Grundlagen der Haushaltführung des Bundes

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Ökonomische, rechtliche und organisatorische
Grundlagen der Haushaltführung
des Bundes
Schweizerische Eidgenossenschaft
Confédération suisse
Confederazione Svizzera
Confederaziun svizra
Eidgenössisches Finanzdepartement EFD
Eidgenössische Finanzverwaltung EFV
Impressum
Redaktion
Eidg. Finanzverwaltung EFV, Januar 2012
Internet: www.efv.admin.ch
Kontakt: [email protected]
Einleitung
Die «Grundlagen der Haushaltführung des Bundes» richten sich in erster Linie an die Mitglieder
der Finanzkommissionen bzw. der Finanzdelegation der eidg. Räte, aber auch an alle anderen
interessierten Kreise. Die «Grundlagen» sind als
Nachschlagewerk gedacht und sollen den Einstieg in die ökonomischen, rechtlichen und organisatorischen Fragestellungen rund um den
Bundeshaushalt erleichtern. Die vorliegende
Ausgabe wurde im Hinblick auf die neue Legislaturperiode 2011–2015 auf den aktuellen Stand
gebracht.
Inhaltsübersicht
1
Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
15
2
Rechtliche Grundlagen
27
3
Übergeordnete Instrumente der Finanzpolitik (Finanzordnung)
31
4
Rechnungsmodell
43
5
Haushaltführung
57
6
Einnahmen
67
7
Ausgaben und Aufwände
81
8
Sonderrechnungen
103
9
Geldbeschaffung, Vermögens- und Schuldenbewirtschaftung
111
10
Steuerung und finanzielle Führung im «Konzern Bund»
117
Anhang
127
Inhaltsverzeichnis
1
1.1
1.1.1
1.1.2
1.1.3
1.1.4
1.2
1.2.1
1.2.2
1.3
1.3.1
1.3.2
Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
Finanzpolitik im Dienste wirtschafts- und sozialpolitischer Zielsetzungen
Allokationsziele
Verteilungsziele
Stabilisierungsziele
Nachgeordnete fiskalische Zielsetzung und Grenzen der Kreditfinanzierung
Finanzleitbild des Bundesrates
Zielvorgaben
Grundsätze
Finanzpolitische Kennziffern
Kennziffern des Bundes
Kennzahlen der öffentlichen Haushalte
15
15
16
17
17
18
20
20
20
21
22
24
2
2.1
2.2
Rechtliche Grundlagen
Bundesverfassung
Gesetze und Verordnungen
27
27
27
3
3.1
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.2
3.3
3.3.1
3.3.2
3.3.3
Übergeordnete Instrumente der Finanzpolitik (Finanzordnung)
Gesamtsteuerung durch die Schuldenbremse
Motivation und Ziel
Funktionsweise
Erfolgsbilanz
Grundsätze der Besteuerung
Föderalismus und Finanzausgleich
Föderale Struktur der Schweiz
Finanzausgleich und Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen
Erste Erfahrungen mit dem neuen Finanzausgleich
31
32
32
33
34
37
38
38
38
41
4
4.1
4.1.1
4.1.2
4.2
4.2.1
4.2.2
4.2.3
4.2.4
4.3
4.3.1
4.3.2
Rechnungsmodell
Rechnungswesen im öffentlichen Sektor
Aufgaben und Zweck des Rechnungswesens
Internationale Rechnungslegungsstandards IPSAS
Aufbau des Rechnungsmodells des Bundes
Erfolgsrechnung
Investitionsrechnung
Bilanz
Finanzierungs- und Mittelflussrechnung
Kredit- und Kontensicht
Kreditsicht
Kontensicht
43
43
43
43
45
46
46
47
47
48
48
48
Inhaltsverzeichnis
4.4
4.4.1
4.4.2
4.5
Duale Haushaltsteuerung
Finanzpolitische Gesamtsteuerung auf Bundesebene
Finanzielle Führung auf Ebene der Verwaltungseinheiten
Finanzberichterstattung
51
51
51
54
5
5.1
5.1.1
5.1.2
5.1.3
5.1.4
5.1.5
5.2
5.2.1
5.2.2
5.2.3
5.2.4
5.2.5
5.3
Haushaltführung
Instrumente der Haushaltführung
Legislaturplanung
Mehrjährige Finanzplanung
Voranschlag
Staatsrechnung
Hochrechnung
Grundsätze
Allgemeine Grundsätze der Haushaltführung
Grundsätze der Budgetierung
Grundsätze der Rechnungslegung
Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze
Verhältnis zu IPSAS
Ablauf der Budgetierung und Finanzplanung
57
57
57
59
59
60
60
60
60
61
61
62
63
65
6
6.1
6.2
6.2.1
6.2.2
6.2.3
6.3
6.3.1
6.3.2
6.3.3
6.3.4
6.3.5
6.3.6
6.3.7
6.3.8
Einnahmen Struktur
Einnahmenprognosen
Grundlagen
Top-down-Plausibilitätsprüfung der Einnahmenschätzung
Qualität der Einnahmenschätzungen
Fiskaleinnahmen und ihre wichtigsten Bestimmungsgrössen
Direkte Bundessteuer
Verrechnungssteuer
Stempelabgaben
Mehrwertsteuer
Tabaksteuer
Mineralölsteuer
Schwerverkehrsabgabe
Zölle
67
67
68
68
69
69
71
71
73
75
76
77
78
79
80
7
7.1
7.1.1
7.1.2
7.1.3
7.1.4
Ausgaben und Aufwände
Gliederung
Gliederungsarten
Institutionelle Sicht
Funktionale Sicht
Kontensicht
81
81
81
82
82
83
Inhaltsverzeichnis
7.2
7.2.1
7.2.2
7.2.3
7.3
7.3.1
7.3.2
7.4
7.4.1
7.4.2
7.5
7.5.1
7.5.2
7.5.3
Ausgabenbindungen im Bundeshaushalt
Ausgaben mit starker Bindung
Ausgaben mit schwacher Bindung
Auswirkungen von Ausgabenbindungen
Instrumente der Ausgabensteuerung
Instrumente zur kurz- und mittelfristigen Haushaltsteuerung
Instrumente zur mittel- bis langfristigen Haushaltsteuerung
Kreditarten im Überblick
Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen
Voranschlagskredite
Subventionen des Bundes
Subventionsbegriff
Überprüfung der Bundessubventionen
Sonderfall Subventionen in Form von Steuervergünstigungen
86
86
88
88
89
89
92
96
96
97
99
99
101
101
8
8.1
8.1.1
8.1.2
8.2
8.2.1
8.2.2
8.3
8.3.1
8.3.2
8.3.3
8.4
8.4.1
8.4.2
8.4.3
Sonderrechnungen
Fonds für die Eisenbahngrossprojekte (FinöV-Fonds)
Rechtsgrundlage, Struktur und Kompetenzen
Funktionsweise des Fonds
Infrastrukturfonds
Rechtsgrundlage, Struktur und Kompetenzen
Funktionsweise des Infrastrukturfonds
Bereich der Eidgenössischen Technischen Hochschulen
Struktur und Führung des ETH-Bereichs
Finanzielle Steuerung des ETH-Bereichs
Rechnung des ETH-Bereichs
Eidgenössische Alkoholverwaltung
Allgemeines
Rechnung der EAV
Totalrevision der Alkoholgesetzgebung
103
103
103
104
105
105
106
107
107
107
107
108
108
108
109
9
9.1
9.1.1
9.1.2
9.1.3
9.2
9.2.1
9.2.2
9.2.3
9.3
9.4
Geldbeschaffung, Vermögens- und Schuldenbewirtschaftung
Mittelbeschaffung
Anleihen
Geldmarkt-Buchforderungen
Geldmarktkredite
Tresorerieanlagen
Liquide Mittel
Kurzfristige Anlagen
Wertschriften
Schuldenbewirtschaftung und Risikosteuerung
Devisenbewirtschaftung
111
111
111
112
113
113
113
113
113
114
115
Inhaltsverzeichnis
10
10.1
10.1.1
10.1.2
10.1.3
10.2
10.2.1
10.2.2
10.2.3
10.2.4
10.3
10.3.1
10.3.2
10.3.3
10.3.4
Steuerung und finanzielle Führung im «Konzern Bund»
Führen mit Leistungsauftrag und Globalbudget (FLAG)
Definition und Ziele
FLAG-Instrumente
Weiterentwicklung der Verwaltungsführung
Corporate Governance des Bundes
Aufgabentypologie
Leitsätze und Steuerungsmodell
Rollenverteilung
Parlamentarische Oberaufsicht
Risikosituation und Risikomanagement
Umgang mit Risiken
Instrumente und Massnahmen des Risikomanagements
Risikosituation des Bundes
Offenlegung der Risiken
Anhang
Aufgaben und Organisation der Eidgenössischen Finanzverwaltung
117
117
117
118
119
120
120
121
122
123
123
124
124
125
125
127
127
1 Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
1.1
Finanzpolitik im Dienste wirtschaftsund sozialpolitischer Zielsetzungen
Die Finanzpolitik umfasst alle Massnahmen, die
das Budget einer Gebietskörperschaft (z.B. Bund,
Kanton, Gemeinde) betreffen. Durch Art und
Höhe von Erträgen/Einnahmen und Aufwänden/
Ausgaben können verschiedene Ziele verfolgt
werden.
politischen Ziele abgeleitet, die sich wiederum in
verschiedene Ziele – Allokation, Verteilung, Stabilisierung – unterteilen lassen (siehe Schema).
Finanzpolitik ist also kein Selbstzweck, denn sie
steht letztlich im Dienste dieser wirtschafts- und
sozialpolitischen Zielsetzungen.
Oberstes Ziel des Bundes ist die Förderung der
gemeinsamen Wohlfahrt des Landes. Eine Konkretisierung erfährt dieses oberste Ziel zunächst
durch die gesellschaftspolitischen Ziele wie Freiheit, Gerechtigkeit, Sicherheit, Friede und Fortschritt. Aus diesen übergeordneten gesellschaftlichen Zielen werden die wirtschafts- und sozial-
Mehrere wirtschaftspolitische Ziele nebeneinander zu verfolgen, kann jedoch zu Interessenkonflikten führen, denn es können nicht alle Ziele
gleichzeitig und vollständig erreicht werden. Die
Wirtschaftspolitik kann gewisse Zielkonflikte mildern, indem sie es vermeidet, mit einem einzigen
Instrument mehrere Ziele gleichzeitig zu verfol-
Wirtschafts- und sozialpolitischer Ziele
Gesellschaftspolitische Ziele
(Freiheit, Gleichheit, Sicherheit, Frieden, Fortschritt)
Wirtschafts- und sozialpolitische Ziele
Allokation
Verteilung
Stabilisierung
Ressourcen sollten so eingesetzt
und verwendet werden, dass es den
Präferenzen der Bürgerinnen
und Bürger bestmöglich entspricht.
Gerechte Verteilung von Steuerlast
sowie Einkommen und Vermögen.
Steuerung der Ausgaben
und Einnahmen soll die Ausschläge
des Wirtschaftsablaufs dämpfen.
Die Schuldenbremse als verbindliche finanzpolitische Regel
15
1 Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
gen. Deshalb sind beispielsweise allokations- und
verteilungspolitische Massnahmen möglichst klar
zu trennen.
•
Öffentliche Güter (Kollektivgüter): Diese
Güter zeichnen sich dadurch aus, dass ihre
Inanspruchnahme ihre Verfügbarkeit nicht beeinträchtigt (Nicht-Rivalität im Konsum) und
dass sie allen zugänglich sind, ohne dass die,
die sie nutzen, diskriminiert werden können
(fehlendes Ausschlussprinzip). Diese beiden
Grundsätze erschweren eine Preisfestsetzung,
die sowohl die Herstellungskosten als auch
die Benutzerzufriedenheit abbildet. In einem
solchen Fall muss der Staat als Anbieter von
Gütern und Dienstleistungen auftreten, weil
nur er über die notwendigen Zwangsmittel
verfügt, um die zur Aufgabenerfüllung notwendigen finanziellen Mittel zu beschaffen
(Steuerfinanzierung). Typische Kollektivgüter
sind die Landesverteidigung (7,7 % der Gesamtausgaben 2009), Justiz, Polizei und Feuerwehr (3,2 %), aber auch die Beziehungen zum
Ausland (1,4 %). Teilweise Kollektivgutcharakter weisen auch die Aufwendungen für Strassen, für die Umwelt und Raumordnung sowie
für die Landwirtschaft (Landschaftspflege) auf.
•
Meritorische Güter: Im Gegensatz zu den öffentlichen Gütern ist bei den meritorischen
Gütern das Ausschlussprinzip anwendbar.
Grundsätzlich funktioniert also der Markt.
Im Lichte gesellschaftlicher Werthaltungen
wird aber die über den freien Markt erzielbare Versorgung der Bevölkerung als ungenügend beurteilt. So käme beispielsweise im
Bildungsbereich auch bei staatlicher Abstinenz
ein gewisses Angebot zustande. Gesellschaftspolitisch ist es aber wünschenswert, dass alle Kinder eine Schule besuchen können und
auch müssen (Chancengleichheit im Beruf). In
solchen Situationen muss deshalb der Staat intervenieren und das Marktangebot ergänzen.
Beispiele für meritorische Güter sind Bildung
und Forschung (17,4% der Gesamtausgaben)
und das Gesundheitswesen (6,1%).
•
Externe Kosten: Kosten werden als extern
bezeichnet, wenn sie von den verursachenden Privatpersonen oder -unternehmen nicht
Die Verfolgung allokations-, verteilungs- und
stabilitätspolitischer Zielsetzungen ist fast immer
mit Ausgaben verbunden, zu deren Finanzierung
Einnahmen beschafft werden müssen. Darin besteht die fiskalische Zielsetzung: Die Einnahmen
sind auf effiziente und kostengünstige Weise zu
beschaffen, die Mittel sind sparsam zu verwenden und die Marktprozesse sind so wenig wie
möglich zu verzerren. Diese fiskalische Zielsetzung leitet sich also aus den übrigen wirtschaftspolitischen Zielen ab.
m Folgenden sollen die drei erwähnten wirtschaftspolitischen Ziele sowie deren Bezug zur
Finanzpolitik, sodann das daraus abgeleitete
fiskalische Ziel und schliesslich die Grenzen der
Kreditfinanzierung eingehend dargelegt werden.
I
1.1.1 Allokation
Unter Allokation versteht man den Einsatz und
die Verwendung knapper Ressourcen (Produktionsfaktoren und Güter) in den Produktions- und
Verbrauchsprozessen. Gemäss Allokationsziel
sollen die Ressourcen so eingesetzt und verwendet werden, dass die bereitgestellten Güter und
Dienstleistungen bestmöglich den Präferenzen
der Bürger entsprechen. Aus dieser Warte betrachtet ist die Marktwirtschaft das effizienteste
Wirtschaftssystem. Wo immer möglich sind deshalb Marktlösungen zu suchen. Unter bestimmten Bedingungen kommt es aber zu Marktversagen, und es braucht allokationspolitische Eingriffe des Staates, die auf deren Korrektur abzielen.
In der ökonomischen Wissenschaft unterscheidet man drei Arten von Marktversagen, die eine
fiskalische Intervention des Staates rechtfertigen
können. Zwei davon betreffen die Arten von Gütern (öffentliche Güter bzw. Kollektivgüter und
meritorische Güter) und das dritte betrifft die externen Kosten:
16
1 Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
selber übernommen werden. Ohne staatliche
Gegenmassnahmen müssen diese Kosten von
der Allgemeinheit getragen werden (Beispiel:
Überdüngung von Seen durch die landwirtschaftliche Produktion, Luftverschmutzung
durch den Privatverkehr). Da die betreffenden
Aktivitäten von den «Verursachern» als günstig empfunden werden, haben sie stärker zugenommen, als es für eine volkswirtschaftlich
optimale und effiziente Güterversorgung notwendig wäre. Mit Lenkungsabgaben kann der
Staat die externen Kosten senken, indem er
sie teilweise oder vollumfänglich den Verursachern anlastet («Verursacherprinzip»). Beispiel
für eine solche Lenkungsabgabe ist die CO2Abgabe auf Brennstoffen. Sie wird seit dem 1.
Januar 2008 erhoben. Sie soll die Anreize so
verändern, dass die mit dem Verbrauch fossiler Brennstoffe verbundenen externen Effekte
eingedämmt werden. Der grösste Teil dieser
Einnahmen des Bundes werden an die Bevölkerung und die Wirtschaft zurückverteilt.
Die Existenz von Marktversagen allein ist jedoch
keine hinreichende Legitimation für staatliche
Eingriffe. Offen bleibt nämlich, ob und allenfalls
wie dieses Marktversagen mit staatlichen Eingriffen tatsächlich korrigiert werden kann. Da
staatliche Eingriffe nie kostenlos sind («Staatsversagen»), müssen die negativen Folgen von Marktunvollkommenheiten und staatlichen Eingriffen
gegeneinander aufgewogen werden.
