III / 2014 Update Das Kundenmagazin von Allianz Global Investors für institutionelle Investoren Auf der Suche nach realer Rendite Aktive Investmentstrategien bei ­anhaltender Finanzieller Repression 06 FINANZIELLE REPRESSION 12 STRATEGIE 20 WÄHRUNGEN Finanzielle Repression 2.0: Investieren in der „Silverlocks“-Economy Den Fixed Income-Märkten den Stachel ziehen Warum Währungen von Schwellenländern langfristig attraktiv sind – und auch auf kurze Sicht Verstehen. Handeln. 06 FINANZIELLE REPRESSION 12 STRATEGIE SPOTLIGHTS Den Fixed Income-Märkten den Stachel ziehen Neues aus der Welt von Allianz Global Investors Finanzielle Repression 2.0: Investieren in der „Silverlocks“-Economy WÄHRUNGEN Warum Währungen von Schwellenländern langfristig attraktiv sind – und auch auf kurze Sicht 20 INTERVIEW „Wann kommt die Talfahrt an den Aktienmärkten, Herr de Vries-Hippen?” 28 04 Update III/2014 EDITORIAL Kapitalbeteiligung im 21. Jahrhundert Liebe Leserin, lieber Leser, die internationale Kritik an Thomas Piketty, der mit seinem Buch „Capital in the 21th Century“ von seinen Bewunderern auch als „Rockstar unter den Ökonomen“ bezeichnet wird, ist breit gefächert. Sie bewegt sich, noch bevor das Buch in deutscher Sprache erschienen ist, zwischen „Himmel“ und „Hölle“. Was nach der Lektüre des Buches bleibt, ist die Erkenntnis: Kapitalismus schafft Wohlstand. Wohlstand, wie er sonst in der Geschichte nicht zu finden ist. Was offen bleibt, ist die Verteilungsfrage: Wie kann erreicht werden, dass an diesem Wohlstand möglichst viele beteiligt werden und es nicht zu der von Piketty befürchteten Divergenz bei Löhnen und der Konzentration bei den Vermögen kommt? Hier bleiben die Ausführungen von Thomas Piketty im Bereich der Utopie, wie er selbst sagt. Utopien aber sind keine Lösung, auch wenn die von ihm so massiv verfochtene globale Vermögenssteuer einen großen Teil seines Buches einnimmt. Wenn es aber so ist, dass der Kapitalismus Wohlstand schafft, wäre es da nicht besser, statt an der Verteilung an der Beteiligung anzusetzen? „Wohlstand für alle“ also von Beginn an anzustreben? Genau genommen muss es doch um „Kapitalbeteiligung im 21. Jahrhundert“ gehen, das heißt zum Beispiel die Förderung der Mitarbeiterbeteiligung über Aktien oder Genossenschaftsanteile. Die Vorteile lägen auf der Hand: · Durch Kapitalbeteiligung würde die alte Spannung „Kapital“ versus „Arbeit“ aufgehoben. · Mehr Menschen würden an den unternehmerischen Risiken, aber vor allem auch an den unternehmerischen Erfolgen – und damit an Wachstum und Wohlstand – beteiligt. · Das „Principal Agent-Problem“ würde entschärft: Der Prinzipal, also der Kapitalgeber, könnte seinen Agenten, den von Piketty so titulierten „Super-Manager“, viel unmittelbarer kontrollieren und letztlich auch über dessen Gehalt und Tantiemen mitentscheiden. Gerade die Gehaltsstruktur der „Super-Manager“ ist es ja, die Piketty als eine der wichtigsten Quellen der Einkommensungleichheit geißelt. · Das unternehmerische, selbstverantwortliche Denken und Handeln würde beflügelt, was gerade in einer Welt, die sich im ständigen Wandel und globalen Wettbewerb befindet, von äußerster Wichtigkeit ist. · Und wenn es stimmt, wie Zukunftsforscher Jeremy Rifkin schreibt, dass das „Ende der Arbeit“ nahe ist, wäre es dann nicht umso sinnvoller, alles zu tun, um die Angestellten am Kapital – also an den „Maschinen“ – zu beteiligen, damit sie morgen von diesen ihr Einkommen in Form von Dividenden beziehen? Dies würde sowohl der Ungleichheit bei den Löhnen als auch bei den Vermögen entgegenwirken. „Kapitalbeteiligung im 21. Jahrhundert“ – dies gilt umso mehr in Zeiten der finanziellen Repression, in Zeiten also, in denen die Rendite auf Bankeinlagen und Staatsanleihen kaum die Inflation übertrifft. Denn nur mit der Beteiligung an Unternehmensgewinnen ist Wohlstand für alle möglich. Viel Spaß und gute Ideen bei der Lektüre wünscht Ihnen Ihr Hans-Jörg Naumer Global Head of Capital Markets & Thematic Research Spotlights Neues aus der Welt von Allianz Global Investors AUSZ E I CHNUNG AU S B L ICK R ÜC K B L I C K Zum vierten Mal in Folge: Greenwich Quality Leader Global Strategic Outlook – Q3 2014 5. InvestmentForum von Allianz Global Investors Bei der jährlichen Umfrage des unabhängigen Marktforschungsinstituts Greenwich Associates erhielt Allianz Global Investors zum vierten Mal in Folge die Auszeichnung „Greenwich Quality Leader“ in Deutschland. Vor allem beim Service konnten wir unsere Spitzenposition behaupten. Die Analyse basiert auf der Befragung von 258 institutionellen Investoren. Die bewerteten Servicekriterien messen die Qualität der Betreuung des Kunden und hierbei insbesondere Glaubwürdigkeit, Verständnis und Lösungskompetenz. Zu den bewerteten Investmentkriterien zählen unter anderem Performance, Philosophie und Prozesse. 4 Zur Jahresmitte 2014 werfen wir einen näheren Blick auf die Entwicklungen hinter der zunehmend divergenten Notenbankpolitik zwischen den USA und Großbritannien einerseits sowie jener im Euroraum und Japan auf der anderen Seite. Im Fokus der Kapitalmärkte stehen weiterhin die geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbanken, die weiter auseinanderzulaufen scheinen, während die geopolitischen Spannungen im Irak die Energiemärkte belasten. LESEN SIE MEHR UNTER www.updatemagazineonline.com/GSO Am 10. September fand in Frankfurt das 5. Investment Forum statt. Das Motto lautete dieses Mal „Von Beta zu Alpha“. Unter der Schirmherrschaft von Andreas Utermann, Global CIO bei Allianz Global Investors, tauschten sich unsere führenden Investmentexperten über die wichtigsten Trends an den Finanzmärkten sowie deren Auswirkungen auf die von uns gemanagten Investmentstrategien aus. Die Kernbotschaft war, dass die finanzielle Repression aktueller ist denn je und die Liquiditätsschwemme noch lange anhält. Aktives Investieren ist daher weiter oberstes Gebot, um positive Renditen zu erzielen. Update III/2014 STUD IE ST R A T E G I E Chinas langer Marsch von Mao zum Markt Aktives Management „Den Fluss überqueren und mit den Füßen nach den Steinen tasten“ – mit dieser Lösung gab Chinas Reformer Deng Xiaoping den Weg der schrittweisen Öffnung der größten Volkswirtschaft der Welt zur globalen Marktwirtschaft vor. Was Mitte der 1980er Jahre begann, führte China hinaus aus dem wirtschaftlichen Niedergang und zurück zu einer wirtschaftlichen Stärke, mit der das Reich der Mitte an seine Geschichte anknüpft. Lesen Sie mehr zu Chinas langem Marsch von Mao zum Markt in unserer neuen Publikation. Menschen handeln rational – manchmal. Wie können Kapitalmärkte da effizient sein? Die Debatte über Vor- und Nachteile von aktivem und passivem Management gehört seit Jahren zu den lebhaftesten Diskussionen der Investmentindustrie. Doch was ist nun der bessere Investmentansatz? „Aktiv“ oder „Passiv“? Lesen Sie mehr dazu in unserer aktuellen Publikation „Aktives Management“. LESEN SIE MEHR UNTER www.updatemagazineonline.com/AktivesManagement LESEN SIE MEHR UNTER www.updatemagazineonline.com/China 5 Finanzielle Repression Finanzielle Repression 2.0: Investieren in der „Silverlocks“-Economy Während sich die Weltwirtschaft langsam von der jüngsten Finanzkrise erholt, sind die Anleger mit fundamentalen Verschiebungen im Bereich der makroökonomischen Wachstumsdynamik und in den Kapitalmarktbewertungen konfrontiert. 