Hochsicherheitslabor Marburg - Philipps

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kister scheithauer gross
architekten und stadtplaner
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ksg
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2 .2011 Labore
EDITORIAL
HOCHSICHERHEITSLABOR, MARBURG
Forschungsgebäude stehen in dem Ruf, zweckorientierte Funktionsgebäude zu sein, deren ­architektonische
Erscheinung von zweitrangiger Bedeutung ist. Mit dem Wettbewerbserfolg für das Biologicum der
­Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg setzte ksg bewusst andere ­Maßstäbe und ­begründete
­somit ein seit fünfzehn Jahren währendes Arbeitsfeld für Institutsbauten und ­Labore – zu ­Beginn ohne
langjährige Reputation, doch bis heute mit bestätigtem Erfolg. Für ksg ist die ­architektonische Arbeit
an einem Forschungsgebäude stets mehr als Funktion und technische Richtigkeit – die nicht mehr als
eine Selbstverständlichkeit ist. Für Forscher und Mitarbeiter stellt ein Labor eine Arbeitsstätte und einen
Lebensraum für viele Stunden am Tag dar. Leistung und ­wissenschaftliche Kreativität ­hängen ebenso
von mentalen und atmosphärischen Rahmenbedingungen ab wie von ­funktionstüchtigen Geräten. Der
Blick des Forschers aus dem hermetisch abgeschlossenen Labor ins ­Grüne schafft eine inspirierende
­Denkpause, wie Prof. Dr. Becker, Leiter des Instituts für Virologie an der Universität Marburg, ­bestätigt.
Für Prof. Dr. Biebel von der LMU München ist der Gang zum Bäcker nebenan oder das ­Gespräch mit
Kollegen in atmosphärisch ansprechenden Räumen jenseits von Labortechnik wichtiger Bestandteil ­einer
­inspirierenden Forschertätigkeit.
Neben dieser Aufgabe der Architekten, die »weichen«, sozialen Interaktionsräume in eine ­technisch
­geprägte Umwelt zu integrieren, ist die Frage der architektonischen Erscheinung, die ­gestalterische
­Identität, von größter Bedeutung. Warum auch Forscher sie für wichtig erachten, ­beantwortet Prof.
Dr. Biebel auf den Seiten 10 und 11. Ebenso sind unsere Bauten für Forschung und Lehre von einem
stets wiederkehrenden Grundgedanken gekennzeichnet: Sie sollen Aufgabe und Thema des Gebäudes
­gestalterisch zum ­Ausdruck bringen. Der Marburgvirus als Druck auf den Fassadenplatten, die Keramikkacheln der DLR-Hülle mit Assoziationen zum Space Shuttle oder die gestauchte Rautenfassade, die auf
die ­Tribologieforschung des Fraunhofer Instituts bildhafte Hinweise geben.
Das Institut für Virologie der Phillips-Universität Marburg verfügt über jahrzehntelange Erfahrungen
in der Erforschung hochpathogener Viren. Allerdings – mit der Errichtung des ersten BSL-4-­­Hoch­
sicherheitslabors in Deutschland wurde Neuland beschritten. »Als wir mit der Planung des neuen
­Labors begannen«, gesteht Prof. Dr. Stephan Becker, Leiter des Instituts für Virologie der Universität
Marburg, »hatte das gesamte Team – angefangen bei den Forschern, dem Architekt, dem Ingenieur,
dem Laborplaner bis hin zu den Aufsichtsbehörden – relativ wenig Ahnung.« Ausgehend vom alten
Labor gab es natürlich Erfahrungswerte, außerdem bestanden Kontakte zu Laboren weltweit. Auch ksg
– das Kölner Architekturbüro –, das 2003 das VOF-Verfahren gewann, konnte einige Erfahrungen mit
­Institutsbauten vorweisen. Die überschaubare Größenordnung des Laborprojektes machte es ­möglich,
maßgeschneiderte Konzepte für die Marburger Wissenschaftler umzusetzen: »So haben wir ein
­modulares System gewählt, um die innere Hülle luftdicht zu bekommen«, erläutert der ­Institutsleiter.
