Bienen & Umwelt Bienen & Umwelt Prima Klima? 1 2 Wie werden Honigbienen mit dem Temperaturanstieg zurechtkommen? Der durch menschlichen Einfluss verursachte Klimawandel ist in vollem Gange. Die Konsequenzen für unsere Ökosysteme sind noch schwer einschätzbar. Mit den möglichen Folgen für unsere Bienen beschäftigt sich Dr. Stefan Berg, Leiter des Fachzentrums Bienen, Veitshöchheim. O bwohl noch große Unsicherheiten bezüglich des Ausmaßes der Veränderungen bestehen, werden die Prognosen für die kommenden Jahrzehnte zunehmend präziser. Der Klima­wandel wird in Mitteleuropa zu einer durchschnittlichen Temperaturerhöhung führen, wie sie ja schon in den letzten Jahrzehnten festzustellen ist. Abgesehen von generell steigender Temperatur, werden vor allem extreme Wetterereignisse häufiger werden. Die Prognosen sehen neben einer Erhöhung der Durchschnittstemperatur höhere Maximumtemperaturen und mehr heiße Tage, verbunden mit einer stärkeren Sommer-Trockenheit, voraus. Dagegen werden die Tage mit Frost abnehmen bei insgesamt höheren Minimumtemperaturen. Dadurch werden die Lebensräume einer Reihe von Tier- und Pflanzenarten kleiner werden, während für andere eine Ausdehnung die Folge sein wird. Für unsere Honigbienen sind es vor allem drei Bereiche, in denen Auswirkungen durch den Klimawandel vorstellbar sind: erstens direkte Auswirkungen auf die Bienen bzw. das Bienenvolk, zweitens Einflüsse auf die Beziehung zwischen Biene und Blüte und drittens auf das Trachtangebot bzw. die Trachtsituation. 1 Ein Überleben der Honigbiene ist nur als Gesamtorganismus möglich. 2 Das Leben in Höhlen zusammen mit der Thermoregulation und Vorratshaltung waren Voraussetzungen für die weltweite Verbreitung der Honigbienen. Einfluss schon spürbar Temperaturveränderung der letzten 140 Jahre (verändert nach Quelle: IPCC 2001). Die weltumspannende Ausbreitung verdankt die Honigbiene ihrer großen Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Umweltverhältnisse. Diese Anpassungsfähigkeit war die Voraussetzung für die umfangreiche Besiedlung neuer Lebensräume, in die sie auch durch den Menschen verbracht wurde. Ausschlaggebend hierfür sind die besonderen Eigenschaften der Bienen: das Leben in schutzbietenden Höhlen, die Vorratshaltung in Form des eingelagerten Honigs und Pollens bei Ausnutzung einer Vielzahl an unterschiedlichen Blühpflanzen und anderen Trachtquellen sowie die Fähigkeit, die Temperatur im Bienenstock zu regulieren. Bienen enorm anpassungsfähig Die Honigbiene ist biologisch gesehen ein Erfolgstyp. Betrachtet man die Weltkarte und legt gedanklich die Verbreitungskarte der Honigbiene darüber, wird deutlich, dass es kaum Regionen gibt, in denen sie nicht vorkommt. Schon das natürliche Verbreitungsgebiet ist ungewöhnlich groß. Es umfasst Europa, Afrika und den Vorderen Orient und erstreckt sich über sämtliche Klimazonen der nördlichen und der südlichen Hemisphäre. Hinzu kommt ein nicht unerheblicher Teil der heutigen Verbreitung, die durch den Menschen erfolgt ist. 18 09.2014 ADIZ • die biene • Imkerfreund Von ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet (blau) wurde die Westliche Honigbiene (Apis mellifera) weltweit verbreitet (rot). Foto: IfB Oberursel Aufgrund dieser Eigenschaften wird der Klimawandel in unseren Breiten voraussichtlich keine gravierenden direkten Auswirkungen auf unsere Bienenvölker haben. Dass er aber dennoch schon spürbar ist, zeigen Untersuchungen an der TU München. Hier wurde der Zeitpunkt der ersten Reinigungsflüge bei den Völkern aus der staatlichen Leistungsprüfung verglichen (Volpers, 2012). Innerhalb der letzten 30 Jahre zeigt sich eine tendenzielle Vorverlagerung um ca. 28 Tage. Gravierender als der direkte Einfluss auf die Bienen werden sehr wahrscheinlich die Auswirkungen des Klimawandels auf das Auftreten und den Verlauf von Bienenkrankheiten sein. Neben der Gefahr des Auftretens neuer Bienenkrankheiten können unmittelbare Effekte bei dem Befall mit der