Gleichberechtigter Dialog zwischen den Parteien Neben den technischen Problemen bei Getrieben für Windkraftanlagen (WKA) tritt vermehrt die Frage nach der Prozesssicherheit in der Berechnung, der Möglichkeit des einfachen und verlässlichen Datenaustausches und der Nachvollziehbarkeit der Nachweise auf. Der geforderte Dialog zwischen Getriebebauer, Anlagenbauer, Gutachter und Zertifizierer über die rechnerische Auslegung kann erst dann gleichberechtigt geführt werden, wenn alle Parteien über ein Mindestmass an Wissen verfügen, sowie standardisierte Methoden und Werkzeuge verwenden. Bei der Auslegung und Nachrechnung von Getrieben für WKA sind einige spezifische Problemstellungen gegeben, die atypisch für Getriebe im Bereich Energieerzeugung sind: - Belastung: schwankende Drehmomente, Lastüberhöhung durch Schwingungen, Momentenrichtungsumkehr - Leistung: hohe Drehmomente bei tiefen Drehzahlen, hohe Leistungsdichte - Betrieb: Temperaturschwankungen, Kaltstart, Leerlauf, Stillstandsbelastung - Getriebemasse: Leichtbau gefordert, weiche Lagerung Neben der technischen Seite treten vermehrt auch Fragestellungen zur Zusammenarbeit zwischen dem Anbieter sowie dem Käufer von Getrieben auf: - Prozesssicherheit in der Berechnung, Dokumentation der Berechnung - Sicherer Datenfluss innerhalb und zwischen Unternehmen - Nachvollziehbarkeit von Annahmen und Berechnungsmethoden - Einigkeit zwischen den Parteien über Annahmen und zu erreichende Kennwerte - Rasche Überprüfung der Berechnungen des Getriebebauers durch den Käufer - Interpretation von Richtlinien und Berechnungen im Streitfall Verzahnung-Windkraft-Format-KISSsoft-D Hanspeter Dinner, KISSsoft AG SWISS Eine Berechnungsmethodik, die sowohl vom Anbieter wie auch vom Abnehmer von Getrieben handhabbar ist, bedingt zuerst eine Mindestmass an Verständnis, Wissen und QUALITY KISSsoft in der Berechnung von Verzahnungen für Windkraftanlagen Verzahnungsberechnungen für Windkraftgetriebe 1 of 12 [email protected] Erfahrung über die Verzahnungstheorie, Berechnung und Verhalten der WKA im Betrieb. Die Methodik muss rasch und sicher anwendbar sein, bedingt also standardisierte Werkzeuge, sprich Software. Damit ist die Berechnung nur noch bedingt abhängig vom internen Knowhow des Getriebebauers und erfüllt damit die Forderung der Abnehmer von Getrieben nach Transparenz. Weiter soll die Software über den gesamten Prozess von Auslegung, Optimierung, Nachrechnung, Dokumentation sowie Studien wie z.B. bei Revisionen / Ertüchtigungen verwendbar sein. Dieser Prozess erstreckt sich über verschiedene Firmen, standardisierte Software kann dabei als Vehikel verwendet werden, um Daten sicher auszutauschen. Know-how transfer, Local content Rasche, zuverlässige Auslegung/Nachrechnun g im Sinne einer zweiten Meinung Vergleich verschiedener Getriebekonzepte, erste Dimensionierung Vergleich verschiedener Getriebe desselben Typs Normenkonforme und nachvollziehbare Berechnungen Qualifizierter, gleichberechtigter Dialog zwischen Hersteller / Käufer / Zertifizierer Standardisierte / nachvollziehbare Methodik, effiziente Werkzeuge, Datenaustausch Abbildung 0-1 Nutzen eines standardisierten Vorgehens in der Berechnung Der hohe Aufwand für vertiefende Analysen wie FEM oder Schwingungsimulation kann nicht von