6 Update III/2014 7 FINANZIELLE REPRESSION AUTOR: KARL HAPPE Es sieht so aus, als ob demografische Trends und striktere Regulierungen das Trendwachstum in den entwickelten Volkswirtschaften in Zukunft dämpfen werden. Aufgrund der umfangreichen Liquiditätsspritzen der Zentralbanken und der immer wichtiger werdenden Frage, wie langfristige Renten- und Versicherungsleistungen finanziert werden sollen, sind zudem die Zinsen in vielen Ländern auf den niedrigsten Stand seit Jahrhunderten gesunken. Nachdem die Anleger lange Zeit daran gewöhnt waren, mit sicheren Anlagen eine Rendite von 4–5 % bzw. mit risikobehafteten Anlagen zweistellige Renditen zu erzielen, stellt sich nun die Frage, wie sich Anlagestrategien und Renditeerwartungen an das derzeitige Marktumfeld anpassen lassen. Einerseits haben die Stabilisierung, die in den vergangenen beiden Jahren an den Märkten für Staatsanleihen stattgefunden hat, und die Einengung der Zinsaufschläge (Spreads) an den Märkten für Unternehmensanleihen mitgeholfen, die Grundlage für eine kräftigere Erholung der europäischen Peripherieländer zu schaffen und das Risiko unkontrollierter Zahlungsausfälle und systemischer Schocks zu verringern. Andererseits erreichen die Bewertungen für alle Arten von Vermögenswerten allmählich ein historisches Extremniveau, sodass sich nur schwer erahnen lässt, wie künftig noch Erträge erzielt werden können. Vor allem für Anleger, die auf stetige Einkommenszuflüsse aus ihren Portfolios angewiesen sind, um entweder für sich selbst eine Zusatzrente zu erzielen oder um die ihren Kunden versprochenen Renten- oder Versicherungsleistungen auszahlen zu können, wird es zunehmend schwieriger, spezifische Ertragsziele zu erreichen. 8 „Silverlocks“: in die Jahre gekommene „Goldilocks“ Das derzeitige Umfeld könnte man als „Silverlocks“-Economy bezeichnen. In mancher Hinsicht ähnelt die Lage nämlich der der „Goldilocks“-Economy Ende der Neunzigerjahre: Damals war das Wachstum stabil, die Kurse an den Märkten entwickelten sich stetig aufwärts und die Übel des Konjunkturzyklus schienen für immer überwunden. Derzeit befinden wir uns erneut in einer Phase, in der die Volatilität in der Realwirtschaft und an den Märkten geringer geworden ist, weil Schulden abgebaut wurden, staatliche Regulierungen greifen und die Zentralbanken Schutz gegen Abwärtsrisiken bieten. Im Gegensatz zum Ende der Neunzigerjahre ist das Wachstum der Realwirtschaft jedoch bei geringer Volatilität nicht kräftig, sondern eher schwach. Aufgrund hoher Verschuldungsraten und der Tatsache, dass die Babyboomergeneration nun in den Ruhestand geht, kommen zahlreiche Länder und Märkte nur langsam vorwärts. Die heutigen Rentner sind nicht mehr ganz so dynamisch wie in der goldenen Jugendzeit, genießen aber den Herbst ihres Lebens gerne in der Sonne. Was bedeutet dies für die Anlagestrategie? AllianzGI geht davon aus, dass die Zinsen auf längere Sicht niedrig bleiben, die Renditen von realen Vermögenswerten niedriger, aber stetiger sind. Die Volatilität an den Märkten dürfte geringer ausfallen und es könnte schwierig werden, die Kaufkraft von Anlageportfolios zu erhalten. Durch die üppigen Liquiditätsspritzen der Zentralbanken in den vergangenen Jahren sind die Renditen unter Druck geraten. Dies und die verschärfte Regulierung für große institutionelle Anleger wird dazu führen, dass die Zinsen auf absehbare Zeit nahe der Update III/2014 „Wir gehen davon aus, dass die Zinsen auf längere Sicht niedrig bleiben, die Renditen von realen Vermögenswerten niedriger, aber stetiger sind.“ 9 FINANZIELLE REPRESSION „Anleger müssen ihre Renditeerwartungen nach den guten Jahren Ende des 20. Jahrhunderts anpassen und sich darauf konzentrieren, positive reale Renditen zu erzielen.“ Inflationsrate oder sogar darunter verharren. Anleger müssen ihre Renditeerwartungen nach den guten Jahren Ende des 20. Jahrhunderts anpassen und sich darauf konzentrieren, positive reale Renditen zu erzielen. Im Rentenbereich nach höher rentierlichen Anlagen Ausschau halten Portfoliomanager für institutionelle Kunden können die regulatorischen Vorgaben für die Portfolios selbstverständlich nicht umgehen. Fixed Income-Assets sind somit weiterhin vielfach dominant. Soweit möglich, empfiehlt sich jedoch, die „Zwangsjacke“ der neuen Solvenzvorschriften zu meiden. Wie ist dies möglich? Die Antwort lautet: durch Investitionen in Vermögenswerte, die sich wie traditionelle Fixed Income-Papiere verhalten und nach den Solvenzregeln auch so behandelt werden, aber dank Liquiditäts-, Komplexitäts- oder Volumenaufschlägen höhere Renditen erbringen. Um dies zu erreichen, hat Allianz Global Investors als einer der ersten Vermögensverwalter seinen Kunden Zugang zu Infrastrukturfremd- und -eigenkapital verschafft. Das Unternehmen verfügt über Erfahrungen bei der direkten Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen mittels Privatplatzierungen und hat unlängst ein Team für Schwellenländeranleihen aufgebaut. Darüber hinaus nimmt Allianz Global Investors eine führende Position bei risikokontrollierten Multi Asset-Produkten ein. Dabei werden die Portfolios dynamisch umgeschichtet, um Verluste zu begrenzen bzw. in steigenden Marktphasen an Kursgewinnen zu partizipieren. Durch eine dosierte Beimischung alternativer Vermögenswerte in Kernportfolios mit Fixed Income-Vermögens- 10 werten lassen sich stabile Portfolios mit höheren Renditen entwickeln, die den Kunden die notwendigen Durationseigenschaften bieten, damit sie ihre langfristigen Verbindlichkeiten erfüllen können. Zugleich sind sie nicht an staatliche Papiere gebunden, deren Renditen deutlich unter den Erträgen liegen, die bei Abschluss der Produkte versprochen wurden. Möglichkeiten zur Investition in risikobehaftete Anlagen voll ausschöpfen Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Anteil riskanter Vermögenswerte im Portfolio so hoch wie möglich zu halten. Denn Aktien und Immobilien erzielen höhere Renditen als Rentenpapiere, und Schwellenländeranleihen in Lokalwährungen bieten eine Partizipation am anhaltenden säkularen Aufwertungstrend, wenn sich diese Volkswirtschaften weiterentwickeln und sich ihr BIP pro Kopf demjenigen der Industrieländer annähert. Inflationsgebundene Anleihen für längere Laufzeiten sind ebenfalls eine Option, da die impliziten Break-Even-Inflationsraten deutlich unter den historischen Durchschnittswerten und den Zielwerten der Zentralbanken liegen und sich an zahlreichen Märkten noch positive reale Renditen erzielen lassen. Konservative Spreadprodukte wie Investment Grade-Unternehmensanleihen, Agency-Anleihen und gedeckte Schuldverschreibungen anstelle von Staatsanleihen bieten die Chance auf Renditezuschläge („Carry“) in einem für die Kreditnehmer günstigen Umfeld. Was könnte dieses Szenario aus dem Gleichgewicht bringen? Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten sprechen für eine geringere Volatilität und ein langsameres Wachstum. Allerdings bestehen einige Extremrisiken, die zu einer gänzlich veränderten Situation Update III/2014 führen könnten. Erstens wird die globale geopolitische Lage unsicherer. Die Ereignisse in der Ukraine und im Irak, der anhaltende Bürgerkrieg in Syrien und die zunehmenden Spannungen zwischen China und seinen Nachbarländern bringen das Risiko mit sich, dass die seit Ende des Zweiten Weltkriegs beobachtete relative globale Stabilität aus dem Gleichgewicht gerät. Der Zusammenbruch funktionierender Nationalstaaten in der arabischen Welt scheint derzeit zwar kein Extremrisiko zu sein, gibt aber mittelfristig ebenfalls Anlass zur Sorge. Ein weiteres Extremrisiko besteht darin, dass sich die Konjunktur in China unkontrolliert verlangsamen könnte. Auch dies ist derzeit unwahrscheinlich, da die gegenwärtige Regierung unter Chinas Staatpräsident Xi Jinping den Übergang zu einer stärker nachfragegetriebenen Wirtschaft gut zu meistern scheint und sich der strukturellen Schwächen bewusst ist, für die eine Lösung gefunden werden muss. Dennoch hätte eine spürbare Konjunkturverlangsamung in China ernsthafte negative Auswirkungen auf den Rest der Welt. Ein Engagement in Vermögenswerten aus dem Energiesektor kann Portfolios gegen geopolitische Risiken absichern, und Devisenpositionen im US-Dollar gegenüber anderen Währungen könnten potenzielle Abwärtsrisiken aufgrund von Wechselkursentwicklungen verringern. Zweifelsohne sind die zweistelligen Renditen der „Goldilocks“Phase mit einem solchen Ansatz nicht mehr zu verdienen. Aber es lassen sich wahrscheinlich stabile positive reale Renditen erzielen, die ausreichen, um die Versicherungs- und Pensionszusagen gegenüber Kunden zu erfüllen. Denn in einer „Silverlocks“Economy sind bereits niedrige und stabile reale Renditen ein ehrgeiziges Ziel. Karl Happe, CIO Insurance Related Strategies, arbeitet seit 2013 als Portfoliomanager bei Allianz Global Investors. Er verwaltet für die Allianz sowie für andere Versicherungsgesellschaften über 110 Mrd. EUR in Aktien- und Fixed Income-Mandaten. Zuvor leitete er das globale Fixed Income-Strategieteam der Allianz, das ca. 400 Mrd. EUR in globalen Portfolios managt. Insgesamt verfügt Karl Happe über 18 Jahre Erfahrung im Investmentbereich. Er hat einen B.S.E.-Abschluss im Fach Civil Engineering and Operations Research an der Princeton University erworben und als Fulbright-Stipendiat an der Universität Stuttgart studiert. 11 Strategie 12 Update III/2014 Den Fixed Income-Märkten den Stachel ziehen Das derzeitige Niedrigzinsumfeld erfordert einen neuen, flexiblen Ansatz für Engagements an den Rentenmärkten. Bei einem vollständigen Verzicht auf eine Benchmark können Anleihemanager höhere Renditen für ihre Anleger (suchen und) vereinnahmen. Zusatzrenditen hängen im Zeitalter der finanziellen Repression entscheidend von einem aktiven Management von Zinsrisiken (Duration) und Sektoren sowie einer globalen Diversifizierung ab. AUTOREN: THIERRY MILLION & MAURO VITTORANGELI Die Lage In den Industrieländern verhalten sich die Fixed Income-Märkte weitgehend so, wie es sich die jeweiligen Zentralbanken wünschen. Dadurch verringern sich die Risiken von Fixed Income-Investitionen jedoch nicht – sie können vielmehr sogar zunehmen. Die Nullzinspolitik bzw. die Tatsache, dass Liquidität umsonst zur Verfügung gestellt wird, hat zu einer finanziellen Repression geführt. Um die Zinserwartungen außerordentlich niedrig zu halten, stellen die Zentralbanken den Märkten mehr Liquidität als erforderlich zur Verfügung, was wiederum bei den Anlegern zu einer „Jagd nach Renditen“ führt. Die US-Fed hat die Anleger spürbar verdrängt: Sie kaufte 70 % der von der US-Regierung begebenen Anleihen auf. Inzwischen setzt sich die Erholung der US-Wirtschaft fort: Die Arbeitslosenquote ist von einem Höchststand von 10 % im Jahr 2009, also während der Krise, auf 6,1 % gesunken. Daher hat die Fed beschlossen, ihr Anleihekaufprogramm allmählich auslaufen zu lassen; das „Tapering“ wird voraussichtlich im Oktober beendet werden. Das Tapering sollte – so der Plan – einen Anstieg der langfristigen Zinsen auslösen. Die Renditen sind jedoch gleich zweifach verankert: Zum einen versichert die Fed im Rahmen der „Forward Guidance“, dass das Zinsniveau noch auf längere Sicht niedrig bleiben werde, zum anderen wiederholt sie gebetsmühlenartig, dass das Tapering keine Straffung der Geldpolitik darstelle. Die Rendite für 10-jährige Treasury Notes kletterte auf 3 %, ging dann aber wieder zurück, weil schwache Wechselkurse in den Schwellenländern und USDaten, die auf ein prekäres zugrundeliegendes Wachstum hinwiesen, Besorgnis auslösten. Dass die Fed weniger Geld druckt, lässt die – häufig auf politische Gründe zurückzuführende – mangelnde Bereitschaft der Schwellenländer zum Abbau struktureller Ungleichgewichte deutlich zutage treten. Die neue Krise erscheint nicht so bedrohlich wie ihre Vorläufer, da sie auf die schwächeren Länder beschränkt ist. Zahlreiche Regionen, darunter auch Asien, verfügen inzwischen über beträchtliche Devisenreserven und sind nur in begrenztem Umfang im Ausland verschuldet. Daher dürften die Industrieländer von den Herausforderungen, mit denen einige Schwellenländer derzeit konfrontiert sind, nicht wesentlich betroffen sein. In Großbritannien hat sich die Lage am Arbeitsmarkt spürbarer als erwartet verbessert und die Immobilienpreise steigen weiter an. Daher hat die Bank of England in ihrer „Forward Guidance“ sehr deutlich gemacht, dass sie das Zinsniveau normalisieren und zu diesem Zweck im Winter eine erste Zinsanhebung durchführen wird. 13 STRATEGIE Wie stark die Konjunkturerholung im Euroraum ausfällt, bleibt noch abzuwarten. Gegen eine weltweite Wachstumsverlangsamung können sich Länder, für die der Export eine wichtige Rolle spielt, nicht abschotten. Der Hauptanlass zur Sorge besteht jedoch im raschen Rückgang der Inflationsraten, der eine Diskussion über eine mögliche Deflation ausgelöst hat. Im Juni fiel die Inflationsrate auf 0,5 %. In Griechenland, Irland, Portugal und Spanien lagen die Inflationsraten seit dem Ausbruch der Immobilien- und Staatsschuldenkrise tendenziell unter Null. Rein technisch gesehen befinden sich diese Länder in einer Deflation. Die Löhne sind deutlich stärker zurückgegangen als die Preise. Dieser Mechanismus zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit kann als „gute Deflation“ angesehen werden, stellt aber für hoch verschuldete Länder eine ernsthafte Herausforderung dar. Bei einer Inflationsrate von 14 zuletzt 1,5 % müsste z. B. Spanien sein Haushaltsdefizit von 6,8 % des BIP im Jahr 2013 auf 2,6 % verringern, um die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP konstant zu halten. Wenn die Preise jedoch um 0,5 % pro Jahr sinken, müsste Spanien das Haushaltsdefizit um weitere 1,8 % des BIP reduzieren, was politisch nur sehr schwer durchzusetzen ist. Die EZB, die in ihrer Kommunikation ebenfalls eine „Forward Guidance“ eingeführt hat, ist sich der Situation bewusst. EZB-Präsident Draghi betrachtet niedrige Inflationsraten als ein Risiko für die Erholung und die reale Schuldenlast. Derzeit sieht er keine Deflation. Für den Euroraum insgesamt schließt sich AllianzGI dieser Auffassung an. Die Disinflation ist jedoch noch nicht vorüber. Daher ist kein Anlass für einen merklichen Anstieg der Anleiherenditen in den EU-Kernländern in nächster Zeit zu erkennen, abgesehen von einer Korrelation mit Update III/2014 01 DEFLATION SCHEINT UNWAHRSCHEINLICH Einkaufsmanagerindex (12 Monate vorlaufend) vs Vorjahresveränderung der Inflation in der Eurozone PMI (Purchasing Managers Index) Inflation PMI > 50 = 62 Wirtschaftswachstum 1 57 0,5 52 0 47 – 0,5 42 –1 37 – 1,5 32 Dez 07 Jun 08 Dez 08 Jun 09 Euro PMI (12 Monate vorlaufend) Dez 09 Jun 10 Dez 10 Jun 11 Dez 11 Jun 12 Dez 12 Jun 13 Dez 13 Jun 14 Dez 14 Jun 15 Inflation Eurozone Quelle: Datastream, Allianz Global Investors Global Capital Markets & Thematic Research, Juni 2014 den US-amerikanischen