1.1.2 Verteilungsziele
Das Verteilungsziel beinhaltet eine Veränderung der Voraussetzungen und Ergebnisse der
Verteilung, die sich durch den Markt ergibt.
Die Entscheidung darüber, welche Verteilung
gesellschaftlich als «gerecht» gelten soll, ist ein
Werturteil, das nur auf politischem Weg gefällt
werden kann. Aufgabe der Finanzpolitik ist es,
auf die Kosten alternativer Verteilungslösungen
hinzuweisen und die effizientesten Instrumente
zur Erreichung konkreter Verteilungsziele vorzuschlagen.
Der Staat kann durch die Gestaltung seiner Einnahmen und Ausgaben die auf dem freien Markt
zustande gekommene Einkommens- und Vermögensverteilung beeinflussen. Bei den Einnahmen
muss dabei in erster Linie unterschieden werden
zwischen den direkten Steuern, denen normalerweise ein progressiver Tarif zugrunde liegt,
und den indirekten Steuern, die den einzelnen
Steuerzahler ungeachtet seiner Einkommensund Vermögensverhältnisse nach dem Konsum
der besteuerten Güter und Dienstleistungen belasten. Die direkten Steuern wirken insgesamt
nivellierend auf die Einkommensverteilung. Im
Gegensatz zu den direkten Steuern belastet eine
Konsumsteuer die unteren Einkommensschichten prozentual stärker, weil die Konsumneigung
(Anteil der Konsumausgaben am Einkommen)
in der Regel mit sinkendem Einkommen steigt.
Diese «regressive» Eigenschaft der indirekten
Steuern wird allerdings dadurch leicht gemildert,
dass die Güter des lebensnotwendigen Bedarfs
teilweise von der Steuer befreit oder mit niedrigeren Sätzen belegt werden. Empirische Untersuchungen zeigen, dass von der Ausgabenseite
der öffentlichen Haushalte ein grösserer Umverteilungseffekt ausgeht als von der Einnahmenseite. Die grösste Umverteilungswirkung haben die
Ausgaben im Bereich der sozialen Wohlfahrt.
1.1.3 Stabilisierungsziele
Stabilisierungsziele beinhalten die Glättung von
Konjunktur- und Wachstumsschwankungen und
die volle Auslastung des volkswirtschaftlichen
Produktionspotentials. Grundsätzlich steuert der
Staat seine Ausgaben und Einnahmen derart,
dass die Ausschläge des Wirtschaftsablaufs gedämpft oder zumindest nicht verstärkt werden.
Konjunkturschwankungen sind Schwankungen
im Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten:
Steigt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weniger stark als das Produktionspotential, so kommt
es zu einer Unterauslastung der Kapazitäten, also
der Produktionsfaktoren (Arbeitskräfte, Kapital).
Die Wirtschaft befindet sich in einer Phase der
17
1 Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
Konjunkturabschwächung oder sogar der Rezession. Steigt hingegen die Nachfrage stärker als
das Angebot, so bewirkt dies eine Überbeanspruchung der Kapazitäten, was tendenziell zu Inflation und zu einer Konjunkturüberhitzung führt.
Nach Möglichkeit soll sich der Staat antizyklisch
verhalten, also weder ein rezessionsbedingtes
Defizit durch Steuererhöhungen oder Sparprogramme bekämpfen. Ebenso wenig soll er die in
einer Hochkonjunktur erzielten Einnahmenüberschüsse für Steuersenkungen oder Mehrausgaben verwenden.
Die konjunkturellen Schwankungen üben einen
grossen Einfluss auf den Bundeshaushalt aus.
Verschiedene Fiskaleinnahmen sind eng an die
Wirtschaftsentwicklung gekoppelt, so dass sie in
der Rezession zurückgehen und in wirtschaftlich
guten Zeiten stark zunehmen. Gleichzeitig kann
festgestellt werden, dass bestimmte Ausgaben
in rezessiven Phasen höher sind als in Phasen
der Konjunkturüberhitzung. Mitverfolgen konnte man dies bisher vor allem bei den Darlehen
an die Arbeitslosenversicherung. Durch diesen
Automatismus verhält sich der Bund ohne weiteres Dazutun antizyklisch. Er glättet damit die
konjunkturellen Schwankungen, weil er in der
Rezession nachfragestützende Defizite ausweist
(deficit spending) und im Boom einer überbordenden Nachfrage entgegenwirkt, indem er mit
den Einnahmenüberschüssen Reserven anlegt.
Eine solche passive antizyklische Ausrichtung
der Finanzpolitik gilt als vorteilhaft, weil sich zu
starke Schwankungen im Auslastungsgrad der
Produktionskapazitäten negativ auf das längerfristige Wachstumspotential der Wirtschaft auswirken können. Um sicherzustellen, dass diese
Ausrichtung der Finanzpolitik sich auch konkret
im Voranschlag niederschlägt, hat der Bundesrat
das Instrument der «Schuldenbremse» (vgl. Ziff.
3.1) geschaffen.
1.1.4
Nachgeordnete fiskalische Zielsetzung
und Grenzen der Kreditfinanzierung
Die fiskalische Zielsetzung resultiert aus der Verfolgung der oben beschriebenen wirtschafts-
18
und sozialpolitischen Ziele. Wie bereits erwähnt,
beruht die fiskalische Zielsetzung darauf, auf
effiziente und kostengünstige Weise Einnahmen
zu beschaffen, diese sparsam zu verwenden und
die Marktprozesse so wenig wie möglich zu verzerren. Auf die Frage, inwieweit die staatlichen
Ausgaben über die laufenden Einnahmen finanziert werden müssen und in welchem Umfang
sich der Staat zur Finanzierung seiner Aufgaben
verschulden darf, gibt die ökonomische Theorie
keine abschliessende Antwort. Einigkeit herrscht
unter Fachleuten jedoch darüber, dass eine zu
hohe Verschuldung schädlich sein kann, wie sich
gerade in der gegenwärtigen Schuldenkrise im
europäischen Raum zeigt. Dies aus folgenden
Gründen:
•
Primärsaldo und Verschuldungsspirale: Der
Primärsaldo entspricht dem Saldo der Finanzierungsrechnung nach Abzug der Zinsausgaben. Damit kann der Einfluss früherer
Defizite beziehungsweise der bestehenden
Staatsschulden ausgeschaltet werden. Ist der
Primärsaldo ausgeglichen, entspricht das Defizit (und damit die Zunahme der nominellen
Verschuldung) dem Ausmass der Zinszahlung
– die prozentuale Zunahme der nominellen
Verschuldung entspricht also dem durchschnittlichen Zinssatz. Entspricht dieser durchschnittliche Zinssatz für die Staatsschulden der
Wachstumsrate des BIP, führt ein ausgeglichener Primärsaldo folglich zu einer Stabilisierung
der Verschuldungsquote, weil Nenner (BIP)
und Zähler (nominelle Verschuldung) der Verschuldungsquote um den gleichen Prozentsatz
zunehmen. Liegt das prozentuale Wirtschaftswachstum hingegen unter dem Zinssatz für
die Staatsschulden, kann nur ein positiver
Primärsaldo ein Ansteigen der Verschuldungsquote verhindern.
•
Zinsenlast: Kurzfristig ist auf Bundesebene ein
grosser Teil der Ausgaben gesetzlich oder vertraglich gebunden. Gleichzeitig sind rund drei
Fünftel der Bundeseinnahmen (direkte Bundessteuer, Mehrwertsteuer) in der Verfassung
1 Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
verankert. Der kurzfristige finanzpolitische
Handlungsspielraum ist also sehr beschränkt.
Je höher nun die Zinsenlast ist (Anteil der Passivzinsen an den Gesamteinnahmen), desto
kleiner wird der ohnehin nicht sehr grosse
Handlungsspielraum, was die politische Prioritätensetzung erschwert. Mittelfristig führt der
Anstieg der Zinsenlast zur Verdrängung anderer Ausgaben.
•
Crowding Out: Darunter versteht man das
Verdrängen privater Finanzierungsbedürfnisse
vom Kapitalmarkt durch den staatlichen Kapitalbedarf. Wenn etwa die Kapitalnachfrage
der Unternehmen im Wirtschaftsaufschwung
kräftig zunimmt und diese verstärkte Nachfrage mit einem hohen Kreditbedarf der öffentlichen Hand zusammenfällt, ist es nur noch ein
kleiner Schritt zu zinstreibenden Effekten mit
negativen Folgen für die private Investitionstätigkeit.
Vor diesem Hintergrund ist eine generelle Zurückhaltung gegenüber staatlicher Kreditfinanzierung angezeigt. Diese Art der Finanzierung
sollte sich auf die folgenden beiden Situationen
beschränken:
•
Konjunkturelle Defizite: Man unterscheidet
zwischen einem konjunkturellen und einem
strukturellen Defizit. In Rezessionszeiten ist
das Wachstum der öffentlichen Einnahmen
rückläufig oder sogar negativ, während gewisse Ausgaben sehr stark zunehmen. Diese
Reaktion der öffentlichen Finanzen auf die
Konjunkturlage, die von den Ökonomen als
«automatische Stabilisierung» bezeichnet
wird, ist für die Wirtschaft wünschenswert,
denn sie mildert die sozialen und makroökonomischen Auswirkungen einer Rezession.
Man spricht von konjunkturellen und tolerierbaren Defiziten, solange sie mit Einnahmen-
überschüssen aus wirtschaftlich florierenden
Zeiten kompensiert werden können. Strukturelle Ungleichgewichte hingegen schaden sowohl der Wirtschaft als auch den Finanzen. Sie
halten auch in Zeiten normaler Konjunktur an
und führen dazu, dass die Einnahmen abgesehen von konjunkturellen und ausserordentlichen Zusatzeinnahmen nicht mehr ausreichen,
um die Ausgaben zu finanzieren. Die Schuldenbremse (siehe Ziff. 3.1) erlaubt dem Bund
die Verschuldungsfinanzierung ausschliesslich
im Falle eines konjunkturellen Defizits.
•
Volkswirtschaftlich rentable Investitionen:
Investitionen, die volkswirtschaftlich rentabel sind beziehungsweise über ein höheres
Wirtschaftswachstum zukünftig neue Steuersubstanz schaffen, können grundsätzlich
verschuldensfinanziert werden. Das heisst,
ihre Finanzierung kann zeitlich ebenfalls in
die Zukunft verlagert werden. Dies gilt jedoch
nicht für Ersatzinvestitionen, weil sie nicht
dazu beitragen, das Wirtschaftswachstum zu
erhöhen, sondern bloss, es auf konstantem
Niveau zu halten. Man kann die Mindestforderung aufstellen, wonach die Ausgaben für
den öffentlichen Konsum sowie der jährliche Abschreibungsbedarf aus ordentlichen
Einnahmen finanziert werden müssen. Die
Investitionen des Bundes unterliegen erfahrungsgemäss keinen grossen Schwankungen,
weshalb die jährlichen Abschreibungen und
Wertberichtigungen nicht stark von den jährlichen Investitionsausgaben abweichen – eine
Kreditfinanzierung ist deshalb nicht angezeigt.
Ausserdem ist der volkswirtschaftliche Investitionsbegriff sehr schwammig und eine
sachgerechte Abgrenzung zu den laufenden
Ausgaben lässt daher grossen Ermessensspielraum offen, weshalb dieses Kriterium zurückhaltend angewandt werden sollte.
19
1 Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
1.2
Finanzleitbild
Das 1999 vom Bundesrat verabschiedete Finanzleitbild bestimmt Ziele, Grundsätze und Instrumente für die Finanzpolitik des Bundes. Es
formuliert finanzpolitische Strategien, welche
etablierte finanzwissenschaftliche Erkenntnisse
berücksichtigen und als Wegweiser für eine zukunftsgerichtete, moderne Finanzpolitik dienen,
die neuen Herausforderungen begegnet.
Diese Leitplanken dienen der Steuerung finanzpolitischer Alltagsentscheide und liefern eine
konzeptionelle Basis für zukunftsweisende Weichenstellungen. Das Finanzleitbild schafft Transparenz darüber, ob und wie einzelne Beschlüsse
mit den finanzpolitischen Grundsätzen übereinstimmen und verdeutlicht damit den Preis für
populäre Insellösungen. Insgesamt ermöglicht
das Finanzleitbild die Führung einer transparenten, nachhaltigen und wachstumsfreundlichen
Finanzpolitik. Die künftige Finanz- und insbesondere Steuerpolitik wird dadurch berechenbarer.
Das Finanzleitbild ist ein Führungsinstrument des
Bundesrates. Es hat richtungsweisenden Charakter für die finanzpolitischen Entscheide von
Exekutive und Verwaltung, nimmt aber sachpolitische Zielsetzungen des Bundes nicht vorweg.
Die Zuständigkeiten des Parlaments und die
Volksrechte bleiben unangetastet. Verbindlich
sind jeweils die einzelnen konkreten Beschlüsse
der zuständigen Organe.
1.2.1 Zielvorgaben
Das Finanzleitbild orientiert sich an zwei Oberzielen der Finanzpolitik des Bundes. Oberstes Ziel
der Finanzpolitik ist es, für Stabilität zu sorgen,
das Wirtschaftswachstum zu begünstigen und
damit Beschäftigung, Wohlfahrt und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Dieses
erste Oberziel umfasst folgende Unterziele:
•
Einnahmen- und Ausgabenpolitik sind wachstumsfreundlich auszugestalten.
20
•
Steuer-, Fiskal- und Staatsquoten sollen zu den
tiefsten in der OECD gehören; bei Vergleichen
ist dem Entwicklungsstand der Volkswirtschaften Rechnung zu tragen.
•
Die Finanzpolitik darf den wirtschaftlichen
Strukturwandel nicht behindern.
•
Die Finanzpolitik sorgt für Stabilität und fördert den gesellschaftlichen Grundkonsens.
Das zweite Oberziel bezweckt die Erhaltung
gesunder öffentlicher Finanzen, damit die gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Ziele dauerhaft erfüllt werden können. Das bedingt die
Realisierung folgender Unterziele:
•
Das Bundesbudget ist mittelfristig, das heisst
über einen Konjunkturzyklus, auszugleichen;
strukturelle Defizite sind zu vermeiden.
•
Die Verschuldungsquote des Bundes ist auf ein
nachhaltiges Mass zu senken.
1.2.2 Grundsätze
Im Finanzleitbild werden die Zielvorgaben um einige Grundsätze ergänzt.
Vorab steht der Grundsatz der Transparenz: Finanzpolitische Informationen sollen von möglichst hoher Qualität sein. Ihre Darstellung erfolgt
in einer offenen, für die Bürgerinnen und Bürger
verständlichen Form.
Unter den Grundsätzen der Ausgabenpolitik postuliert der Bundesrat unter anderem:
•
Alle Staatsausgaben (bzw. -aufgaben) müssen
periodisch auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden.
•
Dem Staat übertragene Aufgaben sind wirtschaftlich und zielwirksam zu erfüllen.
1 Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
•
•
Für neue Ausgabenprogramme ist die Frage
der Finanzierung sorgfältig zu klären. Mehrausgaben für neue Aufgaben sind vorrangig
durch Einsparungen in bisherigen Aufgabenbereichen aufzufangen.
Subventionen sind
–– möglichst in Form von Subjekthilfen und
nicht als Objekthilfen zu gewähren. Streusubventionen sind zu vermeiden;
––
––
nicht an den Kosten zu orientieren, sondern
am Erfüllungsgrad der vorgegebenen Ziele;
zeitlich zu befristen. Finanzhilfen sind vorzugsweise in der Form zeitlich befristeter
Anschub- und Überbrückungshilfen auszugestalten. Bei Abgeltungen ist soweit wie
möglich eine Befristung der staatlichen Aufgabe vorzusehen.
Als Grundsätze der Besteuerung gelten insbesondere:
•
Die Steuerlast ist gerecht auf die Steuerpflichtigen zu verteilen. Dazu müssen Steuern den
in der Verfassung verankerten Prinzipien der
Allgemeinheit, Gleichmässigkeit und Verhältnismässigkeit (Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) genügen.
•
Steuern sind so zu gestalten, dass die dem
Steuerpflichtigen aufgebürdete Last möglichst
gering und die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Aktivität möglichst klein ist. Wo
aus staatlichen Leistungen ein zurechenbarer
individueller Nutzen entsteht, ist stets eine
vollständige oder teilweise Finanzierung durch
verursachergerechte Gebühren und Beträge
zu prüfen.
•
Das Steuersystem ist so zu gestalten, dass
die Standortattraktivität der Schweiz erhalten
und gestärkt werden kann. Hohe Steuern und
hohe Grenzsteuersätze sind möglichst zu ver-
meiden. Indirekte Steuern sind stärker zu gewichten.
•
Das Abgabesystem trägt zur langfristigen Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen
bei.
•
Steuern sind so zu gestalten, dass sie stabilisierend auf die Konjunkturentwicklung und
Beschäftigungslage wirken (Prinzip der konjunkturpolitischen Wirksamkeit).