Varroamilbe erwartet werden. Eine jahreszeitlich frühere Auswinterung und ein früherer Saisonbeginn können zu einer steigenden Anzahl an Brutzyklen im Saisonverlauf führen. Mehr Brutzyklen bei den Bienen bedeuten aber auch mehr Vermehrungszyklen bei den Varroamilben. Somit wird der kritische Befall der Völker früher erreicht werden. Erschwerend könnte noch eine zeitliche Verlängerung der Tracht hinzukommen, bedingt durch die höheren Durchschnitts­ temperaturen und daraus resultierende Anpassungen bei den Feldfrüchten in der Landwirtschaft. Auch für die Varroabekämpfung im Winter werden voraussichtlich die Bedingungen schwieriger. Durch höhere Durchschnittstemperaturen und weniger Frosttage wird die Zeitperiode, in der die Bienenvölker tatsächlich Brutfreiheit aufweisen kürzer. Beispielsweise hat eine kontinuierliche Überprüfung auf Brutfreiheit bei unseren Institutsvölkern im letzten Winter gezeigt, dass es keinen einzigen Zeitpunkt gab, zu dem alle Völker gleichzeitig vollständig ohne Brut waren! Auch auf Vorkommen und Verlauf anderer Bienenkrankheiten wird der Klimawandel Einfluss nehmen. So beispielsweise bei der Darmerkrankung Nosemose. Während in kühleren Regionen der Erreger Nosema ceranae in seiner Ausbreitung gegenüber dem Erreger Nosema apis durch die größere Kälteempfindlichkeit gehemmt ist, könnte diese Beschränkung im Zuge der Klimaerwärmung wegfallen. Pflanzen blühen früher Der Klimawandel oder die Klimaerwärmung beeinflusst das Vorkommen und den Blühzeitraum der Blühpflanzen. Erwartet werden hierdurch deutliche Veränderungen in den Insekten-Pflanzen-Lebensgemeinschaften. Betrachtet man den phänologischen Kalender für unsere Vegetation, so wird bereits jetzt deutlich, dass der Blühbeginn, z. B. für die Haselnuss, zunehmend früher stattfindet. Das eingespielte Zusammenspiel zwischen Blüh- pflanze und Bestäuber wird dann gestört, wenn es zu zeitlichen Verschiebungen zwischen dem Blühbeginn und den Flugzeiten der Bestäuber kommt. Dieser Verlust an Beziehung zwischen einheimischer Pflanze und Bestäuber kann eventuell durch neue, gebietsfremde Arten ersetzt werden, oder einheimischen Arten gelingt es, sich anzupassen. Die Honigbiene ist hier als Generalist deutlich im Vorteil gegenüber Spezialisten, z. B. bei den Wildbienen, die auf wenige oder einzelne Pflanzenarten für die Ernährung angewiesen sind. Hier ist eine genaue Synchronisation zwischen Blühzeit der Pflanze und Flugzeit der Wildbienen notwendig. Beispiele hierfür sind die Weiden-Sandbiene (Andrena vaga) oder die Zaunrüben-Sandbiene (Andrena florea), die auf Weiden bzw. Zaunrüben als Tracht spezialisiert sind. Beobachtungen, dass die Synchronisation zwischen Blüte und Bestäuber auseinander driftet, gibt es mittlerweile eine Reihe. In einer Simulation zur globalen Erwärmung fanden Memmott et al. (2007), dass zwischen 17 % und 50 % aller bestäubenden Arten hiervon betroffen sein könnten. Dass Generalisten bei den Auswirkungen des Klimawandels im Vorteil sind, gilt hier auf beiden Seiten, sowohl bei den generalisierten Bestäubern wie der Honigbiene, die eine Vielzahl von Blütenpflanzen bestäuben können, als auch bei den Pflanzen, die von relativ unspezifischen Insekten bestäubt werden können. ADIZ • die biene • Imkerfreund 09.2014 19 Rubrik Artenschwund wird zunehmen Bedeutung von Viren, Bakterien, Schadinsekten und Unkräutern eher zunehmen wird. Damit verbunden ist auch das Auftreten neuer Schaderreger. Die längere Vegetationsdauer ermöglicht eine höhere Generationenzahl pro Jahr bei Schadinsekten. Ein stärkerer Biozideinsatz, um dem zu begegnen, ist allerdings riskant aufgrund der mit der höheren Generatio­ nenfolge verbundenen schnelleren Ausbildung von Resistenzen gegen die Gifte. Die klimatischen Veränderungen werden Auswirkungen sowohl auf das Vorkommen unserer Wildpflanzen als auch auf die landwirtschaftlichen Kulturpflanzen haben. Für die Wildpflanzen werden Arten mit Anpassungen an eher kalte Lebensräume immer weniger