WELTWASSERTAG TrinkwasserDIALOG 2016 Sauberes Trinkwasser ist keine Selbstverständlichkeit Donnerstag, 31. März 2016 Redoutensäle Linz Promenade 39, 4020 Linz Thema: Trinkwasser als Herausforderung der Gesellschaft in Österreich und global Referent: Prof. Dr. Helmut Kroiss Präsident der International Water Association Trinkwasser als Herausforderung der Gesellschaft in Österreich und global TrinkwasserDIALOG 2016 Weltwassertag 31. März 2016 LINZ, Redoutensäle Em- o. Prof. Helmut Kroiss Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft Präsident der IWA Ehrenmitglied der DWA [email protected] Thesen • TW Versorgung in Österreich ist auf einem sehr hohen Standard (24/7/365) – Extrem hohe Verfügbarkeit von „sauberem“ Grund- und Quellwasser (wenig Aufbereitung) – Hoher Schutzanspruch und Vorsorgeüberlegungen – EU Gesetzgebung (TW-RL, WRRL) – lokale Probleme bleiben Herausforderungen für die Zukunft (Migration, Landwirtschaft, Spurenstoffe, Klimawandel) – Kleinteilige Organisationsstruktur (Subsidiaritätsprinzip, Kompetenz, Automatisierung, Überwachung) – Werterhaltung und kostendeckende Preise Globale Situation • • • • • • • • • • • UN: MGD, SGD, Menschenrecht auf TW TW Versorgung überwiegend nicht 24/7/365 Überwiegend Oberflächenwasser (Flüsse, Talsperren) Übernutzung von GW Sehr oft keine TW Hausinfrastruktur Hygienestandards mangelhaft, oft als TW nicht geeignet Hohe Verluste durch schadhafte Netze (>50%) Extremes Wachstum der Stadtbevölkerung (Slums) Klimawandel verstärkt Probleme 3 Barrierenprinzip oft nicht umgesetzt (WSP) Konflikt mit Landwirtschaft Wasserprobleme sind stark von örtlichen Bedingungen abhängig • Größe und Lage einer Siedlung an Gewässern (Land, Küste, Verdünnungsverhältnis, etc.) • Jährliche Verteilung der Verfügbarkeit von Wasser (Klimazone) • Wasser-Gesetzgebung und Umsetzung (Gewässerschutz) • Flussgebietsmanagement (national, international) • Landwirtschaftspolitik, globale Nahrungsversorgung • Industrielle und wirtschaftliche Entwicklung • Stoffstrommanagement (Mensch, Luft, Wasser, Boden, Energie) • Historische Entwicklung, Bildungswesen • Bestehende Infrastruktur Thesen • Es gibt eine global steigende Zunahme lokaler und regionaler „Notstände“ für die TW Versorgung • Hauptursachen: –Bevölkerungsentwicklung (Urbanisierung, Migration, Alterung) –Nahrungsproduktion und -bedarf (Bewässerung) –Auswirkungen des Klimawandels –Steigender Wasserbedarf von Industrie und Energieversorgung –Mangel an fachlicher Kompetenz und adäquater Organisationsstruktur Wasserprobleme müssen primär lokal und regional gelöst werden. • Die Verfügbarkeit von Süßwasser wird vorrangig von den natürlichen Bedingungen (Niederschlag, Temperatur) bestimmt und ist in das globale Klimageschehen eingebunden • Der Ferntransport von Wasser erfolgt vorwiegend über die Gewässer (Flussgebiete) und die Luft, technische Transportsysteme haben relativ enge ökonomische und oft ökologische Grenzen • Nutzung als Trink- und Brauchwasser verändert die Qualität • Nutzung als Bewässerungswasser in der Landwirtschaft verändert die regional verfügbare Menge (Quanitität) • Ferntransport von Nahrung als „virtuelles Wasser“ global möglich und zunehmend notwendig Ursachen lokaler und regionaler „Wassernotstände“, • Globaler Zuwachs der Bevölkerung insbesondere in Gebieten mit Wassermangel (natürlich und anthropogen) • Verdoppelung der Weltbevölkerung in Städten bis 2070 (rasantes Wachstum) Wiederverwendung! • Regional starke Veränderung