Erfinden, Bauen, Verkaufen : der zeitgemässe Agglotyp - E

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Erfinden, Bauen, Verkaufen : der zeitgemässe
Agglotyp
Autor(en):
Zulliger, Jürg
Objekttyp:
Article
Zeitschrift:
Hochparterre : Zeitschrift für Architektur und Design
Band (Jahr): 13 (2000)
Heft 10
PDF erstellt am:
22.08.2017
Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-121419
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Der zeitgemässe Agglotyp: Kern und
Decken sind betoniert, die hölzernen
Randstützen tragen und die Konsolen
sind montiert
Der Rohbau von innen. Die Randstützen
und Konsolen vor dem Ausbau. Hinten
2
sieht man verschiedene Bauzustände
sind die TJl-Träger für die
Fassadenkonstruktion montiert, in den
unteren Geschossen sind sie bereits
mit Gipskarton verkleidet
3 Oben
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4 Die raumhohen Fenster sind montiert.
Rechts die Aussenwand vor der Montage
der inneren Gipskartonverkleidung
Der zeitgemässe Agglotyp
Erfinden, Bauen, Verkaufen
Wohnen in der Agglomeration. Der Standort Wallisellen, überaus normal und landläufig banal,
erfordert Einfälle, die von der Norm abweichen. Der Wohnpark Balance ist ein Lehrstück, wie man
anders plant, anders baut und anders verkauft.
Text: Jürg Zulliger
Der Wohnpark Balance ist für alle etwas Aussergewöhnliches
(vgl. Kasten). Man traf sich monatlich während eines ganzen
Bilden Georg Aerni
geworden. Für den Generalunternehmer, weil er sich auf ein
Jahres zu einem Workshop. Es gab kein Raumprogramm,
Experiment einliess, für die Architekten, weil sie einen für
nichts oder fast nichts, was fixiert war. Nebst Landpreis und
unterschiedliche Bedürfnisse brauchbaren Grundriss ent¬
Ausnützung als Parameter waren nur Streichs Idee von
wickeln konnten, für Fachingenieure, weil für einmal Inno¬
Grosswohnungen und einem möglichst günstigen Preis zu
vationen auf dem neusten Stand ihres Wissens gefragt wa¬
berücksichtigen. So kam das aussergewöhnliche Experi¬
ren, für den Verkäufer, weil er den Quadratmeter Wohnfläche
ment zustande, dass sieben Büros zusammen eine Siedlung
so preisgünstig wie sonst kaum anbieten konnte.
erdachten und eine dem Grundstück entsprechende Gebäu¬
Doch der Reihe nach. Welche Ausgangslage traf der Besu¬
detypologie ersannen (ausführlich dokumentiert in archi¬
cher auf dem Areal Melchrüti in Wallisellen an? Ein 16000
these 1/98).
Quadratmeter grosses, leicht geneigtes Grundstück stand
«Dieses Vorgehen hat alle ausnahmslos mit Begeisterung er¬
zum Verkauf, 780 Franken der Quadratmeter, Ausnützungs¬
füllt», erinnert sich die Architektin Sabina Hubacher. Streich
ziffer 2,7. Die Umgebung: typisch Agglomeration. Eine
An¬
sagt, es sei für ihn etwas völlig anderes gewesen, als wenn
sammlung von wahllos zusammengewürfelten Einfamilien¬
er bei einem Projektwettbewerb fertige Lösungen präsen¬
häusern und Wohnblöcken ohne Wiedererkennbarkeit, Teile
tiert bekomme.
mit dörflichem Charakter, abwechselnd mit landwirtschaftli¬
und fühlen») quasi «intravenös verabreicht» bekommen.
cher und kleingewerblicher Nutzung, etwas weiter gegen
Hat dabei auch etwas herausgeschaut? Aus dieser Vorpro¬
den einstigen Dorfkern zu eine Schokoladenfabrik und so
jektphase ging die Idee des Schachbrettmusters Qenes von
fort. Sicher keine aussergewöhnlich gute Lage, nichts für das
Savannah, remember?) mit freistehenden, einzelnen Bau¬
Er
habe den ganzen Prozess («was die denken
obere Preissegment. Aus der Nähe das unaufhörliche Rau¬
körpern hervor. Wenn schon grössere Gebäude, dann sollte
schen der Autobahn, über den Köpfen der Fluglärm von
Dü¬
zumindest dazwischen genügend Freiraum verbleiben. Von
bendorf und Kloten, kein Weitblick, kurz: Agglomeration.