Schliesslich hält der Bundesrat als Grundsatz
der Haushaltsstabilisierung fest, dass Haushaltssanierungen vorrangig über eine Kürzung der
Ausgaben erfolgen müssen. Investitionen in Human- und Realkapital dürfen dabei nicht stärker
gekürzt werden als die übrigen Ausgaben.
1.3
Finanzpolitische Kennziffern
Für die Beurteilung der Entwicklung des Bundeshaushalts und der öffentlichen Haushalte gibt es
eine Reihe von finanzpolitischen Kennziffern, die
in der finanz- und wirtschaftspolitischen Diskussion häufig verwendet werden. Entscheidend für
die Beurteilung der Finanzlage ist dabei nicht nur
der aktuelle Wert, sondern auch dessen Entwicklung über einen bestimmten Zeitraum. Allerdings
erlauben die Kennzahlen weder eine Beurteilung
der Qualität und Effizienz der staatlichen Leistung, noch geben sie Auskunft über das Ausmass
der Regulierungseingriffe eines Staates bzw. über
die Abgrenzung zwischen Staat und Markt. Diese
Einschränkungen müssen vor allem bei internationalen Vergleichen berücksichtigt werden.
Grundlage für die Berechnung der nachfolgenden Kennziffern ist – in Anlehnung an die
Statistiken der OECD – das Zahlenwerk der Finanzierungsrechnung, wobei ausserordentliche
Transaktionen nicht berücksichtigt werden. Die
nachstehenden Kennziffern werden im Verhältnis zum nominellen BIP berechnet. Das BIP ist ein
Mass für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirt-
21
1 Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
schaft. Es misst den Wert der im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen zu aktuellen
Preisen, soweit diese nicht als Vorleistungen für
die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden – also die so genannte
Wertschöpfung. Die Veränderung der jeweiligen
Quoten ist somit immer auch zu einem Teil auf
die Veränderung des nominellen BIP zurückzuführen.
Auf der Webseite der Eidgenössischen Finanzverwaltung (www.efv.admin.ch) werden Zahlenreihen für den Bund veröffentlicht und periodisch
aktualisiert. Am selben Ort liegen auch Zahlen für
den internationalen Vergleich sowie weitere Informationen zu den Berechnungsmethoden vor.
1.3.1 Kennziffern des Bundes
Die Kennzahlen umfassen nur die Kernverwaltung d.h. «das Stammhaus Bund», erfolgt also
ohne Zahlen der obligatorischen Sozialversicherungen, der Sonderrechnungen (ETH-Bereich,
Alkohol­verwaltung, FinöV-Fonds, Infrastrukturfonds).
Ausgabenquote
Die Ausgabenquote entspricht dem Verhältnis
zwischen den ordentlichen Ausgaben und dem
nominellen Bruttoinlandprodukt (BIP). Die Ausgabenquote ist daher ein grober Indikator für
das Ausmass der Tätigkeiten des Bundes im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft. In der ersten Hälfte der 90er Jahre hat die Ausgabenquote einen
starken Anstieg erfahren. Im Jahre 1997 lag sie
mit 11,5 Prozent knapp 2 Prozentpunkte über
dem Stand von 1990. Die zahlreichen Sparbemühungen führten in den folgenden Jahren zu einer Stabilisierung dieser Kennzahl und seit 2003
zu einem Rückgang, mit einem Tiefpunkt von
22
10,4 Prozent in den Jahren 2007 und 2008. Der
Anstieg im Jahre 2009 ist auf das rückläufige BIP
in diesem Jahr sowie auf die Stabilisierungsmassnahmen zurückzuführen. Für die neue Legislatur
wird davon ausgegangen, dass die Ausgabenquote nach dem erwarteten Anstieg 2011/2012
(verursacht durch die befristete Zusatzfinanzierung an die IV) auf diesem Niveau bleibt.
Steuerquote
Die Steuerquote setzt die ordentlichen Fiskaleinnahmen ins Verhältnis zum BIP und gibt einen
Eindruck über die relative Belastung von Bevölkerung und Wirtschaft. Darin nicht berücksichtigt
ist der Bundesanteil am Reingewinn der Alkoholverwaltung. Dieser entsteht zwar aus der Besteuerung von Alkohol, fliesst dem Stammhaus
Bund jedoch als Einnahmen aus Regalien zu.
Die Steuerquote hat in den 90er-Jahren in ähnlichem Masse zugenommen wie die Ausgabenquote. Nach der Jahrtausendwende hat sie sich
während mehreren Jahren bei etwa 10,0 Prozent
eingependelt. Seit Mitte dieses Jahrzehnts ist
die Kennzahl wieder leicht angestiegen, was in
konjunkturellen Aufschwungphasen üblich ist.
In den Legislaturfinanzplanjahren wird sich die
Steuerquote in etwa auf erwartetem Niveau für
2011 stabilisieren.
Defizit-/Überschussquote
Die Defizit-/Überschussquote zeigt den ordentlichen Saldo der Finanzierungsrechnung in Prozenten des BIP. Von 1991 bis 2005 präsentierte der
Bundeshaushalt mit Ausnahme des Jahres 2000
ausschliesslich Ausgabenüberschüsse. Dank den
Entlastungsprogrammen zur Umsetzung der
Schuldenbremse und der Wirtschaftsentwicklung konnte die Defizitserie mit dem Rechnungsabschluss 2006 beendet werden.
1 Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
Schuldenquote
Die Schuldenquote umfasst, in Anlehnung an die
Maastricht-Kriterien der EU, als Bruttogrösse im
Zähler die laufenden Verpflichtungen sowie die
kurz- und langfristigen Finanzverbindlichkeiten.
Im Nenner steht wiederum das nominelle BIP. Die
Schuldenquote hat sich seit Beginn der 90er Jahre mit 11,6 Prozent bis zum Höhepunkt im Jahr
2003 mit 28,3 Prozent weit mehr als verdoppelt.
Dank der deutlichen Einnahmenüberschüsse der
Jahre 2006–2010 konnte diese Entwicklung umgekehrt werden. Für die neue Legislatur wird mit
einem weiteren Rückgang der Schuldenquote
gerechnet. Auf diesem Weg sind die Zwischenhalte in den Jahren 2012 und 2015 jeweils auf
eine starke Zunahme der Tresoreriemittel zurückzuführen, welche wegen fällig werdenden Anleihensrückzahlungen entsteht.
Kennzahlen des Bundes
in % nom. BIP
Ausgabenquote
Steuerquote
R
1990
R
1995
R
2000
R
2005
R
2010
S
2011
VA
2012
LFP
2013
LFP
2014
LFP
2015
9,6
10,8
11,2
11,1
10,8
11,0
11,2
11,1
11,0
11,0
8,7
8,6
11,0
10,2
10,6
10,5
10,5
10,4
10,3
10,3
Defizit-/Überschussquote
+0,3
-0,9
+0,9
-0,0
+0,7
+0,5
+0,0
-0,1
-0,0
-0,0
Schuldenquote brutto
11,6
22,0
25,6
28,1
20,2
19,6
19,5
19,5
18,6
18,4
Schulden und Schuldenquote des Bundes 2000–2015
Schulden und Schuldenquote des Bundes 2000–2015
2011:
Schätzung (S)
2011: Schätzung (S)
Mrd.
%
140
35
120
30
100
25
80
20
60
15
40
10
20
5
0
0
00
01
02
03
Bruttoschulden in Mrd.
04
05
06
07
08
Schuldenquote in % des BIP
09
10
11
12
13
14
15
S
VA
LFP
LFP
LFP
23
1 Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
1.3.2 Kennzahlen der öffentlichen Haushalte
Die oben dargestellten Kennzahlen des Bundes
eignen sich nicht für internationale Vergleiche, da
die Beschränkung auf eine Staatsebene je nach
Zentralisierungsgrad eines Landes ein verzerrtes
Bild abgeben kann. Aussagekräftiger sind Vergleiche anhand der von der Finanzstatistik ausgewiesenen Kennzahlen der öffentlichen Haushalte
(Bund, Kantone, Gemeinden und öffentliche Sozialversicherungen 1). Am meisten verwendet werden fünf Aggregate, welche jeweils im Verhältnis
zum Bruttoinlandprodukt (BIP) dargestellt werden.
Die Kennzahlen werden nach den Standards des
Internationalen Währungsfonds (IWF) ausgewiesen. Die Quoten basieren auf dem revidierten BIP
gemäss europäischem System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG 95).
Defizit-/Überschussquote
Die Defizit-/Überschussquote ist als Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte im Verhältnis zum BIP definiert. Die Defizit-/Überschussquote der öffentlichen Haushalte ist seit den
90er-Jahren starken konjunkturellen Schwankungen unterworfen, konnte aber in der jüngsten Vergangenheit auf einem positiven Niveau
stabilisiert werden. Auf Grund des Einbruchs
des Wirtschaftswachstums ist sie 2009 zwar
stark zurückgegangen, blieb aber dank den guten Vorjahren mit insgesamt 0,5 Prozent des BIP
positiv. In den Folgejahren erholen sich die Saldi
wiederum, sinken im Zuge der nachlassenden
Konjunktur bis 2012 aber voraussichtlich wieder
auf 0,6 Prozent des BIP.
Fiskalquote
Die Fiskalquote gemäss IWF stellt die Steuereinnahmen und Sozialversicherungsabgaben im
Verhältnis zum BIP dar. Sie umfasst sämtliche
Steuern sowie die obligatorischen Sozialversicherungsbeiträge an AHV, IV, EO, ALV und für
1Die öffentlichen Sozialversicherungen umfassen AHV, IV,
EO, ALV, die Familienzulagen in der Landwirtschaft und die
Mutterschaftsversicherung Genf.
24
die Familienzulagen in der Landwirtschaft. Die
Beiträge an Krankenkassen, Unfallversicherungen und Pensionskassen werden trotz Obligatorium nicht berücksichtigt, da diese Unternehmungen nicht zum Sektor Staat gehören.
Die Fiskalquote verharrte in den vergangenen
Jahren auf einem Niveau von knapp 30,0 Prozent. Sie blieb auch während der Wirtschaftskrise
2009 relativ stabil, jedoch sorgte das sinkende
BIP (-1,9 %) für einen Anstieg der Quote, welcher sich auch in den Folgejahren fortsetzt. 2011
schliesslich dürfte die Fiskalquote erstmals seit
dem Jahr 2000 wieder auf über 30,0 Prozent des
BIP ansteigen.
Staatsquote
Die Staatsquote entspricht dem Verhältnis zwischen den Gesamtausgaben der öffentlichen
Haushalte und dem BIP. Dabei wird der gesamte
Aufwand (laufender Aufwand plus Nettozugang
an Sachvermögen) berücksichtigt. Nach einem
starken Anstieg in den 90er-Jahren konnte die
Staatsquote seit 2003 kontinuierlich gesenkt
werden. Sie betrug 2008 noch 32,6 Prozent des
BIP. Danach hat die Rezession jedoch in allen öffentlichen Haushalten Mehrausgaben nach sich
gezogen. Als Folge des gleichzeitig sinkenden
BIP ist die Staatsquote dadurch um 1,8 Prozentpunkte angestiegen. Bis 2012 wird sie sich voraussichtlich weiter ausdehnen und für den Gesamtstaat 34,9 Prozent betragen.
Schuldenquote
Die Schuldenquote ist das Verhältnis zwischen
den Bruttoschulden der öffentlichen Haushalte
und dem BIP. Diese Kennzahl stützt sich auf die
Definition des neuen Harmonisierten Rechnungsmodells der Kantone (HRM2). Sie stellt zudem
eine Annäherung an die Bruttoschuldenquote
gemäss den Maastricht-Kriterien der EU dar. Die
Bruttoschulden setzen sich gemäss HRM2 aus
den laufenden Verpflichtungen, den kurzfristigen
Schulden, den mittel- und langfristigen Schulden
sowie den Verpflichtungen für Sonderrechnungen zusammen.
1 Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
Die Schuldenquote verzeichnete in den letzten
Jahren einen sinkenden Trend, und reduzierte
sich bis 2009 auf 39,0 Prozent. Damit sank sie
erstmals seit 1992 wieder unter 40,0 Prozent
des BIP. Insbesondere die Schuldenbremse des
Bundes sorgt für einen kontinuierlichen Schuldenabbau. Aber auch in den anderen Sektoren
wird mit einer weiteren Reduktion der Schulden
gerechnet. Die Quote für den gesamten Staatssektor dürfte also auch in den kommenden Jahren weiter sinken und bis 2012 auf 35,7 Prozent
des BIP fallen.
Fremdkapitalquote
Die Fremdkapitalquote stellt die Bruttoschulden gemäss der Definition des IWF in Prozent
des BIP dar. Sie umfasst mehr Bilanzpositionen
(z.B. Rückstellungen) als die Maastricht-Schuld:
Das Fremdkapital setzt sich aus nahezu allen
Positionen der Passiven der Bilanz zusammen.
Die IWF-Standards fordern zudem die Bewertung
der Verpflichtungen nach ihrem Marktwert. Insbesondere Obligationen und andere auf Märkten
gehandelte Schuldpapiere erreichen dadurch in
den vergangenen Jahren einen viel höheren Bestand im Vergleich zum Nominalwert.
Dank der hohen Überschüsse der Vorjahre ging
auch die Fremdkapitalquote in der jüngeren Vergangenheit kontinuierlich zurück. Im Jahr 2009
ist wiederum ein leichter Anstieg festzustellen,
der auf die höheren Marktwerte der Bruttoschulden zurückzuführen ist. Die Fremdkapitalquote
wird sich in den darauf folgenden Jahren – wie
die Maastricht-Schuldenquote – weiter reduzieren. Sie sinkt erstmals seit 1993 wieder unter
50,0 Prozent und beträgt 2012 voraussichtlich
noch 47,5 Prozent des BIP.
Kennzahlen der öffentlichen Haushalte der Schweiz
in % BIP
1990
1995
2000
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
Defizit-/
Überschussquote
-0,1
-2,0
2,4
-0,6
1,0
1,4
1,9
0,5
0,4
0,8
0,6
Fiskalquote
25,5
27,6
30,0
29,0
28,9
28,7
29,3
29,7
29,8
30,1
30,2
Staatsquote
31,5
37,1
35,2
37,5
35,7
34,6
32,6
34,4
34,5
34,6
34,9
Schuldenquote
31,7
48,5
52,2
52,5
47,0
43,4
40,8
39,0
38,4
36,4
35,7
Fremdkapitalquote
38,2
56,4
61,3
72,5
64,6
57,7
52,6
53,1
50,5
48,3
47,5
Hinweise:
- 2010 – 2012: Schätzung
- Schuldenquote: Bruttoschulden in Anlehnung an die Maastrichtkriterien
- Fremdkapitalquote: Schulden nach IWF-Standards
25
1 Finanzpolitik – Ziele und Grundsätze
Die Modelle der Finanzstatistik im Überblick
Die Statistik der öffentlichen Finanzen der Schweiz, kurz Finanzstatistik genannt, gibt einen Gesamtüberblick über die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage der öffentlichen Haushalte: Bund,
Kantone, Gemeinden und öffentliche Sozialversicherungen. Zusammen bilden sie den Wirtschaftssektor Staat. Dessen Definition entspricht den methodologischen Anforderungen, wie sie im
Handbuch des Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Finanzstatistik, das «Government Finance
Statistics Manual 2001» (GFSM2001), festgehalten werden. Sie ist mit derjenigen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung identisch. Die öffentlichen Unternehmungen werden nicht in der
Finanzstatistik erfasst.
Basisdaten der Finanzstatistik sind die Finanzbuchhaltungen der öffentlichen Haushalte und der
von ihnen kontrollierten Institutionen (Körperschaften, Anstalten, Sonderrechnungen und Fonds
usw.). Um den verschiedenen Ansprüchen gerecht zu werden, erfolgt der Ausweis der Ergebnisse
und der daraus abgeleiteten Kennziffern nach zwei Modellen. Das FS-Modell dient der nationalen
Vergleichbarkeit und baut grundsätzlich auf dem neuen Harmonisierten Rechnungslegungsmodell
der Kantone HRM2 auf. Für internationale Vergleiche werden diese Daten in das GFS-Modell, das
dem Finanzstatistikstandard des IWF (GFSM2001) folgt, umgeschlüsselt und statistisch bearbeitet. Dazu zählen z.B. Bewertungskorrekturen oder die Zubuchung von Ansprüchen des Staates
gegenüber der Nationalbank in der Bilanz. Diese Daten fliessen wiederum in das ESVG-Modell
(Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen) und die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) der Schweiz ein, welche auf der gleichen methodologischen Grundlage wie
die Finanzstatistik aufbaut.
