Die „Connected Republic“ als nächste Stufe einer integrierten E-Government-Strategie Von: Willi Kaczorowski, Internet Business Solutions Group, Cisco Systems Ist beim E-Government in Deutschland das Glas halb voll oder halb leer? Diese Frage stand bei einer Diskussionsrunde der Fraunhofer Gesellschaft auf der CeBIT 2004 im Mittelpunkt der Diskussion. Sie ist nicht einfach zu beantworten, weil es dabei auf den Maßstab ankommt. Das Glas ist halb voll: Zweifelsohne hat Deutschland bei der E-Government-Entwicklung eine Reihe von Fortschritten erzielt. Dazu gehören: § Im Rahmen der Umsetzung der Initiative BundOnline 2005 waren im April 2004 rund. 250 von zirka 450 Dienstleistungen des Bundes online verfügbar. Insgesamt sind 16 externe Dienstleister von der Bundesregierung beauftragt worden, an der Umsetzung der Initiative mitzuwirken. § Mit DeutschlandOnline haben sich Bund, Länder und Gemeinden auf ein Konzept zur Schaffung eines integrierten E-Government geeinigt. Es umfasst 22 Projekte, die bis 2010 verwirklicht werden sollen. § Der Wettbewerb zum Roll-out der Media@Komm-Ergebnisse auf 20 Städte ist entschieden. Mit der Unternehmensberatung „Capgemini“ ist der „Kümmerer“ ausgewählt worden, der in den nächsten Jahren die 20 ausgewählten Kommunen befähigen soll, die bei Media@Komm in mehrjähriger Arbeit geschaffenen Ergebnisse ihrerseits in die Fläche zu bringen. § Beim vierten E-Government-Wettbewerb 2003/2004 haben sich 76 Städte, Landesund Bundesbehörden beteiligt. Nach den Eindrücken der Jury war es diesmal besonders schwer, die Bestplazierten zu ermitteln, weil alle in die Endausscheidung gekommenen Projekte von hoher Qualität waren. § Die Zahl der Online-Nutzer steigt wieder. Entgegen allen Erwartungen wächst die Internetnutzerschaft wieder schneller. 2003 war mit 50,1 % nahezu die Hälfte aller Deutschen online. Auch die nächsten Jahre rechnen Emnid und die Initiative D 21 mit Zuwächsen. Das Glas ist halb leer... Gleichzeitig sprechen aber auch etliche Indizien dafür, das Glas als halb leer zu bezeichnen und somit erhebliche Verbesserungspotenziale für den öffentlichen Sektor in Deutschland zu skizzieren: 1 § Der Branchenverband BITKOM beklagt zu Recht, dass Deutschland einem digitalen Flickenteppich gleicht. Nach seinen Angaben hat die Bundesregierung in 2003 über 7000 Portale und Internetauftritte der öffentlichen Hand gezählt.1 § Bei den Unternehmen, die eine wesentliche Zielgruppe für die Initiative Bund Online 2005 darstellen, bestehen nach einer Erhebung von BearingPoint aus dem Jahr 2003 erhebliche Wissenslücken über das Angebot an Online-Dienstleistungen. Bei den in Anspruch genommenen Services dominieren die Informationsdienstleistungen. § Zahlreiche Online-Dienstleistungen werden durch die Bürger nur sehr zögerlich angenommen. Nach Angaben des BITKOM nehmen hierzulande nur rund 26 % aller Bürger Online-Dienstleistungen in Anspruch, während die nordischen Länder, die USA, Singapur aber auch Spanien, Frankreich und die Niederlande weitaus höhere Nutzungsraten haben.2 § Nach wie vor ist die öffentliche Verwaltung nur sehr zögerlich dem Trend gefolgt, einen hochrangigen Verantwortlichen für die Koordinierung und Steuerung sämtlicher mit der Informations- und Kommunikationstechnologie verbundenen Aufgaben zu berufen. Zwar lassen sich auf der Bundesebene mit den Ämtern IT-Direktor des BMI und dem IT-Direktor der Bundeswehr erste Ansätze erkennen, als Durchbruch kann dieses aufgrund der geringen Kompetenzen in Bezug auf die horizontale und vertikale ITSteuerung noch nicht betrachtet werden. Auch bei den Ländern macht die erfreuliche Ernennung eines CIO auf Staatssekretärsebene in den Ländern Hessen und Berlin noch keinen durchgreifenden Fortschritt aus. § E-Government hat auf Bundes- oder Landesebene bisher nicht wesentlich zum aufbauoder ablauforganisatorischen Umbau der Verwaltung beigetragen. Eine Reorganisation der Behörden mit dem Ziel, diese kundenorientierter arbeiten zu lassen, hat nicht stattgefunden. Wer einmal seinen Rentenkontoklärungsbescheid in den Händen hielt und angehalten war, sein Schul- und Berufsleben