Auch der Wunsch, zwei getrennte, von der Außenwelt hermetisch abgeschlossene Labore einzurichten,
die einen p
­ ermanenten Rund-um-die-Uhr-Betrieb erlauben, wurde erfüllt.
Das 2007 in Betrieb genommene Labor besticht als roter Kubus nicht nur äußerlich ­inmitten
des ­Hochschulensembles auf den Lahnbergen. »Auch die ausgefeilte Organisation im Inneren des
­anspruchsvollen Funktionsbaues ist sehr gelungen«, so Becker. Als entscheidend für das ­hervorragende
Ergebnis des Marburger Hochsicherheitslabors stellt der Institutsleiter die Bereitschaft aller ­Beteiligten
heraus, konstruktiv zusammenzuarbeiten. »Natürlich gab es immer wieder heftige Diskussionen«,
­erinnert sich der Marburger Professor, »vor allem wenn Architektenwünsche mit dem begrenzten ­Budget
des Bauherrn kollidierten.« Tatsächlich spielt das »behagliche Labor« eher eine ­untergeordnete Rolle,
umso mehr wüssten die Forscher die menschenfreundlichen Planungsvorschläge der ­Architekten zu
schätzen. Zum Beispiel den Einbau von Fenstern: »Gerade wenn man ­abgeschottet von aller Welt unter
belastenden Umständen arbeiten muss, ist es eine Wohltat, durch mehrere ­schusssichere Fenster nach
draußen zu schauen.« Auf eine Idee ist der Viren-Forscher besonders stolz: »Dass wir die Aufgabe ­unseres
Labors gestalterisch nach außen hin abbilden konnten.» Auf die ­großformatigen ­Aluminiumelemente
der Fassade sind im Siebdruckverfahren Vergrößerungen des berühmten ­Marburg-Virus aufgebracht,
sodass der fadenförmige Erreger quasi zum Wahrzeichen des BSL-4-­Labors geworden ist.
The creation of research facilities form a constant field of work at ksg for more than 15 years now – and still with
proven success. Laboratories and institutes have a reputation of being predominantly functional buildings, the
architectural appearance of which to be of minor importance. And that even though for many researchers and
staff the lab forms the living and working environment for many hours a day. Yet, performance and scientific
creativity depend as much on the mental and atmospheric conditions as on the functional equipment. As such, for
ksg the key role of the architects is the design of integral spaces, incorporating the soft, social spaces of interaction
into a technologically dominated environment and providing an aesthetic appearance to the research complexes.
Reinhard Scheithauer, Steffen Kühn, Johannes Kister, Susanne Gross, Eric Mertens
The first BSL-4-high security laboratory of the Phillips University Marburg serves research in the area of h
­ ighly
pathogenic viruses. The laboratory, a red cubical, which is in operation since 2007 not only impresses by its
­outside within the academy ensembles at Lahnbergen. »The sophisticated disposition inside the ambitious ­purpose
built is very successful as well«, as Prof. Dr. Stephan Becker, Head of the institute of virology at the ­University
Marburg notes. Two individual laboratories have been developed, which can be used redundantly in the case
of contamination. Although they are hermetically sealed from the outside within the multi-storey ­building, the
bulletproof windows provide a pleasant outlook. And another aspiration of Marburg’s scientists could be met: an
enlarged screen print of the famous filamentary Marburg virus has been applied to the ­large-scale aluminium
façade elements as the icon of the laboratory.
