Erfinden, Bauen, Verkaufen : der zeitgemässe Agglotyp Autor(en): Zulliger, Jürg Objekttyp: Article Zeitschrift: Hochparterre : Zeitschrift für Architektur und Design Band (Jahr): 13 (2000) Heft 10 PDF erstellt am: 22.08.2017 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-121419 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. Die systematische Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber. Haftungsausschluss Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen. Dies gilt auch für Inhalte Dritter, die über dieses Angebot zugänglich sind. Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch http://www.e-periodica.ch ¦¦ ¦ 10 tmFÏWi LO ' '. WêêKj mim wmFF' CU *• ";""ij il - CD 1 <- ^m- -<^~Fù m * t 4 i If -x £ ma mm\ ». ¦Ct-IB^^^ "**" II -/ &M ' F -Firn ;¦ ¦ •. FlMMËm %K ¦J: JRM Ifjflll * ,-A,*- * I i Der zeitgemässe Agglotyp: Kern und Decken sind betoniert, die hölzernen Randstützen tragen und die Konsolen sind montiert Der Rohbau von innen. Die Randstützen und Konsolen vor dem Ausbau. Hinten 2 sieht man verschiedene Bauzustände sind die TJl-Träger für die Fassadenkonstruktion montiert, in den unteren Geschossen sind sie bereits mit Gipskarton verkleidet 3 Oben i 4 Die raumhohen Fenster sind montiert. Rechts die Aussenwand vor der Montage der inneren Gipskartonverkleidung Der zeitgemässe Agglotyp Erfinden, Bauen, Verkaufen Wohnen in der Agglomeration. Der Standort Wallisellen, überaus normal und landläufig banal, erfordert Einfälle, die von der Norm abweichen. Der Wohnpark Balance ist ein Lehrstück, wie man anders plant, anders baut und anders verkauft. Text: Jürg Zulliger Der Wohnpark Balance ist für alle etwas Aussergewöhnliches (vgl. Kasten). Man traf sich monatlich während eines ganzen Bilden Georg Aerni geworden. Für den Generalunternehmer, weil er sich auf ein Jahres zu einem Workshop. Es gab kein Raumprogramm, Experiment einliess, für die Architekten, weil sie einen für nichts oder fast nichts, was fixiert war. Nebst Landpreis und unterschiedliche Bedürfnisse brauchbaren Grundriss ent¬ Ausnützung als Parameter waren nur Streichs Idee von wickeln konnten, für Fachingenieure, weil für einmal Inno¬ Grosswohnungen und einem möglichst günstigen Preis zu vationen auf dem neusten Stand ihres Wissens gefragt wa¬ berücksichtigen. So kam das aussergewöhnliche Experi¬ ren, für den Verkäufer, weil er den Quadratmeter Wohnfläche ment zustande, dass sieben Büros zusammen eine Siedlung so preisgünstig wie sonst kaum anbieten konnte. erdachten und eine dem Grundstück entsprechende Gebäu¬ Doch der Reihe nach. Welche Ausgangslage traf der Besu¬ detypologie ersannen (ausführlich dokumentiert in archi¬ cher auf dem Areal Melchrüti in Wallisellen an? Ein 16000 these 1/98). Quadratmeter grosses, leicht geneigtes Grundstück stand «Dieses Vorgehen hat alle ausnahmslos mit Begeisterung er¬ zum Verkauf, 780 Franken der Quadratmeter, Ausnützungs¬ füllt», erinnert sich die Architektin Sabina Hubacher. Streich ziffer 2,7. Die Umgebung: typisch Agglomeration. Eine An¬ sagt, es sei für ihn etwas völlig anderes gewesen, als wenn sammlung von wahllos zusammengewürfelten Einfamilien¬ er bei einem Projektwettbewerb fertige Lösungen präsen¬ häusern und Wohnblöcken ohne Wiedererkennbarkeit, Teile tiert bekomme. mit dörflichem Charakter, abwechselnd mit landwirtschaftli¬ und fühlen») quasi «intravenös verabreicht» bekommen. cher