweise (logisches ∃) neben formelleren Begründungen bringt, die Graphik aber, im Gegenteil zur Logik, keinen Anspruch auf Allgemeinheit (logisches ∀) hat. Infolgedessen stößt man, je nachdem ob man von der Statik oder von der Dynamik ausgeht, auf verschiedene Ausführungen. 4.1 Wanderungseigenschaften der Punktmassen in statischen Kraftfeldern Die klassische Statiklehre ist nicht nur graphisch begründet, sondern immerhin älter als die Differentialrechnung selber. Sie liefert nach Varignon eine spezielle zeichnerische Abbildung der Kraftverhältnisse an gewählten Punkten eines starren im Gleichgewicht befindlichen Körpers. Darum geht es innerhalb dieser Lehre nur um die Wahl der Angriffspunkte endlicher Kräfte auf bereits vorliegenden Körpern, und hauptsächlich noch nicht um die Auskundschaftung einer Anregungsdichte, vorausgesetzt der Aufpunkt sei mit einer Einheitsmasse belegt. Man sucht innerhalb dieser Lehre Konzepte für volumenverteilte Massendichten und Vakuumfelder umsonst. Die Kräfte werden jeweils als kalibrierte Vektoren auf ein Zeichenblatt eingetragen, wobei sich des Gleichgewichts halber Wirkung und Gegenwirkung im Angriffspunkt unabwendbar aufheben sollen. 4 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 14 Zur Erweiterung der Statik auf den Raum. - Zur Schätzung des mechanischen Vorteils bei der Anwendung einfacher Maschinen, z.B. eines Hebels, berechnet man das Gleichgewicht der ausgeübten Kraft K1 mit der Last K2 als umgekehrtes Verhältnis zu den Hebelarmen, ℓ2 : ℓ1 . Ein Kräftepaar wird anschließend als Verhältnis entgegengesetzt gleicher durch denselben Hebelarm ℓ verbundener Kräfte K1 und K2 = −K1 dargestellt. Es ist dann L1 +L2 = ℓK1 + ℓK2 = ℓ(K1 + K2 ) = 0. Nennt man alsdann Ki ℓi = Li Moment der Kraft Ki , so gilt für den Hebel L2 = −L1 . Die Summe Σi Li aller mit den richtigen Vorzeichen genommenen Momente ist im Gleichgewicht immer gleich Null, wenn man der Zwangskräfte Rechnung trägt. Im allgemeinen definiert man aber noch in der Statik das von Null verschiedene Moment der an einem Punkt P angreifenden äußeren Kräfte Ki bezüglich einem willkürlichen doch festen Punkt O als L = Σi Li = Σi ℓi Ki = ℓK, wobei K die Summe i eingeprägter Kräfte ist. In dem eben geschriebenen Ausdruck wird ℓK als Plangröße verstanden, und man zeigt, dass Plangrößen als orientierte Flächen Kraft mal Hebelarm summierbar sind. Dasselbe statuiert man für deren Ergänzungen, d.h. die freien (axialen) Vektoren Mi = ℓi × Ki . Folglich unterscheiden sich Kräfte und Momente auch wenn beide graphisch als Vektoren dargestellt sind. Sollten Kräfte[4] einerlei sein, dann hinge das Problem der Polyederkanten innerhalb der graphischen Statik mit der Summierbarkeit von axialen und polaren Vektoren zusammen. Daran anknüpfend diskutierte A. Möbius graphische Konstruktionen in Verbindung mit der Dualität[5]. Es gelang ihm die statische Kraftdarstellung über die Liniengeometrie auf den Raum zu erweitern, was wir auf später aufschieben. Die Vektoranalyse nimmt Notiz davon, zumal diese Wendung direkt zum stokesschen Theorem führt. Die Entwicklung der Verpflanzung aus der Statik. – Euklid hat niemals kongruente Bewegungen in die Geometrie eingeführt. In der Statik sind virtuelle infinitesimale Verschiebungen bloß zur Behandlung der Gleichgewichtslage von Ketten, d.h. von teilbaren Systemen, eingeführt worden. Der Stetigkeitsbegriff, wie er zwecks der Infinitesimalrechnung benötigt wird, hat Newton erdacht. Die Vorstellung laut dem Prinzip der virtuellen Geschwindigkeiten lässt sich aus dem Begriff von stabiler Gleichgewichtslage herausarbeiten, und dient der mathematischen Charakterisierung eines Feldes zur linearen Ordnung in der δUmgebung eines Punktes. Virtuelle infinitesimale Verschiebungen aus der Gleichgewichtslage sind, weil die Reaktionskräfte unbekannt bleiben, zur Kennzeichnung der stabilen Gleichgewichtszustände eingeführt worden. Gelegentlich bezieht man die newtonsche zur lebendigen Kraft folgenderweise: F(ℓ)δℓ = md2 ℓ/dt2 ∂ℓ ∂t δt = Kδt, wobei K die lebendige Kraft, F(ℓ)δℓ die vom linienflüchtigen Kraftvektors F(ℓ) virtuell zu leistende Arbeit16 , δℓ überdies eine beliebige von jedem Bahnbegriff gelöste und ausschließlich mit den Bindungen verträgliche kleine Verrückung meint. Noch Möbius und Plücker waren der Meinung, dass sich die für die Statik geltende Beziehung zwischen Lage eines Punktes und daran angreifende Resultierende ohne Weiteres an die sogenannte materielle Bewegungsvorstellung anschließen ließe. Sie glaubten, dass die Kennzeichnung eines Punktes P durch seine Lage x(t), y(t), z(t)∀t = t0 eine duale, d.h. zweifache Deutung in demselben Bezugssystem zuließe: einmal galten die Koordinaten den auf ihn wirkenden Kraft und Moment, das andere mal dienten dieselben dessen 16 Die Arbeit ist für die Zwecke der Thermodynamik mit einer angeblich experimentell begründeter Erhaltung der Energie, wie z.B. die Unmöglichkeit des Perpetuum Mobile, in Zusammenhang gebracht worden. 4 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 15 infinitesimalen Drehung und Verschiebung respektive. Soll aber etwa FD ≡ F(ℓ) gesetzt werden? Bei Newton führt die Bedingung, dass das Kraftgesetz einer gewöhnlichen Differentialgleichung FD dt = mdv, mit v = dr/dt genügen soll, zu folgenden Ansätzen. Es ist FD = FD (r) für eine aus einem Potential abgeleitete rein lageabhängige Kraft, oder FD = FD (t) für eine Kraft deren Zeitabhängigkeit nach Art der Maschinendynamik vorgeschrieben ist17 . Weil FD = FD (v) für eine sich gegen das Beharrungsvermögen auswirkende Reibungskraft gälte, ist es um die Verträglichkeit dieses Ausdrucks mit der Galilei-Invarianz nicht gut bestellt. Zum dynamischen Fundament der Ausdehnung. - Da die Differentialrechnung mathematisch begründet ist, und die Mathematik ihrerseits allgemein gehalten wird, kann man fragen, inwiefern die dynamischen Kraftgesetze nach Integration die Raumform aus der Bewegung zu bestimmen erlauben. Die Frage passt zu dem Gedanke, dass es hauptsächlich auf die Abstrahierung aus unserer Welt einer logisch-mathematischen Struktur der Wirklichkeit ankomme, welche im Nachhinein direkt bestätigt oder wiederlegt werden könne. In diesem Sinn entspricht ein algebraisches Feldgebilde als ausgedehnte Mannigfaltigkeit der Punkte P = (x, y, z) einer Isomorphie zu gemessenen Größen. Transport. – Unter Transport verstehen wir eine gerichtete Beförderung von Massenpunkten. Der Lokalisierbarkeit eines bestimmten Massenpunktes, sagen wir mal auf einer Kettenlinie, liegt freilich die Voraussetzung zugrunde, dass sich die Kette in einer Gleichgewichtslage befindet. Man könnte nun geneigt sein zu glauben, dass ein von festsitzenden anziehenden Massen bestimmtes algebraisches Vektorkraftfeld die Bewegung eines jeglichen in ihm befindlichen Massenpunktes auf ähnliche Weise zu bestimmen erlaube. Obschon die Bewegung kausal erfolgt, unterscheidet sich die newtonsche Vorstellung der gesetzmäßigen Bahn dennoch von einer Kette, weil die genaue Ortkurve erst mit den Anfangsbedingungen, und eigentlich nur mit ihnen festgelegt wird. Sollte sich das Problem auf die anschauliche Ermittlung einer mit der Beziehung F = md2 r/dt2 in einem Feld erklärten Ortkurve allein belaufen, dann würde das Potentialfeld die Aufgabe lösen. Es führt der Ausdruck: f (x, y)dx + g(x, y)dy = dV zwar zu einem von der partikulären Bahn zwischen a und b unabhängigen Wert des bestimmten Integrals Vab . Aber Felder dürfen, wenn für sie etwa Fvdt = Fdr, v = dr/dt gilt, durch eine Potentialfunktion ersetzt werden. Es wird dabei vorausgesetzt, dass die Änderung des Potentials V beim Fortschreiten der Probe von einem zum benachbarten Aufpunkt um dV = dr∇V , mit dr = ±vdt, zu- oder abnimmt. Möbius hat diese Gleichungen im Paragraph ,,Analogie zwischen dem Gleichgewichte an einem Faden und der Bewegung eines Punktes“ erstellt. Dazu soll man noch den Punkt auf der Kurve fortlaufend orten. Weil Potentiale immerhin Punktfunktionen räumlicher Argumente sind, sieht es so aus, als ob man das könnte. 4.2 Ergründung des Weltraumes aus der Bewegung Wir haben im vorigen Kapitel zu schildern versucht, wie Newton den Bewegungen zur prinzipiellen Messung von Strecken auf Kreisumfängen, begegnet ist. Man könnte zugespitzt sagen, dass er, nachdem der altgriechische Begriff der Bewegung 17 Von einer beliebigen Zeitabhängigkeit kann man nicht annehmen, dass sie gesetzlich sei 4 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 16 als einer eventuell unendlich fein zerlegbaren Folge von zählbaren gegenwärtigen Stellungen an dem berühmten Paradox von Achilles und der Schildkröte gescheitert war, für Massenpunkte einen stetigen Zeitverlauf aus der Differentialrechnung heraus neu interpretiert hat. Aber das neue Verfahren löst nur zum Schein das alte Paradoxon über Raum und Bewegung. Eine Ortkurve kann erst dann als Flugbahn angesehen werden, wenn sie als partikuläre Lösung vorliegt. Sofern mit Lösung eine einmal iterierte Quadratur des Fundamentalsatzes gemeint ist18 , stellt sie immerhin ein Kürzel für den Inbegriff aller zweiparametrigen Kurven r(t) dar, wovon nur eine der beobachteten Flugbahn entspricht. Die Anfangsbedingungen dienen dazu, diese einzige Bahn aus der Klasse der Lösungen auszusondern. Ansonsten sind sie nur deshalb für einen bestimmten Massenpunkt charakteristisch, weil sie beliebig wählbare Zahlen sind. Als solche gehören sie aber dem Gesetz nicht an 19 . Sind sie etwa experimentell festzulegen? Die Beziehung algebraischer Felder zum Kosmos. - Fassen wir das Problem der Bahnbestimmung gravitierender Massenpunkte wieder ins Auge und lassen wir die für praktische Berechnungen unumgängliche Störungsrechnung beiseite. In den Kraftausdrücken meinen die Ableitungen, d.h. die Grenzwerte der Differentialquotienten exakte endliche Werte. So sind die Differentiale selber in diesem Limes genau gleich Null, und man kann das Längenmaß einer Strecke nicht mit dem Stetigkeitsaxiom beglaubigen. Werden aber die Differentialgleichungen für Massendichten aufgeschrieben, dann werden trotzdem infinitesimale Ausdrücke bis zur ersten Ordnung keine archimedeischen Größen. Mithin wird die von Newton zur Lösung des Paradoxes von Achilles und der Schildkröte erfundene Monotonie der Bewegung, sobald sie mit der Raumausdehnung verbunden wird, gestürzt. Die Erkundung eines algebraischen Feldes über eine mitgeführte Sonde lässt sich auch aus einem anderen Grund nicht mit den newtonschen Vorstellungen identifizieren. Gesetzt die Sonde vertrete jeden beliebigen Körper, mindestens was dessen Bewegungsmerkmale betrifft, kann man das Potential dahin verstehen, dass sein Vorhandensein den ,,physikalischen Raum“ verzerrt. Auf die Verzerrung kann man, wenn man laut Riemann eine lineare, lokal dem Raum isomorphe Mannigfaltigkeit definiert, dank der Differentialgeometrie Rücksicht nehmen20 . Die Verzerrung zu beweisen kann unmöglich das Anliegen Newtons gewesen sein, denn er hielt den euklidischen geometrischen Raum just für das mathematische Abbild unserer Welt. Wäre die Verknüpfung zwischen Raumvorstellung und Bewegung leicht überschaubar, dann ließe sich letzten Endes der Grund nicht entwirren, aus welchem die Altgriechen, von derselben Raumvorstellung ausgehend, – Euklid war schließlich Grieche – zu einer aus ihrer eigenen Sicht irrigen Auffassung der Bewegung gekommen wären. 18 Die Eindeutigkeit der Bestimmung hängt mit dem Ausschluss singulärer Integrale zusammen. 19 Deshalb sind Punktmassen Fremdlinge in jeder Feldtheorie. 20 Fraglich bleibt freilich dabei, ob sich die Raumstruktur auch im Großen ausmachen lässt. Allerdings haben Helmholtz und S. Lie bewiesen, dass kongruente Bewegungen im mechanischen Sinn nur in Räumen von konstanter Krümmung stattfinden können. 