des jährl. Niederschlages bzw. der Verteilung über das Jahr (Australien, USA, Asien, Südeuropa) zufolge des Klimawandels • Steigender Wasserverbrauch durch Bewässerung für Nahrungsproduktion (Landwirtschaft) in ariden Gebieten • Global steigende Wassernutzung und steigende Verunreinigung zufolge Industrialisierung und Energieeinsatz Ursachen der Zunahme lokaler und regionaler „Wassernotstände“ • Mangel an Fachkompetenz – – – – – • Fehlende Ausbildungsstrukturen (Arbeiter bis Akademiker) Fehlen von nationalen Fachverbänden (Regelwerke, interdisziplinär) Mangelnde Resilienz der Energieversorgung Ineffektives Krisenmanagement Fehlende Gewerbe- und Industrie-Struktur für Entwicklung, Erhaltung und Erneuerung (z.B.: Mittelständische Firmen) Auswirkungen: – Verlust an Wasserqualität (AWR, Quellenvermeidung, Netzverluste, schlechte landw. Praxis, Wettbewerb auf Kosten der Umwelt) – Keine Wiederverwendung und Kreislaufführung von Abwasser – Regenwassermanagement nicht ausreichend entwickelt – Meerwasserentsalzung nicht entwickelt oder ökonomisch untragbar Ursachen der Zunahme lokaler und regionaler „Wassernotstände“ • Mangelnde Organisationsstruktur – – – – – – Gesetzgebung wird nicht umgesetzt (Sprachproblem) Korruption Kompetenzverteilung und Datensammlung behindert Kooperation Fehlende Kontrolle von Datenqualität, etc. Fehlende Kontrolle und Anreizsysteme für das Management Mangelnde Kontinuität in allen Funktionen (Weitergabe von Wissen und Erfahrung) Wissenschaftliche Grundlagen • Folgen des 1. und 2. Hauptsatzes der Thermodynamik: – Stoffe gehen nicht „verloren“, ihre örtliche Verteilung ändert sich – der Mensch beschleunigt und „bereichert“ diesen Prozess stark, dafür gibt es viele Nachweise auch auf globaler Ebene – 0 und 100% gibt es nicht (O% Risiko oder 100% Entfernung) • Messbarkeit ist Folge der Empfindlichkeit der chem. Analytik: – Messbarkeit ist wichtiges Kriterium für Ableitung von „Risiko“ – Nicht-Messbarkeit ist kein sicheres Kriterium für Nicht-Wirkung • Grenzwerte entstehen aus: Wirkung(snachweis), Konsens über zulässiges Risiko und dem Wissen über Nichtwissen • Der Mensch muss als Teil der Umwelt gedacht werden und auch Risiken auf sich nehmen Vorsorgender Gewässerschutz • Alle vom Menschen in die Umwelt eingebrachten Substanzen wurden und werden über Luft und Wasser global verteilt und verändert. (PFT, Nanoplastik, Blei, Resistenzen) • Für welche Stoffe und in welchem Ausmaß dies lokale, regionale oder globale Probleme für die Wasser- und Nahrungsversorgung der Menschen sowie für die Biozönosen in allen Gewässern verursacht, ist Gegenstand der Forschung. • Risikovermeidung braucht einen gesellschaftlichen Konsens (Finanzierung, Verhaltensänderung, Gesetze) • Organisatorisch/technische Lösungen für Wasser- und Umweltprobleme brauchen etwa 30 Jahre zur wirksamen Umsetzung. Vorsorgeüberlegungen • Veränderungsprozesse im Denken sind langsam (Dauer 30 a) – Wissenschaftliche Erkenntnis : Nachweis einer Ursache Wirkungsbeziehung (Mensch- Natur-Umwelt), Risikoanalyse – Entwicklung von Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlentwicklungen – Bewusstseinsänderung in der Gesellschaft (Politik, Medien), – Bereitschaft die Kosten zu tragen – Angepasste gesetzliche Regelungen und ihrer wirtschaftlichen Folgen – Aufbau der organisatorisch-technischen Infrastruktur (Analytik, Planung, Ausführung, Überwachung, etc.) – Langes Warten auf die Trendumkehr, weil die Umwelt ein gigantischer Speicher von