31 LBP-Mitteilung 06 (2012) Neues aus der Bauphysikalischen Lehre und Forschung, kurz gefasst M. Praster, C. van Treeck, K. Sedlbauer Wärme- und Feuchtetransport durch Textilien 1. Einleitung Bei der Behaglichkeitsbewertung in Räumen kommen meistens nur stationäre Modelle und Diagramme zum Einsatz. Bei der Ermittlung einer optimalen Raumtemperatur spielten dabei nur der thermische Widerstand der Kleidung und die Wärmeproduktion der Nutzer, die Raumumschließungsflächentemperatur, die Raumtemperatur und die Luftgeschwindigkeiten im Raum eine Rolle. Diese Methoden vernachlässigen größtenteils den instationären Feuchtetransport durch die Bekleidung. Auf Grund der ständigen Feuchteabgabe des Menschen und der Kenntnis, dass der Feuchtestrom einen direkten Einfluss auf den thermischen Widerstand der Bekleidung hat, folgt eine Wechselwirkung zwischen Wärme- und Feuchteströmen, die bisher bei der Behaglichkeitsbewertung nicht betrachtet wird. 2. Ziel der Arbeit Das Ziel der Arbeit [1] ist, die Gemeinsamkeiten der beiden Fachgebiete Bauphysik und Bekleidungsphysiologie aufzuzeigen. Während in der Bauphysik z.B. Regen- und Tauwasserprobleme von Bauteilen im Vordergrund stehen, stellt sich bei Textilien unter anderem die Frage nach dem Schwitzen und dessen Auswirkungen auf die Behaglichkeit. Daraus entwickelten sich unterschiedliche Ansätze zur Beschreibung des hygrothermischen Verhaltens in der jeweiligen Disziplin. Diese zwei verschiedenen Ansätze sollen sowohl theoretisch, als auch simulativ verglichen werden, um damit deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen und die Frage zu beantworten, ob die Ansätze vergleichbar sind oder, ob sich die Forschung mehr auf den einen oder den anderen Ansatz konzentrieren sollte. 3. als Textil die Baumwolle verwendet. Grundsätzlich unterscheidet sich ein Baustoff wie Beton kaum von einem Textil, da beide Materialien ein Festkörperskelett mit eingeschlossenen Luftporen besitzen. Es handelt sich um ein poröses Medium mit zwei Phasen, fest- und gasförmig. Bild 1 (links) veranschaulicht ein Porenbetongefüge 1000-fach vergrößert, während rechts in Bild 1 ein Baumwollgefüge zu erkennen ist. Die Grundstrukturen beider Substanzen sind gleich, jedoch nicht durch dieselben Gleichungen zu beschreiben. Im ersten der beiden Modelle wird der entkoppelte Wärme- und Feuchtetransport eindimensionaler Probleme nach Henry [2] angewandt. Untersuchungsrahmen Durch das Festlegen der Randbedingungen wird in einem ersten Schritt das hygrothermische Verhalten von verschiedenen Faserarten mit Hilfe einer feuchtetechnischen Modellbibliothek des Fraunhofer Instituts für Bauphysik in MODELICA simuliert. Für die Simulation wird Bild 1: Porenbeton (links) und Baumwolle (rechts) in 1000-facher Vergrößerung unter einem Elektronenmikroskop [1]. Im zweiten Modell wird das Zwei-Phasen-Modell nach Li [3] untersucht. In diesem werden zunächst einige Gleichungen von Henry übernommen, jedoch wird beispielsweise ein eigener Diffusionsansatz gewählt. Um den Feuchtetransport durch das Textil ermitteln zu können, werden verschiedene Koeffizienten von Diffusion und Flüssigtransport in der MODELICA-Datenbank festgehalten. Des Weiteren werden für die Simulation des Baumwolltextils weitere Parameter, wie Wärmeleitfähigkeit, Gewebeporosität, Faserradius, Gewebedicke und die Rohdichte der Faser, benötigt. Die Ergebnisse der beiden physikalischen Ansätze werden im Anschluss verglichen, um eine mögliche Schlussfolgerung auf die Wahl eines geeigneten Ansatzes für die Modellierung des hygrothermischen Verhaltens von Textilien zu erhalten. 