Therapeutische Wohngruppen für geistig behinderte Erwachsene

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Therapeutische Wohngruppen für geistig behinderte Erwachsene mit schwerwiegendem herausforderndem Verhalten in Baden­Württemberg Evaluationsstudie im Auftrag des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden­Württemberg November 2006 Prof. Dr. Friedrich Dieckmann Dipl. Psych. Christos Giovis unter Mitarbeit von Prof. Dr. Gerhard Haas und Dr. Birgit Bruck Münster: Katholische Fachhochschule Nordrhein­Westfalen
1 Inhaltsverzeichnis 1 Zur Lebenslage von geistig behinderten Menschen mit schwerwiegendem herausforderndem Verhalten ....................................................................................................4 2 Ziele und Realisierung des Modellversuchs Therapeutische Wohngruppen in Baden­Württemberg ..............................................................................................................6 3 4 2.1 Vorgeschichte....................................................................................................................6 2.2 Ziele ..................................................................................................................................7 2.3 Bedingungen für die Ausgestaltung der TWG.....................................................................7 2.4 Auswahl der Leistungserbringer (Einrichtungen) ................................................................8 2.5 Konzeptionelle Ausgestaltung in den teilnehmenden Einrichtungen....................................8 2.6 Auswahl der teilnehmenden behinderten Menschen...........................................................9 Zielsetzung der Evaluation und methodisches Vorgehen .....................................................10 3.1 Fragestellungen für die Evaluation ...................................................................................10 3.2 Untersuchungsplan..........................................................................................................12 3.3 Erhebung und Auswertung der Daten ..............................................................................13 3.4 Grundgesamtheiten und Rücklauf ....................................................................................15 3.5 Güte der Daten................................................................................................................16 Teilnehmer am Modellversuch ................................................................................................17 4.1 Geschlecht der Teilnehmer ..............................................................................................17 4.2 Alter der Teilnehmer ........................................................................................................17 4.3 Alter bei Ersteinzug in eine stationäre Wohneinrichtung ...................................................18 4.4 Wohndauer in stationären Einrichtungen..........................................................................19 4.5 Wohnsetting vor Einzug in eine TWG...............................................................................20 4.6 Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern ...............................................................21 4.7 Schweregrad der geistigen Behinderung..........................................................................23 4.8 Zusätzliche Behinderungen und psychische Störungen....................................................24 4.9 Hilfebedarf und Pflegestufen............................................................................................26 4.10 Herausfordernde Verhaltensweisen .................................................................................28 4.11 Kompetenzen der Teilnehmer..........................................................................................30 5 Verwirklichung des Auftrags: Hilfeplanung und Maßnahmen ...............................................31 5.1 Vorgehen und Überblick ..................................................................................................31 5.2 Verankerung in regionale Hilfesysteme ............................................................................33 5.3 Hilfeplanung ....................................................................................................................33 5.4 Sozial­räumliche Bedingungen.........................................................................................34 5.5 Personal ..........................................................................................................................35 5.6 Allgemeine Interventionen bezogen auf die Lebensführung im Alltag ...............................36 5.7 Spezielle Interventionen bezogen auf problematische Verhaltensweisen..........................37 5.8 Integration in andere Wohnformen ...................................................................................38
2 6 7 8 9 Effekte ......................................................................................................................................39 6.1 Teilhabe am Leben der Gesellschaft ................................................................................39 6.2 Herausforderndes Verhalten ............................................................................................47 6.3 Entwicklung ausgewählter Kompetenzen .........................................................................59 6.4 Einschätzung der Lebenssituation....................................................................................62 Prognose der Integration und Veränderungen der herausfordernden Verhaltensweisen ....................................................................................................................63 7.1 Prognostische Faktoren aus Sicht der Leitung und Mitarbeiter Therapeutischer Wohngruppen........................................................................................63 7.2 Prognosevariablen für die Reintegration in nicht­separierende Wohnformen und die Veränderung herausfordernder Verhaltensweisen ...............................................65 7.3 Veränderung schwerwiegend herausfordernden Verhaltens.............................................72 7.4 Fazit ................................................................................................................................86 Interpretation der Ergebnisse und Perspektiven ...................................................................88 8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse ..................................................................................88 8.2 Schwierigkeiten bei der Reintegration im Wohnen............................................................89 8.3 Empfehlungen der Träger TWG .......................................................................................90 8.4 Anforderungen an eine sozialräumlich orientierte Unterstützung ......................................92 Literatur ...................................................................................................................................94 10 Anhang.....................................................................................................................................96 10.1 Codes der Verhaltensauffälligkeiten.................................................................................96 10.2 Codierung der psychischen Störungen.............................................................................98 10.3 Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV................................99 10.4 Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeiten der SHV ..............................................102
3 1 Zur Lebenslage von geistig behinderten Menschen mit schwerwiegendem herausforderndem Verhalten Schwerwiegendes herausforderndes Verhalten (SHV) Der Begriff „challenging behavior“ (herausforderndes Verhalten) ist ursprünglich von der US­ amerikanischen „Association for People with Severe Handicaps“ in die Fachdiskussion eingeführt worden und hat sich in den 90er Jahren in der internationalen Forschung zur geistigen Behinderung durchgesetzt (vgl. Emerson 2001, S. 3). Der Begriff ersetzt eine Reihe früherer Bezeichnungen wie „Verhaltenstörung“, „Problemverhalten“, „gestörtes Verhalten“ oder „abnormales Verhalten“. Herausfordernd wird ein Verhalten aufgrund der Funktion, die es für das soziale Umfeld einer Person und für die Lebensführung der Person selbst hat. Herausforderndes Verhalten ist eine sozial konstruierte Kategorie und als solche offen für subjektive Interpretationen. Es hängt ab von den Effekten eines Verhaltens(weniger von der Verhaltenstopographie), der Fähigkeit der Beteiligten die Effekte zu tolerieren, zu verändern und zu minimieren, von den subjektiven Normen des einschätzenden Beobachters und den in einem Setting herrschenden „Programm“­ und Angemessenheitsnormen, ob ein Verhalten als herausfordernd kategorisiert wird. Auch das Ausmaß der wahrgenommenen Herausforderung ist abhängig von diesen Faktoren: Die Abgrenzung schwer­ wiegenden herausfordernden Verhaltens (SHV) hängt stark vom gewohnten Niveau auffälligen Verhaltens, von den subjektiven Einschätzungen der Zumutbarkeit der Verhaltensweisen für den Menschen mit Behinderung selbst und sein jeweiliges soziales Umfeld und von der wahr­ genommenen Verhaltenskontrolle ab. Um soziale Dienste für die Zielgruppe geistig behinderter Menschen mit schwerwiegendem herausforderndem Verhalten planen zu können, ist es eine Hilfe, den Terminus klarer zu fassen. Eric Emerson, einer der führenden und viel zitierten Forscher auf diesem Gebiet, definiert schwer­ wiegendes herausforderndes Verhalten wie folgt: “Severely challenging behaviour refers to behaviour of such an intensity, frequency or duration that the physical safety of the person or others is likely to be placed in serious jeopardy or (to) behaviour which is likely to limit seriously or deny access to and use of community facilities” (Emerson et al. 1987 zitiert nach Lowe & Felce 1995, S. 118) Herausfordernde Verhaltensweisen werden von den unmittelbar Beteiligten als „schwerwiegend“, „gravierend“ oder „erheblich“ erlebt und etikettiert, wenn sie dazu führen, dass Menschen sich selbst oder andere fortgesetzt gefährden oder beeinträchtigen oder wenn sie die Teilhabe der Person am Leben im Gemeinwesen einschränken oder sie ihr verwehren. Das Zusammenleben bzw. Zusammensein gefährden vor allem aggressive Verhaltensweisen, die sich gegen andere Personen oder Sachen richten, selbstverletzendes Verhalten, Wut­ und Gefühlsausbrüche, stark störendes Lautieren, dauerndes Schreien und Klagen, Kotschmieren und extrem zwanghaftes Verhalten. Rückzugs­ oder in sich gekehrtes Verhalten (z. B. Inaktivität, Desinteresse) schränkt zwar die Lebens­ qualität, die Teilhabe der Individuen oft in größerem Ausmaße ein, wird aber von den Inter­ aktionspartnern oft nicht als so bedrohlich für das Zusammenleben bzw. Zusammensein erlebt. Menschen mit geistiger Behinderung werden relativ häufig herausfordernde Verhaltensweisen attestiert – oft im Zusammenhang mit der Diagnose einer zusätzlichen psychischen Störung. Je nach Untersuchung liegen die Prävalenzraten zwischen 30% und 50% (vgl. Irblich 2003, Sarimski 2005). Dagegen findet sich schwerwiegendes herausforderndes Verhalten vergleichsweise selten (vgl. Allen & Felce 1999). Es liegen nur wenige noch relativ aktuelle und methodisch zufrieden stellende Studien zur Prävalenz SHV vor. Für Untersuchungszwecke haben Qureshi & Alborz (1992) SHV operationaler gefasst als Verhalten von Personen, das „(a) has at some time caused more than minor injuries to themselves or others; (b) has at some time resulted in the destruction of their immediate living or working environment; (c) occurs at least weekly … (and) either places the person in danger, or requires intervention by more than one member of staff
4 for control, or causes damage which cannot be rectified by immediate care staff, or causes at least an hour’s disruption; or (d) has caused disruption lasting more than a few minutes at least daily“ In einer Studie in 7 britischen Distrikten in unterschiedlichen Wohnformen und Tagesangeboten zeigten 7% der geistig behinderten Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen SHV. Für Baden­Württemberg erwähnt ein Bericht des Landesgesundheitsamtes (1993), dass mehrere große Einrichtungen den Anteil von geistig behinderten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit zusätzlichen schweren Verhaltensstörungen in ihren Heimbereichen auf 3% bis 5% geschätzt haben. In gemeindenahen Wohneinrichtungen dürfte dieser Anteil zurzeit noch niedriger liegen. Zusätzlich befinden sich aber immer noch geistig behinderte Menschen mit schwerwiegenden herausfordernden Verhaltensweisen in Pflegebereichen psychiatrischer Kliniken. Lebenssituation und fachliche Unterstützung Geschichtlich betrachtet haben Beziehungsstörungen, die mit SHV einhergehen, häufig zum Ausschluss dieses Personenkreises aus vertrauten Lebenszusammenhängen und aus heimatlichen Gemeinwesen geführt. Während es für immer mehr Menschen mit geistiger Behinderung selbstverständlich geworden ist, gemeindeintegriert zu leben, wird diese Wohnalternative geistig behinderten Menschen mit SHV bis dato in der Regel verwehrt. Wohnortferne Groß­ und Komplex­ einrichtungen sind – oft unbeabsichtigt – zu überregionalen „Auffangbecken“ für diesen Personenkreis geworden. Dort finden sich Menschen mit SHV immer häufiger in speziellen, homogen zusammengesetzten Wohngruppen für „Verhaltensauffällige“ wieder. Sie haben dann bereits eine mehr oder weniger lange „Heimkarriere“ durchlaufen. Der reintegrative Anspruch in solchen Dauer­ wohngruppen ist im Allgemeinen gering. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch auch, dass mit einer Normalisierung der Lebensverhältnisse im Sinne der bloßen Erschließung gemeindeintegrierter Wohn­ und Beschäftigungsmöglichkeiten herausfordernde Verhaltensweisen nicht einfach verschwinden (s. Dalferth 1999). Personen mit SHV und ihre Bezugspersonen benötigen eine spezifische Unter­ stützung, um entlastet zu werden, um Interaktionen und Ressourcen neu zu strukturieren und wieder mehr Teilhabe am Leben in der Gesellschaft möglich zu machen. Mittlerweile verfügen wir über ein beträchtliches Wissen über die Ausbreitung, Entstehung und Aufrechterhaltung herausfordernder Verhaltensweisen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit unterschiedlichen Ausgangsdiagnosen. Diese Erkenntnisse sind neurobiologischer, psychia­ trischer, psychologischer und pädagogischer Provenienz. Es liegen Handlungsmethoden für das Assessment (verstehende Diagnostik), die Prävention, die Krisenintervention, die Beratung und Therapie bei herausfordernden Verhaltensweisen vor, die sich in der Praxis bewährt haben und z.T. auch empirisch abgesichert sind. Allerdings: In den zum Problem gewordenen Alltag der Menschen mit SHV und ihrer Bezugspersonen dringt dieses Wissen oft gar nicht vor. Die Betroffenen haben nur unzureichend Zugang zu Diensten, die auf der Grundlage des aktuellen Fachwissens interdisziplinär und gezielt mit ihnen zusammenarbeiten, die in regionale Hilfesysteme und personenzentrierte Hilfe­ planungsprozesse eingebunden sind. Die psychiatrische und psychotherapeutische Regelversorgung in Deutschland (Krankenhäuser, Ambulanzen, niedergelassene Ärzte und Therapeuten) ist bis jetzt nicht in der Lage, diese Aufgaben zu übernehmen. Für eine wirkungsvolle fachliche Unterstützung sind in verschiedenen europäischen Ländern vor allem zwei Typen spezialisierter Dienste entstanden: §
Beratende Dienste, die die Betroffenen und ihr soziales Umfeld beraten und ggf. ergänzende Maßnahmen anstoßen (z.B. die Arbeit unabhängiger Consulententeams in den Niederlanden, vgl. Eekelaar 1999, Braun & Ströbele 2003). §
Stationäre therapeutische Wohngruppen, die Menschen mit SHV vorübergehend, d.h. zeitlich befristet, aufnehmen. Dadurch werden die Beteiligten – so die Hoffnung – zunächst entlastet. Das Aufatmen und Innehalten schaffen erst den Raum für eine verstehende Diagnostik. Therapeutisch­rehabilitative Maßnahmen können erprobt werden. Solche Angebote sind z.B. in Großbritannien untersucht worden (Allen & Felce 1999). In dieser Evaluationsstudie geht es um die Wirksamkeit zeitlich befristeter stationärer Therapeutischer Wohngruppen, die in dem auf 3 Jahre angelegten Modellversuch in Baden­Württemberg überprüft worden ist.
5 2 Ziele und Realisierung des Modellversuchs Therapeutische Wohngruppen in Baden­Württemberg 2.1 Vorgeschichte Die Betreuung und Förderung von geistig behinderten Menschen mit gravierendem heraus­ forderndem Verhalten (schwerwiegendes selbst­ oder fremdgefährdendem Verhalten) war auch Anfang der 90er Jahre Thema von Datenerhebungen und Diskussionen in Baden­Württemberg. Im Auftrag des Sozialministeriums des Landes Baden­Württemberg hat sich damals eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von Einrichtungen der Behindertenhilfe, Vertretern der damaligen Leistungsträger (Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg­Hohenzollern) und den Landes­ ärzten für Behinderte um eine Definition des angesprochenen Personenkreises, um eine Klärung und Beschreibung fachlicher Konzepte, notwendiger Rahmenbedingungen und um eine Einschätzung der Größe des angesprochenen Personenkreises bemüht. Der angesprochene Personenkreis umfasste „emotional und sozial stark retardierte und/oder psychisch gestörte Menschen, deren Verhaltensweisen gekennzeichnet sind durch manifeste Selbst­ gefährdung bis zur vitalen Gefährdung oder durch starke Fremdgefährdung oder durch massive Beeinträchtigung anderer Personen. Dabei wird durch mangelnde Selbststeuerung und stark eingeschränkte pädagogische und soziale Lenkbarkeit eine soziale Eingliederung der betroffenen Menschen (bzw. die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben) ohne zusätzlichen Betreuungsaufwand verhindert“ (Landesgesundheitsamt Baden­Württemberg 1993). Anerkannt wurde dabei, dass geistig behinderten Menschen mit gravierendem herausforderndem Verhalten auch in der Lebenswelt eines Wohnheimes eine bleibende Ausgrenzung aus der Gemeinschaft und Gesellschaft droht, weshalb es ein vorrangiges Ziel der Betreuung und Förderung sein müsse, eine eventuell schon erfolgte Ausgrenzung oder Ausgliederung wieder rückgängig zu machen oder eine drohende Ausgrenzung oder Ausgliederung zu verhindern. Dies könne in Form einer „Integrativen Einzelbetreuung/­förderung“ in der bisherigen (herkömmlichen) Wohngruppe oder zeitlich befristet in einer besonderen „Therapeutischen Wohngruppe“ geschehen. Als wesentliche Handlungskonzepte der intensiven Betreuung in einer Therapeutischen Wohn­ gruppe (TWG) erkannt wurden die „Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse dieser behinderten Menschen im Rahmen der Tagesstrukturierung, die fortlaufende Beaufsichtigung und die Möglichkeit zur Krisenintervention, eine inhaltlich strukturierte, zeitlich und räumlich festgelegte heilpädagogische Förderung und die Mitwirkung und Beteiligung der behinderten Menschen an der Gestaltung ihres Lebensfeldes“ (Landesgesundheitsamt Baden­Württemberg 1993). Der Personalbedarf einer als Kleingruppe organisierten TWG werde vor allem durch die Anwesenheit von zwei MitarbeiterInnen während der Anwesenheit der Bewohner in der Gruppe und durch die Notwendigkeit einer Nachtwache, die eventuell auch gruppenübergreifend eingesetzt werden kann, bestimmt. Zusätzlicher Personalbedarf sei gegeben durch die Inanspruchnahme von therapeutischen Fachdiensten. Als wesentliche bauliche und strukturelle Voraussetzungen wurden vor allem das Vorhandensein von problembezogen ausgestatteten Einzelzimmern, von zwei getrennten Tagesaufenthaltsräumen und Sanitärbereichen (für eine Kleingruppe von 5 Bewohnern) betrachtet. Die ärztliche und fachpsychiatrische Versorgung und Behandlung der betroffenen Menschen wurde von den beteiligten Einrichtungen in der Regel nicht als problematisch dargestellt. Vertreter von Einrichtungen für geistig behinderte Menschen in dieser Arbeitsgruppe schätzten den Anteil von geistig behinderten Menschen mit gravierendem herausforderndem Verhalten an der Gesamtheit der Heimbewohner mit drei bis fünf Prozent ein (Landesgesundheitsamt Baden­ Württemberg 1993). Es entstanden und bestanden zu der damaligen Zeit in verschiedenen Einrichtungen der Behindertenhilfe in Baden­Württemberg schon Sondergruppen mit bestimmten personellen und strukturellen Rahmenbedingungen für die Betreuung von geistig behinderten Menschen mit
6 schwerwiegendem herausforderndem Verhalten, in denen die Betreuung und Förderung dieser Menschen in der Regel auf unbestimmte Zeit erfolgte. Es war allerdings nicht bekannt, ob durch die besondere Betreuung in diesen Sondergruppen die obenstehend genannten und als notwendig bezeichneten rehabilitativen Ziele auch erreicht wurden bzw. erreicht werden können. Bemühungen zur Enthospitalisierung und zur rehabilitativen Förderung dieses Personenkreises entstanden in der zurückliegenden Zeit auch in anderen Ländern Europas, wie in Großbritannien und in den Niederlanden. In Großbritannien wurde die Enthospitalisierung und eine nachfolgende dezentralisierte, gemeindenahe Betreuung dieser Menschen angestrebt. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Betreuungskonzepte für Menschen mit herausforderndem Verhalten im Hinblick auf ihre Eigenschaften und Effekte beleuchtet. Dabei wurden vor allem sogenannte homogene Sondergruppen auf Dauer, wie sie zunächst auch hierzulande entstanden sind, wegen Isolations­ und Ausgrenzungseffekten problematisiert, hingegen zeitlich befristete „therapeutische Wohngruppen“ (residential treatment units) und ambulante Unterstützungsteams (peripatetic support teams) favorisiert (Bouras 1999). Vergleichbare Überlegungen führten zur Etablierung sogenannter Consulenten­Teams in den Niederlanden. Darunter zu verstehen sind ambulant operierende Experten­Teams zur individuellen Beratung und Unterstützung von Menschen mit herausforderndem Verhalten, die in üblichen Wohngruppen innerhalb von Einrichtungen der Behindertenhilfe leben. Verhandlungen über die Einführung besonderer Hilfeleistungen oder Leistungstypen für Menschen mit gravierendem herausforderndem Verfahren und deren Vergütung in Baden­Württemberg wurden Anfang dieses Jahrzehnts zwischen den Leistungserbringern (Einrichtungen der Behindertenhilfe) und den Leistungsträgern (den Landeswohlfahrtsverbänden Baden und Württemberg­Hohenzollern) intensiv geführt. Auf dem Boden dieser Verhandlungen entstand auf Seiten der Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg­Hohenzollern (als überörtliche Träger der Eingliederungshilfe) das Vorhaben, zunächst die Wirksamkeit zeitlich befristeter intensiver Betreuung in Therapeutischen Wohngruppen (TWG) mit rehabilitativer Zielsetzung als möglicher neuer Leistungstyp im Rahmen eines Modellversuchs zu erproben. Der Verbandsausschuss des LWV Württemberg­Hohenzollern hat am 19.06.2001 der Durchführung einer drei Jahre dauernden Erprobung sogenannter Therapeutischen Wohngruppen (TWG) unter bestimmten Rahmenbedingungen zugestimmt. 2.2 Ziele Ziel der Leistung in einer solchen TWG war es, geistig behinderten Menschen mit schwerwiegendem herausforderndem Verhalten zeitlich befristet einen angemessenen Lebensraum zu bieten und während dessen durch Förderung und therapeutische Interventionen die Verhaltensweisen der betroffenen Menschen so zu beeinflussen, dass eine Eingliederung in allgemeine Betreuungsformen (Re­Integration) wieder möglich wird (rehabilitative Zielsetzung). Möglichkeiten zur Wieder­ eingliederung in allgemeine Betreuungsformen mussten vorhanden sein. 2.3 Bedingungen für die Ausgestaltung der TWG Therapeutische Wohngruppen (TWG) wurden definiert als besondere Einheiten innerhalb einer Einrichtung mit multi­ bzw. interdisziplinärer Kompetenz der MitarbeiterInnen . Zudem musste psychologische bzw. psychiatrische Kompetenz ständig verfügbar sein. Der Betreuungszeitraum in einer TWG konnte bis zu drei Jahre betragen. Inhalt und Umfang der in einer TWG zu erbringenden Leistungen richteten sich nach den §§ 39, 40 BSHG (§§ 53, 54 SGB XII) unter Berücksichtigung des Nachrangs der Sozialhilfe, insbesondere bezüglich der Leistungen nach SGB V und SGB XI, dem im Einzelfall zu erstellenden Gesamtplan nach § 46 BSHG (§ 58 SGB XII) sowie nach dem jeweiligen individuellen Bedarf des/der Hilfeempfängers/in.
7 Die Leistung umfasste Wohnen einschließlich tagesstrukturierender Angebote, wobei die einrichtungsbezogen üblichen tagesstrukturierenden Angebote genutzt werden sollten. Dies beinhaltete die Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung, die Maßnahmen zur Beratung, Betreuung, Förderung und Pflege sowie die Bereitstellung der betriebsnotwendigen Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung. Für den Funktionsbereich Betreuung / Förderung / Fachdienst wurde ein Personalschlüssel von 1 : 0,71 vereinbart. Zusätzliche Vereinbarungen betrafen den personellen Bedarf in den Bereichen Leitung / Verwaltung sowie Hauswirtschaft. In allen Funktionsbereichen sollte eine hohe Fachkraftquote vorgehalten werden. Regelmäßige Fortbildung und Supervision der Fachkräfte waren sicherzustellen. In der Einrichtung mussten für den angesprochenen Personenkreis geeignete räumliche Bedingungen vorhanden sein. Räumliche bzw. bauliche Voraussetzungen waren Einzelzimmer, Gruppenräume und zusätzliche Räume für therapeutische Belange, Arbeits­ und Beschäftigungsräume sowie eine abgeschlossene Außenanlage. Des weiteren je Gruppe ein Schmierzimmer und ein Schutzraum. Die Voraussetzungen für geschlossene Unterbringung mussten erfüllt sein. Mit den teilnehmenden Einrichtungen wurden eine bestimmte Platzzahl und eine besondere Vergütungspauschale vereinbart. Diese Vergütungspauschale lag jeweils oberhalb der jeweiligen Vergütungspauschale der Hilfebedarfsgruppe 5 (HMB­W­Verfahren) im Bereich Wohnen und der Vergütungspauschale für Tagesstrukturierende Maßnahmen. Auf der Grundlage eines individuellen Hilfeplans erfolgte die Leistungsgewährung mit der Maßgabe, die zwischen Leistungsträger (Träger der Eingliederungshilfe) und Leistungserbringer (Einrichtung) vereinbarten Ziele umzusetzen und zu erreichen. Die teilnehmenden Einrichtungen waren dafür verantwortlich, dass Maßnahmen zur internen Sicherung der Struktur­, Prozess­ und Ergebnisqualität durchgeführt wurden. Die teilnehmenden Einrichtungen verpflichteten sich, am Begleitprojekt zur Auswertung der Erfahrungen der modellhaften Erprobung (Evaluation) teilzunehmen, dieses zu unterstützen und die erforderlichen Angaben zur Verfügung zu stellen. Maßgeblich hierfür war das Evaluationskonzept des Medizinisch­pädagogischen Dienstes der Landeswohlfahrtsverbände, das Bestandteil der jeweiligen Vereinbarungen war. 2.4 Auswahl der Leistungserbringer (Einrichtungen) Auf Empfehlung des Verbandsausschusses des Landeswohlfahrtsverbands (LWV) Württemberg­ Hohenzollern wurde die Zahl der teilnehmenden Einrichtungen und die Platzzahl in den Therapeutischen Wohngruppen begrenzt. Vereinbarungen über die auf drei Jahre befristete modell­ hafte Erprobung Therapeutischer Wohngruppen als möglicher neuer Leistungstyp wurden getroffen mit vier Einrichtungen mit einer Platzzahl von insgesamt 96 im Verbandsgebiet des LWV Baden und mit sechs Einrichtungen mit einer Platzzahl von insgesamt 145 Plätzen im Verbandsgebiet des LWV Württemberg­Hohenzollern. Bei der Wahl der teilnehmenden Einrichtungen waren von Bedeutung: Das Vorhandensein von Erfahrung in der Betreuung des angesprochenen Personenkreises, das Vorhandensein geeigneter struktureller Rahmenbedingungen oder die Möglichkeit solche kurzfristig herzustellen, sowie das Interesse und die Bereitschaft an diesem Modellversuch teilzunehmen. 2.5 Konzeptionelle Ausgestaltung in den teilnehmenden Einrichtungen Die 10 teilnehmenden Einrichtungen haben anlässlich eines Fachgesprächs nach Ablauf des ersten Projektjahres ihre jeweiligen Betreuungskonzepte beschrieben (s. Medizinisch­pädagogischer Dienst der Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg­Hohenzollern 2004). Von einem Teil der Einrichtungen wurden diesbezüglich lediglich strukturelle und organisatorische Faktoren angesprochen, wie sie schon in der mit den Leistungsträgern getroffenen Vereinbarungen vorgegeben waren. Andererseits wurde von mehreren teilnehmenden Einrichtungen auf die Notwendigkeit problem­ bezogen differenzierter Ansätze in der Betreuung von Menschen mit schwerwiegendem
8 herausforderndem Verhalten hingewiesen. In diesem Zusammenhang müssen neben therapeutischen Ansätzen auch akzeptierend­entlastende Ansätze berücksichtigt werden. Als notwendige Grundlage für die Analyse von individuellem herausforderndem Verhalten und für die Erarbeitung eines individuellen Förder­ und Betreuungskonzepts wurde eine systemische Betrachtungsweise als notwendig betrachtet. Im Hinblick auf prozessuale Aspekte wurde beschrieben, dass auf der Grundlage einer inter­ disziplinären Diagnostik jeweils ein individuelles Betreuungs­ und Handlungskonzept entwickelt und während seiner Anwendung ständig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden müsse. Die im Hinblick auf die Zielsetzung der Therapeutischen Wohngruppe wichtige Übergangsphase in eine nachfolgende Wohngruppe wurde bei der Beschreibung der einrichtungsbezogenen Konzepte nur selten berücksichtigt. 2.6 Auswahl der teilnehmenden behinderten Menschen Die Leistungserbringer (Einrichtungen) schlugen Personen vor, die aus ihrer Sicht für eine Aufnahme in die Therapeutische Wohngruppe in Frage kommen. Die Einrichtungen legten dabei insbesondere dar, welche Sachverhalte aus ihrer Sicht für eine Eignung für das Leistungsangebot Therapeutische Wohngruppe sprechen und welche voraussichtliche Dauer dieser Maßnahme vorgesehen werden sollte. Die Prüfung der persönlichen Zugangsvoraussetzungen und die Entscheidung über die Teilnahme an der modellhaften Erprobung erfolgte vor der Aufnahme in das modellhafte Leistungsangebot durch den Leistungsträger (Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg­Hohenzollern) unter Einbeziehung des Medizinisch­pädagogischen Dienstes.
9 3 Zielsetzung der Evaluation und methodisches Vorgehen Ziel des Modellversuchs ist es, Menschen mit SHV wieder in „allgemeine Betreuungsformen“ einzugliedern und ihnen dadurch die Chance zu geben, stärker am Leben in der Gesellschaft zu partizipieren. Im Rahmen Therapeutischer Wohngruppen (TWG) soll die Reintegration durch die Wiederaktivierung bzw. Erweiterung der Kompetenzen von Menschen mit SHV, durch die Lösung und Veränderung festgefahrener, sozial störender Verhaltensweisen und durch die Ausgestaltung einer zukünftigen Wohnumgebung (integrationsförderliches Wohnmilieu) erreicht werden. Die erste TWG nahm im Oktober 2001, die letzt im Juli 2002 ihre Arbeit auf. Die im Rahmen des Modellversuchs durchgeführte Evaluation sollte klären, ob und unter welchen Bedingungen das Ziel der Re­Integration im Rahmen einer intensivierten Betreuung und Förderung in einer Therapeutischen Wohngruppe erreicht werden kann. Von besonderem Interesse dabei ist die Frage inwieweit eine Zielerreichung von individuellen Eigenschaften der betroffenen Menschen und/oder von konzeptionellen und methodischen Unterschieden zwischen den teilnehmenden Einrichtungen beeinflusst wird. Die Evaluation des Modellversuchs stützt sich einerseits auf Daten, die von den teilnehmenden Einrichtungen über die teilnehmenden Personen auf strukturierten Dokumentationsbogen festgehalten und an den Medizinisch­pädagogischen Dienst übermittelt wurden und andererseits auf zusätzlichen Angaben der Einrichtungen zu bestimmten Aspekten des Modellversuchs, die in freier Form dargestellt wurden. Mit der wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuchs wurde der Medizinisch­pädagogische Dienst der Landeswohlfahrtsverbände betraut. Im Oktober 2002 übernahmen Prof. Dr. Friedrich Dieckmann (KFH Nordrhein­Westfalen, Abt. Münster) und Christos Giovis (human transitions) den Auftrag, den Medizinisch­pädagogischen Dienst bei der Durchführung und Auswertung der empirischen Evaluation zu unterstützen. Die wissenschaftliche Begleitung soll gemäß Beschluss der Landeswohlfahrtsverbände Empfehlungen für die flächendeckende Weiterentwicklung von Unterstützungsangeboten für Menschen mit geistiger Behinderung und SHV geben. Dabei soll ausdrücklich auch der Personenkreis berücksichtigt werden, der aufgrund vermeintlich geringerer Erfolgserwartungen nicht in den Modellversuch einbezogen wurde. Menschen mit SHV sollen bedarfsgerecht im Einzelfall unterstützt werden, d.h. gezielt, qualifiziert und in ausreichendem Umfang. Im Rahmen des Modellversuchs soll empirisch untersucht werden, welche Auswirkungen die Lebensbedingungen in TWG auf Menschen mit SHV haben. Kann überhaupt mit dem Ansatz einer zeitlich begrenzten TWG ein Übergang in allgemeine Betreuungsformen ermöglicht werden? Und falls ja, schälen sich Faktoren heraus, die den Reintegrationserfolg gut prognostizieren? 3.1 Fragestellungen für die Evaluation Die Evaluation berührt 4 Themenbereiche, in denen jeweils verschiedene Fragestellungen die Untersuchung leiten: §
Teilnehmender Personenkreis §
Hilfeplanung, Maßnahmen und Passung in ein regionales Hilfesystem §
Auswirkungen TWG auf Menschen mit SHV §
Prognosefaktoren für die Reintegration von Menschen mit SHV 3.1.1 Teilnehmender Personenkreis Welche Merkmale zeichnen die Teilnehmer im Modellversuch aus? Welchen Teil der Zielgruppe „Menschen mit geistiger Behinderung und SHV“ erreicht der Modellversuch?