Bauherr/Client: Hessisches Baumanagement Mitte, Marburg
Prof. Dr. Stephan Becker,
Leiter des Instituts für Virologie
an der Universität Marburg
4
BSL
BERNHARD-NOCHT-INSTITUT, HAMBURG
Es war eng geworden in dem von Fritz Schumacher errichteten, denkmalgeschützten Bestands­
gebäude. Um im Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, einem der
­bedeutendsten Institute der Welt, weiterhin Forschung auf höchstem Niveau betreiben zu
­können, musste das Gebäude dringend erweitert werden. 2001 wurde von der Freien Hansestadt
Hamburg ein ­städtebaulicher Wettbewerb ausgeschrieben, der den Neubau eines ­Tropeninstituts
mit ­modernsten Hochsicherheitslabors der biologischen Schutzstufe 4 (BSL-4) zum Ziel hatte.
Auf dem spitzwinkligen Grundstück galt es, ein Bauwerk zu schaffen, das sich mit der ­Silhouette
über den St.-Pauli-Landungsbrücken in eine verträgliche Beziehung setzt. Unter zahlreichen
Mitbewerbern wurde der Entwurf des Architekturbüros kister scheithauer gross mit dem 1. Platz
ausgezeichnet.
Wie ein markanter Solitär thront der Neubau als roter Klinkerbau auf der Geestkante.
Der ­prämierte Entwurf versteht das neu zu errichtende Labor als eigenständigen Baukörper, der
nachhaltig eine städtebauliche Lücke schließt und das Stadtbild neu prägt. Der Laborneubau ist
der Kette von Altbauten vorgelagert und steht mit den leicht nach innen geneigten Stirnwänden
für sich. Dennoch korrespondiert er mit den expressiven Gebäuden des alten Instituts, indem
die Proportionen aufgegriffen werden. Allerdings interpretiert er die dreigeschossige Fassade
und die Dachsituation mittels leicht geneigter Dächer, Schrägfassaden und unterschiedlichen
Fenstereinschnitten neu.
3000 m2 zusätzliche Nutzfläche sind entstanden, die es dem modernen BSL-4-­
Hochsicherheitslabor ermöglichen, an hochinfektiösen Erregern wie Lassa- und Ebola-Viren zu
­forschen.
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­
In 2001 ksg won the competition for the development of a modern high security laboratory of biological
protection level 4 (BSL-4). The set aim on the acute-angled site was to create a building, which would
sit in relationship to the silhouette above the St.-Pauli jetties. Alike a staggering solitary monument the
new red brick building of the Bernhard-Nocht-Institute for Tropical Medicine thrones on the Geestkante.
The awarded design treats the complex as an autonomous volume, which closes the gap site and shapes
the cityscape in new, sustainable ways. The laboratory is set in front of the line of old buildings and
stands separately with its slightly inward sloping wall fronts. Nevertheless, the extension is set in dialogue
with the expressive buildings of the old institute. Yet, not without giving a new touch to the three storey
high façade and the roof arrangement by introducing slightly angled roofs, sloped façades and varying
window openings.
Bauherr/Client: Freie und Hansestadt Hamburg
Über eine Verbindungsbrücke wird die
Institutserweiterung an den Altbau des Architekten
Fritz Schumacher angeschlossen.
MIKROTRIBOLOGIE CENTRUM, KARLSRUHE
Die Aufgabe eines Gebäudes nach außen hin sichtbar zu machen, ist für Architekten eine kreative Herausforderung,
besonders bei Bauwerken für wissenschaftliche Spezialbereiche. Das Karlsruher MikroTribologie Centrum befasst sich
mit dem Phänomen der Reibung von Oberflächen in Bewegung. Diese wechselwirkenden Eigenschaften sind für Verschleiß und Verkürzung der Lebensdauer von Bauteilen verantwortlich. Das neue Labor – eine gemeinsame ­Initiative
des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik Freiburg (IWM) und des Karlsruher Instituts für ­Technologie (KIT) – wird
sich mit der experimentellen und grundlegenden Erforschung von Oberflächenverhalten beschäftigen und ­Lösungen
­erarbeiten, mit denen Reibung und Verschleiß von Bauteilen und Materialien gezielt eingestellt werden können.