lückenlos durch Bescheinigungen nachzuweisen und dabei auf die Online-Verwaltung vertraute, wurde bitter enttäuscht. § Die Partizipationschancen der Bürger sind durch die Umsetzung von EGovernmentProjekten in den letzten Jahren nicht nennenswert erhöht worden. Zwar BITKOM: Daten zur Informationsgesellschaft. Status quo und Perspektiven Deutschlands im internationalen Vergleich, 2004 2 BITKOM: Daten zur Informationsgesellschaft. Status quo und Perspektiven Deutschlands im internationalen Vergleich, 2004 lassen sich auch hier auf Bundesebene oder bei einzelnen Ländern kleine Pilotvorhaben finden (die wenigen durchgeführten Online-Foren des Bürgerportal Berlins oder die Online-Befragung Hamburgs beispielsweise), doch hier sind wir in Deutschland in diesem Bereich noch weit vom internationalen Standard entfernt. § Eine kundenorientierte Bündelung von Themen über Portale, die über den Wirkungskreis eines Ressorts hinausgehen, sucht man oftmals vergeblich. Beispielsweise gelingt es auf den Webseiten des Bundesministeriums des Innern (BMI) nicht, sich einen vollständigen Überblick über alle Verwaltungsreformprojekte der Bundesverwaltung zu verschaffen. Zwar werden auf den BMI-Webseiten zur Verwaltungsmodernisierung alle Querbeziehungen zu den Themen Verwaltungsmodernisierung, Bürokratieabbau und BundOnline 2005 hergestellt, vergeblich sucht der Kunde aber nach Hinweisen auf andere, große Reformprojekte wie dem Portal der Bundesagentur für Arbeit oder dem Sozialversicherungsbereich. Selbst die Benutzung des „Google“ der Bundesregierung, das Portal „Bund.de“, bringt es hier nicht weiter. Unter dem Begriff „Verwaltungsreform“ finden sich gerade sechs Einträge, von denen immerhin einer auf eine allgemeine Webseite außerhalb des BMI-Ressorts verweist. Internationale Studien, oftmals interessengeleitet durch Unternehmensberatungen, bescheinigen Deutschland häufig einen Mittelplatz. Im Vergleich zu den E-Government-Champions wie Australien, Neuseeland, den USA oder den nordischen Staaten hinken wir nach diesen Studien weit hinterher. Im Vergleich zu Ländern wie Südafrika, Mexiko, Brasilien oder Malaysia ist das deutsche E-Government weit besser aufgestellt.3 Was also ist ein geeigneter Maßstab, der herangezogen werden kann, um ein deutsches integriertes E-Government horizontal und vertikal herauszubilden? Maßstab: Die „Connected Republic“ Weltweit müssen Regierungen und Verwaltungen drei wesentliche Aufgaben bewältigen: § § § 3 Die vertikale und horizontale Integration der Verwaltungsdienstleistungen unter dem Stichwort „one-stop-government“. Ziel ist es, mehr Schnelligkeit, Flexibilität und Effektivität bei der Aufgabenerfüllung zu erreichen. Anpassung der Verwaltungsdienstleistungen in Qualität und Quantität auf die Bedürfnisse der Nutzer bei gleichzeitiger fiskalischer Stabilität. Überwindung der Vertrauenskrise zwischen Politik, Verwaltung und den Nutzern, die sich in einer oftmals skeptischen und sogar zynischen Beurteilung der Leistung des öffentlichen Sektors widerspiegelt. Accenture: E-Government Leadership: Engaging the Customer, 2003 Der britische Premierminister Tony Blair beschrieb im Jahre 2002 den erforderlichen Wandel bei der Rolle des Staates und seiner öffentlichen Verwaltung: „Twentieth Century collective power was exercised through the Big State. Their welfare was paternalistic, handed down from on high. That won’t do today. Just as mass production has departed from industry, so the monolithic provision of services has to depart from the public sector. People want an individual service for them. They want Government under them, not over them. They want Government to empower them, not control them …. Out goes the Big State. In comes the Enabling State”.4 Bei dieser Transformation wird die intelligente Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie einen entscheidenden Beitrag leisten müssen, so wie sie in den letzten Jahren Industrie- und Dienstleistungsunternehmen radikal verändert hat. Insbesondere die Netzwerktechnologie spielte hierbei eine besondere Rolle. Die Internet Business Solutions Group (IBSG) des