Übersicht zu den publizierten Modellen der Finanzstatistik
FS-Modell
GFS-Modell
Grundlage
Nationale Rechnungslegungsstandards des
Bundes (NRM) und der Kantone (HRM2)
Internationale Finanzstatistikstandards des
IWF (GFSM2001)
Ziel
Nationale Vergleichbarkeit der öffentlichen
Haushalte (und zusätzlich internationaler
Vergleich der Schuldenquote in Anlehnung
an die Definition von Maastricht)
Internationale Vergleichbarkeit des
Wirtschaftssektors Staat und der
Kennzahlen: Fiskalquote, Staatsquote,
Defizit-/Überschussquote und
Fremdkapitalquote.
Umfang der
Auswertungen
Nebst dem Wirtschaftssektor Staat
und seiner Teilsektoren (Bund,
Kantone und Konkordate, Gemeinden,
Sozialversicherungen) auch bis auf Stufe
einzelner Haushalte (Bund, Kantone einzeln,
Kantone und ihre Gemeinden, Städte
und Kantonshauptorte, Sozialversicherungshaushalte)
Nur auf Stufe Wirtschaftssektor
Staat und seinen Teilsektoren (Bund,
Kantone und Konkordate, Gemeinden,
Sozialversicherungen)
26
2 Rechtliche Grundlagen
2.1
Bundesverfassung
In der Bundesverfassung (BV; SR 101) sind für die
Führung des Bundeshaushalts in erster Linie die
folgenden Bestimmungen massgebend:
•
•
•
•
•
Berücksichtigung der Konjunkturlage: Nach
Artikel 100 Absatz 4 BV soll der Bund bei seiner Einnahmen- und Ausgabenpolitik die Konjunkturlage berücksichtigen.
Schuldenbremse: Artikel 126 BV verpflichtet den Bund, seine Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht zu halten
(Abs. 1). Zu diesem Zweck richtet sich der im
Voranschlag zu bewilligende Höchstbetrag der
Gesamtausgaben – unter Berücksichtigung
der Wirtschaftslage – nach den geschätzten
Einnahmen (Abs. 2). Wird der Höchstbetrag
überschritten, so sind die Mehrausgaben in
den Folgejahren zu kompensieren (Abs. 4).
Absolutes Mehr: Artikel 159 Absatz 3 Buchstaben b und c BV legen fest, dass bestimmte
Gesetzesvorlagen und Finanzbeschlüsse die
Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes
der beiden Räte benötigen (Ausgabenbremse;
ausserordentlicher Zahlungsbedarf).
Finanz- und Kredithoheit des Parlamentes:
Nach Artikel 167 BV ist die Bundesversammlung zuständig für die Festsetzung des jährlichen Voranschlages und für die Abnahme der
Staatsrechnung. Das Finanz- und Kreditrecht
ist deshalb geprägt durch die weitgehenden
Kompetenzen des Parlaments und seiner Finanzkommissionen.
2.2
Gesetze und Verordnungen
Parlamentsgesetz
Zahlreiche Vorschriften mit Bedeutung für den
Haushaltbereich finden sich im Bundesgesetz
vom 13.12.2002 über die Bundesversammlung
(ParlG; SR 171.10). Sie betreffen insbesondere:
•
Die Zuständigkeit der Bundesversammlung
zum Erlass von Kreditbeschlüssen in Form einfacher Bundesbeschlüsse (Art. 25 ParlG);
•
die Oberaufsicht der Bundesversammlung
über den Finanzhaushalt (Art. 26 Abs. 2 ParlG)
sowie die Aufgaben der Finanzkommissionen
und der Finanzdelegation (Art. 50 f. und 54 f.
ParlG);
•
die Differenzregelung zwischen den Räten
beim Voranschlag und bei den Nachtragskrediten (Art. 94 ParlG);
•
die Behandlung von Eingaben zum Finanzgebaren des Bundesrates durch die Finanzkommissionen (Art. 129 ParlG);
•
die Erläuterungen des Bundesrates in Botschaften zu Erlassentwürfen über das Abstimmen
von Aufgaben und Finanzen sowie die personellen und finanziellen Auswi­rkungen von Erlassen (Art. 141 Abs. 2 Bst. e und f ParlG);
•
die Unterbreitung des Voranschlags und seiner Nachträge, der Staatsrechnung sowie des
Finanzplans durch den Bundesrat (Art. 142 f.
ParlG);
Kompetenzen des Bundesrates: Nach Artikel 183 BV erarbeitet der Bundesrat den
Finanzplan, entwirft den Voranschlag und erstellt die Staatsrechnung. Zudem sorgt er für
eine ordnungsgemässe Haushaltführung.
27
2 Rechtliche Grundlagen
•
den Legislaturfinanzplan und dessen sachliche
und zeitliche Verknüpfung mit den Zielen und
Massnahmen der Legislaturplanung (Art. 146
Abs. 4 ParlG);
•
die laufende und regelmässige Orientierung
der Finanzdelegation über die Beschlüsse des
Bundesrates einschliesslich der Mitberichte
(Art. 154 Abs. 3 ParlG).
die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (zur Sonderstellung dieser Institutionen
vgl. Art. 142 Abs. 2 f. ParlG); dem Gesetz
grundsätzlich nicht unterstellt sind Verwaltungseinheiten der dezentralen Bundesverwaltung mit eigenem Rechnungskreis (u.a. ETHBereich, Swissmedic, Eidgenössisches Institut
für Geistiges Eigentum, Eidgenössische Alkoholverwaltung und PUBLICA);
Finanzhaushaltgesetz
Der Grunderlass für die Haushaltführung im Bund
ist das Bundesgesetz vom 7.10.2005 über den
eidgenössischen Finanzhaushalt (FHG; SR 611.0).
•
verlangt von Bundesversammlung, Bundesrat
und Verwaltung, die Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht zu halten
(Art. 12 Abs. 1 FHG);
Näheren Aufschluss über die Leitgedanken der
gesetzlichen Ordnung gibt die Botschaft des
Bundesrates vom 24.11.2004 zur Totalrevision
des FHG (BBl 2005 5) im Zusammenhang mit
der Einführung des neuen Rechnungsmodells
(NRM). Das Instrument der Kreditsperre ist seit
dem 1.1.2008 ebenfalls im FHG verankert (vgl.
Art. 37a und 37b).
•
sieht die Führung des Bundeshaushalts nach
Finanzierungs- und Erfolgssicht vor (Art. 12
Abs. 2 FHG)
•
statuiert die Grundsätze der Gesetzmässigkeit,
der Dringlichkeit sowie der Sparsamkeit und
verlangt, dass die Mittel wirksam und wirtschaftlich eingesetzt werden (Art. 12 Abs. 4
FHG);
•
überträgt dem Finanzdepartement die Aufgabe, die Verwaltung der Bundesfinanzen zu leiten und für den Überblick über den gesamten
Finanzhaushalt des Bundes zu sorgen (Art. 58
Abs. 1 FHG);
•
macht die Verwaltungseinheiten verantwortlich für die sorgfältige, wirtschaftliche und
sparsame Verwendung der anvertrauten Kredite oder Vermögenswerte (Art. 57 Abs. 1 FHG).
Das Finanzhaushaltgesetz
• gilt uneingeschränkt für die zentrale Bundesverwaltung (Departemente einschliesslich
Generalsekretariate, Bundeskanzlei, Ämter
und Gruppen) und jene Verwaltungseinheiten
der dezentralen Bundesverwaltung, die keine
eigene Rechnung führen. Ebenfalls dem Gesetz unterstellt sind die Bundesversammlung
(einschliesslich ihrer Parlamentsdienste), die
eidgenössischen Gerichte, die Eidgenössische
Finanzkontrolle, die Bundesanwaltschaft und
28
2 Rechtliche Grundlagen
Finanzhaushaltverordnung
Die Ausführungsbestimmungen zum FHG sind
in der Finanzhaushaltverordnung vom 5.4.2006
(FHV; SR 611.01) enthalten. In dieser Verordnung
hat der Bundesrat gestützt auf Artikel 63 Absatz 2 FHG namentlich den Kontenrahmen und
die Kontierungsgrundsätze sowie die Abschreibungsmethoden und -sätze bestimmt; zudem
hat er die Unterarten der Voranschlags- und Verpflichtungskredite umschrieben.
Schliesslich wird in Artikel 53 FHV festgelegt,
dass sich die Rechnungslegung nach den International Public Sector Accounting Standards (IPSAS)
richtet. Die Abweichungen von IPSAS sowie die
ergänzenden Standards sind im Anhang 2 zur
FHV aufgeführt.
Von besonderer Bedeutung sind die Vorschriften
in Artikel 16 und 24 f. FHV über das Verfahren
bei der Bewilligung von Zusatz- und Nachtragskrediten. Im Falle der Dringlichkeit beschliesst der
Bundesrat nach Artikel 28 Absatz 1 und Artikel
34 Absatz 1 FHG mit vorgängiger Zustimmung
der Finanzdelegation der eidgenössischen Räte.
•
Verordnung der Bundesversammlung vom
18.6.2004 über die Verpflichtungskreditbegehren für Grundstücke und Bauten (SR 611.051)
•
Bundesgesetz vom 5.10.1990 über Finanzhilfen und Abgeltungen (Subventionsgesetz,
SuG; SR 616.1)
Weitere Rechtsgrundlagen
Folgende Rechtsgrundlagen sind für die Haushaltführung ebenfalls relevant:
29
3 Übergeordnete Instrumente der Finanz­politik (Finanzordnung)
Artikel 126 bis 135 der Bundesverfassung regeln
in den Grundsätzen die Finanzen des Bundes.
Diese so genannte Finanzordnung besteht aus
drei Teilen:
Finanzordnung des Bundes
Art. 126–135 und Art. 196 Ziff. 13–15 BV
Haushaltführung
(Art. 126 BV)
Grundsätze der Besteuerung
(Art. 127–134 und 196 Ziff. 13–15 BV)
Finanz- und Lastenausgleich
(Art. 135 BV)
• Ausgleich der
Finanzierungsrechnung
über einen Konjunkturzyklus
• Allgemeine Grundsätze
•A
llgemeine Grundsätze
• Rechtsgrundlagen für die vom Bund
erhobenen Steuern
•R
egelung des Beitrags
der Kantone am
Ressourcenausgleich
• Verankerung der
Schuldenbremse
• (formelle) Harmonisierung der direkten
Steuern
• Übergangsbestimmung zur Befristung
der direkten Bundessteuer und der
Mehrwertsteuer
Jede dieser drei «Säulen» der Bundesfinanzen ist
in der jüngeren Vergangenheit revidiert worden:
Die Bestimmungen zur Schuldenbremse wurden
2001 von Volk und Ständen gutgeheissen, diejenigen zum Finanzausgleich im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA)
gleichzeitig wie die neue Finanzordnung (mit
aktualisierten Bestimmungen zur Besteuerung)
im Jahr 2004.
Die Schuldenbremse ist das zentrale Instrument
zur Gesamtsteuerung des Bundeshaushalts. Sie
wird im nachfolgenden Abschnitt 3.1 im Detail
erläutert. Obwohl sich nur dieser Teil der Finanz­
ordnung explizit der Haushaltführung widmet,
sind auch die Grundsätze der Besteuerung (vgl.
Ziff. 3.2) und die Bestimmungen zum Finanz- und
Lastenausgleich (vgl. Ziff. 3.3) im Hinblick auf die
Steuerung des Bundeshaushalts von Bedeutung.
31
3 Übergeordnete Instrumente
3.1
Gesamtsteuerung durch die Schuldenbremse
3.1.1 Motivation und Ziel
In der Schweiz wurde im Jahre 2003 auf Bundesebene der Übergang von einer diskretionären zu
einer regelgebundenen Finanzpolitik vollzogen.
Die Erfahrungen mit der Schuldenbremse sind
durchwegs positiv. Das schweizerische Regelwerk
stösst auch international auf reges Interesse.
Der Übergang zur regelgebundenen Finanzpolitik in der Schweiz rechtfertigte sich durch zwei
Asymmetrien in der Vergangenheit:
•
•
Erstens liegen auf Bundesebene die Kompetenzen zur Erhöhung der Einnahmen und jene
zur Erhöhung der Ausgaben nicht auf derselben politischen Ebene. Eine Erhöhung der
wichtigsten Steuern (direkte Bundessteuer und
Mehrwertsteuer) benötigt eine Verfassungsänderung und damit die Zustimmung von Volk
und Ständen, während eine Aufstockung der
Ausgaben durch das Parlament in der Regel
mittels einfacher Mehrheit beschlossen werden kann. Dies führte in der Vergangenheit
tendenziell zu Haushaltsdefiziten und einer
entsprechenden Schuldenfinanzierung. Die
Schuldenbremse legt deshalb verbindlich fest,
dass die Ausgaben sich nach den Einnahmen
richten müssen.
Zweitens fehlte die Bereitschaft zur finanziellen Zurückhaltung während eines Wirtschaftsaufschwungs als Gegenstück zu den Defiziten
in Rezessionsphasen. Vielmehr war gerade
dann der Druck hoch, mit den konjunkturbedingten Mehreinnahmen neue Aufgaben zu finanzieren, ohne auf bestehende zu verzichten.
32
Die Konsequenz waren eine defizitäre Schlagseite und eine Erhöhung der Schulden. Die
Schuldenbremse legt deshalb verbindlich fest,
dass ein konjunkturell bedingter Überschuss
im Aufschwung nicht für die Finanzierung von
Ausgaben verwendet werden kann.
Ziel der Schuldenbremse ist der Budgetausgleich
in der mittleren Frist (d.h. über einen Konjunkturzyklus hinweg) und damit die Stabilisierung der
nominellen (Brutto-)Verschuldung. In der kürzeren Frist sind, je nach Konjunkturlage, Defizite
zulässig oder Überschüsse notwendig, damit der
in der Bundesverfassung geforderten Konjunkturverträglichkeit (Art. 100 BV) Rechnung getragen werden kann. Diese Eigenschaft trägt zu einer «passiv antizyklischen» Finanzpolitik bei und
zielt dabei auf eine möglichst stetige Entwicklung
der Ausgaben und damit auf die Planbarkeit der
staatlichen Aufgabenerfüllung ab. Die Ausgaben
sollen nicht im konjunkturellen Aufschwung erhöht und in einer Rezessionsphase wieder eingespart werden.
Die Verfassungsbestimmungen zur Schuldenbremse wurden 2001 in einer Abstimmung mit
einer Mehrheit von 85 Prozent gutgeheissen.
Die Schuldenbremse gilt in der Schweiz jedoch
nur für den Bundeshaushalt. Die Kantone und
Gemeinden sind in ihrer Finanzpolitik autonom.
Die Mehrzahl der Kantone kennt eigene Ausprägungen einer Defizit- oder Verschuldungsbegrenzung. Weit verbreitet ist zudem das kantonale Finanzreferendum, welches bei neuen staatlichen
Ausgaben einen Volksentscheid ermöglicht.
3 Übergeordnete Instrumente
3.1.2 Funktionsweise
Die Schuldenbremse ist eine einfache Ausgabenregel. Sie limitiert die Ausgaben über einen
Konjunkturzyklus hinweg auf die Höhe der Einnahmen und sichert damit einen ausgeglichenen
Bundeshaushalt. Konkretisiert wird er im FHG
durch folgende Formel:
Ausgabenplafond
=
Ausgabenplafond
=
geschätztegeschätzte
EinnahmenEinnahmen
x Konjunkturfaktor
x Konjunkturfaktor
Die Schuldenbremse setzt die Höchstausgaben
aufgrund der um einen Konjunkturfaktor korrigierten Einnahmen fest. Der Konjunkturfaktor ist
eine Masszahl für die jeweilige Konjunkturlage.
Er entspricht dem Quotienten aus dem Trend des
realen Bruttoinlandproduktes und dem effektiven realen Bruttoinlandprodukt des entsprechenden Jahres:
Trend-BIP Trend-BIP
Konjunkturfaktor
=
Konjunkturfaktor
=
BIP
BIP
Dieser Faktor bereinigt die Einnahmen um die
geschätzten konjunkturellen Einflüsse. Mit anderen Worten: In Zeiten der gesamtwirtschaftlichen
Überauslastung müssen die Ausgaben niedriger
sein als die Einnahmen (Konjunkturfaktor < 1),
dagegen dürfen sie im Abschwung höher ausfallen (Konjunkturfaktor > 1). Im ersten Fall muss
ein «konjunktureller Überschuss» erwirtschaftet
werden, im zweiten wird ein «konjunkturelles
Defizit» toleriert.
Für ausserordentliche Situationen ist eine Ausnahmeregelung vorgesehen. Damit wird sichergestellt, dass die staatliche Handlungsfähigkeit
auch in besonderen Umständen erhalten bleibt.
Die Schweizer Schuldenbremse lässt für aussergewöhnliche und nicht steuerbare Ausgaben, aber
auch für rein verbuchungsbedingte Zahlungsspitzen, einen gewissen Spielraum zu. Bei solchem ausserordentlichen Zahlungsbedarf kann
der Ausgabenplafond entsprechend erhöht
werden. Erforderlich ist dazu allerdings ein qualifiziertes Mehr im Parlament; zudem müssen
ausserordentliche Ausgaben mittelfristig wieder
Stetiger Ausgabenpfad und konjunkturabhängige Einnahmen
Franken
Konjunktureller Überschuss
Konjunkturelles Defizit
Einnahmen
Ausgaben
Zeit
33
3 Übergeordnete Instrumente
kompensiert werden (durch ausserordentliche
Einnahmen und/oder Unterschreitungen des
Ausgabenplafonds).
