1 Prof. Heike A. Bischoff-Ferrari, MPH Zusammenfassung

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Prof. Heike A. Bischoff-Ferrari, MPH
Zusammenfassung Qualitouch Symposium 2008: Wer rastet der rostet!
Standortbestimmung Vitamin D Status
Adäquate Vitamin D Spiegel von mindestens 75 nmol/l werden nur von etwa 30% der
gesunden älteren Bevölkerung in den USA erreicht. In Europa sind es weniger als 20%. Zudem
gibt es innerhalb von Europa ein Nord-Süd-Gefälle mit den niedrigsten gemessenen 25Hydroxyvitamin D Spiegeln im Mittelmeerraum. Letzteres hängt am ehesten damit zusammen,
dass ältere Personen in sonnigen Regionen sich vor der Sonne schützen. Siehe Tabelle 1
hinsichtlich Risikofaktoren für den weitverbreiteten Vitamin D Mangel.
Fraktur Prävention durch Vitamin D
Vitamin D fördert die Kalziumaufnahme aus dem Darm und erleichtert den
Kalziumeinbau in den Knochen. Dadurch kommt es zu einer Zunahme der Knochendichte und
einer Verminderung des Frakturrisikos. Entsprechend zeigte eine 2005 publizierte Meta-Analyse
für hochqualitative Primärpräventionsstudien (n = 9829), dass 700-800 IU Vitamin D pro Tag
das relative Risiko für einen Hüftfakturum 26% (pooled RR = 0.74; 95% CI [0.61,0.88]) and
jegliche nicht-vertebrale Fraktur um 23% (pooled RR = 0.77; 95% CI [0.68,0.87]) reduziert,
verglichen zu Calcium oder Placebo. Hingegen, war eine Dosis von nur 400 IU oder eine damit
verbundener Anstieg des 25-Hydroxyvitamin D auf nur etwa 60 nmol/l nicht ausreichend für
einen Anti-Fraktur Effekt von Vitamin D (Bischoff-Ferrari HA et al.; JAMA 2005). Der AntiFraktur Effekt trat in der Meta-Regression abhängig vom erreichten 25-Hydroxyvitamin D
Spiegel bei mindestens 74 nmol/l auf, und dieser Wert wurde nur in Behandlungsstudien mit
700-800 IU Vitamin D erreicht. Unter Berücksichtigung dieser Daten wurde daher in einem
Quasi-Konsenus von Vitamin D Experten (5 von 6), ein zu erreichender Mindestwert von 75
nmol/l für 25-Hydroxyvitamin D für die Frakturprävention bei Männern und Frauen empfohlen
(Dawson-Hughes et al.; Osteoporosis International 2006). Ob sich die Frakturprävention mit
Vitamin D in einer höheren Dosierungen mit dem Ziel alle älteren Personen auf mindestens 75
nmol/l 25-Hydroxyvitamin D zu bringen, weiter verbessert ist wahrscheinlich, wurde aber bisher
nicht untersucht. Diese Vermutung wird allerdings durch epidemiologische Daten gestützt, in
denen sich zeigt, dass die Knochendichte an der Hüfte bei jüngeren und älteren Personen, sowie
die Beinfunktion bei älteren Personen stetig mit höheren 25-Hydroxyvitamin D steigt und eine
optimale Knochendichte und Beinfunktion bei älteren Personen zwischen 75 und 100 nmol/l
erreicht wird (Bischoff-Ferrari et al.; Am J Clin Nutr 2006).
Zusammenhang Vitamin D und Muskelkraft
Verschiedene Querschnittsstudien weisen auf einen positiven Zusammenhang zwischen
25-Hydroxyvitamin D Spiegeln und Muskelkraft sowie Beinfunktion hin. Diese Beobachtungen
finden eine Bestätigung in mehreren Doppelblindstudien mit Vitamin D bei ambulanten und
institutionalisierten älteren Personen. Zudem stetzt der Therapieeffekt schon bereits nach 2-3
Monaten ein mit einer dokumentierten Verbesserung des Gleichgewichts und der Muskelkraft.
Vitamin D bindet in seiner aktiven Form, dem 1,25-Dihydroxyvitamin D, an den
nukleären Vitamin D Rezeptor (VDR), dessen muskuläre Expression in verschiedenen Studien
gezeigt wurde. In einer Studie wurde die in-situ Expression des VDR in humanem Skelettmuskel
nicht nur nachgewiesen, sondern auch gezeigt, dass die Anzahl der VDR positiven Zellkerne mit
1
zunehmendem Altern abnimmt (Bischoff-Ferrari HA; JBMR 2004). Letztere Beobachtung
könnte einen Teil der altersassoziierten Sarkopenie erklären.
Hinsichtlich dem zugrunde liegenden Wirkungsmechanismus wird angenommen, dass
Vitamin D neben einer rezeptor-unabhängigen Begünstigung des Kalziumeinstromes in die
Muskelfaser, durch eine direkte Bindung an den spezifischen intrazellulären Rezeptor eine
Förderung der Proteinsythese bewirkt. Eine wichtige Rolle des VDR in der Muskelentwicklung
lassen sich zudem aus Erkenntnissen des Mausmodels mit fehlendem VDR schliessen. Dort zeigt
sich, dass Mäuse ohne VDR kleinere und in ihrer Grösse variable Muskelfasern haben (Endo I;
Endocrinology 2003).