weltweit führenden Netzwerk- und Kommunikationsspezialisten Cisco Systems ist eine kleine Gruppe von strategischen Beratern, die weltweit mit führenden Regierungen und Verwaltungsbehörden zusammenarbeitet. Als Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist das Konzept der „Connected Republic“ entstanden. Es stellt einen Rahmen dar, innerhalb dessen die E-Government-Strategien weiterentwickelt und auf eine neue, höhere Stufe gebracht werden sollen. Hinter dem Begriff der „Connected Republic“ verbirgt sich die Auffassung, dass Platos Republik, in der Bürger ihre Sache selbst bestimmen und in die Hand nehmen, durch den konsequenten Einsatz intelligenter Informations- und Kommunikationstechnologie gefördert werden kann. Selbstverständlich ist Technologie kein Selbstzweck. Sie hat weiterhin dienende Funktion, wird aber im Zeitalter der Wissensgesellschaft einen herausgehobenen Stellenwert beim Regieren und Verwalten einnehmen. Trotz der erheblichen Unterschiede, die sich aufgrund der Organisation, der Kulturen und der Historie des öffentlichen Sektors herausgebildet haben, lassen sich doch drei gemeinsame Grundzüge herausarbeiten, die eine Transformation einer traditionellen Verwaltungsorganisation hin zu einer „Connected Republic“ fördern. Diese sind: - - 4 Überwindung der traditionellen, statischen und fachlich ausgerichteten Organisation der öffentlichen Verwaltung hin zu einer dynamischen „Networked Virtual Organisation“. Veränderung von Erscheinungsbild und Aufgabenwahrnehmung durch den Public Sector mit dem Ziel, gesellschaftlichen Mehrwert für die Nutzer und somit die Kunden anzubieten. Veränderung der Kultur der öffentlichen Verwaltung unter Einschluss der Arbeitsbedingungen des öffentlichen Sektors. Das Zitat ist entnommen aus: Cisco Systems: The Connected Republic, Preliminary Workshop Draft, April 2004 (noch nicht veröffentlicht), S. 1-1 Leitprinzipien der „Connected Republic“ Im folgenden werden die vier Leitprinzipien der „Connected Republic“ dargestellt. Diese sind: - Absolute Kundenorientierung Vernetzung Befähigung, eigene Interessen selbst wahrzunehmen Schaffen von gesellschaftlichem Mehrwert Dabei ist jedes dieser Leitprinzipien von eigenständiger Bedeutung, aber erst die Kombination aller vier Leitprinzipien zu einem strategischen Konzept bildet die „Connected Republic“ und stellt somit die Grundlage für das E-Government der nächsten Generation dar. 1. Leitprinzip: Absolute Kundenorientierung (Customer centricity) Im Mittelpunkt der Connected Republic steht die Überzeugung, dass die öffentliche Verwaltung ihre Tätigkeit so organisieren sollte, dass die Kundenorientierung im Zentrum aller behördlichen Aktivität steht. Kaum eine gängige Schrift zur Verwaltungsmodernisierung hat in den letzten Jahren darauf verzichtet, dieses verwaltungspolitische Mantra vor sich herzutragen. Allerdings gibt es noch wenige Verwaltungen, die sich entsprechend ihren Kundenerwartungen organisiert haben. Dabei geht es nicht nur darum, regelmäßige Kundenbefragungen zur Zufriedenheit mit den von der Verwaltung angebotenen Dienstleistungen durchzuführen. Absolute Kundenorientierung ist auch (noch) nicht erreicht, wenn Behörden ihre Dienstleistungen künftig online anbieten. Dies würde den Blick auf E-Government erheblich verkürzen und dazu führen, dass es – wie an manchen Stellen geschehen – eher als informations- und kommunikationstechnologisch technokratisches Projekt angesehen wird. Damit das Leitprinzip der absoluten Kundenorientierung erreicht wird, konzentriert sich das Konzept der „Connected Republic“ auf drei Aspekte. Zunächst geht es erstens darum, die Bereitschaft und die Fähigkeit zu stärken, dass die Kunden der öffentlichen Verwaltung oder die Stakeholder, wie sie manchmal auch genannt werden, die verschiedenen Verwaltungsbehörden als ein einheitliches Unternehmen oder eine einheitliche Organisation wahrnehmen können. Dazu ist eine vertikale und horizontale Integration der Verwaltungsbehörden erforderlich. Zweitens sollte diese einheitliche Organisation so herausgebildet werden, dass weder der traditionelle