Im¬
allen Vorschlägen wurde schliesslich derjenige von Huba-
merhin mit Bus, S-Bahn und mit dem Privatverkehr sehr gut
cher/Haerle weiterverfolgt. Vor allem wegen der Offenheit
erschlossen. Zürich liegt einige Minuten vor der Haustür.
und der Flexibilität der Grundrissidee, die eher einem neut¬
ralen Gefässalseinerfertigen Wohnunggleicht.Zugleich bot
Im Workshop zum Vorprojekt
Was braucht es, damit hier ein Wohnbauprojekt Anzie¬
dieser Ansatz Gewähr, Streichs Absicht, effizient und billig
zu bauen, umzusetzen. Sabina Hubacher und Christoph
hungskraft ausübt? Auf Anregung des Beraters Martin Hofer
Haerle wollten ihrerseits einen Merkpunkt im Agglomerati¬
von Wüest & Partner lud der Generalunternehmer Andreas
onsgürtel schaffen. «Die Überbauung Melchrüti sollte ein
Streich sieben Architekturbüros und einen Landschaftsar¬
Gesicht bekommen und eine Identifikationskraft, die über
chitekten ein, um sich über diese Frage Gedanken zu machen
den Ort ausstrahlt», sagt Christoph Haerle. Gesucht war ein
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Agglomerations-Gebäudetyp, der weder auf dem Land noch
Gebäudetyp und Konstruktion
in der Stadt anzutreffen ist. Zeitgemässe Urbanität bei heu¬
Die Gebäude sind einfache, kompakte Baukörper über einem
tigen Bedingungen heisst: Die Agglomeration ist weder sitt¬
quadratischen Grundriss. Die Wohnflächen liegen an den
lich-ländlich noch Blockrandgebiet des 19. Jahrhunderts.
Fassaden und sind nach allen Seiten geschosshoch verglast.
Der um das ganze Gebäude führende Balkon bietet die Mög¬
Anderes Siedlungskonzept und Bebauungsmuster
lichkeit, aussen um die ganze Wohnung herumzugehen.
Welches Siedlungskonzept schafft Raum für den privaten
Auch hier eine Uminterpretation des Einfamilienhauses: Der
Rückzug und bietet trotzdem Gelegenheit, soziale Kontakte
Eigentümer will die «eigenen vier Wände» rundherum
zu knüpfen? Einzelhäuser, die Individualität versprechen
schreiten. Der nach Südwesten ausgerichtete Teil des Bal¬
und in einer parkähnlichen Umgebung stehen. Der gestalte¬
kons erweitert sich zur Terrasse und erinnert an die ameri¬
te Aussenraum fasst die Gebäude zu einer Siedlung mit un¬
kanische Porch. Über diese Terrasse betritt man die Woh¬
ab¬
verwechselbarem Gesicht zusammen. Einfliessendes Grün
nung. Damit wenn nötig eine Einlegerwohnung abgegrenzt
und Durchlässigkeit sind seine Merkmale. Der mit der Um¬
werden kann, sind grundsätzlich zwei Eingangstüren mög¬
gebungsgestaltung betraute Landschaftsarchitekt Stefan
lich, aber auch die Terrasse kann einfach geteilt werden.
Rotzler will das <Wohnen im Park> umsetzen; das heisst
In der
locker angeordnete Silberweiden, Birken, Eschen, Pappeln,
massen das Rückgrat mit Nerven- und Versorgungssträngen.
Föhren und Erlen machen aus der Melchrüti einen Hain. Die
Hier sind zentral alle Zu- und Ableitungen für Strom, Wasser,
Anordnung der Parkplätze am Rand und der Tiefgarage im
Heizung und Lüftung zusammengefasst. Der freistehende
Mitte des Gebäudes befindet sich ein Kern, gewisser-
Zentrum machen den Park zur autofreien Spiellandschaft.'
