I Einfçhrung in die Sozialpsychologie 1 Ûberblick Die Sozialpsychologie verfçgt çber einen eigenståndigen Theorieansatz und eine eigene Datensammlung, auf deren Grundlage sie ihre besondere Perspektive entwickelt. Definitionen der Sozialpsychologie, die meist auf Gordon W. Allport (1968) zurçckgehen, sind relativ weit gefasst: Sozialpsychologie »ist das Studium der Reaktionen des Individuums auf soziale Stimulation. Die kritischen Reaktionen kænnen Gedanken, Gefçhle oder offenes Verhalten sein, und die Stimuli kænnen alles einschlieûen, was durch die wirkliche, erinnerte oder antizipierte Anwesenheit anderer Leute impliziert wird« (Steiner, 1979, S. 514). Diese Definition verdeutlicht das Hauptinteresse der Sozialpsychologie an der sozialen Bestimmtheit der Person. In Abbildung 1 ist die Definition der Sozialpsychologie an dem Beispiel der unterlassenen Hilfeleistung veranschaulicht. Abbildung 1: Veranschaulichung der Definition der Sozialpsychologie am Beispiel eines Unfallzeugen, der sich passiv verhaÈlt In dem in Abbildung 1 dargestellten Beispiel repråsentieren das Unfallopfer und andere Zuschauer die unmittelbar anwesenden Personen (»wirkliche Anwesenheit«). Die vorgestellte Anwesenheit anderer bezieht sich auf Personen, an die der 1 I EinfuÈhrung in die Sozialpsychologie Handelnde denkt, ohne dass sie in der Situation konkret anwesend sind. Das kænnen Vorbilder sein, die sich der Handelnde ins Gedåchtnis ruft, oder Freunde und Bekannte. Die implizierte Anwesenheit anderer wird durch die Gruppenidentifikation vermittelt. Wenn sich eine Studentin mit ihrer Universitåt identifiziert und wenn sie sich dieser Gruppenmitgliedschaft bewusst ist, beeinflusst ihre Binnengruppe ihre Gedanken, Gefçhle und Verhaltensweisen. Was sind die Themen, mit denen sich die Sozialpsychologie befasst? Eine Durchsicht aktueller Lehrbçcher ergibt folgende Liste: . Wahrnehmung von Personen (soziale Kognition, Attribution von Ursachen, Beståtigungstendenzen), . Wahrnehmung des Selbst (Konstruktion und Verteidigung des Selbstwertes, . . . . . . . . Selbstdarstellung, Emotionen und Stimmungen), Wahrnehmung von Gruppen, Stereotype und Vorurteile, soziale Kategorisierung und soziale Identitåt, Erfahrung von Stigmatisierung, Abbau von Diskriminierung, Bewertung der sozialen Welt (Einstellungsbildung, Einstellungsånderung, periphere und zentrale Verarbeitung von Kommunikation, Einstellung und Verhalten, Selbstçberredung durch Handeln, Fairness und Gerechtigkeit), Einfluss in Gruppen (sozialer Einfluss, Konformitåt, Befolgung von Normen, Minderheiteneinfluss, Fçhrung), Interaktion mit anderen (Reziprozitåt, Bindung, Gehorsam gegençber Autoritåten), Interaktion in Gruppen (social facilitation, Gruppenleistung, Kooperation und soziale Dilemmata), Interpersonelle Attraktion (Gesellung und Einsamkeit, physische Attraktivitåt, sich kennen lernen, enge Beziehungen, romantische Liebe, Auflæsung von Beziehungen), Aggression und prosoziales Verhalten (positive und negative Stimmung, Konfliktlæsung und Aggressionsminderung, situative Einflçsse und Persænlichkeitsunterschiede, Interaktion von Helfern und Hilfeempfångern, gesellschaftliche Modelle der Hilfeleistung, Medieneinflçsse), Anwendung (Arbeits- und Organisationspsychologie, Gesundheitspsychologie, Forensische Psychologie, Klinische Psychologie, Pådagogische