Titel des Positionspapiers / der Stellungnahme

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Unterschiedliche Ausstattung der
Ganztagsschulen in den Bundesländern
macht Vergleichbarkeit fraglich
Die landesseitige Ausstattung gebundener Ganztagsschulen
mit personellen Ressourcen. Ein Bundesländervergleich.
Studie von Prof. Dr. Klaus Klemm und Dr. Dirk Zorn
im Auftrag der Bertelsmann Stiftung
29. April 2016
Zusammenfassung
In den letzten 15 Jahren hat sich eine komplexe Ganztagsschullandschaft entwickelt,
die je nach Bundesland, Schulform und
Schulstufe in Terminologie, Angebotsumfang
und pädagogischer Praxis sehr unterschiedlich ausfällt. Dabei ist es für die Frage, ob
eine Ganztagsschule ihr Potenzial auszuschöpfen vermag, von Bedeutung, wie viel
zusätzliche Lernzeit über den Unterricht hinaus zur Verfügung steht und wie es um die
Ausstattung mit pädagogischem Personal
bestellt ist, das diese zusätzlichen Lerngelegenheiten mit Leben füllen soll.
Trotz einheitlicher Kategorisierung durch die
Kultusministerkonferenz als „gebundene
Ganztagsschulen“ weisen die Schulen im
Ländervergleich eine erhebliche Bandbreite
an unterschiedlichen Voraussetzungen auf,
schaut man auf das Ausmaß an zusätzlicher
Lernzeit, zusätzlichem pädagogischem Personal und schließlich auf die Kongruenz von
Lernzeit und Personalausstattung.
Dazu hat die Bertelsmann Stiftung nun eine
Studie unter Beteiligung von Prof. Dr. Klaus
Klemm veröffentlicht, in der die gesetzlichen
Vorgaben der Kultusministerien der Länder
für gebundene Ganztagsschulen mit Blick
auf Lernzeit und landesseitig finanziertes
Personal miteinander verglichen werden. Im
Fokus stehen mithin die Personalressourcen,
die den Ganztagsschulen in den 16 Bundesländern aus Landesmitteln für zusätzliche
Lernangebote zur Verfügung gestellt werden;
ausgeklammert sind die ergänzenden
kommunalen Ressourcen einerseits sowie
die Maßgaben seitens der regionalen Schulverwaltungen.
Im Einzelnen:
Der Ausbau an Ganztagsschulen ist weit
vorangeschritten: War 2002 noch nicht einmal jede fünfte Schule Ganztagsschule, trifft
dies inzwischen auf mehr als 60 % aller
Schulen zu. In Deutschland besuchten im
Schuljahr 2013/14 insgesamt 2,6 Millionen
und damit 35,8 % der Schüler und Schülerinnen der Primar- und Sekundarstufe I
öffentliche oder private Ganztagsschulen.
Zusätzliche Lernzeit:
Das „Mehr an Zeit“ an der Ganztagsschule
ist eine zentrale notwendige Bedingung für
gelingende individuelle Förderung über den
Unterricht hinaus. Der erste Befund der
Studie ist, dass diese zusätzliche Lernzeit
jedoch abhängig von Schulstufe und Bundesland ist. Die Lernzeit sinkt zunächst mit
dem Wechsel zur weiterführenden Schule:
Während die zusätzliche Lernzeit an Grundschulen mit verpflichtendem Ganztag durchschnittlich knapp 14 Stunden pro Woche
beträgt, umfasst sie an weiterführenden
Schulen nur 8 Stunden. Auch zwischen den
Bundesländern sind die Unterschiede groß.
In den Grundschulen reicht die zusätzliche
Lernzeit von acht (Thüringen, Sachsen
und Nordrhein-Westfalen) bis 22 Stunden
(Hessen) pro Woche.
In der Sekundarstufe I bieten Ganztagsschulen in Hessen mit 16 Stunden die meiste
zusätzliche Lernzeit. Mit lediglich rund vier
Stunden bieten Mecklenburg-Vorpommern,
Nordrhein-Westfalen, Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen am wenigsten zusätzliche Lernzeit. Verteilt auf drei Wochentage
und das Mittagessen einschließend bleibt so
kaum Zeit für individuelle Förderung.
Ausstattung mit Lehrerstunden:
Was die Ausstattung mit qualifiziertem
Personal (neben Lehrkräften auch Erzieher
und Sozialpädagogen) angeht, um die
zusätzliche Lernzeit im Ganztag bestreiten
zu können, gibt es beträchtliche Variationen
zwischen Schulformen und Bundesländern,
so der zweite Befund. Grundschulklassen
erhalten im Schnitt von den Ländern zusätzliches Personal für 12 Wochenstunden, an
weiterführenden Schulen sind es nur
5 Wochenstunden. Auch hier reicht die
Spannweite von drei (Bremen) bis zu knapp
32 zusätzlichen Wochenstunden im Saarland.