und britischen Rentenmärkten. Grafik 1 illustriert die Auffassung, dass eine Deflation für das kommende Jahr nicht wahrscheinlich ist, zumal der Anstieg des Einkaufsmanagerindex (Purchasing Managers Index, PMI) für den Euroraum – ein Frühindikator für das Wachstum – einen weiteren Rückgang der Inflation im Euroraum verhindern sollte. Flexibilität ist nötig Flexibilität und Möglichkeiten zum Eingehen einer negativen Duration sind in einem Niedrigzinsumfeld, in dem die Risikobereitschaft an den Märkten häufig wechselt, ganz wichtig. In einem Umfeld, in dem mit auf längere Sicht hinaus niedrigen Zinsen gerechnet wird, ist es schwieriger geworden als in der Vergangenheit, Renditen mit Anleiheprodukten zu erwirtschaf- ten. Ein sehr dynamischer und flexibler Ansatz ist erforderlich. Was bedeutet Flexibilität im Fixed Income-Segment? Hier die wichtigsten Punkte: Ohne Einschränkungen denken – zunächst muss man sich vom Benchmarkgedanken verabschieden, denn daraus ergibt sich zwangsläufig, dass nur eine begrenzte Anzahl von Wertpapieren für Investitionen in Frage kommt. Wenn Rentenfondsmanager den traditionellen Benchmarkansatz hinter sich lassen, können sie sich auf das größtmögliche Anlageuniversum zubewegen und diejenigen Assetklassen auswählen, die für den jeweils erwogenen Zeithorizont mit großer Wahrscheinlichkeit eine positive Rendite bieten. Die absolute Rendite des Portfolios wird also zum Hauptziel. 15 STRATEGIE „Flexibilität und Möglichkeiten zum Eingehen einer negativen Duration sind in einem Niedrigzinsumfeld, in dem die Risikobereitschaft an den Märkten häufig wechselt, ganz wichtig.“ Negative Duration ist zulässig – angesichts der derzeit niedrigen Renditen und des Rückgangs der Credit Spreads steigt die Nachfrage nach Segmenten, die eine höhere Rendite versprechen. Eine Verlängerung der durchschnittlichen Laufzeit der gehaltenen Staatsanleihen wird attraktiver. Dementsprechend kann bereits ein kleiner Anstieg der Anleiherenditen oder eine Ausweitung der Credit Spreads leicht dazu führen, dass die Rendite der Investition negativ wird. Um dieses Risiko zu verringern, müssen Carry-Strategien mit einem aktiven Management des Zinsrisikos kombiniert werden. Die Volatilität und in mancherlei Hinsicht auch die Unvorhersagbarkeit des derzeitigen Umfelds an den Rentenmärkten haben das Konzept der Duration verändert. Diese muss nunmehr an die Phasen mit hoher bzw. geringer Risikobereitschaft an den Märkten (die häufig von den Aktivitäten der Zentralbanken abhängen) angepasst werden. In diesem Zusammenhang ist die Gesamtduration eines Rentenportfolios für den Portfoliomanager nicht mehr die einzige relevante Information. Zunehmend gewinnt die Frage an Bedeutung, wie die Duration durch das Engagement in verschiedenen Rentenmarktsegmenten allokiert wird. Derzeit liegen die Renditen von Staatsanleihen in den Kernländern nahe ihren historischen Tiefständen. Derartige Investitionen sind jedoch nach wie vor ein wichtiger Referenzpunkt für ein Absolute Return-Portfolio, denn sie werten tendenziell in Phasen, in denen 16 die Spreads unter Druck geraten (geringe Risikobereitschaft), auf und stabilisieren so die Rendite des Gesamtportfolios. Zugleich muss ein Rentenportfoliomanager auch über die Kapazitäten und Möglichkeiten zum Management einer negativen Duration verfügen, damit er positive Renditen erzielen kann, wenn die Anleiherenditen ansteigen. In Grafik 2 ist ein Beispiel für ein aktives Durationsmanagement in unterschiedlichen Rentenmarktsegmenten dargestellt. Die Duration des Portfolios bzw. die Gesamtduration wurden sehr aktiv gemanagt, was zeigt, wie einige der flexiblen Allianz-Rentenmarktstrategien verwaltet werden. Außerdem werden die Unterkomponenten dargestellt, bei denen im Zeitablauf parallel zu Phasen höherer bzw. geringerer Risikobereitschaft unterschiedliche Trends zu erkennen sind. Es sei darauf hingewiesen, dass die Duration in den Kernländern in bestimmten Perioden negativ war – sowohl in Phasen mit höherer Risikobereitschaft, wie z. B. nach der Einigung über den Umgang mit der fiskalischen Klippe Anfang 2013, als auch in Phasen, in denen mit einer Straffung der Geldpolitik gerechnet wurde (z. B. vor dem Beginn des Tapering der Fed). Die Kernländerduration erreichte dagegen in instabilen Marktphasen einen Höchststand, z. B. während der Krise im Euroraum oder vor der Zinssenkungsentscheidung der EZB im ver- Update III/2014 02 AKTIVES DURATIONSMANAGEMENT FÜR EINE RUHIGERE FAHRT Duration 1,50 1,00 0,50 0,00 – 0,50 – 1,00 – 1,50 – 2,00 – 2,50 Kredit Staatsanleihen Kernländer Jul. 2014 Mai 2014 Jun. 2014 Apr. 2014 Feb. 2014 März 2014 Jan. 2014 Dez. 2013 Okt. 2013 Nov. 2013 Aug. 2013 Sept. 2013 Jul. 2013 Jun. 2013 Mai 2013 Apr. 2013 Feb. 2013 März 2013 Jan. 2013 Dez. 2012 Okt. 2012 Nov. 2012 Aug. 2012 Sept. 2012 Jul. 2012 Jun. 2012 Mai 2012 Apr. 2012 März 2012 Jan. 2012 Feb. 2012 Nov. 2011 Dez. 2011 Okt. 2011 Sept. 2011 Aug. 2011 – 3,00 Staatsanleihen Peripherieländer Quelle: Datastream, Allianz Global Investors Global Capital Markets & Thematic Research, Juli 2014 gangenen November. Immer dann, wenn die Kernländerduration einen Höchststand erreicht, nähert sich die Duration in den EUPeripherieländern dem Wert von Null an, um negative Renditen infolge einer Spreadausweitung zu vermeiden. 1. Kernstrategien: Kernstrategien beziehen sich auf die Duration, die Positionierung entlang der Renditekurve, die Länderallokation, gedeckte Schuldverschreibungen und Bonitäten. Diese Strategien sind je nach der Position im Konjunkturzyklus auszuwählen, um das beste Risiko-Ertrags-Profil zu erhalten. Aktive Länder- und Bonitätsallokation – die Spreadentwicklungen im Euroraum und zwischen den einzelnen Bonitätssegmenten bieten attraktive Anlagechancen. Das Länderengagement ist ein zentrales Element; es ist auf der Grundlage einer sorgfältigen Fundamentalanalyse umzusetzen. Unternehmensanleihen sind in einem Niedrigzinsumfeld ein notwendiger Portfoliobestandteil, um die Renditen zu verbessern. Aber sie erfordern einen strikten Investmentansatz, der zu einer optimalen Emittentenauswahl führt. 2. Satellitenstrategien: Bei Satellitenstrategien geht es z. B. um Schwellenländeranleihen, Wandelanleihen und Devisen, mit deren Hilfe die Rendite eines Portfolios in bestimmten Marktphasen beträchtlich gesteigert werden kann. Der Mix zwischen beiden Strategien muss einerseits die höhere Volatilität von Satellitenstrategien berücksichtigen und andererseits einbeziehen, wie sie die Diversifizierung des Gesamtportfolios verbessern können. Diversifizierung der Renditequellen – Diversifizierung ist bei aktiven Strategien ein außerordentlich relevanter Faktor. Dabei sind zwei Kategorien zu unterscheiden: Aktives Risikomanagement – eine unerwartete Ausweitung der Credit Spreads kann sich spürbar auf die Rendite von Absolute Return-Strategien auswirken. Ein aktives Management des Kern- 17 STRATEGIE 03 WÄHRUNGEN KÖNNEN ALS HEDGINGINSTRUMENT BENUTZT WERDEN AUD/USD S&P 1,2 2000 1,1 1800 1,0 1600 0,9 1400 0,8 1200 0,7 1000 0,6 800 0,5 600 0,4 400 März 2006 AUD/USD März 2007 März 2008 März 2009 März 2010 März 2011 März 2012 März 2013 S&P Quelle: Datastream, Allianz Global Investors Global Capital Markets & Thematic Research, Mai 2014 „Angesichts der derzeitigen Marktentwicklung und der Tatsache, dass das Niedrigzinsumfeld noch einige Jahre lang anhalten dürfte, sollten sich Anleger für einen flexiblen und aktiven Ansatz bei ihren Rentenmarktengagements entscheiden.