allen Parteien geleistet werden. Ziel diese Beitrages ist es daher, am Beispiel der Verzahnungsberechnung zu beschreiben, wie mit vertretbarem Aufwand und unter Verwendung benutzerfreundlicher Werkzeuge eine qualifizierte Aussage über die Verzahnung getroffen werden kann. 1 Getriebekonzepte 1.1 Aktuelle Konzepte SWISS Verzahnung-Windkraft-Format-KISSsoft-D Hanspeter Dinner, KISSsoft AG QUALITY Eine Übersicht über aktuelle Getriebekonzepte zeigt die folgende Abbildung. Insbesondere ein- und zweistufig Planetengetriebe (mit zwei oder einer nachgeschalteten Stirnradstufe) stellen heute den Standard dar. Mit dem Anstieg der Leistung ist auch die Zahl der Verzahnungseingriffe angestiegen, die Verzahnungsberechnung wird damit aufwendiger. 2 of 12 [email protected] Stirnradgetriebe, auch leistungsverzweigt Auch leistungsverzweigt Lösungen mit mehreren Generatoren Eine / zwei Planetenstufe zwei / eine Stirnradstufen Antrieb über Planetenträger Abtrieb über die Sonne Ring meist direkt mit Gehäuse verbunden Schrägverzahnte Stirnradstufe Stufenplaneten Mit oder ohne Stirnradstufe (z.B. links: Aerogear/Renk, rechts: Multibrid/Renk) Hohlrad nicht teil des Gehäuses Günstig in Bezug auf Lagerschmierung Planetenkoppelgetriebe (z.B. links: DPPV/MAAG) Interne Lastaufteilung auf die Stufen Hohlrad nicht Teil des Gehäuses Planetendifferentialgetriebe (z.B. Bosch Rexroth,) Dritte Stufe als Überlagerungsstufe Aufwendige Konstruktion Aufwendige Lagerung SWISS Verzahnung-Windkraft-Format-KISSsoft-D Hanspeter Dinner, KISSsoft AG QUALITY Abbildung 1-1 Konzepte für WKA Getriebe 3 of 12 [email protected] 1.2 Trends Die Grösse der WKA Getriebe wird massgeblich von seltenen Spitzenbelastungen bestimmt. Es werden daher Konzepte betrachtet, die das im Getriebe wirkende Drehmoment begrenzen. Hier kann ein Planetensatz als Differentialgetriebe der schnellaufenden Stufe überlagert und das Stützmoment am Ring hydrostatisch beschränkt werden (Henderson Gearbox). Weiter gehen Konzepte, die auch die Drehzahl am Getriebeausgang durch ein CVT Getriebe möglichst konstant halten. Diese können hydrodynamisch (Voith Win Drive) oder auch elektrisch realisiert werden. Andere Konzepte gehen dahin, dass Stirnradgetriebe mit mehreren Generatoren zum Einsatz kommen sollen. Der Antrieb erfolgt über ein zentrales Rad in das mehrere Ritzel eingreifen. Die Generatoren sind entweder direkt mit den Ritzelwelllen verbunden (z.B. Konzept Clipper) oder die Leistung mehrer Ritzel wird über Stirnradstufen auf zwei Generatoren wieder zusammengeführt (z.B. Konzept Multi-Duored). 2 Verzahnungsnachrechnung für WKA Getriebe 2.1 Zu führende Nachweise Die Nachweise der Verzahnung erfolgt nach den zur Zeit gültigen Normen und Richtlinien. Im Folgenden wird Kenntnis dieser Rechenmethoden vorausgesetzt und auf spezifische, von der Norm abweichende Berechnungen, die für Verzahnungen für WKA sinnvoll sind, hingewiesen. Zahnfussfestigkeit Die Normen unterschätzen in der Regel den Effekt der Überdeckung, gerade bei den in WKA Getrieben übliche, hohe Fertigungsgenauigkeit. Die effektive Spannungslage (Flanke: hellblau, Fuss 1: violett, Fuss 2: rot) im Vergleich zum rechnerischen Wert nach DIN3990 über den Eingriff zeigt die folgende Abbildung. Insbesondere die Fussspannung wird überschätzt. Die