4 4.3 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 17 Mathematische Physik Unter dem Stichwort ,,mathematische Physik“ verstand Newton die Behandlung mathematischer Systeme von Einzelkörpern, die den jeweils in Natur anzutreffenden Systemen ähnlich sind. Dazu meinte er, dass sich der mathematisch definierte Raum mit der beobachteten Außenwelt decken soll. Wie er wusste, lässt sich trotzdem die Existenz der von ihm vorausgesetzten zentripetalen Kraft nicht pragmatisch über die geometrische Konstruktion der Bahnen beweisen. Nun hat Maxwell, im Gegenteil zu ihm, der zur Deutung der beobachteten Bewegung d.h. der partikulären Integrale - das Kraftgesetz aus heiterem Himmel vorgeschrieben hat, seine allgemeinen elektromagnetischen Gesetze aus den Beobachtungen Faradays zusammengestellt, während seine Interpretation sämtlicher Lösungen in der Luft hängen geblieben ist. Welches Wirklichkeitsgehalt will man den Lösungen seiner Gleichungen zuschreiben? Inwiefern gibt es in Natur Einzelsignale? Soll man für sie denselben Raum wie in der Mechanik zugrundelegen? Das lässt sich in diesem File nicht erschöpfen. Allerdings beschäftigen wir uns mit diesen Problemen, weil wir hoffen, dass eine allgemeine lineare Theorie partikulärer Signale aufgestellt werden kann. Erweist sich etwas in dieser Richtung als möglich, so beruht es darauf, dass man den Signalen zum Gegenteil von Körpern keine volle Individualität zumutet. Es folgen vorerst einige uns bekannte Deutungsansätze. Zu einigen üblichen Deutungen der elektromagnetischen Felder. Wird der stilisierte Körper, d.h. der Massenpunkt der Mechanik einfach durch die Ladung in demselben Raum ersetzt, dann redet man von klassischer Elektrodynamik, einer für ± elektrisch geladene Punkte geltenden rationalen Dynamik. Sobald man aber den elektrischen Strom der Bewegung von mehreren elektrischen Stromträgern gleichsetzt, werden sowohl das galileische als auch das newtonsche Prinzip verletzt. Das kommt weil die maxwellschen Gleichungen, wenn sie nach Analogie mit denjenigen der Dynamik interpretiert werden, zeitabhängige Kräftedichten aufweisen und, speziell was die Induktion betrifft, von der Geschwindigkeit der Ladungsträger im Leiter abhängen. Man kann nur sagen, dass sie sich entkoppeln lassen, wenn die Zeitveränderung des Systems gegen Null strebt, d.h. wenn man der Induktion mittels der Störungsrechnung gerecht werden kann. Für die elektrodynamischen Integrale weist man nach Helmholtz nach, dass sich die allgemeinsten Felder aus der Summe eines skalaren Potentials (Fv) und eines Vektorpotentials (v×F) berechnen lassen. Die Feldgleichungen bestimmen somit, wenn v klein ist, die elektrodynamische Bewegung als geschwindigkeitsabhängige Verallgemeinerung der dynamischen Bewegungsgleichungen. Von einem allgemeinen Feldintegral kann indes schon deshalb nicht die Rede sein, weil nach Voraussetzung die vorgegebenen Ladungen und Ströme das Feld bestimmen. Zu ihm gesellen sich die von den Ladungen unabhängigen sich fortpflanzenden elektromagnetischen Schwingungen. Sie scheinen das allgemeine Integral zu ergeben. Werden nun die Schwingungen mechanisch gedeutet, dann muss man aber notdürftig annehmen, dass die Felder auch auf pauschal neutrale Materie wirken. Die dann von physikalischer Sicht notwendig erscheinende Erweiterung des E-H-Feldes um ein rein gravitatives Feld erschwert sowohl die Störungsrechnung als ihre dynamische Deutung erheblich. Rein mathematisch bleibt ungeklärt, ob die Summe von quellenbedingtem und freiem Feld das allgemeine Integral bildet. Die Deutung des freien elektromagnetischen Feldes ist kein einfaches Unterfangen. Lagrange, dem wir die energetische Felddeutung verdanken, war sich bewusst, dass die räumliche Konfiguration eines physikalischen Systems nur mühsam 4 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 18 aus den verallgemeinerten Bewegungsgleichungen zu entflechten ist, so hat er sich ursprünglich ausschließlich mit solchen Potentialfunktionen befasst, die Punkt für Punkt eine Kinetik abzuleiten gestatteten. Wenn man dieses Bild verallgemeinert, und zum äthererfüllten Raum voranschreitet, erteilt man den einzelnen Raumpunkten sowohl elastische Energie, als auch Geschwindigkeitskoordinaten und man tut, als ob man ohne weiteres so viele Gleichungen zwischen den Kräften niederschreiben könnte, wie es Verbindungslinien zwischen je zwei elastisch gekoppelten Punkten gibt. Obwohl das Feld anschließend energetisch als Oszillatorfeld gedeutet wird, besteht neben dem Kollektivum die Idee weiter, dass die einzelnen Punkte kleine Schwingungen um Gleichgewichtslagen durchführen. Sollte jedenfalls ein mit elektromagnetischer Energie erfülltes Gebiet wirklich ins Schwingen geraten, würde es trotzdem laut jeder mechanischen Auffassung eine unheimliche Energiemenge speichern. Ob den normalen Schwingungsmoden, wie sie aus der Fourierentwicklung hervorgehen, immer ein mechanisches Gegenstück nach demselben Kriterium zukommt, ist schon deshalb angeblich hart zu entscheiden. Neben der Formulierung über freie Koordinaten mit energetischer Interpretation verdanken wir Lagrange ein weiteres, noch abstrakteres Lösungsverfahren, das darin besteht als formelle Lösung einer Gleichung je Freiheitsgrad eine Potenzreihe H f (z) = Σk ck z k , ck ∈ C anzusetzen21 . Es ist ck = 1/(2πi) R f (ζ)/ζ n+1 dζ, wobei R etwa ein ringförmiges Bereich im Innern eines Kreisringes sein mag. Auf diese Weise erhält man, sofern die Konvergenz gesichert ist, partikuläre Lösungen f (z) mit dem Vorteil gegenüber Helmholtz, dass Feld- und Wellenanteil nicht weiter unterschieden zu werden brauchen. Man beruft sich bei der sich hieran anschließenden Interpretation der Terme der formalen Potenzreihenentwicklung meistens stracks auf Intuition. D.h. man setzt k ∈ N ∪ {0}, und man deutet die Entwicklung kurzum als Summe aller möglichen Schwingungsfrequenzen des dargestellten Systems, multipliziert mit ihren jeweiligen Amplituden. Wie es in der Fourieranalyse Brauch ist, schreibt man folglich: f (z) = Σk=0 ck z k = u+iv = c0 + c1 r(cos ϑ + i sin ϑ) + c2 r2 (cos 2ϑ + i sin 2ϑ) + ... = 12 a0 + Σk=1 rk (ak cos kϑ + bk sin kϑ)− 12 ib0 +i{Σk=1 rk (ak sin kϑ−bk cos kϑ) → 22 u(ϑ)r=1 = a0 +Σk=1 ak cos kϑ+ Σk=1 bk sin kϑ → Σk=0 ak cos kϑ. Das ist offensichtlich kein partikuläres Integral nach dem allgemeinen Verfahren, wovon die Tatsache, dass der ursprüngliche lineare Zeitverlauf aus dem sogenannten Frequenzspektrum nicht mehr erlangt wird, Zeugnis ablegt. Wiewohl also die eingeführte Einschränkung des k-Zeigers physikalisch gerechtfertigt erscheint, so lässt sich trotzdem fragen, welche Menge man für die Gesamtheit aller möglichen Systeme der Zahlenwerte {ck } in der Reihenentwicklung zulassen will. Das bernouillische Prinzip sagt nämlich aus, dass wenn man über eine vollständige Gruppe von Fundamentallösungen verfügt, man jede partikuläre Lösung erhalten kann. Da jeder mit einer Frequenz zu kennzeichnende partikuläre Zustand stationär heißt, weil er erst nach einem Anlauf eintreten muss und davon abhängt, müssen wir allerdings feststellen, dass das Energiespektrum i.allg. mit keiner partikulären Lösung der gegebenen Differentialgleichung übereinstimmt. Ob und inwiefern die analytische Lösung, wenn wir das betrachtete ,,Frequenzintervall“ von - ∞ bis + ∞ erstrecken, einer partikulären Transiente gerecht wird, lassen wir vorerst noch offen. Fazit. Die Schreibweise der sogenannten allgemeinen Lösung der laplaceschen oder poissonschen Gleichung als Überlagerung trigonometrischer Funktionen 21 Dieses Verfahren findet auf die ,,Wellengleichungen“ Anwendung. Es könnte sich genauso gut für die maxwellschen Gleichungen eignen. 22 r = 1 soll innerhalb des Konvergenzkreises fallen. 4 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 19 setzt - bis man jedes Reihenglied als physikalisch begründet hält – voraus, dass beobachtete flüchtige Prozesse überhaupt nicht mit elementaren materiellen Zerfallsprozessen, falls es diese gibt, verbunden sind. Also erfolgt jede beobachtete Signalabklingung eventuell trotz der Stabilität der Materiebauteile, oder aber das Signal ist von sich aus periodisch, nur wiederholt es sich nach einem unmessbar langen Zeitabschnitt. Wir erwähnen noch, dass man mit einer hydrodynamischen Umdeutung der von Maxwell aufgestellten Gleichungen unter der Einwendung, dass sich die Elektrizität wie eine stetige Strömung verhalte zum Ergebnis kommt, dass die beiden die stofflich gedachten Ladungen und Ströme enthaltenden Gleichungen die Felder bestimmen, während die beiden anderen, darunter die elektromagnetische Induktion, zur mathematischen Festlegung der Potentiale dienen. Wozu ist das gut? Maxwell hat letzten Endes unumwunden elektrische Versuchsergebnisse interpretiert. Die Hydrodynamik bezieht zwar ihre Vorstellungen reichlich aus dem Verhalten strömender Flüssigkeiten, aber sie hat sich weitgehend selbstständig als rationale energetisch geprägte Verallgemeinerung der Lehre der substantiellen Bewegung entwickelt. Auch die sich an diese Entwicklung anschließende hydrodynamische Interpretation der elektrischen Erscheinungen gründet nicht sowohl auf Einblicke aus der Hydrologie, als vielmehr auf den Umstand, dass der Satz von Gleichungen ein und derselbe ist, wobei die Gauß- und Stokes-Theoreme es verhindern, dass mit den Integrationsflächen Randbedingungen für die elektromagnetischen Lösungen im Vakuum geknüpft werden23 . Sollte sich eines Tages herausstellen, dass es mit lauter Antennen als Quellen des elektromagnetischen Feldes[6] schon klappt, würde man vermutlich versuchen die Grenzflächen auf lineare nichtisotrope Strahler zu beziehen. Als nach H. Hertz die Existenz sich fortpflanzender und abklingender elektromagnetischer Wellen weitgehend akzeptiert wurde, wurde man einer zusätzlichen Möglichkeit gewahr. Man nahm wieder seine Zuflucht zur Potentialgleichung[7]. Aber die partikuläre Lösung wurde in einer gewissen Hinsicht verallgemeinert, da man sie nunmehr als durchschnittliches Verhalten vieler Systeme deutete. Wie trügerisch diese Annahme sein kann, zeigt schon die einfache Überlegung, dass Mittelwerte von Schwingungsfrequenzen das Verhalten keines partikulären Oszillators mehr beschreiben. Mathematisches zu den Integralen des elektromagnetischen Gleichungssystems. - Bei dem von Maxwell aufgestellten gekoppelten Gleichungssystem, das in Vektorrechnungsschreibweise: ∇×E = −1/c∂B/∂t, ∇×H = (4π/c)J+1/c∂D/∂t, ∇D = 4πρ, ∇B = 0 lautet, treten vom mechanischen Standpunkt aus, der expliziten Zeitabhängigkeit wegen, allgemeinere Bahnen auf, darunter Schraubungen und nicht als Störungen zu verdrängende abklingende Raum-Zeitverlaufe. Das Gleichungssystem lässt sich dennoch im Vakuum auf zwei einfache Weisen entkoppeln: • im zeitunabhängigen Fall erhält man: ∇ × E = 0, ∇E = 4πρ, ∇ × B = (4π/c)J, ∇B = 0 24 . • für quell- und wirbelfreie Bereiche erhält man, wenn ρ = J = 0 sind: ∆E − 1/c2 ∂ 2 E/∂t2 = 0, ∆B − 1/c2 ∂ 2 B/∂t2 = 0. 23 Bisweilen werden anschließend die Randbedingungen des nicht entkoppelten elektromagnetischen Systems mit den fresnelschen Beziehungen für statische Felder in Zusammengang gebracht. 24 Es ist dabei zu beachten, dass Richtungsdifferentialquotienten keine Differentiale sind. Nablasymbole sind in dieser Hinsicht keine Kurzformen, sondern drücken bereits das Vorhandensein einer Potentialfunktion aus. 4 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 20 Wenn das System mathematisch entkoppelt wird, verfügt die Physiklehre im ersten Fall über (inhomogene) poissonsche und zugehörige (homogene) laplacesche25 skalare Gleichungen. Legt man komponentenweise laplacesche bzw. poissonsche Gleichungen auch für vektorielle Potentiale bzw. für Felder zugrunde, dann kann die Lösung mühelos um ein der Zeit proportionales Argument erweitert werden. Trifft man die richtige Wahl für den Proportionalitätsfaktor, dann kann man die beiden Fälle gleich vereinigen, indem man mit dem d’alembertschen Operator = ∂ µ ∂µ (µ = 1, 2, 3, 4) für die homogenen Feldgleichungen respektive E = 0 und B = 0 setzt. Da die mathematische Klassifizierung der Integrale als stehende bzw. fortlaufende Wellen nur von dem Vorzeichen der Diskriminante abhängt, folgert man aus dieser Schreibweise, dass auch fortlaufende Wellen stationär zu sein haben. Ob man folglich zwischen komponentenweise Potentialübertragung und Fortpflanzung von Wellenfronten unterscheiden will oder nicht, ergeben sich, wie Maxwell selber gezeigt hat, in ladungs- und stromlosen Bereiche formell in etwa dieselbe Gleichungen. Unterschiede zwischen den beiden Fällen können nur dann eintreten, wenn sich zeitabhängige, gedämpfte bzw. einschwingende Verhalten entwickeln. Mit deren dynamischer Interpretation hat es aber seine eigene Bewandtnis: Es scheint uns indessen ungeklärt, ob vorauseilende und verzögerte Wirkungen begrifflich noch mit direkten kausalen Kraftvorstellungen in Einklang zu bringen sind. 1. Fall der Entkopplung von E und B. – Wir verabreden jetzt diesen Fall einfach durch Tilgung der t-Variable zu erhalten. Die elektromagnetischen Feldgleichungen sehen dann, abgesehen davon dass sie vektoriell sind, ungefähr wie die Potentialgleichung der Gravitationstheorie aus. Mathematisch enthalten aber die allgemeinen unbestimmten Integrale partieller Differentialgleichungen erster Ordnung, im Gegensatz zu den gewöhnlichen Differentialgleichungen, eine unbestimmte Funktion φ. Grob gesprochen steigt man von einem partikulären Feld ϕ(x, y, z) zum allgemeinen Integral Φ einer homogenen partiellen Differentialgleichung, indem man Φ = φ[ϕ] setzt, wobei man mit φ eine beliebige stetig abbildende Funktion meint. Da man ϕ meistens keine Bildkurve zuordnet, stellt Φ tatsächlich eine unendliche Klasse von Lösungen dar. Mit den inhomogenen partiellen Differentialgleichungen verfährt man im Prinzip auf ähnliche Weise, nur dass die Anzahl der voneinander unabhängigen partikulären Lösungen zunimmt. Die Schwierigkeit besteht allemal darin, das mehrfache partikuläre Integral ϕ niederzuschreiben. Für begrenzte Bereiche stehen dazu Iterationsverfahren zur Verfügung. Weil die Integrationsgrenzen Funktionen sind, d.h.: R x R y(u) R z(u,v) ϕ(x, y, z) = x0 y0 (u) z0 (u,v) χ(u, v, w)dudvdw versucht man sich im Raum, wie angedeutet, auf Normalbereiche zurückzuführen. Dem einfacheren Parametrisierungsverfahren stehen, da man sich auf gewöhnliche Differentialgleichungen erster Ordnung zurückführt, bereits stationäre Kurven zugrunde. Ein Feld aus Bahnen kann nun irgendwie geschichtet werden, wogegen es räumliche Geometrien gibt, wie das kleinsche geometrische Modell der maxwellschen Gleichungen, die sich nicht in Scheiben schneiden lassen. Aber wir befassen uns vorerst mit Aufschneiden. Liegt für t ∈ [a, b] ein ebenes Feld, dessen Argumente x und y sind, als Lösung einer linearen Differentialgleichung erster Ordnung vor, dann lautet das allgemeine Integral: F{x(t), y(t)} = C. Zieht man durch 25 Wenn man kein vom Leiter berandetes magnetisches Blatt zuzieht, um gleichsam auch bildhaft die Umwicklung des Integrationsweges um den Leiter zu verhindern, existiert das magnetische Potential im üblichen Sinn zunächst nicht. 