Kern hat Platz für drei Nasszellen (zwei Bäder und eine Gäs¬
Mit den gleichwertigen nach Südwesten orientierten
te-Toilette), darüber hinaus sind zwei mögliche Standorte für
Ge¬
bäuden hat Streich alle anderen denkbaren Varianten ver¬
Küchen vorbereitet.
worfen. Auch die Farbgebung knüpft ans Schachbrettmuster
Der Kern und die Geschossdecken wurden an Ort betoniert.
an. Sie betont, wie sich die Räume zueinander verhalten. Al¬
Der Deckenrand wird aussen durch Holzstützen getragen, ei¬
le Fassaden, die innerhalb der Siedlung einen geschlosse¬
ne übliche Skelett-Bauweise mit
nen Binnenraum bilden, sind gelb. Rot sind die Fassaden ge¬
unüblicher Kombination von Beton und Holz allerdings. Auch
gen die halboffenen Räume zwischen den Einzelgebäuden
dies ein Novum, handelt es sich doch um die ersten fünfge¬
und blau die nach aussen weisenden.
schossigen Gebäude in der Schweiz mit tragenden Holz¬
Zeitgemäss urban ist die Überbauung durch die fünfge¬
stützen. Feuerpolizeilich war dies nur statthaft dank der Aus¬
schossige Bauweise und die grosse Dichte; es sind 61 Woh¬
kragung des Balkons, die als Brandschutz wirkt. Die Balko¬
stabilisierendem Kern
- mit
nungen verteilt auf 13 Gebäude mit vier oder fünf Geschos¬
ne sind auf Stahlkonsolen aufgelagert, die ein Trapezblech
sen. «Es ist eben keine Reihenhaussiedlung mit Gärtchen,
tragen, das ausbetoniert wird. Damit wird die thermische
sondern urbanes, geschichtetes Wohnen», betont Sabina
Trennung von der Decke und eine genügende Schallisolation
Hubacher. Denn die Grundregel heisst: Stockwerkeigentum
erreicht.
mit einem Eigentümer pro Geschoss. Damit haben Hubacher
/Haerle das Einfamilienhaus konsequent uminterpretiert:
Flexibilität: Der Grundriss als neutrale Schicht
übereinander statt nebeneinander.
Welche Anordnung, wie grosse Flächen kommen den tat¬
Bei der Abgrenzung von privatem, halböffentlichem und öf¬
sächlichen Wohnbedürfnissen am nächsten? Hubacher/
fentlichem Raum ging es allerdings nicht ohne Kompromis¬
Haerle verzichten grundsätzlich auf die Beantwortung die¬
se. Der ursprüngliche Entwurf sah für die einzelne Wohnung
ser Wohnungsfrage. Sie setzen auf Neutralität. Innerhalb der
den Zugang über eine fassadenparallele, einläufige Treppe
Grundfläche und unterdem Kommando des Rasters kann der
vor. Ihr Podest wäre damit ein Teil der Terrasse gewesen und
Grundriss höchst verschieden genutzt und eingerichtet wer¬
die Nachbarn von oben wären da durchgegangen. Doch das
den. Die Baustruktur, die Konzentration der Medien im Kern
wollten die Käufer nicht. Die Treppe musste vor das Gebäu¬
und ihre Führung garantieren eine weitgehende Planungs-, ja
de versetzt werden
-
ohne Terrassenanteil. Die Bewohner
Benutzungsflexibilität. Änderungen sind jederzeit möglich.
teilt sich
des Erdgeschosses dürfen den Garten vor ih rer Wohnung be¬
Die Wohnfläche um den Kern herum
arbeiten, aber keine Zäune errichten oder Bäume setzen.
dualbereich und den allgemeinen Teil auf. Der Individualbe-
in den Indivi-
Balkon vor dem Betonieren.
Die Untersicht zeigt die Konsole und das
5 Der
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Trapezblech
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6 Fassade mit montierter Kartonwabe
für die TWD-Fassade. Die Waben werden
in der Fassadenfarbe gestrichen
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granulierte Industrieglas ist mon¬
tiert, die Fassadenfarbe schimmert durch
7 Das
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8 Der fertige Balkon. Die Untersicht
ist mit Holzriemen geschlossen.