folgende Abbildung zeigt den Vergleich zwischen der Fussspannung nach Norm und der Fussspannung unter Berücksichtigung der Lastaufteilung. Der Vergleich der beiden Abbildungen macht ausserdem den Einfluss des Teilungsfehlers auf die Spannungslage deutlich. SWISS Verzahnung-Windkraft-Format-KISSsoft-D Hanspeter Dinner, KISSsoft AG QUALITY Abbildung 2-1 Einfluss der Lastverteilung über mehrere Zähne auf die Spannungsniveaus. Links für Qualität 7, rechts für Qualität 5. Schlussstufe einer 3.6MW Anlage, εα=1.73. 4 of 12 [email protected] Für die Berechnung der Fussfestigkeit des Hohlrades sind folgende Modifikationen empfohlen: - Berechnung am Berührpunkt der 60˚ Tangente unter Berücksichtigung der vom Stossen tatsächlich erzeugten Fusskontur, wie z.B. in der aktuellen Revision (FDI) der ISO6336 (oder der VDI2737) vorgeschlagen (Abbildung unten links) - Berechnung der exakten Zahnform aufgrund der Abwälzsimulation mit dem Werkzeug für die Berechnung von YF und YS entlang der gesamten Fussrundung („grafische Methode“, Abbildung unten rechts) - Berücksichtigung der Wandstärke des Hohlrades auf die Zahnfussspannung nach VDI2737 Der Vergleich in der folgenden Abbildung zeigt, dass die Berechnung nach der zur Zeit gültigen Fassung der DIN und ISO Norm die Festigkeit der Verzahnung von Hohlrädern im Fussbereich stark unterschätzt. 1.15 3 ISO6336 C 2.5 1.1 ISO6336 B ISO6336 (erweitert) B 2 1.05 ISO6336 (erweitert) B Grafische Methode Grafische Methode 1 1.5 0.95 1 0.9 0.5 0.85 0.8 0 YF3 YS3 YF3 SF3 YFS3 SF3 Abbildung 2-2 Einfluss der Rechenmethodik auf die rechnerische Fusssicherheit von Innenverzahnungen. Links: Bezugsprofil 1.25/0.38/1.00, Rechts: Bezugsprofil 1.40/0.38/1.25 Zahnflankenfestigkeit Infolge der Pressungsbelastung der Flanke baut sich über die Tiefe ein Schubspannungverlauf auf, dessen Maximum unter der Oberfläche liegt. Bei Überlast führt die überhöhte Schubspannung zu Rissen unterhalb der Oberfläche, die zu 0.5-1mm grossen Materialausbrüchen (Grübchen) führt. Bei der Härtung der Zahnflanken muss daher die Einhärtetiefe (EHT) grösser sein als das Maximum der Schubspannung tief liegt. Andererseits soll aus Kostengründen die EHT möglichst gering sein, die Berechnung des Schubspannungverlaufes wie unten gezeigt ist daher von Interesse. Abbildung 2-3 Verlauf der Hertzschen Spannung von der Oberfläche ins Innere der Verzahnung SWISS Verzahnung-Windkraft-Format-KISSsoft-D Hanspeter Dinner, KISSsoft AG QUALITY Fressen 5 of 12 [email protected] Für den Nachweis gegen Fressen bietet die ISO6336 keine Handhabe, hier ist üblich, nach DIN3990 Teil 4 vorzugehen. Sowohl AGMA6006 als auch die GL Richtlinie verlangen dabei, dass die FZG Fresslaststufe des Schmierstoffes für die Berechnung um eine Einheit reduziert wird. Da aber moderne Öle mit EP Zusätzen eine Fresslaststufe >12 aufweisen und das Rechenverfahren nur bis zu einer Fresslaststufe 12 gültig ist, ist diese Einschränkung wenig praxisrelevant. Die Berechnung der Sicherheit gegen Fressen beruht auf einer Temperaturabschätzung im Zahnkontakt, diese Temperatur ist von der Pressung und der Gleitgeschwindigkeit abhängig. Fressen tritt daher vorzugsweise im Kopf- / Fussbereich auf, dort wo hohe Relativgeschwindigkeiten vorliegen. Um die Kontaktkraft in diesem Bereich