4 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 21 ein beliebiges Punktepaar x0 = x(t0 ), y0 = y(t0 ) eine Kurve, dann wird C auf C0 spezialisiert. Wählt man eine Folge ti , ( ti ∈ [a, b], i = 0, 1, ..., N ) von Werten des Parameters auf einer der Feldebene (x, y) senkrechten t-Hilfsachse, so erhält man auf der jeweils entsprechenden Höhe Ci je eine ebene Kurve durch die (xi , yi )-Werte als partikuläres Integral. Wegen der eindeutigen Bestimmung der Gleichungen für t ∈ [a, b], darf man den Inbegriff der Kurven, d.h. das allgemeine Integral, orthogonal auf eine einzige (x, y)-Ebene projizieren, was Höhenkurven ergibt. Diese orthogonale Projektion wollen wir als algebraisch geometrische Felddarstellung verstehen. Der Fall einer stetigen Änderung des Parameters t wird dabei zeichnerisch mittels unterschiedlich schattierter Flächenscharen wiedergegeben. Dieselbe Untersuchung lässt sich unter Ausfall der Graphik für gewöhnliche Differentialgleichungen der voneinander unabhängigen räumlichen Argumente x, y, z, u, v, w, ... wiederholen. Allerdings gilt diese Darstellung für freie Massenpunkte, oder wenn holonome Differentialbedingungen vorgeschrieben sind. 2. Fall der Entkopplung von E und B. – Aus den elektromagnetischen Gleichungen im Vakuum leitet man unmittelbar zwei homogene ungedämpfte Schwingungsgleichungen für die Vektorfelder ab. Die Lösungen der in kartesischen Koordinaten ausgedrückten Gleichungen stellen ebene Wellenfronten mit zur Front transversaler Ausbreitungsrichtung dar. Aber die Wellenform hängt mit der reduzierten Schwingungsgleichung, und also mit der Trennung der Argumente zusammen. Nach Trennung der räumlichen Variablen ergibt sich nichtsdestoweniger in einer Mannigfaltigkeit von drei Dimensionen für ebene transversale Wellen einen analytisch auf der kartesischen Ebene darzustellenden Zeitverlauf. Die allgemeinste analytisch auf der Ebene darzustellende reduzierte Schwingungsgleichung elektromagnetischer Systeme ist immerhin die lineare Telegraphengleichung, weshalb wir gleich davon ausgehen. Das allgemeine Integral, nennen wir es 1, besteht aus der allgemeinen Lösung, 2, der dazugehörigen homogenen Differentialgleichung plus ein partikuläres Integral, 3, der inhomogenen Gleichung. Unter allgemeines Integral der homogenen Gleichung verstehen wir dabei eine beliebige lineare Kombination zweier unabhängiger partikulärer Lösungen, 2a + 2b. Das partikuläre Integral 3 stellt diejenige Lösung von der inhomogenen Gleichung dar, die stationär ist und sich nach der Störfunktion richtet. Das mathematische Verhalten eines bestimmten Systems wird aus 1 = 2a + 2b + 3 durch Spezialisierung der Integrationskonstanten erhalten. Da nun 3 stationär ist, liefert 2 die benötigte Anpassung des Anfangszustands zum stationären Schwingungszustand. 2 liefert also sämtliche mögliche vorübergehende Verhalten, weshalb wir es das allgemeine transiente Verhalten nennen. Abgesehen von dessen Interpretation enthält ein Integral des Typs 2 natürlich, wenn die dazugehörigen Randbedingungen vorliegen, jede Spezialisierung der homogenen Gleichung von drei Argumenten, also auch fortschreitende ebene Wellenfronten26 . Zur partikulären zeitabhängigen Transiente. - Im Zusammenhang mit den eben besprochenen linearen mathematischen Transienten möchten wir erörtern, warum raumzeitabhängige Integrale rein theoretisch an keine Raumvorstellung mehr knüpfen können. Da wir uns jetzt ihrer Interpretation für elektrische Erscheinungen enthalten möchten, kehren wir zum Würfeln zurück. Nur bemerken wir im Vorbeigehen, dass mechanische Transienten im Allgemeinen ein sehr kompliziertes Aussehen haben, während es eine Menge vorübergehender elektrischer 26 Ebene Wellen sind durch flache Wellenfronten kennzeichnet. 4 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 22 Erscheinungen gibt, die sich mathematisch linear darstellen lassen. Das Vergängliche tut sich unserer Meinung nach schon in der Existenz nicht stationärer Würfelflugbahnen kund, ohne deshalb auf Zerfall schließen zu lassen. Wir haben gesehen, dass sich das nichtstationäre Verhalten mathematisch auf die Unmöglichkeit einer t-Parametrisierung der räumlichen Argumente beläuft. Gibt es keine eindeutig bestimmbare Bahn, dann lässt sich der Raum aus diesem Grund nicht abmessen. Das lässt sich, weil die Bestimmungsstücke völlig willkürlich sind, mit keiner Anzahl von überschüssigen Parametern beseitigen. Üblich werden nun elektrische Schwingungen nach Trennung der räumlichen Argumente dahin gedeutet dass ein reibungsbedingtes Abklingen längs der Ausbreitungsrichtung stattfindet. Aber die in Rede stehende ein bestimmtes System betreffende ,,Reibung“ muss sich mathematisch unabweisbar durch Spezialisierung des Integrals 2, will sagen der vollständigen homogenen Gleichung, ermitteln lassen. Es folgt, dass keine explizite t-Abhängigkeit des allgemeinen Feldes F = F(x, y, z, t) Bahnen liefern kann, es bleibe nun dahingestellt, ob elektrisch die Niveaukurven stationäre Laufbahnen – d.h. mit Massenpunkten besetzte - oder lauter Flusslinien – d.h. Geleise – zu bedeuten hätten. Das ganze Problem mit den elektromagnetischen Feldgleichungen rührt daher, dass bei der allgemeinen Integration linearer partieller Differentialgleichungen die genaue Funktionalabhängigkeit notwendig aus bleibt, und dass man leider je nach dem gewählten durchführbaren Integrationsverfahren irgendeinen festen Funktionstyp zugrundelegt. Bis man umgekehrt, unter dem Vorwand, dass partikuläre Integrale prinzipiell stabil sind, das allgemeine Integral aus ihnen bildet, stößt man nachträglich niemals auf partikuläre Transienten. Der unumgängliche mathematische Grund dafür beruht darauf, dass stationär Transienten nach Definition abgeklungen sind. Eine Handvoll Lösungen. – Kehren wir zum formellen Lösungsverfahren der Wellengleichung als unendliche Summe von Termen zurück. Noch bevor wir mit unserem Vorhaben anfangen, ist es unbedingt wichtig die witzig anmutende Feststellung zu machen, dass weiterhin unwiederholbare flüchtige Beobachtungen aus der linearen Theorie abgestreift werden. Neu ist nur die Auffassung der gesetzmäßigen Erscheinungen. Wenn man eine stationäre Wellenfront förmlich nach Taylor entwickelt, meint man im Kleinen zu quadrieren. Die somit in einem infinitesimalen Bereich der reellen Achse genäherte Lösung, stimmt aber im Limes entweder mit der gesuchten Funktion vollkommen überein oder, wenn die gesuchte Funktion eben keine analytische Funktion ist, weicht von ihr wesentlich ab. Auf die C-Ebene übertragen, stimmt nämlich die kleinste Umgebung mit dem offenen Konvergenzkreis um den gegebenen Punkt überein. Deshalb lassen sich partikuläre Lösungen praktisch als Potenzreihenentwicklungen nach einem Parameter niederschreiben [8]. Die Bestimmung der Koeffizienten in der Reihe hängt offensichtlich von den Ableitungen im gewählten Punkt ab. Der topologische Zusammenhang der geometrischen Gebilde bestimmt aber diejenigen Integrale, die ineinander übergehen, und es geht darum, jeweils einen einfach zu darstellenden Repräsentanten der Reihe zu ermitteln. Im Raum können konform abbildende Funktionen als legendresche Polynome entwickelt werden. In C ist aber auch dieser Unterschied von geringer Bedeutung, da komplexe Zahlen genauso auf der argand-gaußschen Zahlenebene wie auf der riemannschen Zahlenkugel eingetragen werden können. Es erweist sich aus diesem Grund gleichgültig für die Lösungen, ob man (x, y, z) oder (r, θ, ϕ) als Raumkoordinaten braucht. 4 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 23 Das Integral der homogenen Differentialgleichung heißt in C ganze Funktion, weil es keine Singularitätsstellen im Endlichen besitzen darf. Zur mathematischen Existenz der als Lösung der inhomogenen Differentialgleichung gedachten Feldfunktion verlangt die Potentialtheorie, dass die im Endlichen gelegenen Pole mit endlichen Werten belegt werden. Ist nun im Fall von transversalen stationären Wellen eine allgemeine Lösung nebst Pole und Nullstellen gegeben, dann kann man das vollständige Integral, indem man die partikuläre Lösung als Summe von Partialbrüchen eindeutig27 nach Mittag-Leffler auswertet, erhalten. Dieser ist der Teil, welcher nach Abklingen der allgemeinen Lösung als stationärer Teil erhalten bleibt, und das nicht notwendig abbrechende gebrochene Polynom setzt sich also aus einem räumlich abklingenden (dem hyperbolischen) und einem stationären Teil zusammen. Die Darstellung der Lösung fällt mit einer Laurent-Reihe mit einer endlichen Anzahl Summanden im Hauptteil, und mit Nebenteil zusammen. Wie jedes gebrochene Polynom kann diese Funktion, laut dem weierstraßschen Produktsatz als Produkt irreduzibler Faktoren zerlegt werden, wobei die Pol- und Nullstellen hervorgehoben werden. Wir haben damit bereits Bekanntes auf die komplexe Zahlenebene übertragen. Wellenlösungen als Abbildungen. - Jetzt kommen wir zu einer notwendig erscheinenden Umdeutung der elektromagnetischen Felder im Vakuum, wenn als Definitionsbereich und Wertevorrat C gewählt wird. Die maxwellschen Differentialgleichungen sind erster Ordnung. Um sie zu lösen führt man sich aber meistens auf Gleichungen zweiter Ordnung zurück. Anschließend überträgt man die Gleichungen von differential auf algebraisch. Wenn man diese Weise Differentialgleichungen zu lösen unabhängig von ihrer Deutung betrachtet, sieht man, dass mit den Bewegungsgleichungen algebraische Gleichungen zweiten Grades verknüpft sind. Die dynamischen Gesetze sind von Haus aus so gebaut, wogegen man im elektromagnetischen Fall eigentlich Gleichungen erster Ordnung zu genügen sind. Dasselbe gilt für die Lösungen. Ob irreduzible Polynome abgesehen von ihrer Vielfachheit nur lineare oder auch quadratische Faktoren enthalten, hängt vom zugrundegelegenen Zahlenbereich ab. Ist der Zahlenbereich R, wie man zur Lösung des newtonschen Grundgesetzes verlangt, so kann man den Begriff der Bahnkrümmung dazu benutzen, um die Lösungen mit quadratischen von denen mit rein linearen Faktoren zu unterscheiden. Weil aber dank des fundamentalen Theorems der Algebra in C lauter Linearfaktoren eingehen, trifft dieselbe Unterscheidung zwischen freien und kraftbedingten Zuständen nicht mehr zu. Angesichts der heute geltenden mathematischen Auffassung der fundamentalen Lösungen des freien elektromagnetischen Feldes als harmonischer Wellen, scheint uns allerdings die Überlegung, dass es in C gleichwertig ist, ob man eine meromorphe Funktion auf der θ = 0 Achse in eine Potenzreihe oder nach elementaren Winkelfunktionen als Basisfunktionen entwickelt angebracht. Auf die einzelnen Glieder ihrer Reihenentwicklung kommt es schließlich bei der Deutung einer Lösung nicht an. Freilich werden mithin diejenige stationären elektromagnetischen Felder verstanden, die gleichsam auf Flächen abbilden. Wir nennen sie empfangenes Signal. Wie ist die Deutung in C geometrisch zu vertreten? Wir greifen ein bisschen vor: die übliche differentialgeometrische Deutung der passiven optischen Distanzmessung 27 Zwei Funktionen mit denselben Polen unterscheiden sich höchstens durch eine ganze Funktion. 4 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 24 setzt in Übereinkunft mit der geometrischen Optik voraus, dass Lichtstrahlen wie Stacheln eines Seeigels auf der Körperoberfläche des anvisierten Objekts sitzen. Wenn man einen Lichtbündel als Stachel fasst, beträgt sein optischer Weg vom Stachelansatz zum Auge eine ganz bestimmte Länge, wobei die Anforderung nicht mit der materiellen Beschaffenheit des zur Messung gebrauchten Lineals, sondern mit der Wahl einer Geometrie zusammenhängt [9]. Danach sehen zwei kugelförmige Sender wie zwei unterschiedliche Seeigel aus und es hat einen Sinn deren Lagen sowie die Krümmungsradien ihrer Skelette zur ersten Näherung aus der Lichtaussendung bemessen zu wollen. Laut der differentialgeometrischen Vorstellungen gilt ja die Krümmung als angeborene lokale Eigenschaft einer Fläche. Deshalb sollte sie weder beeinträchtigt werden, wenn man kleinere Gebiete in Betracht zieht, noch mit der Entfernung vom Beobachter abnehmen. Auf krumme ausstrahlende Flächen, die sich selber nicht überlagern lassen, sollte aber das für ebene Wellen gültige Superpositionsprinzip keine Anwendung finden28 . Die Abbildung sämtlicher Flächen in derselben Brennebene des Fernrohrobjektivs kommt, falls sie nicht gerade auf die Ebene abwickelbar sind, laut Differentialgeometrie einer Streckung der auf ihnen gezeichneten geradesten Linien gleich. Jede optische Anpeilung beruht jedoch im Prinzip darauf, dass man das Ziel scharf stellen kann, mit welchem Bedürfnis ein Mal zu erblicken man sich im Endeffekt jeden weiteren Anspruch auf Messung im klassischen Sinn verdirbt29 . 