10 Neben dem Alter und Geschlecht, der Art und dem Schweregrad der Behinderung, dem individuellen Hilfebedarf und evt. psychischen Störungen werden Ressourcen und Kompetenzen (z.B. soziale Beziehungen, kommunikative Fähigkeiten) und Angaben zur bisherigen Wohnbiographie erhoben. Herausfordernde Verhaltensweisen werden nach ihrer Erscheinungsform, Intensität, Häufigkeit und Situationsabhängigkeit kategorisiert und eingestuft. 3.1.2 Hilfeplanung und Maßnahmen Welche Konzeption, welches Programm, welches Arbeitsmodell liegt den jeweiligen TWG zugrunde? Die Träger waren gebeten worden, ihre Leitlinien und Betriebskonzeption für die Arbeit in TWG darzustellen. Diese Darstellungen liegen als Tagungsbericht vor (Medizinisch­pädagogischer Dienst der Landeswohlfahrtsverbände Württemberg­Hohenzollern und Baden 2004). Wie sind die TWG in regionale Hilfesysteme eingebunden? Bewertet wird die Passung TWG in regionale Hilfesysteme. Welche Merkmale TWG fördern, welche behindern die Inklusion oder Integration von Menschen mit HV in das Gemeinwesen? Die Ergebnisse des Modellversuchs werden in die internationale Fachdiskussion um Unterstützungsalternativen eingeordnet. Auch die Erfahrungen der Träger TWG im Modellversuch werden in diese Auswertung einfließen. Wie wird der Prozess der Hilfeplanung gestaltet und gesteuert? Wer wird in die Hilfeplanung einbezogen? Inwieweit sind die Teilnehmer selbst an der Hilfeplanung beteiligt und werden ihre Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigt? Welche sozial­räumlichen Bedingungen finden sich in TWG? Hier geht es um die Qualifikation und Besetzung des Wohndienstes und die Verzahnung mit dem Fachdienst, die Anzahl der Mitbewohner und die sozial­räumlichen Wohnverhältnisse. Welche Maßnahmen und Interventionen werden eingesetzt, um die rehabilitativen Zielsetzungen zu erreichen? Neben der Teilnahme an Angeboten innerhalb und außerhalb der TWG (Arbeit, Beschäftigung, Freizeit) werden pädagogisch­psychologische, pharmakotherapeutische und schützende, gegebe­ nenfalls auch freiheitsentziehende Maßnahmen dokumentiert. Die Konzeptionen der Anbieter sind dem oben erwähnten Tagungsbericht zu entnehmen und werden hier nicht wiederholt. Die Angaben der TWG bezüglich der Hilfeplanung und Maßnahen werden in einer Zusammenschau beschrieben. Eine zwischen den Einrichtungen differenzierende Analyse ist aufgrund der Datenlage nicht möglich. 3.1.3 Auswirkungen TWG auf Menschen mit SHV Der Erfolg TWG wird auf 4 verschiedenen Dimensionen bewertet: Die Teilhabe am Leben der Gesellschaft wird in den Bereichen Wohnen, Arbeit und Beschäftigung sowie soziale Beziehungen erfasst. Es geht um die Reintegration in allgemeine Wohnformen und Wohndienste, die Teilhabe an üblichen Arbeits­ & Beschäftigungsangeboten und Veränderungen in den sozialen Netzwerken der Bewohner. Oberstes Ziel der TWG ist die Reintegration von Menschen mit SHV in allgemeine nicht­ausgrenzende Wohnformen. Die zunehmende Entstehung von gesonderten, homogen zusammengesetzten Dauerwohngruppen in Komplexeinrichtungen soll gestoppt werden. Herausforderndes Verhalten: Wie wirkt sich die TWG auf das Vorhandensein, die Häufigkeit und Intensität herausfordernder Verhaltensweisen aus? Inwieweit haben sich Verhaltensprobleme verändert, inwieweit wurden die verhaltensbezogenen Ziele der Teilnehmer erreicht?
11 In welchem Umfang verändern sich die Medikation, die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen und die Überweisungspraxis in psychiatrische Krankenhäuser? Kompetenzen: Lassen sich infolge der Arbeit TWG in ausgewählten Bereichen Kompetenzzuwächse beobachten (z.B. in der Kommunikation)? Einschätzung der Lebenssituation / Lebenszufriedenheit: Wie wird die Lebenssituation von den Teilnehmern selbst, wie von ihren Bezugspersonen eingeschätzt und bewertet? Leider wurden im Modellversuch keine Einschätzungen der Teilnehmer und ihrer Angehörigen erhoben. In der Auswertung kann nur auf die Einschätzung des Wohlbefindens und der Lebenslage durch die Bezugsbetreuer zurückgegriffen werden. Die jeweiligen Daten werden zunächst auf der Ebene der Gesamtstichprobe analysiert (alle Teilnehmer und alle Einrichtungen). Für einzelne Indikatoren werden die Auswirkungen nach Einrichtungen oder Teilstichproben der Teilnehmer ausgewertet. 3.1.4 Prognosefaktoren für die Reintegration von Menschen mit SHV Lassen sich Teilnehmer­ oder Programmmerkmale identifizieren, die eine verlässliche Prognose über den Erfolg TWG erlauben? In der Praxis kursieren eine Reihe von Annahmen darüber, welche Personen im Hinblick auf eine Reintegration mehr und welche weniger profitieren. Solche Alltagstheorien über den Einfluss indi­ vidueller Merkmale, wie z.B. den Grad der geistigen Behinderung, die sprachliche Kompetenz, bestimmte herausfordernde Verhaltensweisen sollen anhand der vergleichsweise großen Stichprobe überprüft werden. Des weiteren soll untersucht werden, ob bestimmte Programmmerkmale sich als erfolgsversprechend erweisen. Welche Arten herausfordernder Verhaltensweisen lassen sich leichter, welche schwerer verändern im Rahmen TWG? Gibt es herausfordernde Verhaltensweisen, die sich leicht beeinflussen lassen, und andere, die sehr veränderungsresistent sind im Kontext TWG? 3.2 Untersuchungsplan Die Messung von Veränderungen auf Dimensionen macht Datenerhebungen zu verschiedenen Zeitpunkten erforderlich. Zu 5 Messzeitpunkten vor und während des Aufenthalts einer Person in einer TWG wurden die Mitarbeiter in TWG und die Leitungen der Trägereinrichtungen in schriftlicher Form zu den Teilnehmern und dem Programm befragt (s. Tab. 3/1). Im Rahmen einer Längsschnitt­ untersuchung war ursprünglich geplant, Teilnehmerdaten zu 7 Messzeitpunkten vor während und nach dem Aufenthalt in einer TWG zu erheben. Die Nachher­Messungen zum Zeitpunkt 6 und 7 (Katamnese) ließen sich jedoch nicht realisieren, so dass keine Aussagen über die zeitliche Stabilität der Effekte TWG gemacht werden können.
12 Zeitpunkte der Erhebung Erhebungsinstrumente Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 vor Aufnahme in TWG 6­12 Wochen nach Aufnahme in TWG 1 Jahr nach Aufnahme in TWG 2 Jahre nach Aufnahme in TWG bei Auszug bzw. 3 Jahre nach Aufnahme MA des bisherigen Wohndienstes MA der TWG MA der TWG MA der TWG MA der TWG Leitung des Trägers Dokumentationsbogen zur Lebenssituation x x x x x Erfassung herausfordernden Verhaltens x x x x x HMB­W x x Reintegrationsprognose x Befragung der Träger (zu Konzeption und Erfahrungen) x Tab. 3/1: Zeitpunkte, Befragte und Instrumente der Datenerhebung Da sich die Arbeitskonzeptionen der TWG stark voneinander unterscheiden, soll der Schwerpunkt auch auf einer nach Trägern differenzierten Auswertung liegen, um zielführende Elemente TWG zu identifizieren. Die Unterschiedlichkeit der Arbeitskonzeptionen sprach auch dagegen, zum jetzigen Zeitpunkt der Entwicklung TWG ein Quasi­Experiment durchzuführen und eine Experimentalgruppe bestehend aus den Teilnehmern mit einer Kontrollgruppe zu vergleichen (Personen, die bei ver­ gleichbarer Problematik nicht an TWG teilnehmen). In dieser Evaluation geht es primär um die Ziel­ erreichung, nicht um den strengen Nachweis von Ursache­Wirkungsbeziehungen. Die standardisierten Erhebungsinstrumente, die auch schon Raum für offene Antworten und Erläuterungen ließen, wurden ergänzt durch eine offene schriftliche Befragung, in der die Träger TWG nach einer Laufzeit von 2 Jahren ihre Erfahrungen, Bewertungen und Empfehlungen ausführen sollten (s. Abschn. 3.3). Bedauerlicherweise liegen keine Aussagen und Einschätzungen von den Teilnehmern selbst und von ihren Angehörigen oder Bezugspersonen aus anderen Lebensbereichen vor. Ein multiperspektivischer Untersuchungsansatz konnte nicht realisiert werden. Zwingende Voraussetzung für die Teilnahme an dem Modellversuch war es, dass die Betroffenen, ihre gesetzlichen Vertreter oder rechtlichen Betreuer sich mit der Erhebung und Weitergabe der Daten an den MPD der Landeswohlfahrtsverbände einverstanden erklärten. 3.3 Erhebung und Auswertung der Daten 3.3.1 Dokumentationsbogen „ Lebenssituation & herausforderndes Verhalten“ Zum Messzeitpunkt 1 füllten Mitarbeiter des abgebenden Wohndienstes, zu den Zeitpunkten 2 bis 5 die Mitarbeiter der TWG für jeden Teilnehmer des Modellversuchs einen Dokumentationsbogen mit geschlossenen und offenen Fragen aus. Zu jedem Messzeitpunkt wurden Angaben zur Wohn­ und Mitarbeitersituation, zur Tagesstruktur, zu den sozialen Beziehungen und Kompetenzen der Teilnehmer, zu Verhaltensproblemen, bewohner­ bezogenen Zielsetzungen und Maßnahmen erfasst. Darüber hinaus wurden zu Zeitpunkt 1 die Wohnbiographie und die Art der Behinderung und evt. psychischer Störungen der Teilnehmer behandelt. Ab Zeitpunkt 2 – kurz nach dem Einzug in eine TWG – waren die Zielsetzungen in Hinblick auf die zukünftige Wohnform und die geplanten Maßnahmen zu dokumentieren. Der Dokumentationsbogen für den Zeitpunkt 2 enthält Fragen zu den derzeitigen Umgebungsbedingungen in der TWG, zu Kompetenzen der Teilnehmer, zur Art und
13 Ausprägung ihres herausfordernden Verhaltens, zu den teilnehmerbezogenen Zielsetzungen und zu den geplanten bzw. eingeleiteten Maßnahmen. Ab dem Messzeitpunkt 3 (nach 1 Jahr Aufenthalt in der TWG) hatten die Mitarbeiter die bisherige Entwicklung, die Veränderung der Lebenssituation und der Verhaltensprobleme der Teilnehmer zusätzlich einzuschätzen. Geschlossenen Fragen wurden deskriptiv­statistisch, Antworten auf offene Fragen selektiv im Hinblick auf die konkrete Untersuchungsfragestellung ausgewertet. 3.3.2 Standardisierte Erfassung des herausfordernden Verhaltens Zu jedem Messzeitpunkt wurden die Art, die Häufigkeit und die Intensität des herausfordernden Verhaltens mit einem standardisierten Bogen erfasst. Der Bogen lehnt sich an ein von Kühn, Metzler & Rauscher (2002) von der Universität Tübingen entwickeltes Erhebungsinstrument an, das in einer thematisch ähnlich gelagerten Studie im Freistaat Sachsen angewandt worden wurde. Es umfasst: (1) ein Verhaltensinventar mit 75 Verhaltenskategorien Unterschieden wird zwischen Auffälligkeiten mit selbstgefährdendem Charakter (27 Kategorien), Beeinträchtigungen anderer Personen (21), Gefährdungen der Sicherheit anderer Personen (18), Aggressionen gegenüber Sachobjekten (3), Beeinträchtigungen im Leistungsbereich (6). (2) Einschätzungsskalen für besonderschwerwiegende herausfordernde Verhaltensweisen Die Mitarbeiter treffen eine Auswahl von herausfordernden Verhaltensweisen, die ihrer Ansicht nach bei der Person im Vordergrund stehen, z.B. weil sie akuten Betreuungsbedarf verursachen oder mit einem hohen Gefährdungspotential verbunden sind. Sie schätzen das Gefährdungspotential (die „Intensität“), die Häufigkeit und die sozial­räumliche Bedingtheit jeder Verhaltensweise ein. Die Daten ermöglichen es, einen Überblick zu gewinnen über das Vorkommen verschiedener herausfordernder Verhaltensweisen und die Veränderung ihrer Häufigkeit, Intensität und sozial­ räumlichen Bedingtheit im Laufe des Modellversuchs. 3.3.3 HMB­W Der Hilfebedarf der Teilnehmer wurde zu den Messzeitpunkten 1, 3 und 5 mit dem Bogen zum Hilfebedarf von Menschen mit Behinderung im Wohnen erhoben (HMB­W, Version des Landeswohlfahrtverbandes Württemberg­Hohenzollern). Der HMB­W, der von Frau Dr. Metzler von der Forschungsstelle „Lebenswelten behinderter Menschen“ an der Universität Tübingen entwickelt wurde, ist das zur Zeit am weitesten verbreitete Instrument zur Erfassung des individuellen Hilfebedarfs im Bereich Wohnen. Leistungserbringer wie Leistungsträger sind mit ihm vertraut. Ausgewertet wurden die HMB­W Daten zu den Messzeitpunkten 1 und 5. Für verallgemeinerbare Aussagen im Hinblick auf die Gesamtstichprobe war der Rücklauf von Zeitpunkt 3­Bögen zu gering. 3.3.4 Reintegrationsprognose Im September 2004 wurden die Leitungen der TWG gebeten, für jeden verbliebenen Teilnehmer im Modellversuch die Möglichkeit und Zeitdauer bis zur Reintegration in nicht­ausgrenzende Wohn­ formen vorauszuschätzen. Zu diesem Zeitpunkt wohnten die Teilnehmer (mit Ausnahme von Nachrückern) mindestens 2 Jahre in TWG. Auf einer dreistufigen Skala sollte die Wahrscheinlichkeit einer Reintegration in (allgemeinere) „normale“ Wohngruppen angegeben werden: 1. voraussichtliche Reintegration (grün) 2. Reintegration eventuell langfristig möglich (gelb) 3. voraussichtlich keine Reintegration möglich (rot) Diese Einstufungen, für die sich intern der Name „Ampelprognose“ durchgesetzt hat, dienen als zusätzlicher Indikator für die Reintegrationsaussichten der Teilnehmer.
14 3.3.5 Befragung der Träger Im Verlauf des zweiten Projektjahres wurden mit allen teilnehmenden Einrichtungen Gespräche über den bisherigen Verlauf und die inzwischen gemachten Erfahrungen geführt. Nachfolgend wurden die Einrichtungen gebeten, zusätzlich zu den zwischenzeitlich übermittelten individuellen Daten, zu verschiedenen Aspekten des Modellversuchs zu berichten. Diese Berichte erfolgten im Sommer 2004 nach Ablauf des zweiten Projektjahres. Diese Fragen bezogen sich auf: §
strukturelle, personelle und methodische Rahmenbedingungen in TWG, §
die Art und den Umfang der psychiatrischen Behandlung / Begleitung, §
die Arbeitsorganisation TWG, §
die Bewertung der erreichten Ergebnisse, §
Möglichkeiten der Re­Integration in andere Wohngruppen, §
Bedingungen und Barrieren für eine erfolgreiche Reintegration §
die Ausgestaltung einer regionalen Versorgung und generelle Empfehlungen für ein zukünftiges Hilfeangebot. Alle 9 Träger TWG, die sich bis zum Ende am Modellversuch beteiligt haben, haben die abschließende Befragung schriftlich beantwortet. Die Aussagen der Träger wurden mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Die Ergebnisse finden sich jeweils inhaltlich zugeordnet in den Kapiteln 5, 7 und 8. 3.4 Grundgesamtheiten und Rücklauf Gemäß der uns vorliegenden Daten nahmen 290 Personen am Modellversuch teil. Darin enthalten sind 35 Personen, die erst Mitte 2004 bis Anfang 2005 als Neuzugänge bzw. Nachfolger für frei gewordene Plätze hinzukamen. Für letzteren Personenkreis liegen größtenteils nur die Eingangs­ fragebögen (Zeitpunkt 1) vor. Sie werden bei der Auswertung nicht berücksichtigt. Der verfügbare Zeitraum ist für die Interpretation ihrer Entwicklung zu kurz. Es verbleiben die Datensätze von 255 Personen. Die Einrichtung 06 (G) hat den Modellversuch vorzeitig verlassen, hier liegen uns nur Daten bis Zeitpunkt 4 vor. Zählt man die 17 Personen dieser Einrichtung dazu, dann haben wir einen Rücklauf von 212 Personen (83%) bezogen auf die Grundgesamtheit für den Zeitpunkt 4 (Datenerhebung, die zwei Jahre nach Einzug in die therapeutische Wohngruppe (TWG) erfolgt ist). Für den letzten Zeitpunkt 5 liegen von 196 Personen (77%) Erfassungsbögen vor. Die Fragebögen zum Zeitpunkt 5 mussten bei Verlassen der therapeutischen Wohngruppe ausgefüllt werden, wurden aber spätestens mit Ende des Modellversuchs (nach drei Jahre TWG) abgegeben. Aufgrund von zusätzlichen Lücken in spezifischen Variablen kann die Anzahl der Personen in den folgenden Kapiteln von den hier genannten Stichprobengrößen abweichen. Zeitpunkte der Erhebung Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Erhebungsinstrumente Dokumentationsbogen zur Lebenssituation 255 248 240 212 196 Erfassung herausfordernden Verhaltens 237 242 229 212 193 HMB­W 243 – – – 95 Reintegrationsprognose Tab. 3/2: 222 Stichprobengrößen und Rücklauf zu verschiedenen Zeitpunkten
15 3.5 Güte der Daten Viele der erhobenen Sachverhalte sind leicht zu beobachten oder objektivierbar (z.B. Angaben zur Wohnbiographie, zur räumlichen Umgebung und Besetzung mit Mitarbeitern, zur Reintegration nach Auszug aus der Wohngruppe, zum Auftreten von Verhaltensweisen und zu bestehenden sozialen Beziehungen, zur Tagesstruktur, Medikation usw.). Die Bögen wurden auf der Basis regelmäßiger Fallgespräche des Mitarbeiterteams TWG ausgefüllt. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Befragten über eine ausreichende und repräsentative Anzahl an Beobachtungen aus dem Wohnalltag verfügten. Häufig wurden die Bögen auch für das Assessment und die interne Dokumentation verwandt. Die Frage der Zuverlässigkeit stellt sich vor allem für Daten, die auf der Einschätzung oder Einstufung von Sachverhalten beruhen. Erstens können Messfehler aus der Verwendung von Erhebungsinstrumenten resultieren, deren Reliabilität und Validität empirisch nicht geprüft wurde – trotz ihres verbreiteten Gebrauchs. Es mag sein, dass z.B. das Gefährdungspotential von HV – trotz gleicher sprachlichen Verankerung der Kate­ gorien – in verschiedenen TWG aufgrund differenter Vergleichniveaus unterschiedlich eingestuft wird. Begrifflichkeiten oder Kategoriengrenzen können verschieden aufgefasst wurden. Zukünftige Forschungsvorhaben sollten vermehrt messtheoretisch abgesicherte Verfahren einsetzen, wie sie – leider häufig noch nicht übersetzt – aus dem angloamerikanischen Raum vorliegen. Neu konstruierte Instrumente müssen sich einem ausführlichen Pretest unterziehen. Beobachter­ bzw. Ratertrainings sollten durchgeführt werden. In Bezug auf die vorliegenden Daten ist zu vermuten, dass die regelmä­ ßigen Treffen der verantwortlichen Mitarbeiter aller TWG und gegenseitige Besuche zu Angleichungen der Einschätzungsniveaus geführt haben. Weil vor allem die intraindividuellen Veränderungen ausge­ wertet wurden, spielen mögliche interindividuelle Niveauverzerrungen nur eine geringe Rolle. Zweitens ist zu fragen, inwieweit Interessen der Mitarbeiter TWG die Einschätzungen von bewohner­ bezogenen Sachverhalten systematisch verzerrt haben. Die Mitarbeiter könnten die Erfolge positiver dargestellt haben, als sie faktisch sind, weil sie sich ihrem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet fühlen, weil sie ihre eigenen Anstrengungen entlohnt sehen wollen, weil sie vielleicht um ihren Arbeitsplatz fürchten, sollte der Modellversuch scheitern. Andererseits könnte es auch sein, dass Einschätzungen negativer ausfallen, um nicht erreichte Zielsetzungen zu rechtfertigen oder um die Schwere der eigenen Arbeit herauszustellen. Tatsächlich ist festzustellen, dass die globalen Einschätzungen der Veränderung der Lebenssituation bzw. der Verhaltensprobleme positiver ausfallen als objektivierbare oder konkrete, beobachtbare Indikatoren (z.B. Veränderungen der Häufigkeit und des Gefährdungs­ potentials von HV, der Tagesstruktur, kommunikativer Kompetenzen). Dabei ist natürlich auch zu berücksichtigen, dass sich im Laufe der Zusammenarbeit Mitarbeiter und Bewohner der TWG besser verstehen und die Mitarbeiter lernen, mit HV umzugehen. Zum Einsatz von Mitarbeitern der TWG als Erzeuger von Daten gibt es keine Alternative, da sie nicht nur über einen ökologisch repräsentativen und validen Einblick in den Wohnalltag verfügen (das könnten auch Videoaufzeichnungen leisten), sondern das Handeln der Bewohner zu deuten wissen. Für eine Triangulierung und Kreuzvalidierung wäre es sinnvoll, die Mitarbeiterperspektive durch Aussagen und Einschätzungen der Teilnehmer und ihrer Bezugspersonen in anderen Lebens­ bereichen zu ergänzen.
16 4 Teilnehmer am Modellversuch 4.1 Geschlecht der Teilnehmer 62% der untersuchten Teilnehmer sind Männer, 38% sind Frauen. Die folgende Tabelle gibt die genaue Geschlechterverteilung in allen Einrichtungen wieder. Geschlecht der Teilnehmer Männer Frauen Gesamt Einrichtung 01 (A) 21 10 31 Einrichtung 02 (E) 9 3 12 Einrichtung 03 (B) 9 4 13 Einrichtung 04 (H) 30 19 49 Einrichtung 05 (F) 18 6 24 Einrichtung 06 (G) 11 7 18 Einrichtung 07 (D) 24 22 46 Einrichtung 08 (C) 17 10 27 Einrichtung 09 (K) 14 9 23 Einrichtung 10 (L) 6 6 12 Gesamt: 159 (62%) 96 (38%) 255 (100%) 4.2 Alter der Teilnehmer Zum Zeitpunkt der letzten Datenerhebung (September 2005) variiert das Alter zwischen 21 und 71 Jahren. Die Teilnehmer sind im Durchschnitt 39 Jahre alt (Mittelwert). Der Median liegt bei 40 Jahren. Die 36­ bis 45­Jährigen bilden die größte Altersgruppe (37%), gefolgt von den 26­ bis 35­Jährigen (24%) und den 46­ bis 55­Jährigen (22%). Alle Teilnehmer sind mindestens 18 Jahre alt. Nur 12 Personen (5%) sind älter als 55 Jahre. Altersverteilung (255 Personen) 37,3% Anteil der Personen
40% 95 30% 24,3% 22,0% 62 20% 56 11,8% 10% 4,7% 30 0,0% 12 0% < 18 18 ­ 25 26 ­ 35 36 ­ 45 46 ­ 55 > 55 Alter in Jahren 17 Alter [in Jahren] Median Mittelwert Standardabw. Einrichtung 01 (A) 40 39,3 7,0 Einrichtung 02 (E) 37,5 38,0 4,1 Einrichtung 03 (B) 44 43,8 8,7 Einrichtung 04 (H) 35 34,9 9,2 Einrichtung 05 (F) 45 43,5 6,7 Einrichtung 06 (G) 45,5 45,5 6,4 Einrichtung 07 (D) 41 39,3 11,4 Einrichtung 08 (C) 35 38,0 11,8 Einrichtung 09 (K) 36 35,5 11,5 Einrichtung 10 (L) 46,5 44,9 11,6 40 39,2 10,1 Gesamt: 4.3 Alter bei Ersteinzug in eine stationäre Wohneinrichtung In der Befragung wurde erfasst, wann eine Person erstmalig in eine Wohneinrichtung aufgenommen wurde. Dies muss nicht zwangsläufig die Einrichtung sein, in der die Person zurzeit wohnt. 75% der Teilnehmer sind vor dem 21. Lebensjahr in eine stationäre Einrichtung gezogen; nur 7% waren älter als 30 Jahre. Die Teilnehmer sind überwiegend in ihrer Schulzeit vom Elternhaus in ein Heim umgezogen – in den meisten Fällen die jetzige Wohneinrichtung. Alter bei Ersteinzug in eine Wohneinrichtung (255 Personen) 30% 24,7% Anteil der Personen
25% 20% 17,6% 15% 45 63 16,9% 16,1% 43 41 9,8% 10% 25 5% 4,7% 12 0% <= 5 6­10 3,1% 3,1% 8 8 11­15 16­20 21­25 26­30 31­35 36­40 1,2% 3 > 40 2,7% 7 k.A. Alter in Jahren 18 Alter bei Ersteinzug in eine Wohneinrichtung [in Jahren] Median Mittelwert Standardabw. Einrichtung 01 (A) 6 8,8 6,2 Einrichtung 02 (E) 9 8,2 4,8 Einrichtung 03 (B) 7 10,5 8,7 Einrichtung 04 (H) 12 12,5 7,8 Einrichtung 05 (F) 15 14,5 10,7 Einrichtung 06 (G) 19,5 20,0 9,3 Einrichtung 07 (D) 16 17,3 10,2 Einrichtung 08(C) 11 12,5 7,2 Einrichtung 09 (K) 10,5 14,9 11,1 Einrichtung 10 (L) 23 27,9 10,1 Gesamt: 13 14,2 9,9 Nur die Bewohner der TWG aus den Einrichtungen G und L sind überwiegend als junge Erwachsene in ein Heim gezogen. Diese beiden Einrichtungen sind die einzigen im Modellversuch, die keine stationären Wohnplätze für Kinder und Jugendliche anbieten. Der hohe Anteil an Teilnehmern, die bereits als Kinder oder Jugendliche, in ein Heim eingezogen sind, hängt auch damit zusammen, dass 8 von 10 Trägereinrichtungen über Wohnbereiche für Kinder und Jugendliche verfügen. Ob die frühen Umzüge in ein Heim mit herausfordernden Verhaltensweisen der Teilnehmer zu tun haben, lässt sich auf der Basis der vorliegenden Daten nicht beantworten. 4.4 Wohndauer in stationären Einrichtungen Das älteste Aufnahmejahr ist auf 1941 datiert, dass jüngste im Jahre 2002. Aus der Eintrittsdekade lässt sich die bisherige Aufenthaltsdauer in einer Einrichtung ableiten. Sie ist als zweite Kategorien­ achse unter den Balkendiagrammen dargestellt.
19 Aufnahmejahr und Wohndauer in stationären Einrichtungen (255 Personen) 30% 25,9% 23,5% 25% Anteil der Personen 66 20% 17,6% 15% 45 60 19,2% 49 10% 6,3% 3,9% 5% 0,8% 2 0% Eintrittsdekade < 1950 > 55 a 2,7% 16 10 7 1950­1959 1960­1969 1970­1979 1980­1989 1990­1999 46­55 a 36­45 a 26­35 a 16­25 a 6­15 a >= 2000 k.A. <= 5 a Aufenthaltsdauer Wohndauer in Einrichtungen [in Jahren] Median Mittelwert Standardabw. Einrichtung 01 (A) 34 30,5 10,7 Einrichtung 02 (E) 30 29,8 6,6 Einrichtung 03 (B) 39 33,3 15,3 Einrichtung 04 (H) 23 22,3 11,3 Einrichtung 05 (F) 29,5 29,0 11,3 Einrichtung 06 (G) 27,5 25,5 11,7 Einrichtung 07 (D) 17 22,3 13,4 Einrichtung 08 (C) 24 25,5 13,2 Einrichtung 09 (K) 18,5 21,0 14,9 Einrichtung 10 (L) 17 16,6 8,2 Gesamt: 25 25,1 12,8 4.5 Wohnsetting vor Einzug in eine TWG In 8 von 9 Einrichtungen, die hierzu Angaben gemacht haben, rekrutiert sich die erste Generation der Bewohner TWG fast ausschließlich aus eigenen stationären Wohngruppen. Trotz der vielen „auswärtigen“ Anfragen wurden nur vereinzelt Erwachsene mit SHV aus anderen Wohneinrichtungen, aus dem Elternhaus oder aus psychiatrischen Krankenhäusern aufgenommen. Eine TWG hat 18 „einrichtungsexterne“ Personen aufgenommen (von insgesamt 23 Teilnehmern). Der größte Teil von ihnen hatte bereits längere Zeit in einem Psychiatrischen Krankenhaus gelebt.