des Eingriffes zu reduzieren wird eine Kopfrücknahme (und oder Fussrücknahme) ausgeführt, der Einfluss derselben auf die Kontakttemperatur zeigt die Abbildung unten. Abbildung 2-4 Reduktion der Blitztemperatur von 300C auf 230C infolge Kopfrücknahme. Schlussstufe einer 3.6MW Anlage. Berechnung nach AGMA925-A03. Graufleckigkeit Bei unzureichender Schmierung infolge hoher Belastung oder ungünstiger Betriebsparameter vergrössert sich der Reibbeiwert zwischen den Zahnflanken durch Kontakt der Zahnrauhigkeit (Mischreibung, µ=0.2-0.4, im Gegensatz zu viskoser Reibung mit µ =0.05). Infolge der erhöhten Reibkraft entsteht an der Oberfläche der Verzahnung eine Schubspannung, die schon bei einem für Grübchenbildung noch unkritischen Drehmoment einen kritischen Wert übersteigen kann. Diese Überbeanspruchung führt zu Materialabtrag (Ausbrüche mit Tiefe ca. 10-20µm und Fläche ca. 20µm x 100µm) und einer Grauverfärbung der Verzahnungsoberfläche. Der resultierende Formfehler führt zu erhöhter Zahnbelastung (KHα, KFα, Kv, Geräusch steigen an), und erhöht das Risiko von Grübchenbildung. Als Mass für das Risiko von Graufleckigkeit dient der Quotient aus Schmierfilmdicke und Oberflächenrauhigkeit der Verzahnung, die spezifische Schmierfilmdicke λ. Die Berechnung erfolgt nach AGMA925 oder den FVA Arbeitsblättern 54 / 259, eine ISO Norm ist in Arbeit. SWISS Verzahnung-Windkraft-Format-KISSsoft-D Hanspeter Dinner, KISSsoft AG QUALITY Abbildung 2-5 λ Werte für erste und zweite Planetenstufe (Eingriff Sonne-Planet) und Stirnradstufe eines 3.6MW Getriebes einer WEA 6 of 12 [email protected] Statische Nachweise Ebenfalls geführt werden sollte der statische Festigkeitsnachweis auf plastische Verformung oder Bruch der Verzahnung. Da der klassische statische Nachweis in den Normen nicht abgedeckt ist, wird er oft als Ermüdungsnachweis mit einer Zykluszahl = 1 geführt. Sinnvoller ist jedoch ein Nachweis gegen Fliess- respektive Bruchgrenze. Geforderte Sicherheiten Die erforderlichen, rechnerischen Sicherheiten sind in Richtlinien spezifiziert. Die Bestimmung tatsächlich erforderlicher Sicherheiten ist äusserst schwierig und Bedarf umfangreicher Felderfahrung. Das Wissen um diese erforderlichen Sicherheitsfaktoren stellt ein enormes Kapital für Getriebebauer dar, das nicht eingekauft sondern nur erarbeitet werden kann. Vorschrift Nachweis nach AGMA6006 AGMA6006 GL Richtlinie Danish WT Cert. Sch. IEC61400 AGMA2101-C95 ISO6336 ISO6336 ISO6336 ISO6336 SF (Ermüdung / statisch) 1.0 1.56 1.5 (1.4) 1.45 1.56 SH (Ermüdung / statisch) 1.0 1.25 1.2 (1.0) 1.2 1.25 2.2 Drehwegabweichung, Eintrittsstoss Von Windkraftgetrieben werden von der Öffentlichkeit tiefe Schallpegel gefordert. Die Vibrationsanregung aus der Verzahnung ist dabei eine massgebliche Ursache für das Geräusch. Ziel muss es daher sein, einerseits die Drehwegschwankungen gering zu halten, andererseits den Eintrittstoss zu verringern. Der Auslegung der Zahnhöhe und der Kopfrücknahme (Betrag, Art und Höhe) kommt daher besondere Bedeutung zu. Abbildung 2-6 Eingriffslinie unter Last. Links: verfrühter Eingriff bei nicht korrigierter Verzahnung (Knick in der Eingriffslinie). Mitte: Verzahnung mit kurzer, linearer Kopfrücknahme (6.2um und 5.0um). Rechts: Verzahnung mit progressiver Kopfrücknahme (9.3um und 7.5um). Schlussstufe einer 3.6MW Anlage. SWISS Verzahnung-Windkraft-Format-KISSsoft-D Hanspeter Dinner, KISSsoft AG QUALITY Der verfrühte Eingriff (Verlängerungen der Eingriffslinien) in der linken Abbildung führt zum sogenannten Eintrittsstoss. Dieser kann durch eine Kopfrücknahme reduziert werden, die Eingriffslinie weist danach die charakteristischen Verlängerungen nicht mehr auf. Hingegen ist bei einer linearen Rücknahme eine Unstetigkeit in der Eingriffslinie sichtbar (mittlere Abbildung), diese abrupte Drehwinkeländerung kann zu Schwingungen führen. Bei einer progressiven Kopfrücknahme wird dies vermieden (Abbildung rechts). 7 of 12 [email protected] 2.3 K-Faktoren Anwendungsfaktor KA Für die Auslegung der Verzahnung kann ein Lastkollektiv vereinfachend durch eine Nennlast und einen Anwendungsfaktor KA ersetzt werden. Die Berechnung von KA erfolgt z.B. nach DIN3990, Teil 6, Methode III oder nach AGMA6006 vereinfacht wie folgt: 1/ p ∑ ni * Ti p Teq KA = , Teq = i Tn ∑ ni i p: Steigung Wöhlerlinie, ni: Lastwechsel Stufe i, Ti: Drehmoment in Stufe i Die Berechnung des äquivalenten Drehmomentes mit daraus abgeleiteten KA für die Auslegung einer Verzahnung berücksichtigt keine Dauerfestigkeit und ist daher konservativ. Ein verfeinertes Verfahren ist z.B. in [2] beschrieben. Da die Steigung p der Wöhlerlinie für unterschiedliche Materialtypen und Behandlungsarten sowie für Fuss und Flanke unterschiedlich ist, sind mehrere KA Werte (für jedes p separat) zu bestimmen. Dies ist unpraktisch. Generell sollte deshalb für den Nachweis nicht mit einem Anwendungsfaktor, sondern über eine Schadensakkumulation (z.B. nach DIN3990, Teil 6) gerechnet werden. Siehe dazu Abschnitt 2.4. Lastverteilungsfaktor Infolge Fertigungstoleranzen und Deformationen ist die Lastaufteilung auf die verschiedenen Lastpfade (Planeten) nicht gleichmässig. Für die Berechnung von Planetensätzen wird daher die Belastung mit einem Faktor Kγ beaufschlagt. Die Angaben zu für Windkraftgetriebe vorgeschlagenen Werten variieren je nach Quelle stark, siehe Abbildung unten. Um die Lastaufteilung zwischen den Planeten zu verbessern, können einzelne Elemente des Planetensatzes (Sonne, Ring, Planet) elastisch oder fliegend gelagert werden, z.B. fliegende Sonnenwelle oder elastische Lagerung des Ringes. Alternativ kann eine flexible Planetenlagerung (Flexpin, siehe [1]) als elastisches Element verwendet werden. Der Flexpin erlaubt eine Ausrichtung der Planeten in radialer wie auch in Umfangsrichtung. Der Effekt dieser flexiblen Planetenlager ist in der unten stehenden Grafik als Unterschied zwischen den Linien „MAAG ohne Flexpin“ und „MAAG mit Flexpin“ ersichtlich, die teils auf Messungen, teils auf Erfahrungen beruhen. Die von MAAG vorgeschlagenen Werte für Kγ werden wohl in der neuen Version der AGMA6123 übernommen werden. 