Verwaltungsaufbau oder historische Entwicklungen oder gar gewerkschaftliche Vorstellungen die Aufbau- und Ablauforganisation dominieren, sondern einzig und allein die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Kunden. Und schließlich geht es drittens darum, eine neue Verwaltungsorganisation zu schaffen, die flexibler und schneller auf die sich stetig wandelnden Aufgaben reagieren kann. Bevor die öffentliche Verwaltung trotz unterschiedlicher Ebenen, Aufgaben und Zuständigkeiten als eine einheitliche Organisation agieren kann, bedarf es einer gründlichen Überprüfung und Reform der Organisationsstruktur. Gegenwärtig dominiert im Hinblick auf die Organisation das Fachlichkeitsprinzip. Gestützt auf selbstständig agierende fachlich ausgerichtete Behörden nimmt die öffentliche Verwaltung gegenwärtig ihre Aufgaben wahr. Zur Realisierung des Leitprinzips der „absoluten Kundenorientierung“ ist es deshalb erforderlich, ein neues Organisationsmodell zu entwickeln und umzusetzen. Im Mittelpunkt wird künftig die Vernetzung aller Akteure auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung mit ihren Kunden stehen. Zusätzlich werden in dieses flexible Netzwerk auch Non-Profit-Organisationen und Unternehmen eingebunden. Das Netzwerkmodell wird jedoch nur realisiert werden können, wenn ein neues Modell der Steuerung auf der Basis gemeinsamer Standards und Infrastrukturen entwickelt wird. International lassen sich bereits Beispiele finden, wo dieses Netzwerkmodell in Form eines „joint up government“ verwirklicht wurde. Eine herausragende Rolle nimmt hier die E-GovernmentStrategie von Neuseeland ein, die alle Behörden zur kundenorientierten Zusammenarbeit verpflichtet. Eine solche Strategie geht weit über deutsche „Amtshilfe“ hinaus. Ebenso lehrreich ist das Beispiel der kanadischen Provinz Ontario. Die Provinz ist die zweitgrößte des Landes und mit 40 % der Gesamtbevölkerung Kanadas mit 12 Millionen Einwohnern die einwohnerstärkste. Flächenmäßig ist Ontario größer als Spanien und Frankreich zusammen. Mitte der 90er Jahre hatte sich die neugewählte Regierung der Provinz vier Ziele gesetzt: Reduzierung der öffentlichen Verwaltung, Verbesserung der Kundenorientierung, Beseitigung der Fach-Silos und einen ausgeglichenen Haushalt. Seit 1998 sind Regierung und Verwaltung der Provinz wie ein Unternehmen organisiert. Dies gilt besonders für die Art und Weise, wie Informations- und Kommunikationstechnologie geplant, beschafft, gesteuert und über die gesamte Behördenlandschaft Ontarios eingesetzt wird. Erfolgsfaktor war hierbei, dass Technologie nicht länger als Kostenblock, sondern als Hebel zur Veränderung betrachtet wurde. Nach Ansicht des Chefstrategen der Provinz, Joan McCalla, war es ein Durchbruch. „We successfully made the case that only through the application of technology could we increase the capacity of government while reducing size and costs. And through an enterprise approach to technology, we could improve client service und break down organization silos. It was the genesis of an important cultural transformation”.5 Allerdings ist die Verpflichtung zur Zusammenarbeit und deren organisatorische Umsetzung über gemeinsame Standards und Netzwerkinfrastrukturen nur eine Seite der Medaille zur Kundenorientierung. Darüber hinaus ist es erforderlich, auch die Geschäftsprozesse so zu organisieren, dass die jeweiligen Kundenerwartungen im Mittelpunkt stehen. Beispiele dafür enthält die ausgezeichnete Studie „Reorganisation of Government Back Offices for Better Electronic Services“6, die im Auftrag der europäischen Kommission erstellt wurde. In dieser Studie werden sogenannte Best Practice Fallbeispiele für über 20 Verwaltungsdienstleistungen 5 McCalla, in: Cisco Systems, S. 4-9 Jeremy Millard, Herbert Kubicek u.a., Reorganisation of Government Back Offices for Better Electronic Services – European Good Practises, Final Report to the EU Commission, Januar 2004 6 aufgezeigt. Auch der bei der internationalen E-Govenment-Konferenz in Como im Juli 2003 vorgelegte Bericht7 zeigt auf, welche Vorteile für die Kunden der öffentlichen Verwaltung