20 Die wenigen Plätze, die in der Laufzeit des Modellversuchs frei wurden, wurden dann häufiger mit Personen aus anderen Einrichtungen besetzt. Da die Träger TWG die Plätze mit Teilnehmern aus den eigenen Reihen besetzen konnten und damit bei ihnen selbst zunächst die Verantwortung für eine dauerhafte integrierte Wohnperspektive lag, bestand bisher kein Zwang zu einer regionalen Vernetzung mit anderen Wohndiensten. Es lässt sich empirisch auch nicht nachzeichnen, ob und zu welchen möglicherweise folgenschweren Brüchen es kommt, wenn eine Reintegration in einen räumlich entfernten Wohnort ansteht. 4.6 Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern 74% der Teilnehmer (189 Personen) sind vor der Aufnahme in die TWG einmal oder mehrmals in einem psychiatrischen Krankenhaus stationär behandelt worden. Davon wurden 47 Personen einmal, 39 Personen zweimal, 25 Personen insgesamt dreimal stationär behandelt, usw. Die folgende Abbildung zeigt die Verteilung der Aufenthalte in einer psychiatrischen Klinik. Bei 27 Personen war die Datenlage unklar bzw. es lag eine unbekannte Anzahl psychiatrischer Aufenthalte vor. Anteil der Personen
Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern (255 Personen) 25% 23,5% 20% 60 18,4% 47 15% 15,3% 39 10% 10,6% 9,8% 25 9,0% 4,7% 5% 5,1% 3,5% 12 9 13 4 5 6 27 23 0% keine 1 2 3 >= 7 k.A. Anzahl der stationären Aufenthalte 21 Die folgende Abbildung enthält den Anteil aller Personen mit Aufenthalten in psychiatrischen Kranken­ häusern nach Einrichtung aufgeschlüsselt. Der obere Teil der Abbildung zeigt als Referenz die Gesamtzahl aller Personen pro Einrichtung an: 49 180% 160% 27 24 40 23 18 13 12 60 46 31 12 140% 0 120% 94% 100% Anteil mit psych. Aufenthalte 20 ­20 91% 80% 75% 80% Anzahl der Personen alle Personen der Einrichtung Personen mit Aufenthalte in psych. Krankenhäusern 74% 71% 75% 74% ­40 ­60 60% 48% ­80 31% 40% ) ) (L
10
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­100 Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern Personen mit Aufenthalten alle Personen der Einrichtung Anteil der Personen mit Aufenthalten Einrichtung 01 (A) 15 31 48 % Einrichtung 02 (E) 9 12 75 % Einrichtung 03 (B) 4 13 31 % Einrichtung 04 (H) 39 49 80 % Einrichtung 05 (F) 17 24 71 % Einrichtung 06 (G) 17 18 94 % Einrichtung 07 (D) 42 46 91 % Einrichtung 08 (C) 20 27 74 % Einrichtung 09 (K) 17 23 74 % Einrichtung 10 (L) 9 12 75 % Gesamt: 189 255 74 %
22 4.7 Schweregrad der geistigen Behinderung Alle Teilnehmer haben das 18. Lebensjahr vollendet und gelten als geistig behindert. 18% der Teilnehmer werden als „leicht“, 39% als „mittelgradig“, 31% als „schwer“ und 9% als „schwerst geistig behindert“ bezeichnet. Schweregrad der geistigen Behinderung (255 Personen) Anteil der Personen 50% 39,2% 40% 100 30% 20% 10% 30,6% 78 18,0% 9,0% 46 23 3,1% 8 0% leicht mittelgradig schwer schwerst ausgeprägt k.A. Schweregrad der geistigen Behinderung [1=leicht, 2=mittelgradig, 3=schwer, 4=schwerst ausgeprägt] Schweregrade in % Anzahl der Personen in Klammern Median leicht [1] mittelgr. [2] schwer [3] und schwerst [4] Einrichtung 01 (A) 2 10% (3) 58% (18) 32% (10) Einrichtung 02 (E) 3 0% (0) 0% (0) 100% (12) Einrichtung 03 (B) 3 8% (1) 8% (1) 85% (11) Einrichtung 04 (H) 2 19% (9) 46% (22) 35% (17) Einrichtung 05 (F) 2 8% (2) 46% (11) 46% (11) Einrichtung 06 (G) 2 11% (2) 56% (10) 33% (6) Einrichtung 07 (D) 2 39% (17) 39% (17) 18% (8) Einrichtung 08 (C) 3 19% (5) 19% (5) 63% (17) Einrichtung 09 (K) 2 26% (6) 52% (12) 13% (3) Einrichtung 10 (L) 3 8% (1) 33% (4) 50% (6) Gesamt: 2 18% (46) 39% (100) 40% (101) Die Teilnehmer in der Einrichtung E sind im Schnitt deutlich schwerer, die in den Einrichtungen D und K leichter geistig behindert als die in den anderen TWG.
23 4.8 Zusätzliche Behinderungen und psychische Störungen Zusätzlich zu kognitiven Beeinträchtigungen sind 21% der Teilnehmer körper­ und 16% sinnes­ behindert. Bei 148 Teilnehmern (58%) wird neben der geistigen Behinderung mindestens eine weitere psychische Störung gemäß ICD­10 diagnostiziert. zusätzliche Behinderungen bzw. psych. Störungen (jeweils bezogen auf 255 Personen) 0% 10% 20% 30% Sinnesbehinderung 50% 148 psychische Störung Körperliche Behinderung 40% 60% 70% 58,0% 54 21,2% 40 15,7% Personen mit zusätzlichen schizophrenen Störungen bilden die größte Untergruppe (21% aller Teilnehmer); 10% wird eine autistische Störung, bei 8% eine Epilepsie attestiert. Inwieweit sich die Effekte für die Untergruppen von denen anderer unterscheiden, wird im Kap. 6.2.5 dargestellt. Um einen Einblick über Typ und Verteilung aller genannten psychischen Auffälligkeiten zu bekommen, werden die Nennungen der Mitarbeiter anhand des ICD 10 klassifiziert. Die Summe der genannten Störungen (191) ist größer als die Anzahl der Personen (148), weil bei einigen Personen mehr als eine zusätzliche psychische Auffälligkeit vorliegt bzw. genannt wurde.
24 psychische Störungen (191 Nennungen bei 148 Personen) 49 50 Schizophrenie Anzahl der Nennungen 45 40 35 Autismus 30 25 21 20 20 16 15 12 10 6 5 6 4 5 2 12 11 8 3 2 1 3 3 1 1 1 2 2 00
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0 Die Bedeutung des vierstelligen Codes der psychischen Störungen wird in der nachfolgenden Tabelle erklärt. Die ersten zwei Ziffern des Codes sind angelehnt an die Nummerierung des ICD 10, Kapitel V (Psychische und Verhaltensstörungen, F00­F99) entsprechen dieser jedoch nicht vollständig und stellen daher „nur“ eine projektinterne Codierung dar. Eine vollständige Beschreibung der Bedeutung aller Codenummern befindet sich im Anhang. Die folgende Tabelle enthält zudem den prozentualen Anteil der jeweiligen Störung bezogen auf die Gesamtzahl der Nennungen und den Prozentanteil der Teilnehmer, die von dieser Störung betroffen sind (bezogen auf die Gesamtteilnehmerzahl von 255 Personen). Anzahl der Nennungen Anteil % psychische bzw. neurologische Störung Code Teilnehmer mit dieser Auffälligkeit [%] Störung durch psychotrope Substanzen 1000 0,8% Schizophrenie 2000 19,2% schizoaffektive Störung 2500 2,4% affektive Störung 3000 8,2% 2 1,0% 49 25,7% 6 3,1% 21 11,0% 4 2,1% Angststörung 4000 1,6% 5 2,6% Zwangsstörung 4200 2,0% 12 6,3% Zwangshandlungen/­rituale 4210 4,7% 3 1,6% Posttraumatische Belastungsstörung 4300 1,2% 2 1,0% Anpassungstörung 4320 0,8% 6 3,1% Persönlichkeitsstörungen 6000 2,4% 1 0,5% schizoide Persönlichkeitsstörung 6010 0,4% 3 1,6% dissoziale Persönlichkeitsstörung 6020 1,2% 3 1,6% impulsiv­emotional instabile Pers.störung 6030 1,2% 1 0,5% impulsiv, Borderline­Typ 6031 0,4% 1 0,5% ängstlich­vermeidende Pers.störung 6060 0,4% 1 0,5% Pädophilie 6540 0,4%
25 Anzahl der Nennungen psychische bzw. neurologische Störung Code 8,4% Autismus, frühkindlicher 8400 6,3% 8 4,2% atypischer Autismus 8410 3,1% 2 1,0% Autismus, Asperger­Typ 8450 0,8% 5,8% Störung des Sozialverhaltens 9100 4,3% 2 1,0% Ticstörung 9500 0,8% 12 6,3% hirnorgan. Psychosyndrom bzw. Verhaltens­ oder Pers.störung organisch bedingt, nicht näher bezeichnet 9970 4,7% 20 10,5% Epilepsie 9980 7,8% 191 100,0% 16 11 Anteil % Teilnehmer mit dieser Auffälligkeit [%] In allen TWG wurde darauf Wert gelegt, autistische, schizophrene, epileptische oder depressive Störungen zu erkennen. Der überwiegende Teil der Teilnehmer wurde psychiatrisch begleitet. Ob die herausfordernden Verhaltensweisen an sich als psychische Störung im Sinne eines gestörten Sozialverhaltens oder einer Persönlichkeitsstörung klassifiziert werden oder ob oft bewusst auf solche psychiatrischen Etikettierungen verzichtet wird, hängt von der Fachtradition der Einrichtung ab. Das Vorhandensein einer eigenen psychiatrischen Fachklinik bzw. eines eigenen Psychiaters oder die Existenz ausgebauter heilpädagogischer Dienste – wobei sich beides nicht ausschließt – sind Indikatoren für solche Traditionen. Personen mit psychischen Störungen Personen mit alle Personen der psych. Störungen Einrichtung Anteil der Personen mit psych. Störungen Einrichtung 01 (A) 10 31 32 % Einrichtung 02 (E) 5 12 42 % Einrichtung 03 (B) 3 13 23 % Einrichtung 04 (H) 23 49 47 % Einrichtung 05 (F) 21 24 88 % Einrichtung 06 (G) 9 18 50 % Einrichtung 07 (D) 42 46 91 % Einrichtung 08 (C) 16 27 59 % Einrichtung 09 (K) 12 23 52 % Einrichtung 10 (L) 7 12 58 % Gesamt: 148 255 58 % 4.9 Hilfebedarf und Pflegestufen Knapp die Hälfte der Teilnehmer (49%) ist in der vierten von 5 Hilfebedarfsgruppen (HBG) des HMB­W eingruppiert (hoher Hilfebedarf). 28% gehören der HBG 5 und 18% der HBG 3 an. Zwischen den Einrichtungen zeigen sich erhebliche Unterschiede bei der Verteilung der Teilnehmer auf Hilfebedarfsgruppen.
26 Hilfebedarfsgruppen nach HMB­W (255 Personen) 60% 48,6% Anteil der Personen 50% 124 40% 28,2% 30% 72 18,0% 20% 46 10% 0,0% 0% 1 4,7% 0,4% 1 12 2 3 4 5 k.A. Hilfebedarfsgruppe nach HMB­W Hilfebedarfsgruppen­Kennwerte Hilfebedarfgruppen­Anteil in % Anzahl in Klammern Median HMB 3 HMB 4 HMB 5 Einrichtung 01 (A) 5 6% (2) 42% (13) 52% (16) Einrichtung 02 (E) 5 0% (0) 42% (5) 58% (7) Einrichtung 03 (B) 4 8% (1) 69% (9) 23% (3) Einrichtung 04 (H) 4 35% (17) 53% (26) 10% (5) Einrichtung 05 (F) 4 21% (5) 42% (10) 38% (9) Einrichtung 06 (G) 5 17% (3) 17% (3) 67% (12) Einrichtung 07 (D) 4 18% (8) 53% (24) 22% (10) Einrichtung 08 (C) 4 4% (1) 44% (12) 30% (8) Einrichtung 09 (K) 4 26% (6) 61% (14) 9% (2) Einrichtung 10 (L) 4 25% (3) 67% (8) 0% (0) Gesamt: 4 18% (46) 49% (124) 28% (72)
27 Im Kontrast dazu sind nur 29% der Teilnehmer in die Pflegeversicherungsstufen 1 bis 3 eingeordnet (18% in Pflegestufe 1). Allerdings liegen für 18% der Teilnehmer keine diesbezüglichen Angaben vor. Pflegestufe gemäß Pflegeversicherung (255 Personen) 60% 53,3% Anteil der Personen 50% 136 40% 30% 18,4% 20% 47 10% 18,0% 7,5% 2,7% 19 0% ohne Einstufung 1 2 3 46 7 k.A. Pflegestufe 4.10 Herausfordernde Verhaltensweisen Die nächste Tabelle gibt an, wie verbreitet herausfordernde Verhaltensweisen (HV) unter den Teilnehmern sind. Aufgeführt sind die 10 häufigsten HV, die in den ersten 6 bis 12 Wochen nach Einzug in die TWG beobachtet wurden (Zeitpunkt 2). Am häufigsten beobachten die begleitenden Mitarbeiter eine fehlende Ausdauer und geringe Belastbarkeit bei den Bewohnern. Weit verbreitet sind aggressiv­emotionale Handlungen. Eine dritte Gruppe bilden rituell­zwanghaftes Verhalten und eine ständige motorische Unruhe. Sehr viele Bewohner zeigen unangemessenes Annäherungs­ oder Vermeidungsverhalten.
28 Rangreihe der herausfordernden Verhaltensweisen zum Zeitpunkt 2 (n=242 Personen) Anzahl der Nennungen Anteil % herausforderndes Verhalten 164 68% 5.1 Geringe Konzentrationsfähigkeit, fehlende Ausdauer 149 62% 5.2 Leichte Ermüdbarkeit, geringe Belastbarkeit 146 60% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen 136 56% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche 133 55% 2.17 Gefühlsausbrüche 127 52% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen 125 52% 4.3 Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum 121 50% 2.6 Ständige motorische Unruhe, Körperbewegungen im Einschlafstadium/Schaukeln 119 49% 5.4 Arbeitsverweigerung, ­flucht 119 49% 2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer Welche HV der Teilnehmer von den Mitarbeitern als besonders schwerwiegend bewertet werden, ist der folgenden Tabelle zu entnehmen. Aufgeführt sind wiederum die 10 weit verbreiteten SHV zum Zeitpunkt 2 (entspricht 6­12 Wochen nach Einzug in die TWG). Neben körperlich­aggressivem oder selbstverletzendem Verhalten zeigen viele Teilnehmer andauernde und / oder zwanghafte Verhaltensweisen, die auf Andere im direkten Zusammenleben extrem beeinträchtigend wirken. Rangreihe schwerwiegend bewerteter HV zum Zeitpunkt 2 (n=243 Personen) Anzahl der Nennungen Anteil % schwerwiegendes herausforderndes Verhalten 88 36% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche 84 35% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen 73 30% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen 65 27% 2.6 Ständige motorische Unruhe, Körperbewegungen im Einschlafstadium/Schaukeln 64 26% 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen 59 24% 4.3 Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum 56 23% 2.7 Anhaltendes Schreien, Brummen, Lautieren 55 23% 1.16 Beißen, Kratzen (sich selbst) 54 22% 5.1 51 21% 2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer 2.15 Aufsässiges Verhalten, „Führungsresistenz“ 2.17 Gefühlsausbrüche Geringe Konzentrationsfähigkeit, fehlende Ausdauer Die folgende Abbildung stellt die sozialen Konstellationen dar, in denen herausforderndes Verhalten zum Zeitpunkt 2 auftrat.
29 soziale Konstellation des SHV ­ Zeitpunkt 2 (1866 Nennungen bei 243 Personen) 983 60% Anteil der Nennungen 52,7% 50% 40% 422 30% 22,6% 20% 99 10% 17 5,3% 0,9% 69 56 3,7% 57 42 3,0% 3,1% 2,3% 85 36 1,9% 4,6% 0% r n n n er ei n
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4.11 Kompetenzen der Teilnehmer Bei den am Modellversuch teilnehmenden Personen wurden vier Kompetenzen abgefragt: Sprach­ verständnis, Sprechfähigkeit, Frustrationstoleranz und Lenkbarkeit. Die Kompetenzen wurden auf einer vierstufigen Skala gemessen (1=gut, 2=eingeschränkt, 3=gering, 4=fehlend). Die Tabelle stellt die Verteilungen dieser Kompetenzen für den Zeitpunkt 1 dar: Kompetenzen der Teilnehmer zum Zeitpunkt 1 gut eingeschränkt gering fehlend. Sprachverständnis 27% 34% 33% 6% Sprechfähigkeit 20% 28% 28% 23% Frustrationstoleranz 1% 16% 72% 8% Lenkbarkeit 2% 29% 63% 4% 23% der Teilnehmer können sich gar nicht, 56% nur in geringem Umfang sprachlich verständlich machen. Allerdings verstehen lediglich 6% der Teilnehmer überhaupt keine sprachlichen Mitteilungen. Jeder dritte Teilnehmer versteht nur in geringem Maße verbale Äußerungen. Der abgebende Wohndienst konstatiert 72% der Teilnehmer eine geringe Frustrationstoleranz. Die Teilnehmer werden nur in geringem Maße (63%) oder zumindest nur eingeschränkt (29%) für lenkbar gehalten.
30 5 Verwirklichung des Auftrags: Hilfeplanung und Maßnahmen 5.1 Vorgehen und Überblick Aus Sicht der Träger TWG war der befristete rehabilitative Auftrag hilfreich für die fachlich­inhaltliche Grundlegung und betriebliche Organisation der Arbeit und die Kooperation der Mitarbeiter verschiedener Professionen. Wie die Träger den rehabilitativen Auftrag mit den gegebenen Res­ sourcen umsetzen, blieb ihnen weitgehend selbst überlassen. Die Verschiedenartigkeit der realisierten „Programme“ ist gewollt, um nicht zu früh durch eine Standardisierung innovative Lösungswege zu blockieren. Gleichwohl ist die Schnittmenge von Maßnahmen groß, die in vielen Programmen anzutreffen sind. Und es kristallisieren sich Elemente guter und erfolgreicher Praxis heraus. In einer Art idealtypischen Zusammenschau sind in der Tab. 5/1 Arbeitschritte und Maßnahmen in TWG wiedergegeben. Arbeitsschritte und Maßnahmen lassen sich 8 Kategorien zuordnen. Sie betreffen die Hilfeplanung, das räumliche und soziale Milieu therapeutischer Wohngruppen, die Gestaltung sozialer Beziehungen und der individuellen Tagesabläufe. Allgemeine pädagogische Interventionen fördern die Kommunikation und zielen auf mehr Selbstbestimmung. Spezielle Interventionen haben das individuelle, als problematisch erlebte Verhalten zum Gegenstand. Schließlich muss der Einzug in integrativere Wohnformen vorbereitet und begleitet werden. Unter „Intervention“ wird hier ein vermittelndes Handeln verstanden (vgl. hierzu Theunissen 2005). Idealtypisch ist diese Zusammenstellung, weil nicht alle aufgeführten Elemente in jeder Arbeits­ konzeption zu finden sind. Wie Maßnahmebereiche gewichtet und konkretisiert werden, ist von Träger zu Träger und selbstverständlich auch von Individuum zu Individuum unterschiedlich. In diesem Kapitel geht es nicht darum, die Arbeitskonzeptionen der einzelnen TWG darzustellen. Die Träger hatten dazu auf einer Fachtagung Gelegenheit, die vom Medizinisch­pädagogischen. Fachdienst der Landeswohlfahrtverbände Württemberg­Hohenzollern und Baden (2004) dokumentiert wurde. Die Konzeptionen sind unterschiedlich elaboriert und inhaltlich ausgerichtet. Drei ausgewählte Beispiele werden im Sammelband von Dieckmann & Haas (2006, im Druck) vorgestellt. Die Kategorienbildung in der Tab. 5/1 beruht auf einer Auswertung der Angaben zu geplanten Maßnahmen in den Dokumentationsbögen „Lebenssituation und HV“ und einer Auswertung konzeptionsbezogener Fragen der Abschlussbefragung unter den Trägern. Mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2003) wurde für beide Quelltexte jeweils ein Kategoriensystem entwickelt. Die zwei Kategoriensysteme wurden dann in ein einziges überführt. Für die Auswertung wurden die Dokumentationsbögen „Lebenssituation und HV“ von 90 Projekt­ teilnehmern herangezogen. Per Zufall wurden von jeder der beteiligten TWG 10 Personen aus­ gewählt. Unter der Rubrik „geplante Maßnahmen“ werden im Bogen zum Zeitpunkt 2 und 3 gleich lautende Fragen gestellt. Die Antworten auf diese Fragen wurden transkribiert.
31 Individuumbezogene Maßnahmen für die Veränderung auffälliger Verhaltensweisen und zur Förderung der Reintegration in nicht­aussondernde Wohnformen 1. Hilfeplanung multiprofessionelles Assessment und Hilfeplanung mit Teilnehmern und deren Bezugspersonen als fortlaufender Prozess multidisziplinäre Diagnostik (psychiatrisch­medizinisch, psychologisch, pädagogisch) Verantwortlicher für Prozesssteuerung („Case Manager“) strukturierte Dokumentation und Austauschprozesse zwischen Mitarbeitern 2. räumliche Bedingungen in der TWG 3. soziale Bedingungen Größe und Zusammensetzung der Bewohnerschaft Personal: Besetzung, Qualifikation, Entwicklung 4. Allgemeine pädagogische Maßnahmen [Interventionen] Förderung der Kommunikation und Selbstbestimmung 5. Gestaltung sozialer Beziehungen innerhalb und außerhalb der TWG, zu Angehörigen 6. Strukturierung, Individualisierung und Bereicherung des Alltags Strukturierung des Alltags Individuelle Begleitung/Einzelangebote Selbstbestimmung und Anforderungen bei Aktivitäten Arbeit und Beschäftigung: WfbM und FuB (Teilnahme, Individualisierung und Flexibilisierung der Teilnahme) Freizeitangebote außerhalb der TWG 7. Spezielle Maßnahmen [Interventionen] bezogen auf Problemverhalten intensive Kommunikation und Beratung Veränderung des sozial­interaktiven Handelns der Teilnehmer Aufbau schützender oder ausgleichender Verhaltensweisen Regulierung des Anforderungsniveaus von Situationen & Aufgaben Umgang mit auffälligen Verhaltensweisen ärztliche Diagnostik, Begleitung und Medikation Psychotherapie 8. Integration in andere Wohnformen Vorbereitung: Klären der Bedingungen für ein Wohn­ und Hilfearrangement, Suche und Entscheidungsprozess der direkt Betroffenen, Probewohnen, vorbereitende Unterstützung der Personen im neuen Wohnsetting Einzug und Einleben: personelle Begleitung, strukturierte Kommunikation zwischen allen Beteiligten Tab. 5/1: Idealtypische Zusammenschau von Arbeitschritten und Maßnahmen in TWG
32 5.2 Verankerung in regionale Hilfesysteme Zu einer Verankerung der TWG in regionale Hilfesysteme ist es in der Laufzeit des Modellversuchs nicht gekommen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die erste Generation der Bewohner TWG sich überwiegend aus den Wohneinrichtungen der Träger selbst rekrutiert hat. Zum anderen existieren nur in wenigen Stadt­ und Landkreisen Baden­Württembergs regionale Verbundsysteme in der Geistigbehindertenhilfe, die einen verbindlichen Charakter für die Begleitung im Einzelfall haben. Die Träger TWG im Modellversuch sind große traditionelle Komplexeinrichtungen, die selten Bestand­ teil gemeindenaher Verbünde sind. Eine enge Zusammenarbeit hat sich vielerorts mit psychiatrischen Krankenhäusern entwickelt. Ein Träger einer TWG hat begonnen, kleinere Einrichtungen in der Behinderten­ und Jugendhilfe im Umgang mit HV zu beraten. In den meisten Einrichtungen löste die Eröffnung TWG einen Anfrageboom aus. Aufnahmeanfragen kamen von Leistungserbringern in der Behindertenhilfe (auch von Diensten für psychisch Kranke) und der Jugendhilfe, aus psychiatrischen Krankenhäusern und von Angehörigen. Oft bestand bei anfragenden Wohndiensten die Erwartung, die TWG sei in der Lage, sämtliche Probleme mit ihrem „schwierigen“ Klientel zu lösen, und würde sich um alles Weitere kümmern. In einem Fall hat eine Wohneinrichtung mit dem Einzug ihres Klienten in die TWG den mit ihm bestehenden Heimvertrag gekündigt, sich zurückgezogen und die Verantwortung damit an die TWG „abgeschoben“. 5.3 Hilfeplanung Eine steuernde Funktion hat die Hilfeplanung, die sich idealiter personenzentriert an den Bedürfnissen und Ressourcen der Menschen mit SHV und ihrer Bezugspersonen und an den Gegebenheiten ihrer Lebenswelten orientiert. Ecksteine erfolgreicher Arbeit sind: Die personale Verantwortung eines Teammitglieds für die Fallsteuerung (im Sinne eines „Case Manager“), eine klare Organisation der Arbeitsaufgaben und der Austauschprozesse zwischen Mitarbeitern und der Dokumentation. Das Mitarbeiterteam setzt sich in der Regel aus dem Wohndienst, den Assistenten und Begleitern der Bewohner und einem fach­ therapeutischen Dienst zusammen. Im fachtherapeutischen Dienst arbeiten (heil­)pädagogische, psychologische, psychiatrische und mitunter auch ergotherapeutische Kräfte. Zu ihren Aufgaben gehören die Beratung, Anleitung und Supervision der direkten Begleiter, die Arbeit mit Teilnehmern in Einzel­ und Gruppensettings und spezifische Aufträge im Assessment und in der Hilfeplanung (z.B. Fachdiagnostik, Verlaufskontrolle, Vorbereitung und Begleitung in der Reintegrationsphase). Die Leitung TWG obliegt im Allgemeinen einer fachlich versierten pädagogischen oder psychologischen Kraft. Zu den institutionalisierten Kommunikationsstrukturen zählen die zentralen Hilfeplan­ und Therapie­ konferenzen, teilnehmerbezogene Treffen der Assistenten aus allen Lebensbereichen und (z.T. fachlich supervidierte) Teamsitzungen der Mitarbeiter im Wohnen oder in Arbeits­ und Beschäftigungs­ settings. Die regelmäßige Alltagskommunikation zwischen allen Beteiligten (inkl. Menschen mit SHV und deren Angehörigen, s.u.) ist für Veränderungsprozesse von großer Bedeutung. In Beispielen guter Praxis werden das Assessment, die Ergebnisse der Hilfeplanung (inkl. Kriseninterventionsplan), Verlaufsdaten und Zwischenevaluationen dokumentiert. Übersichtliche Tagesprotokolle sorgen für einen Informationsfluss unter den Beteiligten. Assessment und Hilfeplanung sind fortlaufende Prozesse, an denen Menschen mit SHV und ihre Angehörigen systematisch beteiligt werden. Wie das genau passiert, wird aus den TWG­Konzeptionen nicht ersichtlich. In manchen TWG ist es üblich, Assistenzvereinbarungen abzuschließen, in denen die gemeinsam beschlossene Therapie­ und Hilfeplanung festgehalten wird. Von der Anwendung weitergehender partizipativer Verfahren der persönlichen Zukunftsplanung (vgl. Boban & Hinz 2001, Kincaid 1996) wird nicht berichtet. Im Modellversuch ist die Assessmentphase mit einer interdisziplinären Diagnostik verbunden, die pädagogische, psychologische, psychiatrisch­neurologische und allgemeinmedizinischen. Verstehens­ zugänge zusammenbringt. Psychiater werden als „Teammitglieder“ in die Hilfeplanung und Begleitung häufiger, länger und intensiver einbezogen, als dass vorher in den Wohndiensten üblich war. In den meisten TWG wird das Verhalten und Erleben der Teilnehmer systemorientiert und im biographischen Zusammenhang analysiert. In der Interventionspraxis verfolgen die Programme einen eklektischen
33 Ansatz. Idealerweise sollten geleitet von Hypothesen über die Aufrechterhaltung der HV Interventionen probiert und evaluiert werden (vgl. Hennicke 1999). 5.4 Sozial­räumliche Bedingungen Günstige ökologische Bedingungen, z.B. eine geringe soziale Dichte (geringe Anzahl von Personen, mit denen man seine Wohnung teilt) oder räumliche Verhältnisse, welche die Regulation von Privatheit und persönlichem Raum erleichtern (z.B. durch Einzelzimmer) reduzieren HV und erleichtern den Umgang mit ihnen (vgl. zu den ökologischen Konzepten auch Dieckmann et al. 1998). Angaben zu sozial­räumlichen Bedingungen in den Wohnungen und zur personellen Besetzung der Wohndienste stammen aus den Dokumentationsbögen und der abschließenden Trägerbefragung. 5.4.1 Anzahl der Mitbewohner Zum ersten Erhebungszeitraum lebten die meisten Personen in Wohngruppen mit 8 bis 10 Personen. Mit Eintritt in die TWG (Zeitpunkt 2) sank die Zahl der Mitbewohner für den größten Teil der Bewohner (s. Abb. 5/2). Die gestrichelte Linie soll es leichter machen, die Verteilung der Wohnplätze von der Verteilung der Anzahl der Wohngruppen zu unterscheiden. Anzahl der Wohngruppen einer Größe Produkt aus Wohngruppengröße und Anzahl (Wohnplätze insgesamt) 66 14 Anzahl der Wohngruppen 12 10 49 40 48 11 8 6 8 7 6 4 4 2 10 1 pp
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Abb. 5/2: 1 n 0 Anzahl der Wohngruppen und Wohnplätze differenziert nach Wohngruppengröße Einige Träger haben versucht, TWG zu schaffen, in denen der Schweregrad der geistigen Behinderung homogen ist. Interessen und erwartete Harmonien oder Konflikte spielen zu dem eine Rolle bei der Zusammensetzung der TWG. So sei darauf zu achten, dass Mitbewohner schwierige Situationen eines anderen Teilnehmers aushalten und sich z.B. gegen Angriffe wehren können. Oder es wird Wert gelegt auf eine ruhige Atmosphäre und einen geringen Geräuschpegel in der Wohnung. Die Beispiele zeigen, dass es durchaus problematisch ist, mehrere Personen mit SHV zusammen wohnen zu lassen. Mitbewohner fungieren als Verhaltesmodelle. In der Wohnung beobachten die Teilnehmer häufig negatives und zu selten positives Verhalten bei ihren Mitbewohnern. Wohngruppen lassen sich nicht so zusammensetzen, dass „stressreiche“ Situationen die Ausnahme bleiben.