anthropogenen Stoffen ist – Freude an und Stolz auf den Erfolg erntet die nächste Generation Fazit für die Politik • Die Politik ist gefordert, das Interesse am Wasser durch Anreize für Innovationen und das Erkennen und meistern von neuen Herausforderungen wachzuhalten. • Die Forschung muss weit vorausdenken können um solide Grundlagen für politische Entscheidungen zu schaffen. • Zufolge der komplexen Zusammenhänge zwischen Wasser und allen Lebensvorgängen bleiben dies dauernde Herausforderungen. • Wasser-Versorgung ist ein Querschnittthema: Gesundheit, Gewässerschutz (Punkt- und diffuse Quellen), Industrie, Landwirtschaft, Energiewirtschaft, Bergbau, Stoffwirtschaft Neue Entwicklungen in der WW: • Zunehmende Verdrängung von Chemie durch Membranen in der TW Versorgung und AWR • Zunahme von Meerwasserentsalzung für die TW Versorgung , „neues“ Süßwasser (Energiebedarf!) • Direkte Abwasser-Wiederverwendung als TW • Industrie-Kreislaufführung von Wasser und Wertstoffen • Dezentrale Wasserkreisläufe bzw. Wiederverwendung Beispiele • • • • • • • • • Wien: energieautarke Wasserwirtschaft Singapur: Abwasser als TW; Konsumentenbetreuung Riad: Meerwasserentsalzung, 400 km Fernleitung, Süd Korea: kein Grundwasser, Monsungebiet Quingdao/China: dezentrales Brauchwasserrecycling Delhi: intermittierende Versorgung, Netzverluste! Manila: Umstellung auf 24/7 Versorgung Tokyo: dezentrale Wiederverwendung im Zentrum Nairobi: nur 15% zentrale TWV, rasantes Wachstum • • • • • • • • • Der österreichische Standard der TW Versorgung Die besondere Situation in Österreich Die nationale und EU Rechtslage: Grenzwerte, GW Schutz Die internationale Rechtslage: Menschenrecht und SDG 2015 und die Folgen für die TW Versorgung Die globale Situation und Entwicklung der WV Herausforderungen siehe oben Verluste im Netz Intermittierende Versorgung, dezentrale Versorgung Kreislaufführung (Singapur), Wiederverwendung (Saudiarabien), Speicherung (Korea), Mehrfachnutzung, Bewässerung • Organisationsformen – – – – – Geschichtliche Entwicklung, lokale Situation Zentral versus dezentral und die örtlichen Bedingungen Öffentlich, privat, ppp Modelle, Eigentumsfrage Verantwortlichkeit für Funktions- und Wert-Erhaltung der Netze Die Beziehung zwischen TW-Versorgern und Kunden • Neue Herausforderungen – – – – – GW: Konflikt mit Landwirtschaft (Wasserbedarf, Düngung, Pestizide, Biogas) Oberflächenwasser: WSP, Spurenstoffe (Mensch, Biozönosen) Aufbereitungstechnik, Kreislaufführung Hygiene (Schutzgebiete, Entkeimung: „Chlor“, UV, Membranen) Überwachung, Steuerung, Automatisierung Zusammenfassung und Schlussfolgerungen • Österreichisches Know how wäre international gefragt top-down wie auch die bottom-up Entwicklung • Transfer wegen Organisationsstruktur kaum möglich • Weltweit: für ca. 80% der Menschen TW Versorgung auf deutlich niedrigerem Standard oder „fehlend“ (7/24, NRW, Kostendeckung) • Aufholjagd hat begonnen und riesige Investitionen sind im Gange (SDG, MR) Zusammenfassung und Schlussfolgerungen • Herausforderungen auch für Österreich: – Klimawandel: Süden, Osten, Südosten – Bevölkerungsentwicklung: Landflucht, Migration – Landwirtschaft: Gewässerschutz, TW Schutzgebiete, gute landwirtschaftliche Praxis – Spurenstoffe: Quellenvermeidung, Nachreinigung von Abwasser, Aufbereitungstechnik – Organisation: Vor- und Nachteile der Vielfalt in einem wasserreichen Land, Trennung von TW und Gewässerschutz – Versorger-Konsument-Politik: Öff. Daseinsvorsorge versus PPP