1.6 GL DNV AGMA6123 1.5 MAAG ohne Flexpin / AGMA6123, Appl. Level 3 MAAG mit Flexpin / AGMA6123, Appl. Level 4 K gamma [-] 1.4 IEC 61400 1.3 1.2 1.1 1 3 4 5 6 7 8 Anzahl Planeten [-] SWISS Verzahnung-Windkraft-Format-KISSsoft-D Hanspeter Dinner, KISSsoft AG QUALITY 2-7 Lastverteilungsfaktor in Funktion der Anzahl Planeten 8 of 12 [email protected] Messungen, zeigen, dass die Werte für Kγ mit zunehmender Last sinken, da die Fertigungstoleranzen im Vergleich zu den lastabhängigen Deformationen an Gewicht verlieren. Sie sind aber aufwendig und lassen Rückschlüsse nur auf das Produkt Kv*Kγ zu. Die oben angegebenen Richtwerte sind daher als Obergrenze anzusehen. Erst dadurch, dass tiefe Kγ Werte erreichbar sind, werden Lösungen mit mehr als drei Planeten überhaupt wirtschaftlich. Beispielsweise lässt sich mit fünf Planeten und einem gemessenen Kγ=1.12 95% des Drehmomentes übertragen, wie mit sieben gleich breiten Planeten und Kγ=1.50 (konservative Annahme / Vorschrift). Dies wiederum erlaubt eine höhere Übersetzung in der Stufe oder bietet mehr Raum für die Gestaltung des Planetenträgers. Breitenlastfaktor Die Verteilung der Umfangskraft über die Breite der Verzahnung und deren Auswirkung auf die Flanken- (KHβ) und Fussbelastung (KFβ) wird durch den Breitenlastfaktor Kβ beschrieben. Neben den vereinfachten Berechnungen wie in den Normen beschrieben, wird in den Vorschriften für WKA Getrieben eine detaillierte, numerische Berechnung der Lastverteilung gefordert, wenn ein geforderter Mindestwert (Kβ≥1.15) unterschritten werden soll. Dafür stehen verschiedene Berechnungsprogramme wie LVR, Rikor, Plankorr oder LDP zur Verfügung. Ein über die Zahnbreite gleichmässiges Tragen kann über eine Korrektur der Verzahnung erreicht werden. Ganz allgemein ist der Breitenlastfaktor von dünnen Verzahnungen günstiger als von breiten. Wiederum sei der Flexpin erwähnt, der ein Verkippen der Planeten unter Last verhindert (dadurch Kβ direkt reduziert) und durch den günstigen Kγ Wert die Verwendung von fünf oder sieben dünnerer Planeten (mit tieferem Kβ) zulässt. Für solche selbstzentrierende Systeme ist die Verwendung auch tieferer Kβ<1.15 in der Berechnung zulässig. Werte für Kβ über 1.30 führen zu einem nicht akzeptablen Tragbild, das in der Praxis (im Prüflauf) auch erkannt werden muss. D.h. dass realisierte Getriebe ein Kβ zwischen 1.10 und 1.30 aufweisen. Der Breitenlastfaktor ist in der Praxis (gerade unter Last) meist tiefer als gemäss der rechnerischen Ermittlung anzunehmen ist. Stirnlastfaktor Der Stirnlastfaktor Kα berücksichtigt die Lastüberhöhung in der Flanke (KHα ) und im Fuss (KFα ) infolge Teilungsfehler und ungleichmässige Lastverteilung über mehrere sich im Eingriff befindlicher Zähne. Die Berechnung erfolgt nach ISO6336. Bei den in WKA Getrieben geforderten Verzahnungsqualitäten (z.B. mind. Qualität 6 für Aussenverzahnungen nach GL Richtlinie) ist die Verwendung von Kα=1 zulässig. Da der Breitenlastfaktor Kβ einen stärkeren Einfluss auf das Tragverhalten hat, wird alternativ eine 3D Kontaktanalysen zur genauen Berechnung des Produktes Kβ*Kα gefordert, es wird dann mit einem kombinierten Faktor Kαβ gearbeitet. SWISS Verzahnung-Windkraft-Format-KISSsoft-D Hanspeter Dinner, KISSsoft AG QUALITY Dynamikfaktor Der Dynamikfaktor Kv berücksichtigt die Lastüberhöhung in der Flanke (KHv) und im Fuss (KFv) infolge Verzahnungssteifigkeitsschwankungen im Eingriff. Ist die Frequenz der Steifigkeitsschwankung / Drehzahl gerade vergleichbar mit der Eigenfrequenz des Eingriffes, so treten dynamische Zusatzkräfte auf. Der Rechenansatz folgt ISO6336, Methode B und unterscheidet zwischen drei Drehzahlbereichen (unterkritisch: N<<1, kritisch: N~1, überkritisch: N>>1), die durch die bezogene Drehzahl N (Ritzeldrehzahl n1 verglichen mit Resonanzdrehzahl nE1) definiert sind, wobei N die reduzierte Masse der Verzahnung mred und die Verzahnungssteifigkeit cγ berücksichtigt: 9 of 12 [email protected] N= mred n1 = 2πn1 z1 , n E1 cγ K v = f (N ) Aufgrund der tiefen Drehzahlen werden WKA Getriebe im unterkritischen Bereich betrieben, die Werte für Kv werden dementsprechend tief angesetzt. In den Vorschriften der Zertifizierer von WKA Anlagen sowie den einschlägigen Normen wird ein Wert Kv=1.05 oder grösser gefordert. Soll ein tieferer Wert verwendet werden, so wird eine Messung oder eine detaillierte Rechnung gefordert. 2.4 Berechnung mit Lastkollektiven Der rechnerische Nachweis der Verzahnung wird mit Verweildauerkollektiven (LDD) geführt. Diese werden bestimmt indem aus Windgeschwindigkeitsverläufen für verschiedene Windmittelgeschwindigkeiten mittels einer Dynamiksimulation oder Messung Zeitverläufe für Drehmoment und Drehzahl an der Rotorwelle berechnet wird. Diese Zeitverläufe werden danach zu einem Verweildauerkollektiv für Drehzahl und Drehmoment klassiert. Dabei ist zu beachten dass die Drehzahl nur wenig schwankt und auch nur linear in die Lebensdauerberechnung eingeht. Die Klassierung sollte sich daher am Verlauf des Drehmomentes orientieren. Eine Frage ist, ob die K-Faktoren, insbesondere Kβ, für alle Laststufen gleich gehalten (z.B. in [2] / [3] gefordert) oder für jede Laststufe einzeln berechnet (gemäss [8]) werden soll. Der folgende Vergleich (siehe auch [11]) zeigt, dass die rechnerischen Sicherheiten einer Verzahnung jedoch nur minimal von einander abweichen, wenn statt einem konstanten KHβ=1.26 (berechnete für Nennlast) ein für jede Laststufe separat berechneter Wert verwendet wird. 1.8 1.27 1.681 1.7 1.644 1.651 1.618 1.25 Khbeta [-] 1.6 1.26 Rad 1, Khb variabel Rad 1, Khb konstant Rad 2, Khb variabel Rad 2, Khb konstant 1.5 1.384 1.4 1.3 1.269 1.24 1.23 Khb variabel Khb konstant 1.22 1.363 1.21 1.251 1.2 1.2 SF 1 SH 3 5 7 9 11 13 15 17 Lastschritt [-] Abbildung 2-8 Vergleich zwischen Berechnung mit variablem und konstantem Kβ. Schlussstufe einer 3.6MW Anlage, L=20’000h, ISO6336, B. SWISS Verzahnung-Windkraft-Format-KISSsoft-D Hanspeter Dinner, KISSsoft AG QUALITY Es zeigt sich häufig, dass nur ein geringer Teil der Schritte im Kollektiv den grössten Teil der Schädigung ausmachen. Es ist dann sinnvoll, diese schädigungsrelevanten Lastniveaus weiter zu unterteilen und zu präzisieren. Offen ist hier die Frage nach dem Einfluss von Lastniveaus mit sehr hoher Last (nahe der statischen Festigkeit) aber tiefer Zyklenzahl (low cycle fatigue). Unterschätzt wird nach DIN und ISO wohl der Einfluss von Anteilen im Kollektiv mit hohen Zyklenzahlen aber tiefer Last (high cycle fatigue). Es ist daher bei Verwendung der DIN3990 oder ISO6336 sinnvoll, die Wöhlerlinie mit dem Ansatz von Haibach (kein 10 of 12 [email protected] Dauerfestigkeitsbereich, siehe Linie b) in der linken Abbildung unten) zu modifizieren und eine zweite Rechnung durchzuführen, um eine konservative Grenze nach unten zu bestimmen. 