4.4 Geometrie und Modelle Wir haben bis jetzt zu betonen versucht, dass die Bewegungen keine Raumstruktur, geschweige denn einen Punktraum, untermauern. Diese Erkenntnis hatte bereits J. Maxwell dazu geführt, Experimente unter Anwendung gezielter Analogien direkt an die Mathematik anzuschließen. Historisch war dann F. Klein in seiner berühmt gewordenen Erlanger Antrittsrede ein Vertreter der hier zur Diskussion stehenden ,,anschaulichen“ Rolle der Geometrie. Seine Überzeugung zur Geometrie bestand aus zwei Teilen. • Die im Erlanger Programm30 ausgedrückte relationale Auffassung der Geometrie. • Der ständig auf praktische Durchführung geometrischer Aussagen angelegte Nachdruck. Nach unserem besten Wissen wurde dieses Verlangen auf keinen festen Namen getauft. Das aus beiden Punkten bestehende Programm schiebt in das Wechselspiel des induktiv-deduktiven Verfahrens ein geometrisches Modell ein. Wir versuchen nun die von ihm andeutungsweise aufgestellte Beziehung: maxwellsche Gleichungen ⇒ Geometrie ⇐ optische Erscheinungen zu erläutern. Transformationen als Bewegungen. - Klein stellte Bewegungsgruppen oder Umformungen als Axiome an die Spitze des Aufbaus jeder Geometrie und kam zum Ergebnis, dass die Geometrie des Raumes, nach Angabe der Grundbegriffe und Axiome, nichts mehr als logisches Verständnis bietet. Das entspricht genau der um 1860 von den Mathematikern erlangten Auffassung, 28 Jener Behandlung nach treten Beugungseffekte zur zweiten Näherung, wegen der unterschiedlichen Krümmung der geometrisch gemeinten Wellenfronten ein. Sie werden auf einer kleinen Umgebung des Einfallstrahles erzeugt, und entstehen nicht infolge der Abblendung des ganzen empfangenen Signals als Modulation. 29 Soweit sich Interferenzmessungen aus der Überlagerung interferierender ebener ,,Wellen“ ergeben, gehören sie mit zu derselben Gruppe. 30 ,,Vergleichende Betrachtungen über neuere geometrische Forschungen“. 4 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 25 dass sich Beweise nicht auf Zeichnungen stützen dürfen. Im Gegensatz dazu fußten noch sämtliche physikalische Untersuchungen des Raumes, es sei hier nur an das großartige helmholtzsche Unterfangen erinnert, auf dem Glauben von der beweisbaren Übereinstimmung einer Geometrie mit der ausmessbaren Struktur der Außenwelt. Die Doktrin, dass die Geometrie ein Forschungsgebiet der angewandten Physik sei, geht auf Galilei zurück. Nicht dass letzterer gleichsam darauf bestanden hätte. Weil er doch bekanntlich mit seinen hartnäckigen Hinweisen darauf, dass die Naturereignisse für jedermann, der unbefangen daraus lernen will, zugänglich seien, die Gewalt der Kirche eindämmen wollte, wurde er dahin verstanden, dass er ihr ein verifizierbareres Dogma entgegenhielt. Hätte er überhaupt nur für geometrische Anschaulichkeit der kirchlich gestatteten Naturerklärungen plädiert, so hätte er ohne Bann das Zeitliche gesegnet. Nach Newton schätzte man seine vermeintliche Doktrin, d.h. die galileische Methode, so hoch, um den geometrischen Raum induktiv nach den Maßergebnissen im Laborzimmer zu gestalten. Dabei übersah man was Einstein erkannte, nämlich dass bis man keine fundamentalen Maßstäbe und Uhren aufstöbert, Messverfahren auf lauter Vereinbarungen beruhen. Folglich wurde auch das elektromagnetische Feld aufgezeichnet, indem man für allerlei Stellungen im Labor das Gleichgewicht auf Probekörpern prüfte31 , und die gefundenen rohen Werte direkt auf Papier brachte. Auf diese Weise wurden die Sätze von Coulomb und Biot-Savart formuliert, obwohl die elektromagnetischen Felder die vorhandene Raumstruktur eigentlich hätten verzerren sollen. Im Anschluss daran hat sich dann Gauß auf das methodische Vorgehen Galilei berufen, um die optischen mit den herkömmlichen Messmethoden zu vergleichen, und hat sie eventuell gleichwertig gefunden. Der Anspruch Messungen numerisch auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen gründet auf das Dogma, dass man Zahlen dingfest machen kann. Seitens der Mathematiker wird gerade das von Russell an bestritten. Sobald man die naive Übereinstimmung der Natur mit der aufzustellenden Mathematik prinzipiell ablehnt, rückt die Frage, was aus einer möglichst gut logisch begründeten mathematischen Abhandlung eine naturwissenschaftliche Erkenntnis macht, recht in den Vordergrund. Vermutlich ist man mit dieser Frage immer vorsichtig umgegangen. Nun nehmen wir den ersten Punkt der kleinschen Auffassung der Geometrie in Angriff. Zum deduktiven Verfahren meinte er etwa, dass auch ein physikalisch begabter Mathematiker den neuesten Stand des physikalischen Verständnisses nicht urteilen könne, was den Vertretern der axiomatischen Methode mitunter schlicht falsch erschien. Minkowski und Hilbert sind dafür ausschlaggebend. Kleins Meinung wurde nämlich zu einem Zeitpunkt vertreten, wo seine genannte Kollegen wohl behaupten konnten die Methoden der theoretischen Physik besser als die experimentell veranlagten Physiker zu meistern. Der Standpunkt Kleins, dass sowohl induktive als auch deduktive Schlüsse nur innerhalb der Mathematik einen Sinn haben, war allerdings kein angeborener. Er war nach jahrzehntelanger Forschung geometrischer Modelle zum Ergebnis gekommen, dass sich vermutlich Naturerscheinungen jeder linearen Darstellung und angeblich auch jeder Logik[10] entziehen, so dass man kaum von der Geodäsie annehmen kann, dass sie die Welt als solche darstelle. Er hat sich demzufolge 31 Der Nachweis des magnetischen Feldes anhand von Eisenfeilspänen beruht eben darauf, dass die Schnipsel auf dem Papier haften bleiben können. 4 ALGEBRAISCHE VEKTORFELDER UND BAHNEN 26 in der Erwägung, dass rein mathematische, aber ,,anschauliche“ Entwicklungen aus einem frisch erkorenen physikalischen Verständnis brauchbarer sein würden gezwungen, nicht Hand an die damals im Bau befindlichen physikalischen Theorien zu legen. Er hat auch auf jegliche Anwendung der Mathematik auf die experimentellen Entdeckungen seiner Zeit verzichtet. Und doch hat er sein Modell für die bereits vorliegenden maxwellschen Gleichungen geliefert. Denn er selbst hatte den Gehalt der von A. Moebius zur Mathematisierung der Statik herangezogenen rein geometrischen Modellierung, von stofflich auf relational verlagert. Dabei hatte er die Beziehung oder Relation mit der geometrischen Auffassung der Bewegung gleichgesetzt. Es leuchtet ein, dass das gegenüber der bislang gewohnten kinematischen oder dynamischen Beschreibung der Kurven völlig neu ist. Und gerade weil Klein die Geometrie sozusagen programmatisch als bildhaft zu darstellende Beziehung erdacht hatte, konnte er es nicht unterlassen seine eigene Fassung der räumlichen Transformationen mit der ebenfalls bereits formulierten speziellen Relativitätstheorie zu vergleichen. Wir schieben die Besprechung seines Modells auf einen dazu gewidmeten Absatz. Prüfbank der Geometrie. – Nun kommen wir zum zweiten Punkt im kleinschen Programm32. Es betraf in erster Linie die bis vor Kurzem als schlicht unnatürlich erachteten, und deswegen als nicht-existent liquidierten nicht-euklidischen Geometrien. Sie waren rein theoretisch erschlossen worden, jedoch fragte man sich urplötzlich, ob es überhaupt möglich wäre, einen euklidisch von einem nicht-euklidisch strukturierten Raum zu unterscheiden. Gauß hatte, wie erwähnt zu diesem Zweck Messungen angestellt. Klein bestand dagegen bekanntlich auf praktische Ausführungen der geometrischen Aussagen. Unnatürlich hin, unnatürlich her, immerhin hatte man die Mittel an die Hand, um sich jene Postulate bildlich zu vergegenwärtigen, dachte er vielleicht. Der Bildhaftigkeit halber ließ er allerdings allerhand gipserne Flächen anfertigen. Auf diese Weise merkte er recht bald, dass die Plastik, ganz unabhängig von der gemeinten Geometrie, deren Einbettung in die gewohnten metrischen Verhältnisse wiedergibt. Danach hielt er Ausschau auf neue Darstellungsmittel, und stieß auf die Perspektive. Nebenbei verwies er auf die räumlich ausgedehnte Theaterdekoration, und beteuerte, dass sie denselben Postulaten wie die Geometrie der Lage genügt. Er meinte die erste als eine mögliche Verwirklichung der letzteren, die letzte aber als mathematische Behandlung a posteriori (nach Einbezug möglichst vieler Umstände) der Bühnendekoration. Kehren wir aber zu den nicht-euklidischen Geometrien zurück. An deren ModellVeranschaulichung knüpft auch die Frage, ob diejenigen Flächen, für die die euklidische Metrik nicht gilt, unbedingt krumm auszusehen haben. Klein hat diese Frage schließlich mit ,,nein“ beantwortet. Um seine Aussage zu beweisen, hat er nichteuklidische Ebenen projektiv konstruiert und geometrisch begründet. Projektive Maßbestimmung. – Weil Klein später die Invarianz der Lichtgeschwindigkeit genau nach derselben Vorschrift gedeutet hat, wollen wir hier auf seine Methode ausführlicher eingehen. Nachdem Riemann das Krümmungsmaß einer Mannigfaltigkeit von n Dimensionen differentialgeometrisch auf das Bogenelement gegründet hatte, und gezeigt hatte, dass sich damit nichteuklidische Beziehungen in die Geometrie eingliedern ließen, wurde das Problem Flächen, auf welchen die euklidische Geometrie nicht gilt, zu versinnbildlichen auf die Aufstellung zweier Hauptformen zurückgebracht (wenn man vom topologischen Zusammenhang absieht). Die von 32 Elementarmathematik II S. 201 – 202. 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 27 Riemann selber entdeckte elliptische Geometrie, für welche die Gerade nicht unendlich fortgesetzt werden kann, wurde auf die Kugel abgebildet. Was Gauß etwa als Krümmung verstand fiel hier positiv aus. Eine Fläche mit konstanter negativer Krümmung33 , auf der das Parallelenaxiom hinfällig wird, ist schwieriger zu veranschaulichen, weil man beim Aufbau immer auf Singularitäten stößt. Beltrami hat allerdings zeigen können, dass man sie stückweise darstellt, wenn man eine Traktrix um ihre Achse drehen lässt. Dieses zur anschaulichen Wiedergabe der hyperbolischen Geometrie gültige Flächengebilde wurde Pseudosphäre genannt. Klein hat nun Flächen der beiden Arten auf der Halbkugel gedeutet34 , und zwar die hyperbolische Fläche auf der Kugelinnenseite. Alsdann hat er beide Flächentypen in zwei Schritten konform auf die Blattebene projiziert. Die Abbildung des Äquators hat er als projektive Maßbestimmung im Sinne von Cayley erklärt. Wir heben hervor, dass sich auf der Blattebene Geraden von Kreisbögen projektiv nicht unterscheiden. Weiter kürzt eine Projektion die Kugel um eine Ausdehnung, denn sie wird dann als Kugeloberfläche verstanden. Zum Schluss werden sämtliche euklidische bzw. nichteuklidische Strukturen auf dieselbe projektive Geometrie plus eine für jede Metrik charakteristische quadratische Form reduziert. Es ist hinterher spekuliert worden, dass sich auf Flächen von konstanter Krümmung kongruente Bewegungen durch die Wörtchen elliptische, euklidische oder hyperbolische kennzeichnen lassen. Das gilt ja nur bis sich die Bewegung aus der Struktur erschließen lässt. Was nun die Vermessung betrifft, verkürzen sich die Maßstäbe längs der Geraden dieser Ebenen genau wie es Lorentz verlangte. Um längentreue Abbildungen handelt es sich also nicht. Was Klein hat beweisen können ist, dass projektive Abbildungen konforme Transformationen sind, und dass aus dem Bogenelement im Sinne Riemanns stereographisch eine quadratische Form wird [11]. Zu diesem Zweck hat Klein aber die von Von Staudt gar abstrakt gefasste Geometrie herangezogen und sie pragmatisch ohne jede Metrik weiterentwickelt. Gelegentlich dieser Entwicklung hat er nicht nur die nichteuklidischen Geometrien, sondern auch die Geometrie der Lage sozusagen projektiv gedeutet. 5 Der Beitrag Felix Kleins zum Elektromagnetismus. Klein selber hat sich sowohl zu den ballschen Schrauben (als Bewegungen), als auch zur nicht-euklidischen Geometrie (als Raumstruktur) geäußert. Er hat beide Male eine Quadrik in dieselbe synthetische projektive Geometrie, als die allgemeinste Geometrie, einführt. In der speziellen Relativitätstheorie ist er nun so verfahren, dass er Lorentzgruppe und elektromagnetische Gleichungen zugleich eingetragen hat. Wie leicht einzusehen liegt, wenn beide Quadriken identisch sind, nur eine Redundanz vor, weil dann die spezielle Relativitätstheorie nach dem kleinschen Verfahren auf zweimalige Anwendung derselben Zutaten beruht. Wenn die Quadriken obendrein nicht einmal mathematisch übereinstimmen, fragt es sich, ob es gemeint ist, dass sie sich ineinander überführen lassen, oder ob es irgendwelche naturwissenschaftlichen Gründe gibt, um die eine davon zu 33 Gemeint ist, dass die Wölbung zwei Hauptnormalenschnitten mit in entgegengesetzten Richtungen weisenden Lotrechten besitzt. 34 Das Äquator stellt nur dann einen Rand dar, wenn die Halbkugel im euklidischen Raum gedacht wird. Projektiv bildet aber die einseitige innere Halbfläche die ganze hyperbolische Ebene ab. Deshalb wird das Äquator als Maßbestimmung gedeutet. 