The Advisor | Der Finanzratgeber F I N A N Z R ATG E B E R Auch ETF bergen hohe Risiken Marktturbulenzen offenbaren die Nachteile der ETF Exchange Traded Funds (ETF) erfreuen sich sowohl bei institutionellen als auch privaten Anlegern einer weiter steigenden Beliebtheit. Das ETF-Segment, das im vergangenen Jahr den fünfzehnten Geburtstag an der Schweizer Börse feierte, verzeichnete 2015 mit einem Umsatz von gesamt CHF 96.3 Milliarden den zweithöchsten Wert aller Zeiten in der Schweiz - nur 2011 lag der Umsatz mit CHF 101.9 Milliarden noch hoher. Zugleich verzeichnete die Börse bereits im ersten Quartal 2015 den Tausendsten gelisteten ETF. Ende Jahr belief sich die Anzahl bereits auf 1‘117. Die Vorzüge der noch vergleichsweise jungen Anlagekategorie sind weitgehend bekannt: Sie sind transparent, bieten einen leichten Marktzugang zu fast allen denkbaren Märkten und sind darüber hinaus im Vergleich zu klassischen Investmentfonds kostengünstig. August-Turbulenzen zeigen die Nachteile Auch wir empfehlen den Einsatz von ETF, um beispielsweise einzelnen Anlagethemen oder nur schwer zugängige Märkte ins Depot zu holen. Dennoch: Risikolos sind die Produkte nicht, wie sich am 24. August 2015 eindrücklich zeigte. Es war der Tag, an dem China sehr schlechte Konjunkturdaten veröffentlichte, die in Fernost und Europa zu einer massiven Verkaufswelle führten. Die amerikanische Aufsicht reagierte und rief die sog. Regel 48 aus. Diese besagt, dass die Market Maker die Preisindikation für Wertpapiere nicht, wie es üblich ist, vor Handelsstart bereitstellen müssen. Man wollte einen turbulenten Börsenstart verhindern. Was an den Aktienmärkten zwar reibungslos funktionierte, führte bei einigen Exchange Traded Funds jedoch zum Chaos. Teilweise sackten die ETF-Notierungen um bis zu 30% ab - deutlich unter den fairen Wert der Basiswerte. Ein Schockmoment führ viele ETF-Anleger. (iNAV), also dem Wert des Aktienkorbes, dem der ETF zugrundeliegt. Durch Arbitragegeschäfte wird verhindert, dass sich der Preis des ETF zu weit vom iNav entfernt. Am 24. August 2015 waren diese Arbitragegeschäfte jedoch nicht möglich, da die Kurse einiger Titel aus dem S&P500 aufgrund der Regel 48 nicht verfügbar waren. Der faire Wert des ETF musste also zum Teil geschätzt werden. Dies erklärt die Fantasiepreise, die am 24. August auf den Kurstabellen erschienen. Vor allem für ETF-Anleger, die mit Stop-Loss-Limiten arbeiten, war der 24. August ein Katastrophentag. Sie verkauften ihre Produkte teilweise deutlich unter den Verlustbegrenzungen. ETFs werden zunehmend zu einem Problem für die Märkte Doch ETF offenbaren auch punkto Gesamtmarkt zunehmend ihre Schattenseite: Sie werden teilweise für die deutlich gestiegenen Handelsschwankungen verantwortlich gemacht. Ein Markt funktioniert nur, wenn es Käufer und Verkäufer gibt. Nur ETF haben - anders als klassische Investmentfonds - keine Marktmeinung. Sie kaufen - vereinfacht gesagt - die entsprechenden Index-Wertpapiere, wenn Anleger ihnen Geld zuschiessen und verkaufen sie, wenn Anleger ihr Geld abziehen. Die Baisse nährt die Baisse. Fazit: Die Vorzüge von ETF sind bekannt und unbestritten. Die jüngsten Marktturbulenzen haben aber gezeigt, dass auch ETF nicht immun gegen Marktverwerfungen sind. Investoren sollten sich bei einem ETF-Investment darüber bewusst sein, dass die Produkte - wie jedes andere Finanzprodukt - Risiko in sich trägt, die zu massiven Verlusten führen können. Was war passiert? Der Grund für dieses Kurschaos liegt in der Konstruktion der ETF - dem sog. Creation-/Redemption-Prozess. Um den zugrundeliegenden Index eines ETFs abzubilden, stellt der Designated Sponsor einen Wertpapierkorb zusammen. Im Fall eines voll replizierenden ETFs entspricht der Wertpapierkorb dem zugrundeliegenden Index in Anzahl und Gewichtung der Wertpapiere 1:1. Im Gegenzug erhält der Designated Sponsor von der Fondsgesellschaft ETF-Anteile im Wert des gelieferten Wertpapierkorbs. Dies ist der sog. Creation-Prozess. Der RedemptionProzess bildet den umgekehrten Weg. Der Designated Sponsor gibt die ETF-Anteile an die ETF-Gesellschaft zurück und erhält als Gegenleistung den entsprechenden Wertpapierkorb zurück. Dieser Prozess garantiert in normalen Marktphasen einen Preis, der nahe an dem indikativen Nettoinventarwert liegt the investor | 05.02.2016 23