Stephenie Meyer

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Hinter dem Titel des Buches lässt sich ein religiöses Werk vermuten. Dass dem nicht so ist,
sollte man jedoch gleich wissen, wenn man den Verfasser liest. Horst-Eberhard Richter ist
ein bekannter Psychotherapeut, der sich vor allem mit psychosomatischen Krankheiten
befasst. Sein bevorzugtes Sujet ist, dass sich die psychische Gesundheit der Menschen
sehr stark auf das Gesellschaftssystem auswirkt.
Fehlentwicklungen in der heutigen Zeit führt er dabei auf mittelalterliche Ereignisse
zurück. Im Wege einer gewissen Säkularisierung begannen die Zweifel an der Existenz
Gottes. Die Furcht von Gott verlassen zu werden, hat dazu geführt, dass der Mensch seine
eigene narzisstische Omnipotenz angestrebt hat. Richter liefert dazu einen historischen
Rückblick über diese Entwicklung in der Philosophiegeschichte, aber auch in der
Psychoanalyse.
Im Übermenschen von Nietzsche kommt der nachmittelalterliche Traum, sich die göttliche
Allmacht anzueignen, am besten zum Ausdruck. Weil jedoch dessen Philosophie in den
Nationalsozialismus mündete, waren anschließend Freud und Marx die neuen
Hoffnungsträger, die seit dem Mittelalter angestrebte Omnipotenz zu verwirklichen. Das
Streben nach Allmacht führte schließlich zu einer Technisierung der Welt. Schon frühzeitig
hat Descartes den Kopf zum führenden Zentrum erklärt und dabei das Herz
zurückgedrängt. Dies verstärkte noch Spinoza, der durch eine Abkehr von den Emotionen,
von denen wir abhängig sind, die totale Abhängigkeit des Ichs erreichen wollte.
Nun kam plötzlich eine Rollenverteilung der Geschlechter ins Spiel. Den Frauen wurden die
Gefühle und somit auch die Selbstzweifel übertragen, der Mann konnte – befreit von
diesem Ballast – seinen Macht- und Größenwahnsfantasien nachgehen. In der Romantik kam
wieder Hoffnung für die Frauen auf, wurde doch die weibliche Gefühlstiefe idealisiert. Dies
geschah jedoch nicht, um die Frau aufzuwerten: Der Mann wollte sich die Sensibilität und
Gefühlstiefe der Frau aneignen, um seine eigene psychische Unvollkommenheit zu
überwinden. Für unser heutiges Zusammenleben zieht Richter daraus den Schluss, dass
Männer zugunsten der Frauen ihre Führungsansprüche abtreten müssen, damit die Frau
vermehrt ihre Sichtweise in die Gesellschaft einbringen können.
Das Streben nach narzisstischer Omnipotenz brachte auch mit sich, dass man das Leid aus
der Welt schaffen wollte. Zunächst suchte man für jedes Leid einen äußeren Verursacher,
der - und somit das Übel - vernichtet werden sollte, z. B. Hexen, später das Weltjudentum,
der Weltkommunismus oder der kapitalistische Staatsapparat. Richter spannt den Boden
von der Hexenverfolgung hin zum Nazideutschland, wo man eigene Minderwertigkeits- und
Schuldgefühle auf die zu bekämpfenden Vertreter des Bösen, nämlich Träger des
Weltjudentums, Träger minderwertigen Erbgutes usw. abwälzte. Auch die projektiven
Dämonisierungen in den politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart zeigen, dass die
innere Nähe unseres Denkens zu Teufelsaustreibungen tatsächlich noch besteht. Deshalb
propagiert Richter die Umerziehung, in der wir uns den Mut aneignen, uns als unvollkommen
zu akzeptieren und uns mit unserer eigenen Schwäche auszusöhnen.
Das Omnipotenzstreben der Menschen hat zu einer hierarchisch aufgebauten Gesellschaft
geführt. Diese Hierarchie wirkt sogar in Liebesbeziehungen hinein: So wie Gott über dem
Menschen steht, so steht der Mann über der Frau. Ziel einer besseren Gesellschaft muss es
deshalb sein, dass diese hierarchischen Strukturen überwunden werden und sich die
Menschen durch Empathie auf die Stufen ihrer Mitmenschen stellen. In einer solidarischen
Gesellschaft wären wir vom Gotteskomplex geheilt. (ks)
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