Es kön¬
nen nach Wunsch vorn eine Lamellenstore
oder eine Fassadenmarkise vor den
Fenstern eingebaut werden
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Situationsplan. Das Schachbrettmuster
erlaubt bei hoher Dichte trotzdem eine
durchgehende Gartenlandschaft. Wo zwei
Häuser fehlen, liegt die Parkgarage
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Prinzipschnitt durch die geschlossene
Fassade
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Industrieglas mit Hinterlüftung 40 mm
Kartonwabe gestrichen 60 mm
3 Gipskarton zweiseitig Ausflockung 22 cm
4 TragstUtzen 160/180 dazwischen
TJl-Träger als Sekundärkonstruktion
5 Umlaufender Elektrokanal
6 Stahlkonsole an Deckenstirn
7 Betonelement seitlich, Ausbetonierung
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Der leere Normalgrundriss
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Mögliche Wohnungstrennung
Mögliche Zimmerunterteilung
3 Küchenstandorte
4 Schrankwand
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Steigschacht
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vorn
8 Geländerstutzen, Brüstung und Unter¬
sicht Douglasie und behandelt
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reich entlang einer Schrankwand ist frei unterteilbar; wahl¬
den Baumeister- und Stahlarbeiten, die konventionell ver¬
weise können mehr oder weniger Schränke oder Türen ein¬
geben wurden, übernimmt die Bauhütte alle Arbeiten auf der
grossen Räumen bis
Baustelle. Die Bauhütte ist keine eigenständige Firma, son¬
grossen Zimmern können Anzahl und
dern eine neu zusammengestellte Arbeitsgruppe von selbst¬
gesetzt werden. «Von zwei knapp 30
zu sechs knapp 10 m2
m2
Handwerkern im
Dienst
des
Generalunter¬
•Grösse der Räume je nach den Bedürfnissen selbst bestimmt
ständigen
werden», erläutert Christoph Haerle. Das gestattet zum Bei¬
nehmers. Sie ist von einem anderen Selbstverständnis
spiel eine Nutzung als Einraum für eine Einzelperson, eine
geprägt: Zusammenarbeit. Den Bauprozess allerdings dik¬
Mehrraumwohnung für eine Grossfamilie, später eine Einle¬
tiert die Taktarbeit.
gerwohnung für die Schwiegereltern oder zur Weitervermie¬
berufsständische Trennung, im Gegenteil, die Maler, Plat¬
tung und schliesslich wieder zurück zur Einraumwohnung für
tenleger, Elektriker sind in derselben Firma und arbeiten sich
das älter gewordene Ehepaar. Die Praxis wird zeigen, ob da¬
gegenseitig in die Hand. Das bringt eine höhere Auslas¬
von tatsächlich Gebrauch gemacht wird.
tungsdichte und hilft Verzögerungen und Pannen zu vermei¬
In
der Bauhütte herrscht keine strikte
den, darüber hinaus ein Zulernen im sich wiederholenden
Anders realisiert - Bauhütte als Bauteam
Die selbstständigen Handwerker werden im Stundenlohn
bildete die
bezahlt, in einem Architekturbüro würde man von selbst¬
(Arbeitsgemeinschaft für innovatives Bauern, worin die
ständigen Mitarbeitern reden. Auch Frauen und Behinderte
Fachingenieure und Spezialisten ein <unhierarchisches>
sind integriert und jeden Tag bereitet ein Koch für die fünf¬
Planungsteam bildeten.
zig Beschäftigten das Essen. Täglich verkehrt ein Personal¬
Auch in der Ausführung ging Streich teamorientiert vor. Nach
bus aus dem thurgauischen Matzingen nach Zürich.
schied sich für das Projekt Hubacher/Haerle.
<von hinten). Die Attikageschosse
haben aus baurechtlichen Gründen einen
abweichenden, um 90 Grad gedrehten
Grundriss
Blick
Taktverfahren.