34 5.4.2 Einzelzimmer Zu Beginn des Modellversuches verfügten – trotz ihres für andere schwierigen Verhaltens – nur 76% der Personen über ein Einzelzimmer. Zum Zeitpunkt 2 erhöhte sich der Anteil an Einzelzimmern auf 90%. Nur 4% leben in Doppel­ oder Mehrbettzimmern. Für 6% der Teilnehmer liegen keine Angaben vor (s. Abb. 5/3). 100% Anteil der Bewohner, die Privatzimmer teilen Zeitpunkt 1 und 2 90% Zeitpunkt 1: 253 Personen 90% Anteil der Personen 80% 76% Zeitpunkt 2: 249 Personen 70% 60% 50% 40% 30% 20% 11% 10% 2% 5% 8% 2% 6% 0% Einbettzimmer Abb. 5/3: 5.4.3 Zweibettzimmer Dreibettzimmer k.A. Verteilung der Zimmerbelegung, Bewohner mit Privatzimmer Weitere Aspekte der physischen Gestaltung Hingewiesen wird darauf, dass die Raumgestaltung Nischen in gruppenöffentlichen Räumen bieten muss, dass es mittlerweile Schließsysteme gibt, die (auf Druck oder mit Schlüssel) jedem Zugang zu den Räumen ermöglichen, zu denen er oder sie ihn haben soll, und die selektiv Zugang verwehren können. Durch elektronische Rufsysteme sind Assistenten in Krisen schnell und zuverlässig erreichbar. 5.5 Personal 5.5.1 Qualifikation und Entwicklung des Personals Die Fachkraftquote in den TWG liegt im Mittel bei etwa 80%. Neben der Freiwilligkeit bei der Wahl der Arbeitsplätze TWG spielt die Zielorientierung der Arbeit im Team für die Aufrechterhaltung einer positiven Mitarbeitermotivation unter emotional äußerst fordernden Bedingungen eine wichtige Rolle. Im Rahmen des dreijährigen Modellversuchs war die Mitarbeiterfluktuation sehr gering. Das Bezugs­ mitarbeiterprinzip setzt eine solche personelle Konstanz voraus. Mitarbeiter in Wohndiensten müssen im Aufbau sozialer Kompetenzen und im Umgang mit Menschen mit HV Verhaltensweisen geschult werden. Darüber hinaus sind psychiatrische Basisqualifikationen unabdingbar. Viele Träger haben spezielle Schulungen und Weiterbildungskurse entwickelt, die die Wohndienstmitarbeiter belegen oder nachweisen müssen. Zur Personalentwicklung gehört der Besuch von Fortbildungen und die enge Beratung und Anleitung durch den Fachdienst. In den meisten TWG werden die Wohndienstmitarbeiter regelmäßig supervidiert, zum Teil von trägerexternen Supervisoren.
35 Die Zusammenstellung eines multidisziplinären und multiprofessionellen Fachdienstes für die gezielte Arbeit in TWG hat sich aus Sicht der Träger bewährt. 5.5.2 Besetzung mit Personal Vergleicht man den vereinbarten Gesamtpersonalschlüssel mit den Angaben der Träger in der Befragung, dann fällt auf das 2 Einrichtungen diesen Gesamtpersonalschlüssel zumindest auf dem Papier gar nicht ausschöpften. Die Diskrepanz deutet darauf hin, dass diese beiden Träger keine vollständig getrennte Personalkalkulation für die TWG vorgenommen haben. Das betrifft insbesondere die Arbeit von Fachdiensten und Nachtwachen. errechneter Gesamtpersonalschlüssel (Trägerangaben) Teilnehmer Tab. 5/4: Mitarbeiter­ stellen Gesamtpersonal­ schlüssel Einrichtung 01 (A) 36 24 1,50 Einrichtung 02 (E) 12 19,25 0,62 Einrichtung 03 (B) 13 21,3 0,61 Einrichtung 04 (H) 48 67,5 0,71 Einrichtung 05 (F) 24 29,4 0,82 Einrichtung 06 (G) k. A. k. A. k. A. Einrichtung 07 (D) 32 34 + NW (angen. 6) 0,80 Einrichtung 08 (C) 26 35 0,74 Einrichtung 09 (K) 21 29,5 0,71 Einrichtung 10 (L) 10 8,9 1,12 aus Trägerangaben errechneter Gesamtpersonalschlüssel Einige Träger betonen die positiven Auswirkungen der möglich gewordenen durchgängigen „Doppelbesetzung“ einer TWG mit Wohndienstmitarbeiter. Am Nachmittag kommen auf einen Mitarbeiter im Wohndienst rechnerisch 3 bis 4 Teilnehmer (Mittelwert: 3,7). Morgens, bevor die Teil­ nehmer ihre Arbeit und Beschäftigungen aufnehmen, beträgt das Zahlenverhältnis zwischen Mit­ arbeitern und Bewohnern 1 zu 4. An den Wochenenden sieht es ähnlich aus. Dadurch dass in der Regel ein Mitarbeiterteam für zwei „kooperierende“ Wohngruppen zuständig ist, sind auch in kleineren Wohngruppen zeitgleich mehrere Mitarbeiter verfügbar. 5.6 Allgemeine Interventionen bezogen auf die Lebensführung im Alltag Maßnahmen zielen auf die Individualisierung und Bereicherung des Alltagslebens der einzelnen Teilnehmer, auf den Ausbau von Verständigungsmöglichkeiten, auf die Förderung von Selbst­ bestimmung und auf die Unterstützung der Teilnehmer bei der Gestaltung sozialer Beziehungen innerhalb und außerhalb der TWG. Ein Gutteil der als unverträglich erlebten Verhaltensweisen scheint durch institutionelle Strukturen mit bedingt zu sein, aufrechterhalten zu werden. Zugunsten einer individualisierten Lebensführung und Begleitung werden kollektive Regeln gelockert, Wohn­ und Begegnungsräume so gestaltet, dass sie die Regulation von Privatheit erleichtern, Tagesabläufe flexibilisiert, Unterstützungsleistungen person­ bezogen zugeschnitten. Die Mitarbeiter der TWG sind in der Lage, die Bewohner auch tagsüber ein bis vier Stunden individuell zu begleiten. Im Rahmen von Einzelangeboten sollen Teilnehmer auch Möglichkeiten entdecken, sich selbst zu beschäftigen. Für die Selbststeuerung der Teilnehmer ist es wichtig, dass die individueller und variabler gewordenen Tagesabläufe klar strukturiert bleiben, dass Orientierungshilfen für den Tag, die Woche, den Monat verfügbar sind und sich Gewohnheiten ausbilden können.
36 Teilnehmer, die bisher noch nicht eine WfbM oder Förderstätte besucht hatten, wurden – bis auf wenige Ausnahmen – sukzessive in solche Arbeits­ und Beschäftigungsangebote außerhalb der Wohnung integriert. Ihre Nutzung erleichtert die Reintegration in andere Wohnformen. Die Individualisierung bezieht sich neben dem Wohnen auch auf die WfbM und den Förder­ und Betreuungsbereich. Arbeitszeiten werden flexibilisiert, verzichtbare einheitliche Regeln gelockert, individuelle Entscheidungsspielräume ermöglicht, Kommunikationsstrukturen verändert, Kriseninter­ ventionspläne ausgearbeitet, Arbeitsplätze getauscht oder umgestaltet. Arbeits­ und Beschäftigungs­ anforderungen werden auf die Möglichkeiten und Bedürfnisse der Teilnehmer abgestimmt. Die Teilnahme der Bewohner an Freizeitaktivitäten außerhalb der TWG ist ein weiterer Schritt hin zur Integration. Die TWG legen Wert auf die Stärkung der Selbstbestimmung der Teilnehmer und die Ausschöpfung ihrer kommunikativer Möglichkeiten (Kommunikationstechniken und ­gelegenheiten). Integraler Bestandteil der Hilfeplanung ist es, Wünsche und Bedürfnisse der Teilnehmer zu erkunden und Realisierungswege gemeinsam zu planen (z.B. festgehalten in einer Betreuungsvereinbarung). Im Alltag gilt es, Auswahlmöglichkeiten und Entscheidungsfreiräume zu eröffnen (z.B. Bewegungsfreiheit, generelle Freiwilligkeit von Angeboten, Regulation von Privatheit ermöglichen durch Rückzugs­ und Kontaktgelegenheiten) und die Teilnehmer immer wieder zu ermutigen, Wünsche und Interessen zu kommunizieren. Sie sollen lernen, eigene Gefühle wahrzunehmen und in sozial akzeptabler Form verbal oder nonverbal mitzuteilen. Durch die dichte Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Teilnehmern werden Situationen vorhersehbar. Die Kommunikationspartner gewinnen Sicherheit und fassen Vertrauen (Erfahrung von Verlässlichkeit). Kommunikationshilfen werden ausprobiert und in den Alltag integriert (unterstützte Kommunikation). Bei der Gestaltung sozialer Beziehungen beschränken sich die TWG auf den Aufbau und die Intensivierung der Interaktionen mit Mitbewohnern und Mitarbeitern der TWG und auf die Arbeit mit Angehörigen. Beziehungen zu Sozialpartnern im vorherigen Wohnsetting wurden nicht bearbeitet, da eine Rückkehr in die vorherige, in der Regel stark aussondernde Wohnform nur in Ausnahmefällen den Beteiligten wünschenswert erschien (s. Kap. 6). 5.7 Spezielle Interventionen bezogen auf problematische Verhaltensweisen Andere Maßnahmen beziehen sich speziell auf die Verhaltensweisen, die mit Störungen im sozialen Umfeld einhergehen. Ziel ist es, dass die Teilnehmer und die Bezugspersonen Kontrolle über das Verhalten (zurück)gewinnen. Mitarbeiter achten darauf, dass Anforderungsniveau in Situation und von Aufgaben so zu regulieren, dass Teilnehmer nicht über­ oder unterfordert werden. Teilnehmer wie Mitarbeiter lernen, Situationen zu erkennen und akut zu „entschärfen“, in denen sich herausfordernde Verhaltensweisen anbahnen. Maßnahmen beziehen sich auch auf den direkten Umgang mit auffälligen Verhaltensweisen bis hin zur gemeinschaftlichen Ausarbeitung von Kriseninter­ ventionsplänen. Durch strukturierte Trainingssettings oder Coaching in Alltagssituationen werden Teilnehmer angeleitet, sozial­interaktive Verhaltensweisen zu ändern, sozial akzeptable Coping­ strategien auszuprobieren und soziale Regeln einzuhalten. Viele Maßnamen zielen auf den Aufbau schützender oder ausgleichender Verhaltensweisen, die die Selbständigkeit erhöhen, den Selbstwert steigern, die Selbstwahrnehmung schärfen, für emotionale und körperliche Ausgeglichenheit sorgen oder den eigenverantwortlichen Umgang mit risiko­ behaftetem, aber genussvollem Verhalten erlauben. Von zentraler Bedeutung sind ausgedehnte und intensive hilfreiche Einzelgespräche zwischen einem Teilnehmer und einem Mitarbeiter, die über die Alltagskommunikation hinausgehen und die Zukunftsperspektive, Hilfeplanung, aktuelle Themen und emotionale Befindlichkeit zum Gegenstand haben. Neben den täglichen Einzelgesprächen finden in manchen TWG wöchentlich spezielle Beratungsgespräche statt. Ein Teil der Teilnehmer wird darüber hinaus psychotherapeutisch begleitet. Über 90% der Teilnehmer nehmen regelmäßig Psychopharmaka (s. Kap. 6). Der regelmäßige Kontakt zu Ärzten, vor allem zu Psychiatern, die in die Arbeit der TWG eingebunden sind, hat zu zahlreichen Umstellungen in Bezug auf die Wahl und Dosis von Medikamenten geführt.
37 5.8 Integration in andere Wohnformen Einige Einrichtungen haben ausgefeilte Handlungskonzepte für die Auswahl und Gestaltung eines zukünftigen Wohn­ und Hilfearrangements und den Umzug entwickelt. Zu den Aufgaben der TWG gehören die Klärung, ob potentielle Wohnbedingungen hinreichend unterstützend sind, die Beratung im Entscheidungsprozess (z.B. im Rahmen eines Probewohnens) sowie die direkte Hilfe der umziehenden Person und ihrer sozialen Bezugspersonen während des Einlebens (z.B. durch die Fortsetzung der Begleitung durch den vertrauten Bezugsbetreuer).
38 6 Effekte Wie wirken sich der Aufenthalt und die Begleitung in TWG auf die Lebenswirklichkeit von Menschen mit SHV aus? Die Ergebnisse zu den Effekten TWG werden in 4 Abschnitten präsentiert: §
Teilhabe am Leben der Gesellschaft (Abschnitt 6.1) §
Herausforderndes Verhalten (Abschnitt 6.2) §
Entwicklung ausgewählter Kompetenzen (Abschnitt 6.3) §
Einschätzung der Lebenssituation (Abschnitt 6.4) 6.1 Teilhabe am Leben der Gesellschaft 6.1.1 Teilhabe: Reintegration in allgemeine Wohnformen und Wohndienste Nach Abschluss des Modellversuchs stellt sich die Frage, anhand welcher Kriterien man die Reintegrationserfolge abschätzen kann. Reintegration meint im Modellversuch den Einzug eines Teilnehmers in ein Wohnsetting, das den allgemein üblichen Angeboten in der Behindertenhilfe entspricht, und in dem die Person durch einen allgemeinen Wohndienst unterstützt wird. Das Einleben und dauerhafte Wohnen können dabei durch spezielle Maßnahmen gestützt werden. Vermieden werden soll der dauerhafte Verbleib in speziellen Gruppen für Menschen mit HV. Mit diesem hochgesteckten Reintegrationsziel soll nicht in Abrede gestellt werden, dass auch spezielle Wohngruppen für Menschen mit HV, die im Gemeinwesen integriert sind, ein hohes Maß an Teilhabe garantieren können (vgl. Schäper 2003; Allen & Felce 1999). Wenn man den Inklusionsgedanken jedoch auch auf Menschen mit SHV anwendet und – wie im Modellversuch – auf ihr Lern­ und Entwicklungspotenzial setzt, dann gehört die Aussonderung in auf Dauer angelegte Wohnsettings mit all den Etikettierungen, die damit einhergehen, zu den letzten, besonders zu rechtfertigenden Mitteln. Im Laufe des Modellversuchs zeigte sich, dass allgemeine Wohndienste aus verschiedenen Gründen zögerlich sind, Teilnehmer aus TWG (wieder) aufzunehmen, auch wenn die Mitarbeiter der TWG angesichts der erzielten Verhaltensänderungen eine Reintegration für erfolgsversprechend halten. Um diese Diskrepanz angemessen abzubilden, wird hier zwischen zwei Erfolgskriterien, der tatsächlichen und der möglichen Reintegration unterschieden. Als tatsächlicher Reintegrationserfolg gilt ein Teilnehmer, der aus der TWG in eine nicht­aus­ sondernde Wohnform umgezogen ist. Die Bewertung der sich anschließenden Wohnlösung beruht auf den Angaben der Mitarbeiter zur Anschlusswohnform im Dokumentationsbogen, der Auswertung der von Mitarbeitern genannten Gründe für das Ausscheiden aus der TWG und der Kenntnisse über die örtlichen Wohnverhältnisse des Medizinisch­pädagogischen Dienstes des Kommunalverbandes Jugend und Soziales Baden­Württemberg, der in Zweifelsfällen zurate gezogen wurde. Als möglicher Reintegrationserfolg wurde gewertet, wenn von Mitarbeitern einer TWG ein weiterer Verbleib in der TWG als nicht notwendig bezeichnet wurde und wenn gleichzeitig die angestrebten Verhaltensänderungen erreicht oder zumindest teilweise erreicht wurden. Als „kein Erfolg“ wurde gewertet, wenn diese beiden Bedingungen nicht vorlagen. Für 188 Teilnehmer konnte aufgrund vorliegender Angaben zu diesen beiden Bedingungen der mögliche Reintegrationserfolg bestimmt werden. Insgesamt war bei 103 Personen mit Verhaltensverbesserungen (55%) ein weiterer Verbleib in einer TWG als nicht notwendig bezeichnet worden (s. Spalte „mögliche Reintegrationserfolge“ in Tab. 6/1). Die Quote der zum Projektende tatsächlich in allgemeine Wohnsettings reintegrierten Personen lag mit 32% (71 von 224 Personen) allerdings deutlich niedriger. Zwei Personen zogen zurück in ihre frühere Wohngruppe, zwei in ein Apartment, das einer Wohngruppe angegliedert ist. Die restlichen zogen in andere, für sie neue Wohngruppen. Nach zweijähriger Projektlaufzeit lag die Quote der tatsächlich erfolgten Reintegrationen bei 15% (35 von 237 Personen). Die Suche und Ausgestaltung
39 geeigneter Wohnsettings im Anschluss an die TWG­Phase erfolgte offenbar vor allem im dritten Projektjahr. Dagegen stellten sich die Verhaltensänderungen bei den Teilnehmern überwiegend in den ersten beiden Jahren in der TWG ein (s. Abschn. 6.2). Die Trägerbefragung ergab, dass in den ersten zwei Jahren kein einziger Teilnehmer einer TWG von dem Wohndienst eines anderen Trägers aufgenommen worden war. Die Träger TWG erklären die Ablehnung, die Teilnehmer TWG durch andere Träger und Wohndienste erfahren, mit fehlenden finanziellen Anreizen bzw. unwägbaren finanziellen Risiken, mit der Stigmatisierung der Bewohner TWG, der mangelnden Akzeptanz der Teilnehmer TWG bei den Angehörigen potenzieller Mitbewohner, mit mangelhaften Kompetenzen der Mitarbeiter anderer Wohndienste oder unzureichenden strukturellen Standards (z.B. räumliche Situation, Personalausstattung, Regeln des Zusammenlebens). Zudem sind in Tab. 6/1 die großen Diskrepanzen zwischen den Einrichtungen augenfällig, die hinsichtlich beider Reintegrationsquoten bestehen und auch innerhalb der gleichen Einrichtung zwischen beiden Quoten vorliegen können. Möglichen Erklärungen wird im Kap. 7 nachgegangen. Mögliche und tatsächliche Reintegrationen nach Einrichtungen Reintegration als möglich bewertet „ Erfolg“ Reintegration als nicht möglich bewertet Tatsächlich erfolgte Reintegration „ kein Erfolg“ n = 188 Personen 37% 19 63% n = 224 Personen 5 17% Einrichtung 01 (A) 11 Einrichtung 02 (E) 1 11% 8 89% 2 17% Einrichtung 03 (B) 0 9 13 100% 29% 1 32 0% 71% 16 7% 33% Einrichtung 05 (F) 21 95% 1 5% 2 8% Einrichtung 06 (G) 0 0 3 n.a. 12% 0 23 n.a. 88% 35 n.a. 97% Einrichtung 08 (C) 1 5% 19 95% 3 10% Einrichtung 09 (K) 8 9 4 53% 40% 6 6 47% 60% 1 33% 8% 103 55% 85 45% 71 32% Einrichtung 04 (H) Einrichtung 07 (D) Einrichtung 10 (L) Tab. 6/1: Mögliche und tatsächliche Reintegrationen nach Einrichtungen Die Quote der als möglich bezeichneten Reintegrationen deckt sich in etwa mit der Prognose der Reintegration, die von den Einrichtungen nach zweijähriger Laufzeit im Sommer 2004 abgegeben wurde (s. Abb. 6/2). Auf einer dreistufigen Skala sollte dabei die Wahrscheinlichkeit einer Reintegration in „normale“ Wohnsettings angegeben werden: Voraussichtliche Reintegration (grün), Reintegration eventuell langfristig möglich (gelb), voraussichtlich keine Reintegration möglich (rot).
40 Prognose der Reintegration Ampelprognose der Mitarbeiter TWG (255 Personen) 40% 36,1% Anteil der Personen 35% 92 30% 26,3% 25% 20% 18,4% 15% 47 67 12,9% 10% 6,3% 5% 33 16 0% voraussichtlich keine Abb. 6/2: eventuell langfristig möglich voraussichtlich möglich reintegriert k.A. Prognose der Integration der Teilnehmer in „normale“ Wohnsettings durch die Mitarbeiter TWG im Sommer 2004 In der folgenden Tab. 6/3 wird für verschiedene psychische Störungen der Anteil der Personen dargestellt, der das Erfolgskriterium „Reintegration möglich“ erfüllt: Psychische Störungen und das Erfolgskriterium „ Reintegration möglich“ Schizophrenie Autismus andere psych. Störung keine Diagnose einer psych. Störung Erfolg 18 (60%) 10 (53%) 34 (60%) 41 (50%) kein Erfolg 12 (40%) 9 (47%) 23 (40%) 41 (50%) fehlende Angaben 25 6 11 25 Personen insgesamt 55 25 68 107 Korrelation mit Erfolgskriterium Tab. 6/3: 0,05 ­0,01 0,06 ­0,08 Zusammenhang zwischen dem Erfolgskriterium „Reintegration möglich“ und psychischen Störungen der Teilnehmer Die Teilnehmer mit schizophrenen oder autistischen Störungen haben in etwa den gleichen Anteil an Erfolg versprechenden Reintegrationskandidaten wie die Personen mit „anderen“ psychischen Störungen oder der Personenkreis, bei dem keine psychiatrische Diagnose vorliegt. Allerdings ist bei letzterer Gruppe nicht immer eindeutig geklärt, ob keine klassifizierbare psychische Störung vorliegt oder ob auf eine psychiatrische Klassifizierung, z.B. von auffälligem Sozialverhalten, verzichtet wurde. Die Korrelationen der verschiedenen Gruppen mit dem Erfolgskriterium liegen alle nahe Null. Im Modellversuch ist die Art der psychischen Störung kein guter Indikator für das obige Erfolgskriterium. 6.1.2 Teilhabe: Beschäftigung Ein wichtiger Schritt für die Reintegration in allgemeine Wohnformen und Wohndienste ist die Beibehaltung bzw. Wiederaufnahme einer Beschäftigung außerhalb der Wohnung. 85% der
41 Teilnehmer sind zum Abschluss des Modellversuchs außerhalb der TWG beschäftigt (s. Abb. 6/4). Von ihnen arbeiten 41% im Arbeitsbereich einer WfbM. 39% sind in einem Förder­ und Betreuungs­ bereich, 17% anderweitig auswärts beschäftigt (vor allem in Regiebetrieben – Hauswirtschaft, Landwirtschaft, Garten – oder in heilpädagogischen Fördergruppen; s. Abb. 6/5). Arbeit und Beschäftigung innerhalb und außerhalb der TWG 80% Anteil der Personen 70% 60% Zeitpunkt 1: 255 Personen Zeitpunkt 4: 211 Personen Zeitpunkt 5: 196 Personen 59% 56% 49% 50% 40% 40% 29% 30% 15% 20% 10% 6% 16% 9% 11% 1% 3% 0% ohne Tagesstruktur ausschl. innerhalb ausschl. außerhalb der Wohngruppe der Wohngruppe Abb. 6/4: innerhalb und außerhalb der Wohngruppe Anteil der Teilnehmer in Arbeits­ und Beschäftigungsangeboten innerhalb und außerhalb der TWG Verteilung auf Beschäftigungsangebote außerhalb der TWG 80% Zeitpunkt 1: 191 Personen Anteil der Personen 70% Zeitpunkt 4: 188 Personen 60% Zeitpunkt 5: 165 Personen 48% 50% 41% 37% 40% 30% 39% 36% 23% 20% 10% 23% 22% 17% 8% 3% 2% 0% Schule Abb. 6/5: WfbM FuB andere Verteilung der außerhalb der Wohngruppe tätigen Teilnehmer auf Beschäftigungsangebote (in Prozent)
42 Die hohe Integrationsquote in Beschäftigungsangebote wurde erreicht durch: §
eine Flexibilisierung der Beschäftigungszeiten. 56% der Teilnehmer arbeiten bis zu 4,5 Stunden täglich, nur 17% Vollzeit in der WfbM bzw. anderen Beschäftigungsangeboten (s. Abb. 6/6). §
eine Anpassung der Tätigkeiten, Arbeits­ bzw. Beschäftigungsplätze und der betrieblichen Regelungen an die individuellen Kompetenzen und Bedürfnisse der Teilnehmer, §
eine stärkere Unterstützung individueller Tagegestaltungen, die von der TWG organisiert werden, in der verbleibenden „freien“ Zeit. Der Modellversuch eröffnet den Teilnehmern und Mitarbeitern der TWG zusätzliche Möglichkeiten, für Begleitung individuell strukturierter Tagesläufe. Die von den TWG organisierten Maßnahmen nehmen täglich 1 bis 4 Stunden in Anspruch. Diese Maßnahmen werden in Erwartung des Umzugs in andere Wohnformen zugunsten einer Erhöhung der Beschäftigungszeit außerhalb der TWG reduziert (s. Abb. 6/7). Anteil der Personen Tägliche Arbeits­ bzw. Beschäftigungszeit außerhalb der Wohnung 80% Zeitpunkt 1: 187 Personen 70% Zeitpunkt 4: 187 Personen 60% Zeitpunkt 5: 162 Personen 50% 36% 31% 33% 40% 30% 24% 21% 20% 28% 26% 22% 20% 24% 18% 17% 10% 0% 1,0 ­ 2,5 3,0 ­ 4,5 5,0 ­ 6,5 >= 7,0 tägliche Stundenanzahl Abb. 6/6: tägliche Arbeits­ bzw. Beschäftigungszeit der außerhalb der TWG tätigen Bewohner (in Prozent)
43 Dauer der tagesstrukturierenden Begleitung durch die TWG 80% Zeitpunkt 1: 76 Personen Anteil der Personen 70% 61% 56% 60% Zeitpunkt 4: 105 Personen 50% 40% Zeitpunkt 5: 77 Personen 45% 33% 31% 31% 30% 20% 8% 10% 2% 4% 5% 3% 5% 0% 1,0 ­ 2,5 3,0 ­ 4,5 5,0 ­ 6,5 >= 7,0 tägliche Stundenanzahl Abb. 6/7: 6.1.3 Dauer der Begleitung durch die TWG (in Stunden) bei Bewohnern mit interner Tagesstrukturierung (in Prozent) Teilhabe: soziales Netzwerk der Teilnehmer Der Anteil der Teilnehmer mit Kontakten zu Angehörigen blieb über alle Zeitpunkte hinweg in etwa konstant bei 85% (± 1%; vgl. Tab. 6/8). Von diesen Teilnehmern stehen 60% wöchentlich bis monatlich in Kontakt zu Eltern und/oder Geschwistern – andere Verwandtschaftskontakte fallen zahlenmäßig kaum ins Gewicht. Die Angehörigenkontakte sind über die Modelllaufzeit erhalten geblieben, sind im Schnitt aber nicht häufiger geworden. Es gab nur kleine Verschiebungen innerhalb der Angehörigenkategorien (s. Abb. 6/9 & 6/10). Personen mit Personen ohne Kontakten zu Ang. Kontakten zu Ang. Zeitpunkt 1 208 [...] (84%) 40 [...] (16%) [...] Gesamtzahl aller Personen 248 [...] Zeitpunkt 4 180 (85%) 32 (15%) 212 Zeitpunkt 5 163 (84%) 31 (16%) 194 Tab. 6/8: Anzahl und Anteil der Teilnehmer mit und ohne Kontakt zu Angehörigen vor (Zeitpunkt 1) und während der TWG (Zeitpunkt 4 und 5)
44 Anteil der Angehörigenkontakte bezogen auf alle Bewohner Anteil der Personen mit entspr. Kontakt 100% 90% 80% Zeitpunkt 1: 248 Personen 72% 71% 70% Zeitpunkt 4: 212 Personen 70% Zeitpunkt 5: 194 Personen 60% 51% 49% 50% 40% 40% 30% 20% 10% 5% 6% 5% 6% 7% 6% 10% 6% 5% Großeltern Onkel/Tante andere 0% Eltern Abb. 6/9: Geschwister Anteil der Angehörigenkontakte hinsichtlich aller Bewohner Anteil der Angehörigenkontakte (nur Personen mit Kontakten) Anteil der Personen mit entspr. Kontakt 100% 90% 86% 84% 83% Zeitpunkt 1: 208 Personen 80% Zeitpunkt 4: 180 Personen 70% 61% 58% 60% Zeitpunkt 5: 163 Personen 48% 50% 40% 30% 20% 10% 6% 7% 6% 7% 8% 7% 13% 7% 6% Großeltern Onkel/Tante andere 0% Eltern Geschwister Abb. 6/10: Anteil der Angehörigenkontakte wenn nur die Personen mit Kontakten als Vergleichsbasis berücksichtigt werden
45 Häufigkeit der Angehörigenkontakte Zeitpunkt 1: 208 Personen 60% Zeitpunkt 4: 180 Personen Anteil der Personen 50% Zeitpunkt 5: 163 Personen 41% 40% 30% 31% 28% 24% 32% 31% 34% 31% 27% 20% 7% 6% 7% 10% 0% wöchentlich monatlich zwei/drei Mal jährlich seltener Abb. 6/11: Häufigkeit der Kontakte bei Teilnehmern mit Angehörigenkontakten Nur 29% der Teilnehmer unterhalten freundschaftliche Kontakte zu Mitbewohnern (Zeitpunkt 5). Schon in der Herkunftswohngruppe war dieser Anteil mit 28% gering (Zeitpunkt 1). Dagegen ist der Prozentanteil der Teilnehmer mit freundschaftlichen Beziehungen außerhalb der Wohngruppe von 18% (Zeitpunkt 1) auf 26% (Zeitpunkt 5) gestiegen (s. Abb. 6/12). Das überrascht zunächst, ist doch ein Umzug in der Regel mit einer Neuorganisation sozialer Beziehungen verbunden. Da die meisten Neubewohner TWG ihr bisheriges Wohnumfeld, das Gelände einer Komplexenrichtung, nicht verlassen haben, kommt es seltener zu Beziehungsumbrüchen als erwartet. Alte Beziehungen werden weiter gepflegt. Neben anderen Faktoren mag das zum Anstieg der – immer noch bescheidenen – Teilnehmerzahl mit Bekannten und Freunden außerhalb der TWG beigetragen haben. Mit zunehmender Wohndauer sind bei einer wachsenden Zahl von Bewohnern persönliche Präferenzen zu Mitarbeitern erkennbar. Aus Sicht der Mitarbeiter bevorzugen 56% der Teilnehmer eindeutig bestimmte Mitarbeiter in der Wohngruppe. Bei 37% registrieren die Mitarbeiter der TWG eindeutige Präferenzen unter den Mitarbeitern in anderen Lebensbereichen. Die Aufrechterhaltung bzw. Entwicklung persönlicher Beziehungen zu Assistenten / Betreuern ist ein wichtiger rehabilitativer Faktor, der für effektive zukünftige Lösung genutzt werden sollte.