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 28 bevorzugen. Das ist angeblich der Sinn der im letzten Brief von 1917 an Einstein gerichteten Frage. Aus dem Nachtrag von 1921 zur Arbeit von 1910 erhellt, dass Klein, trotzdem er keine eigene Theorie zu bieten hatte, mit dessen Antwort noch nicht einverstanden war. Ginge es nur darum, für die einsteinsche Theorie irgendeine feste Anzahl von Raumdimensionen zu statuieren, dann wäre nach so vielen Jahren und so vielen weiterführenden Entwicklungen Klein auf diesem Gebiet nicht einmal mehr des historischen Erwähnens würdig. Er scheint aber eine etwas kernhaltigere Fragestellung hinterlassen zu haben. Nämlich in etwa so: wenn die maxwellschen Gleichungen zur Beschreibung der elektrisch wichtigen Tatsachen reichen, kommen wir diesmal zwar nicht mit den uns jetzt gewohnten räumlichen Vorstellungen aus, doch können wir hoffen, uns davon mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln ein Modell zu verschaffen. Wenn aber die einsteinschen Erwägungen notwendig dazu gehören, wird uns ein Hauptaspekt unserer Welt unzugänglich bleiben. Ein frühes Beispiel zum angeführten Ideenkreis sind die Versuche die Möglichkeit in ein vollständig abgesperrtes Zimmer hineinzudringen und es wieder zu verlassen zu verdeutlichen. Diese Gabe scheint, trotzdem sie den elektrischen Erscheinungen anhaftet, uns nicht gegönnt zu sein. Ferner ist es, wegen der Vertauschung von links und rechts, in unserer Welt unmöglich eine Spiegelung aus mechanischen Drehungen zusammenzubasteln. Trotzdem können Spiegel rechts und links, und obendrein oben und unten vertauschen. 5.1 Zu den geometrischen Grundlagen der Lorentzgruppe Die anfängliche Aussage Einsteins zur Kinematik bewegter Körper ging nicht von einer vierdimensionalen Welt aus, sondern behandelte die Zeit als Messgröße auf derselben Grundlage wie die Raumlagen. Das bedeutet freilich, dass auch die Zeit zur dynamisch relevanten Veränderlichen wird, meint aber nicht, dass sie geometrisch den Raumvariablen gleichzusetzen sei. In diesem Sinn ist die vierdimensionale Welt erst von Minkowski aufgestellt worden. Das Verhältnis der Theorie zum Experiment. – Laut Einstein sind theoretische Ansätze letzten Endes auf Messvorschriften zu stützen, weil Vermessungen die ganze Verknüpfung zur Wirklichkeit ausmachen. Somit erwartet man, dass die Relativitätstheorie genau mit getroffenen Messvorschriften übereinstimmen soll. Aus welchem Grund auch immer, unterscheidet sich aber das Simultaneitätsprinzip nicht nur von der absoluten Zeit Newtons, sondern auch von den zur Festlegung der Zeitzonen tatsächlich gefassten Bestimmungen. Das 1. Prinzip. - Einstein hat zwei Prinzipien, denen alle physikalischen Gesetze unterstellt sein sollen aufgestellt. Das 1. Prinzip verlangt, dass die physikalischen Gesetze für eine bestimmte Klasse von Beobachter analytisch unverändert lauten. Das hat Minkowski auf vier gleichberechtigte Argumente x, y, z, it(c = 1) übersetzt. Trotzdem Klein bestimmt nicht glaubte, dass ict in der pseudo-euklidischen Geometrie eine wirkliche, unversehens der Außenwelt anzuhängende Ausdehnung bedeuten sollte, enthält das von ihm für die Lorentzgruppe vorgeschlagene Modell 5 homogene projektive Punktkoordinaten xk , k = 1, 2, 3, 4, 5, wie dasjenige von Kaluza und O. Klein. Nur stimmt bei F. Klein die ,,physikalische Dimension“ mit der Anzahl der Argumente der zugehörigen affinen Mannigfaltigkeit, d.h. x = x1 /x5 , y = x2 /x5 , z = x3 /x5 und ict = x4 /x5 , überein. Was gibt es aber physikalisches an einer Dimension? Wenn es ohnehin um Doppelverhältnisse geht, lassen sich Geometrien von 4 auf 3 oder 2 Ausdehnungen projizieren. Besteht man unbedingt 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 29 auf 4 physikalisch relevante Größen, so gibt es bereits im projektiven Raum von 3 Dimensionen vierdimensionale Gebilde. Im synthetisch-geometrischen Raum gibt es ∞4 reelle Linien, so dass der uns gewohnte geometrische Raum bezüglich der Linien 4-dimensional ist. Dementsprechend hat Plücker eine beliebige Gerade im kartesischen Punktraum (ξ, η, ζ) durch die zwei Gleichungen: ξ = xζ + y, η = zζ + t analytisch ausgedrückt, weshalb dem Linienraum die rechtwinkligen inhomogenen Punktkoordinaten x, y, z, t einer vierfach ausgedehnten Mannigfaltigkeit zugeschrieben werden können. Da sich die elektromagnetischen Sätze im Vakuum, wie wir demn. zeigen, synthetisch-geometrisch als Nullsystem darstellen lassen, drücken E und H Koordinaten von Liniengebilden aus, und die Invarianz des maxwellschen Gleichungssystem besagt, dass Schraubungen35 ein Linienkomplex in sich überführen. Das 2. Prinzip. - Das 2. Prinzip schildert aufgrund eines Gedankenexperiments die Bedingung von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit beim Signal analytisch als Invarianz von x2 + y 2 + z 2 − c2 t2 . Nach der Weise, wie es Einstein eingeführt hat, liegt es nahe darunter die infinitesimale metrische36 Bedingung für das Bogenelement nach Riemann zu verstehen. Die lorentzsche Maßbestimmung ist auf die kanonische Form37 . Lägen ihr reelle homogene projektive Koordinaten zugrunde, entspräche sie einer ovalen Fläche in einer 3-dimensionalen Mannigfaltigkeit. Wenn man aber zur Aufrechterhaltung von metrischen Größen verlangt, dass das unendlichferne Gebiet in sich selbst übergeführt werden muss, handelt es sich eines in affinen Koordinaten ausgedrückten nullteiligen Hyperkegels, d.h. eines einmal ausgearteten Gebildes in einer vierdimensionalen Mannigfaltigkeit. Maßbestimmung und Raum. – Nehmen wir an, der Raum lasse sich mittels der drei Punktkoordinaten x, y und z darstellen. Dann werden Flächen im allgemeinen durch ebendiese Koordinaten ausgedrückt. Klein verbindet die Geometrie auf einer in diesem Raum eingebetteten Fläche mit der auf ihm geltenden Messvorschrift, indem er die ihr entsprechende Metrik an eine quadratische Gleichung knüpft. Er setzt zwei reelle Wurzeln mit der Existenz zweier Parallelen, und also mit der Geometrie von Gauß, Bolyai, Lobatschefsky in Verbindung. Zwei imaginäre Wurzeln bezieht er auf eine riemannsche Geometrie (Metrik auf der Kugel), und er denkt sich den Übergangsfall einer doppeltzählenden reellen Wurzel mit unserer Raumanschauung übereinstimmend. Seit Gauß ist es bekannt, dass sich Flächeneigenschaften, darunter die metrischen Verhältnisse, auch mittels Flächenkoordinaten u, v, angeben lassen. Es lassen sich nun über die sogenannten intrinsischen Koordinaten alle gewölbten, und trotzdem auf den euklidischen Raum abwickelbaren Räume, durch eine Transformation des Quadrats des Bogenelements auf allgemeine inhomogene Koordinaten wie folgt bestimmen: dx2 + dy 2 + dz 2 = Q1 dq12 + Q2 dq22 + Q3 dq32 + 2Q2 3dq2 dq3 + 2Q3 1dq3 dq1 + 2Q1 2dq1 dq2 , wobei Qi = (∂x/∂qi )2 + (∂y/∂qi )2 + (∂z/∂qi )2 , und 35 Es handelt sich hier der projektiven Bewegungsgruppe. führt diese Auffassung der Maßgrößen auf Cayley zurück. Der Geometer M. Pasch war fest überzeugt, dass Metrik und Infinitesimalrechnung, wegen der Definition von Häufungspunkt, unvereinbar seien. Davon angeregt, hatte daraufhin Klein seine invariante Quadrik zur Festlegung der Metrik eingeführt. Doch kann man die maßbestimmende Quadrik selber, ganz entgegen dem Laut des 2. Prinzips der Relativität, nicht metrisieren. 37 Nur nicht ausgeartete quadratische Gebilde ergeben dieselbe Figur wenn sie als Punkte (Gebilde zweiter Ordnung), oder als Tangentialebenen (Gebilde zweiter Klasse) erhalten werden. In diesem Fall benutzt Klein den Namen ,, Gebilde zweiten Grades“ für beide (Nichteuklidische S. 85). 36 Klein 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 30 Qi j = (∂x/∂qi )(∂x/∂qj )+(∂y/∂qi )(∂y/∂qj )+(∂z/∂qi )(∂z/∂qj ). Die Ausdrücke der Bogenelemente für nichteuklidische Räume38 leisten genau dasselbe, bis diese Räume ohne Dehnung übereinander abgerollt werden können. Aber jene Räume sind der Theorie nach auf eine Weise gewölbt, die es verhindert, die oben angeschriebene Gleichung für die Transformation eines Bogen auf einen ,,flachen“ Raum metrisch anzuwenden. Intrinsische Koordinaten lassen nur zur ersten Näherung nichteuklidische Ausdrücke auf den euklidischen Raum beziehen, wobei diese Näherung nicht mit Differentialausdrücken zu verwechseln ist. Klein hat nun zwecks der Bestimmung von Bewegungsgruppen und dergleichen den Ausdruck des Bogenelements schon für die spezielle Relativität mathematisch als projektive Maßbestimmung gedeutet39 . Da die projektive Geometrie auf lineare Gebilde gründet, wird das Bogenelement auf ihr nicht infinitesimal ausgedrückt. Statt dessen übertragen sich die Eigenschaften des zur Einführung einer Metrik nötigen Bogenelements, da sich in unausdehnbaren Mannigfaltigkeiten von konstanter Krümmung Umgebungen unermesslich entfernter Stellen durch nichts von der Umgebung des Ursprungs unterscheiden, vom unendlichkleinen Bereich gleich auf den ganzen Raum. Das projektive quadratische Gebilde Cayleys liegt folglich, auch wenn es im Endlichen erscheint, in unermesslicher Entfernung. Es gibt einen weiteren Unterschied zwischen differentialer und projektiver Geometrie. Weil sich aus derselben Halbkugel sowohl eine elliptische als auch eine hyperbolische Maßbestimmung auf dieselbe Ebene konform projizieren lassen, sind die drei Flächentypen, abgesehen von ihrer Maßbeziehung, projektiv ununterscheidbar. Das lässt sich wohl aus dem Umstand erklären, dass die projektive Gerade in sich geschlossen ist, und parallele Geraden projektiv zusammenlaufen. Wenn wir diese Überlegung auf den Raum erweitern, dann lassen sich aber projektiv die drei Geometriearten konform aufeinender projizieren.40 . Zum projektiven Raum von vier Dimensionen. - Ist der (synthetische) Raum vierfach ausgedehnt, dann gilt die projektive duale Entsprechung der Gebilde: Punkt ⇔ Ebene, Gerade ⇔ Gerade nicht mehr, und es tritt an seine Stelle: Punkt ⇔ Raum, Ebene ⇔ Gerade in Kraft. Bekanntlich führen auch die Koordinatensubstitutionen zu etwas unterschiedliche Bewegungen. In vier Dimensionen kommen nämlich zentro-affin lauter Drehungen, darunter auch Drehungen um Ebenen, in Frage. In drei affinen Dimensionen sind dagegen Spiegelungen davon abzuscheiden. Das kommt freilich projektiv auf dasselbe hinaus, wenn man bedenkt, dass ein ,,Kubus“ in einer vierfach ausgedehnten Welt auch Drehungen durchführt, die, wenn sie auf den uns gewohnten Raum projiziert werden, Spiegelungen bewirken. Aber diese Überlegung erfordert eine projektive Auffassung der Bewegungen, welche die Mechaniker bisweilen noch nicht in Betracht gezogen zu haben scheinen. Um jenen Standpunkt mit einem Ausdruck aus Klein 1910 wiederzugeben, scheinen immerhin alte und neue 41 Mechanik auf zwei experimentell voneinander unterscheidbare raumzeitliche Strukturen zu führen. Wir möchten diese Einsicht ergänzen. Falls unsere Welt, aus welchem Anlass auch immer, eine überschüssige Ausdehnung besitzen sollte, wären in ihr Drehungen 38 Parallelen sind von Haus aus eigentlich nur auf ebene Flächen definiert. besagt, dass er eigentlich die pseudoeuklidische Geometrie der speziellen Relativitätstheorie noch vor der Diskussion zwischen Einstein und De Sitter über die massenbedingte Raumkrümmung als Maßbestimmung behandelt hat. 40 Die projektive Geometrie unterscheidet Längenmessungen nicht von Winkelmessungen. 41 D.h. die Elektrodynamik. 39 Das 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 31 um Ebenen tatsächlich durchführbar. Diese Drehungen können wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln experimentell nicht nachweisen. Wird aber die einsteinsche Forderung, was Maßstäbe und Uhren betrifft, gestrichen, dann ist das kleinsche Modell nicht mehr metrisch, sondern projektiv eingebettet. Wegen des hier erfüllten Dualitätsprinzip werden aus unserer Sicht Punkte mit Ebenen vertauschbar, und somit werden Drehungen um Ebenen dualisiert. Sie werden mit unseren Mitteln eben als Spiegelung – Projektion der überzähligen Ausdehnung in unsere Welt - nachgewiesen. Es erhellt zugleich, warum man mehr Aussichten die optischen Erscheinungen zu verstehen hat, wenn man beispielsweise Spiegelungen nicht unbedingt als mechanische Drehungen begreifen will42 . Aus den eben angegebenen Gründen gehören die von Einstein verlangte Signalinvariante (2. Gesetz) sowie die Kovarianz der elektromagnetischen Gleichungen (1. Gesetz) in der kleinschen Deutung in demselben projektiven synthetischen Raum. Entweder lassen sich die elektromagnetischen Gesetze43 auf dasselbe Fundamentalgebilde bringen, oder ihre Quadriken können nicht durch reelle Kollineationen ineinander übergeführt werden, und bestimmen eventuell unterschiedliche Bewegungsgruppen. Die strenge Einteilung der quadratischen Formen nach dem Trägheitsindex gilt aber nur, bis man keine imaginären Substitutionen zulässt, was wir wegen ict und des Ausdrucks der Wellengleichung besonders hervorheben. 