“ 18 Update III/2014 Thierry Million ist Head of Institutional Fixed Income and Money Market bei Allianz Global Investors. Er trat 1994 als Head of Fixed Income bei Dresdner RCM Gestion ein. Thierry Million verfügt über 25 Jahre Erfahrung im Management von Fixed Income-Vermögenswerten. Seit 2008 ist er für den Aufbau und die Umsetzung der AllianzGI-Prozesse im Bereich European Fixed Income zuständig. Er hält einen Master-Abschluss im Fach Finanzwissenschaften des Institut Supérieur de Gestion. durationengagements (d. h. eine Long Duration-Position, wenn die Risikobereitschaft an den Märkten geringer wird) trägt häufig dazu bei, die Auswirkungen einer Spreadausweitung zu kompensieren. Auch der Einsatz von Derivaten, z. B. Optionen auf Kernländeranleihen oder -währungen, ist sinnvoll, um asymmetrische Risikoprofile aufzubauen, die das Abwärtsrisiko begrenzen, aber eine Beteiligung an Kursgewinnen ermöglichen. Auch durch Währungsdiversifizierung können Portfoliorisiken reduziert und ein gewisser Schutz vor extremen Marktereignissen aufgebaut werden. Die Krise der Jahre 2008/2009 ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Long-Position in einer Reservewährung (z. B. dem USDollar) und eine Short-Position in einer konjunkturabhängigen Währung (z. B. dem australischen Dollar) als wertvolles Hedginginstrument für systemische Risiken dienen kann (Grafik 3). Angesichts der derzeitigen Marktentwicklung und der Tatsache, dass das Niedrigzinsumfeld noch einige Jahre lang anhalten dürfte, sollten sich Anleger für einen flexiblen und aktiven Ansatz bei ihren Rentenmarktengagements entscheiden. Renditemaximierung und Schutz vor steigenden Zinsen lassen sich dann am besten erreichen, wenn alle Instrumente, die Rentenmanagern zur Verfügung stehen, in vollem Umfang eingesetzt werden. Mauro Vittorangeli, CIO AllianzGI Conviction Fixed Income, blickt auf 24 Jahre Erfahrung an den internationalen Anleihemärkten zurück. Mauro Vittorangeli ist seit 1993 bei Allianz Global Investors als Portfoliomanager für nationale und internationale Anleiheprodukte tätig. Zuvor arbeitete er für die Finanzdienstleistungssparte von IBM SEMEA S. p. A., wo er für das Zinsmanagement, die Koordination der Finanz- und Kreditstrategien des Konzerns und für das Devisenmanagement im Treasury Management Department von IBM Italia S. p. A verantwortlich war. Mauro Vittorangeli besitzt einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften der Universität Luigi Bocconi in Mailand und ist seit 2000 geprüfter Finanzanalyst (CFA). 19 Währungen Warum Währungen von Schwellenländern langfristig attraktiv sind – und auch auf kurze Sicht AUTOREN: STEFAN HOFRICHTER & MARTIN HOCHSTEIN 20 Die Währungen vieler Schwellenländer haben Ende 2013 und zu Beginn des Jahres 2014 deutlich abgewertet. Dazu trugen mehrere Faktoren bei: Die Ankündigung der US-Notenbank, ihre Geldpolitik künftig weniger expansiv zu gestalten – „Tapering“ im Marktjargon–, eine konjunkturelle Abschwächung in den aufstrebenden Staaten und außerdem die Befürchtung, dass sich das Wirtschaftswachstum in China als Folge der hohen Verschuldung der Unternehmen abrupt verlangsamt. 21 WÄHRUNGEN Was bedeuten Ab- und Aufwertungen von Schwellenland-Währungen vor dem aktuellen Hintergrund? Welche Konsequenzen sind im Hinblick auf Analyse- und Bewertungsverfahren sinnvoll? Das Team Economics & Strategy von Allianz Global Investors zeigt seinen Weg auf – ein Erfahrungsbericht: Wir haben unsere bisherigen – auf der Balassa-SamuelsonTheorie basierenden – Analysen zu Schwellenlandwährungen aktualisiert. Ergänzend dazu haben wir eine auf mehreren Variablen basierende Regressionsanalyse vorgenommen, die auch Währungspaare aus entwickelten Ländern umfasst. Betont werden muss, dass unsere Bewertungsverfahren der längerfristigen Wechselkursprognose dienen. Sie sollen also keine Indikatoren für das taktische Währungsmanagement liefern. Die Entwicklungen am Devisenmarkt werden auf kurze Sicht hauptsächlich von technischen und spekulativen Einflüssen bestimmt. Dementsprechend sind stärkere Schwankungen an der Tagesordnung und die Wechselkurse können losgelöst von den fundamentalen Gegebenheiten heftigen Ausschlägen unterliegen. Die Bewertung ist wahrscheinlich der wichtigste erklärende Faktor zur Bestimmung des Langfristtrends von Marktkursen – das gilt auch für Wechselkurse. Unsere Untersuchungen beziehen sich auf die realen Wechselkurse, weshalb sich eine mögliche Korrektur von Über- bzw. Unterbewertungen im Zeitablauf unter Umständen nur zum Teil in den nominalen Wechselkursen niederschlägt und stattdessen auch durch Veränderungen des relativen Preisniveaus erfolgen kann. Bei der Anwendung der Theorie auf ausgewählte Schwellenlandwährungen nutzen wir ein bereits von den Harvard-Ökonomen Kenneth Rogoff und Jacob Frankel verwendetes Verfahren. Dabei ermitteln wir die Unter- bzw. Überbewertung der Schwellenlandwährungen gegenüber dem US-Dollar anhand des Verhältnisses 22 des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Kopf. Dieses dient dabei als Näherung für das Verhältnis der Produktivitätsniveaus in den jeweiligen Ländern. Des Weiteren lässt sich ermitteln, wie schnell sich die Bewertungsunterschiede im Zeitablauf korrigieren. Durch Kombination der Ergebnisse erhalten wir eine erste Vorstellung von der künftigen Entwicklung der realen Wechselkurse. Eine abschließende Einschätzung der künftigen Währungsentwicklungen erfordert eine Prognose, wie schnell sich das reale BIP pro Kopf in den Schwellenländern im Zeitablauf an das Niveau in den USA annähern wird. Dabei stützen wir uns insbesondere auf Schätzungen der OECD, des IWF und der UNO. B A L A S S A -S A M UE L SO N-A NSA T Z Gemäß des Balassa-Samuelson-Ansatzes sind Schwellenlandwährungen gegenüber den Währungen aus entwickelten Staaten tendenziell niedriger bewertet, sie werten aber real betrachtet im Lauf der Zeit auf. Das Kernargument lautet wie folgt: Da die Produktivität in einem Schwellenland bei handelbaren Gütern niedriger ist, ist dort auch das allgemeine Preis- und Lohnniveau niedriger und die Währung geringer bewertet. Jedoch steigen im Lauf der Zeit infolge von Produktivitätsfortschritten die Preise und Löhne in den aufstrebenden Ländern an. Dadurch erhöht sich der reale Wert der Schwellenlandwährungen. Update III/2014 „Die Entwicklungen am Devisenmarkt werden auf kurze Sicht hauptsächlich von technischen und spekulativen Einflüssen bestimmt.