46 Kontakte zu Freunden und Mitarbeitern innerhalb und außerhalb der TWG 70% Zeitpunkt 1: 250 Personen 56% 54% 60% Anteil der Personen Zeitpunkt 4: 212 Personen 50% Zeitpunkt 5: 194 Personen 45% 36% 37% 40% 30% 33% 29% 28% 28% 26% 25% 18% 20% 10% 0% Kontakte zu Kontakte zu anderen Bevorzugung von Bevorzugung von Mitbewohnern in der Personen außerhalb der Mitarbeitern in der TWG Mitarbeitern außerhalb TWG TWG der TWG Abb. 6/12: Anteil der Teilnehmer mit Kontakten zu Freunden und Mitarbeitern innerhalb und außerhalb der TWG 6.2 Herausforderndes Verhalten 6.2.1 Anzahl herausfordernder Verhaltensweisen eines Bewohners Zeitpunkt Mittelwert Median Standard­ abweichung Reduktion von HV im Vergleich zum vorherigen Zeitpunkt insgesamt im Mittel pro Person 1 22,7 22 9,0 2 19,7 18 9,3 – 526 – 2,3 (n=224) 3 19,4 18 9,8 – 244 – 1,1 (n=223) 4 18,4 17 8,7 – 203 – 1,0 (n=200) 5 18,7 17 8,4 – 54 – 0,3 (n=177) Tab. 6/13: Entwicklung der Anzahl herausfordernder Verhaltenweisen der Teilnehmer Im Verlauf des Modellversuches nimmt die (durchschnittliche) Anzahl herausfordernder Verhaltens­ weisen der Teilnehmer bis zum Zeitpunkt 4 kontinuierlich ab (s. Tab. 6/13). Mit diesen Daten wurden t­Tests für abhängige Stichproben durchgeführt. Dabei wurden die Mittelwerte aller Zeitpunkte wechselseitig miteinander verglichen. Mit Ausnahme des Unterschiedes zwischen Zeitpunkt 4 und 5 sind alle Mittelwertsunterschiede signifikant auf dem 1%­Niveau. Über die Zeit ist eine statistisch bedeutsame Reduktion der herausfordernden Verhaltensweisen von 22 auf 17 zu beobachten. Die Tabelle 6/14 enthält die 10 HV, die am Ende des Aufenthalts in der TWG am stärksten unter den Teilnehmern verbreitet sind. Im Vergleich zu der Rangreihe am Beginn des TWG­Aufenthaltes gibt es
47 kaum Änderungen (vgl. Kap. 4.10). Auffällig ist, dass „ständige motorische Unruhe, Körper­ bewegungen, Schaukeln“ am Ende des TWG­Aufenthalts nicht mehr unter den 10 häufigsten HV zu finden ist. Rangreihe der herausfordernden Verhaltensweisen zum Zeitpunkt 5 (n=193 Personen) Anzahl der Nennungen Anteil % herausforderndes Verhalten 132 68% 5.1 Geringe Konzentrationsfähigkeit, fehlende Ausdauer 120 62% 5.2 Leichte Ermüdbarkeit, geringe Belastbarkeit 120 62% 2.17 Gefühlsausbrüche 116 60% 3.7 105 54% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen ... 100 52% 3.4 95 49% 2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer 94 49% 4.3 Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum 94 49% 3.1 Drohende Gebärden 93 48% 4.2 Gegen Möbel oder Fenster treten/schlagen 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen Schlagen, Treten, Kneifen Handgreifliche Wutausbrüche Tab. 6/14: Rangreihe der Verbreitung herausfordernden Verhaltensweisen unter den Teilnehmern zum Zeitpunkt 5 (n=193 Personen)
48 6.2.2 Häufigkeit des SHV Die Häufigkeit der als schwerwiegend bewerteten Verhaltensweisen nimmt über die Zeitpunkte ab (vgl. Abb. 6/15). Vermehrt wird beobachtet, dass solche Verhaltensweisen gar nicht mehr oder nur noch ein­ bis zweimal im Monat auftreten. Entsprechend fällt die Häufigkeit der SHV, die „unentwegt“ – d.h. öfter als zweimal täglich – gezeigt werden von 28% vor dem Einzug in die TWG auf 9% am Ende des TWG­Aufenthaltes (Zeitpunkt 5). Häufigkeit des SHV Zeitpunkt 1: 1847 Nennungen Zeitpunkt 3: 1804 Nennungen Zeitpunkt 4: 1626 Nennungen Zeitpunkt 5: 1479 Nennungen 40% Anteil der Nennungen 35% 30% 25% 20% 28% 22% 21% 19% 19% 14% 15% 11% 10% 22% 20% 19% 21% 20% 20% 18% 17% 19% 18% 8% 11% 11% 9% 8% 12% 9% 5% 0% nicht aufgetreten 1­2x im Monat 1x pro Woche mehrmals 1­2x täglich unentwegt pro Woche Abb. 6/15: Entwicklung der Häufigkeit der als schwerwiegend bewerteten herausfordernden Verhaltensweisen der Teilnehmer Im Vergleich zur Rangreihe SHV nach Einzug in die TWG (s. Kap. 4.10) fällt bei der folgenden Tabelle 6/16 auf, dass: §
„ständige motorische Unruhe, Körperbewegungen, Schaukeln“ (Platz 4 zum Zeitpunkt 2) nicht mehr unter den zehn verbreitesten SHV zu finden sind, §
„rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen“ das Item „handgreifliche Wutausbrüche“ als am weitesten verbreitete SHV ablösen, §
selbst verletzende Verhaltensweisen nicht in der Form des „Sich Beißen, Kratzen“ sondern in der Form des „Sich Schlagen, Kneifen“ auftauchen, §
handgreifliche Wutausbrüche relativ weniger, Gefühlsausbrüche relativ häufiger am Ende der TWG­Zeit bei Teilnehmern registriert werden.
49 Rangreihe schwerwiegend bewerteter HV zum Zeitpunkt 5 (n=193 Personen) Anzahl der Nennungen Anteil % schwerwiegendes herausforderndes Verhalten 72 37% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen ... 64 33% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen 61 32% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche 58 30% 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen 51 26% 2.17 Gefühlsausbrüche 49 25% 4.3 48 25% 2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer 47 24% 2.7 45 23% 1.15 Schlagen, Kneifen (sich selbst) 43 22% 2.15 Aufsässiges Verhalten, „Führungsresistenz“ Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum Anhaltendes Schreien, Brummen, Lautieren Tab. 6/16: Rangreihe der Verbreitung von als schwerwiegend bewerteten HV unter den Teilnehmern zum Zeitpunkt 5 (n=193 Personen) Der Frage, welche Verhaltensweisen leichter zu beeinflussen sind und welche sich als veränderungs­ resistenter erweisen, wird im Kapitel 7 (Prognosefaktoren) nachgegangen. 6.2.3 Gefährdungspotenzial des SHV Nicht nur die Häufigkeit, sondern auch das Gefährdungspotenzial des SHV nimmt ab. Führten vor dem Einzug in die TWG 27% der als schwerwiegend bewerteten Verhaltensweisen zu hochkritischen Situationen, sind es vor dem Auszug (Zeitpunkt 5) noch 14%. Der Anteil der SHV, die eine eher leichte Gefährdung nach sich ziehen, steigt von 32% auf 48% (vgl. Abb. 6/17). Gefährdungspotential des SHV Anteil der Nennungen 80% Zeitpunkt 1: 1847 Nennungen 70% Zeitpunkt 4: 1626 Nennungen 60% Zeitpunkt 5: 1479 Nennungen 46% 48% 50% 40% 38% 32% 32% 29% 30% 20% 27% 14% 14% 10% 0% leichte Gefährdung ernste Gefährdung hochkritische Situation Abb. 6/17: Entwicklung des Gefährdungspotenzials der als schwerwiegend bewerteten herausfordernden Verhaltensweisen der Teilnehmer
50 6.2.4 Einschätzung der Verhaltensänderungen durch die Mitarbeiter TWG Erreichen der angestrebten Verhaltensziele Nach Angaben der Mitarbeiter der TWG haben 19% der Teilnehmer die angestrebten Verhaltens­ änderungen zum Zeitpunkt 5 vollständig erreicht. Bei 61% wurden diese zumindest teilweise erreicht. Bei 16% der Teilnehmer wurden kaum Fortschritte registriert (s. Abb. 6/18). Zielsetzungen hinsichtlich der angestrebten Verhaltensänderungen wurden ... 100% Zeitpunkt 3: 240 Personen 90% 77% 80% 80% Zeitpunkt 4: 212 Personen Anteil der Personen Zeitpunkt 5: 196 Personen 70% 61% 60% 50% 40% 30% 20% 19% 20% 10% 16% 11% 8% 2% 0% vollständig erreicht teilweise erreicht nicht oder kaum erreicht Abb. 6/18: Einschätzung der Verwirklichung angestrebter Verhaltensziele bei den Teilnehmern durch die Mitarbeiter der TWG Entwicklung der Verhaltensprobleme Gefragt nach der Entwicklung von Verhaltensproblemen nehmen die Mitarbeiter schon zum Zeitpunkt 3 (ein Jahr nach Aufnahme in die TWG) bei etwas mehr als der Hälfte aller Personen (ca. 54%) eine Besserung des Verhaltens im Vergleich zum vorhergehenden Messzeitpunkt 2 wahr. Im zweiten Jahr wird erneut bei der Hälfte der Teilnehmer eine weitere Verbesserung der Verhaltensweisen konstatiert (Zeitpunkt 4). Noch im dritten Jahr (Zeitpunkt 5) liegt der Anteil der Personen mit Verhaltensfortschritten seit der letzten Datenerhebung bei 43% Die Frage nach der Verhaltensentwicklung im Vergleich zum vorherigen Messzeitpunkt schließt eine kumulative Einschätzung ein. Wenn bereits zum vorherigen Zeitpunkt positive Veränderungen wahrgenommen wurden, steigt das „Niveau“ der nachfolgenden Bewertungen, auch wenn diese auf den ersten Blick kleinere Prozentwerte aufweisen. Wahrgenommene Verbesserungen z.B. zum Zeitpunkt 4 und die darauffolgende Einschätzung zum Zeitpunkt 5 sind als additiv anzusehen (s. auch Abb. 6/19).
51 Einschätzung der Verhaltensentwicklung Zeitpunkt 3 (verglichen mit 2): 240 Personen Zeitpunkt 4 (verglichen mit 3): 212 Personen Zeitpunkt 5 (verglichen mit 4): 196 Personen 60% 51% 51% 50% Anteil der Personen 50% 41% 41% 40% 38% 30% 20% 10% 5% 7% 5% 3% 1% 0% 0% 1% 5% 0% viel schlechter schlechter gleich besser viel besser Abb. 6/19: Einschätzung der Verhaltensentwicklung relativ zum vorherigen Zeitpunkt 6.2.5 Schwerwiegendes herausfordernden Verhaltens bei Schizophrenie und Autismus SHV bei Teilnehmern mit schizophrener Störung Im Laufe des Modellversuchs ist das Gefährdungspotenzial SHV bei Teilnehmern mit schizophrenen Störungen im Vergleich zu anderen Teilnehmern überproportional stark gesunken (s. Abschn. 6.2.3, vgl. mit Abb. 6/22). Die Rangreihe der am stärksten verbreiteten SHV und die Vorkommenshäufigkeit einzelner Verhaltensweisen haben sich deutlich verändert. Die Anzahl der Personen mit schizophrener Störung, die bei Wutausbrüchen handgreiflich werden oder die durch ihre ständige motorische Unruhe andere schwerwiegend beeinträchtigen, ist stark zurückgegangen (vgl. Tab. 6/20 mit Tab. 6/21). „Drohende Gebärden“ und „Fluchen, verbale Aggressivität“ kommen als SHV bei Menschen mit schizophrener Störung häufiger vor als bei anderen. Zuverlässige Aussagen über die Veränderbarkeit von SHV bei diesem Personenkreis können jedoch erst dann getroffen werden, wenn zu verschiedenen Zeitpunkten bei den identischen Personen die SHV ausgewertet werden (Paneldesign). Die hier ausgewertete Stichprobe zum Zeitpunkt 1 umfasst wesentlich mehr und damit auch andere Personen als die zum Zeitpunkt 5. Die Auswertung dieser Trenderhebung lässt vermuten, dass es Teilnehmern mit geistiger Behinderung und schizophrener Störung überproportional gut gelungen ist, sich sozial verträglicher zu verhalten.
52 Anzahl der Nennungen Anteil % schwerwiegende herausfordernde Verhaltenweisen bei Teilnehmern mit schizophrener Störung 25 45% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche 19 35% 2.6 Ständige motorische Unruhe, Körperbewegungen im Einschlafstadium/Schaukeln 17 31% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen ... 17 31% 2.17 Gefühlsausbrüche 16 29% 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen 15 27% 3.7 13 24% 2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer 12 22% 2.15 Aufsässiges Verhalten, „Führungsresistenz“ 11 20% 1.2 11 20% 1.16 Beißen, Kratzen (sich selbst) 1.7 Gefahr durch Weglaufen, Streunen Schlagen, Treten, Kneifen Sich zurückziehen, Meiden bestimmter anderer Personen Tab. 6/20: Rangreihe der Verbreitung von als schwerwiegend bewerteten HV unter den Teilnehmern mit schizophrener Störung zum Zeitpunkt 1 (n=55 Personen) Anzahl der Nennungen Anteil % schwerwiegende herausfordernde Verhaltenweisen bei Teilnehmern mit schizophrener Störung 12 36% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen ... 12 36% 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen 11 33% 3.1 11 33% 2.17 Gefühlsausbrüche 11 33% 2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer 10 30% 2.14 Fluchen, verbale Aggressivität 9 27% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen 9 27% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche 9 27% 5.5 Angst vor Leistungsanforderungen 9 27% 5.4 Arbeitsverweigerung, ­flucht Drohende Gebärden Tab. 6/21: Rangreihe der Verbreitung von als schwerwiegend bewerteten HV unter den Teilnehmern mit schizophrener Störung zum Zeitpunkt 5 (n=33 Personen)
53 Gefährdungspotential des SHV bei Personen mit " Schizophrenie" 80% Zeitpunkt 1: 430 Nennungen 70% Anteil der Nennungen Zeitpunkt 4: 303 Nennungen 60% 53% 45% 50% 37% 40% 30% Zeitpunkt 5: 249 Nennungen 34% 28% 32% 24% 20% 14% 14% 10% 0% leichte Gefährdung ernste Gefährdung hochkritische Situation Abb. 6/22: Gefährdungspotenzial der als schwerwiegend bewerteten herausfordernden Verhaltensweisen bei Personen mit schizophrener Störung zu verschiedenen Zeitpunkten SHV bei Teilnehmern mit autistischer Störung Das Gefährdungspotenzial SHV von Menschen mit autistischer Störung ist weniger stark gesunken als bei den anderen Teilnehmern. Die Auswertung der Trenderhebung zeigt, dass die Vorkommens­ häufigkeit der 10 beim Einzug am stärksten verbreiteten SHV gleich geblieben oder sogar gestiegen ist. Die Anzahl der Menschen mit autistischer Störung, die eigenes oder fremdes Eigentum zerstören oder sich selbst schlagen oder kneifen hat zugenommen. Auch hier gilt, dass erst eine Panelauswertung, ein Vergleich der SHV zu verschiedenen Messzeitpunkten bei den exakt gleichen Personen, Aufschluss über die Veränderbarkeit von Verhaltensweisen bei diesem Personenkreis geben kann. Außerdem ist die Stichprobe der Personen mit autistischer Störung zu klein (Zeitpunkt 1: n=25; Zeitpunkt 5: n=19), um verallgemeinerbare Aussagen zu treffen. Die Auswertung der Trenderhebung lässt vermuten, dass Menschen mit geistiger Behinderung und autistischer Störung ihre als schwerwiegend bewerteten HV weniger stark verändern als andere Teilnehmer.
54 Anzahl der Nennungen Anteil % schwerwiegende herausfordernde Verhaltenweisen bei Teilnehmern mit autistischer Störung 13 52% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen ... 9 36% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche 8 32% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen 7 28% 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen 7 28% 1.2 Sich zurückziehen, Meiden bestimmter anderer Personen 6 24% 2.7 Anhaltendes Schreien, Brummen, Lautieren 6 24% 5.4 Arbeitsverweigerung, ­flucht 5 20% 2.6 Ständige motorische Unruhe, Körperbewegungen im Einschlafstadium/Schaukeln 5 20% 4.3 Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum 5 20% 1.4 Soziales Desinteresse 1.27 Andere Tab. 6/23: Rangreihe der Verbreitung von als schwerwiegend bewerteten HV unter den Teilnehmern mit autistischer Störung zum Zeitpunkt 1 (n=25 Personen) Anzahl der Nennungen Anteil % schwerwiegende herausfordernde Verhaltenweisen bei Teilnehmern mit autistischer Störung 12 63% 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen ... 9 47% 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche 8 42% 4.3 Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum 7 37% 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen 5 26% 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen 5 26% 1.15 Schlagen, Kneifen (sich selbst) 5 26% 1.2 5 26% 2.14 Fluchen, verbale Aggressivität 5 26% 3.14 Werfen, Schlagen mit harten schweren Gegenständen/Gegenstände als Waffen benutzen 5 26% 2.7 Sich zurückziehen, Meiden bestimmter anderer Personen Anhaltendes Schreien, Brummen, Lautieren Tab. 6/24: Rangreihe der Verbreitung von als schwerwiegend bewerteten HV unter den Teilnehmern mit autistischer Störung zum Zeitpunkt 5 (n=19 Personen)
55 Gefährdungspotential des SHV bei Personen mit " Autismus" 80% Zeitpunkt 1: 185 Nennungen 70% Anteil der Nennungen Zeitpunkt 4: 153 Nennungen 60% Zeitpunkt 5: 150 Nennungen 50% 40% 42% 43% 36% 36% 32% 29% 30% 27% 16% 15% 20% 10% 0% leichte Gefährdung ernste Gefährdung hochkritische Situation Abb. 6/25: Gefährdungspotenzial der als schwerwiegend bewerteten herausfordernden Verhaltensweisen bei Personen mit autistischer Störung zu verschiedenen Zeitpunkten 6.2.6 Medikation 93% der Teilnehmer nehmen regelmäßig Psychopharmaka; 63% bei Bedarf. Im Mittel nehmen die Teilnehmer regelmäßig 2,8 Medikamente zu sich. Dieser Kennwert ändert sich im Laufe des Modellversuchs nicht. Auf der Ebene der Einzelpersonen kommt es jedoch laufend zu Anpassungen der Medikation. Z.B. verändert sich die Anzahl der regelmäßig eingenommenen Medikamente bei 86 Personen. Die Tabelle 6/26 zeigt die durchschnittliche Entwicklung der Medikation für die Verabreichung regelmäßiger Medikamente an. Die Erhöhung des Mittelwertes bei Zeitpunkt 4 und 5 kommt durch zwei Personen zustande, die angeblich 11 Medikamente einnehmen müssen. Zieht man diese Werte ab, dann sind im Mittel kaum Veränderungen über die Zeit erkennbar. Bei einer Betrachtung auf der Ebene der Einzelpersonen werden sehr wohl Änderungen in der Medikation deutlich. Diese heben sich aber im Mittel wechselseitig auf. Medikamente, regelmäßige Einnahme Mittelwert Standardabw. Personen Zeitpunkt 1 2,7 1,7 247 Zeitpunkt 2 2,8 1,7 245 Zeitpunkt 3 2,8 1,7 239 Zeitpunkt 4 2,9 1,8 207 Zeitpunkt 5 2,8 1,9 192 Tab. 6/26: Anzahl der regelmäßig eingenommen Medikamente pro Bewohner zu verschiedenen Zeitpunkten
56 Die folgende Tabelle zeigt die durchschnittliche Anzahl der bedarfsweise verabreichten Medikamente pro Bewohner: Medikamente, bedarfsweise Einnahme Mittelwert Standardabw. Personen Zeitpunkt 1 0,9 0,9 246 Zeitpunkt 2 0,9 0,8 243 Zeitpunkt 3 0,9 0,9 238 Zeitpunkt 4 1,0 1,0 207 Zeitpunkt 5 0,9 0,8 194 Tab. 6/27: Anzahl der bedarfsweise eingenommen Medikamente pro Bewohner zu verschiedenen Zeitpunkten 6.2.7 Freiheitsentziehende Maßnahmen Zu den freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM) zählen Fixierungen und „Auszeiten“ der Teilnehmer. Unter einer „Auszeit“ (time out) ist eine vorübergehende Beschränkung des Bewegungsfreiraums eines Teilnehmers (z.B. auf ein Zimmer) zu verstehen. Über alle Personen hinweg betrachtet, kam es zu einer deutlichen Abnahme der FEM zwischen den Zeitpunkten 1 und 5. Wurden vor Einzug in die TWG bei 69% der Teilnehmer FEM angewandt, so ist das vor dem Auszug aus der TWG noch bei 49% der Fall (s. Tab. 6/28). Die Anzahl der regelmäßig oder bei Bedarf fixierten Personen ging von 57 auf 27 zurück (s. Tab. 6/29). Zum Zeitpunkt 5 wurden „Auszeiten“ regelmäßig bei 22 Personen eingesetzt, vor Einzug in die TWG bei 47 Personen (s. Tab. 6/29). Personen mit FEM Personen ohne FEM Gesamtzahl aller Personen Zeitpunkt 1 175 (69%) 73 (29%) 253 Zeitpunkt 2 154 (62%) 92 (37%) 249 Zeitpunkt 3 131 (55%) 109 (45%) 240 Zeitpunkt 4 113 (53%) 99 (47%) 212 Zeitpunkt 5 97 (49%) 99 (51%) 196 Tab. 6/28: absolute und relative Anzahl der Teilnehmer, bei denen freiheitsentziehende Maßnahmen (nicht) angewandt werden, zu verschiedenen Zeitpunkten vor und während des Aufenthalts in TWG Fixierung bei Bedarf Fixierung regelmäßig Gesamtzahl mit FEM Zeitpunkt 1 35 (20%) 22 (13%) 175 Zeitpunkt 2 39 (25%) 16 (10%) 154 Zeitpunkt 3 25 (19%) 14 (11%) 131 Zeitpunkt 4 19 (17%) 13 (12%) 113 Zeitpunkt 5 16 (16%) 11 (11%) 97 Tab. 6/29: Anzahl der Teilnehmer, die regelmäßig oder bei Bedarf fixiert werden, zu verschiedenen Zeitpunkten vor und während des Aufenthalts in TWG
57 Auszeiten bei Bedarf Auszeiten regelmäßig Gesamtzahl mit FEM Zeitpunkt 1 98 (56%) 47 (27%) 175 Zeitpunkt 2 92 (60%) 33 (21%) 154 Zeitpunkt 3 83 (63%) 28 (21%) 131 Zeitpunkt 4 80 (71%) 21 (19%) 113 Zeitpunkt 5 69 (71%) 22 (23%) 97 Tab. 6/30: Anzahl der Teilnehmer, die regelmäßig oder bei Bedarf in Auszeiten geschickt werden, zu verschiedenen Zeitpunkten vor und während des Aufenthalts in TWG 6.2.8 Stationäre Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern Sowohl die Anzahl wie die Länge stationärer Psychiatrieaufenthalte sind bei den Teilnehmern drastisch gesunken. Genaue Zahlen liegen von der Einrichtung H vor. Sie registrierte bei „ihren“ 30 Teilnehmern im Jahr vor Beginn des Modellversuchs 11 Psychiatrieaufenthalte mit insgesamt 643 Tagen, im ersten Jahr der TWG nur 1 Aufenthalt, der 1 Tag dauerte, im zweiten Jahr dann 1 Aufenthalt mit einer Verweildauer von 5 Tagen.
58 6.3 Entwicklung ausgewählter Kompetenzen Zu jedem Messzeitpunkt hatten die Mitarbeiter vier Kompetenzen der Teilnehmer auf einer vier­ stufigen Skala einzuschätzen. Die Häufigkeitsverteilungen der Einstufungen sind Abb. 6/31a bis Abb. 6/31d zu entnehmen. Die entsprechenden Ergebnisse für Zeitpunkt 1 sind im Abschnitt 4.11 dargestellt. Sprachverständnis zum Zeitpunkt 5 (196 Personen) 40% 34,7% 36,7% Anteil der Personen 35% 30% 72 68 24,5% 25% 48 20% 15% 10% 2,0% 5% 4 2,0% 4 0% gut eingeschränkt gering fehlend k.A. Abb. 6/31a: Einstufung auf der Kompetenzskala Sprachverständnis (a) zum Zeitpunkt 5 (bei Verlassen der TWG) Sprechfähigkeit zum Zeitpunkt 5 (196 Personen) 35% 30,1% Anteil der Personen 30% 25% 20% 24,5% 59 25,5% 50 48 17,9% 15% 35 10% 5% 2,0% 4 0% gut eingeschränkt gering fehlend k.A. Abb. 6/31b: Einstufung auf der Kompetenzskala Sprechfähigkeit (b) zum Zeitpunkt 5 (bei Verlassen der TWG)
59 Frustrationstoleranz zum Zeitpunkt 5 Anteil der Personen (196 Personen) 60% 57,1% 50% 112 40% 35,2% 30% 69 20% 10% 1,5% 4,1% 3 8 2,0% 4 0% gut eingeschränkt gering fehlend k.A. Abb. 6/31c: Einstufung auf der Kompetenzskala Frustrationstoleranz (c) zum Zeitpunkt 5 (bei Verlassen der TWG) Lenkbarkeit zum Zeitpunkt 5 (196 Personen) 60% 52,6% 50% Anteil der Personen 103 40,8% 40% 80 30% 20% 10% 3,1% 1,5% 6 0% gut eingeschränkt gering 3 fehlend 2,0% 4 k.A. Abb. 6/31d: Einstufung der Teilnehmer auf der Kompetenzskala Lenkbarkeit (d) zum Zeitpunkt 5 (bei Verlassen der TWG) Wenn man die Bewertungen vor dem Einzug in die TWG mit denen beim Auszug vergleicht, dann zeigen 22% der Teilnehmer ein verbessertes Sprachverständnis, 17,5% eine verbesserte Sprech­ fähigkeit. Die Frustrationstoleranz stieg bei 28% der Teilnehmer und für besser lenkbar werden 33% der Teilnehmer gehalten. Bei wenigen Teilnehmern kam es zu Verschlechterungen (3% bis 9% je nach Kompetenz). In Abb. 6/32 werden die einzelnen Personen gezählt, bei denen es eine
60 Verbesserung bzw. eine Verschlechterung zwischen Zeitpunkt 1 und Zeitpunkt 5 gab. Die Differenz dieser Personengruppen ist grau dargestellt. Veränderung der Kompetenzen zwischen Zeitpunkt 1 und Zeitpunkt 5 37 Differenz 43 Sprachverständnis Verbesserung 6 25 Verschlechterung 34 Sprechfähigkeit 9 39 54 Frustrationstoleranz 15 46 64 Lenkbarkeit 18 0 10 20 30 40 50 60 70 Anzahl der Personen Abb. 6/32: Anzahl der Personen mit unterschiedlichen Kompetenzeinstufungen zum Zeitpunkt 1 (Aufnahme in TWG) und Zeitpunkt 5 (Verlassen der TWG) Die Unterschiede zwischen den Mittelwerten zum Zeitpunkt 1 und 5 sind bei allen 4 Kompetenzen signifikant auf dem 1%­Niveau (s. Tab. 6/33). Mittelwerte (n = 190) Zeitpunkt 1 Standardabweichungen (n = 190) Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 1 t­Tests Zeitpunkt 5 Differenz der Signifikanz der Mittelwerte Mittelwerts­ unterschiede Sprachverständnis 2,2 1,9 0,9 0,8 – 0,3 < 1% Sprechfähigkeit 2,5 2,4 1,0 1,0 – 0,1 < 1% Frustrationstoleranz 2,9 2,7 0,5 0,6 – 0,2 < 1% Lenkbarkeit 2,7 2,4 0,5 0,6 – 0,3 < 1% Tab. 6/33: Mittelwertsunterschiede der Kompetenzskalen für Zeitpunkte 1 und 5 Die verbesserten Kompetenzeinstufungen können transaktional gedeutet deuten. Im Laufe der Zusammenarbeit entwickeln und vertiefen Bewohner und ihre professionellen Begleiter sprachliche und nicht­sprachliche Kommunikationswege. Sie verstehen es immer besser, damit das eigene Verhalten und das des Gegenübers zu regulieren (Vermeiden eskalierender Interaktionen, Prävention von HV).
61 6.4 Einschätzung der Lebenssituation Ab dem Zeitpunkt 3 (ein Jahr nach Einzug in die TWG) wurden die Mitarbeiter TWG zu jedem Messzeitpunkt explizit nach der Entwicklung der Lebenssituation der Teilnehmer gefragt. Hier ist im Verlauf des Modellversuchs eine positive Tendenz zu verzeichnen. Zum Zeitpunkt 5 hat sich die Lebenssituation im Vergleich zur Aufnahme in die TWG bei 64% der Teilnehmer verbessert, bei 14% sogar stark verbessert. Bei 19% der Teilnehmer ist sie gleich geblieben und nur bei 2% wird eine Verschlechterung wahrgenommen (s. Abb. 6/34). Schon zum Zeitpunkt 3 wurde bei zwei Drittel der Personen eine Verbesserung der Lebenssituation im Vergleich zum Zustand bei der Aufnahme festgestellt. Anteil der Personen Vergleich der Lebenssituation zum Zeitpunkt 5 mit Zustand bei Aufnahme (196 Personen) 70% 63,8% 60% 125 50% 40% 30% 18,9% 20% 14,3% 37 10% 0,5% 1 0% viel schlechter 1,5% 28 3 schlechter gleich besser viel besser Abb. 6/34: Vergleich der Lebenssituation der Teilnehmer zum Zeitpunkt 5 (Beendigung des Aufenthalts) mit der bei der Aufnahme gemäß den Einschätzungen der Mitarbeiter
62 7 Prognose der Integration und Veränderungen der herausfordernden Verhaltensweisen Dieses Kapitel gliedert sich in drei Teilen: 1) prognostische Faktoren aus Sicht der Leitung und Mitarbeiter therapeutischer Wohngruppen 2) Prognosevariablen für die Reintegration in übliche Wohnformen und die Veränderung heraus­ fordernder Verhaltensweisen 3) Veränderung herausfordernden Verhaltens: Häufigkeit, Gefährdungspotenzial schwer wiegender herausfordernder Verhaltensweisen; Veränderbarkeit spezieller Verhaltensweisen 7.1 Prognostische Faktoren aus Sicht der Leitung und Mitarbeiter Therapeutischer Wohngruppen In der Trägerbefragung gaben Leitungskräfte und Mitarbeiter Therapeutischer Wohngruppen an, welche Personenmerkmale die Reintegration von Teilnehmern in weniger aussondernde Wohn­ und Betreuungsformen erleichtern und welche sie erschweren. Von einzelnen Trägern wurden auf diese Frage auch Merkmale der Arbeit Therapeutischer Wohngruppen und der sich anschließenden Wohnsettings benannt. Unabhängig von der Häufigkeit der Nennungen sind in Tab. 7/1 diese Antworten zusammengefasst. Aus Sicht der Mitarbeiter TWG haben die Auswirkungen und die Beeinflussbarkeit herausfordernder Verhaltensweisen (durch den Akteur selbst und von außen) einen prognostischen Wert für die Reintegration. Diese Variablen indizieren das Ausmaß der Herausforderung bzw. der Verfestigung des Verhaltens und zusammen mit dem Faktor „Länge der Vorgeschichte“ das Stadium seiner Entwicklung. Der Grad der geistigen Behinderung scheint für die Mitarbeiter ein Indikator für soziale, kommunikative und Selbststeuerungskompetenzen der Teilnehmer zu sein. Für spezifische Störungen, bei denen diese Kompetenzen häufig geringer ausgeprägt sind, wird eine ungünstige Prognose abgegeben. Ob sich die von Leitungskräften und Mitarbeitern der TWG vermuteten Zusammenhänge auch empirisch in der Stichprobe nachweisen lassen, wird im Abschnitt 7.2 dargestellt.