Psychologie, Umweltpsychologie). Der Inhalt der Sozialpsychologie wird beispielhaft durch das Thema »Soziale Vergleiche« veranschaulicht. Daher beginnt das Lehrbuch mit diesem Thema, das fçr viele Teilbereiche der Sozialpsychologie bedeutsam ist. Anschlieûend folgt der Schwerpunkt »Soziale Motive«. Streben nach Gesellung und Bindung sind wichtige Voraussetzungen fçr die Entstehung von interpersonellen Beziehungen und Gruppen. Interpersonelle Attraktion ist vor allem in persænlichen Beziehungen bedeutsam. Zwei weitere soziale Motive sind fçr soziale Beziehungen wichtig: Hilfsbereitschaft und Aggressionsneigung. Schlieûlich geht es bei den Themen »Gerechtigkeit« und »Kontrollstreben« um die Bewertung bzw. Bedeutung der Prozesse, die in sozialen Beziehungen ablaufen. 2 1 UÈberblick Die weiteren Themenschwerpunkte umfassen ebenfalls Kernbereiche der Sozialpsychologie: . Soziale Kognition bezieht sich auf Eindrucksbildung. Welche Rolle spielen Erwartungen? Wie werden Ursachen erschlossen? Was sind die typischen Fehler der Urteilsbildung, und wie lassen sie sich vermeiden? . Einstellungen bilden çberdauernde Orientierungsschemata. Welche Funktionen haben sie? Wie werden sie erworben und veråndert? Wann stehen sie mit dem Verhalten in Zusammenhang? . Soziale Interaktion kommt in der Konformitåt zum Ausdruck. Sie wird durch den Einfluss der Interaktionspartner bestimmt, der unterschiedliche Machtgrundlagen haben kann. Wann wirkt sich die Anwesenheit anderer ungçnstig auf die Leistung aus, und wann beflçgelt sie die Leistung? Warum verhalten sich Menschen kooperativ? Kann geschickte Fçhrung den Erfolg der Gruppenarbeit verbessern? Wie unterscheiden sich Gruppenentscheidungen von Einzelentscheidungen? Wie lassen sich die Chancen der Gruppenarbeit nutzen? Aus Platzgrçnden kænnen Methoden der Sozialpsychologie hier nicht behandelt werden. Zu diesem Thema gibt es sehr gute Handbçcher (Erdfelder, Mausfeld, Meiser & Rudinger, 1996; Roth & Holling, 1999), auf die nur verwiesen werden kann. Einige inhaltliche Bereiche kænnen nur am Rande oder çberhaupt nicht behandelt werden. Dazu zåhlen Sozialisationsforschung (Durkin, 1995; Smith & Hart, 2002), Sprachpsychologie (Langenmayr, 1997) und Leistungs- und Machtstreben (Schneider & Schmalt, 2000). Der Text wurde zur Erleichterung des Lesens mit einer Reihe von »Boxen« aufgelockert. Der Buchstabe »U« verweist auf Untersuchungsberichte, »A« auf Anwendung und »T« auf Theorie. Die sechste Auflage dieses einfçhrenden Textes in die Sozialpsychologie ist in den Teilen, die sich mit sozialen Vergleichen, sozialen Motiven und Stereotypen befassen, in groûen Teilen neu geschrieben worden, um die Darstellung zu aktualisieren und zu erweitern. Um der wachsenden Bedeutung der Gruppenforschung Rechnung zu tragen, wurde ein Kapitel çber »Entscheidung und Leistung in Gruppen« hinzugefçgt. Folgende Modelle und Theorien wurden neu einbezogen oder erweitert: Kontinuitåt der Bindungsstile, Allgemeines Aggressionsmodell, geographische Analyse der Hilfsbereitschaft, Diktator-Spiel und Ultimatum-Spiel, positive Illusionen und Beziehungsglçck, Selbstkategorisierungs-Theorie, TerrorManagement-Theorie, »Hidden-Profile-Problem«. Wie schon in frçheren Auflagen wurden die Ergebnisse von Meta-Analysen berçcksichtigt, um die Vielzahl der empirischen Ergebnisse zu systematisieren. MetaAnalysen bewirken zweierlei: Zum einen kænnen wir uns heute bei vielen Hypothesen sicherer alsfrçher sein, ob sie zutreffen oder nicht. Zum anderen liefern MetaAnalysen Hinweise auf die Heterogenitåt der Ergebnisse, die sich durch eine Gegençberstellung von Studien nach bestimmten Kriterien zumindest teilweise aufklåren låsst. Es gibt keine einfachen Prinzipien in der Sozialpsychologie, die immer gelten. Betrachten wir zwei mægliche Kandidaten fçr solche einfachen Prinzipien: . Menschliches Verhalten ist egoistisch motiviert, und das erklårt Denken und Handeln immer. 3 I EinfuÈhrung in die Sozialpsychologie . Menschen handeln danach, was ihnen jeweils im Gedåchtnis zugånglich ist. Beide Aussagen treffen håufig zu, aber es gibt eben auch viele Ausnahmen von diesen Regeln. Das Wissen çber diese Ausnahmen macht kenntnisreiche Sozialpsychologen aus! Die Bearbeitung der sechsten Auflage wurde von Gabriele Croitoru, Michael Herner, Mirja Kuhn, Iciar Martinez, Anja Nicpon, Christoph Saft und Theo Schçlken unterstçtzt, denen ich an dieser Stelle danken mæchte. 4 2 Soziale Vergleiche 2 Soziale Vergleiche 2.1 Kognitive Grundlagen sozialer Vergleiche 2.1.1 Sozialer Vergleich, AÈhnlichkeit und Unsicherheitsreduktion 2.1.2 Sozialer Vergleich als Urteilsprozess 2.1.3 Werte und Meinungen in sozialen Vergleichen 2.2 Das Selbst als Vergleichsmaûstab: Assimilation und Kontrast in der Eindrucksbildung 2.3 Aufwårts gerichtete soziale Vergleiche 2.4 Abwårts gerichtete soziale Vergleiche 2.5 Nåhe, Leistung und Relevanz: soziale Vergleiche und Selbstbewertung 2.6 Soziale Vergleiche und Gesundheit 2.7 Soziale Vergleiche in kognitiven Emotionstheorien 2.8 Zusammenfassung 2.9 Fragen Der fçnfzehnjåhrige Michael vergleicht sich mit seinem ålteren Bruder und mit seiner jçngeren Schwester. Der Bruder ist sein Vorbild, die Schwester sieht seiner Meinung nach besser aus als er. Vergleiche unter Geschwistern stellen die Urkonstellation sozialer Vergleiche dar. Sie werden çberlagert von Vergleichen mit Gleichaltrigen, mit den Eltern oder mit Modellen, die durch die Medien verbreitet werden. Soziale Vergleiche finden håufig unter Gleichen statt. Sie kænnen aber auch nach unten (abwårts gerichteter sozialer Vergleich) oder nach oben (aufwårts gerichteter sozialer Vergleich) gerichtet sein. Die erstgenannte Richtung wird angewandt, wenn sich der åltere Bruder mit der jçngeren Schwester vergleicht. Die letztgenannte Richtung ist gegeben, wenn sich der jçngere Bruder mit dem ålteren Bruder vergleicht. Soziale Vergleiche haben die Funktion der Unsicherheitsreduktion: . Wie soll sich ein Schçler bei seinem ersten Theaterbesuch verhalten? . Was bedeutet es, wenn es in der jungen Ehe kriselt? . Wie gut kann ein Patient seine Krankheit bewåltigen? Die Beantwortung jeder dieser Fragen kann durch soziale Vergleiche erleichtert werden, sodass die subjektive Unsicherheit reduziert wird (Festinger, 1954; Gerard, 1963). In Box A1 und A2 werden zwei Beispiele fçr die Wirkung sozialer Vergleiche gegeben. Das Beispiel in Box A1 bezieht sich auf das Leistungsverhalten, das Beispiel in Box A2 auf das Erleben in romantischen Beziehungen.. 