Andreas Streich, der Bauherr und Generalunternehmer ent¬
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Kosteneinsparungen in sechs Schritten
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Die Bauhütte arbeitete in einem Zelt, wo sie <just in time>
Beim Bauen könnten 30 Prozent Kosten eingespart werden.
zum Beispiel Gipskartonplatten zuschneidet oder die Kon¬
Diese Behauptung ist altbekannt. Arbeitsgruppen von Ver¬
bänden haben sich darüber den Kopf zerbrochen, Bücher hat
solen für die Balkone konfektioniert. Alle Fassaden und alle
man darübergeschrieben, Professoren machten Vorschläge.
tig sind auch die leichten und schnell eingebauten TJI-Träger
Das meiste blieb bedrucktes Papier. Weil der Spardruck kon¬
aus Holz. Sie werden als konstruktive Elemente bei allen
Wänden eingesetzt.
keine Verkaufsstruktur.
Zweitens die Kompaktheit. Der kompakte, einfache Gebäu¬
Wie aber baut die Streich AG billig? Sechs Schritte:
dekörper und der Verzicht auf Vor- und Rücksprünge hilft
Erstens die Manufaktur. Vorbild war nicht die Industrie mit
sparen, der Fassadenanteil pro Quadratmeter Grundfläche
wird kleiner. Der umlaufende Balkon macht das Baugerüst
ihrer Serienfertigung, nicht das auf die Baustelle gelieferte
Fertigprodukt aus der Fabrik. Streich wusste aus Erfahrung,
Der Käufer ist König und richtet seine
Wohnung nach seinen Vorstellungen ein.
Keine Wohnung entspricht dem Muster¬
buch der Architekten
überflüssig. Die zentrale Erschliessung über das Rückgrat
dass eine echt industrielle Fertigung in logistischer Hinsicht
und ein an der Fassade entlang laufender Versorgungskanal
aufwändig und fehleranfällig ist. Seine Produktionsmetho¬
für elektrische Verkabelungen macht alle Einlagen in den
de lenkt der Handwerkerverstand. Er operiert mit Halbfabri¬
Decken und Wänden überflüssig.
katen oder «Konfektionierungen». Vielleicht trifft es <seriel-
Drittens die Materialisierung. Bei den Treppenhäusern bei¬
Manufaktur). Bezeichnend ist zum Beispiel, wie das Ras-
spielsweise sind keine üblichen Geländer installiert worden,
termass festgelegt wurde. Da die Gipskartonplatten 1,25 m
breit sind und wenig Verschnitt eine Handwerkertugend ist,
stattdessen mit einem Hangsicherungsnetz umhüllt. Einfach
kam man auf 2 mal 123
Balkonbrüstungen aus unbehandelten Douglasiebrettern.
2,46 m Rastermass.
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Zwischenwände werden in Trockenbauweise erstellt. Wich¬
junkturabhängig ist oder weil zwar gute Ideen da waren, aber
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gehalten, allerdings auch schlicht anmutend, sind überdies die
Blick auf den bereits fertig gestellten Teil
der Überbauung. Die Umgebungsgestaltung
betont die durchlaufenden Grünräume.
Ein Hain, kein Park soll es werden
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Viertens der Einkauf. Die Streich AG kaufte günstig und teils
eine Glasscheibe fällt das Sonnenlicht auf eine Solarwabe
unter Umgehung des Zwischenhandels ein. Die Gipskarton¬
aus Zellulose, die im Winter das Licht nach dem Prinzip der
platten hat der Generalunternehmer direkt beim Hersteller
transparenten Wärmedämmung (TWD) in Wärme verwan¬
bezogen, was allein für dieses Material eine Einsparung von
delt. Die Konstruktion ist aber so aufgebaut, dass es im Som¬
einem Drittel ermöglichte. Ein Baustoff, den sowohl der Zim¬
mer nicht überhitzt. Die Zwischenräume der dahinter lie¬
mermann als auch der Gipser verwendet, kann die Bauhüt¬
genden Wand sind mit einer Wärmedämmung von rund 20
te gemeinsam einkaufen und Rabatte aushandeln. Auch der
Zentimetern Zellulose gefüllt, ein rezyklierter und natürli¬
Transportaufwand wird geringer. Das Glas für die Solarfas¬
cher Baustoff.
sade konnte nach einigem Suchen in der gewünschten Qua¬
lität zu einem guten Preis aus den USA importiert werden.