63 Merkmale, welche die Reintegration der TWG­Bewohner in nicht­separierende Wohnformen ... Merkmalsbereiche Herausforderndes Verhalten erleichtern erschweren kurze Vorgeschichte des HV langjährige Vorgeschichte des HV geringe oder mittelschwere Beeinträchtigung der Mitmenschen (auch bei häufigem Auftreten) Schwerwiegende, bedrohliche Auswirkungen für Person selbst und andere Personen Person verfügt über Impulskontrolle HV ist schwer steuerbar Person ist von außen lenkbar HV ist anscheinend nicht einem Zweck oder einer Absicht verbunden Vorhersagbarkeit des Verhaltens Strittige Merkmale Identifizierbarkeit der Auslöser medikamentös beeinflussbare psychische Erkrankung zwanghaftes Verhalten Unruhe (als HV) Kompetenzen & Defizite der Person leichte bis mittelgradige geistige Behinderung schwere geistige Behinderung (wegen besserer Motivation zur Selbststeuerung, schwere Störung des Kommunikations­ und Sozialverhaltens, kaum Kontakte zu Mitbewohnern leichterem Erwerb von Kompetenzen und Copingstrategien) gute kommunikative Fähigkeiten Dauer des institutionellen Wohnens Spezifische Störungen: Schädel­Hirn Trauma, Autismus, anhaltende psychiatrische Störungen Fähigkeit zur Eigenbeschäftigung junges Alter Unterstützung / Begleitung klare Diagnostik und reflektiertes eindeutiges pädagogisches Handeln permanentes Einbringen / Anbieten von Handlungsalternativen geringe Anzahl von Wohngruppen, die Unterstützungsmöglichkeit leisten können Vermittlung von Angenommensein und Verantwortlichkeit Reintegration in Tagesstruktur ist die Voraussetzung Möglichkeit, individuelle Wohn­ und Unterstützungsarrangements zu schaffen Tab. 7/1: Prognostische Faktoren, die aus Sicht der Leitungskräfte und Mitarbeiter TWG eine Reintegration der Teilnehmer in nicht­separierende Wohngruppen erleichtern oder erschweren
64 7.2 Prognosevariablen für die Reintegration in nicht­separierende Wohnformen und die Veränderung herausfordernder Verhaltensweisen Ziel der Untersuchungen ist es, Faktoren zu identifizieren, mit deren Hilfe sich die folgenden Aspekte vorhersagen lassen: a) die Reintegration in übliche, nicht separierende Wohnformen, b) die Veränderung herausfordernder Verhaltensweisen. Der Erfolg therapeutischer und Wohngruppen im Sinne der Reintegration wird durch zwei Indikatoren gemessen: 1) Erfolgskriterium: tatsächliche Reintegration in andere Wohnformen 2) strenges Erfolgskriterium: enthält im Gegensatz zum ersten Kriterium keine Personen, die nach Ende des Modellversuchs in einer homogen mit Personen mit HV zusammengesetzten Wohngruppe leben Die Veränderung herausfordernder Verhaltensweisen wird durch die Differenz der Anzahl der verschiedenartiger herausfordernder Verhaltensweisen zwischen den Zeitpunkten 5 und 1 indiziert. Die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen (FEM) wurde im Modellversuch drastisch verringert. Es wurde untersucht, mit welchen Variablen sich die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen zum Zeitpunkt 5 vorhersagen lässt. Methodische Herangehensweise Die potentiellen Prognosefaktoren lassen sich folgenden Bereichen zuordnen: §
biografische Merkmale, Diagnosen §
Kompetenzen, allgemeiner und spezielle Hilfebedarfe §
Merkmale des herausfordernden Verhaltens §
Merkmale des sozialen Netzwerks und der Lebensbereiche der Person §
spezielle Merkmale in der Hilfeplanung und Hilfeerbringung Aufgrund der Natur der Datenerhebung (fehlende experimentelle Kontrolle, „Feldcharakter“ des Modellversuches) ist es nicht möglich direkte Kausalannahmen im Sinne von Ursache und Wirkung zu machen. Über die Analyse der Zusammenhänge zwischen den oben genannten Variablen kann jedoch zumindest versucht werden, einen ersten Einblick über relevante Faktoren für die Reintegra­ tionsfähigkeit der Teilnehmer zu bekommen. Im einem ersten Schritt kamen Verfahren der Regressionsanalyse zum Einsatz. Unter Regression versteht man das Schätzen des Wertes einer Kriteriumsvariablen aus der Kenntnis der Ausprägung anderer Variablen, der sogenannten „Prädiktorvariablen“ (Prognosefaktoren). Die Schätzung einer Kriteriumsvariable (z.B. „Reintegrationserfolg“) mit Hilfe anderer Variablen funktioniert um so besser, je höher der absolute Betrag der wechselseitigen Korrelationen ist. Üblicherweise wird dabei von intervallskalierten Kriteriumsvariablen sowie einem linearen Zusammenhang ausgegangen und eine lineare Regressionsgleichung verwendet. Dieser Fall liegt allerdings im Modellversuch nicht vor. Hier sind die zentralen Kriteriumsvariablen dichotom (binär), d.h. sie können nur zwei Ausprägungen annehmen: „Erfolg“ vs. „kein Erfolg“. Eine lineare Regression würde unter diesen Bedingungen das Ergebnis verfälschen. Daher wurde auf ein alternatives Analyseverfahren zurückgegriffen, das den Besonderheiten der vorliegenden Daten besser Rechnung trägt: Die „logistische Regression“. Bedauerlicherweise liegen jedoch für dieses Verfahren keine ausreichend vollständigen Daten bei den Prognosefaktoren vor. Zwar wurden mit unterschiedlichen Sets von Prognosefaktoren verschiedene logistische Regressionsanalysen durchgeführt, aber in den meisten Fällen versagte die Schätzung der „maximum likelihood“, welches eine wichtige Voraussetzung für die Bestimmung der Koeffizienten
65 darstellt. Ohne Regressionskoeffizienten ist eine Gewichtung von Prognosevariablen und die Interpretation ihrer Bedeutung hinsichtlich der Erreichung des Zielkriteriums nicht zu ermitteln. Zumindest nicht mittels dieses Verfahrens. Im zweiten Schritt wurde deshalb ein „einfacherer“ Zugang zur Bestimmung der Abhängigkeiten zwischen den Variablen gewählt: Es wurden Korrelationen zwischen den verschiedenen Prognose­ faktoren einerseits (jeweils aus den Erhebungszeitpunkte 1 und 5) und den Kriteriumsvariablen berechnet. Die folgende Tab. 7/2 listet die Koeffizienten auf, deren Betrag größer als 0,2 ist. Nicht signifikante Korrelationen werden nur dann aufgelistet, wenn bedeutsame Zusammenhänge in der Trägerbefragung oder in der Literatur postuliert werden.
66 Tab. 7/2: Korrelation von Variablen mit den Kriteriumsvariablen für Reintegration und mit weiteren Indikatoren für Veränderungen Legende: n.s. „nicht signifikant“ *– signifikant auf 5%­Niveau, Betrag der Korrelation ist jedoch kleiner als 0,20 alle anderen Werte sind signifikant auf 5%­Niveau Erfolgskriterium Strenges Erfolgskriterium Differenz der Anzahl herausf. Verhaltensweisen (Zeitpunkt 5 – Zeitpunkt 1) Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 5 Alter / Geburtsjahr n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. Geschlecht n.s. n.s n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. Alter bei Aufnahme in e. Wohneinrichtung n.s. n.s. *– *– n.s. n.s. n.s. Grad der geistigen Behinderung n.s. n.s. 0,22 Diagnose einer psychischen Störung n.s. n.s. n.s. Diagnose Schizophrenie, schizotype Störung n.s. n.s. 0,25 Diagnose Autismus n.s. *– n.s. Diagnose medizinischer Ursachen für HV 0,33 n.s. 0,36 Variablen Anwendung freiheits­ entziehender Maßnahmen zum Zeitpunkt 5 Biografische Merkmale, Diagnosen Kompetenzen, allgemeiner und spezielle Hilfebedarfe HMB­W (Gesamtscore) *– n.s. n.s. Gestaltung sozialer Beziehungen im unmittelbaren Nahbereich 0,29 n.s. n.s. Eigenbeschäftigung 0,25 0,23 n.s. Orientierung in vertrauter Umgebung 0,24 n.s. Frustrationstoleranz n.s. 0,29 *– 0,33 n.s. 0,21 ­0,35 Lenkbarkeit *– 0,22 0,25 0,50 *– n.s. ­0,26 Pflegestufe n.s. n.s. n.s. ­0,27
67 Erfolgskriterium Strenges Erfolgskriterium Differenz der Anzahl herausf. Verhaltensweisen (Zeitpunkt 5 – Zeitpunkt 1) Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 5 absolute Anzahl der HV n.s. 0,21 0,29 0,30 ­0,53 0,38 ­0,35 Differenz der HV zwischen Zeitpunkt 5 und Zeitpunkt 1 n.s. n.s. n.s. n.s. (Identität) (Identität) ­0,25 Störungen des Essverhaltens, 1.9 n.s. 0,20 n.s. *– ­0,29 0,24 n.s. Schlagen, Kneifen (sich selbst), 1.15 *– *– *– 0,24 n.s. 0,21 *– Beißen, Kratzen (sich selbst), 1.16 n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. 0,21 ­0,22 Absichtliches Fallen, 1.17 *– *– *– n.s. n.s. n.s. ­0,24 Verschlucken von Gegenständen, 1.23 n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. ­0,23 Kotschmieren, 2.2 *– 0,24 n.s. *– n.s. 0,24 ­0,31 Kotessen, 2.3 n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. ­0,22 inadäquates An­ und Ausziehen, 2.10 *– 0,25 n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. Rituelles, zwanghaftes Verhalten, 2.11 *– n.s. 0,20 *– n.s. 0,25 n.s. Eindringen in fremde Räume, 2.13 n.s. n.s. n.s. n.s. *– 0,25 ­0,27 Aufsässiges Verhalten, 2.15 *– n.s. n.s. n.s. ­0,26 n.s. ­0,23 Ohrfeigen, 3.5 n.s. n.s. 0,20 *– *– *– *– Haare ausreißen, 3.6 n.s. n.s. *– *– n.s. 0,24 ­0,22 Werfen / Schlagen mit harten Gegenständen, 3.14 *– n.s. n.s. n.s. n.s. 0,31 ­0,24 Zerreißen von Kleidungsstücken, 4.1 n.s. 0,20 0,22 0,28 n.s. *– ­0,21 Gegen Möbel und Fenster treten / schlagen, 4.2 n.s. n.s. *– n.s. n.s. 0,25 ­0,29 Zerstören von eigenem oder fremden Eigentum, 4.3 0,21 0,27 0,23 0,23 *– 0,35 *– durchschnittl. Gefährdungspotential aller SHVs einer Person n.s. *– n.s. 0,23 ­0,35 *– *– durchschnittl. Häufigkeit aller SHVs einer Person n.s. 0,42 n.s. 0,21 n.s. n.s. n.s.
Variablen Anwendung freiheits­ entziehender Maßnahmen zum Zeitpunkt 5 Merkmale des herausfordernden Verhaltens 68 Variablen Erfolgskriterium Strenges Erfolgskriterium Differenz der Anzahl herausf. Verhaltensweisen (Zeitpunkt 5 – Zeitpunkt 1) Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 5 Zeitpunkt 5 Anwendung freiheits­ entziehender Maßnahmen zum Zeitpunkt 5 Merkmale des sozialen Netzwerks und der Lebensbereiche der Person WfbM n.s. ­0,26 n.s. ­0,26 n.s. n.s. n.s. Stundenanzahl Tagestruktur außerhalb *– n.s. *– ­0,23 n.s. n.s. *– Kontakte zu Angehörigen n.s. n.s. n.s. *– n.s. n.s. *– Freunde innerhalb der TWG n.s. n.s. n.s. n.s. 0,22 0,20 n.s. Freunde außerhalb der TWG n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. *– n.s. bevorzugte Mitarbeiter innerhalb der TWG n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. bevorzugte Mitarbeiter außerhalb der TWG n.s. n.s. n.s. n.s. 0,26 n.s. *– spezielle Merkmale in der Hilfeplanung und Hilfeerbringung Anzahl der betreuenden Mitarbeiter ­0,22 n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. Anzahl regelmäßig verab. Psychopharmaka n.s. *– n.s. n.s. ­0,23 n.s. n.s. Freiheitsentziehende Maßnahmen ­0,21 ­0,22 *– ­0,24 n.s. ­0,25 (Identität) psychotherap. Maßnahmen nach SGB V *– n.s. 0,38 n.s. Veränderung der Medikation n.s. n.s. 0,28 n.s. Vergleich jetzige Situation mit Zustand bei Aufnahme (Zeitpunkt 1) ­0,30 ­0,21 ­0,22 n.s. Vergleich Verhaltensprobleme mit denen seit der letzten Beschreibung (meist Zeitpunkt 4) n.s. n.s. ­0,21 n.s.
69 Ergebnisse Insgesamt erreichen nur wenige Korrelationen einen Wert von größer gleich + 0,2 oder kleiner gleich – 0,2. Noch weniger weisen eine Korrelation auf, die betragsmäßig stärker ist als 0,3. Zum einen mag das mit der geringen Zuverlässigkeit (Reliabilität) der Messungen durch die Vielzahl von Antwortgebern/„Ratern“ in den unterschiedlichen Einrichtungen zu tun haben. Dadurch bedingte Messfehler verschleiern mögliche Zusammenhänge. Zum anderen dürfte die Beschaffenheit des Realitätsbereichs selbst für die mäßigen Korrelationen verantwortlich sein. Die Veränderung von herausfordernden Verhaltensweisen und insbesondere die Reintegration in andere Wohnsettings sind multifaktoriell bedingt. Einzelvariablen haben nur einen vergleichsweise geringen Anteil am Zustandekommen der Ergebnisse. Reintegration in nicht­separierende Wohnsettings Entgegen oft geäußerter Erwartungen bestehen keine statistisch relevanten Zusammenhänge zwischen verschiedenen biografischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Alter bei Aufnahme in Wohneinrichtung) bzw. psychiatrischen Diagnosen (Schwere der geistigen Behinderung, Vorhandensein einer psychischen Störung, Schizophrenie, Autismus) und dem Reintegrationserfolg. Auch der allgemeine Hilfebedarf gemäß HMB­W und und die Pflegestufe korrelieren nicht mit dem Erfolg. Einzelne Kompetenzen, wie die Fähigkeit zur eigenen Beschäftigung und zur Gestaltung sozialer Beziehung im Nahbereich, die vor dem Einzug in die TWG erhoben wurden, scheinen einen gewissen Prognosewert für die Reintegration zu haben. Die Steuerungsfähigkeit des Verhaltens durch die Person selbst oder andere (Frustrationstoleranz, Lenkbarkeit) korreliert relativ hoch mit dem Reintegrationserfolg, wenn sie am Ende der TWG gemessen wird. Auf der Basis der Diagnose dieser Kompetenzen zum Aufnahmezeitpunkt ist jedoch keine Vorhersage möglich. Die Anzahl herausfordernder Verhaltensweisen korreliert negativ mit dem Reintegrationserfolg, und zwar schon bei der Aufnahme in die TWG. Einige spezielle Verhaltensweisen erschweren besonders die Reintegration in nicht separierende Settings (strenges Erfolgskriterium): sich selbst Schlagen und Kneifen, rituelles und zwanghaftes Verhalten, Ohrfeigen geben, das Zerreißen von Kleidungsstücken und die Zerstörung von eigenem und fremden Eigentum. Die Korrelationen sind signifikant, gleichwohl vergleichsweise gering im Bereich von r = – 0,2 Das Gefährdungspotenzial und die Häufigkeit der SHV einer Person korrelieren erst, wenn sie am Ende der TWG­Zeit gemessen werden, mit dem Reintegrationserfolg. Eine Prognose auf der Basis der Ausprägungen dieser Merkmale zu Beginn des TWG­Aufenthalts ist nicht möglich. Interessanterweise besteht kein positiver korrelativer Zusammenhang zwischen der Reintegration in andere Wohnsettings und der Reduktion der Anzahl herausfordernden Verhaltensweisen. Im Klartext heißt das, dass eine Therapeutische Wohngruppe sehr erfolgreich arbeiten kann in Bezug auf die Veränderung herausfordernder Verhaltensweisen, ohne dass sich für den Teilnehmer daraus jedoch eine konkrete Reintegrationsperspektive ergibt. Die Reintegration hängt neben den Auswirkungen der herausfordernd Verhaltensweisen von vielen anderen strukturellen Gegebenheiten ab: dem Engagement TWG, den Angeboten und der Bereitschaft der regionalen Wohndienste, dem Niveau der Zusammenarbeit in einem regionalen Versorgungssystem (z.B. Verbindlichkeit der Kooperation, wahrgenommene Versorgungsverpflichtung), den Anreizstrukturen in der Behindertenhilfe (flexible Bereitstellung von Ressourcen durch Leistungsträger und innerhalb der Wohndienste). Merkmale des persönlichen sozialen Netzwerks korrelieren nicht mit den Reintegrationskriterien. Die Möglichkeit eine WfbM oder eine andere auswärtige Tagesstruktur zu besuchen, ist zum Zeitpunkt der Entlassung eine wichtige Voraussetzung für die Reintegration (positive Korrelation). Die Notwendigkeit, freiheitsentziehende Maßnahmen anzuwenden, erschwert dagegen die Rückkehr in andere Wohnformen. Veränderung der herausfordernden Verhaltensweisen Die Verringerung der Anzahl herausfordernder Verhaltensweisen korreliert am stärksten mit spezifischen Leistungen der Therapeutischen Wohngruppen. Zu diesen gehören eine ausführliche Diagnose möglicher medizinischer Ursachen, eine Veränderung der Medikation und die Anwendung
70 psychotherapeutischer Maßnahmen nach SGB V. Diese Variablen lassen sich auch als Kennzeichen für zielorientiert und interdisziplinär arbeitende Programme auffassen. Bei Personen mit einer schizophrenen Störung und bei Personen mit einem geringeren Grad der geistigen Behinderung (leicht, mittelgradig) fällt der Rückgang in der Tendenz stärker aus. Das Vorhandensein einer autistischen oder allgemein einer psychischen Störung korreliert jedoch nicht mit dem Veränderungsmaß. Überraschend ist, dass mit steigender Pflegestufe größere Verhaltens­ änderungen erreicht wurden. Je höher die Anzahl der herausfordernden Verhaltensweisen zu Beginn der therapeutischen Arbeit ist, desto größer fallen im Schnitt auch die Reduktionen aus. Das erklärt die hohe Korrelation des Ausgangsniveaus (Anzahl herausfordernder Verhaltensweisen zum Zeitpunkt 1) mit dem Veränderungsmaß. Das Vorhandensein von Freunden innerhalb TWG hängt positiv mit der Reduktion zusammen, die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen korreliert negativ. Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen Ob freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) im Einzelfall angewandt werden, hängt zum einen mit der Steuerbarkeit herausfordernder Verhaltensweisen durch die Person selbst und andere zusammen (negative Korrelation mit den Kompetenzen Frustrationstoleranz und Lenkbarkeit). Zum anderen sollen FEM die Auswirkungen bestimmter Verhaltensweisen verhindern. Deshalb korrelieren eine Reihe von einzelnen Verhalternsweisen und die absolute Anzahl HV positiv mit der Anwendung FEM. Zu den spezifischen herausfordernden Verhaltensweisen gehören: sich selbst Beißen oder Kratzen, absichtliches sich Fallenlassen, Verschlucken von Gegenständen, Kotschmieren, Kotessen, das Eindringen in fremde Räume, aufsässiges Verhalten, sich Haare Ausreißen, das Werfen und Schlagen mit harten Gegenständen, das Zerreißen von Kleidungsstücken, das Treten und Schlagen gegen Möbel und Fenster.
71 7.3 Veränderung schwerwiegend herausfordernden Verhaltens In diesem Abschnitt wird den Fragen nachgegangen, §
wie sich das Gefährdungspotenzial und die Häufigkeit von schwerwiegendem herausforderndem Verhalten bei den Teilnehmern im Laufe des TWG­Aufenthalts entwickeln und §
inwieweit sich einzelne Verhaltensweisen im Rahmen der TWG als veränderbar beziehungsweise veränderungsresistent erweisen. Methodisch wird folgendermaßen vorgegangen: Analysiert werden ausschließlich die herausfordernden Verhaltensweisen, welche die Befragten bei der jeweiligen Person als besonders schwerwiegend eingestuft haben. Es werden nur Personen einbezogen, zu denen Datensätze zu allen fünf Erhebungszeitpunkten vorliegen (Längsschnitterhebung mit Paneldesign). Dadurch werden Personen aus der Stichprobe ausgeschlossen, die in den ersten zwei Jahren und überwiegend als „Erfolge“ die TWG verlassen haben. Durch diese Stichprobenverzerrung werden die Veränderungen von SHV, die stattgefunden haben, tendenziell unterschätzt. 7.3.1 Gefährdungspotenzial der SHV einer Person Zuerst wurde für jede Person der Mittelwert aller Gefährdungs­potentiale ihrer SHV berechnet. Anschließend wurde nochmals über alle Personen der Durchschnittswert dieser Mittelwerte für jeden Zeitpunkt einzeln errechnet (s. Abb. 7/3). Durchschnitt Gefährdungspotential Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV (177 Personen) 3 hohe Gefährdung 2 1,9 1,8 1,7 1,6 1,6 leichte Gefährdung 1 Zeitpunkt 1 Abb. 7/3: Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV, die Höhe der vertikalen, blauen Linien entspricht der Standardabweichung Laut Trägerbefragung ist das Gefährdungspotenzial von HV ein wesentliches Reintegrations­ erschwernis. Das durchschnittliche Gefährdungspotenzial der SHV nahm über die Zeit kontinuierlich ab. Der Rückgang ist signifikant auf dem 1% Niveau.
72 Die Tab. 7/4 stellt die Entwicklung für die „Eckzeitpunkte“ 1 und 5 und für jede Einrichtung einzeln dar. Bis auf die Einrichtung A ist das Ausgangsniveau in den verschiedenen Einrichtungen relativ ähnlich. Die Veränderungen des Gefährdungspotenzials fallen jedoch sehr unterschiedlich aus. In zwei Einrichtungen (E, K) nimmt das durchschnittliche Gefährdungspotenzial der Personen sogar leicht zu. In den anderen Einrichtungen geht das Gefährdungspotenzial, das mit dem HV einer Person verbunden ist, zurück, in der insgesamt erfolgreich arbeitenden Einrichtung H sogar um 0,8 von maximal 2,0 möglichen Punkten. Differenz des durchschnittlichen Gefährdungspotentials Zeitpunkt 1 Tab. 7/4: Zeitpunkt 5 Differenz Einrichtung 01 (A) 1,4 1,3 ­0,1 Einrichtung 02 (E) 1,8 2,0 0,2 Einrichtung 03 (B) 1,9 1,3 ­0,6 Einrichtung 04 (H) 2,2 1,4 ­0,8 Einrichtung 05 (F) 2,3 2,0 ­0,3 Einrichtung 06 (G) n.a. Einrichtung 07 (D) 1,8 1,5 ­0,3 Einrichtung 08 (C) 2,1 1,9 ­0,2 Einrichtung 09 (K) 1,8 2,0 0,2 Einrichtung 10 (L) 1,8 1,6 ­0,2 Gesamt: 1,9 1,6 n.a n.a. ­0,3 Differenz des durchschnittlichen Gefährdungspotentials bei verschiedenen Einrichtungen
73 7.3.2 Häufigkeit der SHV einer Person Die nächste Abbildung zeigt die Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV. Bei der Berechnung wurde wie beim Gefährdungspotenzial im Abschn. 7.3.1 verfahren. Die durchschnittliche Auftretenshäufigkeit von SHV ging kontinuierlich von „mehrmals die Woche“ (4) auf ca. „einmal die Woche“ (3) zurück. Der Rückgang ist signifikant auf dem 1% Niveau. Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV (177 Personen) 6 Durchschnitt der Häufigkeit unentwegt 5 4,2 3,9 4 3,6 3 3,4 3,2 2 gar nicht 1 Zeitpunkt 1 Abb. 7/5: Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV, die Höhe der vertikalen, blauen Linien entspricht der Standardabweichung Die durchschnittliche Auftretenshäufigkeit einer SHV zum Zeitpunkt 1 streut nicht sehr breit zwischen den Einrichtungen. In allen Einrichtungen treten die als schwerwiegend qualifizierten HV zum Zeitpunkt 5 weniger häufig auf. Die Reduktion fällt jedoch von Einrichtung zu Einrichtung höchst unterschiedlich aus. Die Einrichtung D, die auch sehr erfolgreich reintegriert hat, verzeichnet auch den stärksten Rückgang im Auftreten schwer wiegender herausfordernder Verhaltensweisen.
74 Differenz der durchschnittlichen Häufigkeit Zeitpunkt 1 Tab. 7/6: 7.3.3 Zeitpunkt 5 Differenz Einrichtung 01 (A) 4,3 3,4 ­0,9 Einrichtung 02 (E) 4,4 4,3 ­0,1 Einrichtung 03 (B) 4,4 4,1 ­0,3 Einrichtung 04 (H) 4,1 3,1 ­1,0 Einrichtung 05 (F) 3,8 2,5 ­1,3 Einrichtung 06 (G) n.a. n.a. n.a. Einrichtung 07 (D) 4,4 3,0 ­1,4 Einrichtung 08 (C) 4,2 3,7 ­0,5 Einrichtung 09 (K) 4,1 3,4 ­0,7 Einrichtung 10 (L) 3,9 2,8 ­1,1 Gesamt: 4,2 3,2 ­1,0 Differenz der durchschnittlichen Häufigkeit bei verschiedenen Einrichtungen Entwicklung des Gefährdungspotenzials und der Häufigkeit einzelner SHV Dargestellt werden die Ergebnisse für einzelne schwerwiegende herausfordernde Verhaltensweisen, die im Mittel der Messzeitpunkte mindestens zwanzigmal als solche benannt wurden. Die komplette Ergebnisliste für alle schwerwiegenden herausfordernd Verhaltensweisen findet sich im Anhang. Zugrunde gelegt wird ein Trenddesign: In die Berechnung fließen alle zu den bestimmten Zeitpunkt vorliegenden, als SHV qualifizierten Fälle ein. Die gleiche Verhaltensweise muss nicht notwendigerweise bei einer Person zu allen 5 Messzeitpunkten als schwer herausfordernd eingeschätzt werden. Diese Vorgehensweise unterschätzt positive Verhaltensänderungen, da Verhaltensweisen, die gar nicht mehr als schwerwiegend eingeschätzt werden („Erfolge“), vor allem zu den späteren Messzeitpunkten nicht in der Stichprobe auftauchen. Schwerwiegende herausfordernde Verhaltensweisen werden in acht Gruppen kategorisiert besprochen, und zwar beginnend mit den Verhaltensweisen mit dem höchsten Gefährdungspotenzial bei Eintritt in die TWG: aggressive Verhaltensweisen gegenüber anderen Personen, aggressive Verhaltensweisen gegenüber Sachen; stark selbst gefährdende Verhaltensweisen; selbst verletzendes Verhalten; kommunikative belastende Verhaltensweisen; Andere störende Verhaltensweisen; Beeinträchtigungen im Leistungsbereich; Kommunikation vermeidende Verhaltensweisen. Diskutiert wird die Entwicklung der Gefährdungspotenziale und der Häufigkeiten der einzelnen Verhaltensweisen. Handgreifliche aggressive Verhaltensweisen gegenüber anderen Personen Die Gefahr, die von Handgreiflichkeiten ausgeht, bleibt über die Zeit in etwa gleich. Nur Drohgebärden verlieren ihren hoch kritischen Charakter. Erfreulicherweise treten aggressive Verhaltensweisen jedoch mit der Zeit seltener auf. Zum Beispiel kommt mehrmals wöchentliches Toben im Mittel zum Zeitpunkt 5 nur noch einmal in der Woche vor; wöchentlich sich ereignende handgreifliche Wutausbrüche im Mittel noch ein bis zweimal im Monat.
75 Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV 3.1, 3.2, 3.4, 3.7, 3.8 hochkritisch 3 SHV 3.1 SHV 3.2 SHV 3.4 SHV 3.7 SHV 3.8 ernst 2 leicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/7a: Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV drohende Gebärden (3.1), Toben (3.2), handgreifliche Wutausbrüche (3.4); Schlagen, Treten, Kneifen (3.7), Beißen, Kratzen (3.8) unentwegt 6 Entw icklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV 3.1, 3.2, 3.4, 3.7, 3.8 SHV 3.1 SHV 3.2 SHV 3.4 SHV 3.7 SHV 3.8 1­2x tägl. 5 m ehrm. wö. 4 1x wöchent. 3 1­2x m onatl. 2 gar nicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/7b: Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV drohende Gebärden (3.1), Toben (3.2), handgreifliche Wutausbrüche (3.4); Schlagen, Treten, Kneifen (3.7), Beißen, Kratzen (3.8)
76 Aggressive Verhaltensweisen gegenüber Sachen Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV 4.1, 4.2, 4.3 SHV 4.1 hochkritisch 3 SHV 4.2 SHV 4.3 ernst 2 leicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/8a: Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV Zerreißen von Kleidungsstücken (4.1), gegen Möbel oder Fenster treten/schlagen (4.2), Zerstören von eigenen oder fremden Eigentum (4.3) unentwegt 6 Entw icklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV 4.1, 4.2, 4.3 SHV 4.1 SHV 4.2 SHV 4.3 1­2x tägl. 5 m ehrm. wö. 4 1x wöchent. 3 1­2x m onatl. 2 gar nicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/8b: Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV Zerreißen von Kleidungsstücken (4.1), gegen Möbel oder Fenster treten/schlagen (4.2), Zerstören von eigenen oder fremden Eigentum (4.3) Im Unterschied zum handgreiflichen Verhalten gegenüber Personen wird bei aggressiven Verhaltensweisen gegenüber Sachen am Ende der TWG­Zeit die damit verbundene Gefährdung
77 deutlich geringer eingeschätzt. Die Häufigkeit dieser Verhaltensweisen verändert sich über die Zeit allerdings wenig. Offensichtlich haben Mitarbeiter und Bewohner gelernt, mit diesen im Schnitt wöchentlich auftretenden Verhaltensweisen besser zurecht zukommen. Stark selbst gefährdende Verhaltensweisen Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV 1.6, 1.7, 1.9, 1.11, 1.14 hochkritisch 3 SHV 1.6 SHV 1.7 SHV 1.9 SHV 1.11 SHV 1.14 ernst 2 leicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/9a: Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV Schlafstörungen (1.6), Weglaufen (1.7), Störungen des Essverhaltens (1.9), maßloses Essen (1.11), Suchtverhalten (Rauschmittel; 1.14) Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV 1.6, 1.7, 1.9, 1.11, 1.14 SHV 1.6 SHV 1.7 SHV 1.9 unentwegt 6 SHV 1.11 SHV 1.14 1­2x tägl. 5 mehrm. wö. 4 1x wöchent. 3 1­2x monatl. 2 gar nicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/9b: Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV Schlafstörungen (1.6), Weglaufen (1.7), Störungen des Essverhaltens (1.9), maßloses Essen (1.11), Suchtverhalten (Rauschmittel; 1.14)
78 Die einzige Verhaltensweise, die außer handgreiflichen Aggressionen, in der Regel zu hoch kritischen Situationen führt, ist das so genannte Weglaufen. Rauschmittelsüchte und maßloses Essen stellen auch am Ende der TWG Zeit eine ernste Gefährdung dar, dagegen werden Schlafstörungen für weniger bedrohlich gehalten. Die Häufigkeit von Suchtverhaltensweisen und maßlosem Essen hat sich im Laufe des TWG­Aufenthalts kaum verändert. Für diese Verhaltensweisen scheinen die Therapeutischen Wohngruppen nicht das geeignete Setting zu sein. Erfreulich ist der starke Rückgang der Auftretenshäufigkeit von Weglaufverhalten, von Schlafstörungen und von Störungen des Essverhaltens auch bei denjenigen, die dieses Verhalten weiterhin noch zeigen. Selbst verletzendes Verhalten Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV 1.15, 1.16, 1.22 hochkritisch 3 SHV 1.15 SHV 1.16 SHV 1.22 ernst 2 leicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/10a: Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV sich selbst Schlagen, Kneifen (1.15), sich selbst Beißen, Kratzen (1.16), sich selbst an der Wand blutig schlagen, den Kopf gegen einen Gegenstand schlagen (1.22)
79 unentwegt 6 Entw icklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV 1.15, 1.16, 1.22 SHV 1.15 SHV 1.16 1­2x tägl. 5 SHV 1.22 m ehrm. wö. 4 1x wöchent. 3 1­2x m onatl. 2 gar nicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/10b: Entwicklung des durchschnittlichen Häufigkeit der SHV sich selbst Schlagen, Kneifen (1.15), sich selbst Beißen, Kratzen (1.16), sich selbst an der Wand blutig schlagen, den Kopf gegen einen Gegenstand schlagen (1.22) Selbst verletzende Verhaltensweisen führen in der Regel zu ernsten Gefährdungssituationen. Während das Gefährdungspotenzial dieser Verhaltensweisen sich kaum verändert, werden sie am Ende der TWG­Zeit weniger häufig ausgeführt ­ statt im Schnitt fast täglich nun in etwa ein­ bis zweimal in der Woche.