Die thematische Ausrichtung des MikroTribologie Centrums diente dem Kölner Architekturbüro als ­Grundlage
für die Fassadengestaltung des Neubaus. Bronzefarben eloxierte Rauten umspannen das Gebäude und ­überzeugten
­Auslober und zukünftige Nutzer, sodass ksg im Februar 2011 das VOF-Verfahren für sich entscheiden konnte.
»Insgesamt hat die Fassade die Darstellung der Reibung zweier Körper gegeneinander zum ­Thema«, ­erläutert­
Frau Prof. Susanne Gross ihren Entwurf. Die vorgehängte Fassade gestaltet sich aus gegeneinander ­versetzten, ­gekanteten
Paneelen, die das Gebäude umspannen, wobei sie an den Längsseiten im fensterlosen Bereich deutlich ­gestaucht sind.
Der Neubau trägt nicht nur den technischen Anforderungen, die sich aus dem Betrieb des ­Institutsgebäudes ­ergeben,
Rechnung, sondern plant von Anfang an gewünschte Erweiterungsmöglichkeiten mit ein.
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The microtribology centre in Karlsruhe deals with the phenomena of friction of surfaces within movement. The new Fraunhofer
laboratory will be concerned with the experimental and basic research of surface behaviour. It will specifically develop solutions,
through which friction and wear of building components and materials will be ruled out. The thematic direction of the new built
has provided the Cologne architecture office with the basis for the external design. »Basically, the façade is a representation of the
friction between two bodies«, as Prof. Susanne Gross explains her design. The curtain wall is made out of canted panels, which
create an enfolding pattern of bronze coloured rhomb shapes.
Bauherr/Client: Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V., München
Fassadenansicht
1:20
Fassadenschnitt
1:20
Fraunhofer IWM MikroTribologie Centrum Karlsruhe
DLR-RY, DEUTSCHES ZENTRUM FÜR
LUFT- UND RAUMFAHRT, BREMEN EIN PILOTPROJEKT DER DGNB
Laborbauten sind in aller Regel keine öffentlichen Gebäude. Vor allem das Deutsche Zentrum für ­­­Luftund Raumfahrt (DLR) betrieb lange Zeit Forschung im Verborgenen. Doch mit dem Neubau des Bremer
­Instituts für Raumfahrtsysteme bricht das DLR mit den Gepflogenheiten der ­Abschottung. Nach dem
­Konzept von ksg, die 2008 das VOF-Verfahren für sich ­entscheiden ­konnten, wurde der ­Institutsneubau
so organisiert, dass wissenschaftliche Arbeiten an dem ­Bremer Standort für ein breites Publikum
­einsehbar sind. So wird es einen Parcour durch das ­Gebäude geben, von dem die drei Hauptabteilungen
von oben aus in Augenschein zu nehmen sind.
Doch Bildung und Forschung mittels eines architektonischen Raumkonzepts in die ­Öffentlichkeit
­hineinzutragen ist nicht der einzige Aspekt, mit dem das DLR eine Vorreiterrolle ­einnimmt: Der
­Institutsneubau des DLR wurde von ksg als Pilotprojekt zur Zertifizierung von Laborbauten bei der
­Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) angemeldet. Mit der ­zusätzlichen ­Expertise als
­Auditoren der DGNB und Teilnehmer der »Berliner Laborrunde« wurde von den ­Kölner ­Architekten in
­einer Arbeitsgruppe erstmals ein Kriterienkatalog entwickelt, um ­Laborbauten als weiteres ­Nutzungsprofil
bei der DGNB ­aufnahmefähig zu machen. Das DLR-Institut für Raumfahrtsysteme zählt demnach zur
­ersten Gruppe von ­Laborneubauten, die sich ­innerhalb des Wissenschaftsstandorts Deutschland als
­Vorreiter für nachhaltiges Bauen und Forschen p
­ ositionieren.