entstehen, wenn bei E-Government-Strategien die Geschäftsprozesse horizontal und vertikal betrachtet radikal auf den Prüfstand gestellt werden. Bildet die absolute Kundenorientierung den Maßstab für die vernetzte Organisation der öffentlichen Verwaltung, wird mit Hilfe einer tiefgreifenden Aufgabenkritik zu analysieren sein, welches die Kernaufgaben künftiger Verwaltungstätigkeiten und welches Kontextaufgaben sind, die von anderen Partnern des Netzwerks aufgrund ihrer eigenen, wesentlich über die der Verwaltung hinausgehenden fachlichen Kompetenz, besser wahrgenommen werden sollen. Konzentration der Verwaltung auf Kernaufgaben, Verlagerung der Kontextaufgaben auf Partner und die Vernetzung dieser Partner sowie der Umbau der Verwaltung zu einem kundenorientierten „joint-up government“ die Besorgnis der „gläsernen Bürgern“ hervor, die aufgrund von Data Sharing und Data Mining leicht Opfer staatlicher Ordnungs- und Regulierungstätigkeit werden könnten. Da diese Besorgnis ernst genommen muss, wird bei der Umsetzung der „Connected Republic“ besonderer Wert auf Sicherheit und Datenschutz gelegt werden müssen. Zugleich sollte aber auch deutlich werden, dass erst mit der Umsetzung aller Leitprinzipien der „Connected Republic“ die Basis für eine Überwindung der Vertrauenskrise geschaffen werden kann. 2. Leitprinzip: Vernetzung (Connecting people) Das zweite Leitprinzip „Vernetzung“ hat zwei Dimensionen. Zum einen ist es auf die Vernetzung der Verwaltung mit Unternehmen und Non-Profit-Organisationen bezogen. Darüber hinaus wird in einer am Konzept der „Connected Republic“ ausgerichteten E-Government-Strategie aber auch die Vernetzung mit dem Bürger und die Vernetzung der Bürger untereinander gefördert. Vernetzung geht bis weit in die Zivilgesellschaft hinein. Die Gesellschaft wird immer fragmentierter, die Beziehungen der Bürger orientieren sich immer mehr am spontanen, individuellen Handeln als an klar ausgerichteten langfristigen, stabilen Aktionsformen. Diese neue Entwicklung stellt die öffentliche Verwaltung vor neue Herausforderungen. Mit der Entwicklung dieser neuen informellen Netzwerke geht die Gefahr einher, dass die Gestaltung von Politik und die Durchführung von Programmen immer schwieriger wird, weil Sicherheit und Verlässlichkeit kaum prognostiziert werden können. Zugleich liegt darin aber auch eine Chance, weil diese neuen, virtuellen, vernetzten Gemeinschaften die Partizipationsbereitschaft der Mitglieder auch wieder erhöhen können. Aufgabe von Regierung und Verwaltung ist es in der „Connected Republic“, diese neue Form der Gemeinschaft und der Zusammenarbeit zu fördern und anzuerkennen und ihnen die erforderliche Informations- und Kommunikationstechnologie zur Verfügung zu stellen. 7 European Institute of Public Administration: E-Government in Europe: The State of Affairs, July 2003, S. 35 Vernetzung spielt in der „Connected Republic“ auch bei den Politikkonzeptionen eine große Rolle. Bereits in den Ausführungen zum ersten Leitprinzip wurde darauf hingewiesen, dass die Aufweichung des Fachlichkeitsprinzips und eine Neuorientierung anhand der Kundenbedürfnisse eine große Chance für die Gewinnung neuer Legitimität des Verwaltungshandelns darstellt. Um eine solche Neuorientierung anhand der Kundenbedürfnisse zu erreichen, ist aber auch eine vernetzte Politikformulierung und -durchsetzung erforderlich. In einer hochkomplexen, modernen Wissensgesellschaft mit sich immer vielfältigender artikulierenden gegensätzlichen Interessen ist es unausweichlich, dass die Verwaltungsorganisation die Fähigkeit hat, hochkomplex zu denken und zu handeln. Das beste Beispiel hierfür stellt die Notwendigkeit einer koordinierten Sicherheits- und Katastrophenschutzverwaltung in den USA dar. Mit der Schaffung eines eigenständigen Ministeriums in Form des Department of Homeland Security war nur der erste Baustein für eine integrierte vernetzte Sicherheitsstruktur gesetzt. Nunmehr gilt es, die Vielzahl der an der öffentlichen Sicherheit und dem Katastrophenschutz beteiligten Behörden, der Non-ProfitOrganisationen und der privaten Unternehmen