Die Vorgaben der Schuldenbremse werden mit
dem Voranschlag festgelegt. Bei Vorliegen der
Rechnungsergebnisse werden die Vorgaben aufgrund definitiver Werte überprüft und die Abweichungen von der Regel festgehalten. In der
Schuldenbremse stellt das so genannte «Ausgleichskonto» gewissermassen das Gedächtnis
der Regelabweichungen dar. In dieser Statistik
werden sämtliche Über- und Unterschreitungen
der höchstzulässigen Ausgaben aufgezeichnet
und aufsummiert. Dieses Instrument dient insbesondere der Transparenz und ermöglicht jederzeit eine Überprüfung der Regelanwendung.
Bei Überschreitungen der höchstzulässigen Ausgaben sind abgestufte Sanktionen vorgesehen.
Grundsätzlich müssen Fehlbeträge im «Ausgleichskonto» in den Folgejahren kompensiert
werden. Überschreitet ein Fehlbetrag den Grenzwert von 6 Prozent der Ausgaben, so kommt eine verschärfte Sanktion zum Einsatz. Das Gesetz
schreibt in diesem Fall einen verbindlichen Zeitplan vor (drei Jahre), um den Fehlbetrag wieder
unter den Grenzwert zurück zu führen.
34
3.1.3 Erfolgsbilanz
Die Erfahrungen mit der Schuldenbremse sind
durchwegs positiv. Gemessen an der Entwicklung der massgeblichen finanzpolitischen Kennzahlen hat die regelgebundene Finanzpolitik die
Erwartungen erfüllt. So verbesserte sich die Lage
des ordentlichen Haushaltes in den Jahren 2003
bis 2010 von einem Defizit von 2,8 Milliarden
(0,6 % des BIP) zu einem Überschuss von 3,6 Milliarden (0,7 % des BIP). Die Ausgabenquote sank
in der gleichen Periode von 11,4 Prozent auf
10,8 Prozent des BIP, während die Schuldenquote sich von 28,3 Prozent auf 20,2 Prozent reduzierte. Der Abbau der Bundesschuld hat zu substanziellen Entlastungen bei den Zinszahlungen
geführt und damit neuen Spielraum für andere
Ausgaben bewirkt.
Die Schuldenbremse hat seit ihrer Einführung im
Jahr 2003 drei Bewährungsproben bestanden:
•
Erstens befand sich der Bundeshaushalt zum
Zeitpunkt der Einführung der Schuldenbremse
entgegen den Erwartungen nicht im Gleichgewicht, sondern wies eine beträchtliche
strukturelle Finanzierungslücke auf. Dank den
bindenden Vorgaben der Fiskalregel, die für
die Startphase mit einem Defizitabbaupfad
3 Übergeordnete Instrumente
ergänzt wurde, ist es dem Bundesrat und
Parlament gelungen, rasch und konsequent
Entlastungsprogramme umzusetzen. Diese
erlaubten, die Ausgaben permanent um rund
5 Milliarden zu senken, womit die strukturellen Defizite zwischen 2003 und 2005 eliminiert werden konnten.
•
Zweitens hat die Schuldenbremse verhindert,
dass die hohen Steuereinnahmen der wirtschaftlich starken Jahre vor 2009 für Mehrausgaben verwendet wurden. Stattdessen
konnten Überschüsse erwirtschaftet und
Schulden abgebaut werden. Damit stellte die
Schuldenbremse ihre disziplinierende Wirkung
im Konjunkturaufschwung unter Beweis.
•
Drittens hat sich die Schuldenbremse in der
Finanz- und Wirtschaftskrise auch als schlechtwettertauglich erwiesen. Dank der Ausnahmeregelung war es möglich, die Eigenkapitalbasis
der UBS temporär zu stärken, ohne dadurch
die ordentliche Aufgabenerfüllung des Bundes zu gefährden. Die konjunkturverträgliche
Ausgestaltung der Regel hat zudem in der Rezession verhindert, dass in der Krise Ausgaben
gekürzt werden mussten. Darüber hinaus hat
sie Spielraum für massvolle Stabilisierungsmassnahmen gelassen.
Die Schuldenbremse ist jedoch kein finanzpolitisches Allerheilmittel. Sie erleichtert zwar die
kürzerfristige Steuerung des Bundeshaushaltes
und kann den Schuldenanstieg zum Stillstand
bringen und damit die Finanzlage stabilisieren.
Sie setzt indessen nur eine Obergrenze für die
Staatsausgaben, sagt aber nichts darüber aus,
wofür die staatlichen Mittel einzusetzen sind.
Damit sichert sie in keiner Weise die längerfristige Budgetqualität. Diese ist nur durch eine regelmässige Prüfung der Aufgaben zu erreichen. Die
grossen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Demografie, erfordern zudem
grundlegende, strukturelle Reformen. Ohne diese werden wichtige ungebundene Ausgaben aus
dem Budget verdrängt.
35
3 Übergeordnete Instrumente
Stand des Ausgleichskontos
Mithilfe des Ausgleichskontos wird die Einhaltung der Schuldenbremse in der Vergangenheit kontrolliert. Beim Ausgleichskonto handelt es sich allerdings nicht um ein Konto im buchhalterischen
Sinn und auch nicht um einen Fonds mit einem verfügbaren Mittelbestand. Es wird als Statistik
ausserhalb der Staatsrechnung geführt. In den letzten Jahren hat der Bundeshaushalt durchgehend strukturelle Überschüsse geschrieben. Das Mindestziel der Schuldenbremse – der dauerhafte
Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben – wurde damit klar übertroffen. Dies spiegelt sich im
Stand des Ausgleichskontos von 15,6 Milliarden am Ende des Rechnungsjahres 2010.
Die Gutschriften auf das Ausgleichskonto lassen sich allgemein in drei ursächliche Komponenten
aufteilen. So kann zunächst ein in der Staatsrechnung ausgewiesener struktureller Überschuss bereits zum Zeitpunkt der Budgetierung geplant gewesen und damit das Ergebnis eines bewussten
finanzpolitischen Entscheides sein. Ein struktureller Überschuss kann aber auch unerwartet beim
Budgetvollzug entstehen; solche Abweichungen können durch Unterschätzungen der konjunkturbereinigten Einnahmen oder durch Überschätzungen der Ausgaben entstehen.
Untersucht man den Stand des Ausgleichskontos per Ende 2010, dann zeigt sich, dass nur ein kleiner Teil der Gutschriften (0,4 Mrd. oder 2,7 %) auf budgetierte strukturelle Überschüsse zurückzuführen ist. Der weitaus grössere Teil des aktuellen Kontostandes (15,2 Mrd. bzw. 97,3 %) wird
durch ungeplante, d.h. erst in der Rechnung festgestellte, strukturelle Überschüsse erklärt. Davon
entfällt mit rund 12 Milliarden (77,1 %) der grössere Teil auf die Unterschätzung der konjunkturbereinigten Einnahmen. Die Überschätzung der Ausgaben schliesslich schlägt mit 3,2 Milliarden
(20,2 %) im Ausgleichskonto zu Buche.
Die Zunahme des Ausgleichskontos widerspiegelt sich mit umgekehrten Vorzeichen im Schuldenstand: Beliefen sich die Bruttoschulden per 1.1.2007 noch auf 125,2 Milliarden, konnten sie in
den folgenden vier Jahren um 14,6 Milliarden auf knapp 111 Milliarden gesenkt werden. Somit
zeigt sich, dass der Stand der Verschuldung das Pendant zum Saldo des Ausgleichskontos darstellt:
Eine im Ausgleichskonto ausgewiesene Übererfüllung der Schuldenbremse (welche im Sinne einer
Mindestvorgabe die Stabilisierung der nominellen Verschuldung verlangt) impliziert eine Senkung
der Bruttoschulden in vergleichbarem Ausmass.
Schätzfehler sind im Budgetierungsprozess unvermeidlich. Dies trifft auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundes sowie das Bruttoinlandprodukt und damit den Konjunkturfaktor zu. Aus diesem
Grund wurde mit der Schuldenbremse auch das Instrument des Ausgleichskontos geschaffen. Gutschriften und Belastungen sollen sich über die Zeit in etwa die Waage halten. Eine Belastung oder
Gutschrift des Ausgleichskontos ist in der Konzeption der Schuldenbremse vorgesehen und stellt
deshalb nichts Aussergewöhnliches dar. Zu vermeiden sind dagegen systematische Abweichungen
bei den Schätzungen, welche zu einer einseitigen, immerwährenden Belastung oder Gutschrift des
Ausgleichskontos führen.
36
3 Übergeordnete Instrumente
3.2
Grundsätze der Besteuerung
Neben den allgemeinen Grundsätzen der Be­steue­
rung in Artikel 127 BV enthält der zweite Teil der
Finanzordnung eine Aufzählung der Steuern, die
der Bund zu erheben befugt ist. Dazu gehören:
•
die direkte Bundessteuer (Art. 128 BV)
•
die Mehrwertsteuer (Art. 130 BV)
•
die Verbrauchssteuern auf Tabak und Tabakwaren; gebrannten Wassern; Bier; Automobilen und ihren Bestandteilen; Erdöl, anderen
Mineralölen, Erdgas und den aus ihrer Verarbeitung gewonnenen Produkten sowie auf
Treibstoffen (Art. 131 BV)
•
die Stempelsteuer und die Verrechnungssteuer
(Art. 132 BV)
•
die Zölle (Art. 133 BV).
Der Ertrag aus diesen Steuern umfasst rund
95 Prozent der gesamten Fiskaleinnahmen des
Bundes. Für die übrigen Fiskaleinnahmen wird
die Kompetenz des Bundes, entsprechende
Abgaben zu erheben, entweder direkt bei den
jeweiligen Politikbereichen in der Bundesverfassung (z.B. Nationalstrassenabgabe, Schwerverkehrsabgabe) oder auf Gesetzesstufe (z.B.
CO2‑Abgabe, Spielbankenabgabe) geregelt.
Was die Bundesgesetzgebung als Gegenstand
der Mehrwertsteuer, der besonderen Verbrauchssteuern, der Stempelsteuer und der Verrechnungssteuer bezeichnet oder für steuerfrei erklärt, dürfen die Kantone und Gemeinden nicht
mit gleichartigen Steuern belasten (Art. 134 BV).
Ebenso verfügt nur der Bund über die Kompetenz, Zölle und andere Abgaben auf dem grenzüberschreitenden Warenverkehr zu erheben
(Art. 133 BV).
Kein Ausschluss kantonaler und kommunaler
Besteuerung besteht hingegen bei den direkten
Steuern auf dem Einkommen der natürlichen
Personen und dem Reinertrag der juristischen
Personen. Vielmehr hat hier der Bund bei der
Festsetzung der Tarife auf die Belastung durch
die direkten Steuern der Kantone und Gemeinden Rücksicht zu nehmen. Die Verfassung sieht
weiter vor, dass die Steuer von den Kantonen
veranlagt und eingezogen wird, die Kantone zugleich aber Anspruch auf einen Teil des Steuer­
ertrags haben (vgl. Art. 128 BV).
Gleichzeitig ist der Bund ermächtigt, Grundsätze
über die Harmonisierung der direkten Steuern
von Bund, Kantonen und Gemeinden festzulegen (Art. 129 BV). Die Harmonisierung erstreckt
sich auf Steuerpflicht, Gegenstand und zeitliche
Bemessung der Steuern sowie Verfahrensrecht
und Steuerstrafrecht. Von der Harmonisierung
ausgenommen bleiben insbesondere die Steuertarife, die Steuersätze und die Steuerfreibeträge.
Für die wichtigsten Einnahmenquellen – die direkte Bundessteuer und die Mehrwertsteuer – werden in der Verfassung Höchstsätze festgesetzt.
Eine Erhöhung dieser Sätze bedarf somit immer
der Zustimmung von Volk und Ständen. Damit
werden der Möglichkeit, Ungleichgewichte im
Bundeshaushalt durch Steueranhebungen zu
beseitigen, deutliche Grenzen gesetzt. Die Schuldenbremse, welche die Ausgaben des Bundes in
einen verbindlichen Konnex zu den Einnahmen
stellt, überträgt diese Limitierung auch auf die
Ausgabenseite. Für die Kantone und Gemeinden
ist die Einschränkung der steuerlichen Möglichkeiten des Bundes ebenfalls von Bedeutung, da
der Bund bei der direkten Bundessteuer mit ihnen
um das gleiche Steuersubstrat konkurriert.
Darüber hinaus ist die Kompetenz des Bundes
zur Erhebung der direkten Bundessteuer und der
Mehrwertsteuer seit jeher befristet. Die Befugnis
des Bundes zur Erhebung dieser beiden Hauptsteuern wurde letztmals mit der am 1.1.2007
in Kraft gesetzten Revision der Finanzordnung
des Bundes bis Ende 2020 verlängert (Art. 196
Ziff. 13 und 14 BV). Aufgrund der Befristung ist
37
3 Übergeordnete Instrumente
der Bund angehalten, die Einnahmenseite seines
Haushaltes in regelmässigen Abständen grundsätzlich zu überdenken sowie Volk und Stände
über die Grundlagen der Bundesfinanzordnung
entscheiden zu lassen.
3.3
Föderalismus und Finanzausgleich
3.3.1 Föderale Struktur der Schweiz
Föderalismus ermöglicht, Verschiedenartigkeit in
einer Einheit zu leben. Für die Schweiz, mit mehreren Sprachen und grossen topographischen
Unterschieden, ist er eine wichtige Voraussetzung für das Zusammenleben.
Aus ökonomischer Sicht spricht für eine föderalistische Struktur die Tatsache, dass die Effizienz der staatlichen Aufgabenerfüllung erhöht
werden kann. Einerseits kann die teils dezentrale Bereitstellung staatlicher Leistungen den
örtlichen Bedürfnissen besser Rechnung tragen.
Andererseits werden die Gebietskörperschaften
im Wettbewerb um Steuerzahler zum haushälterischen Umgang mit ihren finanziellen Mitteln
angehalten.
Das 20. Jahrhundert brachte eine zunehmende,
immer weniger durchschaubare Aufgaben- und
Finanzierungsverflechtung zwischen Bund und
Kantonen sowie ein kritisches regionales Wohlstandsgefälle mit sich.
Die Verfassungsreform von 1999 hat mit einer
Neukonzeption des Zusammenspiels zwischen
Bund und Kantonen (kooperativer Föderalismus)
einen ersten Schritt zu einer umfassenden Föderalismusreform realisiert. Der Bund muss die Kantone konsultieren, falls ihre Interessen oder Zuständigkeiten betroffen sind (Art. 45, 46 und 55 BV).
Der Grundsatz der Subsidiarität, wonach der
Bund nur dann tätig werden kann, wenn ausdrücklich eine Kompetenz in der Verfassung
erwähnt ist (Kompetenzvermutung zugunsten
der Kantone) wurde in Artikel 42 Absatz 1 der
38
Bundesverfassung in abstrakter Weise umschrieben: «Der Bund erfüllt die Aufgaben, die ihm die
Bundesverfassung zuweist».
3.3.2
Finanzausgleich und Aufgabenteilung
zwischen Bund und Kantonen
Mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs und
der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) wurde das Subsidiaritätsprinzip als
staatspolitische Maxime explizit in der Verfassung
verankert. Der neue Artikel 5a BV lautet: «Bei der
Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben
ist der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten».
Damit sollte auch dokumentiert werden, dass das
Subsidiaritätsprinzip nicht nur für das Verhältnis
Bund – Kantone gilt, sondern auch für das Verhältnis Kantone – Gemeinden sowie zwischen
Staat und Gesellschaft im Allgemeinen.
Mit der auf den 1.1.2008 in Kraft gesetzten
NFA wurde der zweite Schritt der Föderalismusreform in der Schweiz vollzogen. Damit wurden
die Voraussetzungen für eine Erneuerung des
Bundesstaates, eine erhöhte Wirkungskraft des
Föderalismus und eine effiziente und bürgernahe
Aufgabenerfüllung geschaffen.