“ 23 WÄHRUNGEN Im Jahr 2012 waren wir zu dem Ergebnis gekommen, dass der überwiegende Teil der 12 von uns untersuchten Schwellenlandwährungen bis 2020 real gesehen wahrscheinlich gegenüber dem US-Dollar aufwerten wird. Eine wichtige Ausnahme stellte der brasilianische Real dar, der seinerzeit um rund 25 % gegenüber dem US-Dollar überbewertet war. Ein halbes Jahr später bezogen wir 15 weitere Schwellenlandwährungen in die Betrachtung ein. Dabei ergab sich ein ähnliches Bild: Mehr als zwei Drittel der analysierten Währungen verfügte bis zum Ende des Jahrzehnts über reales Aufwertungspotenzial – wobei China und Indien an der Spitze lagen. Generell gelangten wir zu der Einschätzung, dass Währungen aus Asien und Osteuropa aufwerten dürften, während etliche lateinamerikanische Währungen überbewertet erschienen. Wie stellt sich die Situation heute dar, nachdem viele Schwellenlandwährungen Ende 2013 und Anfang 2014 abgewertet haben? Schwellenlandwährungen sind attraktiv bewertet Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass nur einige wenige Währungen überbewertet sind. Dagegen dürfte der weit überwiegende Teil der Schwellenlandwährungen bis 2020 real aufwerten. Die Währungen mit dem größten realen Aufwertungspotenzial bis Ende des Jahrzehnts sind diejenigen, die nominal betrachtet erheblich abgewertet haben. Dazu gehören der argentinische Peso und die ukrainische Hrywnja, aber auch der südafrikanische Rand und die indische Rupie. Auch zahlreiche asiatische Währungen sollten in den kommenden Jahren – inflationsadjustiert gesehen – aufwerten. Dies gilt unter anderem für den chinesischen Renminbi, den Taiwan-Dollar, den thailändischen Baht und die indonesische Rupiah. Unsere Daten legen nahe, dass die realen Bewertungen dieser Währungen rund 10 % bis 20 % unterhalb ihres fairen Werts liegen. Auch einige osteuropäische Währungen sind nach unseren Ergebnissen unter- 24 R E L A T I V E T E R M S -O F-T R A DE Je nach Grad der Offenheit einer Volkswirtschaft sollte ein steigendes Verhältnis von Exportpreisen zu Importpreisen den realen Wechselkurs eines Landes stützen, hauptsächlich durch Verbesserung der Handelsbilanz und positive Kapitalzuflüsse. R E L A T I V E P R O DUK T I V I T Ä T S T R E NDS Ein Anstieg der Produktivität sollte den realen Wechselkurs über entsprechend höhere Löhne und Zinsen positiv beeinflussen. Neben der gesamten Faktorproduktivität oder der Arbeitsproduktivität wird als Näherung das Verhältnis von Investitionen zum BIP oder (nach AllianzGI-Methode) das BIP pro Kopf verwendet. R E L A T I V E S T A A T S V E R S C H UL DUNG ST R E NDS Eine Zunahme der Staatsverschuldung (relativ zum BIP) gilt als ungünstig für eine Währung, da sich dadurch das Risiko eines Zahlungsausfalls und das Inflationsrisiko erhöhen. Dies kann zu einem höheren Bedarf an externer Finanzierung führen (Defizite in Haushalt und Leistungsbilanz).1 L A NG FR I ST I G E R E A L E ZI NSDI FFE R E NZ Höhere Realzinsen sollten sich positiv auf den Wechselkurs auswirken, da sie potenziell zu höheren Zuflüssen von Auslandskapital führen. Die AllianzGI-Analyse ergibt diesbezüglich jedoch nur in Bezug auf die Währungen der G-10-Länder einen statistisch signifikanten positiven Zusammenhang. 1 AllianzGI verwendet in seiner Analyse das Niveau der Staatsschulden, da es für die Verwendung alternativer Maße (z. B. die ausländische Nettoinvestitionsposition) keine empirisch eindeutige Evidenz gibt. Update III/2014 Ukraine 100 % Indien Taiwan Türkei China Indonesien Thailand Rumänien Malaysia Russland Chile Peru Polen Philippinen Ungarn Vietnam Mexiko 20 % Hongkong Kolumbien 40 % Tschechien 60 % Südafrika 80 % Argentinien 01 ABWEICHUNG DER REALEN WÄHRUNGSBEWERTUNGEN VOM GESCHÄTZTEN FAIREN WERT IM JAHR 2020 Singapur Korea Brasilien Israel –20 % Saudi-Arabien 0% Quelle: Allianz Global Investors, Juni 2014 bewertet: der russische Rubel, der polnische Zloty und die tschechische Krone. Ihr Aufwertungspotenzial ist jedoch etwas geringer als das der meisten asiatischen Währungen. Annähernd fair bewertet sind der Hongkong Dollar und der Singapur Dollar. Der brasilianische Real ist derzeit lediglich um etwa 5 % überbewertet. Nur für zwei Währungen erwarten wir eine reale Abwertung: den israelischen Schekel und den saudischen Rial, da sie überbewertet erscheinen. Insgesamt betrachtet jedoch sind die Schwellenlandwährungen deutlich günstiger bewertet als noch vor zwei Jahren (Grafik 1). Im Detail liefert unser umfassendes Währungsmodell, das 31 Wechselkurse gegenüber dem US-Dollar und 7 Wechselkurse gegenüber dem Euro beinhaltet, folgende Ergebnisse (Stand: Ende 1. Quartal 2014): Unser zweiter Ansatz ist im Unterschied zum Balassa-SamuelsonAnsatz ein dynamischer – er setzt den aktuellen Wechselkurs ins Verhältnis zu einem künftigen Gleichgewichtswert. · Die Schwellenlandwährungen sind – real betrachtet – derzeit überwiegend gegenüber dem US-Dollar unterbewertet. Laut unserem Modell liegen die Wechselkurse von 16 der 21 berücksichtigten Währungen außerhalb der G-10-Länder unterhalb ihres langfristigen fundamentalen Werts. Dies gilt zum Beispiel für den chinesischen Renminbi, die indonesische Rupiah und die indische Rupie, außerdem für die türkische Lira, den südafrikanischen Rand und den russischen Rubel. Das Ausmaß der Unterbewertung beträgt meist zwischen 5 und 15 %. Im Fall des peruanischen Nuevo Sol beträgt sie sogar an die 20 %. Im Rahmen dieses Ansatzes versuchen wir, statistisch signifikante langfristige Bestimmungsfaktoren der realen Wechselkurse zu ermitteln. Anschließend modellieren wir reale Gleichgewichtswechselkurse im Rahmen eines BEER-Modells2 (Behavioural Equilibrium Exchange Rate). Mittels einer multivariaten Regressionsanalyse auf Grundlage von Paneldaten entwickeln wir zwei Fixed Effects-Modelle. Das eine umfasst eine Gesamtheit von 31 Währungen, das andere die Währungen der G-10-Staaten. Sämtliche Berechnungen basieren auf bilateralen Wechselkursen mit dem US-Dollar als Referenzwährung. 2 Die Forschung unterscheidet Fundamental Equilibrium Exchange Rate-Modelle (FEER) und Behavioural Equilibrium Exchange Rate Modelle (BEER). Die umfassenderen FEERModelle versuchen, die effektiven realen Wechselkurse zu berechnen, die dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht entsprechen. Der BEER-Ansatz dagegen konzentriert sich auf die Modellierung der Verbindung zwischen realen Wechselkursen und relevanten wirtschaftlichen Variablen unter Verwendung einer reduzierten Auswahl fundamentaler Inputfaktoren (vgl. Clark/MacDonald: Exchange Rates and Economic Fundamentals: A Methodological Comparison of BEERs and FEERs, 1998). Anstelle der effektiven Wechselkurse konzentriert sich AllianzGI auf die bilateralen Wechselkurse gegenüber dem US-Dollar. Dynamischer Ansatz 25 WÄHRUNGEN NZD/USD 02 MODELL MIT ALLEN WÄHRUNGEN: ÜBER-/UNTERBEWERTUNGEN (IN %) US D/PE N USD/IN R USD/MXN USD/N OK USD/CN Y E UR/SE K USD/TW D USD/TRY USD/IDR USD/Z A R USD/CLP –20 % E UR/N OK –15 % E UR/PLN USD/ILS E UR/CZ K USD/THB E UR/GB P USD/PHP E UR/CHF USD/CA D USD/RUB USD/JPY E UR/HUF USD/SE K USD/COP –10 % USD/PLN -5 % USD/KRW 0% U N T E R B E WE R T E T Quelle: Allianz Global Investors, eigene Berechnungen, März 2014 „Die Ergebnisse unserer Fair Value-Analysen stützen unsere langfristig positive Sicht auf Schwellenlandwährungen und auf Emerging Market-Bonds in lokaler Währung.