und kleingewerblicher Nutzung, etwas weiter gegen Hat dabei auch etwas herausgeschaut? Aus dieser Vorpro¬ den einstigen Dorfkern zu eine Schokoladenfabrik und so jektphase ging die Idee des Schachbrettmusters Qenes von fort. Sicher keine aussergewöhnlich gute Lage, nichts für das Savannah, remember?) mit freistehenden, einzelnen Bau¬ Er habe den ganzen Prozess («was die denken obere Preissegment. Aus der Nähe das unaufhörliche Rau¬ körpern hervor. Wenn schon grössere Gebäude, dann sollte schen der Autobahn, über den Köpfen der Fluglärm von Dü¬ zumindest dazwischen genügend Freiraum verbleiben. Von bendorf und Kloten, kein Weitblick, kurz: Agglomeration. Im¬ allen Vorschlägen wurde schliesslich derjenige von Huba- merhin mit Bus, S-Bahn und mit dem Privatverkehr sehr gut cher/Haerle weiterverfolgt. Vor allem wegen der Offenheit erschlossen. Zürich liegt einige Minuten vor der Haustür. und der Flexibilität der Grundrissidee, die eher einem neut¬ ralen Gefässalseinerfertigen Wohnunggleicht.Zugleich bot Im Workshop zum Vorprojekt Was braucht es, damit hier ein Wohnbauprojekt Anzie¬ dieser Ansatz Gewähr, Streichs Absicht, effizient und billig zu bauen, umzusetzen. Sabina Hubacher und Christoph hungskraft ausübt? Auf Anregung des Beraters Martin Hofer Haerle wollten ihrerseits einen Merkpunkt im Agglomerati¬ von Wüest & Partner lud der Generalunternehmer Andreas onsgürtel schaffen. «Die Überbauung Melchrüti sollte ein Streich sieben Architekturbüros und einen Landschaftsar¬ Gesicht bekommen und eine Identifikationskraft, die über chitekten ein, um sich über diese Frage Gedanken zu machen den Ort ausstrahlt», sagt Christoph Haerle. Gesucht war ein 11 V- ¦J mm 12 U — t 3 5Ô22 0 ^ I i ^ II ^ 3X Agglomerations-Gebäudetyp, der weder auf dem Land noch Gebäudetyp und Konstruktion in der Stadt anzutreffen ist. Zeitgemässe Urbanität bei heu¬ Die Gebäude sind einfache, kompakte Baukörper über einem tigen Bedingungen heisst: Die Agglomeration ist weder sitt¬ quadratischen Grundriss. Die Wohnflächen liegen an den lich-ländlich noch Blockrandgebiet des 19. Jahrhunderts. Fassaden und sind nach allen Seiten geschosshoch verglast. Der um das ganze Gebäude führende Balkon bietet die Mög¬ Anderes Siedlungskonzept und Bebauungsmuster lichkeit, aussen um die ganze Wohnung herumzugehen. Welches Siedlungskonzept schafft Raum für den privaten Auch hier eine Uminterpretation des Einfamilienhauses: Der Rückzug und bietet trotzdem Gelegenheit, soziale Kontakte Eigentümer will die «eigenen vier Wände» rundherum zu knüpfen? Einzelhäuser, die Individualität versprechen schreiten. Der nach Südwesten ausgerichtete Teil des Bal¬ und in einer parkähnlichen Umgebung stehen. Der gestalte¬ kons erweitert sich zur Terrasse und erinnert an die ameri¬ te Aussenraum fasst die Gebäude zu einer Siedlung mit un¬ kanische Porch. Über diese Terrasse betritt man die Woh¬ ab¬ verwechselbarem Gesicht zusammen. Einfliessendes Grün nung. Damit wenn nötig eine Einlegerwohnung abgegrenzt und Durchlässigkeit sind seine Merkmale. Der mit der Um¬ werden kann, sind grundsätzlich zwei Eingangstüren mög¬ gebungsgestaltung betraute Landschaftsarchitekt Stefan lich, aber auch die Terrasse kann einfach geteilt werden. Rotzler will das <Wohnen im Park> umsetzen; das heisst In der locker angeordnete Silberweiden, Birken, Eschen, Pappeln, massen das Rückgrat mit Nerven- und