Redemanuskript des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Michael Weichert zum Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE "Gesetz zur Ermöglichung der Teilnahme von Wählervereinigungen an den Wahlen zum Sächsischen Landtag", 128. Sitzung des Sächsischen Landtages, 21. Januar 2009, TOP 7 Weichert: Sachsen demokratisch modernisieren Es gilt das gesprochene Wort! Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir legen Ihnen heute einen einfachen Gesetzentwurf vor – aber mit beabsichtigt weitreichenden Folgen: Wir wollen Wählervereinigungen, die sich nicht als Partei im Sinne des Parteiengesetzes organisiert haben, die Teilnahme schon an der Landtagswahl am 30. August dieses Jahres ermöglichen. Eine Verabschiedung dieses Gesetzes ist im März machbar, so dass Wählervereinigungen an der Landtagswahl teilnehmen könnten, wenn sie es wollen. Warum dieser Vorschlag? - Wir wollen Sachsen damit demokratisch modernisieren und nicht länger hinter anderen Bundesländern zurück stehen. Bereits in sieben Ländern ist die Teilnahme von Wählervereinigungen zugelassen, nämlich in Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Meine Damen und Herren, für die Zulassung gibt es gute Argumente. Demokratische Herrschaft wird durch gleiche, freie und allgemeine Wahlen legitimiert. Eine Einschränkung von Wahlrechten ist unter diesem Aspekt stets verdächtig, mindestens begründungspflichtig. Ich kann keinen Grund für den Ausschluss von Wählervereinigungen erkennen. Darum muss diese Beschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts ein Ende haben. Sie widerspricht der wünschenswerten Offenheit des politischen Wettbewerbs. Ich kann ihn insbesondere nicht unter dem Aspekt des Artikels 21 des Grundgesetzes erkennen, nachdem die Parteien – Zitat - „an der Willensbildung des Volkes mitwirken“. Es besteht also kein verfassungsrechtliches begründbares Parteienmonopol - weder bei der Willensbildung des Volkes noch bei der Wahlteilnahme. Meine Damen und Herren, die Parteibindung der Bevölkerung in Sachsen ist extrem schwach. Inzwischen wissen wir, dass es sich nicht um ein vorübergehendes, ostspezifisches Problem handelt. Auch in den alten Bundesländern hat die Parteibindung der Bürgerinnen und Bürger seit den neunziger Jahren extrem abgenommen. Hingegen hat die Bedeutung der Wählervereinigungen deutlich zugenommen. Wir sind also aufgerufen, nach Wegen zu suchen, wie die Rückbindung der Politik an die Bürger und die Bindung der Bürger an die Politik – über die Parteien hinaus – deutlich verbessert werden kann. Ein Schritt dazu kann das Recht für Wählervereinigungen sein, zur Landtagswahl anzutreten. Zum Gesetzestext: Wir wollen eine Gleichbehandlung zwischen Parteien und Wählervereinigungen. Der Gesetzentwurf streicht daher die Beschränkung in Paragraph 4 Landeswahlgesetz auf Landeslisten von Parteien und fügt in den folgenden Vorschriften jeweils die Wählervereinigungen ein. Damit soll eine vollständige Gleichbehandlung zwischen zur Wahl antretenden Parteien und Wählervereinigungen erreicht werden. Für Wählervereinigungen gilt also ebenso die Notwendigkeit einer demokratischen Binnenorganisation, die 5%-Hürde oder die Notwendigkeit, Unterstützungsunterschriften zu sammeln, wenn die Wählervereinigung noch nicht im Landtag vertreten ist. Auch sollen Wählervereinigungen 2 Euro Wahlkampfkostenerstattung je Stimme erhalten. Dies entspricht übrigens der Regelung in Hessen und Rheinland-Pfalz. Meine Damen und Herren, gegen die Teilnahme von Wählervereinigungen an Landtagswahlen wird mitunter ins Feld geführt, dass ihnen eine landesweite Programmatik fehlen würde. In dieser Argumentation schwingt der Vorwurf mit, Wählervereinigungen wären nicht verlässlich genug. Ich halte diese Begründung nicht für stichhaltig. Und vor dem Hintergrund des Einzugs der antidemokratischen NPD in den Landtag wird diese Entgegnung ohnehin völlig absurd. Meine Damen und Herren, die sächsischen Wählervereinigungen sind seit langem ein stabiler Bestandteil der kommunalen Ebene. Sie wurden bei den Kreistagswahlen mit 12% zur drittstärksten politischen Kraft in Sachsen! Wer gegen die Zulassung von Wählervereinigungen ist, der muss sich den Vorwurf gefallen lassen, diese starke politische Kraft aus der Landtagspolitik ausschließen zu wollen. Ich bin sehr froh, dass sich der Vorsitzende der Freien Wähler Sachsen positiv zu unserem Gesetzentwurf geäußert hat. Ich möchte aber auch betonen, dass es uns hierbei um keine bestimmte Wählervereinigung geht, sondern um eine grundsätzliche, demokratietheoretisch begründete Öffnung des Wahlgesetzes. Ich bin gespannt, ob die Fraktionen dieses Hauses unseren Vorschlag aufgreifen und die Teilnahme der Wählervereinigungen ermöglichen. Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf kann noch in dieser Legislaturperiode beraten und verabschiedet werden, so dass Wählervereinigungen bereits an der Landtagswahl am 30. August 2009 teilnehmen können. Gemäß der Bekanntmachung der Landeswahlleiterin vom 24. November 2008 ist die Absicht der Beteiligung an der Landtagswahl bis zum 1. Juni 2009 bei der Landeswahlleiterin schriftlich anzuzeigen. Die Landesliste und die Kreiswahlvorschläge sind bis zum 25. Juni 2009 einzureichen. Wir haben die Initiative ergriffen, um noch rechtzeitig ein Gesetzgebungsverfahren in Gang zu setzen. Der Gesetzentwurf kann in den Ausschüssen im Februar beraten und bereits im März beschlossen werden. Ihre guten Vorschläge zur Erreichung des Zieles greifen wir im Verlauf der Debatte in den Ausschüssen gerne auf.