5 I EinfuÈhrung in die Sozialpsychologie Box A1: Soziale Vergleiche in der Schulklasse Leistungsergebnisse sind haÈufig nicht eindeutig einzuordnen. Was bedeutet es, wenn man in einem Leistungstest einen Wert von »10« erzielt hat? Um diese Frage zu beantworten, koÈnnen z. B. die folgenden Informationen eingeholt werden: . Was war der durchschnittliche Testwert? . Wie viele Personen erhielten bessere Testwerte? . Was war der haÈufigste Testwert? In PruÈfungssituationen sind das die drei Fragen, die am haÈufigsten gestellt werden (Suls & Tesch, 1978). Soziale Vergleiche beeinflussen die Bewertung von schulischen Leistungen, die sich teilweise an einem individuellen Maûstab (Vergleich mit eigenen fruÈheren Leistungen) und teilweise an einem sozialen Maûstab (Vergleich mit dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe, im Allgemeinen der Schulklasse) orientiert (vgl. Rheinberg, 1980; 1982). Im zweiten Fall kann von einer sozialen Bezugsnorm-Orientierung gesprochen werden, im ersten Fall von einer individuellen Bezugsnorm-Orientierung. Die soziale Bezugsnorm entspricht einer Betonung des Vergleichs unter Personen (Konsensus-Information im Sinne der Attributionstheorie, s. »Kovariationskonzepte«), die individuelle Bezugsnorm entspricht einer Akzentuierung des Vergleichs mit fruÈheren Leistungen (Konsistenz-Information im Sinne der Attributionstheorie). In der Schule haben soziale Vergleiche mit relevanten Bezugsgruppen einen groûen Einfluss auf die SelbsteinschaÈtzung, der greifbar wird, wenn die Auswirkungen der KlassenzugehoÈrigkeit auf die SelbsteinschaÈtzung im Leistungsbereich und auf das SelbstwertgefuÈhl untersucht werden (Schwarzer, 1979). Schlechte Gymnasiasten schaÈtzen sich ± ausgehend von der Klasse als einer Bezugsgruppe mit kleiner Reichweite ± 6 . in ihrer Erfolgszuversicht (z. B. ob man daran Freude hat, schwierige Aufgaben zu loÈsen), . in ihrer LeistungsaÈngstlichkeit (z. B. ob man sich durch PruÈfungsangst in der eigenen LeistungsfaÈhigkeit eingeschraÈnkt fuÈhlt), . und in der Einstellung zu Schule und Lernen (z. B. ob man gerne zur Schule geht). negativer ein als gute Haupt- oder RealschuÈler, deren SelbsteinschaÈtzung mit der von guten Gymnasiasten uÈbereinstimmt. Dieser Bezugsgruppeneffekt laÈsst vermuten, dass nicht alle SchuÈler gleichermaûen von dem UÈbergang zwischen Grundschule einerseits und Hauptschule, Realschule und Gymnasium andererseits profitieren, da sich der relative Rangplatz der È bergang erheblich verSchuÈler durch den U aÈndern kann. SchuÈler, die in der Grundschule im mittleren oder unteren Leistungsbereich lagen, erreichen auf der Hauptschule wesentlich guÈnstigere RangplaÈtze, waÈhrend SchuÈler aus der oberen HaÈlfte der Grundschulverteilung am Gymnasium haÈufig erhebliche Einbuûen in ihrem Leistungsrangplatz im Klassenverband hinnehmen È bergang auf das muÈssen. WaÈhrend der U Gymnasium als solcher das SelbstwertgefuÈhl foÈrdern sollte, koÈnnte die nachfolgende Rangplatzverschlechterung zu einer BeeintraÈchtigung des Selbstwerts beitragen. Umgekehrt koÈnnte der Verbleib in der Hauptschule zunaÈchst den Selbstwert beeintraÈchtigen, waÈhrend durch die nachfolgende Rangplatzverbesserung eine Steigerung des SelbstwertgefuÈhls ausgeloÈst werden koÈnnte. Genauere Auskunft uÈber diese erwarteten Bezugsgruppeneffekte je nach Schultyp gibt eine Untersuchung, in der 436 HauptschuÈler und 521 Gymnasiasten der fuÈnften und achten Klasse im Hinblick auf ihr SelbstwertgefuÈhl untersucht wurden (Schwarzer & Jerusalem, 1982), das mit einer 11-Item-Skala erfasst wurde, die z. B. die Aussage