80 Kommunikative belastende Verhaltensweisen Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV 2.12, 2.14, 2.15, 2.16, 2.17 hochkritisch 3 SHV 2.12 SHV 2.14 SHV 2.15 SHV 2.16 SHV 2.17 ernst 2 leicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/11a: Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV distanzloses Verhalten (2.12), verbale Aggressivität, Fluchen (2.14), aufsässiges Verhalten (2.15), andauerndes Fragen und Klagen (2.16), Gefühlsausbrüche (2.17) Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV 2.12, 2.14, 2.15, 2.16, 2.17 SHV 2.12 SHV 2.14 SHV 2.15 unentwegt 6 SHV 2.16 SHV 2.17 1­2x tägl. 5 mehrm. wö. 4 1x wöchent. 3 1­2x monatl. 2 gar nicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/11b: Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV distanzloses Verhalten (2.12), verbale Aggressivität, Fluchen (2.14), aufsässiges Verhalten (2.15), andauerndes Fragen und Klagen (2.16), Gefühlsausbrüche (2.17)
81 Verbalen Aggressionen der Bewohner wird bei Eintritt in die TWG ein hohes Gefährdungspotenzial attestiert, dieses konnte sehr deutlich verringert werden. Offensichtlich haben die Beteiligten gelernt, mit verbalen Aggressionen wie mit aufsässiges Verhalten und Gefühlsausbrüchen umzugehen. Aufsässiges Verhalten kommt auch viel weniger häufig am Ende des TWG­Aufenthalts. Auch unentwegtes Fragen und Klagen konnte im Mittel auf ein­ bis zweimal täglich reduziert werden. Dagegen blieb die Häufigkeit von distanzlosem Verhalten (täglich) und verbalen Aggressionen (mehrmals wöchentlich) unverändert. Andere störende Verhaltensweisen Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV 2.1, 2.5, 2.6, 2.7, 2.11 hochkritisch 3 SHV 2.1 SHV 2.5 SHV 2.6 SHV 2.7 SHV 2.11 ernst 2 leicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/12a: Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV Urinieren, Einkoten in Räumen (2.1), Ausführen von Manierismen, stereotyper Umgang (2.5), ständige motorische Unruhe (2.6), anhaltendes Schreien, brummen, Lautieren (2.7), rituelles und zwanghaftes Verhalten (2.11)
82 Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV 2.1, 2.5, 2.6, 2.7, 2.11 unentwegt 6 SHV 2.1 SHV 2.5 SHV 2.6 SHV 2.7 SHV 2.11 1­2x tägl. 5 mehrm. wö. 4 1x wöchent. 3 1­2x monatl. 2 gar nicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/12b: Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV Urinieren, Einkoten in Räumen (2.1), Ausführen von Manierismen, stereotyper Umgang (2.5), ständige motorische Unruhe (2.6), anhaltendes Schreien, Brummen, Lautieren (2.7), rituelles und zwanghaftes Verhalten (2.11) Die hier zusammen gruppierten Verhaltensweisen führen selten zu einer dramatischen Zuspitzung der Situation, sondern beeinträchtigen das Zusammenleben durch ihre Dauer und Häufigkeit. Ursprünglich unentwegt zu beobachtende Verhaltensweisen wie motorische Unruhe, dauerndes stereotypes Verhalten oder Lautieren werden am Ende des TWG­Aufenthalts seltener gezeigt. Besonders stark konnte das Urinieren und Einkoten in den Räumen reduziert werden. Diese Häufigkeitsreduktionen eröffnen neue Perspektiven für das Zusammenleben mit anderen.
83 Beeinträchtigungen im Leistungsbereich Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV 5.1, 5.2, 5.3, 5.4, 5.5 hochkritisch 3 SHV 5.1 SHV 5.2 SHV 5.3 SHV 5.4 SHV 5.5 ernst 2 leicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/13a: Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV geringe Konzentrationsfähigkeit, fehlende Ausdauer (5.1), leichte Ermüdbarkeit, geringe Belastbarkeit (5.2), Angst bei Leistungsanforderungen( 5.3), Arbeitsverweigerung (5.4), Angst vor Leistungsanforderungen (5.5) unentwegt 6 Entw icklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV 5.1, 5.2, 5.3, 5.4, 5.5 SHV 5.1 SHV 5.2 SHV 5.3 SHV 5.4 SHV 5.5 1­2x tägl. 5 m ehrm. wö. 4 1x wöchent. 3 1­2x m onatl. 2 gar nicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/13b: Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV geringe Konzentrationsfähigkeit, fehlende Ausdauer (5.1), leichte Ermüdbarkeit, geringe Belastbarkeit (5.2), Angst bei Leistungsanforderungen( 5.3), Arbeitsverweigerung (5.4), Angst vor Leistungsanforderungen (5.5)
84 Ängste der Teilnehmer vor Leistungsanforderungen stellten vor dem TWG­Aufenthalt eine ernsthafte Gefährdung für das Zusammenleben. Am Ende der TWG­ Zeit hat sich das Bild gewandelt: Leistungsanforderungen werden in den verschiedenen Lebensbereichen anders dosiert, von Seiten der Bewohner und der Mitarbeiter wird ihnen anders begegnet. Die Bewohner zeigen weniger häufig Angst vor und bei Leistungsanforderungen. Für eine bessere Passung der Anforderungen zu den Möglichkeiten der Bewohner spricht auch der erhebliche Rückgang so genannter Arbeitsverweigerungen. Die anderen Items im Leistungsbereich führen nicht zu akut gefährlichen Situationen. Kommunikation vermeidende Verhaltensweisen Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV 1.2, 1.3, 1.4, 1.5 hochkritisch 3 SHV 1.2 SHV 1.3 SHV 1.4 SHV 1.5 ernst 2 leicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/14a: Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV sich zurückziehen, Meiden bestimmter anderer Personen (1.2), auf Kontaktaufnahme nicht oder ausweichend reagieren (1.3), soziales Desinteresse (1.4), Rückzug durch Selbststimulation (1.5)
85 Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV 1.2, 1.3, 1.4, 1.5 unentwegt 6 SHV 1.2 SHV 1.3 SHV 1.4 SHV 1.5 1­2x tägl. 5 mehrm. wö. 4 1x wöchent. 3 1­2x monatl. 2 gar nicht 1 Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 Abb. 7/14b: Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeit der SHV sich zurückziehen, Meiden bestimmter anderer Personen (1.2), auf Kontaktaufnahme nicht oder ausweichend reagieren (1.3), soziales Desinteresse (1.4), Rückzug durch Selbststimulation (1.5) Die Vermeidung sozialer Interaktionen führt selten zu einer ernsten oder hoch kritischen Gefährdungssituation. Die Häufigkeit mit der anderen Personen gemieden werden oder auf Kontaktaufnahme nicht oder ausweichend reagiert wird blieb über die TWG­Zeit in etwa gleich (im Mittel ein­ bis zweimal täglich). Ein zu Beginn konstatiertes soziales Desinteresse wird bereits nach einem Jahr in der TWG wesentlich seltener festgestellt. Vermutlich werden die sozialen Bedürfnisse der Teilnehmer in den TWG anders wahrgenommen als im vorhergehenden Umfeld. Auch das Rückzugsverhalten durch Selbststimulation hat kontinuierlich abgenommen. 7.4 Fazit Gibt es Merkmale der Personen oder der HV, die eine verlässliche Prognose der Reintegration oder zumindest von Verhaltensänderungen erlauben? Insgesamt sind die empirisch gefundenen Zusammenhänge zwischen Variablen die beim Einzug in der TWG erhoben wurden und den Erfolgskriterien sehr gering. Das gilt besonders für die Vorhersage der Reintegration in nicht­separierende Wohnformen. Ob jemand integriert wird, hängt weniger vom Ausmaß der erreichten Verhaltensänderungen ab, sondern vielmehr von strukturellen Bedingungen in der TWG und im regionalen Hilfesystem (s. hierzu auch die Antworten der Trägerbefragung im Abschn. 7.1). Die absolute Anzahl der herausfordernden Verhaltensweisen, die Fähigkeit eines Teilnehmers zur Eigenbeschäftigung und zur Gestaltung sozialer Beziehungen im Nahbereich haben einen gewissen prognostischen Wert. Ansonsten sind es Variablen, die sich im Laufe des Prozesses (des Aufenthalts in der TWG) verändern, die mit den Reintegrationserfolg korrelieren (z. B. der Besuch einer auswärtigen Tagesstruktur, die Steuerbarkeit des Verhaltens durch die Person selbst oder andere, die Nicht­Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen). Die Veränderung herausfordernder Verhaltensweisen korreliert am stärksten mit spezifischen Leistungsmerkmalen einer TWG. Erfolgsversprechend sind zielorientiert und interdisziplinär arbeitende Programme, die medizinisch­psychiatrische und psychotherapeutische Kompetenz in der Diagnostik und im Maßnahmenpaket einbeziehen. Leichtere Grade geistiger Behinderung und das Vorhandensein einer schizophrenen Störung scheinen tendenziell günstig für Veränderungsprozesse zu sein, die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen ist ein erschwerender Faktor.
86 Entgegen verbreiteter alltagspsychologischer Annahmen lassen sich empirisch keine einfach diagnostizierbaren, zeitlich stabilen Personenmerkmale finden, die eine ausreichend verlässliche Prognose erlauben (z. B. Alter, Vorhandensein einer psychischen Störung, Dauer des stationären Wohnens, Schweregrad der geistigen Behinderung, usw.). „Gute“ Prognosefaktoren sind eher Prozessvariablen, die das Entwicklungsstadium einer mit SHV einhergehenden Mensch­Umwelt Störung markieren (z. B. Frustrationstoleranz und Lenkbarkeit). Entscheidend scheint zu sein, dann mit individuell zugeschnittenen Maßnahmen zu beginnen, wenn das Problem noch auf wenige Lebensbereiche eingeschränkt ist und die Person noch über eigene Steuerungsmöglichkeiten, ein Steuerungspotential verfügt (vgl. hierzu Heijkoop 2002). Welche Maßnahmen für eine Person in ihrem Umfeld geeignet sind, kann erst nach einem umfassenden interdisziplinär angelegten diagnostischen Prozess entschieden werden. Dieser muss wesentlich früher einsetzen, als dies im Modellprojekt der Fall sein konnte, um effektiv und effizient die Integration zu sichern. Herauszustreichen bleibt, dass während des Aufenthalts in einer Therapeutischen Wohngruppe das Gefährdungspotenzial und die Häufigkeit SHV im Mittel kontinuierlich gesunken sind. Die Auftretenshäufigkeit sämtlicher Verhaltensweisen, die in der Regel zu ernsten bis hoch kritischen Situationen führen, konnte deutlich verringert werden (handgreiflich aggressives Verhalten, Weglaufen). Die Häufigkeit von verbal aggressivem Verhalten veränderte sich nicht, aber das Gefährdungspotenzial, dass mit diesem Verhalten verbunden ist, ging deutlich zurück. Auch störende Verhaltensweisen, die selten zu Eskalationen führen, aber das Zusammenleben dauernd beeinträchtigen, konnten reduziert werden. Leistungsanforderungen wurden angepasst beziehungs­ weise der Umgang mit ihnen geübt. Dagegen zeigten sich bei substanzbezogenem Suchverhalten kaum Änderungen. Hier stellt sich die Frage, ob Therapeutische Wohngruppen ausreichend geeignet sind, um dieses zu therapieren.
87 8 Interpretation der Ergebnisse und Perspektiven 8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse Im Modellversuch ist es gelungen, die Voraussetzungen auf Seiten der Teilnehmer für ein Zusammenleben in normalisierten Wohn­ und Hilfearrangements im Durchschnitt deutlich zu verbessern. Nach Besuch der TWG zeigen die Teilnehmer im Mittel weniger herausfordernde Verhaltensweisen und weniger häufig Verhalten, das als schwerwiegend herausfordernd bewertet wird. Das Gefähr­ dungspotenzial, das von den SHV ausgeht, ist im Mittel deutlich gesunken. Am Ende des Modellversuchs attestieren die Mitarbeiter TWG einem beträchtlichen Anteil der Teilnehmer eine höhere kommunikative Kompetenz, eine größere Frustrationstoleranz und eine bessere Lenkbarkeit. Aus ihrer Sicht ist die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern und den Teilnehmern einfacher und reichhaltiger geworden. Durch den Aufenthalt in einer TWG hat sich die Lebenssituation der überwiegenden Mehrheit der Teilnehmer deutlich gebessert. Bei einem Teil der Teilnehmer konnte auf freiheitsentziehende Maßnahmen, sei es Fixierungen oder Auszeiten ganz verzichtet werden. Die Anzahl und Dauer der Aufenthalte in psychiatrischen Krankenhäusern ist deutlich geringer geworden. Während am Ende des TWG­Aufenthaltes sich 79% der Teilnehmer sozial verträglicher verhalten, zeigen 16% nur geringe oder keine Forschritte in dieser Hinsicht. Diese letztgenannte Gruppe hat die gesetzten Verhaltensziele nicht mal annähernd erreicht und es ist im Zeitrahmen der TWG nicht gelungen, ihr HV in bedeutendem Umfang zu ändern. Die Teilhabe an Lebenswelten, die Menschen mit geistiger Behinderung üblicherweise offen stehen, hat sich in den verschiedenen Lebensbereichen unterschiedlich entwickelt: Arbeit, Beschäftigung und freie Zeit Die Bewohner TWG sind – bis auf eine kleine Gruppe – im Rahmen einer WfbM, eines Förder­ und Betreuungsbereiches bzw. ähnlichen Angeboten in Arbeits­ oder Beschäftigungsverhältnisse außer­ halb der TWG integriert. Die Suche nach einem nicht­aussondernden Wohn­ und Hilfearrangement ist einfacher, wenn eine Person tagsüber einer Arbeit bzw. Beschäftigung außerhalb der Wohnung nachgehen kann. Im Modellversuch wurden die Arbeits­ und Beschäftigungsangebote mit Blick auf die Interessen und Kompetenzen der Teilnehmer flexibilisiert. In der verbleibenden freien Zeit wurden die Bewohner länger als vorher individuell begleitet. Soziale Beziehungen Bereits vor den Einzug in eine TWG verfügten die Teilnehmer nur über ein vergleichsweise kleines primäres soziales Netzwerk. Obwohl dieser Personenkreis überwiegend schon im Kinder­ und Jugendalter in ein Heim zog, sind die Angehörigen auch im Erwachsenenalter die am häufigsten genannten nicht­professionellen Bezugspersonen. Jeweils nur ein Drittel der Teilnehmer pflegt engere Kontakte zu Mitbewohnern bzw. Freunden und Bekannten außerhalb der Wohngruppe. Am Umfang der persönlichen sozialen Netzwerke ändert sich im Laufe des Modellversuchs wenig. Eine wichtige Position nehmen Lieblingsmitarbeiter innerhalb und außerhalb der TWG ein. Aufgrund der räumlichen Nähe der TWG zu den bisherigen Wohnungen der Teilnehmer ist es nicht in dem Maße zu Beziehungsabbrüchen gekommen, wie es bei einem Umzug in einen entfernten Ort zu erwarten gewesen wäre. Reintegration in weniger aussondernde Wohnformen 32% der Teilnehmer haben das vorgegebene Ziel des Modellversuchs, den Wechsel in eine weniger aussondernde, „normale“ Wohnform, tatsächlich erreicht. 55% der Teilnehmer müssten nach den vorliegenden Daten prinzipiell einen solchen Wechsel erreichen können (siehe Spalte „Reintegration
88 als möglich bewertet“ in Tab. 6/1 im Abschn. 6.1.1). Es fällt auf, dass die Quote der tatsächlichen Reintegration erst im dritten Jahr stark gestiegen ist. Nach 2 Jahren lebten nur 15% der Teilnehmer integriert in andere Wohnformen. Offenbar erst vor Auslaufen des Modellversuches wurden die Bemühungen um eine Anschlusslösung verstärkt. Dieser späte Zeitpunkt der Reintegrationsbe­ mühungen überrascht, weil die Verhaltensverbesserungen sich viel früher, vor allem im ersten Jahr eingestellt haben. Auch die Integration in auswärtige Arbeits­ und Beschäftigungsangebote wurde früher verwirklicht. Vergleicht man die möglichen und die tatsächlichen Reintegrationsquoten der Träger untereinander, ergeben sich deutliche Unterschiede. So ist die Hälfte der tatsächlichen Reintegrationen durch eine einzige Einrichtung erreicht worden. (vgl. Abschn. 6.1.1., Tab. 6/1). Auch für die Personen, die ihre HV nicht in einem sozial bedeutenden Umfang verändert haben, gilt es, individuelle Wohn­ und Hilfearrangements zu gestalten, die trotz des Gefährdungspotenzials für sich selbst und andere ein Maximum an Teilhabe ermöglichen. Das heißt eben nicht, dass dieser Personenkreis weiterhin in speziellen Wohngruppen für Menschen mit HV fernab von den Gemein­ wesen leben sollte. Für Großbritannien konstatieren Allen & Felce (1999), dass die traditionellen Dauerlösungen sich nicht bewährt haben. Sie führten zu einer Deprivation der Personen in Institutionen: §
geringe Beteiligung der Klienten an sozialer und physischer Umgebung außerhalb der Wohngruppen §
geringes Niveau der von Betreuern initiierten Kontakte §
Isolation von den Gemeinwesen §
Die Wahrscheinlichkeit, therapeutische oder psychologische Hilfe zu erhalten, war gering. §
Gemessen an anderen Wohngruppen und am Normalisierungsprinzip waren die Anregungsbedingungen in den Wohngruppen von Großeinrichtungen armselig. Die Autoren fahren fort, dass aktuell solche homogenen Dauergruppen mit engerer Einbindung in die Umwelt (Gemeindeintegration), besserem Mitarbeitertraining und klarer Konzeption und Arbeits­ methoden erfolgreicher seien. Allerdings gibt es dafür keine empirischen Belege. Im Gegenteil: Homogene spezialisierte Gruppen, die untersucht wurden, zeichneten sich immer noch durch einen geringen Anregungsgehalt und ein geringes Aktivitätsniveau in den Wohngruppen aus (Allen & Felce 1999, S. 284). 8.2 Schwierigkeiten bei der Reintegration im Wohnen Der späte Anstieg der tatsächlichen Reintegrationsquote und die große Diskrepanz zu den für möglichen gehaltenen Reintegrationen haben mehrere Ursachen: 1) Systemische Arbeit mit der Wohnumwelt der Teilnehmer §
SHV lässt sich als Ausdruck einer Störung der Beziehung einer Person zu seiner Umwelt begreifen. Im Modellversuch ist die Umwelt, in die ein Teilnehmer (wieder) integriert werden soll, zu wenig und zu spät Ansatzpunkt von Interventionen geworden. Beispielsweise werden Wohn­ dienste, die einen Teilnehmer vor der TWG begleitet haben, mit dem Einzug aus ihrer Verant­ wortung für ihn entlassen. Für eine erfolgreiche Integration ist es aber entscheidend, Dienste und Bezugspersonen zu haben, die sich für die Person verantwortlich fühlen und mit denen nachhaltige Wohn­ und Hilfearrangements geplant werden können. 2) Schwierigkeiten, das „Wohin“ der Reintegration zu bestimmen §
Die Vorgaben der Landeswohlfahrtsverbände für den Modellversuch enthalten keine Angaben darüber, welche inhaltlichen und finanziellen Handlungsspielräume bei der Ausgestaltung zukünftiger Wohn­ und Hilfearrangements im Einzelfall bestehen. In dieses „Vakuum“ sind auch die Leistungserbringer nicht durch konkrete individuumsbezogene Vorschläge vorgestoßen. Dieser Umstand weist auf Unsicherheiten, Lücken oder auch Defizite in der personenzentrierten Hilfeplanung hin, an der Leistungsempfänger, Leistungserbringer und Leistungsträger beteiligt werden müssen (s.u.).
89 §
In vielen Fällen ist eine Reintegration in die ursprüngliche, nicht­ausgrenzende Wohnumgebung erstrebenswert. In manchen Fällen eröffnet jedoch ein neues, anderes Wohnumfeld bessere Chancen. Viele Teilnehmer der ersten Generation im Modellversuch stammen aus Wohngruppen, in denen ausschließlich verhaltensauffällige Erwachsene leben. Im Anschluss an die TWG müssen für diese Teilnehmer gänzlich neue Wohnformen und z.T. auch Wohndienste gefunden werden, die mehr Teilhabe am Leben der Gesellschaft ermöglichen als die vorherigen Wohngruppen. §
Die Wünsche der Teilnehmer und die Vorstellungen der professionellen und nicht­professionellen Bezugspersonen, die Verantwortung für ihn übernehmen, sollten die Wahl einer Wohnform bestimmen. In einem personenzentrierten Hilfeplanverfahren müssen Teilnehmer und Bezugs­ personen beteiligt, ihre Perspektiven systematisch ermittelt und dokumentiert werden und es muss zu einer Abstimmung mit dem Leistungsträger und Leistungserbringer kommen. Vorschläge für ein solches standardisiertes Verfahren finden sich bei Schädler (2002). 3) mangelnde Verankerung in regionale Hilfesysteme §
Im Rahmen des Modellversuchs ist den meisten Trägern gelungen, regionale interdisziplinär und interprofessionell arbeitende Kompetenzzentren aufzubauen bzw. weiter zu entwickeln. Allerdings sind die TWG bislang gar nicht oder unzureichend in regionale Hilfesysteme verankert worden. Anders als in der Sozialpsychiatrie sind regionale Hilfesysteme, in denen Leistungserbringer verbindlich kooperieren, in der Geistigbehindertenhilfe vielerorts erst im Entstehen. Die unzu­ reichende Verankerung TWG in regionalen Hilfesystemen lässt allgemeinen Wohndiensten die Chance, sich einer Versorgungsverpflichtung zu entziehen und mit dem Verweis auf „speziell zuständige“ TWG eine „abschiebende“ Haltung gegenüber Menschen mit SHV einzunehmen. Dieses Phänomen ist für Großbritannien gut dokumentiert (Great Britain. Department of Health 1993, Allen & Felce 1999). Die Träger TWG im Modellversuch berichten von ähnlichen Erfahrungen (s. Abschn. 8.3). §
Neben der Sorge, nicht die individuell notwendigen Mittel zur Verfügung zu haben, trägt auch die mangelnde Qualifikation mancher gemeindenaher Wohndienste zu einer ablehnenden Haltung gegenüber Menschen mit HV bei. Die Zusammenlebesysteme vor Ort – auch Familien, in denen Menschen mit HV wohnen – erhalten zu spät und zu wenig fachliche Unterstützung, um eskalierende Entwicklungen rechtzeitig zu verhindern oder abzudämpfen. §
Die lange Verweildauer in TWG stellt ein weiteres Integrationshindernis dar. Die erste Generation von Teilnehmern wohnte vor ihrem Einzug bereits in räumlicher Nähe zu einer TWG. Eine regionale Ausrichtung führt jedoch zu Umzügen in räumlich entferntere Wohnumgebungen. Wenn Teilnehmer bis zu 3 Jahren in einer weit entfernt liegenden TWG wohnen, dann schließt man sie faktisch aus den bisherigen Sozial­ und Hilfestrukturen in ihrem Heimatort aus. 8.3 Empfehlungen der Träger TWG Die Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Hilfen, welche die Träger TWG in der Trägerbefragung abgegeben haben, werden an dieser Stelle zusammengefasst. Sie beziehen sich (1) auf TWG und Anschlusswohnlösungen und (2) auf die Funktion von Kompetenzzentren für die regionale Versorgung. Der Wert eines Vorschlags hängt nicht davon ab, wie viele Träger ihn teilen. Wichtig sind die Inhalte der Anregungen, die Träger aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem Personkreis und aufgrund ihrer Sichtweise als Erbringer der Leistungen für die Weiterentwicklung geben können. 8.3.1 Weiterentwicklung der TWG und von Anschlusswohnlösungen Gesamtangebot §
Die TWG sollen erhalten bleiben und als Leistungstyp vereinbart werden. §
TWG sollen größere Regionen „abdecken“.
90 §
Gewünscht wird eine Spezialisierung der TWG auf je verschiedene Personenkreise und ein regelmäßiger Austausch zwischen den Trägern in den unterschiedlichen Regionen. Aufnahme in die TWG §
Die Bereitschaft der Wiederaufnahme durch den abgebenden Wohndienst muss vertraglich vereinbart werden. Ansonsten werden die TWG in kurzer Zeit zu Dauerwohnorten werden bzw. wird sich dieser Personenkreis in den Trägereinrichtungen sammeln. §
Die Aufnahme soll von einer zentralen Instanz kontrolliert werden. Die meisten Träger sprechen sich für einen Zugang über den Medizin­pädagogischen Dienst des KVJS aus, ein Träger würde eine Schiedsstelle bevorzugen. §
Die Kontrollinstanz für die Aufnahme sollte früher eingebunden werden, als das im Modellversuch der Fall war. Die Entscheidungswege sollten kürzer sein. §
Die Aufnahmekriterien sollen nach Auswertung der Prognosefaktoren für den Reha­Erfolg geschärft werden und einheitlich sein. §
Der Erfolg TWG soll auch in Zukunft durch den Medizinisch­pädagogischen Dienst des KVJS kontrolliert werden. Zeitdauer §
Eine zeitliche Befristung wird für notwendig gehalten. §
Die Aufenthaltsdauern sollen individuell gestaltet werden können bis zur Ausschöpfung des vollen Zeitraums von 3 Jahren, im Einzelfall auch darüber hinaus. Konzeptionelle Elemente Erhalten bleiben soll: §
die ausführliche interdisziplinäre Diagnostik, Hilfeplanung und Begleitung §
die Möglichkeit, Bewohner tagsüber individueller zu begleiten (Tagesstruktur) §
die enge Zusammenarbeit und Entwicklung eines Arrangements in der WfbM oder FuB §
die enge und häufige Regelkommunikation zwischen alle Beteiligten inklusive der Angehörigen §
die Anbindung therapeutischer oder heilpädagogischer Angebote Die Reintegrationsphase muss differenzierter und sorgfältiger geplant und gestaltet werden. Bewährt haben sich eine systemorientierte und biographische Analyse des Verhaltens und Erlebens sowie in Bezug auf Interventionen ein eklektischer Ansatz. D.h., dass auf der Grundlage von Hypothesen über Bedingungen, die HV aufrechterhalten, Interventionen ausprobiert und evaluiert werden (vgl. Hennicke 1999). Personalausstattung §
Die hohe Fachlichkeit der Mitarbeiter könne nur durch entsprechend qualifiziertes Personal, regelmäßige Schulungen und Supervision aufrechterhalten werden. §
Eine hohe Fachkraftquote und eine Personalbesetzung, die eine doppelte Besetzung der Wohndienste auch in kleinen TWG während des Tages möglich macht, ist notwendig. §
Die Fortbildung und die Supervision der Mitarbeiter sollen gesondert finanziert werden. §
Bei der Finanzierung sind auch die Fixkosten zu berücksichtigen, die anfallen, um ein solches Setting aufbauen und betreiben zu können.
91 Anschlusswohnlösungen §
Für die „Abgänger“ müssen individuellere Lösungen gefunden und gegebenenfalls auch finanziert werden. Dabei muss das Wohin der Entwicklung offener gestaltet werden. Die Rückkehr in die alte Wohngruppe sei in vielen Fällen nicht die Lösung der Wahl. §
Auch für die Personen, deren HV sich als therapeutisch schwer zu beeinflussen erwiesen hat, müssen dauerhafte Wohnsettings gefunden werden. Der Hilfebedarf von Antragstellern mit „chronifizierten“ Verhaltensproblemen ist anders zu gewichten als bei Personen ohne SHV. §
Einige Träger sehen in auf Dauer angelegten „Intensivgruppen für Menschen mit schwierigen Verhaltensweisen“ eine adäquate Lösung, andere Träger sprechen sich für „eingestreute“ Wohnarrangements aus. 8.3.2 Funktionen eines Kompetenzzentrums für die regionale Versorgung Empfohlen wird die TWG um Leistungen zu ergänzen, die von den in den Kompetenzzentren ent­ standenen Fachteams in der Region erbracht werden können. Solche Leistungen können dafür sorgen, biographische und systemische Entwicklungen zu verhindern, die längere Aufenthalte in TWG und schwierige Anschlusslösungen nach sich ziehen. Folgende Bausteine werden vorgeschlagen: §
Krisenintervention: ambulante Unterstützung für Familien und Wohndienste vor Ort, im Notfall eine kurzzeitige stationäre Aufnahme §
Beratung, von Menschen mit Behinderung und ihrer Bezugspersonen im angestammten Wohnumfeld (z.B. in gemeindenahen Wohneinrichtungen oder ­diensten, in Familien). §
Auch diagnostische und therapeutische Leistungen könnten am Wohnort erbracht werden (z.B. in Form eines Kompakttherapieprogramms in einer Tagesgruppe). §
Eine Kurzzeitunterbringung bei HV dient der vorübergehenden Entlastung des Wohnumfelds. §
Vermittlung von Basiswissen, Schulungen für Mitarbeiter in der Behindertenhilfe, für Angehörige und andere Bezugspersonen Die regionale Verankerung soll eine Nähe zum Wohnumfeld gewährleisten. Ein Träger würde Kompetenzzentren nur in Einrichtungen schaffen, in denen eine psychiatrisch­therapeutische Infrastruktur vorhanden ist. Die meisten Träger halten es angesichts des Bedarfs, der Erfolgsaussicht und langfristigen Kosten­ ersparnis für dringend geboten, die TWG und weitere Angebote eines Kompetenzzentrums für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung zu öffnen. 8.4 Anforderungen an eine sozialräumlich orientierte Unterstützung Die Weiterentwicklung der Hilfen mit dem Ziel der Inklusion oder Integration in nicht­ausgrenzende Wohnformen, die ein hohes Maß an Teilhabe, an subjektiver und objektiver Lebensqualität begünstigen, muss verschiedene Anforderungen berücksichtigen: §
Zu der Zielgruppe solcher Maßnahmen gehören Menschen mit geistiger Behinderung und herausforderndem Verhalten in unterschiedlichem Lebensalter (Erwachsene, aber auch Kinder und Jugendliche), die in unterschiedlichen Wohnformen und Wohnumfeldern leben (z.B. in Wohngruppen oder Apartments in Komplexeinrichtungen oder gemeindenahen Wohnheimen, im Betreuten Wohnen oder in Familien). §
Es gilt auch Wohn­ und Unterstützungslösungen zu finden für Personen, bei denen der Aufenthalt in einer TWG nicht zu den erhofften Verhaltensänderungen geführt hat oder die wegen niedriger Erfolgserwartungen von vornherein nicht aufgenommen werden.