“ 26 AUD/USD EUR/USD USD/CZK GBP /USD USD/CHF USD/BRL USD/HUF USD/RO N Ü B E R B E WE R T E T USD/SG D 15 % 10 % 5% Update III/2014 · Auf der anderen Seite liegen die Wechselkurse des brasilianischen Real, des ungarischen Forint und der tschechischen Krone etwas über dem fundamental gerechtfertigten Niveau. · Der Euro ist zwar aktuell überbewertet (wenn auch innerhalb seiner historischen Bandbreite), war aber gemäß unserem Modell zu Beginn des Jahrzehnts stark unterbewertet. Der japanische Yen hat infolge seiner kräftigen Abwertung seit Mitte 2012 seine vorherige Überbewertung vollständig abgebaut. Die Währungen Australiens und vor allem Neuseelands gehören zurzeit zu den am stärksten überbewerteten innerhalb der betrachteten Gesamtheit. Stefan Hofrichter leitet seit 2011 den Bereich Global Economics and Strategy bei Allianz Global Investors. Der Schwerpunkt seiner Researchtätigkeit liegt in den Bereichen Globale und Europäische Wirtschaftsentwicklung, Assetallokation sowie Aktienstrategie. Er trat 1996 als Fondsmanager für europäische Aktien in die Gesellschaft ein. Seit 1998 ist er im Bereich Makroresearch tätig. Zwischen 2004 und 2010 managte er zusätzlich europäische und globale Mischfonds, Multi Asset Absolute Return- und Multi Manager Alpha Porting-Fonds. Stefan Hofrichter ist seit 2004 Mitglied im Team der Allianz Global Investors Global Policy, das die mittelfristige Kapitalmarkteinschätzung der Gesellschaft festlegt, sowie seit 2013 Mitglied im Investmentkomitee für Taktische Assetallokation, das für die Investmentstrategie der in Europa gemanagten Multi AssetMandate verantwortlich ist. Stefan Hofrichter schloss seine Studien 1995 an der Universität Konstanz als Diplom-Volkswirt und 1991 an der Fachhochschule der Deutschen Bundesbank, Hachenburg, als Diplom-Betriebswirt (FH) ab. Seit 2000 ist er Chartered Financial Analyst. · Insgesamt unterlagen die Wechselkurse erwartungsgemäß weit größeren Schwankungen, als dies fundamental gerechtfertigt war. Dies bestätigt die dominierende Rolle technischer bzw. spekulativer Marktfaktoren über kürzere Zeiträume (Grafik 2). Zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Beide Ansätze kommen für die Schwellenländer unabhängig voneinander zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach erscheinen die meisten Schwellenlandwährungen real betrachtet unterbewertet. Besonders ermutigend ist die Tatsache, dass die jeweiligen Vorgehensweisen sich zwar dem Prinzip nach unterscheiden (auch wenn beide das BIP pro Kopf als erklärende Variable nutzen), aber stark übereinstimmende Resultate liefern. Die Ergebnisse unserer Fair Value-Analysen stützen unsere langfristig positive Sicht auf Schwellenlandwährungen und auf Emerging Market-Bonds in lokaler Währung. Viele Schwellenlandwährungen sind derzeit deutlich attraktiver als noch vor zwei Jahren. Deshalb lohnt es sich unserer Meinung nach, im aktuellen Umfeld Engagements in den Schwellenländern einzugehen. Dies gilt umso mehr für Investoren, die über den Euroraum hinaus anlegen. Martin Hochstein ist Mitglied des globalen „Economics & Strategy“-Teams und verfügt über eine 16-jährige Erfahrung in der Investmentbranche. Vor seinem Wechsel zu Allianz Global Investors/RCM im Juni 2009 arbeitete er als Senior-Fondsmanager mit Schwerpunkt internationale und europäische Rentenfonds bei Cominvest sowie Deka Investment und leitete bis 2004 das Rentenund Geldmarktfondsmanagement bei SEB Asset Management Deutschland. Martin Hochstein studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Siegen und ist CFA-Charterholder seit 2003. 27 Interview „Wann kommt die Talfahrt an den Aktienmärkten, Herr de Vries-Hippen?” 28 Update III/2014 Chefredakteur Marty-Jörn Klein im Gespräch mit Jörg de Vries-Hippen, Head of Equity Investment, Allianz Global Investors, Frankfurt Am 5. Juni 2014 hat der DAX erstmals 10.000 Punkte erreicht. Ist das nun das Ende der Fahnenstange, oder geht es jetzt erst richtig los? Jörg de Vries-Hippen: Weder noch! 10.000 Punkte im DAX ist eine Zahl, die in Relation zur Bewertung der im DAX enthaltenen Aktien gesehen werden muss. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von knapp 12 für 2015 fühle ich mich definitiv wohler als mit einem DAX bei 7.500 und einem 2015er KGV von 20. Wie der DAX mittelfristig aussieht, ist maßgeblich von der Zinspolitik der Notenbanken und der Gewinnentwicklung der Unternehmen abhängig. Beides hängt wiederum von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ab. Wir erwarten weiter ein moderates Wachstum der Weltwirtschaft und ein niedriges Zinsumfeld. Beides zusammen sollte auch weiterhin die Unternehmensgewinne positiv beeinflussen und somit dem DAX im Verhältnis zu den Unternehmensgewinnen Potenzial einräumen. Aber Analysten gehen doch davon aus, dass der DAX bei etwa 9.500 Punkten fair bewertet ist. Ist das jetzt ein Grund zur Vorsicht? Es fällt mir schwer, eine allgemeingültige Definition für „fair bewertet“ zu finden. Der DAX ist der einzige Index der Welt, der als Performance-Index veröffentlicht wird. Betrachtet man den reinen Kurs-Index ohne Dividenden, dann ist der DAX bei rechnerisch etwa 5.085 Punkten und damit 1.115 Punkte von seinem Rekordhoch im März 2000 entfernt. Was außerdem nicht in diese „Bewertung“ einfließt, sind die sehr viel bessere Gewinnsituation und die viel größere Effizienz der deutschen Unternehmen im Vergleich zur Vergangenheit. Es ist ja auch sehr schwierig, einen Mercedes E 200 des Jahres 2000 mit einem des Jahres 2014 zu vergleichen, obwohl sie die gleichen Modellnamen tragen. ZUR PERSON Jörg de Vries-Hippen ist Head of Equity Investment, Frankfurt, und Investment Style Leader für die europäische Core(Kern)-Strategie sowie Portfoliomanager für die europäischen Aktien-Core-Produkte. Zudem ist er für den Schweizer Aktienmarkt zuständig und verwaltet seit 1995 die schweizerischen Aktienfonds. Jörg de Vries-Hippen arbeitet seit 1992 für Allianz Global Investors. Bevor er seine Tätigkeit 1994 im Europa-Aktienteam aufnahm, war er Junior Fund-Manager für japanische Aktien. In der Zeit von 1994 bis 2001 war Jörg de Vries-Hippen für Italien, Spanien und die Schweiz zuständig und baute danach das Euroland-Franchise auf. Seit 2003 arbeitete er als Teamleiter für European Large Caps in Frankfurt und wurde 2007 zum Co-CIO European Equities und schließlich 2010 zum CIO European Equities ernannt. Jörg de Vries-Hippen schloss sein Studium der Betriebswirtschaftslehre im Jahr 1993 an der Universität Mannheim ab und ist ausgebildeter DVFA/CIIA-Analyst. 29 INTERVIEW „Die größten Gewinner der nächsten Jahre sollten meines Erachtens Unternehmen sein, die aufgrund ihres Geschäftsmodells in der Lage sind, sich schnell an die Gegebenheiten ihrer Märkte anzupassen.“ Wie werden sich der niedrige Leitzins von 0,05 % sowie der real negative Einlagenzins von 0,2 % auf die Aktienmärkte auswirken? Die niedrigen Zinsen sind letztlich Folge der finanziellen Repression. Wir müssen über einen längeren Zeitraum mit niedrigen Zinsen rechnen, wobei sie wohl nicht so niedrig wie heute bleiben werden. Trotzdem wird man sich für seine Vermögensanlage andere Investments suchen müssen, um auch nur der erwarteten moderaten Inflation begegnen zu können. Ohne ein vernünftiges Maß an Risiko wird das nicht funktionieren. Warum also dieses „Smart Risk“ nicht in eine sehr viel dynamischere Assetklasse wie Aktien einsetzen. Mit einer Dividendenrendite von über 3 % wäre damit allein schon die Verzinsung des Kapitals wesentlich größer als bei Anleihen. Aktienmärkte sollten auch weiter von niedrigen Zinsen profitieren. menhang stehenden geldpolitischen Aktivitäten werden für die anderen Wirtschaftsräume richtungsweisend sein. Direkter Einfluss entsteht durch Wechselkurse, Zinsen und Bewertungen einzelner Assetklassen. Was sind dabei die größten Gefahren für die europäischen Aktienmärkte? Wo Chancen sind, sind auch Risiken. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ist die größte Stellschraube. Nach unseren Erwartungen sehen wir eine vorsichtige weitere Aufwärtsbewegung, die dann nur wenige Risiken birgt – geht es abwärts, nehmen die potenziellen Risiken zu. Schwierig einzuschätzen sind hierbei politische und geopolitische Störungen, die je nach Ausmaß unterschiedlich lange einen Markt dominieren oder beeinflussen können. Die Aktie gilt breiten Anlegerschichten noch immer als riskant – nicht nur Kleinsparern, sondern vor allem auch großen wie Versicherungen, Versorgungskassen und nicht zuletzt der Finanzmarktaufsicht. Wie lautet Ihr Plädoyer für die Aktie? Hier sehe ich mindestens zwei wesentliche Punkte. Das wohl stärkste Argument für die Aktie ist ihre Verzinsung. Der Markt offeriert nachhaltige Geschäftsmodelle, also Unternehmen, die auch auf Dauer hohe Free Cashflows mit einer Dividendenrendite von 5 % und mehr erzeugen. Aber auch die hohe Liquidität des Assets sehe ich als großen Vorteil. In der vergangenen Krise zeigte die Aktie zwar hohe Volatilität, aber war auch das einzige Asset neben Cash, das sich durch Liquidität auszeichnete. Und welche Rolle werden die USA dabei spielen? Die USA bleiben einer der wichtigsten Impulsgeber. Sowohl deren wirtschaftliche Entwicklung als auch die damit in direktem Zusam- 30 Wie wird sich vor allem die Rückkehr der Subprime-Kredite in den USA auswirken? Sie werden zurückkehren und werden vom Markt gekauft, solange die Bewertung dieses rechtfertigt. Die Krise der SubprimeKredite war eine Bewertungskrise, die über eine zu große Nachfrage die notwendige Risikoprämie zu hoch eingepreist hat. Solange dieses Segment eine reelle Risikoprämie bereithält, sehe ich hier eine vernünftige Refinanzierungsmöglichkeit für Kreditinstitute im Markt. Update III/2014 Impressum Update III / 2014 Das Kundenmagazin von Allianz Global Investors für institutionelle Investoren Herausgeber: Allianz Global Investors Europe GmbH Bockenheimer Landstr. 42–44 60323 Frankfurt www.allianzglobalinvestors.de www.updatemagazineonline.com/de Chefredakteur: Marty-Jörn Klein Projektleiterin: Caroline Wagner, Lina Masri (Stv.) Redaktion: Peter Berg, Bianca Gerlach, Marty-Jörn Klein, Hans-Joachim Kollmannsperger, Lina Masri, Hans-Jörg Naumer, Klaus Papenbrock, Oliver Schütz, Christian Subbe, Caroline Wagner Kontakt zur Redaktion: [email protected] Layout: 3st kommunikation GmbH Satz: Brückner & Neuner GmbH Und was sind die aussichtsreichsten Aktienmärkte in Europa für die nächsten 3 bis 5 Jahre? Die Vergangenheit hat bewiesen, dass wir bessere Ergebnisse in der Selektion einzelner Aktien erarbeiten als bei Sektoren oder Ländern. Auch glaube ich nicht an diese Art der Selektion, weil die meisten Unternehmen international orientiert sind und damit das Heimatland eine untergeordnete Rolle spielt. Die größten Gewinner der nächsten Jahre sollten meines Erachtens Unternehmen sein, die aufgrund ihres Geschäftsmodells in der Lage sind, sich schnell an die Gegebenheiten ihrer Märkte anzupassen. Je nach Risikoneigung des Investors kann man hierzu verschiedene Selektionskriterien wählen. Geringste Volatilität bei höchster regelmäßiger Verzinsung werfen dabei unsere Titel der Dividendenstrategie ab, höchste Rendite, bei allerdings auch höherer Volatilität, unsere Titel der Wachstumsstrategie. Herr de Vries-Hippen, vielen Dank für das Gespräch. Druck: Schleunungdruck GmbH, Marktheidenfeld Fotografien: Allianz Global Investors, getty images, shutterstock, Masterfile Stand: September 2014 Investieren birgt Risiken. Der Wert einer Anlage und Erträge daraus können sinken oder steigen. Investoren erhalten den investierten Betrag gegebenenfalls nicht in voller Höhe zurück. Die Volatilität der Preise für Fondsanteilwerte kann erhöht oder sogar stark erhöht sein. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für künftige Ergebnisse. Wenn die Währung, in der die frühere Wertentwicklung dargestellt wird, von der Heimatwährung des Anlegers abweicht, sollte der Anleger beachten, dass die dargestellte Wertentwicklung aufgrund von Wechselkursschwankungen höher oder niedriger sein kann, wenn sie in die lokale Währung des Anlegers umgerechnet wird. Dies ist nur zur Information bestimmt und daher nicht als Angebot oder Aufforderung zur Abgabe eines Angebots, zum Abschluss eines Vertrags oder zum Erwerb oder Veräußerung von Wertpapieren zu verstehen. Die hierin beschriebenen Produkte oder Wertpapiere sind möglicherweise nicht in allen Ländern oder nur bestimmten Anlegerkategorien zum Erwerb verfügbar. Diese Information darf nur im Rahmen des anwendbaren Rechts und insbesondere nicht an Staatsangehörige der USA oder dort wohnhafte Personen verteilt werden. Die darin beschriebenen Anlagemöglichkeiten berücksichtigen nicht die Anlageziele, finanzielle Situation, Kenntnisse, Erfahrung oder besondere Bedürfnisse einer einzelnen Person und sind nicht garantiert. Die dargestellten Einschätzungen und Meinungen sind die des Herausgebers und/oder verbundener Unternehmen zum Veröffentlichungszeitpunkt und können sich – ohne Mitteilung darüber – ändern. Die verwendeten Daten stammen aus verschiedenen Quellen und wurden als korrekt und verlässlich bewertet, jedoch nicht unabhängig überprüft; ihre Vollständigkeit und Richtigkeit sind nicht garantiert. Es wird keine Haftung für direkte oder indirekte Schäden aus deren Verwendung übernommen, soweit nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht. Bestehende oder zukünftige Angebots- oder Vertragsbedingungen genießen Vorrang. Tagesaktuelle Fondspreise, Verkaufsprospekte, Gründungsunterlagen, aktuelle Halbjahres- und Jahresberichte und wesentliche Anlegerinformationen in deutscher Sprache sind kostenlos beim Herausgeber postalisch oder als Download unter der Adresse www.allianzgi-regulatory.eu erhältlich. Bitte lesen Sie diese alleinverbindlichen Unterlagen sorgfältig vor einer Anlageentscheidung. Marty-Jörn Klein, Chefredakteur von Update, sprach mit Dies ist eine Marketingmitteilung herausgegeben von Allianz Global Investors Europe GmbH, www.allianzgi.de, einer Kapitalverwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, gegründet in Deutschland; Sitz: Bockenheimer Landstr. 42–44, 60323 Frankfurt/M., Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt/M., HRB 9340; zugelassen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (www.bafin.de). Die Vervielfältigung, Veröffentlichung sowie die Weitergabe des Inhalts in jedweder Form ist nicht gestattet. Jörg de Vries-Hippen. 31 Danke für den vierten Stern: Greenwich Quality Leader. Für uns gibt es keinen größeren Erfolg als das Vertrauen unserer Kunden. Umso mehr freuen wir uns über die erneute Auszeichnung, die allein auf der Einschätzung unserer Kunden beruht. Auch für Allianz Global Investors ist der vierte Stern kein Grund, sich auszuruhen. Er ist für uns Ansporn, durch individuelle und innovative Lösungen Ihr Vertrauen immer wieder zu gewinnen. Besuchen Sie uns unter allianzgi.de/institutionelle 1 1 Quelle: Greenwich Associates 2014 Continental European Institutional Investment Management Research. Ein Ranking, Rating oder eine Auszeichnung ist kein Indikator für die künftige Entwicklung und unterliegt Veränderungen im Laufe der Zeit. Investieren birgt Risiken. Der Wert einer Anlage und Erträge daraus können sinken oder steigen. Investoren erhalten den investierten Betrag eventuell nicht in voller Höhe zurück. Dies ist eine Marketingmitteilung, herausgegeben von Allianz Global Investors Europe GmbH, www.allianzgi.de, einer Kapitalverwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, gegründet in Deutschland; Sitz: Bockenheimer Landstr. 42–44, 60323 Frankfurt a.M., Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt a.M., HRB 9340; zugelassen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (www.bafin.de). Stand: August 2014. Verstehen. Handeln.