enthielt: »Ich wollte, ich 2 Soziale Vergleiche koÈnnte von mir eine bessere Meinung haben«. Generell zeigte sich, dass das SelbstwertgefuÈhl umso groÈûer war, je besser die erreichten Noten waren. ErwartungsgemaÈû ergab sich zwischen dem fuÈnften und achten Schuljahr bei HauptschuÈlern und Gymnasiasten ein gegen- laÈufiger Trend: HauptschuÈler der achten Klasse wiesen einen guÈnstigeren Selbstwert auf als solche der fuÈnften Klasse, waÈhrend Gymnasiasten der achten Klasse ein negativeres SelbstwertgefuÈhl zum Ausdruck brachten als solche der fuÈnften Klasse (s. Abbildung 2). Abbildung 2: SelbstwertgefuÈhl in AbhaÈngigkeit von Schultyp, Klassenstufe und Mathematiknote (nach Schwarzer & Jerusalem, 1982) Der unterschiedliche Verlauf der Profile in Abbildung 2 laÈsst sich dadurch erklaÈren, dass der Schulwechsel dazu fuÈhrt, dass sich die RangplaÈtze der Gymnasiasten in der Regel verschlechtern, waÈhrend sich die RangplaÈtze der HauptschuÈler verbessern (relativ zu den RangplaÈtzen in der Grundschule). Diese Effekte, die sich als relative Deprivation und relative Gratifikation bezeichnen lassen, sind unmittelbar nach dem Schulwechsel noch nicht sichtbar und manifestieren sich erst, nachdem Erfahrungen mit der Leistungsverteilung in der neu zusammengestellten Klasse gemacht worden sind. Offensichtlich wird das SelbstwertgefuÈhl sozial vermittelt (s. »Sich-selbst-erfuÈllende È berProphezeiungen«). Das Erlebnis von U legenheit oder Unterlegenheit wirkt sich positiv oder negativ auf die SelbsteinschaÈtzung aus. Das gilt schon aufgrund relativ belangloser Erfahrungen wie der, dass eine andere Person, die man bei einem be- stimmten Ereignis trifft, besser gekleidet ist als man selbst (Morse & Gergen, 1970). Es gilt noch viel nachdruÈcklicher bei wiederholten Erfahrungen damit, dass man andere aus der eigenen Bezugsgruppe uÈbertrifft oder schlechter abschneidet. Ein Beispiel dafuÈr sind auch Geschwister, deren Berufserfolg unterschiedlich ausfaÈllt. Durch soziale NaÈhe werden Leistungsvergleiche ausgeloÈst, die Auswirkungen auf das Selbst haben. Diese koÈnnten sowohl durch die abstrakte Zuordnung zu bestimmten Schul- und UniversitaÈtskategorien (z. B. Elitestatus der UniversitaÈt) bestimmt werden als auch durch die konkrete Zuordnung zu der eigenen Klasse oder dem eigenen Jahrgang. In diesem Zusammenhang wird berichtet, dass die Selbstbewertung eigener FaÈhigkeiten bei Studierenden nicht durch den Elitestatus der UniversitaÈt, sondern durch den eigenen Notenstand bestimmt wird (s. Schwarzer, 1979). 7 I EinfuÈhrung in die Sozialpsychologie Vergleiche im Hinblick auf das Leistungsniveau werden unter dem Begriff der Bildung des Anspruchsniveaus behandelt, der sich auf Erwartungen und Zielsetzungen im Hinblick auf die eigene Leistung bezieht. Neben der Aufgabenschwierigkeit sind eigene frçhere Leistungen und der soziale Vergleich eine wichtige Determinante des Anspruchsniveaus (Keller, 1996). Die relevanten Vergleiche beziehen sich sowohl auf die eigene Leistungsbiografie als auch auf die Leistungen von Mitgliedern der Bezugsgruppe. Das Anspruchsniveau einer Schçlerin bei einer Aufgabe fållt hæher aus, . wenn sie die Aufgabe als relativ leicht einschåtzt (wahrgenommene Auf- gabenschwierigkeit niedrig), . wenn sie in der Vergangenheit gute Leistungen bei åhnlichen Aufgaben erreicht hat (hohe individuelle