3 2.5 2 2.39 1.996 2.306 Nicht mofiziert Haibach modifiziert 2.01 1.5 1.353 1.274 1.3931.338 SH1 SH2 1 0.5 0 SF1 SF2 Abbildung 2-9 Einfluss der Haibach Modifikation auf die errechneten Sicherheitsfaktoren. „Nicht modifiziert“: nach Linie a), „Haibach modifiziert“ nach Linie b) 3 Zusammenfassung 3.1 Investition in Grundlagen Vor dem Hintergrund der häufig auftretenden Schäden in WKA Getrieben ist es von vitalem Interesse für alle Beteiligten, einen qualifizierten und gleichberechtigten Dialog zu führen. Ein Aspekt diese Dialoges ist der rechnerische Festigkeitsnachweis von Verzahnungen, der in diesem Beitrag beleuchtet wurde. Hier ist es notwendig, in Ausbildung, Werkzeuge und Prozesse zu investieren um das Informationsgefälle zwischen Getriebelieferant und Getriebeabnehmer auszugleichen. 3.2 Prozesssicherheit in der Berechnung Die Verwaltung mehrer Einzelberechnungen, der Einsatz unterschiedlicher Werkzeuge und der Abgleich zwischen Berechnung, Konstruktion und Fertigung führt zu einem hohen und ungeliebten Aufwand beim Datenmanagement. Ziel soll es daher sein, mittels geeigneter Werkzeuge die zu einem WKA Getriebe notwendigen Berechnungen (Verzahnung, Lager, Wellen, Verbindungen) in einem das ganze Getriebe erfassenden Modell zu verwalten. Dies erlaubt auch die rasche Nachrechnung des gesamten Getriebes für veränderte Eingangswerte, z.B. kundenspezifische Lastkollektive sowie die Rückführung von Felderfahrung im Sinne des Know-how Managements. 3.3 Frage nach dem geeigneten Getriebekonzept SWISS Verzahnung-Windkraft-Format-KISSsoft-D Hanspeter Dinner, KISSsoft AG QUALITY Ein systematischer Vergleich der oben gezeigten Getriebekonzepte hinsichtlich rechnerischer Nachweis, konstruktiven Details, Fertigung, Kosten und Betriebsverhalten ist zur Zeit nicht allgemein zugänglich und muss firmenintern aufgebaut werden. Er bildet die Grundlage für eine Risikoabschätzung vor Investitionsentscheiden. Für den Abnehmer von Getrieben muss es daher von Interesse sein, eine herstellerunabhängige, standardisierte Methodik und das dazugehörige Werkzeug zur Verfügung zu haben, die es ihm erlaubt, verschiedene Getriebekonzepte oder Getriebe unterschiedlicher Hersteller rasch und sicher zu vergleichen. 11 of 12 [email protected] 4 Referenzen SWISS Verzahnung-Windkraft-Format-KISSsoft-D Hanspeter Dinner, KISSsoft AG QUALITY [1] U. Giger, G.P. Fox, Leistungsverzweigte Planetengetriebe in Windenergieanlagen mit flexibler Planetenlagerung, ATK03 [2] AGMA6006-A03, Standard for Design and Specification of Gearboxes for Wind Turbines, 2003 [3] ISO81400-4, Wind turbines, Design and Specification of gearboxes, 2005 [4] AGMA6123-A88, Design Manual for Enclosed Epicyclic Metric Module Gear Drives, 1988 [5] AGMA6123-BXX, Design Manual for Enclosed Epicyclic Gear Drives, Draft, 2004 [6] Germanischer Lloyd, Richtlinie für die Zertifizierung von Windenergieanlagen, 2003/2004 [7] Det Norske Veritas, Guidelines for Design of Wind Turbines [8] The Danish Energy Authority, Recommendation to Comply with the Technical Criteria of the Danish Wind Turbine Certification Scheme, 2005 [9] IEC 61400, Design Requirements for Wind Turbine Gearboxes, Draft, 2005 [10] VDI2737, Berechnung der Zahnfusstragfähigkeit von Innenverzahnungen mit Zahnkranzeinfluss, 2003 [11] R. Grzybowski, B. Niederstucke, Betriebsfestigkeitsberechnung von Getrieben in Windenergieanlagen mit Veweildauerkollektiven, AZT Expertentage 2004 12 of 12 [email protected]