Versorgungssträngen. Föhren und Erlen machen aus der Melchrüti einen Hain. Die Hier sind zentral alle Zu- und Ableitungen für Strom, Wasser, Anordnung der Parkplätze am Rand und der Tiefgarage im Heizung und Lüftung zusammengefasst. Der freistehende Mitte des Gebäudes befindet sich ein Kern, gewisser- Zentrum machen den Park zur autofreien Spiellandschaft.' Kern hat Platz für drei Nasszellen (zwei Bäder und eine Gäs¬ Mit den gleichwertigen nach Südwesten orientierten te-Toilette), darüber hinaus sind zwei mögliche Standorte für Ge¬ bäuden hat Streich alle anderen denkbaren Varianten ver¬ Küchen vorbereitet. worfen. Auch die Farbgebung knüpft ans Schachbrettmuster Der Kern und die Geschossdecken wurden an Ort betoniert. an. Sie betont, wie sich die Räume zueinander verhalten. Al¬ Der Deckenrand wird aussen durch Holzstützen getragen, ei¬ le Fassaden, die innerhalb der Siedlung einen geschlosse¬ ne übliche Skelett-Bauweise mit nen Binnenraum bilden, sind gelb. Rot sind die Fassaden ge¬ unüblicher Kombination von Beton und Holz allerdings. Auch gen die halboffenen Räume zwischen den Einzelgebäuden dies ein Novum, handelt es sich doch um die ersten fünfge¬ und blau die nach aussen weisenden. schossigen Gebäude in der Schweiz mit tragenden Holz¬ Zeitgemäss urban ist die Überbauung durch die fünfge¬ stützen. Feuerpolizeilich war dies nur statthaft dank der Aus¬ schossige Bauweise und die grosse Dichte; es sind 61 Woh¬ kragung des Balkons, die als Brandschutz wirkt. Die Balko¬ stabilisierendem Kern - mit nungen verteilt auf 13 Gebäude mit vier oder fünf Geschos¬ ne sind auf Stahlkonsolen aufgelagert, die ein Trapezblech sen. «Es ist eben keine Reihenhaussiedlung mit Gärtchen, tragen, das ausbetoniert wird. Damit wird die thermische sondern urbanes, geschichtetes Wohnen», betont Sabina Trennung von der Decke und eine genügende Schallisolation Hubacher. Denn die Grundregel heisst: Stockwerkeigentum erreicht. mit einem Eigentümer pro Geschoss. Damit haben Hubacher /Haerle das Einfamilienhaus konsequent uminterpretiert: Flexibilität: Der Grundriss als neutrale Schicht übereinander statt nebeneinander. Welche Anordnung, wie grosse Flächen kommen den tat¬ Bei der Abgrenzung von privatem, halböffentlichem und öf¬ sächlichen Wohnbedürfnissen am nächsten? Hubacher/ fentlichem Raum ging es allerdings nicht ohne Kompromis¬ Haerle verzichten grundsätzlich auf die Beantwortung die¬ se. Der ursprüngliche Entwurf sah für die einzelne Wohnung ser Wohnungsfrage. Sie setzen auf Neutralität. Innerhalb der den Zugang über eine fassadenparallele, einläufige Treppe Grundfläche und unterdem Kommando des Rasters kann der vor. Ihr Podest wäre damit ein Teil der Terrasse gewesen und Grundriss höchst verschieden genutzt und eingerichtet wer¬ die Nachbarn von oben wären da durchgegangen. Doch das den. Die Baustruktur, die Konzentration der Medien im Kern wollten die Käufer nicht. Die Treppe musste vor das Gebäu¬ und ihre Führung garantieren eine weitgehende Planungs-, ja de versetzt werden - ohne Terrassenanteil. Die Bewohner Benutzungsflexibilität. Änderungen sind jederzeit möglich. teilt sich des Erdgeschosses dürfen den Garten vor ih rer Wohnung be¬ Die Wohnfläche um den Kern herum arbeiten, aber keine Zäune errichten oder Bäume setzen. dualbereich und den allgemeinen Teil auf. Der Individualbe- in den Indivi- Balkon vor dem Betonieren. Die Untersicht zeigt die Konsole und das 5 Der < Trapezblech V 6 Fassade mit montierter Kartonwabe für die TWD-Fassade. Die Waben werden in der Fassadenfarbe gestrichen ¦^*~^= 13 granulierte Industrieglas ist mon¬ tiert, die Fassadenfarbe schimmert durch 7 Das L 8 Der fertige Balkon. Die Untersicht ist mit Holzriemen geschlossen. Es kön¬ nen nach Wunsch vorn eine Lamellenstore oder eine Fassadenmarkise vor den Fenstern eingebaut werden ir u. PÜNOÜ -; à Ci,, \ V F Vi r^. I J, A ¦ / A! ï V- *.