Bezugsnorm-Orientierung) . und wenn ihre Mitschçlerinnen gute Ergebnisse bei der Læsung der Aufgabe erzielt haben (hohe soziale Bezugsnorm-Orientierung; Blanton, Buunk, Gibbons & Kuyper, 1999). Das zweite Beispiel zur Veranschaulichung sozialer Vergleiche bezieht sich auf das Erleben der Partnerschaft (Box A2). Box A2: Unsicherheit in der Ehe und emotionale Vergleiche Wie gerne moÈchten Sie mit anderen daruÈber sprechen, wie die Dinge in Ihrer Beziehung laufen? Diese Frage wurde 632 verheirateten NiederlaÈnderinnen und NiederlaÈndern gestellt, die zum groûen Teil uÈber eine Zeitungsannonce zur Mitarbeit gewonnen wurden. Sie konnten ihre Antwort auf einer 5-Punkte-Skala ankreuzen, die von 1 (uÈberhaupt nicht) bis 5 (sehr gerne) reichte. Diese Skala diente zur Erfassung des Strebens nach Gesellung. Die Hypothese von Buunk, VanYperen, Taylor und Collins (1991) lautete, dass das Streben nach Gesellung bei denjenigen groÈûer ist, die unsicher daruÈber sind, wie die Dinge in ihrer Beziehung laufen. Die Befragten wurden in drei Gruppen eingeteilt: niedrig, mittel und hoch unsicher. In Abbildung 3 sind die Ergebnisse getrennt fuÈr MaÈnner und Frauen dargestellt. Sie zeigen, dass die Suche nach GespraÈchspartnern in beiden Geschlechtsgruppen mit der erlebten Unsicherheit zunahm. Abbildung 3: Streben nach Gesellung in AbhaÈngigkeit von der Unsicherheit uÈber die Beziehung (nach Buunk, VanYperen, Taylor & Collins, 1991). 8 2 Soziale Vergleiche In weiteren Auswertungen wurde zwischen aufwaÈrts und abwaÈrts gerichteten Vergleichen unterschieden und zwischen positiven und negativen GefuÈhlen, die mit den Vergleichen verbunden waren. Ein Vergleich ist aufwaÈrts gerichtet, wenn das Vergleichspaar gluÈcklicher ist. Ein Vergleich ist abwaÈrts gerichtet, wenn das Vergleichspaar weniger gluÈcklich ist. Im Allgemeinen uÈberwog die HaÈufigkeit positiv getoÈnter Vergleiche (abwaÈrts und aufwaÈrts) die von negativ getoÈnten Vergleichen deutlich. AbwaÈrts gerichtete positive Vergleiche waren mit 95 % am haÈufigsten (vs. 78 % aufwaÈrts gerichtete positive Vergleiche). Das UÈberwiegen positiv getoÈnter Vergleiche hing allerdings von der Unsicherheit uÈber den Verlauf der Beziehung ab, die einen Einfluss darauf ausuÈbte, wie haÈufig soziale Vergleiche mit positiven oder negativen GefuÈhlen verbunden waren. Das wurde bei aufwaÈrts gerichteten sozialen Vergleichen deutlich. Bei niedriger Unsicherheit uÈberwogen positive GefuÈhle deutlich. Bei hoher Unsicherheit nahm die HaÈufigkeit von negativen GefuÈhlen deutlich zu, sodass sie genauso haÈufig auftraten wie positive GefuÈhle (s. Abbildung 4). Entscheidend scheint zu sein, wie die vergleichende Person die Vergleichsinformation bewertet. Abbildung 4: Positive und negative GefuÈhle, die durch aufwaÈrts und abwaÈrts gerichtete Vergleiche in AbhaÈngigkeit vom Grad der Unsicherheit ausgeloÈst werden (nach Buunk et al., 1990) Viele Hinweise sprechen dafçr, dass sowohl aufwårts als auch abwårts gerichtete Vergleiche positive Wirkungen auf Stimmung und Selbstwertgefçhl haben kænnen, wobei abwårts gerichtete Vergleiche in dieser Hinsicht konsistenter sind (Collins, 1996). In einer niederlåndischen Studie zur Partnerschaft fand sich, dass die Befragten die eigene Beziehung in der Regel als erfolgreicher einschåtzten als die »der meisten anderen« oder »typischer durchschnittlicher