5.2 Zu den maxwellschen Gleichungen in der hertzschen Bezeichnung [12] Unter elektromagnetisches Gleichungssystem wird vielfach Verschiedenes gemeint44 . Obwohl es also Maxwell anfangs aus den Versuchen Faradays abgeleitet hat, scheint die genaue Form, in der es den Beobachtungen entsprechen soll, nicht ganz fest zu sein. Die heute fasst universell als fundamentale Lehrsätze des klassischen elektromagnetischen Feldes anerkannte Gleichungen sind immerhin Differentialgleichungen. Sie stellen Beziehungen zwischen 4 Feldveränderlichen E, D, H und B dar, und den Gleichungen geht meistens ein Kapitel über Vektorrechnung voran. Der Deutlichkeit halber stellen wir sie deshalb für das Vakuum, unter Benutzung der Ausdrücke E und B für die elektrische Feldgröße und die magnetische Induktion respektive, im gaußschen Maßsystem wieder zusammen. Daneben tragen wir gleich deren Bezeichnung nach Hertz, wie wir sie aus Kleins Arbeit von 1910 entnommen haben, und wie sie übrigens auch in der grundlegenden einsteinschen Arbeit von 1905 stehen. Wir meinen natürlich nicht, dass die hertzschen Ausdrücke (rechts), wie wir sie aus der kleinschen Arbeit abgeschrieben haben, die elektromagnetischen Gleichungen (links) in kartesischen Komponenten ausdrücken. 42 Schließlich dürfen optische Messungen wohl nicht ohne irgendeine Eichung als ,,metrisch“ bezeichnet werden. 43 Beim Nullsystem sind die Quadriken einschalige Hyperboloide. 44 Maxwell selber könnte Integralgleichungen über topologisch nicht einfach zusammenhängende Gebiete gemeint haben. Er hatte, da er die faradaysche Induktion zu erklären trachtete, zeitabhängige Erscheinungen im Sinn. Das kommt hier nicht mehr zur Diskussion. Allerdings hat er die vektorielle Potentialfunktion A eingeführt. 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 32 Coulombscher Satz. Keine freien elektrischen Ladungen ∇×E=0 ∂X/∂x + ∂Y /∂y + ∂Z/∂z = 0 Maxwellampèrescher Satz 1/c∂E/∂t = ∇ × B 1/c∂X/∂t = ∂M/∂z − ∂N/∂y 1/c∂Y /∂t = ∂N/∂x − ∂L/∂z 1/c∂Z/∂t = ∂L/∂y − ∂M/∂x Faradayscher Satz 1/c∂B/∂t = −∇ × E 1/c∂L/∂t = −[∂Y /∂z − ∂Z/∂y] 1/c∂M/∂t = −[∂Z/∂x − ∂X/∂z] 1/c∂N/∂t = −[∂X/∂y − ∂Y /∂x] Keine freien magnetischen Pole ∇·B=0 ∂L/∂x + ∂M/∂y + ∂N/∂z = 0 Deutung der in den Grundgleichungen gemeinten Größen. – Die elektromagnetischen Veränderlichen von heute und damals entsprechen auch ihrer Deutung nach einander kaum, obwohl die meisten Autoren nach wie vor zu einer energetischen Interpretation kommen. Heute schreibt man den E- und B- Felder dualistisch etwa eine Teilchennatur zu. Damals hat H. Hertz das ,,mechanische Äquivalent“ der Elektrizität vor Augen geschwebt. Der Einheitlichkeit der äquivalenten mechanischen Wirkung wegen, hat er ohne weiteres unter E immer die elektrostatische Kraft zwischen Ladungen verstanden. Aber er hat die Wesensgleichheit, was das mechanische Äquivalent betrifft, durchaus allgemeiner gefasst, da er auch H mit E für wesensgleich hielt, und insbesondere annahm, dass sich der lineare Magnetismus vollständig durch die elektrische Kraft aufheben lasse. Deshalb hat er 1884 elektrische und magnetische Kräfte aus derselben Potentialfunktion A abgeleitet. Das sieht unter Zugrundelegung der maxwellschen Eichung divA = 0 für das Strahlungsfeld ungefähr folgendermaßen aus. Die Ausdrucksweise des coulombschen Satzes (rechts) lautet: divE = −(1/c)div(dA/dt) = −(1/c)d(divA)/dt = 0, sofern die räumlichen Koordinaten nicht von der Zeit abhängen. Gibt es weiter nur geschlossene Ströme und keine magnetischen Ladungen, dann heißt es in vektorieller Schreibweise divJ = 0 und (wegen B = µ0 H, µ0 = 1)divH = 0, was wiederum H = rotA bedeutet. Der faradaysche Lehrsatz (rechts) folgt nun aus dH/dt = d(rotA)/dt = rot(dA/dt) = −crotE. Das ampère-maxwellsche Gesetz (1/c)J = (1/c)∂E/∂t = rotH, wobei J = dE/dt 45 , hängt dann direkt mit der Wellengleichung: ∆A−1/c2d2 A/dt2 = 0 zusammen46 . Diese Vereinbarung durchschaut man nicht mehr, wenn man nachträglich E in V /m und B in W b/m2 misst. Nullsystem und Spannungsflächen. – Nachdem A. Möbius begriffen hatte, dass die graphische Statik nicht ohne Weiteres auf den Raum zu erweitern ist, und außerdem auf Zeichenkunst47 fußt, hat er das Nullsystem in Betracht gezogen. Somit hat er die Statiklehre, ob sie mit den Naturwissenschaften irgend 45 Erst beim Ringintegrieren tritt die Konstante 4πN c hinzu. könnte mit Bezug zur Wellengleichung faradayschen und ampère-maxwellschen Lehrsatz als Existenzbedingungen für A halten. 47 Man könnte, trotzdem es aus Eschers Zeichnungen wohl hervorzugehen scheint, manche seiner Gebäude tatsächlich nicht zum ,,stehen“ veranlassen. 46 Man 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 33 zu tun hat oder nicht, mathematisch begründet, und bildlich als geometrisches Modell untermauert. ,,Nullsystem“ ist deswegen der in Bezug auf die Anwendungen der Statik geprägte Beiname des linearen Komplexes, einer Geometrie, welche keinen Anspruch auf Ähnlichkeit mit der von uns bewohnten Welt hat. Von Haus aus ist das Nullsystem eine besondere projektive Raumverwandtschaft, die sich rein synthetisch behandeln lässt. Laut Möbius ist der projektive geometrische Raum starr, weshalb ein gegebenes Kräftesystem im Prinzip für jeden Raumpunkt berechnet werden kann, sobald es für eine genügende Anzahl von Punktlagen bekannt ist. Als projektive Verwandtschaft genügt das Nullsystem, weil Längenund Winkelmaß übereinstimmen, dem Dualitätsprinzip Punkt ⇔ Ebene (wobei dual die Gerade sich selbst entspricht), und dem Invarianzprinzip des Doppelverhältnisses zwischen je 4 mit einer Geraden inzidierenden Punkten/Ebenen. Es werden beim Nullsystem Quadriken mit der Eigenschaft ausgezeichnet, dass jede ihrer Berührungsebenen den ihr durch die Verwandtschaft entsprechenden Punkt enthält, und umgekehrt. In der Statiklehre wird diese Besonderheit, ohne weiter auf die dualen Beziehungen Rücksicht zu nehmen, sowohl zur Befriedigung der Fundamentalgleichungen als auch zur Ermittlung der Belastung von Fachwerken benutzt. Als Klein 1904 über reziproke Diagramme in den maxwellschen Fachwerken zu sprechen kommt, notiert er, dass der Statik zuliebe die Achsen des reziproken Diagramms in dem cremonaschen Kräfteplan um einen rechten Winkel im Uhrzeigersinn gegenüber denen des maxwellschen Diagramms gedreht sind. Infolge der Drehung sieht die Raumverwandtschaft zwischen direkter und reziproker Figur anders, und insbesondere sind die Fundamentalgebilde mit der Besonderheit, dass ihre Punkte auf der jeweiligen dualen Ebene liegen auch unterschiedlich. Die räumlichen Gebilde, für welche diese Beziehung in der Statik gilt, sind nun die ausgezeichneten Quadriken des Nullsystems. Sie sehen, infolge einer Drehung, anders als die maxwellschen Spannungen aus. Weil durch Angabe einer invarianten Quadrik duale und reziproke Zuordnung vollkommen bestimmt werden, kann die Verwandtschaft stets auf den ganzen Raum erstreckt werden. Deshalb ersetzt die Auszeichnung auch eines einzigen Grundgebildes, unter Ausfall des Punkt-Ebene-Inzidenz Merkmales für die dann nicht auf dem Gebilde liegenden Punkte, geometrisch das statische Feld. Der Unterschied zwischen metrischer und projektiver Auffassung besteht darin, dass das metrische, jedoch nicht das projektive Gebilde normalisiert werden kann. Projektiv hat man immer mit unendlich vielen Grundgebilden zu rechnen. Synthetisch-geometrische Gestalt des Nullsystems. – Das Nullsystem ist hauptsächlich eine räumliche lineare Gruppierung von dreifach unendlich vielen Geraden, die aus Kreisregelschargebilden besteht. Weil es sich nicht auf die Blattebene einer Zeichnung [13]48 abbilden lässt, stellt es sozusagen eine Erweiterung der statischen Graphik auf räumliche Verhältnisse dar, wobei die Graphik gleichsam ausfällt. Obwohl es keine Figur im euklidischen Sinn darstellt, haben wir es teilweise49 auf ein Stück Papier gezeichnet. Wir meinen die in Abb. 1 (s. auch Abb. 2) dargestellte Projektion eines als Regelschar abgebildeten einschaligen Hyperboloids. Die Leitlinien sind lauter paarweise einander zugeordnete Polaren in Bezug 48 R. Descartes nennt auf S. 302 seines Buches die ebene Geometrie ,,gewöhnliche Geometrie“. 49 Das volle Gebilde ist ein projektives Torus. Geometrisch als riemannsches Gebilde aufgefasst, hieße es elliptisches Gebilde. 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 34 Abbildung 1: Einschaliges Hyperboloid. Die Tetraederkanten, welche Leitlinien bilden, gehören verschiedenen Gewinden an. Abbildung 2: Kreiszylinder. Eine der Achse koaxiale Hüllfläche. Sind die Punkte auf den Kreisumfängen Nullpunkte, dann ist das Tetraeder aus 4 Nullebenen herausgeschnitten. Die Nullebenen schneiden einander zu je 2 längs der Kreisdurchschnitte. Die Tetraederkanten, welche keine Kreisdurchschnitte sind, gehören 2 verschiedenen Regelschargewinden an. 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 35 Abbildung 3: Einschaliges Hyperboloid. Einander zugeordnete Polaren. auf die Zentralachse, die wir in Abb. 2 hervorgehoben haben. Wir haben, auf sie stützend, auch ein Bezugstetraeder, gebildet. Diejenige Ebene, in der sich die zwei fett durchgezogenen Tetraederkanten kreuzen, ist eine Tangentialebene. Ist sie eine Nullebene, so kommt der mit ihr vereinigte duale Punkt, der Nullpunkt, auf ihr zu liegen. Er ist Mittelpunkt sämtlicher Nullachsen auf seiner Nullebene, also insbesondere ist er Nullpunkt einer der durch ihn hindurchgezeichneten Regelscharlinien. Wenn man Schraubentransformationen zulässt, kommen auf dieser Hüllfläche sämtliche Nullpunkte auf die Regelschar mit derselben Neigung zu liegen. Das Tetraeder scheint hier, wie das Hyperboloid, ein festes Volumen zu besitzen, aber es sieht halt bei dieser Projektion so aus. Es ist darüber hinaus gar nicht gemeint, dass eine projektive Schraubung, d.h. eine lineare Übertragung des ganzen Raumes in sich, gerade dieses Tetraeder in sich überführt. Aus Abb. 3 erhellt, warum Tetraeder projektiv reine Illusionen oder, um uns mit Möbius Worten auszudrücken, reine außergewöhnliche Polyeder sind. Wäre nicht das Dualitätsprinzip, wobei dann jeder Punkt sozusagen auf die ihm entsprechende Ebene projiziert wird, so könnten die beiden Regelscharen derart gestellt werden, dass das einschalige Hyperboloid ausartet und mithin den projektiven Raum stürzt. Ungeachtet der Schwierigkeit, das Nullsystem auf einem Blatt Papier darzustellen, kann es analytisch charakterisiert werden. Führt man homogene Punktkoordinaten x, y, z, t für eine dreidimensionale Mannigfaltigkeit ein, dann lässt es sich auf das fundamentale Tetraeder analytisch beziehen. Es seien dazu zwei beliebig auf einer gegebenen Gerade des Systems liegende Punkte P → (x, y, z, t) und P ′ → (x′ , y ′ , z ′ , t′ ) angenommen. Dann lassen sich die ebenfalls homogenen Linienkoordinaten bezüglich dem Tetraeder folgendermaßen ausdrücken: X = xt′ − tx′ , Y = ty ′ − yt′ , Z = zt′ − tz ′ , L = yz ′ − zy ′ , M = xz ′ − zx′ und N = xy ′ − yx′ . Wir haben unten in Abb. 4 die Koordinaten eines weiteren Tetraeders projiziert. Die Koordinaten X : Y : Z : L : M : N befriedigen in diesem Fall die spezielle Gleichung XL + Y M + ZN = 0 identisch, und bestimmen somit eine beliebige Linie des Nullsystems durch 4 Linienkoordinaten nach Graßmann. Wir haben aber die Linienkoordinaten aus derselben Gerade P P ′ berechnet. Wenn wir statt dessen verlangen, dass eine bestimmte Linie X0′ : Y0′ : Z0′ : L′0 : M0′ : N0′ 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 36 Abbildung 4: X:Y:Z:L:M:N als Linienkoordinaten im speziellen Fall. geschnitten werde, lautet die Gleichung X0′ L+Y0′ M +Z0′ N +L′0X+M0′ Y +N0′ Z = 0. Die allgemeine bilineare Gleichung XL′ +Y M ′ +ZN ′ +LX ′ +M Y ′ +N Z ′ = 0 bestimmt schließlich sämtliche konjugierte Leitlinien. Ableitung des maxwellschen Satzes von Gleichungen aus dem Nullsystem. – Wenn man die eingangs gegebenen formellen Ansätze des Elektromagnetismus und der Statik miteinander vergleicht, so scheint die erste Theorie nicht sowohl auf dynamische als auf kinetische Grundsätze gegründet. Das bedeutet, dass man bezüglich der Gleichungen die Vereinbarung E ⇔ (X, Y, Z) und H ⇔ (L, M, N ) trifft (wir bemerken dabei gleich, dass mitunter auch die andere Zuordnung getroffen worden ist). Ferner lauten die Linienkoordinaten: Ex : Ey : Ez : Hx : Hy : Hz , und man kann die für das Nullsystem typische bilineare Gleichung auf elektromagnetische Koordinaten laut: Ex Hx′ + Ey Hy′ + Ez Hz′ + Hx Ex′ + Hy Ey′ + Hz Ez′ = 0 ausdrücken. Deswegen dürfte die Einführung infinitesimaler Transformationen, etwa Ex ds = −dV usw., und V = T dx/ds usw., wobei T die nach den Koordinatenachsen zerlegte Spannung bedeutet, insbesondere wenn man die Gültigkeit des Doppeltverhältnisses dE/E = dH/H im Betrag voraussetzt, kaum von Belang sein. E und H modellieren gleichwohl nach statischem Ermessen keine sich ausbreitenden Lösungen, sondern bestenfalls Momentbilder von sehr langsam veränderlichen mechanisch wirkenden Größen dar. Hingegen beruht die Deutung, im markanten Unterschied zur Dynamik, wo beliebige, jedoch für einen partikulären Massenpunkt kennzeichnende Anfangsbedingungen aufgelistet zu werden brauchen, auf das Entsprechen der 6 Koordinaten mit sechs für die Unbeweglichkeit notwendigen Bindungen. Das sind bestimmt keine physikalischen Bedingungen für das Einhalten des