Mit der NFA wurde eine Verbesserung der Effizienz, Effektivität und Anreizstruktur des föderalen Systems der Schweiz angestrebt. Um
dieses Ziel zu erreichen, wurden die Aufgaben,
Kompetenzen und Finanzströme zwischen Bund
und Kantonen so weit wie möglich und sinnvoll
entflochten. Durch ein vollständig neu konzipiertes Ausgleichssystem wurden Fehlanreize des
alten Finanzausgleichs beseitigt. Im Vordergrund
stand dabei der Ersatz der zweckgebundenen
Finanzkraftzuschläge durch zweckfreie Beiträge,
wodurch die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der Kantone gestärkt und ihr Mittel­
einsatz stärker den Bedürfnissen der regionalen
Bevölkerung angepasst wurden. Der Vollzug von
Bundesaufgaben durch die Kantone erfolgt neu
mittels Programmvereinbarungen und Pauschalbeiträgen zielgerichteter. Des Weiteren werden
durch eine stärkere Regelung der interkantonalen
3 Übergeordnete Instrumente
Zusammenarbeit bei der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben Grössenvorteile besser ausgeschöpft und unerwünschte räumliche externe Effekte (sog. Spillovers) reduziert. Das Konzept der
NFA beruhte demzufolge auf vier Pfeilern.
Entflechtung der Aufgaben
Mit der NFA wurde ein gutes Drittel der bisher
rund 40 Verbundaufgaben entflochten. Sieben
gingen in die alleinige Verantwortung des Bundes über (insb. die individuellen Leistungen der
AHV und der IV, die Nationalstrassen sowie Beschaffung und Unterhalt der persönlichen militärischen Ausrüstung und des Armeematerials).
Für 10 Aufgabenbereiche sind neu die Kantone
allein verantwortlich (insb. für die kollektiven IVLeistungen, die Sonderschulung, die Verkehrs­
trennungsmassnahmen ausserhalb von Agglomerationen und die Niveauübergänge).
Neue Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen bei gemeinsamen Aufgaben
Zahlreiche Aufgaben werden auch weiterhin von
Bund und Kantonen gemeinsam erbracht. Statt
Einzelobjekte nach aufwandorientierten Kriterien
zu subventionieren, kommen jedoch vermehrt
Mehrjahresprogramme mit Zielvereinbarungen
sowie Global- und Pauschalbeiträge zum Tragen.
Dabei ist der Bund für die strategische Führung
zuständig, während die Kantone die operative
Verantwortung übernehmen. Ein verstärktes
Controlling sorgt für die Qualitätssicherung. Die
Finanzkraftzuschläge entfallen; sie werden durch
Zahlungen ersetzt, die im Rahmen des Finanzausgleichssystems zweckfrei an die Kantone fliessen.
Interkantonale Zusammenarbeit
mit Lastenausgleich
Aufgrund der wachsenden Mobilität von Unternehmen, Arbeitskräften und Wohnbevölkerung
decken sich die wirtschaftlichen und sozialen
Lebensräume immer weniger mit den Kantonsgrenzen. Dadurch besteht die Gefahr, dass bei der
staatlichen Aufgabenerfüllung Grössenvorteile
nicht genügend stark genutzt werden oder Spillovers entstehen (z.B. im Kulturbereich oder beim
Agglomerationsverkehr). Die NFA brachte denn
auch eine stärkere Institutionalisierung der interkantonalen Zusammenarbeit mit Lastenausgleich.
Auf der Basis der interkantonalen Rahmenvereinbarung (IRV) schliessen die Kantone Verträge über
den gegenseitigen Bezug oder die gemeinsame
Produktion von staatlichen Leistungen ab. Dem
Bund kommt hier lediglich eine Schiedsrichterrolle
zu: Auf Antrag interessierter Kantone kann er in
den neun in der Bundesverfassung abschliessend
aufgezählten Aufgabenbereichen nicht kooperationswillige Kantone zur Zusammenarbeit mit Lastenausgleich verpflichten.
Neues Ausgleichssystem
Mit der NFA entfielen im neuen Finanzausgleich
sämtliche indirekten Ausgleichselemente, so namentlich die Finanzkraftzuschläge, aber auch
die Finanzkraftabstufung der Kantonsanteile an
Bundeseinnahmen und am Nationalbankgewinn.
Dafür wurde die Ausgleichsmasse des Finanzausgleichs deutlich aufgestockt. Neu besteht dieser
nur noch aus zweckfreien Mitteln, wobei zwischen dem Ressourcenausgleich (Umverteilung
von finanziellen Ressourcen) und dem Lastenausgleich (Beitrag für Sonderlasten) unterschieden
wird. Grundlage für den Ressourcenausgleich ist
der Ressourcenindex. Er widerspiegelt das Ressourcenpotenzial der Kantone, d.h. die fiskalisch
ausschöpfbare Wertschöpfung. Der Ressourcenausgleich wird gemeinsam vom Bund (vertikaler
Ressourcenausgleich) und von den ressourcenstarken Kantonen (horizontaler Ressourcenausgleich) finanziert. Der Lastenausgleich besteht
aus einem geografisch-topografischen und einem soziodemografischen Lastenausgleich und
wird vollständig vom Bund getragen. Während
der geografisch-topografische Lastenausgleich
die durch eine dünne Besiedlung und die topografischen Verhältnisse bedingten Sonderlasten
der peripheren Kantone abgilt, kommt der sozio­
demografische Lastenausgleich hauptsächlich den
urbanen Kantonen zugute. Er entschädigt diese
für Sonderlasten, welche aufgrund der Bevölkerungsstruktur oder der Zentrumsfunktion der
Kernstädte entstehen. Das neue Ausgleichssystem
39
3 Übergeordnete Instrumente
ist schematisch in der nachfolgenden Abbildung
dargestellt. Bei den darin enthaltenen Beträgen
der einzelnen Ausgleichselemente handelt es sich
um die Finanzausgleichszahlen des Jahres 2011.
Grundsätzlich werden durch den Finanzausgleich
die ressourcenschwachen Kantone stärker entlastet und die ressourcenstarken Kantone stärker belastet als im alten System. Der Übergang
führte jedoch auch in einigen ressourcenschwachen Kantonen zu einer Belastung oder einer
nur geringfügigen Entlastung. Diesen Kantonen
wird zur Überbrückung der damit verbundenen
finanziellen Folgen ein befristeter Härteausgleich
gewährt. Der Härteausgleich beträgt insgesamt
366 Millionen. Er wird zu zwei Drittel vom Bund
und zu einem Drittel von den Kantonen finanziert. Er bleibt während acht Jahren konstant und
reduziert sich anschliessend jährlich um 5 Prozent
des Anfangsbetrags, wobei das Parlament alle
vier Jahre über die vollständige oder teilweise
Abschaffung des Härteausgleichs befinden kann.
Die Nettowirkung des Übergangs nach Härteausgleich führte somit zu einer Belastung des Bundes resp. Entlastung der Kantone im Umfang des
Bundesanteils an der Finanzierung des Härteausgleichs. Dieser Anteil beträgt 244 Millionen.
Von den Effizienz- und Effektivitätsgewinnen der
NFA profitieren Bund und Kantone gleichermassen. Durch die Aufgabenentflechtung können
bei zahlreichen staatlichen Leistungen Doppelspurigkeiten abgebaut, Kompetenzen gebündelt
und Fehlanreize beseitigt werden. Insbesondere
der Wegfall von zweckgebundenen, objektbezogenen Subventionen führt dazu, dass die Kantone die Erbringung von staatlichen Leistungen
weniger auf den Bezug von Bundesgeldern, sondern stärker auf die Bedürfnisse ihrer Einwohnerinnen und Einwohner ausrichten.
Das Grundkonzept des neuen Ausgleichssystems (Finanzströme 2011 in Mio.)
Bund
2100
705
Lastenausgleich
Geografischtopografisch
244
Ressourcenausgleich
Soziodemografisch
Vertikal
Horizontal
Härteausgleich
Vertikal
1533
352
352
Kantone
Kantone mit überdurchschnittlichen
Strukturkosten
3999
Ressourcenschwache Kantone
40
Ressourcenstarke Kantone
Horizontal
122
3 Übergeordnete Instrumente
3.3.3
Erste Erfahrungen mit
dem neuen Finanzausgleich
Finanzpolitisch ist – angesichts des Volumens der
Finanzströme zwischen Bund und Kantonen – die
NFA für den Bund von grosser Bedeutung. Die
Transparenz der Finanzströme wird markant erhöht und die Steuerbarkeit deutlich verbessert.
Allokationsziele und (regionale) Verteilungsziele
werden neu mit unabhängigen Instrumenten
verfolgt. Die Steuerung erfolgt für die Dotation der Ausgleichsgefässe über die Festlegung
von einigen wenigen Grössen und es werden
vermehrt Mehrjahresprogramme mit Zielvereinbarungen sowie Global- und Pauschalbeiträge
eingesetzt. Zur längerfristigen Sicherstellung der
Wirksamkeit der neuen Ausgleichsinstrumente
hat der Bundesrat der Bundesversammlung alle
vier Jahre einen Bericht über den Vollzug und die
Wirksamkeit des neuen Systems vorzulegen. Der
Bericht soll Aufschluss über die Erreichung der
Ziele des Finanzausgleichs in der vergangenen
Periode geben und die möglichen Massnahmen
(z.B. Anpassung der Dotation des Ressourcenund Lastenausgleichs) für die kommende Periode
darlegen. Der erste Wirksamkeitsbericht umfasste die Periode 2008–2011 und wurde im November 2010 publiziert. Die Kernaussagen des ersten
Wirksamkeitsberichts lauten wie folgt:
•
Anstieg der Disparitäten beim Ressourcenpotenzial: Seit der Einführung 2008 ist beim
Ressourcenindex ein Anstieg sowohl der Standardabweichung als auch der Spannweite zwischen dem ressourcenstärksten und dem ressourcenschwächsten Kanton zu verzeichnen.
Bei der Interpretation ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Bemessungsjahre des letzten
Referenzjahres 2011 (2005–07) weiterhin die
Situation vor dem Übergang zur NFA widerspiegeln. Ausserdem machte sich die Finanzund Wirtschaftskrise erst ansatzweise bemerkbar, weshalb sich der Anstieg der Disparitäten
als eine nicht überraschende Folge der guten
Konjunktur interpretieren lässt. Die Disparitäten konnten jedoch durch den Ressourcenausgleich zumindest teilweise abgefedert werden.
•
Erhalt der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit:
Der Steuerausschöpfungsindex 2011 bestätigt den Trend, wonach die steuerliche Ausschöpfung des Ressourcenpotenzials in der
Berichtsperiode insgesamt abgenommen hat.
Insbesondere konnten auch ressourcenstarke
Kantone ihre Steuerbelastung senken. Analog
zu den Disparitäten beim Ressourcenpotenzial ist jedoch auch hier zu beachten, dass die
Bemessungsjahre (2005–07) die Situation vor
dem Übergang zur NFA widerspiegeln.
•
Mindestausstattung mit finanziellen Ressourcen: Die anzustrebende Zielgrösse, wonach
jeder Kanton zusammen mit dem Ressourcenund Härteausgleich pro Einwohner über eigene Ressourcen in der Höhe von 85 Prozent des
Schweizer Durchschnitts verfügen soll, konnte
in den Referenzjahren 2010 und 2011 knapp
nicht erreicht werden. Trotzdem werden die
Beiträge des Ressourcenausgleichs in der ersten Vierjahresperiode im Hinblick auf die minimale Ausstattung mit finanziellen Ressourcen
als angemessen betrachtet.
•
Stabilität beim Lastenausgleich: Die Sonderlasten der Kantone verändern sich seit Einführung
kaum. Deshalb bleiben die Ausgleichszahlungen des Lastenausgleichs weiterhin stabil.
•
Belastung der ressourcenstarken Kantone:
Seit Einführung des neuen Finanzausgleichs
verzeichnen einige ressourcenstarke Kantone eine Zunahme ihrer Ausgleichszahlungen
pro Einwohner. In Prozent des ÜberschussRessourcenpotenzials sind jedoch die Beiträge
2011 im Vergleich zu den Vorjahren gesunken.
Das bedeutet, dass die Ausgleichszahlungen
im Verhältnis zu jenem Teil des Ressourcenpotenzials pro Einwohner, der über dem Schweizer Durchschnitt liegt, auch zwischen 2010
und 2011 kleiner geworden sind.
Der zweite Wirksamkeitsbericht, der gegen Ende 2014 erscheinen wird, wird zusätzlich zum
Finanzausgleich im engeren Sinn auch Aussagen
41
3 Übergeordnete Instrumente
zu den Wirkungen der neuen Aufgabenteilung
zwischen Bund und Kantonen enthalten, insbesondere zu den vorgenommenen Entflechtungen
und zum neuen Instrument der Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen – Aussagen, die im ersten Wirksamkeitsbericht angesichts der damals noch sehr schmalen Datenbasis
noch nicht genügend fundiert möglich waren.
42
4 Rechnungsmodell
4.1
Rechnungswesen im öffentlichen Sektor
4.1.1
Aufgaben und Zweck
des Rechnungswesens
Die Aufgaben des Rechnungswesens lassen sich
im Wesentlichen in vier Bereiche gliedern:
•
Dokumentation: Zeitlich und sachlich geordnete Aufzeichnung aller Geschäftsvorfälle anhand von Belegen, die Auswirkungen auf die
Vermögenswerte, das Eigen- und Fremdkapital
sowie das Ergebnis haben.
•
Rechenschaftslegung und Information: Periodische (jährliche) Berichterstattung gegenüber
Eignern bzw. Parlament, Öffentlichkeit, Gläubiger usw. über die Finanz-, Vermögens- und
Ertragslage.
•
Kontrolle: Überwachung der Wirtschaftlichkeit
der betrieblichen Prozesse – im öffentlichen
Sektor insbesondere die wirtschaftliche Mittelverwendung – sowie die Gewährleistung der
Zahlungsfähigkeit.
•
Disposition: Bereitstellung von Zahlenmaterial
als Grundlage für Planung und unternehmerische Entscheidungen, z.B. über Investitionen
oder die betriebliche Führung.
Während die Aufgaben im privatwirtschaftlichen
und im öffentlichen Rechnungswesen grundsätzlich die gleichen sind, ist die Zweckbestimmung
unterschiedlich. Im privatwirtschaftlichen Rechnungswesen steht die Abbildung formaler Ziele
wie Gewinn, Umsatz, Rentabilität oder Marktanteile im Vordergrund.
Im Gegensatz zur erwerbswirtschaftlichen Sichtweise dominieren im primär steuerfinanzierten
öffentlichen Haushalt Sachziele (öffentliche
Aufgaben, öffentliche Interessen usw.) und auf
finanzieller Ebene der Ausgleich von Einnahmen
und Ausgaben. Dies gilt insbesondere für den
Bund mit seinen hohen Transferausgaben und
verhältnismässig geringen Eigenausgaben.
4.1.2
Internationale
Rechnungslegungsstandards (IPSAS)
Seit Beginn seiner Arbeit 1997 hat das International Public Sector Accounting Standards Board
(IPSASB) insgesamt 31 IPSAS nach dem Konzept
der Periodenabgrenzung (Accrual Basis) veröffentlicht. Diese IPSAS werden entweder direkt
von Einheiten des öffentlichen Sektors angewendet oder aber als Grundlage für die Entwicklung
nationaler Standards verwendet. Zu den Anwendern gehören mittlerweile fast alle internationalen Regierungsorganisationen, u.a. die EU und
die UN, aber auch rund ein Viertel aller Nationalstaaten sowie eine noch grössere Zahl von Einheiten auf den unteren Staatsebenen.
Die Konzepte für die Entwicklung der IPSAS entsprechen weitgehend jenen der zugrunde liegenden International Financial Reporting Standards
(IFRS), die im privaten Sektor zur Anwendung
gelangen. Einige IPSAS wurden spezifisch für nur
in öffentlichen Haushalten vorkommende Sachverhalte entwickelt: z.B. die Rechnungslegung
für Erträge aus Transaktionen ohne zurechenbare
Gegenleistungen (Steuern, Transfers) oder die
Darstellung von Budgetinformationen. Die Mehrzahl der IPSAS basiert aber auf den IFRS, mit kleineren Anpassungen an die wirtschaftlichen Sachverhalte und Begriffe des öffentlichen Sektors.
Das Finanzhaushaltgesetz legt fest, dass sich die
Rechnungslegung nach allgemein anerkannten
Standards richtet (Art. 48 Abs. 1 FHG). In der Finanzhaushaltverordnung (FHV) werden die IPSAS
als relevanter Standard festgelegt (Art. 53 FHV).
43
4 Rechnungsmodell
Demnach übernimmt der Bund die IPSAS jedoch
nicht integral, sondern kann in gut begründeten
Fällen von diesen Vorgaben abweichen oder ergänzende Standards festlegen, soweit die IPSAS
keine Regelung enthalten. Gut begründete Fälle
sind insbesondere jene Bundesspezifika, für deren Berücksichtigung die IPSAS keinen Spielraum
zulassen. Die Abweichungen und Ergänzungen
werden im Anhang 2 FHV (resp. Anhang 3 für die
Konsolidierte Rechnung Bund) festgehalten. Die
Begründungen dazu sowie die Auswirkungen
werden im Anhang zur Jahresrechnung offen gelegt (siehe Ziff. 5.2.5; Verhältnis zu IPSAS).