Anti-Sturz Effekt von Vitamin D
Der oben beschriebene anti-Fraktur Effekt von Vitamin D wurde primär der unter
Vitamin D leicht erhöhten Knochendichte zugeschrieben. Eine alternative oder zusätzliche
Erklärung könnte sein, dass Vitamin D die Muskelkraft stärkt und Frakturen durch primär durch
eine Reduktion der Sturzrate vermindert.
Wir haben diesbezüglich eine Meta-analyse randomisierter Doppel-blind Studien
durchgeführt (Bischoff-Ferrari HA et al.; JAMA 2004; Figure 1). In dieser Meta-analyse,
basierend auf 5 randomisierten Doppel-blind Studien (n = 1237), reduzierte Vitamin D das
Sturzrisiko einer älteren Person um 22% (gepoolte und korrigierte Odds Ratio = 0.78; 95% CI
[0.64, 0.92]) im Vergleich zu Placebo oder Kalzium. Die “Number needed to treat” (NNT) war
15 [95% CI: 8; 53], was bedeutet, dass 15 Personen therapiert werden müssten um eine Person
vor einem Sturz zu bewahren. Die Sub-Gruppen-Analyse der Meta-analyse ergab, dass die
Dosierung von Vitamin D (Cholecalciferol) wichtig ist. In einer Studie, die nur 400 IU Vitamin
D untersuchte, kam es zu keiner Sturzreduktion [15], während in zwei Studien, die 800 IU
Vitamin D plus Kalzium (1200 mg/day) testeten eine Verminderung des Sturzrisikos um 35%
auftrat, (gepoolte und korrigierte Odds Ratio = 0.65, 95% CI [0.40, 1.00]). Seit der 2004
publizierten Meta-Analyse zeigte eine weitere Doppelblind Studie bei gesunden zu Hause
lebenden älteren Personen (65 und älter), dass Vitamin D 700 IU plus 500 mg Calcium
verglichen zu Placebo das Sturzrisiko auch längerfristig über 3 Jahre reduziert. 700 IU Vitamin
D plus 500 mg Calcium reduzierten das Sturzrisiko bei älteren Frauen um 46%, und sogar um
65% bei den weniger aktiven älteren Frauen (Bischoff-Ferrari HA; Archives of Int. Med. 2006).
Die mittleren Serumspiegel für 25-Hydroxyvitamin D stiegen unter der Therapie auf 99 nmol/l
(Diasorin-adjustiert) an. Die Wichtigkeit der Dosierung von Vitamin D hinsichtlich
Sturzrisikoreduktion wurde zudem in einer verblindeten und randomisierten Studie bei
Pflegeheimbewohner über 5 Monate untersucht (Broe K et al.; JAGS 2007). Eine signifikante
Sturzreduktion um 72% zeigte sich im Vergleich zu Plazebo nur in der Gruppe mit täglich 800
IU vitamin D, während eine Therapie mit 200 IU, 400 IU, und 600 IU zu keiner Sturzreduktion
beitrugen.
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Abbildung 1: Evidenz basierend auf Meta-analysen von Doppelblindstudien bei älteren
Personen mit guter Compliance/Adherenz
Primärprävention von nicht-vertebralen
Frakturen mit Vitamin D:
Zweifache Effektivität
Vitamin D
Muskelkraft
Gleichgewicht
Beinfunktion
Knochendichte
Frakturriksiko
25%
Sturzrisiko
>20%
NNT: 15
Nichtvertebrale Frakturen: NNT 27
Hüftfrakturen:
NNT 45
Bischoff-Ferrari HA, et al. JAMA. 2004 and JAMA 2005.
Standortbestimmung Vitamin D Status
Adäquate Vitamin D Spiegel von mindestens 75 nmol/l werden nur von etwa 30% der
gesunden älteren Bevölkerung in den USA erreicht. In Europa sind es weniger als 20%. Zudem
gibt es innerhalb von Europa ein Nord-Süd-Gefälle mit den niedrigsten gemessenen 25Hydroxyvitamin D Spiegeln im Mittelmeerraum. Letzteres hängt am ehesten damit zusammen,
dass ältere Personen in sonnigen Regionen sich vor der Sonne schützen. Siehe Tabelle 1
hinsichtlich Risikofaktoren für den weitverbreiteten Vitamin D Mangel.
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Tabelle 1:
Risikofaktoren für den weitverbreiten Vitamin D Mangel
Hauteigene Vitamin D Produktion
Vitamin D über Ernährung
Alter: ältere Personen produzieren 4x
weniger hauteigenes Vitamin D
Vitamin D Quellen in der Ernährung
sind rar: Fetter Fisch ist einzige
signifikante Quelle
- Wildlachs pro Portion = 400 IU
- Zuchtlachs pro Portion = 240 IU
Hautpigmentierung: höherer
Melaningehalt in der Haut schütz vor
der Sonne, und führt zu einer
verminderten hauteigenen Vitamin D
Produktion
Sonnenschutz Creme: Ist wichtig,
aber ab Faktor 8 produziert die Haut
praktisch kein Vitamin D
Malabsorption:
z.B. Morbus Crohn
Keine Sonne: Winter in Europa,
Institutionalisierung, Kleidung
Adipositas: übergewichtige Menschen
haben ein grösseres
Verteilungsvolumen und daher weniger
verfügbares 25-hydroxyvitamin D
Kein Nahrungsmittelzusatz mit
Vitamin D in Zentral -und Südeuropa
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