\i TZZ ¦yy .' Situationsplan. Das Schachbrettmuster erlaubt bei hoher Dichte trotzdem eine durchgehende Gartenlandschaft. Wo zwei Häuser fehlen, liegt die Parkgarage 1 Prinzipschnitt durch die geschlossene Fassade i Industrieglas mit Hinterlüftung 40 mm Kartonwabe gestrichen 60 mm 3 Gipskarton zweiseitig Ausflockung 22 cm 4 TragstUtzen 160/180 dazwischen TJl-Träger als Sekundärkonstruktion 5 Umlaufender Elektrokanal 6 Stahlkonsole an Deckenstirn 7 Betonelement seitlich, Ausbetonierung 2 yir*i i il ¦ i &%& i:g§Ü ¦Z&&&& ¦¦Ws& 2-2 nW g m^ a— D «ÄÄ^S] b n --r-. —rr—STj^ Der leere Normalgrundriss &5Ä v^xîv*; Mögliche Wohnungstrennung Mögliche Zimmerunterteilung 3 Küchenstandorte 4 Schrankwand 5 Zimmerzone S/N^V^w 1 2 6 Wohnzone 7 Steigschacht \ZVW>j œ&% ^^vW?« tÄÄÄ «Ä& vorn 8 Geländerstutzen, Brüstung und Unter¬ sicht Douglasie und behandelt lf_ w IA *3siûdfeCis£a. %J&]C£X£3^33LJZTZi s^aOsi tt TOT O n reich entlang einer Schrankwand ist frei unterteilbar; wahl¬ den Baumeister- und Stahlarbeiten, die konventionell ver¬ weise können mehr oder weniger Schränke oder Türen ein¬ geben wurden, übernimmt die Bauhütte alle Arbeiten auf der grossen Räumen bis Baustelle. Die Bauhütte ist keine eigenständige Firma, son¬ grossen Zimmern können Anzahl und dern eine neu zusammengestellte Arbeitsgruppe von selbst¬ gesetzt werden. «Von zwei knapp 30 zu sechs knapp 10 m2 m2 Handwerkern im Dienst des Generalunter¬ •Grösse der Räume je nach den Bedürfnissen selbst bestimmt ständigen werden», erläutert Christoph Haerle. Das gestattet zum Bei¬ nehmers. Sie ist von einem anderen Selbstverständnis spiel eine Nutzung als Einraum für eine Einzelperson, eine geprägt: Zusammenarbeit. Den Bauprozess allerdings dik¬ Mehrraumwohnung für eine Grossfamilie, später eine Einle¬ tiert die Taktarbeit. gerwohnung für die Schwiegereltern oder zur Weitervermie¬ berufsständische Trennung, im Gegenteil, die Maler, Plat¬ tung und schliesslich wieder zurück zur Einraumwohnung für tenleger, Elektriker sind in derselben Firma und arbeiten sich das älter gewordene Ehepaar. Die Praxis wird zeigen, ob da¬ gegenseitig in die Hand. Das bringt eine höhere Auslas¬ von tatsächlich Gebrauch gemacht wird. tungsdichte und hilft Verzögerungen und Pannen zu vermei¬ In der Bauhütte herrscht keine strikte den, darüber hinaus ein Zulernen im sich wiederholenden Anders realisiert - Bauhütte als Bauteam Die selbstständigen Handwerker werden im Stundenlohn bildete die bezahlt, in einem Architekturbüro würde man von selbst¬ (Arbeitsgemeinschaft für innovatives Bauern, worin die ständigen Mitarbeitern reden. Auch Frauen und Behinderte Fachingenieure und Spezialisten ein <unhierarchisches> sind integriert und jeden Tag bereitet ein Koch für die fünf¬ Planungsteam bildeten. zig Beschäftigten das Essen. Täglich verkehrt ein Personal¬ Auch in der Ausführung ging Streich teamorientiert vor. Nach bus aus dem thurgauischen