Rückzugsräume vorfinden, während aus wärmeren Regionen Arten immer weiter vordringen werden. Neubürger unter den Pflanzen, die bisher durch Frosttemperaturen an einer Ausbreitung gehindert wurden, werden sich zusätzliche Areale erschließen. Die zunehmende Verlängerung der Vegetationsperiode wird maßgeblichen Einfluss auf die Zusammensetzung von Pflanzengesellschaften nehmen. Nach Einschätzung von Leuschner und Schipka, 2004 scheint es absehbar, dass in Deutschland Artenverluste bedingt durch den Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten weitaus höher sein werden, als es die Aussterberate durch Lebensraumverluste jemals war. Mögliche neue Trachtquellen Die Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen ist in den letzten Jahren massiv ausgebaut worden. Die Energie aus Biomasse soll helfen, den Klimawandel zu bremsen. Lange Zeit hat die Landwirtschaft hier einen klaren Schwerpunkt auf den Mais gesetzt. Erfreuliche Alternativen haben gerade in den letzten Jahren stark an Beachtung gewonnen. Sei es die Durchwachsende Silphie oder die – ökologisch bedeutsameren – Blühmischungen. Energie aus Wildpflanzen bietet nicht nur eine Alternative zum Mais in der Energiegewinnung aus Biomasse, sondern gleichzeitig Lebensraum für eine Vielzahl von Insekten, Vögeln und Kleinsäugern. Andere Feldfrüchte Auch für den Anbau von Kulturpflanzen sind deutliche Auswirkungen durch den Klimawandel zu erwarten. Kulturarten und -sorten, die heute den Ackerbau in Deutschland prägen, könnten in der Zukunft durch andere, besser angepasste Fruchtarten verdrängt werden. Speziell Anpassungen an größere Trockenheit und zunehmende Variabilität im Wetter mit Starkregen, Stürmen etc. werden die zukünftigen Anbausysteme beeinflussen. Auch Verschiebungen der derzeitigen Anbaugebiete sind wahrscheinlich, d. h. in Regionen, in denen bestimmte Feldfrüchte bisher ungeeignet waren, können diese zukünftig wirtschaftlich sein. Hierin liegen für die Trachtverhältnisse der Bienen Chancen und Risiken, die derzeit in ihrer Auswirkung noch nicht absehbar sind. In der Auswahl und der Züchtung werden solche Sorten besonders bedeutsam, die größere Toleranz gegenüber Trockenstress aufweisen und über eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Schädlingen und Krankheiten verfügen. Kulturen mit vergleichsweise hohem Anspruch an Niederschläge, beispielsweise der Raps, werden dabei an verstärkt trockenen Standorten durch Kulturen mit größerer Trockenresistenz, wie etwa Buchweizen, ersetzt werden. 20 09.2014 ADIZ • die biene • Imkerfreund Fazit Alternative Energiepflanzen mit ökologischem Nutzen, nicht nur für die Honigbienen. Fotos: Autor Auch für den Pflanzenschutz bringt der Klimawandel Veränderungen mit sich. Pflanzenschäden durch Umweltfaktoren werden sehr wahrscheinlich zunehmen. Hierunter fallen Schäden durch Trockenheit oder zu starke Sonneneinstrahlung oder z. B. Hagel- oder Sturmschäden. Mehr Schädlinge Auf Seiten der Schaderreger wird mit einer Abnahme der Bedeutung von Pilz­ erkrankungen gerechnet, während die Der Klimawandel birgt Risiken, aber auch Chancen für die Bienenhaltung in Deutschland. Durch ihre Anpassungsfähigkeit wird die Honigbiene Veränderungen im natürlichen Nahrungsangebot zu nutzen wissen. Für den landwirtschaftlichen Bereich wird es wichtig sein, dass bei den sich abzeichnenden Veränderungen die Weichenstellung richtig erfolgt. Dies reicht von der Auswahl und Züchtung geeigneter Sorten, über das Fruchtartenspektrum und die Anpassungen der Fruchtfolge bis hin zum Pflanzenschutz. Als problematisch können sich Veränderungen bei den Bienenkrankheiten erweisen, sowohl in der Virulenz bestehender Erkrankungen (z. B. Varroose) als auch im Auftreten neuer Bienenkrankheiten. In jedem Falle werden sich nicht nur die Bienen, sondern gerade auch die Imker an die sich verändernden Bedingungen anpassen müssen. Dr. Stefan Berg Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Fachzentrum Bienen,