With the new building of Bremen’s Institute of Aerospace Systems the German Aerospace Centre (DLR) has
­overthrown the practice of segregation. Following ksg‘s concept, the new built of the ­institute with a ­parcour
­leading through the complex, has been designed in a way that opens up a view onto the ­scientific work at the
location in Bremen to a broad public. But that’s not the only attribute, by which the DLR is taking a pioneering
role: the new institute complex of DLR has been signed up by ksg at the ­German ­Sustainable Building Council
(DGNB) as a pilot project for certification of laboratory ­buildings. ­Accordingly, the DLR Institute of Aerospace
Systems belongs to the first group of new laboratory ­buildings within the research and science location Germany
that are positioning themselves as pioneers of ­sustainable building and research.
Bauherr/Client: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Köln
BIOLOGICUM MLU HALLE-WITTENBERG
­
EXPERTENGESPRÄCH – INSTITUTE BRAUCHEN EINE AUSSTRAHLUNG­
Prof. Dr. Otmar Biebel und Prof. Johannes Kister im Gespräch
Kister: Wir Architekten sind natürlich immer geneigt zu behaupten, dass die sogenannten
­weichen Aspekte eines Gebäudes neben der reinen Funktionalität gleich wichtig sind, als
da ­wären die soziale Kommunikationskomponente, das atmosphärische Raumklima und
­ästhetische Reize, die Menschen aktivieren. Kennen Sie eine neugebaute Universität, in der
Sie gerne arbeiten würden?
Biebel: Da kann ich Ihnen auf Anhieb leider keine nennen. Die Konsequenz vieler ­expandierender
deutscher Universitäten ist der Standort auf der grünen Wiese vor den Toren der Stadt – der
Campus. Er ist quasi eine Retortenstadt, ohne die Attribute, die eine Stadt ausmachen. Es
fehlt die urbane Dichte und Vielfalt wie soziale Treffpunkte in Form von Cafés, Restaurants,
­Geschäften etc., einfach mal raus aus dem Büro auf die Straße zum Bäcker nebenan. Der
Campus bedeutet Trennung von Arbeit und Leben, was für Wissenschaftler nicht unbedingt
förderlich ist. Forschung heißt nicht, ausschließlich vor dem Computer zu sitzen, sondern in
weiten Teilen Kommunikation. Viele neue Ideen treten im Gespräch hervor. Doch der Campus
bietet außer Bürogebäuden, Labors, Hörsälen oder Mensa keine Kommunikationszentren.
Kister: Es gibt keine Studien, die belegen, inwieweit sich das, was wir Architekten als gute
­Architektur bezeichnen, forschungsfördernd auswirkt. Oftmals ist es so, dass sich der ­Architekt
eine ästhetische Beleuchtung der Büroräume anstelle der Neonröhre an der Decke wünscht, wo
der Forscher zu nächtlicher Stunde das Licht dimmen und seine Gedanken zur Inspiration in
den Sternenhimmel schweifen lassen kann. Gegen solche, zugegebenermaßen ­kostenintensive
Wünsche stemmt sich dann wiederum der Nutzer, indem er sagt: »Nein danke, für das Geld
hätte ich lieber doch noch ein Messgerät mehr.« Stichwort »Behagliches Labor« – aus Sicht
der Wissenschaftler zweitrangig und unnütze Romantik der Architekten? Wie sehen Sie das?
Biebel: Wenn man bedenkt, wie viel Zeit man im Institut verbringt, ist die Frage berechtigt.
Wünschenswert wären tatsächlich Möglichkeiten des Rückzugs; Räumlichkeiten, die sich vom
Ambiente her deutlich von den Büro- und Laborräumen unterscheiden, mit einem Bezug zur
Außenwelt. Ich bin durchaus der Meinung, dass ein anregendes Ambiente die Kreativität der
Forscher beflügeln kann.
Kister: Andererseits sind Universitäten immer eine Investition in die Zukunft und Bauwerke
mit einer besonderen Aufgabe: Sie sollen das geistige Potential des Menschen fördern und
abrufen. Sollte sich dieser Anspruch nicht doch auch an Gebäude von sichtbarer ­Wertigkeit
knüpfen. Bildung und Geist des Landes innerhalb nüchterner Zweckbauten ohne Aura?