Gleichgewichts, wie es Ausdehnung und Undurchdringlichkeit der (starren) Körper es sind. Deshalb sind diese Bindungen stets mit Schraubungen, will sagen, Raumtransformationen verträglich. Zumal wir keine Deutung der Gleichungen nach statischen Ansichten erstreben, sondern uns ausschließlich für die Zulässigkeit des kleinschen Gedankengangs interessieren, geht es uns vorzüglich darum den Gleichungen einen geometrischen Gehalt innerhalb des Nullsystems zu verleihen. Sollte der Satz von Gleichungen relational im Sinne F. Kleins erstellt werden, dann wäre dass Nullsystem sowieso als rein geometrische Raumverwandtschaft aufzufassen50 . Dazu wählen wir ohne 50 Je nach der gewählten Invariante mögen die Linien irgendeine andere quadratische Regelschar bezeichnen. Während nun das maxwellsche Modell auf Schraubensymmetrie 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 37 irgendwelche Begründung die am Anfang dieses Kapitels ausgestellte Differentialform. Die Gleichungen lesen wir folglich als: Coulombscher Satz, keine freien Ladungen λE1 + µE2 + νE3 = 0 ∂X/∂x + ∂Y /∂y + ∂Z/∂z = 0 Maxwellampèrescher Satz ρE1 = µ′ H2 − ν ′ H3 σE2 = ν ′ H3 − λ′ H1 τ E3 = λ′ H1 − µ′ H2 1/c∂X/∂t = ∂M/∂z − ∂N/∂y 1/c∂Y /∂t = ∂N/∂x − ∂L/∂z 1/c∂Z/∂t = ∂L/∂y − ∂M/∂x Faradayscher Satz ρ′ H1 = −[µE2 − νE3 ] σ ′ H2 = −[νE3 − λE1 ] τ ′ H3 = −[λE1 − µE2 ] 51 1/c∂L/∂t = −[∂Y /∂z − ∂Z/∂y] 1/c∂M/∂t = −[∂Z/∂x − ∂X/∂z] 1/c∂N/∂t = −[∂X/∂y − ∂Y /∂x] Keine freien magnetischen Monopole λ′ H1 + µ′ H2 + ν ′ H3 = 0 ∂L/∂x + ∂M/∂y + ∂N/∂z = 0 Nach diesen Glossen seien Pi = (xi , yi , zi ), i = 0, 1, 2, 3 vier Punkte mit den inhomogenen Koordinaten x, y, z. Es werden die Bedingungen niedergeschrieben, unter welchen eine durch sie hindurchgehende Gerade mit ρEi = (xi − x0 , yi − y0 , zi − z0 ) = (Ei x, Ei y, Ei z) gleichgerichtet ist. Durch P1 geht die durch das Verhältnis (x − x1 )/E1 x = (y − y1 )/E1 y = (z − z1 )/E1 z bestimmte Gerade g1 , was die drei folgenden Gleichungen ergibt: E1 x(y − y1 ) = E1 y(x − x1 ), E1 x(z − z1 ) = E1 z(x − x1 ), E1 y(z − z1 ) = E1 z(y − y1 ). Ganz auf dieselbe Weise lassen sich zu ρE2 und ρE3 gleichgerichtete Geraden g2 und g3 durch die Punkte P2 und P3 respektive anlegen. Da wir die ρEi sämtlich durch P0 gewählt haben, kann man natürlich einen Bündel durch P0 definieren. Drückt man den Bündel als λE1 + µE2 + νE3 = 0 aus, so bestimmt P0 + λE1 = 0 außer P1 noch weitere Punkte P1′ , P1′′ , u.s.w., so dass, wenn wir P3 − P2 = H1 , P1 − P3 = H2 , P2 − P1 = H3 nennen, sich die Strahlen µ′ H2 − ν ′ H3 = 0 (längs der ρE1 Geraden), ν ′ H3 − λ′ H1 = 0 und λ′ H1 − µ′ H2 = 0 (längs der beiden anderen Geraden) weiterhin in P0 treffen. Wir haben das in Abb. 5 zu wiedergeben versucht. In Abbildung 5 ist Ei als Geradenbündel durch einen Punkt, Hi aber als ebenes Dreiseit zu verstehen. Wenn diese Ausdrücke nicht verschwinden, werden P1′ P2′ P3′ , P1′′ P2′′ P3′′ usw. keine Dreiecke. Nach demselben Theorem von Desargues bestimmt man dual, dass sich die gleichnamigen Schenkel zweier Dreiseiten H1 H2 H3 , und H′1 H′2 H′3 auf einer Achse kreuzen. Diese Punkte sind die Büschelmittelpunkte von νE3 −µE2 = 0, λE1 −νE3 = 0 und µE2 −λE1 = 0. Eine Drehung um eine Achse findet aber im Nullsystem im Allgemeinen nicht statt. Da der Satz von Desargues nach den oben geschriebenen Gleichungen für alleinstehende Tripel Ei und Hi nicht zur Geltung kommt, zeigt die am Anfang stehende gründet, ist Kleins Einführung der Imaginären Geraden für die Darstellung der Bewegungen wichtig, weil sie die Mittel an die Hand gibt, die Quadriken ineinander zu überführen. 51 Das Minuszeichen deutet an, dass das Dreieck im Vergleich zum vorangehenden Fall mit umgekehrten Sinn um die Achse dreht. In der Abbildung scheint das Dreieck dabei umzuklappen. Aber der Satz von Desargues ist projektiv. 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 38 Abbildung 5: Zum Theorem von Desargues. Abbildung 6: Kräfteparallelogramm nach Möbius. Übersicht einen Satz Gleichungen, deren Verwandtschaft weder Fluchtpunkt noch -Achse zulässt. Das Nullsystem besitzt diese Eigenschaft. Fundamentalgleichungen der Statik. – Möbius hat das Nullsystem auf den Fall angewendet, dass zwei zueinander windschiefe Kräfte auf einen (geometrischen) Körper wirken, und die Gleichgewichtsstellungen untersucht. Um dabei polare und axiale Vektoren nicht miteinander addieren zu müssen, hat er bereits in der Ebene aus dem Kräfteparallelogramm herausgelesen, dass sich im Gleichgewicht zwei einander entgegengerichtete Paare bilden, die sich nach Abb. 6 stets das Gleichgewicht halten. Mit dieser Festsetzung schließen in der Ebene Kraftvektoren immer orientierte Flächen ein. Dieser Begriff lässt sich nun auf das allgemeinste System von zueinander windschiefen Kräften im Raum erweitern. Wenn man die Darstellung auf den Raum überträgt, können zwar Flächen ein Volumen fassen, dem eine relative Zahl als Inhalt zukommt. Jedoch wird dann dieselbe Kante aus zwei angrenzenden Flächen jeweils in umgekehrter Richtung durchgelaufen. Möbius hat obendrein gelegentlich darauf aufmerksam gemacht, dass man Flächen mit sich kreuzenden Kanten sogar keinen festen Wert des Flächeninhalts mehr verleihen kann. Dieses Problem tritt für Körper mit einseitigen Flächen ein, da sie lauter außerordentliche Polyeder sind. Beiläufig wollen wir noch erwähnen, dass man darum historisch das projektive Linienelement als Raumelement angenommen hat, weil es selbstdual ist. Die Fundamentalgleichungen der Statik lauten, wenn sie weder sämtlich von einem Punkt ausgehen (Resultante), noch sich auf eine einzige Ebene reduzieren (Paar): R = 0 und M = 0. Möbius hat darauf hingewiesen, dass es möglich ist zwei windschiefe Kräfte auf eine einzige Weise auf eine Resultante R und ein gleichgerichtetes Kräftepaar M zu reduzieren. Das entspricht etwa der Transformation 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 39 von Abbildung 1 zu Abbildung 3 auf der Walze. War die Nullachse anfangs für das statische Gleichgewicht kennzeichnend, so werden durch die Verwandtschaft sämtliche Leitlinien auf der gezeichneten Hüllfläche Nullachsen. Geometrische Symmetrien und Prinzipien der Dynamik. – Möbius selber hat sich, obwohl er auch den Bewegungen eine geometrische Grundlegung zu verleihen gedachte, nicht besonders damit befasst. Einen Ansatz hat er trotzdem hinterlassen: seine Lehrsätze zum Gleichgewicht von an elastischen Körpern angreifenden Kräftesystemen stehen, da er eine zur ersten Ordnung kleine Beweglichkeit gegenüber der nullten Ordnung heranzieht, der Potentialtheorie bemerkenswert nahe. Wie schon angedeutet war auch Plücker der Meinung, dass sich die Geometrie auf die Bewegung anwenden ließe. Plückers Vorstellung über die Zuordnung von Kraft und Kinetik beruhte doch offensichtlich nicht auf Ursache und Wirkung, wie bei Newton, sondern eher auf geometrische Symmetrieeigenschaften der Figuren. So wurden, weil beides mal eine Gerade in sich überführt wurde, Kräfte mit elementaren52 Rotationen koordiniert. Dabei drückte die Gerade einmal die Wirkungslinie der Kraft, das andere Mal die Rotationsachse aus. Die Aussage, dass es diese invariante Gerade auch für Kräftepaar und Verschiebung gibt, kann allerdings nicht strikt innerhalb der euklidischen Geometrie bewiesen werden53 . Der Inbegriff aller Kräfte und Paare, bzw. aller Verschiebungen und Drehungen, wurde trotzdem Dyname genannt und zur Gesamtheit der Raumlinien bezogen. Der grundlegende Ansatz zum geometrischen Begriff der Bewegung hat erst Klein geliefert. Er beruht völlig auf den Erlanger Programm. Die übliche, metrisch verstandene Statiklehre, aus der die Bewegungslehre abgeleitet wird, geht jedenfalls weiter als das Nullsystem, und deutet R als Kraftresultante längs der Schraubenachse und M als ihr zugeordnetes Paar in einer der Achse senkrechten Ebene54 . Der springende Punkt ist, dass sich dieser Unterschied nicht aufrechterhalten lässt, sobald es einen Anlass dazu gäbe, also im Fall stationärer Bewegungen. Geometrisch fußt nämlich die Bewegung auf Symmetrieeigenschaften der Figuren. Nun werden sämtliche Nullgeraden auf den Hüllflächen des Nullsystems als geodätische Linien erklärt. Sie bilden auf doppelkegelartigen Regelscharen und geraden Kreiszylindern Geraden. Schiefwinklige Mantelgeraden werden mitunter auch berücksichtigt, und werden, obwohl sie geometrisch lauter gerade Strecken auf rektifizierbaren Flächen sind, als Windungen gedeutet. Die Hülle bleibt bei Schraubenbewegungen55 der schiefwinkligen Mantelgeraden aus Symmetriegründen invariant, wobei es je nach der Schraubung eine auf die andere als fest gedachte Regelschar sich als ganzes verschiebt. Geometrisch gelten auch reine Drehungen noch als Symmetrietransformationen. Die Statiklehre deutet im Nachhinein 52 Das Wort ,,elementar“ bezieht sich auf die Möglichkeit jede beobachtete Bewegung aus einfachen Urtypen zusammenzustellen. Klein hat elementar mit infinitesimal ersetzt. Das mag aber nicht stimmen, weil die hier in Betracht gezogenen Symmetrien mit der Infinitesimalrechnung nichts zu tun haben. Es ist auch so, dass infinitesimale Drehungen hart von Verschiebungen zu unterscheiden sind. 53 Das geht nur durch adjungieren des Unendliches. 54 Man dachte zeitweilig, dass sich die Schraubung als allgemeinste Bewegung aus den Elementarbewegungen Verschiebung und Drehung zusammensetze. Später wurde aber die Verschiebung als Resultierende zweier entgegengesetzten Drehungen erklärt. Räumliche Drehungen sind jedoch keine einfachen Drehungen, weshalb man endlich Elementarbewegungen auf infinitesimale Bewegungen zurückführte. 55 Weil hier ein System von Regelscharen in betracht kommt, ist es angebracht daran zu erinnern, dass projektiv die Linien von einer Regelschar zur anderen überspringen können. 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 40 diese Art der Raumübertragungen als Erhaltungssätze. Sie könnte genauso gut auf diese Interpretation verzichten. Zum absoluten Raum. – Schraubentransformationen sind, wie wir bis jetzt gezeigt haben, die ,,Symmetrietransformationen der Statik“. Maxwells elastomechanische Spannungen des Äthers weisen freilich eine andere Invariante auf. Einstein hat schließlich den Satz der Invarianz der Lichtgeschwindigkeit aufgestellt. Man könnte nun behaupten, dass Koordinatentransformationen zur Wiedergabe der Relativität des Bewegungszustandes begrifflich anschaulicher seien. Stabile statische Spannungsverteilungen sind tatsächlich, ohne einen ziemlichen Aufwand Mühe an Körpern kaum56 , und im Äther schon gar nicht messbar. Was aber die synthetisch-geometrischen Modelle betrifft, weisen sie sämtlich eine Invariante Quadrik auf. Die Stärke des geometrischen Modells besteht eben darin, dass die entsprechenden Theorien, ohne Besonderheiten der mathematischen Hilfsmittel oder tückische Erscheinungen bei der Deutung beachten zu müssen, untereinander vergleichbar werden. Zur Ausschaltung der Fernwirkung. - Nun versuchen wir zu erörtern, was mit der Erklärung verbunden sein könnte, es gäbe keine von fern wirkenden Kräfte. Auf der Ebene darf man das Moment immer durch eine äquivalente Kraft im Unendlichen ersetzen, was damit gleichkommt, dass man geometrisch entweder H auf E oder umgekehrt reduziert. Das will man im Elektromagnetismus von Haus aus nicht haben, weil man damit nicht über die elektro- und magnetostatischen Aussagen ginge, während doch Induktion und Maxwell- Ampèresche Gleichung E und H auf nicht-triviale Weise zueinander beziehen57 . Für das Nullsystem als räumliche Geometrie soll also das gegenseitige Reduzieren irgendwie nicht mehr zutreffen. Der klaffende Widerspruch entsteht, weil die Kräfte zur Reduktion eines Kräftesystems der Parallelogrammregel nach längs ihrer Richtung bis zu einem gemeinsamen, eventuell unendlich weit entfernten Angriffspunkt verschoben werden müssen. Will man nun keine unendlichferne unendlichkleine Kraft zulassen, dann stürzt man im Raum beiläufig den Parallelismusbegriff. Gibt es nämlich keinen Punkt im Unendlichen aus dem sich untereinander parallele Ebenen projizieren lassen, dann liegen die parallelen Kräfte entweder bereits auf einer gemeinsamen Ebene des Raumes, oder sie sind auf Regelscharen verteilt, gelten als zueinander windschief und lassen sich nimmer auf eine Resultante reduzieren. Das nichtentartete Nullsystem stellt den zweiten Fall dar. Schließt man umgekehrt nach Maxwell im Voraus jede Fernwirkung aus, dann ist man dazu berechtigt den Unterschied zwischen den im Endlichen und Unendlichen gelegenen Punkten fallen zu lassen. Zur Ausschaltung der Laufbahnen. – Die lineare geometrische Bewegungsbeziehung, die aus dem Nullsystem hervorgeht weist keine Punktbahnen auf. Sollte man unter Beibehaltung des Modells Punkte als Elemente einbeziehen, wären unbedingt 56 Ob und inwiefern Aushöhlungen die elektromagnetische Wirkung auf die Materie an Ort und Stelle zu messen gestatten, möchten wir jetzt nicht besprechen. Jedenfalls werden heute zunehmend solche Signalmessungen vorgezogen, die gleich einen ganzen von Außen bestrahlten Körper durch ihre Verteilung kennzeichnen. Auch typisch mechanische, z.B photoelastische Messungen werden an besonders dazu hergestellten durchsichtigen Probekörpern vorgenommen. 