Fünftens die Vorfinanzierung. Die Streich AG hat zwar die
Anders verkauft - an «mündige» Kunden
Es
genügt nicht, vom eigenen Projekt überzeugt zu sein, man
Vorprojektphase bezahlt, doch danach ging der ganze Pro¬
muss es auch verkaufen. Streich liess auf dem Bauplatz ein
zess ohne teure Vorfinanzierungen vonstatten. Achtzig
Pro¬
Zirkuszelt aufstellen, worin unzählige Verkaufsevents statt¬
zent der Wohnungen wurden schon vor Baubeginn verkauft.
fanden. Man bot den Kaufinteressenten regelmässige
Die Käufer unterzeichneten vor Baubeginn einen Kaufvertrag
Sprechstunden an (<Kundenkafi>), organisierte Fachrefera¬
für den Landanteil und wurden anteilsmässig als Grund¬
te, produzierte ein Werbevideo und setzte das Internet ein.
eigentümer eingetragen. Zur Wirtschaftlichkeit gehört
na¬
«Der Kunde war als Mitspieler integriert», betont Andreas
Bau¬
Streich. Die Wohnvorstellungen des Käufers wurden ernst
zeit von nur dreieinhalb Monaten pro Haus minimiert die
genommen. Das war möglich, weil die Gebäude eine neut¬
türlich auch das forsche Tempo auf der Baustelle; eine
Kapital- bzw. Baukreditkosten.
rale Hülle anboten
Sechstens der Keller. Nur sechs von 13 Häusern sind unter¬
- mit sehr viel Fläche für individuelle
Lö¬
Kel¬
sungen. Für die Interessenten standen ein Ansprechpartner
für Finanzierungsabwicklung und Verträge, eine Beraterin
lerabteile der übrigen Häuser befinden sich in den Randzo¬
für Ausbauwünsche oder für Gestaltung und Auswahl der
nen der Tiefgarage.
Materialien zur Verfügung.
kellert, die nämlich, die an der Tiefgarage stehen. Die
Dass die Ausbauwünsche der Stockwerkseigentümer nicht
unbedingt mit den Vorstellungen der Architekten überein¬
Preis-/Leistungsverhältnis
Jede der 61 Eigentumswohnungen
verfügt über 197
m2
Net-
stimmen, ist offensichtlich. Fast keiner der Grundrisse ent¬
to-Wohnfläche (Hauptnutzfläche HNF nach SIA 416). Das ist
spricht dem Musterbuch. Die von den Leuten gewählten
ungefähr das Doppelte dessen, was sonst im Mietwoh¬
den- und Wandbeläge, Farben, Küchen und Bäder (mit Whirl¬
nungsbau üblich ist. Der Preis pro Quadratmeter Bruttoge¬
pool!) entsprechen dem Volksgeschmack. Immerhin sorgt das
schossfläche BGF beträgt nur 2150 Franken (Nebennutz¬
Reglement der Eigentümergemeinschaft für das Einhalten mi¬
fläche von 100
m2
eingerechnet, ohne Land). Streich sagt, er
Bo¬
nimaler ästhetischer Benimmregeln im Aussenbereich.
sei «garantiert 30 Prozent günstiger als bei konventioneller
Bauweise». Über die grosse Wohnfläche hinaus bietet der
MelchrUtistrasse 4-28
Bauherrschaft: Andreas Streich,
¦
Bearth/Deplazes; Burkhalter/Sumi;
Guyer/Gigon; Hubacher/Haerle;
Morger/Degelo; Smolenicky/Grego
und Jakob Steib
Architektur: Sabina Hubacher und
Christoph Haerle, ZUrich
Bis auf vier sind inzwischen alle 61 Wohnungen in Wallisel¬
den Bewohnern also 300 m2 auf einem Boden zur Verfügung.
len verkauft. 34 weitere, die nach demselben Konzept in
Die Käufer erhalten viel Raum zu einem attraktiven Preis. Die
Uster (ZH) realisiert werden sollen, konnten in bloss drei Wo¬
570000- verkauft (inklusive
im
Durchschnitt lag der Endpreis bei etwa
Grundausbau);
chen auf dem Markt abgesetzt werden.