Matzingen nach Zürich. schied sich für das Projekt Hubacher/Haerle. <von hinten). Die Attikageschosse haben aus baurechtlichen Gründen einen abweichenden, um 90 Grad gedrehten Grundriss Blick Taktverfahren. Andreas Streich, der Bauherr und Generalunternehmer ent¬ Er X htttw *-< <&£ « k. NH "•«¦SB W i — mi ::;: 1 P t -issai mu ofca ier \ï£ Ef Kosteneinsparungen in sechs Schritten Jn^j^ L RT i/ rf i V JS nwr Die Bauhütte arbeitete in einem Zelt, wo sie <just in time> Beim Bauen könnten 30 Prozent Kosten eingespart werden. zum Beispiel Gipskartonplatten zuschneidet oder die Kon¬ Diese Behauptung ist altbekannt. Arbeitsgruppen von Ver¬ bänden haben sich darüber den Kopf zerbrochen, Bücher hat solen für die Balkone konfektioniert. Alle Fassaden und alle man darübergeschrieben, Professoren machten Vorschläge. tig sind auch die leichten und schnell eingebauten TJI-Träger Das meiste blieb bedrucktes Papier. Weil der Spardruck kon¬ aus Holz. Sie werden als konstruktive Elemente bei allen Wänden eingesetzt. keine Verkaufsstruktur. Zweitens die Kompaktheit. Der kompakte, einfache Gebäu¬ Wie aber baut die Streich AG billig? Sechs Schritte: dekörper und der Verzicht auf Vor- und Rücksprünge hilft Erstens die Manufaktur. Vorbild war nicht die Industrie mit sparen, der Fassadenanteil pro Quadratmeter Grundfläche wird kleiner. Der umlaufende Balkon macht das Baugerüst ihrer Serienfertigung, nicht das auf die Baustelle gelieferte Fertigprodukt aus der Fabrik. Streich wusste aus Erfahrung, Der Käufer ist König und richtet seine Wohnung nach seinen Vorstellungen ein. Keine Wohnung entspricht dem Muster¬ buch der Architekten überflüssig. Die zentrale Erschliessung über das Rückgrat dass eine echt industrielle Fertigung in logistischer Hinsicht und ein an der Fassade entlang laufender Versorgungskanal aufwändig und fehleranfällig ist. Seine Produktionsmetho¬ für elektrische Verkabelungen macht alle Einlagen in den de lenkt der Handwerkerverstand. Er operiert mit Halbfabri¬ Decken und Wänden überflüssig. katen oder «Konfektionierungen». Vielleicht trifft es <seriel- Drittens die Materialisierung. Bei den Treppenhäusern bei¬ Manufaktur). Bezeichnend ist zum Beispiel, wie das Ras- spielsweise sind keine üblichen Geländer installiert worden, termass festgelegt wurde. Da die Gipskartonplatten 1,25 m breit sind und wenig Verschnitt eine Handwerkertugend ist, stattdessen mit einem Hangsicherungsnetz umhüllt. Einfach kam man auf 2 mal 123 Balkonbrüstungen aus unbehandelten Douglasiebrettern. 2,46 m Rastermass. É Zwischenwände werden in Trockenbauweise erstellt. Wich¬ junkturabhängig ist oder weil zwar gute Ideen da waren, aber le FT- gehalten, allerdings auch schlicht anmutend, sind überdies die Blick auf den bereits fertig gestellten Teil der Überbauung. Die Umgebungsgestaltung betont die durchlaufenden Grünräume. Ein Hain, kein Park soll es werden ¦T _^- a r-« 3-3, r wx _ r: ^^^ IWV- flJL luJs-a, ;., -' ¦Xy. 15 16 Viertens der Einkauf. Die Streich AG kaufte günstig und teils eine Glasscheibe fällt das Sonnenlicht auf eine Solarwabe unter Umgehung des Zwischenhandels ein. Die Gipskarton¬ aus Zellulose, die im Winter das Licht nach dem Prinzip der platten hat der Generalunternehmer direkt beim Hersteller transparenten Wärmedämmung (TWD) in Wärme verwan¬ bezogen, was allein für dieses Material eine Einsparung von delt. Die Konstruktion ist aber so