4. Ergebnisse Aus der Literaturrecherche im Bereich der Textilwissenschaft stellte sich das Zwei-Stufen-Modell nach Li als geeignet heraus. Dieses Modell wurde in MODELICA implementiert, um mit Hilfe der daraus resultierenden Simulationsergebnisse Rückschlüsse auf die Möglichkeit der Verwendung des Bauphysikmodells zu erhalten. Weiterhin sollte gezeigt werden, ob mit dem Modell nach Henry für dasselbe Problem, dieselben Ergebnisse zu erzielen sind. Hierbei traten jedoch große Probleme auf. Es konnte weder ein befriedigender Vergleich zwischen der wissenschaftlichen Publikation Henry und Li, noch zwischen den Textilmodellen und dem Bauphysikmodell gezeigt werden. Die Arbeit konnte weder befriedigende Ergebnisse zum Wärme- und Feuchtetransport des ZweiStufen-Modells liefern, noch zeigen, dass mit beiden Modellen dieselbe Größenordnung der zu berechnenden physikalischen Größen möglich ist. Bild 2 zeigt den Temperaturverlauf des Bauphysikmodells auf. Bild 3: 5. Bild 2: Temperaturverlauf im Textil nach dem Bauphysikmodell [1]. Die Simulationszeit beträgt 60 s. Es wird eine Ausgangstemperatur des Textils von 20 °C zugrunde gelegt. Hierbei ist zu erkennen, dass die Maximaltemperatur schon nach 12 s erreicht wird und in der Mitte des Baumwollstoffes, bei 1 mm Dicke, 47,2 °C beträgt. Die eigene Implementierung zeigte zwar quantitativ einen ähnlichen Verlauf wie die Bauphysik-Simulationen, allerdings traten beim zeitlichen Verlauf große Diskrepanzen auf, wie dies in Bild 3 zu erkennen ist. Hier im Zwei-Stufen-Modell herrscht ebenfalls eine Ausgangstemperatur von 20 °C, wobei das Temperaturmaximum schon früher erreicht wird und mit 30,5 °C deutlich geringer ausfällt. Temperaturverlauf im Textil des Zwei-Stufen-Modells (RobinRandbedingung) [1]. Fazit Die Arbeit konnte weder befriedigende Ergebnisse zum Wärme- und Feuchtetransport des Zwei-Stufen-Modells liefern, noch zeigen, dass mit beiden Modellen dieselbe Größenordnung der zu berechnenden physikalischen Größen möglich ist. Dies lag zum einen an der fehlenden Randbedingung, zum anderen aber auch an dem gewählten numerischen Verfahren. Es konnte dagegen gezeigt werden, dass die simulierten Temperaturverläufe, die sich mithilfe des Bauphysikmodells und aufgrund der wissenschaftlichen Publikationen [2,3] ergeben, ähnlich sind. Weiterführend kann bis jetzt keine mechanische Beanspruchung des Textils nachgebildet werden, um damit auf eine Veränderung des Wärme- und Feuchtetransports schließen zu können. Dies könnte mit der Theorie poröser Medien überprüft werden. Auch die Fragestellung nach ungleichmäßigen Kontaktflächen zwischen Haut und Kleidung besteht nach wie vor. Es ist ein Problem nachzubilden, wo am Körper die Kleidung direkt auf der Haut aufliegt und, wo es einen Luftzwischenraum gibt. Beides liegt beim Tragen der Kleidung vor, kann aber noch nicht durch Simulationen beschrieben werden. Dies hat zur Folge, dass nicht nur die Kleidung selber dynamisch berechnet werden muss, sondern auch die Randbedingungen, die sich je nach Größe des Luftzwischenraumes verändern. Literatur [1] Praster, M.: Wärme- und Feuchtetransport durch Textilien, Diplomarbeit, Lehrstuhl für Bauphysik, Universität Stuttgart (2012). [2] Henry, S.: Diffusion in absorbing media. Proceedings of the royal society (1939), S. 215 – 241. [3] Li, Y.: An Improved Mathematical Simulation of the Coupled Diffusion of Moisture and Heat in Wool Fabric. Textile Research Journal 10 (1999), H. 69, S. 760 – 768. Lehrstuhl für Bauphysik Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Phys. Klaus Sedlbauer 70569 Stuttgart, Pfaffenwaldring 7, Tel.: 0711/685-66578, Fax: 0711/685-66583 Email: [email protected]