Harmonisiertes Rechnungsmodell für die Kantone und Gemeinden HRM2
Die Finanzdirektorenkonferenz (FDK) hat 1981 Empfehlungen für ein harmonisiertes Rechnungsmodell von Kantonen und Gemeinden (HRM1) auf Basis des Accrual Accounting publiziert. Diese
wurden 2008 umfassend überarbeitet (HRM2), wobei auch hier die IPSAS die Grundlage bilden.
Im Gegensatz zum Rechnungsmodell des Bundes (NRM) sind aber grössere Abweichungen davon
zulässig. Neben den Anforderungen an die heutige Rechnungslegung dient das HRM2 insbesondere auch nachstehenden Zielen:
•
Koordinierte Finanzpolitik: Die Vergleichbarkeit der öffentlichen Rechnungen vereinfacht eine
koordinierte Finanzpolitik auf Kantons- und Gemeindeebene, da die Grundelemente der Rechnungslegung einheitlich definiert sind.
•
Finanzausgleich: Der interkantonale und der interkommunale Finanzausgleich benötigen für die
Berechnungsgrundlagen vergleichbare Daten.
•
Transparenz: Unterschiede in der Finanzpolitik sollen transparent sein. Wenn die Rechnungen
sich nicht entsprechen, ist ein Vergleich schwierig.
•
Finanzstatistik: Das HRM2 ist eine wesentliche Voraussetzung für die Erstellung der Finanzstatistik, da vergleichbare Finanzvorfälle identisch erfasst werden.
Das HRM2 soll in den kommenden Jahren in allen Kantonen und Gemeinden eingeführt werden.
44
4 Rechnungsmodell
4.2
Aufbau des Rechnungsmodells des Bundes
Das Rechnungsmodell des Bundes beleuchtet die
finanziellen Vorgänge und Verhältnisse aus doppelter Perspektive (duale Steuerung): aus der Erfolgs- und aus der Finanzierungssicht. Die duale
Sichtweise führt zu einer Entflechtung der operativen Verwaltungs- und Betriebsführung von der
strategisch-politischen Steuerung.
Zentrales Element der Rechnungsdarstellung bildet die Übernahme des in der Privatwirtschaft
gebräuchlichen Rechnungsaufbaus mit Erfolgsrechnung, Bilanz, Finanzierungs- und Mittelflussrechnung sowie Eigenkapitalnachweis und
Anhang. Als weiteres Element wird die Investitionsrechnung dargestellt. Für die finanzpolitische
Gesamtsteuerung gemäss Vorgaben der Schuldenbremse bildet die Finanzierungsrechnung das
zentrale Steuerungsinstrument. Die Verwaltungsund Betriebsführung orientiert sich dagegen –
analog zu privatwirtschaftlichen Unternehmungen – an der Erfolgssicht.
Grundbausteine des Rechnungsmodells des Bundes
Verwaltungseinheiten
Buchführung in
Vorsystemen
– Personal
– Debitoren
– Kreditoren
– Finanzanlagen
– Sachanlagen
– ...
Bund (Zentrale Bundesverwaltung)
Erfolgsrechnung
Erfolgsrechnung
ordentlicher
operativer Ertrag
ordentlicher
operativer Ertrag
ordentlicher
operativer Aufwand
ordentlicher
operativer Aufwand
ordentliches
operatives Ergebnis
ordentliches
operatives Ergebnis
Finanzergebnis
Finanzergebnis
ordentliches
Ergebnis
ordentliches
Ergebnis
ausserordentliches
Ergebnis
ausserordentliches
Ergebnis
Jahresergebnis
Jahresergebnis
Investitionsrechnung
Investitionsrechnung
ordentliches
Investitionsergebnis
ordentliches
Investitionsergebnis
ausserordentliches
Investitionsergebnis
ausserordentliches
Investitionsergebnis
Netto-Investitionen
Netto-Investitionen
Finanzierungs- und
Mittelflussrechnung
Finanzierungsrechnung
ordentliche Ausgaben
der Erfolgsrechnung
ordentliche Einnahmen
der Erfolgsrechnung
ordentliche
Investitionsausgaben
ordentliche
Investitionseinnahmen
Finanzierungsergebnis
aus ordentlichen
Transaktionen
Finanzierungsergebnis
aus ausserordentlichen
Transaktionen
Finanzierungsergebnis insgesamt
Mittelflussrechnung
Mittelfluss aus
Geschäftstätigkeit
Mittelfluss aus
Finanzanlagen
Mittelfluss aus
Fremdfinanzierung
Bilanz
Bilanz
Veränderung «Fonds
Bund» (Veränderung
Mittelbestand)
45
4 Rechnungsmodell
4.2.1 Erfolgsrechnung
Die Erfolgsrechnung zeigt den periodisierten
Wertverzehr und -zuwachs sowie das Jahresergebnis. Sie wird nach kaufmännischen Grundsätzen geführt, beinhaltet also neben den Geldflüssen auch rein buchhalterische Tatbestände:
•
Aufwand und Ertrag werden zeitlich auf die
Rechnungsperiode
abgegrenzt
(«accrual
accounting»). Dabei gilt das so genannte
Realisationsprinzip: Die relevanten Finanzvorfälle werden zum Zeitpunkt des Entstehens
der Verpflichtungen und Forderungen erfasst
(Sollverbuchung) und nicht zum Zeitpunkt der
Zahlungen (Ein- oder Ausgang)
•
In der Erfolgsrechnung werden auch Buchungen erfasst, die keinen Geldfluss auslösen.
Beispiele für solche Ereignisse sind Abschreibungen oder die Bildung von Rückstellungen.
Der Abschluss der Erfolgsrechnung wird in drei
Stufen erstellt:
•
In der ersten Stufe wird das operative Ergebnis
ohne Finanzergebnis ausgewiesen.
•
Die zweite Stufe zeigt das ordentliche Ergebnis
aus den ordentlichen Erträgen und ordentlichen Aufwänden (inkl. Finanzertrag und -aufwand).
•
In der dritten Stufe werden im Jahresergebnis
zusätzlich zu den ordentlichen auch die ausserordentlichen Finanzvorfälle gemäss Definition der Schuldenbremse erfasst.
Die Erfolgsrechnung ist auf allen Stufen der Bundesverwaltung nach diesem Schema gegliedert.
Unterschiede bestehen bei der Detaillierung, die
auf den spezifischen Informationsbedarf der verschiedenen Führungsstufen abgestimmt ist:
•
Auf Stufe Gesamtbund dient die Erfolgsrechnung zur finanziellen Analyse der Verwaltungstätigkeit sowie zur Ermittlung des
46
Jahresergebnisses. Sie gibt einen verdichteten
und konsolidierten Überblick über den Geschäftsgang.
•
Auf Stufe Verwaltungseinheit und Departement ist die Erfolgsrechnung eine wesentliche
Grundlage für die finanzielle Führung nach
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Kostentransparenz wird hier gross geschrieben. Die
Gliederung ist deshalb auf dieser Stufe feiner
und sie schliesst die Positionen für Leistungsbezüge von anderen Verwaltungseinheiten
ein. Somit macht die Erfolgsrechnung sichtbar,
wie viel die Aufgabenerfüllung einer Verwaltungseinheit bzw. eines Departements kostet.
•
Schliesslich ist die Erfolgsrechnung auch die
Grundlage für die Erstellung von Budget und
Finanzplan, die das Parlament mit dem Instrument der Kreditsprechung für jede Verwaltungseinheit bestimmt.
4.2.2 Investitionsrechnung
Die Investitionsrechnung gibt einerseits Auskunft
über die getätigten Ausgaben für den Erwerb
oder die Schaffung von Vermögenswerten (Sachanlagen, Darlehen, Beteiligungen, Investitionsbeiträge), welche zur Aufgabenerfüllung notwendig sind und über mehrere Perioden genutzt
werden (Verwaltungsvermögen). Andererseits
werden die Einnahmen aus Veräusserung bzw.
Rückzahlung dieser Vermögenswerte ausgewiesen. Der Saldo zeigt den Netto-Geldfluss, der sich
aus den ordentlichen Investitionen ergibt. Ausserordentliche Investitionseinnahmen und -ausgaben werden für die Steuerung nach den Vorgaben der Schuldenbremse speziell ausgewiesen.
Die Investitionsrechnung ist eine Besonderheit
des öffentlichen Rechnungswesens. Investitionen
sind – zusammen mit den Positionen der Erfolgsrechnung – für die Kreditsprechung der eidg.
Räte wichtig. Sie müssen daher primär auf Stufe
Verwaltungseinheit aber auch auf Stufe Gesamtbund transparent abgebildet werden.
4 Rechnungsmodell
4.2.3 Bilanz
Die Bilanz gibt Auskunft über die Vermögensund Kapitalstruktur des Bundes. Sie zeigt damit
die Mittelherkunft und Mittelverwendung. Die
Erstellung der Bilanz erfolgt sowohl auf Stufe Gesamtbund als auch auf Stufe Verwaltungseinheit.
Die Aktiven und Passiven werden nach Fristigkeiten gegliedert.
den Hintergrund. Die FMFR weist deshalb nur
finanzierungswirksame Vorgänge aus, d. h. rein
buchmässige Tatbestände wie Abschreibungen
oder die Bildung von Rückstellungen bleiben unberücksichtigt. Sie ist in eine Finanzierungsrechnung und in eine Mittelflussrechnung untergliedert, wobei letztere nur für die Rechnung erstellt
wird.
Bei den Aktiven wird die finanzhaushaltrechtlich
wichtige Unterteilung in das Finanz- und das Verwaltungsvermögen vorgenommen. Die Unterscheidung macht sichtbar, welche Positionen der
Geld- und Kapitalanlage dienen (Finanzvermögen) und welche Aktiven der Bund für die Erfüllung seiner Aufgaben benötigt (Verwaltungsvermögen). Die Verwaltung des Finanzvermögens
erfolgt nach kaufmännischen Grundsätzen und
liegt in der Kompetenz von Bundesrat und Verwaltung. Demgegenüber bedarf der Einsatz von
Mitteln für die Aufgabenerfüllung der Zustimmung des Parlamentes im Rahmen des Kreditbewilligungsverfahrens.
•
Finanzierungsrechnung: Die Zahlungsströme
aus der Erfolgsrechnung sowie die Ausgaben
und Einnahmen der Investitionsrechnung bilden das Finanzierungsergebnis, welches für
die Einhaltung der Schuldenbremse und somit
für die Planung relevant ist. Damit die Steuerung im Sinne der Schuldenbremse erfolgen
kann, wird zwischen ordentlichem und ausserordentlichem Finanzierungsergebnis unterschieden.
•
Mittelflussrechnung: Zusätzlich zum Finanzierungsergebnis (Mittelfluss aus Geschäftstätigkeit) werden der Mittelfluss aus Finanzanlagen
und der Mittelfluss aus Fremdfinanzierung
ausgewiesen. Diese umfassen Transaktionen
der Bundestresorerie, wie die Aufnahme von
Fremdmittel oder die Anlage von Finanzvermögen sowie andere direkt über die Bilanz
abgewickelte Finanzvorfälle.
Die Passiven beinhalten die Gesamtheit der Verbindlichkeiten und der eigenen Mittel. Sie umfassen das Fremdkapital (Kreditoren, Anleihen,
Rechnungsabgrenzungen, Rückstellungen usw.)
sowie das Eigenkapital (Bilanzfehlbetrag, zweckgebundene Fonds, Spezialfonds, Reserven usw.).
4.2.4 Finanzierungs- und Mittelflussrechnung
Die Finanzierungs- und Mittelflussrechnung
(FMFR) ist das zentrale Informations- und Kontrollinstrument für die Gesamtsteuerung des
Bundeshaushalts nach finanzpolitischen Gesichtspunkten. Wichtigstes Ziel ist der Ausgleich
von Ausgaben und Einnahmen über einen Konjunkturzyklus. Betriebswirtschaftliche Fragen
zum effizienten Mitteleinsatz, über welche die
Erfolgsrechnung Aufschluss gibt, treten hier in
Die FMFR zeigt somit, aus welchen Quellen die
Mittel stammen, die dem Bund zugeflossen sind
(Mittelherkunft) und gibt Auskunft darüber, für
welche Zwecke diese verwendet wurden (Mittelverwendung). Die Veränderung des «Fonds
Bund» zeigt, in welchem Mass sich die liquiden
Mittel gesamthaft verändert haben. Eine Zunahme des Fonds bedeutet, dass dem Bund mehr
Geld zugeflossen ist, als er ausgegeben hat, eine
Abnahme das Gegenteil.
47
4 Rechnungsmodell
4.3
Kredit- und Kontensicht
Die Bundesversammlung genehmigt das Budget
in der Form von Krediten. Dies begründet die
Kreditsicht. Die Kredite folgen politischen Prioritäten und können von der Artengliederung des
Kontenrahmens und somit der Kontensicht abweichen. Abweichungen ergeben sich beispielsweise dann, wenn die Kreditbildung nach Einzelmassnahmen erfolgt (Vorhaben oder Projekte).
In diesen Fällen können einem Kredit mehrere
Kontenarten zugeordnet sein.
4.3.1 Kreditsicht
Die Rechnung der Verwaltungseinheiten umfasst
alle Positionen der Erfolgs- und der Investitionsrechnung. Institutionell ist sie nach Departementen und Verwaltungseinheiten gegliedert und
nach der Kreditsicht aufgebaut. Sie zeigt die
Voranschlagskredite mit den Aufwänden und Investitionsausgaben sowie die Erträge und Investitionseinnahmen. Gestützt darauf befindet das
Parlament im Rahmen der Budgetierung über die
Kreditsprechung und gibt so die finanziellen Leitplanken für den Vollzug vor.
Es sind drei formal verschiedene Kreditanteile zu
unterscheiden:
•
Ein Kredit kann sich auf einen bestimmten Kreditanteil beschränken oder eine Kombination aus
den drei Kreditanteilen beinhalten. In der Finanzberichterstattung weisen die Verwaltungseinheiten die jeweiligen Anteile in den Begründungen
zu den einzelnen Kreditpositionen aus.
4.3.2 Kontensicht
Der Kontenrahmen ist ein systematisches Verzeichnis aller Konten für die Buchführung. Er
dient als Richtlinie für die Aufstellung der untergeordneten Kontenpläne, welche die Finanzvorfälle den einzelnen Konten zuweisen. Damit wird
die Erfassung, die Aufbereitung und die Darstellung der Finanzdaten nach einheitlichem System
sichergestellt.
Im Rechnungsmodell Bund werden drei Ebenen
unterschieden:
•
•
Die finanzierungswirksamen Positionen (fw),
welche mit einer Ausgabe oder Einnahme
verbunden sind und in die Finanzierungs- und
Mittelflussrechnung eingehen (z.B. Personal-,
Betriebs- oder Investitionsausgaben).
•
Die nicht-finanzierungswirksamen Positionen
(nf), welche reine Buchbeträge ohne Geldfluss
darstellen (z.B. Abschreibungen oder Rückstellungen).
48
Die Positionen für bundesinterne Leistungsbezüge (LV), die im Budget der Leistungsbezüger
kreditwirksam eingestellt werden, jedoch nur
indirekt beim Leistungserbringer zu finanzierungswirksamen Ausgaben führen.
Der Kontenrahmen Bund umfasst die Kontengruppen auf oberster Gliederungsstufe (vgl.
nachstehende Abbildung). Er beinhaltet je zwei
Kontenklassen in der Bilanz (Aktiven, Passiven),
in der Erfolgsrechnung (Aufwand, Ertrag) und
in der Investitionsrechnung (Investitionsausgaben und Investitionseinnahmen). Der Kontenrahmen Bund ist mit dem Kontenrahmen des
«Harmonisierten Rechnungsmodells für die
Kantone und Gemeinden HRM2» abgeglichen.
4 Rechnungsmodell
•
•
Der Stammhauskontenplan befindet sich eine
Ebene tiefer. Er markiert die unterste Detaillierungsstufe für die Finanzberichterstattung und
ist gleichzeitig die tiefste gemeinsame Konten­
ebene für alle Verwaltungseinheiten. Aus dem
Stammhauskontenplan werden die Kontenpläne der Verwaltungseinheiten abgeleitet.
Der Kontenplan der Verwaltungseinheit fächert den Stammhauskontenplan weiter auf.
Dabei spielen die spezifischen Aufgaben der
Verwaltungseinheit eine wichtige Rolle. Auf
der untersten Ebene wird auf Stufe Sachkonto
der einzelne Finanzvorgang erfasst. Die Kontenpläne der Verwaltungseinheiten sind auf
dieser Ebene nicht mehr deckungsgleich.
Für die Finanzierungs- und Mittelflussrechnung
sind keine Konten notwendig, da ihre Informationen direkt aus der Bilanz, der Erfolgs- und der
Investitionsrechnung abgeleitet werden.