Erwachsener«. Das war besonders unter den Befragten der Fall, die ihre eigene Beziehung als glçcklich bewerteten (Buunk & van der Eijnden, 1997) 9 I EinfuÈhrung in die Sozialpsychologie Im nåchsten Abschnitt befassen wir uns mit den kognitiven Grundlagen sozialer Vergleiche, die in der Theorie sozialer Vergleiche nach Festinger (1954) deutlich werden. Im Weiteren gehen wir auf die Besonderheiten von aufwårts gerichteten und abwårts gerichteten sozialen Vergleichen ein. 2.1 Kognitive Grundlagen sozialer Vergleiche 2.1.1 Sozialer Vergleich, Øhnlichkeit und Unsicherheitsreduktion Soziale Vergleiche dienen der Beseitigung von subjektiver Unsicherheit. Fçr die Erfçllung dieser Funktion ist die Auswahl geeigneter Vergleichspersonen wichtig (s. Box T1). Box T1: Theorie sozialer Vergleiche nach Festinger Festinger (1954) formulierte seine Theorie sozialer Vergleiche mit dem Ziel, die Beeinflussung von Meinungen in Gruppen und die Bewertung von FaÈhigkeiten zu erklaÈren. Dementsprechend wird in seiner ersten Hypothese postuliert (S. 117): »Im menschlichen Organismus besteht ein Trieb zur Bewertung seiner Meinungen und seiner FaÈhigkeiten.« In der zweiten Hypothese wird hinzugefuÈgt (S. 118): »In dem Ausmaû, wie objektive, nicht-soziale Mittel nicht zur VerfuÈgung stehen, bewerten Menschen ihre Meinungen und FaÈhigkeiten durch Vergleich mit den Meinungen bzw. FaÈhigkeiten anderer.« Damit ergibt sich die Zusatzannahme (S. 119): »Bei Fehlen eines physischen oder sozialen Vergleichs sind subjektive Bewertungen von Meinungen und FaÈhigkeiten instabil.« In diesem Zusammenhang wird weiterhin angenommen, dass bei Vorhandensein eines objektiveren Vergleichsmaûstabs eher darauf verzichtet wird, Meinungen/FaÈhigkeiten auf der Basis eines sozialen Vergleichs zu bewerten. Auf diese Annahme folgt die dritte Hypothese, die eine vertrackte Aussage beinhaltet (S. 120): »Die Tendenz, sich mit bestimmten anderen Personen zu vergleichen, nimmt ab, wenn die Differenz zwischen deren Meinungen und FaÈhigkeiten und der eigenen ansteigt.« 10 Diese Hypothese wird bei Meinungen durch die Annahme modifiziert, dass das Streben nach moÈglichst genauer Selbstbewertung in Gruppen einen Druck auf eine Vereinheitlichung der Meinungen der Gruppenmitglieder hervorruft. Dieser UniformitaÈtsdruck bewirkt, dass mit einer Person, die eine abweichende Meinung vertritt, mehr kommuniziert wird (Berkowitz & Howard, 1959; Festinger & Thibaut, 1951; Schachter, 1951). Das gilt besonders dann, wenn der UniformitaÈtsdruck hoch ist (Festinger & Thibaut, 1951). Bleiben die Einflussversuche gegenuÈber der abweichenden Person erfolglos, kann es zu einem Ausschluss dieser Person aus der Gruppendiskussion kommen, sodass die IntensitaÈt der Kommunikation mit ihr abnimmt. Die dritte Hypothese enthaÈlt einen gewissen Widerspruch (Goethals & Darley, 1977). Einerseits heiût es, dass der Vergleich durchgefuÈhrt wird zum Zweck der Bewertung des eigenen Standpunktes unter Zugrundelegung der Wahrnehmung der Standpunkte anderer Personen (Hypothese 2). Andererseits wird so getan, als ob dieser Vergleich schon einmal stattgefunden hat (gewissermaûen auf den ersten Blick), wenn in der dritten Hypothese davon die Rede ist, dass eine groûe Differenz in der Meinung oder FaÈhigkeit einen Vergleich unwahrscheinlich macht. Um die Differenz zu konstatieren, muss man zuvor schon ei-