­Neben universitären Einrichtungen gibt es durchaus Forschungsinstitutionen, deren Gebäude
­architektonisch repräsentativ sind: Soll hier das Bauwerk eine bestimmte Botschaft vermitteln?
Biebel: Sicherlich: Mit der Pflege einer gewissen Baukultur möchten wissenschaftliche
­Institutionen den Eindruck vermitteln, an der Spitze der Forschung zu stehen. Man darf
nicht vergessen, es hat ja auch früher bei den Universitäten eine Rolle gespielt (Beispiel:
Cambridge oder Oxford) und darin verbirgt sich auch ein tieferer Sinn, der in Hinblick auf
das ­Finanzierungssystem der Universitäten heute mehr denn je eine Rolle spielen sollte.
­Mitarbeiter und Studierende identifizieren sich wesentlich mehr mit einem Gebäude, das
eine selbständige Ausdruckskraft und Würde ausstrahlt. Das Erscheinungsbild ist also
­durchaus wichtig, vor allem vor dem Hintergrund, dass die deutschen Universitäten, ­ähnlich
wie in Amerika, mehr und mehr an dem Aufbau des Alumni-Systems interessiert sind, um
so einen Großteil der Finanzierung durch Zuwendungen von ehemaligen Studierenden
­abzudecken. Das kann jedoch nur gelingen, wenn Absolventen eine positive Erinnerung an
ihre ­Universität haben, die sich zu einem nicht unwesentlichen Teil an ein Gebäude mit
­Ausstrahlung knüpft. Ein quadratischer Stahlbetonkasten aus den siebziger Jahren, der nicht
nur bauphysikalisch und materiell, sondern auch von seiner Ausstrahlung her ermüdet ist,
hat keinerlei Potential, ­bindend und identifikationsstiftend zu wirken.
Kister: Kann moderne Architektur das leisten?
Biebel: Sicher, ein altes Institut mit altem Gemäuer, in dem der Geist von vielen
­Forschergenerationen weht, löst natürlich andere Gefühle aus, als ein schlichter Neubau
mit glatten Wänden. Wenn sich dieses Gefühl der Bedeutsamkeit, der Ehrwürdigkeit und
­Gewichtigkeit, die alte Unigebäude ausstrahlen, in neuere Architektur übertragen ließe, wäre
das mit Sicherheit ein enormer Gewinn und von den Wissenschaftlern und ­Studierenden
­gewünscht. Man müsste nur langfristig die geldgebenden Länder überzeugen, dass eine
­ansprechende ­Architektur mit Ausstrahlungskraft zwar anfangs höhere ­Investitionskosten
erfordert, ­langfristig jedoch auch in ihrem Interesse liegt – vor allem wenn man an das
­Alumni-System denkt, durch das sich amerikanische Universitäten fast ausschließlich
­finanzieren.
Kister: Wie Sie das sagen, bedeutet das einen Ansporn für uns. ____
Das hier abgebildete Biologicum wurde 2000 als Neubau des Fachbereichs Biologie an der
Martin-Luther-­Universität in Halle-Wittenberg fertiggestellt. Er besteht aus zwei ­identischen
Baukörpern, in denen die Institute für Genetik sowie für Pflanzen- und ­Zellphysiologie
­untergebracht sind. Beide Gebäude werden durch eine lichtdurchflutete Halle – dem
­»Gewächshaus« – verbunden, die den ­Studierenden und Institutsmitarbeitern als Ort der
Begegnung und des Austauschs dient.