zu koordinieren, Wissenstransfer zu organisieren und auf diese Weise den Bedürfnissen der Bürger nach mehr vorbeugender Sicherheit und wirksameren Katastrophenschutz gerecht zu werden. Eine Vernetzung von Bürgern, Behörden und Unternehmen kann drei Vorteile erzielen: Der erste Vorteil liegt in einer gesteigerten Zusammenarbeit. In der Wissensgesellschaft können ohne diese neuen Formen der systematischen Zusammenarbeit, die durch Technologieeinsatz gefördert werden kann und möglichst zeitgleich erfolgen sollte, neue Aufgaben nur unzulänglich gelöst werden. Der zweite Vorteil besteht in erhöhter Kommunikation. Vertrauen wird gebildet, wenn die Kunden von Regierung und Verwaltung über an den kundenbedürfnissen ausgerichteten Tools stets auf dem aktuellen Stand der Diskussion sind, deren Resultate für sich bewerten und daraus ihr zukünftiges Handeln ableiten können. 3. Leitprinzip: Befähigung, eigene Interessen selbst wahrzunehmen (Empowering Citizens) „Empower“ steht im Lexikon für die Befähigung, eigene Interessen zu erkennen und selbst wahrzunehmen. Im Berufsleben hat dieser Begriff längst Eingang gefunden. Im politischen Bereich ist er allzu oft noch ein Fremdwort. Als drittes Leitprinzip der „Connected Republic“ bedeutet es, Bürger zur Wahrnehmung ihrer Rolle im Entscheidungsprozess zu befähigen. Weltweit gibt es bereits Beispiele, wie dieses Prinzip umgesetzt werden kann. Sie zeigen sich insbesondere auf dem Gebiet der Bildung. In den Niederlanden wurde ein Projekt mit dem Namen „Kennisnet“ entwickelt. Übersetzt heißt dies „Wissensnetzwerk“. „Kennnisnet“ ist eine staatliche Behörde des Bildungsministeriums, die als Dirigent eines Bildungsnetzwerks wirkt. Dieses Bildungsnetzwerk wurde für Schüler, Eltern und Lehrer sowie für öffentliche und private Bildungsanbieter geschaffen. Ein privatwirtschaftliches Konsortium von Kabelanbietern stellt dabei die Breitbandinfrastruktur für 12000 Schulen zur Verfügung. Kenntnisnet hält ein Toolkit von Applikationen bereit, welches Lehrer, Schüler, Studenten und anderen Lerngruppen ermöglicht, selbst Bildungsinhalte zu entwerfen, zu verbreiten und zu speichern. Darüber hinaus verwaltet „Kennisnet“ alle Aktivitäten in Bezug auf Bildung und organisiertem Lernen. Für die Schulen gibt es in den Niederlanden keine gesetzliche Verpflichtung, sich an diesem Bildungsnetzwerk zu beteiligen. Vielmehr können Schulen oder Lerngruppen eigenverantwortlich entscheiden, ob sie an „Kennisnet“teilhaben wollen. Kenntnisnet ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass das Empower-Konzept auch im öffentlichen Bereich realisiert werden kann. Es vereint Ansätze des von der Bundesregierung verfolgten Konzeptes des aktivierenden Staats mit der Organisationsform der Public Private Partnership. Nur: Es wurde in den Niederlanden im Rahmen ihrer E-Government-Ausrichtung organisiert und nicht in Deutschland. Weil in unserem Land die E-Government-Strategien in erster Linie auf die zur Verfügungstellung von Online-Dienstleistungen durch staatliche oder kommunale Behörden ausgerichtet sind, bleibt wenig Raum für kreative out-of-the-box Konzepte. Bestandteil des dritten Leitprinzips ist ein systematischer Ausbau der E-Democracy-Elemente. Auch sie fristen in den E-Government-Strategien ein unverdientes Schattendasein. Dabei gehört E-Democracy zum Konzept der demokratischen Erneuerung in der Wissensgesellschaft. Es umfasst den Einsatz von netzbasierten, interaktiven Informations- und Kommunikationstechnologien, deren Ziel es ist, die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am politischen Prozess und an der Zivilgesellschaft signifikant zu erhöhen und so zu einer grundlegenden Erneuerung der Legitimität des öffentlichen Wirkens beizutragen. Somit hat EDemocracy nicht zum Ziel, die politisch-parlamentarische Demokratie abzulösen, sondern sie um partizipatorische Elemente zu ergänzen. Bürgerinnen und Bürger wollen in der Regel nicht regieren. Stattdessen wollen sie Gehör finden und Einfluss nehmen können. 