Wohnungen wurden ab CHF
Streich AG, BrUttisellen (ZH)
Workshop mit sieben Büros 1997:
Was wurde daraus?
Balkon noch einmal rund 100 m2. Zusammengezählt stehen
Schaut man sich die Zusammensetzung der Bewohnerschaft
000- aus¬
beim Wohnpark Balance in Wallisellen an, so ergibt sich ein
macht, war für die reinen Baukosten pro Wohneinheit ein en¬
heterogenes Bild: Familien mit Kindern sind eingezogen,
CHF
650000.-.
Da der Landanteil
ger Rahmen gesetzt
rund CHF 200
GrossmUtter mit Enkelkindern, Eltern mit ihrer Schwieger¬
- rund CHF 300 000.-.
mutter und einem jungen Sohn, Singles, Schwestern, Schwu¬
len- und Lesbenpaare. Die angestrebte Durchmischung, teils
Minergie-Standard und modernste Technik
Landschaftsarchitektur: Stefan Rotz¬
Ökologie und Nachhaltigkeit waren für die Bauherrschaft
als «Sozialromantik» belächelt, ist also durchaus Realität
ler, Gockhausen
wichtig; «Bauen nach dem Faktor vier» hiess das Ziel.
Ver¬
geworden. In den bereits bezogenen Gebäuden zeigt sich,
und Franz A. Müller, Architekten,
doppelung des Wohlstands bei nur halbem Ressourcenver¬
wie die privaten Aussenräume nach und nach erschlossen
Fällanden
brauch. Sämtliche Wohnungen sind mit einer kontrollierten
werden. Vorallem die Balkone werden schon intensivals pri¬
Bauingenieur Holz: Hermann Blumer
Bauingenieur Beton: Severino Genti¬
Lüftung ausgestattet, was einerseits das Wohnklima und
vater Aussenraum genutzt: Kinderschaukeln, Hängematten,
den Komfort verbessert, andererseits die Energie- und Ne¬
Topfpflanzen, Spielzelte, Tische und Gartenstühle, Wäsche¬
Energie- und Haustechnik: Stefan
benkosten senkt und darüber hinaus Lärm und Staub redu¬
ständer prägen das Bild. Die Siedlung lebt.
Ganz, René Naef und Arthur Huber
ziert. In Kombination mit der überdurchschnittlichen Wär¬
Ist dieses Gebäude, das ja nur zum Teil aus dem Ort heraus
medämmung sinkt das Risiko von Schimmelpilz praktisch
entwickelt wurde, der zeitgemässe Gebäudetyp für die
auf Null. Im Wärmeenergieverbrauch erfüllen die Gebäude
Agglomeration? Bei ähnlichen Bedingungen ähnliche Lösun¬
Ausführungsplanung: Hans Diener
le, Hans Ulrich Remensberger
Akustik und Bauphysik:
Hans Wichser, DUbendorf
Elektroplanung: Josef Peter, Illnau
13 Gebäude mit 61 Wohnungen
Bruttogeschossfläche:
12
900 m'
Anlagekosten (BKP 1-9): CHF 42 Mio.
Kosten (BKP 2/ms): CHF 463.-
die strengen Anforderungen des Minergie-Standards.
gen? Was in Wallisellen brauchbar war, ist in Uster nützlich.
Die Fassaden aus Glas und Aluminium sind wartungsfrei. Die
Anders herum: Dieser Gebäudetyp ist ein architektonisches
Spezialisten haben sich für Fenster, Fassade und Wärme¬
Halbfabrikat, das an vielen Orten eingesetzt werden kann.
Kosten CHF/m' Bruttogeschossfläche:
dämmung einiges einfallen lassen: Hochwertige, dreifach
CHF2150-(inkl. Nebennutzfläche
verglaste Fenster halten die Wärmeverluste gering und
von 100 m2, ohne Land)
Heizenergie: 52 MJ/m2a für Heizung
und Lüftung (ohne Warmwasser)
er¬
möglichen zudem eine passive Nutzung der Sonnenenergie.
Erfindungsreich ist auch die verglaste Solarfassade. Durch
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