Bauherr/Client: Land Sachsen-Anhalt, Staatshochbauamt Halle
­
Kurzvita Prof. Dr. Otmar Biebel
ab 1983 Studium der Physik
an der Universität Bonn
1989 Diplom in Physik
1993 Promotion in Physik
1994-1999 wissenschaftlicher Assistent
an der RWTH Aachen
1995 Forschungsaufenthalt am
Kernforschungszentrum CERN, Genf
1999-2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Max-Planck-Institut für Physik, München
2000 Habilitation an der RWTH Aachen
seit 2002 Professor für Experimentalphysik an der
Ludwig-Maximilians-Universität München
seit 2004 Sprecher eines Graduiertenkollegs der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG),
Forschungsgebiet (seit dem Diplom):
Hochenergie- und Elementarteilchenphysik
mit Experimenten am Kernforschungszentrum CERN in Genf
TICKER FERTIGSTELLUNGEN
Institutsbau DLR-RY Bremen 08/2011 +++ Hochschule Bremerhaven 6. Bauabschnitt 09/2011 +++
DBI-Bergakademie TU Freiberg 09/2011 +++ Staatliche Studienakademie und evangelische Hochschule
für soziale Arbeit Dresden , ARGE kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH Rohdecan
Architekten GmbH 09/2011 +++ Geisteswissenschaftliche Fakultät Universität T
­ übingen 10/2011 +++
WETTBEWERBE
Lernhaus im Campus, Osterholz-Scharmbeck 1.Preis +++ Wohnquartier Belsenpark Düsseldorf
1.Preis +++ Galileum Solingen 2.Preis +++ Archiv Hofheim am Taunus mit subsolar, Berlin 3.Preis
+++ ­Geschäftshaus ­Landsberger Straße München 2.Preis +++ Campus Rütli Berlin Anerkennung +++
­Geschäftshaus ­Leopoldstraße M
­ ünchen 3.Preis +++
VOF-VERFAHREN
Laborgebäude für Botanik und Zoologie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald 1.Preis +++
­Chemiepraktikum RWTH Aachen 1.Preis +++ Institutsgebäude DLR Stuttgart 3.Preis +++ Forschungs­
gebäude Universität zu Köln­2.Preis +++
BÜRO SHANGHAI
Prof. Johannes Kister eröffnet Büro in Shanghai Pudong 2011 +++ Herr Jiayun Fan als Büroleiter ernannt
2011 +++
WEITERE MELDUNGEN
Spatenstich Gerling-Areal am 18.10.2011 KÖLN +++ Generalunternehmer-Vertrag für Synagoge
­unterzeichnet ULM +++ Translationszentrum zu 100% im Zeitplan LEIPZIG +++ Konzertreihe Hof Klang
am Eröffnungsabend ausverkauft LEIPZIG +++
IMPRESSUM
Redaktion
Gestaltung
Druck
Papier
Typografie
Agentur satzbau, Wiesbaden
luxsiebenzwoplus, Hans Joachim Kubowitz, Köln
Druckhaus Süd, Köln
Cocoon Offset, Antalis
FF Scala und Scala Sans, Martin Majoor
Herausgeber
Pressestelle kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH
Ansprechpartnerin: Farina Kast
Agrippinawerft 18
50678 Köln
Tel: 0221. 92 16 43-0
Fax: 0221. 92 16 43-50
Mail: [email protected]
www.ksg-architekten.de
www.selbsterneuernde-architektur.de
V.i.S.d.P.: Prof. Johannes Kister
Registergericht AG Köln
HRB 57088
Geschäftsführer: Reinhard Scheithauer, Steffen Kühn, Eric Mertens
Bildnachweis
Alle Bilder von Christian Richters, Münster
außer 2 Portrait Gesellschafter von Manfred Daams, Köln
3
Portrait Prof. Dr. Stephan Becker von Dr. Thomas Strecker
7
Visualisierung von Alexander Bartscher, Ponnie Images GbR
12 Portrait Jiayun Fan von Manfred Daams, Köln;
Hof Klang 2011 von Steffen Junghans, Leipzig
Alle Zeichnungen sowie die Innenaufnahmen des Büros in Shanghai von ksg
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