4. Leitprinzip: Schaffen von gesellschaftlichem Mehrwert (Delivering Public Value) Welche Bedeutung diesem vierten Leitprinzip zukommt, hat das Europäische Institut für öffentliche Verwaltung in seinem Bericht für die internationale E-GovernmentRegierungskonferenz in Como im Jahre 2003 sehr gut skizziert: „Modern government is not just about delivering services. The notion includes democratic and cooperative policy formulation; citizen and civil society involvement; transparent and participative implementation of policies…although these aspects are still terra incognita for the vast majority of eSolution providers, they are at the heart of the future development of egovernment”.8 8 European Institute for Public Administration: The State of Affairs, July 2003 Das britische Cabinet Office nimmt für sich in Anspruch, den Public-Value-Ansatz erfunden zu haben. Dabei bezieht sich Public Value auf die Werte, die von Politik ud Verwaltung durch Rechtssetzung, Dienstleistungen, Transfers u.a. geschaffen werden. Vier Faktoren sollen zur Mehrwertbildung beitragen: die Qualität der Verwaltungsdienstleistungen, die erzielten messbaren Ergebnisse durch diese Services, das sich dadurch artikulierende Vertrauen in den Staat und die öffentliche Verwaltung sowie in zunehmendem Maße das Vertrauen darauf, dass der Staat auch öffentliche Sicherheit garantieren kann. Technokratisch ausgerichtete und ausgeführte öffentliche Verwaltung wird es nicht schaffen, das Gefühl für Gemeinwesenverantwortung zu stärken, wenn nicht zuvor durch geeignete Maßnahmen die Staatsverdrossenheit beseitigt und die Partizipationsbereitschaft der Bürger und aller Akteure in der Zivilgesellschaft gestärkt wird. Die ersten drei Leitprinzipien der „Connected Republic“ stellen den Rahmen für die Neuorientierung der Verwaltung in Bezug auf Organisationsformen, Technologieeinsatz und Politikreform dar – sie geben Antwort auf die Frage nach dem „Wie“. Das vierte Leitprinzip beantwortet dagegen die Frage nach dem „Was“ und steht damit im Mittelpunkt einer umfassenden Aufgabenkritik, die in den bisherigen E-Government-Konzeptionen zu kurz kam und in der demokratische Partizipationsprozesse keine Berücksichtigung fanden. Veränderte Kultur und Arbeitsweise des öffentlichen Dienstes Das Konzept der „Connected Republic“ wird Brüche in der Kultur und in der Arbeitsweise des öffentlichen Dienstes mit sich bringen. Neue Technologien können eingeführt und neue Strukturen aufgebaut werden. Wenn die im öffenlichen Dienst Beschäftigten nicht die Bereitschaft entwickeln, ihre Arbeitsweise und ihre Handlungsmuster zu verändern, wird jedes E-Government scheitern. Darauf hat im letzten Jahr mit erfreulicher Klarheit der oberste Dienstherr aller Beschäftigten der britischen Verwaltung – des Civil Service – hingewiesen. Sir Andrew Turnbull rief die Beschäftigten im Spetember 2003 zu vier Aktionen auf, die so grundlegend sind, dass sie den öffentlichen Dienst Großbritanniens nachhaltig verändern werden: § § „Put our customers first – We must improve the use of customer feedback to inform our work from policy through customer delivery and use this to look at the way services are delivered to the public. Through informed changes, we will make it easy for our customers to access all of our services quickly and to improve their experience of dealing with government. We need to consider the scope for re-engineering our backoffice functions…, take advantage of best public and private sector practice and reduce the administrative burden on our staff. Improve and develop a wide range of delivery skills – We need specific skills to provide customer focused services and to re-engineer the back office functions. These include program and project management, which is an increasingly core requirement in getting policies to implementation. § § Continue our relationship with local public services – We have to devolve more decision-making to local managers, increase incentives for high performance, allow the best local leaders to use their experience to improve their institutions and reduce bureaucracy on local services. Develop strong leadership – A group led by Permanent Secretaries, and including people