aufgebaut, dass es im Som¬ einem Drittel ermöglichte. Ein Baustoff, den sowohl der Zim¬ mer nicht überhitzt. Die Zwischenräume der dahinter lie¬ mermann als auch der Gipser verwendet, kann die Bauhüt¬ genden Wand sind mit einer Wärmedämmung von rund 20 te gemeinsam einkaufen und Rabatte aushandeln. Auch der Zentimetern Zellulose gefüllt, ein rezyklierter und natürli¬ Transportaufwand wird geringer. Das Glas für die Solarfas¬ cher Baustoff. sade konnte nach einigem Suchen in der gewünschten Qua¬ lität zu einem guten Preis aus den USA importiert werden. Fünftens die Vorfinanzierung. Die Streich AG hat zwar die Anders verkauft - an «mündige» Kunden Es genügt nicht, vom eigenen Projekt überzeugt zu sein, man Vorprojektphase bezahlt, doch danach ging der ganze Pro¬ muss es auch verkaufen. Streich liess auf dem Bauplatz ein zess ohne teure Vorfinanzierungen vonstatten. Achtzig Pro¬ Zirkuszelt aufstellen, worin unzählige Verkaufsevents statt¬ zent der Wohnungen wurden schon vor Baubeginn verkauft. fanden. Man bot den Kaufinteressenten regelmässige Die Käufer unterzeichneten vor Baubeginn einen Kaufvertrag Sprechstunden an (<Kundenkafi>), organisierte Fachrefera¬ für den Landanteil und wurden anteilsmässig als Grund¬ te, produzierte ein Werbevideo und setzte das Internet ein. eigentümer eingetragen. Zur Wirtschaftlichkeit gehört na¬ «Der Kunde war als Mitspieler integriert», betont Andreas Bau¬ Streich. Die Wohnvorstellungen des Käufers wurden ernst zeit von nur dreieinhalb Monaten pro Haus minimiert die genommen. Das war möglich, weil die Gebäude eine neut¬ türlich auch das forsche Tempo auf der Baustelle; eine Kapital- bzw. Baukreditkosten. rale Hülle anboten Sechstens der Keller. Nur sechs von 13 Häusern sind unter¬ - mit sehr viel Fläche für individuelle Lö¬ Kel¬ sungen. Für die Interessenten standen ein Ansprechpartner für Finanzierungsabwicklung und Verträge, eine Beraterin lerabteile der übrigen Häuser befinden sich in den Randzo¬ für Ausbauwünsche oder für Gestaltung und Auswahl der nen der Tiefgarage. Materialien zur Verfügung. kellert, die nämlich, die an der Tiefgarage stehen. Die Dass die Ausbauwünsche der Stockwerkseigentümer nicht unbedingt mit den Vorstellungen der Architekten überein¬ Preis-/Leistungsverhältnis Jede der 61 Eigentumswohnungen verfügt über 197 m2 Net- stimmen, ist offensichtlich. Fast keiner der Grundrisse ent¬ to-Wohnfläche (Hauptnutzfläche HNF nach SIA 416). Das ist spricht dem Musterbuch. Die von den Leuten gewählten ungefähr das Doppelte dessen, was sonst im Mietwoh¬ den- und Wandbeläge, Farben, Küchen und Bäder (mit Whirl¬ nungsbau üblich ist. Der Preis pro Quadratmeter Bruttoge¬ pool!) entsprechen dem Volksgeschmack. Immerhin sorgt das schossfläche BGF beträgt nur 2150 Franken (Nebennutz¬ Reglement der Eigentümergemeinschaft für das Einhalten mi¬ fläche von 100 m2 eingerechnet, ohne Land). Streich sagt, er Bo¬ nimaler ästhetischer Benimmregeln im Aussenbereich. sei «garantiert 30 Prozent günstiger als bei konventioneller Bauweise». Über die grosse Wohnfläche hinaus bietet der MelchrUtistrasse 4-28 Bauherrschaft: Andreas Streich, ¦ Bearth/Deplazes; Burkhalter/Sumi; Guyer/Gigon; Hubacher/Haerle; Morger/Degelo; Smolenicky/Grego und Jakob Steib Architektur: Sabina Hubacher und Christoph Haerle, ZUrich Bis auf vier sind inzwischen alle 61 Wohnungen in Wallisel¬ den Bewohnern also 300 m2 auf einem Boden zur Verfügung. len verkauft. 