92 §
Wohn­ und Hilfearrangements müssen im Rahmen einer personenzentrierten Hilfeplanung entwickelt und laufend angepasst werden Dabei handelt es sich um höchst individuelle, keinesfalls um standardisierte „One size fits all“­Lösungen. §
Eine interdisziplinäre und multiprofessionelle Unterstützung und Entlastung muss frühzeitig und dort gewährt werden, wo Störungen infolge herausfordernden Verhaltens entstehen und von den Beteiligten nicht mehr gelöst werden können. Die Verantwortlichkeit der Bezugspersonen und Wohndienste soll erhalten bleiben. Ihre Handlungsmöglichkeiten werden durch externe Beratung und durch zusätzliche Hilfen erweitert und gestärkt (Therapie, Krisenintervention, besondere Betreuungsmaßnahmen). Ein Orientierungspunkt und Vorbild für so eine aufsuchende Beratung kann die Arbeit der Konsulententeams in den Niederlanden und beim Landschaftsverband Rheinland sein (siehe Eekelaar 1999, Braun & Ströbele 2003, Seifert 2004) §
Die Organisation gemeindenaher Wohn­ und Hilfearrangements hat Vorrang vor der Aus­ sonderung von Menschen mit HV in heimatferne, auf Dauer angelegte Wohnsettings. TWG sollten als spezielle Maßnahmenoption in ein Handlungskonzept eingebettet werden, das primär auf eine aufsuchende Beratung der Betroffenen und ihrer Bezugspersonen setzt. Die Berater sollten die Option haben, fallspezifisch einen Aufenthalt in einer TWG zu empfehlen und deren Beantragung einzuleiten. Personen mit HV sollten in einer TWG in der Regel kürzer wohnen, als dass im Modellversuch der Fall war. Der Aufenthalt dient einer umfassenderen verstehenden Diagnostik, der Entlastung des Wohn­ umfeldes, der Erprobung von Interventionen und der gemeinsamen Suche nach angemessenen Lösungen. Bei Inanspruchnahme der TWG sollte sich der zuständige Wohndienst verpflichten, den Menschen mit HV nach der Rückkehr weiter zu begleiten. Die Etablierung von effektiven TWG setzt bestimmte fachliche, personelle, strukturelle und organisatorische Gegebenheiten, insbesondere aber prozessuale Faktoren voraus, die nicht von allen Leistungserbringern TWG im Laufe des Modellversuchs in gleicher Weise vorgehalten werden konnten beziehungsweise erbracht worden sind.
93 9 Literatur Allen, D. & Felce, D. (1999). Service responses to challenging behaviour. In: N. Bouras (Ed.), Psychiatric and behavioural disorders on developmental disabilities and mental retardation (p. 279­294). Cambridge: University Press. Boban, I. & Hinz, A. (2001). Persönliche Zukunftskonferenzen. Unterstützung für individuelle Lebenswege. Leben mit Down­Syndrom, 37, 18­23. Bouras, N. (1999) (Ed.). Psychiatric and Behavioural Disorders in Developmental Disabilities and Mental Retardation. Cambridge: University Press. Braun, R. & Stroebele, T. (2003). Consulentenarbeit in den Niederlanden und beim Landschaftsverband Rheinland. In: G. Theunissen (Hg.), Krisen und Verhaltensauffälligkeiten bei geistiger Behinderung und Autismus (S. 101­108).Stuttgart: Kohlhammer. Dalferth, M. (1997).Zurück in die Institutionen? Probleme der gemeindenahen Betreuung geistig behinderter Menschen in den USA, in Norwegen und Großbritannien. Geistige Behinderung, 36, 4, 275­291. Dieckmann, F. & Haas, G. (2006, im Druck). Beratende und therapeutische Dienste bei geistiger Behinderung und herausforderndem Verhalten. Dieckmann, F., Flade, A., Schuemer, R., Ströhlein, G., Walden, R. (1998). Psychologie und gebaute Umwelt. Darmstadt: Institut für Wohnen und Umwelt. Eekelaar, H. (1999). Erfahrungen mit Konsulententeams. In: D. Petry & C. Bradl (Hg.; 1999), Multiprofessionelle Zusammenarbeit in der Geistigbehindertenhilfe. Projekte und Konzepte (S. 242­252). Bonn: Psychiatrie­Verlag. Emerson, E. (2001). Challenging behaviour. Analysis and intervention in people with severe intellectual disabilities (2 nd ed.). Cambridge: University press. Great Britain. Department of Health (1993). Services for people with learning disabilities and challenging behaviour or mental health needs [Mansell Report]. London: HMSO. Heijkoop, J. (1998). Herausforderndes Verhalten von Menschen mit geistiger Behinderung. Neue Wege der Begleitung und Förderung. Weinheim: Beltz. Hennicke, K. (1999). Der andere Blick. Traditionelle und systemische Sichtweisen. In: Petry, Detlef (Hrsg.), Multiprofessionelle Zusammenarbeit in der Geistigbehindertenhilfe (S. 83­106). Bonn: Psychiatrie­Verlag. Irblich, D. (2003). Problematische Erlebens­ und Verhaltensweisen geistig behinderter Menschen. In: D. Irblich & B. Stahl (Hg.), Menschen mit geistiger Behinderung. Psychologische Grundlagen, Konzepte und Tätigkeitsfelder (S. 312­388). Göttingen: Hogrefe. Kincaid, D. (1996). Person­centered planning.In: Koegel, L., Koegel, R. & Dunlap, G. (Eds.), Positive behavioral support. Including people with difficult behavior in the community. (S. 439­465).Baltimore: Brookes. Kühn, A., Metzler, H. & Rauscher, C. (2002). Hilfebedarf von Menschen mit geistiger Behinderung und erheblichen Verhaltensauffälligkeiten. Abschlussbericht eines Modellprojekts im Auftrag des Diakonischen Werkes der Ev.­Luth. Landeskirche Sachsens e.V. und des Staatsministeriums für Soziales, Jugend und Familie Sachsen. Tübingen: Forschungsstelle „Lebenswelten behinderter Menschen“, Universität Tübingen. Landesgesundheitsamt Baden­Württemberg (1993). Unterbringung, Therapie und Förderung geistig behinderter Kinder, Jugendlicher und Erwachsener mit zusätzlichen schweren Verhaltensstörungen. Stuttgart, unveröffentlichter Bericht. Lowe, K. & Felce, D. (1995).How do carers assess the severity of challenging behaviour? A total population study. Journal of Intellectual Disability Research, 39, 2, 117­127. Mayring, P. (2003). Qualitative Inhaltsanalyse (8. überarbeitete Aufl.). Weinheim: Beltz / utb.
94 Medizinisch­pädagogischer Dienst der Landeswohlfahrtsverbände Baden und Württemberg­ Hohenzollern (2004) (Hrsg.). Modellprojekt Therapeutische Wohngruppen – Fachgespräch am 2.10.2003 in Herrenberg­Gültstein. Stuttgart: Landeswohlfahrtsverband Württemberg­Hohenzollern. Qureshi, H. & Alborz, A. (1992). Epidemiology of challenging behavior. Mental Handicap Research 5,130­145. Sarimski, K. (2005). Psychische Störungen bei behinderten Kindern und Jugendlichen. Göttingen: Hogrefe. Schädler, J. (2002). Individuelle Hilfeplanung als Schlüssel zur Modernisierung der Behindertenhilfe. In: Greving, H. (Hrsg.), Hilfeplanung und Controlling in der Heilpädagogik (S. 171­192). Freiburg: Lambertus. Schäper, S. (2003). Die Betreuung von Menschen mit besonderen Verhaltensschwierigkeiten in kleinen Wohnstätten – ein Ernstfall? In: Kinderheilstätte Nordkirchen (Hrsg.), Menschen mit geistiger Behinderung und Verhaltensbesonderheiten. Dokumentation Nordkirchener Werkstatt Treffen Wissenschaft und Praxis vom 11. und 12. April 2003. Seifert, M. (2004). Das Consulentenprojekt der Heilpädagogischen Heime des Landschaftsverbandes Rheinland. Evaluation im Auftrag des Landschaftsverbandes Rheinland. Berlin: Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin. Theunissen, G. (2005). Pädagogik bei geistiger Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten (4. Aufl.). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
95 10 Anhang 10.1 Codes der Verhaltensauffälligkeiten Die erste Ziffer zeigt die Kategorie der Verhaltensauffälligkeit an, die darauffolgenden ein bis zwei Ziffern stellen eine laufende Nummerierung dar. Verh.­Nr. Beschreibung 1. Auffälligkeiten mit selbstgefährdendem Charakter 1.1 Nicht sprechen 1.2 Sich zurückziehen, Meiden bestimmter anderer Personen 1.3 Auf Kontaktaufnahme nicht oder ausweichend reagieren 1.4 Soziales Desinteresse 1.5 Rückzug durch Selbststimulation 1.6 Schlafstörungen, Störungen des Tag­ und Nachtrhythmus 1.7 Gefahr durch Weglaufen, Streunen 1.8 Essen oder Trinken dafür ungeeigneter Substanzen 1.9 Störungen des Eßverhaltens 1.10 Nahrungsverweigerung 1.11 Maßloses Essen 1.12 Bulimie 1.13 Anorexie 1.14 Suchtverhalten (Rauschmittel) 1.15 Schlagen, Kneifen (sich selbst) 1.16 Beißen, Kratzen (sich selbst) 1.17 Absichtliches Fallen 1.18 Augen bohren/stechen, schlagen des Auges 1.19 Onanieren bis zur Selbstverletzung der Genitalien 1.20 Haare ausreißen 1.21 Sich verbrühen (an heißen Getränken) 1.22 Sich selbst an der Wand blutig schlagen, den Kopf gegen einen Gegenstand schlagen 1.23 Verschlucken von Gegenständen 1.24 Sich selbst verstümmeln 1.25 Ausspucken von Medikamenten 1.26 Suizidalität 1.27 Andere 2. Beeinträchtigungen anderer Personen 2.1 Urinieren, Einkoten in Räumen 2.2 Kotschmieren 2.3 Kotessen 2.4 Häufiges Erbrechen, Speisen hervorwürgen (Ruminieren) 2.5 Ausführen von Manierismen (Klopfen, Klatschen, Trommeln), stereotyper oder zwanghafter Sachumgang (Drehen von Gegenständen) 2.6 Ständige motorische Unruhe, Körperbewegungen im Einschlafstadium/Schaukeln 2.7 Anhaltendes Schreien, Brummen, Lautieren 2.8 Anhaltendes Erzeugen von Geräuschen 2.9 Unkontrollierte Gesichtszuckungen, Tics
96 Verh.­Nr. Beschreibung 2.10 Inadäquates Anziehen, Ausziehen 2.11 Rituelles Verhalten, zwanghafte Verhaltensweisen, rigides Beharren auf Routine (z.B. Waschen, Kontrollieren, Ordnungsdrang, Pedanterie) 2.12 Distanzloses Verhalten, anfassen anderer 2.13 Eindringen in fremde Räume 2.14 Fluchen, verbale Aggressivität 2.15 Aufsässiges Verhalten, „Führungsresistenz“ 2.16 Andauerndes Fragen und Klagen 2.17 Gefühlsausbrüche 2.18 Lügen 2.19 Verstecken, Verlegen und/oder Sammeln von Gegenständen (aus anderen Zimmern) 2.20 Stehlen 2.21 Andere 3. Fremdgefährdung / Gefährdung der Sicherheit anderer Personen 3.1 Drohende Gebärden 3.2 Toben 3.3 Andere Bespucken 3.4 Handgreifliche Wutausbrüche 3.5 Ohrfeigen 3.6 Haare ziehen/ausreißen 3.7 Schlagen, Treten, Kneifen 3.8 Beißen, Kratzen 3.9 Stoßen, auf den Boden werfen 3.10 Kopfstoßen nach Personen 3.11 Würgen 3.12 Fehlhandlungen wie andere aus dem Bett ziehen 3.13 Pyromanie, Brandstiftung 3.14 Werfen, Schlagen mit harten schweren Gegenständen/Gegenstände als Waffen benutzen 3.15 Sexuelle Übergriffe 3.16 Exhibitionismus 3.17 Pädophiles Verhalten 3.18 Andere 4. Aggressionen gegenüber Sachobjekten 4.1 Zerreißen von Kleidungsstücken 4.2 Gegen Möbel oder Fenster treten/schlagen 4.3 Zerstören von eigenem oder fremdem Eigentum 5. Beeinträchtigungen im Leistungsbereich 5.1 Geringe Konzentrationsfähigkeit, fehlende Ausdauer 5.2 Leichte Ermüdbarkeit, geringe Belastbarkeit 5.3 Angst bei Leistungsanforderungen 5.4 Arbeitsverweigerung, ­flucht 5.5 Angst vor Leistungsanforderungen 5.6 Bewegungsverweigerung, Aufstehen verweigern
97 10.2 Codierung der psychischen Störungen psychische Störung Code Störung durch psychotrope Substanzen 1000 Schizophrenie 2000 schizotype Störung 2100 schizoaffektive Störung 2500 affektive Störung 3000 Angststörung 4000 Zwangsstörung 4200 Zwangshandlungen/­rituale 4210 Posttraumatische Belastungsstörung 4300 Anpassungstörung 4320 Persönlichkeitsstörungen 6000 schizoide Persönlichkeitsstörung 6010 dissoziale Persönlichkeitsstörung 6020 impulsiv­emotional instabile Pers.störung 6030 impulsiv, Borderline­Typ 6031 ängstlich­vermeidende Pers.störung 6060 Pädophilie 6540 Autismus, frühkindlicher 8400 atypischer Autismus 8410 Autismus, Asperger­Typ 8450 Störung des Sozialverhaltens 9100 Ticstörung 9500 hirnorgan. Psychosyndrom bzw. Verhaltens­ oder Pers.störung organisch bedingt, nicht näher bezeichnet 9970 Epilepsie 9980
98 10.3 Entwicklung des durchschnittlichen Gefährdungspotentials der SHV bei 177 Personen zu denen Daten aus allen fünf Zeitpunkten vorliegen (1 = „leichtes“, 2 = „ernstes“ und 3 = „hochkritisches“ Gefährdungspotential) SHV Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 1.1 1,4 1,0 1,3 1,0 1.2 1,5 1,3 1,2 1.3 1,5 1,3 1,1 1.4 1,5 1,3 1.5 1,1 1.6 2,0 1.7 1.8 Zeitpunkt 5 Differenz Zeitpunkt 5 – Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 1 Anzahl Zeitpunkt 2 Anzahl Zeitpunkt 3 Anzahl Zeitpunkt 4 Anzahl Zeitpunkt 5 Anzahl 1,6 0,2 5 5 6 5 7 1,2 1,2 ­0,4 31 30 29 25 25 1,1 1,3 ­0,2 15 14 14 21 19 1,1 1,0 1,1 ­0,3 11 12 7 6 8 1,1 1,1 1,1 1,3 0,2 15 16 15 14 15 1,8 1,6 1,4 1,4 ­0,6 23 20 17 19 20 2,4 2,5 2,5 2,4 2,3 ­0,1 27 24 22 21 22 2,3 2,3 2,3 2,4 2,3 ­0,1 13 12 12 8 8 1.9 1,4 1,3 1,2 1,2 1,6 0,2 17 16 15 15 16 1.10 2,3 2,0 1,9 1,4 1,8 ­0,4 11 8 7 5 6 1.11 1,9 1,9 1,5 1,6 1,6 ­0,3 14 12 11 12 12 1.14 2,0 2,1 2,0 1,7 1,8 ­0,2 14 14 13 14 13 1.15 1,9 1,9 1,7 1,7 1,7 ­0,2 34 33 33 35 40 1.16 1,8 1,9 1,8 1,6 1,6 ­0,3 28 30 35 32 25 1.17 1,5 2,0 2,3 1,7 2,3 0,8 2 2 3 3 3 1.18 2,5 2,5 2,5 2,5 2,0 ­0,5 2 2 2 2 3 1.19 1,0 1,5 1,0 1,0 1,0 0,0 1 2 1 1 1 1.20 2,0 2,3 1,7 1,7 1,5 ­0,5 2 3 3 3 2 1.22 2,0 2,0 1,9 1,8 1,9 ­0,1 22 22 21 18 21 1.23 3,0 3,0 2,8 2,8 2,5 ­0,5 5 5 5 5 4
1.12 1.13 1.21 99 SHV Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 1.24 2,7 2,3 2,3 2,3 1.25 2,2 2,2 1,4 1.26 2,6 2,8 2,8 1.27 2,5 2,3 2.1 1,6 1,5 2.2 1,5 2.3 2.4 Zeitpunkt 5 Differenz Zeitpunkt 5 – Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 1 Anzahl Zeitpunkt 2 Anzahl Zeitpunkt 3 Anzahl Zeitpunkt 4 Anzahl Zeitpunkt 5 Anzahl 2,3 ­0,5 7 3 3 3 4 1,6 1,6 ­0,6 6 6 5 5 5 3,0 2,3 ­0,2 7 4 5 3 3 2,2 1,8 1,7 ­0,8 22 16 18 14 13 1,3 1,3 1,4 ­0,2 18 21 22 19 17 1,1 1,3 1,1 1,3 ­0,2 8 7 7 7 6 2,3 2,5 2,0 2,0 2,0 ­0,3 3 2 3 3 3 2,0 2,0 2,0 1,5 1,3 ­0,7 1 1 1 2 3 2.5 1,7 1,5 1,4 1,3 1,4 ­0,4 11 13 12 13 8 2.6 1,6 1,5 1,4 1,4 1,3 ­0,3 36 36 32 35 29 2.7 1,6 1,4 1,4 1,4 1,4 ­0,2 40 40 39 41 40 2.8 2,1 1,8 1,8 1,7 1,8 ­0,3 8 9 8 6 5 2.9 1,1 1,0 1,0 1,0 1,0 ­0,1 7 5 5 6 6 2.10 1,5 1,2 1,2 1,3 1,4 ­0,1 8 5 6 8 8 2.11 1,7 1,7 1,6 1,6 1,6 ­0,2 61 64 62 68 67 2.12 1,6 1,5 1,3 1,4 1,4 ­0,2 33 35 35 38 41 2.13 2,0 2,0 1,8 1,8 1,7 ­0,3 10 10 10 13 10 2.14 2,2 1,7 1,6 1,6 1,5 ­0,7 27 34 36 35 37 2.15 1,9 1,9 1,7 1,5 1,4 ­0,5 34 37 35 33 33 2.16 1,6 1,5 1,4 1,4 1,4 ­0,2 42 49 48 51 52 2.17 2,0 1,8 1,7 1,6 1,7 ­0,3 30 31 38 40 40 2.18 1,6 1,7 1,2 1,3 1,1 ­0,5 13 13 9 8 8 2.19 1,8 1,5 1,5 1,4 1,8 0,0 17 11 11 9 9 2.20 2,3 2,3 1,6 1,7 1,5 ­0,8 8 8 8 7 8 2.21 2,0 1,9 1,9 1,8 1,5 ­0,4 23 24 24 19 19 3.1 2,0 1,8 1,7 1,7 1,7 ­0,3 29 34 33 31 31 3.2 2,4 2,4 2,2 2,2 2,3 ­0,1 22 23 23 19 18 3.3 1,9 1,2 1,0 1,3 1,2 ­0,7 7 6 6 6 6 3.4 2,6 2,6 2,4 2,3 2,4 ­0,2 57 52 51 49 48
100 SHV Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 3.5 3,0 2,0 2,0 3,0 3.6 2,2 2,2 2,1 2,0 2,0 3.7 2,4 2,2 2,2 2,1 2,1 3.8 2,3 2,2 2,1 2,0 3.9 2,6 2,6 2,5 2,4 3.10 2,8 2,5 2,5 3.11 2,6 2,8 3.12 2,6 3,0 3.13 3,0 3.14 2,8 3.15 3.16 Differenz Zeitpunkt 5 – Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 1 Anzahl Zeitpunkt 2 Anzahl Zeitpunkt 3 Anzahl Zeitpunkt 4 Anzahl Zeitpunkt 5 Anzahl 1 1 1 1 ­0,2 13 11 11 11 9 ­0,3 60 55 54 56 59 2,0 ­0,3 33 28 25 26 29 2,3 ­0,4 11 7 6 11 12 2,3 2,4 ­0,4 6 4 4 3 5 2,5 2,7 2,7 0,1 7 6 6 6 6 2,7 2,0 2,0 ­0,6 5 1 3 2 2 3,0 3,0 3,0 3,0 0,0 4 1 1 2 1 2,6 2,6 2,5 2,4 ­0,4 27 25 20 22 26 1,8 1,6 1,6 1,8 1,7 ­0,1 10 7 9 8 9 2,3 2,0 2,0 3,0 0,7 3 3 1 2 3.17 2,5 2,0 2,0 2,5 2,0 ­0,5 2 1 1 2 1 3.18 2,5 2,6 2,6 2,4 2,5 0,0 16 11 14 9 11 4.1 1,5 1,5 1,4 1,4 1,1 ­0,4 20 20 19 16 16 4.2 2,0 1,9 1,7 1,6 1,5 ­0,5 25 19 22 25 23 4.3 1,9 1,8 1,7 1,6 1,7 ­0,2 43 42 41 42 41 5.1 1,3 1,3 1,2 1,1 1,3 ­0,1 26 29 28 35 28 5.2 1,5 1,3 1,2 1,2 1,3 ­0,2 23 21 23 26 24 5.3 1,6 1,5 1,4 1,5 1,4 ­0,2 9 11 9 13 10 5.4 1,2 1,2 1,1 1,2 1,2 0,0 21 22 17 22 22 5.5 1,9 1,7 1,4 1,2 1,4 ­0,5 16 15 12 16 17 5.6 1,4 1,5 1,4 1,4 1,3 0,0 14 16 17 18 18
101 10.4 Entwicklung der durchschnittlichen Häufigkeiten der SHV bei 177 Personen zu denen Daten aus allen fünf Zeitpunkten vorliegen (1 = „gar nicht“, 2 = „1­2x monatlich“, 3 = „1x wöchentlich“, 4 = „mehrmals wöchentlich“, 5 = „1­2x täglich“ und 6 = „unentwegt“ SHV Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 1.1 5,4 5,0 4,3 4,2 4,0 1.2 5,1 5,2 4,7 4,6 1.3 4,8 4,8 4,9 4,8 1.4 5,3 4,8 3,6 1.5 4,9 4,5 4,2 1.6 4,2 3,5 1.7 3,2 3,1 1.8 3,5 1.9 4,9 1.10 1.11 Differenz Zeitpunkt 5 – Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 1 Anzahl Zeitpunkt 2 Anzahl Zeitpunkt 3 Anzahl Zeitpunkt 4 Anzahl Zeitpunkt 5 Anzahl ­1,4 5 5 6 5 7 4,5 ­0,6 30 31 32 25 26 4,5 ­0,3 15 14 14 20 19 3,6 3,8 ­1,5 11 13 11 11 11 4,1 4,1 ­0,7 15 16 17 15 16 3,4 3,1 3,0 ­1,2 23 21 19 22 24 2,4 1,7 1,8 ­1,3 27 26 25 25 26 3,5 2,5 2,1 1,9 ­1,6 13 13 13 10 10 5,0 4,6 4,1 3,9 ­1,1 17 17 17 17 18 4,2 3,4 3,0 3,2 3,4 ­0,8 11 8 7 6 7 5,1 4,7 3,8 3,4 3,2 ­1,9 14 13 13 13 13 1.14 4,9 5,1 4,5 4,4 4,3 ­0,6 14 15 15 16 16 1.15 4,2 4,1 3,8 3,3 3,4 ­0,8 34 34 33 36 42 1.16 4,3 3,4 3,5 3,1 3,4 ­0,8 28 33 35 33 27 1.17 3,5 3,0 3,3 2,5 3,0 ­0,5 2 2 3 4 4 1.18 1,5 3,0 3,5 3,5 3,7 2,2 2 2 2 2 3 1.19 5,0 4,0 1,0 1,0 1,0 ­4,0 1 2 2 2 2 1.20 1,5 2,3 2,3 3,3 2,0 0,5 2 3 3 3 2 1.22 3,5 3,9 3,0 2,7 2,8 ­0,8 22 23 21 19 21 1.23 3,6 2,8 1,4 1,0 1,0 ­2,6 5 5 5 5 5
1.12 1.13 1.21 102 SHV Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 1.24 4,0 3,2 3,2 1,8 2,4 1.25 3,5 2,0 1,7 1,7 1.26 1,9 1,7 2,0 1,4 1.27 4,5 3,6 3,6 2.1 4,4 3,6 3,3 2.2 3,3 2,8 2.3 2,0 2,0 2.4 3,0 2.5 5,7 2.6 2.7 Zeitpunkt 5 Differenz Zeitpunkt 5 – Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 1 Anzahl Zeitpunkt 2 Anzahl Zeitpunkt 3 Anzahl Zeitpunkt 4 Anzahl Zeitpunkt 5 Anzahl ­1,6 7 5 5 5 5 1,7 ­1,8 6 8 7 6 6 1,2 ­0,7 7 6 7 5 5 3,0 3,2 ­1,2 22 17 19 16 14 2,7 2,5 ­1,9 18 24 24 22 20 2,9 2,8 2,4 ­0,8 8 8 8 8 7 1,7 1,7 1,7 ­0,3 3 2 3 3 3 2,0 2,0 3,5 3,7 0,7 1 1 1 2 3 4,9 5,1 4,8 4,4 ­1,3 11 14 13 13 10 5,6 5,2 4,8 4,6 4,4 ­1,3 36 37 37 39 34 5,2 4,8 4,5 4,4 4,2 ­0,9 40 41 40 41 41 2.8 5,3 5,1 4,8 4,7 4,5 ­0,8 8 9 8 6 6 2.9 5,3 4,0 3,5 3,3 3,6 ­1,7 7 6 6 8 8 2.10 4,5 4,0 3,4 3,2 3,2 ­1,3 8 8 7 9 9 2.11 5,5 5,6 5,3 4,8 4,7 ­0,8 61 65 64 68 69 2.12 4,9 4,8 4,4 4,0 4,1 ­0,8 34 36 38 41 44 2.13 3,9 3,3 3,9 3,6 3,5 ­0,4 10 10 10 13 11 2.14 4,2 3,8 4,0 3,9 3,8 ­0,4 28 36 36 35 37 2.15 4,8 4,0 3,9 3,5 3,2 ­1,6 35 40 40 41 41 2.16 5,4 5,0 5,0 4,7 4,4 ­0,9 42 50 50 52 53 2.17 4,3 3,6 3,5 3,1 2,8 ­1,5 30 35 42 43 42 2.18 4,9 4,2 3,6 3,4 3,1 ­1,8 13 13 11 8 8 2.19 3,9 3,4 3,5 2,2 2,6 ­1,3 16 12 11 10 9 2.20 3,9 3,7 3,2 2,9 2,6 ­1,3 8 9 9 8 9 2.21 5,2 4,5 4,1 4,1 3,8 ­1,4 23 26 28 21 19 3.1 3,5 3,6 3,2 2,7 2,4 ­1,1 29 36 35 33 35 3.2 3,6 3,3 3,3 2,9 2,6 ­1,0 21 24 25 21 21 3.3 3,9 4,3 4,2 2,9 3,7 ­0,2 7 6 6 7 6 3.4 3,0 2,7 2,3 2,1 2,0 ­1,1 58 58 55 52 55
103 SHV Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 2 Zeitpunkt 3 Zeitpunkt 4 Zeitpunkt 5 3.5 4,0 2,5 2,5 1,5 1,0 3.6 3,2 2,4 2,8 2,5 3.7 3,1 2,6 2,6 2,5 3.8 3,2 2,5 2,6 3.9 1,8 1,3 1,2 3.10 2,5 2,3 3.11 3,0 1,4 3.12 3,4 3.13 1,0 3.14 3.15 Differenz Zeitpunkt 5 – Zeitpunkt 1 Zeitpunkt 1 Anzahl Zeitpunkt 2 Anzahl Zeitpunkt 3 Anzahl Zeitpunkt 4 Anzahl Zeitpunkt 5 Anzahl ­3,0 1 2 2 2 1 2,2 ­1,0 13 12 12 12 11 2,4 ­0,7 60 61 60 62 64 2,3 2,2 ­1,0 33 31 28 29 32 1,6 1,7 ­0,1 11 11 11 14 15 2,6 2,7 2,3 ­0,3 6 7 7 6 8 1,3 1,1 1,4 ­1,6 7 7 7 7 7 1,0 2,0 1,7 1,7 ­1,7 5 2 3 3 3 1,0 1,0 1,0 1,0 0,0 4 3 3 4 3 2,4 1,9 1,5 1,7 1,6 ­0,8 27 30 26 26 28 3,0 1,9 1,6 1,2 1,7 ­1,3 10 9 9 9 10 3.16 3,7 2,3 1,0 2,3 1,8 ­1,9 3 3 2 3 4 3.17 1,0 1,0 1,0 1,0 1,0 0,0 2 1 1 2 1 3.18 3,7 2,5 2,6 2,1 1,8 ­1,9 16 11 14 10 11 4.1 3,0 3,2 2,9 2,3 2,5 ­0,5 20 21 21 17 18 4.2 3,4 3,2 3,6 3,2 2,9 ­0,5 26 20 23 27 25 4.3 3,0 3,1 2,7 2,4 2,4 ­0,6 42 45 43 45 46 5.1 5,5 5,5 5,0 4,9 4,6 ­0,9 26 29 31 37 30 5.2 4,9 5,1 4,8 4,8 4,8 ­0,1 22 23 25 28 28 5.3 5,3 5,7 4,7 4,8 3,3 ­2,0 9 11 11 13 10 5.4 4,5 4,0 3,1 2,8 2,7 ­1,8 21 22 20 23 22 5.5 5,3 4,9 4,4 4,2 4,1 ­1,2 16 15 16 19 20 5.6 5,0 4,6 3,8 3,0 2,9 ­2,1 14 16 17 22 21
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