from the public and private sectors, has developed new proposals for improving leadership in the Public Service. These will help us to create visible leaders who inspire trust and take personal responsibility for delivering results effectively and swiftly. We will make sure that we identify and develop our future leaders early, to lead the public services of the future through gaining a range of experience from across the public and private sectors”.9 Will die öffentliche Verwaltung schneller, effizienter und gezielter auf die veränderten Kundenbedürfnisse reagieren, werden die Beschäftigten eher in flexiblen Einheiten und informellen Netzwerken als in fest zementierten und am Prinzip der fachlichen „Silos“orientierten Verwaltungsstrukturen arbeiten. Flexibilität und die Fähigkeit, mit anderen auf Zeit und in wechselnder Zusammensetzung zusammenzuarbeiten, wird den neuen öffentlichen Dienst prägen. Neue Werkzeuge der Informations- und Kommunikationstechnologie werden die Beschäftigten bei ihrer flexiblen Aufgabenerfüllung unterstützen. Viele Verwaltungsbehörden haben erkannt, welche Chancen ihnen Internet-Tools auf der Basis eines Self-Service bieten können, die den von niemanden geliebten lästigen Papierkram im Bereich der inneren Verwaltung abnehmen. Hinzu kommen werden Tools, die die Vernetzung der Beschäftigten mit anderen Behörden, den Unternehmen sowie den Non-Profit-Organisationen unterstützten und sie auf diese Weise zu einer verbesserten kundenorientierten Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben befähigen. Fazit Das mit anderen führenden E-Government-Nationen von Cisco Systems entwickelte Konzept der „Connected Republic“ stellt einen Paradigmenwechsel dar. Es geht weit über traditionelle Bürokratieabbaukonzepte hinaus. Es plädiert für einen Umbau der öffentlichen Verwaltung auf der Grundlage der vier Leitprinzipien: Absolute Kundenorientierung, Vernetzung, Befähigung zur Wahrnehmung eigener Interessen und Schaffung von gesellschaftlichem Mehrwert. Darüber hinaus stellt es den Handlungsrahmen für eine Bürokratieabbaudiskussion dar, bei der sich die öffentliche Verwaltung auf ihre Kernkompetenzen konzentriert und zusammen mit Partnern der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft zur gesellschaftlichen Aufgabenerfüllung beiträgt. Dabei wird die Informations- und Kommunikationstechnologie einen entscheidenden Beitrag leisten müssen. Investitionen in neue Technologien sollten nicht länger als bloße Kosten für einzelne Behörden angesehen werden. Sie sind es, die den Wandel in der öffentlichen Verwaltung Wirklichkeit werden lassen. 9 Zitiert nach Cisco Systems: The Connected Republic, April 2004, S. 3-9 Ë Wozu gehört dieser Part? Es ist ein Teil der Diskussion „Glas ist halb leer“... Ë Bitte löschen, wenn nicht benötigt. Die Bundesrepublik Deutschland ist gegenwärtig aber auch eine „Unconnected republic“. Deutschland ist der Staatsform nach zweifellos eine Republik. In ihr geht alle Gewalt vom Volke aus. Es übt diese Gewalt nach dem Grundgesetz in Wahlen und Abstimmungen aus. Die Vertretung des Volkes ist das Parlament, das eine Regierung wählt, die sich nach Ablauf einer Legislaturperiode dem Wählervotum stellen muß. Die Durchführung der vom Parlament beschlossenen Gesetze obliegt der Exekutie, die sich in unserem föderalen Staat nach Bund und Land gliedert. Die Kommunen werden staatsrechtlich als Teil der Länder betrachtet. Sie genießen das recht der Kommunalen Selbstverwaltung. Soweit die staatsrechtliche Theorie. In der Verfassungswirklichkeit hat dieses in sich konsistente Gebilde aber einige Schönheitsfehler: - Die Beteiligung an Wahlen geht kontinuierlich zurück (....) Das Ansehen der Politiker nimmt kontinuierlich ab. Die Leistungen der öffentlichen Verwaltung werden zunehmend kritisch eingeschätzt Gleichzeitig zeigen sich aber auch ermutigende Trends: - Die Partiziaptionsbereitschaft der Bevölkerung und insbesondere ihr Engagement für die Zivilgesellschaft hat zugenommen... - Die Zahl der derjenigen, die über Internet angebunden ist, hat ein hohes Niveau erreicht und steigt wieder.