34 weitere, die nach demselben Konzept in Die Käufer erhalten viel Raum zu einem attraktiven Preis. Die Uster (ZH) realisiert werden sollen, konnten in bloss drei Wo¬ 570000- verkauft (inklusive im Durchschnitt lag der Endpreis bei etwa Grundausbau); chen auf dem Markt abgesetzt werden. Wohnungen wurden ab CHF Streich AG, BrUttisellen (ZH) Workshop mit sieben Büros 1997: Was wurde daraus? Balkon noch einmal rund 100 m2. Zusammengezählt stehen Schaut man sich die Zusammensetzung der Bewohnerschaft 000- aus¬ beim Wohnpark Balance in Wallisellen an, so ergibt sich ein macht, war für die reinen Baukosten pro Wohneinheit ein en¬ heterogenes Bild: Familien mit Kindern sind eingezogen, CHF 650000.-. Da der Landanteil ger Rahmen gesetzt rund CHF 200 GrossmUtter mit Enkelkindern, Eltern mit ihrer Schwieger¬ - rund CHF 300 000.-. mutter und einem jungen Sohn, Singles, Schwestern, Schwu¬ len- und Lesbenpaare. Die angestrebte Durchmischung, teils Minergie-Standard und modernste Technik Landschaftsarchitektur: Stefan Rotz¬ Ökologie und Nachhaltigkeit waren für die Bauherrschaft als «Sozialromantik» belächelt, ist also durchaus Realität ler, Gockhausen wichtig; «Bauen nach dem Faktor vier» hiess das Ziel. Ver¬ geworden. In den bereits bezogenen Gebäuden zeigt sich, und Franz A. Müller, Architekten, doppelung des Wohlstands bei nur halbem Ressourcenver¬ wie die privaten Aussenräume nach und nach erschlossen Fällanden brauch. Sämtliche Wohnungen sind mit einer kontrollierten werden. Vorallem die Balkone werden schon intensivals pri¬ Bauingenieur Holz: Hermann Blumer Bauingenieur Beton: Severino Genti¬ Lüftung ausgestattet, was einerseits das Wohnklima und vater Aussenraum genutzt: Kinderschaukeln, Hängematten, den Komfort verbessert, andererseits die Energie- und Ne¬ Topfpflanzen, Spielzelte, Tische und Gartenstühle, Wäsche¬ Energie- und Haustechnik: Stefan benkosten senkt und darüber hinaus Lärm und Staub redu¬ ständer prägen das Bild. Die Siedlung lebt. Ganz, René Naef und Arthur Huber ziert. In Kombination mit der überdurchschnittlichen Wär¬ Ist dieses Gebäude, das ja nur zum Teil aus dem Ort heraus medämmung sinkt das Risiko von Schimmelpilz praktisch entwickelt wurde, der zeitgemässe Gebäudetyp für die auf Null. Im Wärmeenergieverbrauch erfüllen die Gebäude Agglomeration? Bei ähnlichen Bedingungen ähnliche Lösun¬ Ausführungsplanung: Hans Diener le, Hans Ulrich Remensberger Akustik und Bauphysik: Hans Wichser, DUbendorf Elektroplanung: Josef Peter, Illnau 13 Gebäude mit 61 Wohnungen Bruttogeschossfläche: 12 900 m' Anlagekosten (BKP 1-9): CHF 42 Mio. Kosten (BKP 2/ms): CHF 463.- die strengen Anforderungen des Minergie-Standards. gen? Was in Wallisellen brauchbar war, ist in Uster nützlich. Die Fassaden aus Glas und Aluminium sind wartungsfrei. Die Anders herum: Dieser Gebäudetyp ist ein architektonisches Spezialisten haben sich für Fenster, Fassade und Wärme¬ Halbfabrikat, das an vielen Orten eingesetzt werden kann. Kosten CHF/m' Bruttogeschossfläche: dämmung einiges einfallen lassen: Hochwertige, dreifach CHF2150-(inkl. Nebennutzfläche verglaste Fenster halten die Wärmeverluste gering und von 100 m2, ohne Land) Heizenergie: 52 MJ/m2a für Heizung und Lüftung (ohne Warmwasser) er¬ möglichen zudem eine passive Nutzung der Sonnenenergie. Erfindungsreich ist auch die verglaste Solarfassade. Durch