Kongruenz von Zeit und Personal:
Um das Potenzial für eine gelingende individuelle Förderung aller Schüler in der Ganztagsschule zu realisieren, ist ein gutes Verhältnis zwischen ausreichend zusätzlicher
Lernzeit und einer dazu passenden Personalausstattung erforderlich. Die Ergebnisse
der Studie deuten darauf hin, dass solche
Bedingungen in allen Stufen gebundener
Ganztagsschulen lediglich in Berlin und dem
Saarland gegeben sind, in der Sekundarstufe I außerdem in Rheinland-Pfalz.
Der dritte Befund der Studie stellt fest, dass
zusätzliche Lernzeit und Personalausstattung in vielen Bundesländern nicht systematisch aufeinander abgestimmt sind; viel Lernzeit bedeutet nicht automatisch, dass das
jeweilige Land auch ausreichend Personal
bereitstellt. Zwar deckt das vom Land
gestellte zusätzliche Personal bei gebundenen Grundschulen im Schnitt 91 % der
zusätzlichen Lernzeit ab, aber zwischen den
Ländern gibt es Unterschiede: Die geringste
Abdeckung besteht in Bremen und Hessen,
die höchste im Saarland.
In der Sekundarstufe I liegt die durchschnittliche Abdeckung bei 69 % (Gymnasien) bzw.
67 % (nicht gymnasiale Schulformen). Auch
hier gibt es Länderunterschiede mit der
geringsten Abdeckung von 20 % an Thüringer Gymnasien und mit 22 % bei den nicht
gymnasialen Schulen der Sekundarstufe I in
Bremen. Sachsen-Anhalt verfügt über die
höchste Abdeckung bei den weiterführenden
Schulen, aber bei geringer zusätzlicher
Lernzeit.
Kosten:
Im Schnitt lassen sich Länder nach der
vorliegenden Schätzung eine gebundene
Grundschulklasse ca. 23.000 € zusätzlich an
Personal kosten. An den weiterführenden
Schulen ist es mit ca. 15.000 € deutlich
weniger. Für gebundene Grundschulklassen
wie für die nicht gymnasialen Schulen gibt
das Saarland am meisten aus, für die
Gymnasien gibt Rheinland-Pfalz mit Abstand
am meisten zusätzliche Personalmittel.
Bei der Vorgabe für die Ganztage von
7 Zeitstunden täglicher Öffnungszeit gibt es
Abweichungen nach oben: Berlin und
Hessen sehen 8,5 Stunden vor, weitere fünf
Länder 8 Stunden. Am wenigsten Mehrzeit
hat Niedersachsen mit 2,5 Zeitstunden.
Deutlich größer fällt dies beim Spitzenreiter
Hessen aus. Bei einem Unterrichtsanteil von
4 Stunden bleiben bei 8,5 Stunden noch 4,5
zusätzliche Stunden, die auch pädagogisch
genutzt werden können.
Bewertung:
Die Unterschiedlichkeit der Bundesländer in
der Handhabung des Ganztagsschulbetriebs
ist nicht neu. Grundschulen haben weniger
Unterrichtsstunden und erhalten daher mehr
zusätzliche Lernzeit als die Sekundarstufe 1.
Die Personalausstattung muss nicht immer
alleine mit Lehrerstunden erfolgen, sondern
kann auch anderes pädagogisches Personal
einbinden. Die Studienautoren konzedieren
selbst, dass mit der Erhebung der länderseitigen Personalausstattung nicht nur Fragen
beantwortet, sondern auch neu aufgeworfen
werden. Richtig ist, dass ohne eine ausreichende Ausstattung die gewünschten Effekte
Aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zur
Ressourcenausstattung gebundener Ganztagsschulen in den Bundesländern
29. April 2016
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des Ganztags im Blick auf mehr Zeit für
individuelle Förderung nicht erreicht werden
können. Dazu gehören aber mindestens
ebenso hochwertige pädagogische Konzepte, die allerdings quantitativ nicht zu
erfassen sind.
Ansprechpartner:
BDA | DIE ARBEITGEBER
Bundesvereinigung der
Deutschen Arbeitgeberverbände
Bildung | Berufliche Bildung
T +49 30 2033-1500
[email protected]
Aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zur
Ressourcenausstattung gebundener Ganztagsschulen in den Bundesländern
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