57 Wegen des projektiven Ausfalls des Unterschiedes zwischen Drehungen und Verschiebungen, bedeutet das nicht, dass sich die eine Größe als Drehgröße, die andere aber als Verschiebung deuten ließe. 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 41 Ebenen als Elemente mitzunehmen. Aus diesem Grund passt keine projektive Geometrie, wie sie gewöhnlich verstanden wird, zur Darstellung von Ladungen und konvektiven Strömen. Trotz dass die Raumverwandtschaften wie ,,Drehungen um Hauptachsen“ behandelt werden (Eigenwerteprobleme), wobei keine oder zwei Strahlen projektiv unbewegt bleiben können58 , kommt ihnen ferner keine Drehfrequenz zu. Die Linienelemente selber bedeuten unteilbare Strahlen/Achsen, was an die ältere und links liegen gelassene alternative zur Infinitesimalrechnung anknüpft (J. Bell), und nicht mit derjenigen Bahnparametrisierung zu verwechseln ist, deren zweite Ableitung nach t zum Kraftgesetz führt. Es bleibt zu zeigen, dass die projektive Geometrie überhaupt keine Bestimmung einer punktierten Bahn erlaubt. Wir erinnern daran, dass auf Linienkoordinaten keine Raumpunkte bezeichnet werden, obwohl die Transformationen des Nullsystems Punkte in Punkte oder Ebenen (da sie nicht selbstdual sind) überführen. Projektiv kann ein Punkt nur als Bündelmittelpunkt erklärt werden. Im Fall, dass der Punkt unermesslich fern zu liegen kommt, kann er dann mit einer einzigen Richtung verbunden werden, aber, wegen des Dualitätsprinzips, trotzdem mit keinem einzelnen Strahl. Geometrisch zu fassende Unterschiede zwischen Mechanik und Elektromagnetismus. – Klein meinte wohl, jenseits aller physikalischen Vorstellungen, der Welt eine einzige beobachtbare Struktur beimessen zu sollen, weil er also schließt: ,,Infolgedessen können wir bei den meisten Beobachtungen der Physik und im besonderen der Astronomie die Gültigkeit der klassischen Mechanik voraussetzen, ohne merkliche Fehler zu begehen.“59 Wir glauben dagegen nicht im Geringsten die Einheitlichkeit der Welt auf unsere Erfahrung stützen zu können. Selbstredend sind projektive Darstellungen keineswegs zur Auffassung der elektrischen Erscheinungen erfunden worden. Es ist ferner nicht anzunehmen, dass die dargestellten Größen je nach der gewählten Mathematik automatisch irgendwie zu einer bestimmten Gruppe von Erscheinungen passten. So sind E, H nicht darum physikalisch Felder, weil sie sich einem Nullsystem oder gar einer Wellengleichung fügen. Darum mochte die Frage, inwiefern Maxwell als lineare elektromagnetische Erscheinungen andere Erscheinungen als Newton meinte, eine interessante sein. Der gewählten mathematischen Ausdrucksform wegen, möchten wir immerhin dreierlei unterschiedlich beurteilen. • Erfahrungsgemäß können Körper niemals überlagert werden. Newton ging davon aus, dass sich Körper nicht ohne ein schreckliches Zusammenprallen durchdringen. Die Anfangsbedingungen in der Bahndarstellung dienen dazu, dieser Möglichkeit in den gesetzlich erlaubten Bahnen vorzubeugen. Die mathematischen Punkte untergehen nämlich selber keine Stoßprozesse. Im Gegenteil können wir so viele Punkte überlagern, wie wir wollen. Auch betreffs der Beobachtung ist Newtons Auffassung nicht unbedingt selbstverständlich, denn wir sehen ja wie sich Mond und Sonne während einer Sonnenfinsternis überlagern. Der fortschreitenden Wellenlösungen kann man wie der Punkte so viele überlagern, wie man Lust dazu hat, und der Unterschied zur mechanischen Vorstellung liegt nur darin, dass Rundfunksendungen im Modulierungs- Entmodulierungsprozess gerade davon Anwendung machen. 58 In entarteten Fällen kommt auch ein einziger Strahl als Invariante vor. Zeile in den Vorlesungen über nicht-Euklidische Geometrie, für den Druck neu bearbeitet von W. Rosemann, im 1928. 59 Letzte 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 42 • Erfahrungsgemäß ist die Lage von Körpern (bzw. von Kraftfeldern) immer messend festzustellen, was man üblich auf den Begriff der Lokalisierbarkeit zurückführt. Die ebenen Wellen oder Wellenpakete sind in der raumzeitlichen Darstellung nicht lokalisierbar. Aber darum handelt es sich eben nicht. Indem Newton die Massenpunkte mittels Anfangsbedingungen charakterisiert, nimmt er diese als Körpereigenschaften an. Mathematisch ist es allerdings nicht leichter, einen Punkt auf einer Gerade als eine Wellenlösung im Raum zu lokalisieren. Der Gesichtssinnerfahrung nach lässt dazu die optische Lokalisierung all derjenigen Körper, die selber oder abgebildet dicht am Brennpunkt eines optischen Apparates zu liegen kommen zu wünschen übrig. • Als er die Ableitungen einführte, hat sich Newton von der Vorstellung der Bewegung als von einer stetigen Überführung der Punkte leiten lassen. Es sieht so aus, als ob die Erscheinungen diese Ansicht bestätigten. Auch die Ansicht, dass sich die unmittelbare Nachbarschaft eines Punktes während der Bewegung im Sinn des lokalen Zusammenhangs beliebig wenig vom Punkte entfernt, schein bestätigt. Beide fallen bei Beobachtungen am Spiegel aus. Kein Bild passiert die Brennebene einer Linse oder eines Spiegels stetig, oder bleibt sich dabei ähnlich, obwohl es als Ganzes abgebildet wird. Trotzdem lassen sich die eben genannten Beobachtungen mathematisch durch stetige Funktionen darstellen. Zum kleinschen Modell. - Die von Klein betrachtete Geometrie kann nun, wenn man den räumlichen Sehsinn ausnutzt60 , auch rein visuell angeschaut werden. Es handelt sich natürlich nur von einer anderen plastischen Deutung. Mit optischen Mitteln bildet man aber räumliche Beziehungen, ohne auf Flächeneinbettungen im Euklidischen Raum angewiesen zu werden, direkt projektiv ab. Anschaulich sind die Bilder freilich nicht, weil man einer ziemlichen Einübung bedarf, um sie überhaupt als räumlich zu entschlüsseln. Die Loslösung von den mechanischen Vorstellungen in der Modellierung von elektromagnetischen Signaltheorien setzt allerdings die Erfassung solcher Beziehungen voraus. Wird die beim ersten Blick nicht ganz anschauliche, doch recht bildhafte optische Ausführung der Geometrie der Lage nach Klein gedeutet, dann muss man beispielsweise gewahr sein, dass sich optisch keine Raumstruktur, sondern bestenfalls das empfangene Signal abbildet. Die die Abbildung erzeugende Transformation soll versuchsweise als Bewegung im Mittelpunkt der Modellierung verlegt werden, und das Wort ,,Abbildung“ nur dazu benutzt werden, um die Plastik der geometrischen Darstellung hervorzuheben. Mit optischen Bildern beliebiger Körper dürfen also die mathematischen Beziehungen des Elektromagnetismus wie gesagt modelliert, jedoch nicht identifiziert werden, weil sie im Modell Transformationen sind. Zudem sollen einfache geometrische Gebilde wie Punkte, Ebenen und Strahlen ausgemacht und physikalisch gedeutet werden. Wenn man mittels physikalischer Vorstellungen zur Konstruktion des räumlichen Modells gelangt, mögen unterschiedliche Merkmale die Wahl bestimmen. So würden wir jetzt rein optisch, und unbeachtet der mathematischen Schwierigkeiten das Element mit dem ,,Bild des sehr weit entfernten Fremdstrahlers“ gleichsetzen, und dementsprechend eher die Punkt/Richtung und die ihr duale Ebene in betracht nehmen. Sollte die Theorie unseren jetzigen Ansichten über optische Signale entsprechen, dann lägen ihr darüber hinaus, wie bereits von Klein verlangt, allgemeinere Transformationen der invarianten Quadrik zugrunde. 60 Weil sich die räumlichen Gegenstände auf der zwar gekrümmten, doch flachen Netzhaut abbilden, und wir sie obendrein unwillkürlich scharf stellen, entspricht die räumliche Ausdehnung der optischen Bilder einer verwickelten Erfahrung. 5 DER BEITRAG FELIX KLEINS ZUM ELEKTROMAGNETISMUS. 43 Zum Schluss möchten wir einige Umstände erwähnen, die zur Tilgung des kleinschen Modells beigetragen haben könnten. 1. Eben hatte man noch geglaubt, Raum und Ausdehnung wären identisch. Man kann nicht erwarten, dass Klein selber die Metrik in der plötzlich relational verstandenen Geometrie etwa klar und deutlich als reiner Ballast empfinden sollte. 2. Die (flache) Perspektive war in der Malerei kanonisiert, so dass oft einzig die mit der optischen Projektion verbundene Graphik als projektive Geometrie galt. Umgekehrt wurden Parallaxeeffekte aus den optischen Erscheinungen standardmäßig abgestreift. 3. Bis fasst zu Kleins Zeiten war der geometrische Raum mit dem analytischen Punktraum von drei Dimensionen gleichgeschaltet worden. 4. Um die Jahrhundertwende zum 1900 wurden viele verschiedene Systeme zur Darstellung der Drehungen vorgeschlagen. Bestimmend für die Anwendungen wurde dann der bequeme Anschluss an die Analysis. Deshalb wurde die Vektoralgebra populär. 5. Die auf den Linienelement gebaute Geometrie ist angeboren räumlich, was leicht zu erkennen ist: sind keine Punkte als Elemente gegeben, dann besteht auch nicht die Möglichkeit sich durch Projizieren aus einem Punkt auf die Geometrie in der Ebene zu reduzieren. 6. Die sogenannte geometrische Optik benutzt Lichtstrahlen zur graphischen Auswertung der flachen Abbildungen. Entsprechend wurde die Gerade als Raumelement anschaulich sofort mit einem Lichtbündel identifiziert. Das hatte keinen Anhaltspunkt. Das hat dem Bestehen des kleinschen Modells nichts geholfen. 5.3 Schlussbemerkungen Wir fassen diese Auseinandersetzung mit dem kleinschen Modell des Elektromagnetismus noch auf eine andere Weise zusammen. Geometrisierung. Modellierung. Sie gilt nur zur übersichtlichen Überprüfung der Widerspruchslosigkeit der Gleichungen. Dazu braucht man mathematische Ausdrücke eindeutig durch Gebilde darzustellen. Relativitätstheorie und statistische Mechanik nehmen aber hin, dass sich die geometrische Nachprüfung der logischen Kohärenz nicht auf beobachtbare Raumeigenschaften stützen kann. Sie knüpft auf eine zugleich synthetisch geometrisch und mathematisch geltende Relation. Die Liniengebilde im Linienraum können so verteilt werden, dass ihre Bewegung ein System von Quadriken in sich überführt. Dann bilden die Linien Regelscharen, und die Bewegungen sind (hyperbolische) Schraubungen. Diese werden proiektiv auf lineare Substitutionen in der komplexen Zahlenebene und somit auf die Funktionentheorie bezogen61 . 61 Zur hyperbolischen Bewegung muss bemerkt werden, dass die projektive Ebene einseitig, die zweischalige Hyperboloiden und die euklidische Ebene dagegen zweiseitig sind. 44 LITERATUR Die Relevanz einer einschlägig gestalteten Mathematik für das Verständnis der unvermittelt beobachteten Tatsachen wird unterschätzt. Denn man sagt, dass die Wirklichkeit durchaus nicht den Beobachtungen zu entsprechen braucht. Die projektiven Raumbeziehungen können optisch veranschaulicht werden. Wenn man die Spiegelung nach der Strahlenoptik rein graphisch fasst, kommt man zu hyperbolischen Bewegungen. Wenn man dem logischen Ausbau der Geometrie Verwandtschaften zugrundelegt, kommen im Nullsystem dieselbe hyperbolischen Bewegungen vor, wie in der Theorie der automorphen Funktionen. Ein verallgemeinerter Zusammenhang, mit Einbeziehung imaginärer Transformationen, zwischen synthetischer Geometrie und Funktionentheorie hat F. Klein ausgebaut. Das Einbeziehen imaginärer Transformationen ist auch notwendig, wenn man unbesorgt von den maxwellschen Gleichungen zur Wellengleichung überzuwechseln wünscht. Das entspricht einer Erweiterung im Sinne Reye der von Möbius für die Statik aufgestellten Geometrie. Diesen Vorschlag hat wiederum schon Klein an Einstein aus denselben Grund heraus gemacht. Das würde das geometrische Modell zu einer elektromagnetischen Theorie des empfangenes Signals liefern. Natürlich begründet eine Versinnbildlichung der Geometrie für sich noch nicht die elektromagnetische Theorie als Signaltheorie. Hier waren wir aber vorerst an einen Vorschlag zum Vordringen interessiert. Später, wenn man so viele Arten von empfangenen Signalen wie möglich unterzubringen trachtet, werden mutmaßlich weitere Erwägungen mehr in den Vordergrund treten. Literatur [1] F.Klein, Gesammelte mathematische Abhandlungen, 1. Band Reprint, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York (1973). Von S.516, 2. Absatz bis Ende. [2] F.Klein, Elementarmathematik vom höheren Standpunkte aus, II S.11 - 16. [3] L S Yao, http://arxiv.org/abs/nlin.CD/0506045. [4] H. Hertz, Wied. Ann der Phys. U. Chem. 23:84 (1884). [5] A. Möbius, Gesammelte Werke, III Herausgegeben von F. Klein. Dr. Martin Sändig oHG Wiesbaden 1886 (1967). [6] J. D. Jackson http://arxiv.org/abs/physics/0506053. [7] B. Riemann, Ann. Phys. Chem 131:237 (1867). [8] F. Klein, Gesammelte mathematische Abhandlungen, 2. Band, Arbeiten über lineare Differentialgleichungen, LXV. [9] H. Helmholtz, http://philosophiebuch.de/helmhgeo.htm. [10] E. Rosinger, http://arxiv.org/abs/physics/0512203 LITERATUR 45 [11] F. Klein, Vorlesungen über nicht-euklidische Geometrie, Berlin J. Springer Verlag (1928). Nachdruck 1968. [12] F.Klein, Elementarmathematik vom höheren Standpunkte aus, II S. 22 – 42. [13] D.E. Smith & M. L. Latham, The Geometry of René Descartes, Dover Publications, Inc. New York (1954)