49
4 Rechnungsmodell
Kontenrahmen Bund
Erfolgsrechnung
Bilanz
1
Aktiven
2
Passiven
3
Aufwand
4
Ertrag
40 Fiskalertrag
10 Finanzvermögen
20 Fremdkapital
30 Personalaufwand
100 Flüssige Mittel und
kurzfristige Geld­
anlagen
200 Laufende
Verbindlichkeiten
31 Sach- und Betriebs­
aufwand
41 Regalien und
Konzessionen
201 Kurzfristige Finanz­
verbindlichkeiten
32 Rüstungsaufwand
42 Entgelte
101 Forderungen
102 Kurzfristige
Finanzanlagen
204 Passive Rechnungs­
abgrenzung
33 Abschreibungen
auf Verwaltungsver­
mögen
43 Verschiedener
Ertrag
104 Aktive Rechnungs­
abgrenzung
205 Kurzfristige
Rückstellungen
34 Finanzaufwand
107 Langfristige
Finanzanlagen
206 Langfristige Finanz­
verbindlich­keiten
45 Entnahme aus
zweckgebundenen
Fonds im
Fremdkapital
109 Forderungen
gegen­über zweck­
gebundenen Fonds
im Fremdkapital
207 Verpflichtungen
gegenüber Sonder­
rechnungen
208 Langfristige
Rückstellungen
209 Verbindlichkeiten
gegenüber zweck­
gebundenen Fonds
im Fremdkapital
14 Verwaltungs­
vermögen
140 Sachanlagen
141 Vorräte
142 Immaterielle
Anlagen
29 Eigenkapital
290 Zweckgebundene
Fonds im Eigen­
kapital
291 Spezialfonds
144 Darlehen
292 Reserven aus
Globalbudget
145 Beteiligungen
295 Restatement­reserve
296 Neubewertungs­
reserven
298 Übriges
Eigenkapital
299 Bilanzfehlbetrag
50
35 Einlage in
zweckgebundene
Fonds im
Fremdkapital
36 Transferaufwand
44 Finanzertrag
48 Ausserordentlicher
Ertrag
38 Ausserordentlicher
Aufwand
Investitionsrechnung
5
Investitions­
ausgaben
6
Investitions­
einnahmen
50 Sachanlagen und
Vorräte
60 Veräusserung
Sachanlagen
52 Immaterielle
Anlagen
62 Veräusserung
immaterielle
Anlagen
54 Darlehen
55 Beteiligungen
56 Investitionsbeiträge
58 Ausserordentliche
Investitionsausgaben
59 Übertrag an Bilanz
64 Rückzahlung
Darlehen
65 Veräusserung
Beteiligungen
66 Rückzahlung
Investitionsbeiträge
68 Ausserordentliche
Investitions­
einnahmen
69 Übertrag an
Bilanz
4 Rechnungsmodell
4.4
Duale Haushaltsteuerung
Der Bundeshaushalt wird nach dem Prinzip
der dualen Steuerung geführt. Für die finanzielle Führung des gesamten Bundeshaushalts
gemäss Schuldenbremse und nach finanzpolitischen Kriterien ist die Finanzierungsrechnung
von zentraler Bedeutung. Anderseits werden die
Verwaltungseinheiten über die Erfolgs- und die
Investitionsrechnung sowie über die Kosten- und
Leistungsrechnung (KLR) geführt. Die betriebswirtschaftliche Sicht steht hier im Vordergrund.
4.4.1
Finanzpolitische Gesamtsteuerung
auf Bundesebene
Zu den obersten Zielen der Finanzpolitik gehört,
dass der Bund die Ausgaben und Einnahmen auf
Dauer im Gleichgewicht hält. Dieser Grundsatz
ist in der Verfassung verankert (Art. 126 Abs. 1
BV). Das Instrument der Schuldenbremse legt dabei – aufgrund der erwarteten Einnahmen und
der konjunkturellen Entwicklung – die maximal
zulässigen Ausgaben des Bundes fest. Die Finanzierungsrechnung ist somit das zentrale Instrument zur Haushaltsteuerung, auch mit Blick auf
zwei weitere Argumente:
•
Zum einen ist der Bundeshaushalt ein klassischer Transferhaushalt, in dem die Subventionen und Beiträge an andere Haushalte einen
Grossteil des Budgets beanspruchen. Umgekehrt sind die Ausgaben für den eigenen
Funktionsbereich verhältnismässig klein.
•
Zum zweiten gehen gesamtwirtschaftliche
Analysen der Finanzpolitik und ihrer Auswirkungen sowie stabilitätspolitische Überlegungen meist von der Finanzierungssicht aus.
Aus dieser Perspektive ist es unerheblich, ob
Geldabflüsse als laufende Ausgaben oder
als Investitionen erfolgen: sie werden für die
finanzpolitische Steuerung des Bundeshaushalts grundsätzlich gleich behandelt.
4.4.2
Finanzielle Führung auf Ebene
der Verwaltungseinheiten
Im Gegensatz zur Steuerung auf Bundesebene
stehen bei den Verwaltungseinheiten die Erfolgsrechnung und somit die betriebswirtschaftliche
Sichtweise im Vordergrund. Indes spielen auch
auf dieser Stufe finanzpolitische Überlegungen
und die Finanzierungssicht eine wesentliche Rolle. Um die finanzierungswirksamen Ausgaben
gemäss Schuldenbremse sichtbar zu machen und
steuern zu können, müssen die Investitionsausgaben und -einnahmen einer Verwaltungseinheit
daher separat ausgewiesen und bewilligt werden. Zusätzlich sind auch finanzierungswirksame
Anteile innerhalb der Aufwand- und Ertragsposition offen zu legen. Dies erfolgt im Rahmen der
Begründungen zu den einzelnen Kreditbegehren
und Ertragsschätzungen.
Auf Stufe Verwaltungseinheit zeigt sich das Prinzip der dualen Steuerung besonders gut: Zum
einen werden hier die finanzpolitischen Strategien und Ziele von Parlament und Bundesrat
im Budget konkretisiert. Zum andern soll die
Verwaltungseinheit so gesteuert werden, dass
die Budgetvorgaben und die daran gekoppelten
sachpolitischen Ziele effizient umgesetzt werden.
Der Mitteleinsatz und die daraus erzielten Wirkungen sollen ein möglichst günstiges Verhältnis
ergeben.
Mit einer Reihe von Massnahmen wird die Wirtschaftlichkeit des Mitteleinsatzes und der Handlungsspielraum der Amtsleitungen erhöht und
die Führung in die finanzielle Verantwortung eingebunden. Dies geschieht mit der weitgehenden
Dezentralisierung der Kredite auf die Bedarfsstellen sowie der bundesinternen Leistungsverrechnung (LV). Basis dafür ist eine auf die spezifischen
Bedürfnisse der verschiedenen Verwaltungseinheiten zugeschnittene Kosten- und Leistungsrechnung (KLR).
51
4 Rechnungsmodell
Kosten- und Leistungsrechnung
Die KLR ist das Hauptinstrument des betrieblichen Rechnungswesens. Sie verknüpft systematisch Informationen der Kostenseite mit solchen
der Ergebnisseite. Damit ist jede Verwaltungseinheit in der Lage, die Kosten und die Erlöse
für ihre Aufgaben, Leistungen und Projekte zu
ermitteln. Dies bildet nicht nur eine wichtige
Voraussetzung für das Kostenbewusstsein und
das Kostenmanagement, sondern fördert auch
die Transparenz über die Mittelverwendung und
verbessert zugleich die Entscheidgrundlagen des
Parlaments in der Ausübung der Budgethoheit.
Nicht alle Verwaltungseinheiten weisen denselben Informationsbedarf auf. Je nach Aufgabenstellung sind sie schwächer oder stärker in die
politische Führung eingebunden, arbeiten sie
mit mehr oder weniger betrieblicher Autonomie,
können ihre Leistungen besser oder schlechter als
Produkte abgegrenzt werden. Die unterschiedlichen Anforderungen werden mit drei KLR-Typen
berücksichtigt:
•
Der Basis-Typ ist als Minimalstandard einzuhalten. Er ist für jene Verwaltungseinheiten
ausreichend, die vor allem über gesetzliche
Aufgaben und politische Aufträge geführt werden und die nur wenig betriebliche Autonomie aufweisen. Meist können ihre Leistungen
nicht als klar umrissene Produkte abgegrenzt
werden, die Steuerung über Leistungsziele ist
kaum möglich. Dies ist namentlich bei Einheiten mit Stabs- und Koordinationsfunktion,
beispielsweise bei den Generalsekretariaten,
der Fall.
•
Die einfache Kosten- und Leistungsrechnung
eignet sich für Verwaltungseinheiten, die über
ein gewisses Mass an betrieblicher Autonomie
verfügen und damit weitgehend selbständig
bestimmen, wie die Leistungsziele erreicht
werden. Voraussetzung für dieses leistungsorientierte Steuerungsmodell ist ein hoher Anteil
an abgrenzbaren und messbaren Leistungen.
Das
Prinzip
der
dualen Steuerung
Steuerung
Prinzip
der
dualen
Akteure
Instrument
Parlament,
Finanzdelegation,
Bundesrat
finanzpolitische
Gesamtsteuerung
– Schuldenbremse
– Prioritätenbildung
Bundesaufgaben
Budget,
Finanzplan,
Legislaturfinanzplan,
Finanzierungs- und
Mittelflussrechnung,
Staatsrechnung
Departement
Departementsvorstehende und
Generalsekretariate
Abstimmung
und Koordination:
finanzpolitische
Gesamtsteuerung –
betriebswirtschaftlich
orientierte Verwaltungsführung
Budget, Finanzplan,
Legislaturfinanzplan,
Erfolgsrechnung und
Finanzierungsrechnung
sowie weitere Elemente
der Jahresrechnung
Verwaltungseinheiten
Amtsleitung und
Amtscontrolling,
Linie
betriebswirtschaftlich
orientierte Verwaltungsführung
Kosten- und
Leistungsrechnung,
Jahresrechnung
Management-Rationalität
Bund
Prinzip
Politische Rationalität
52
Funktion
4 Rechnungsmodell
•
Die ausgebaute Kosten- und Leistungsrechnung ist für jene Verwaltungseinheiten vorgesehen, die eine grosse betriebliche Autonomie
aufweisen und mehrheitlich verrechenbare
Leistungen für die Bundesverwaltung oder
kommerzielle Leistungen am Markt erbringen.
Die KLR bildet hier die Grundlage für die Preiskalkulation der zu erbringenden Leistungen.
Die Departemente bestimmen im Einvernehmen
mit der Finanzverwaltung, welchen KLR-Standard die Verwaltungseinheiten führen.
Bundesinterne Leistungsverrechnung
Zur Steigerung der Kostentransparenz und des
effizienten Mitteleinsatzes wird der bundesinterne Leistungsaustausch kreditrelevant verrechnet.
Die Leistungsverrechnung erfolgt grundsätzlich
auf der Basis der vollen Kosten ohne Gewinnoder Risikozuschlag. Um den administrativen
Aufwand gering zu halten, werden nur Leistungen verrechnet, welche die folgenden Kriterien
erfüllen:
•
Wesentlichkeit: Das verrechenbare Leistungsvolumen ist betragsmässig wesentlich.
•
Beeinflussbarkeit: Der Leistungsbezüger hat
die Möglichkeit, Menge sowie Qualität und
damit die Kosten seines Leistungsbezugs zu
beeinflussen, d.h. zu steuern.
•
Kommerzieller Charakter: Verrechenbar sind
Leistungen, die der Leistungsbezüger grundsätzlich auch ausserhalb der Bundesverwaltung beziehen könnte. Dies ermöglicht einen
direkten Vergleich mit Dritten und erhöht den
Kostendruck beim Leistungserbringer.
Die verrechenbaren Leistungen sind in einem
Leistungsbereichskatalog aufgeführt. Verrechnet
werden insbesondere Leistungen aus den Bereichen Informatik, Unterbringung sowie Logistik.
53
4 Rechnungsmodell
4.5
Finanzberichterstattung
Ziel der Finanzberichterstattung ist es, die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage des Bundes
übersichtlich, verständlich und tatsachengetreu
abzubilden. In Anlehnung an die neuere Praxis
der Privatwirtschaft soll eine gläserne Rechnung
präsentiert werden, die alle bedeutenden Sachverhalte offen legt. Damit will der Bund den
Aufsichtsorganen, den Anspruchsgruppen sowie
weiteren interessierten Personenkreisen ermöglichen, die finanzielle Lage umfassend zu verstehen und unabhängig zu beurteilen.
einem modular aufgebauten System von Berichten Rechnung, das den einzelnen Anspruchsgruppen gestattet, sich effizient und stufengerecht zu informieren: Die in deutscher, französischer und italienischer Sprache aufgelegten
Finanzberichte erlauben den Mitgliedern des Parlaments, den parlamentarischen Kommissionen,
der Regierung und ihrer Verwaltung, den Medien
und der Öffentlichkeit, rasch einen ersten Überblick zu gewinnen und bei Bedarf auf weiterführende Informationen zuzugreifen.
Nicht alle Adressaten benötigen dieselben Informationen in derselben Dichte. Dem unterschiedlichen Informationsbedarf trägt der Bund mit
Die Berichterstattung erfolgt in mehreren Gefässen: Hauptprodukte sind der Voranschlag und die
Staatsrechnung, hinzu kommen als weitere Teile
Gefässe der Finanzberichterstattung
Voranschlag
Staatsrechnung
Voranschlag Bund (Bände 1–3)
Bundesrechnung (Bände 1–3)
Bericht zum Voranschlag (Band 1)
Bericht zur Bundesrechnung (Band 1)
• Zahlen im Überblick
• Kommentar zum Voranschlag
• Voranschlag
– Finanzierungsrechnung
– Erfolgsrechnung
– Investitionsrechnung
– Anhang
• Kennzahlen
• Entwurf Bundesbeschluss
• Zahlen im Überblick
• Kommentar zur Jahresrechnung
• Jahresrechnung
– Finanzierungs- und Mittelflussrechnung
– Erfolgsrechnung
– Bilanz
– Investitionsrechnung
– Eigenkapitalnachweis
– Anhang
• Kennzahlen
• Entwurf Bundesbeschluss
Voranschlag der Verwaltungseinheiten (Band 2A,2B)
Zusatzerläuterungen und Statistik (Band 3)
Rechnung der Verwaltungseinheiten (Band 2A,2B)
Zusatzerläuterungen und Statistik (Band 3)
Voranschlag Sonderrechnungen (Band 4)
Finanzplan (Band 5)
Sonderrechnungen (Band 4)
Bundesfinanzen in Kürze
Nachtrag I und II zum Voranschlag
Bericht der Eidg. Finanzkontrolle
Botschaft
Konsolidierte Rechnung Bund
Finanzbericht
54
4 Rechnungsmodell
die Sonderrechnungen, der Finanzplan sowie die
Berichte zu den Nachtragskrediten. Die Berichterstattung zur Staatsrechnung wird ergänzt mit
dem Bericht der Eidg. Finanzkontrolle sowie der
Broschüre «Bundesfinanzen in Kürze». Mit der
Rechnung 2009 wurde den eidgenössischen Räten erstmals auch eine Konsolidierte Rechnung
zur Kenntnisnahme unterbreitet.
Bewertungsgrundsätze erweitert. Ebenso werden nicht bilanzierungsfähige Vorgänge wie
Eventualverpflichtungen und -forderungen
oder Ereignisse nach dem Bilanzstichtag abgebildet. Band 2 zeigt (ebenfalls in gesonderten
Teilen für Zahlen und Begründungen) die Rechnungen der Verwaltungseinheiten und gibt
Rechenschaft über die Beanspruchung der mit
dem Voranschlag bewilligten Kredite mit detaillierter Begründung der Abweichungen. Band 3
gibt wie in der Berichterstattung zum Voranschlag zusätzliche Erläuterungen zu aktuellen
Fragen und Entwicklungen der Staatsrechnung
und liefert detaillierte finanzstatistische Informationen mit Vergleichen auf der Zeitachse.
Im Rahmen der Finanzberichterstattung veröffentlicht der Bund derzeit folgende Produkte:
•
•
Der Voranschlag informiert in Band 1 in konzentrierter Form über die Finanz- und Ertragslage des Bundes. Wichtig ist der Anhang – er
liefert wesentliche Zusatzinformationen für die
Beurteilung des Zahlenwerks. In Band 2 werden
alle Informationen im Zusammenhang mit der
Kreditsprechung ausgewiesen, unter anderem
die Voranschlagskredite und Ertragspositionen
sowie die Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen. Die Positionen zur kreditwirksamen
Leistungsverrechnung werden vollständig ausgewiesen und nicht eliminiert. Zur besseren
Handhabung wird dieser Band in zwei Teilbände unterteilt; Band 2A enthält die Zahlen,
Band 2B die Begründungen. Band 3 geht im Teil
«Zusatzerläuterungen» vertiefend auf einzelne Einnahmen- und Ausgabenpositionen ein,
stellt Sensitivitätsanalysen für unterschiedliche
Konjunkturszenarien dar und erläutert Querschnittsfunktionen (Personal, Informations- und
Kommunikationstechnologien, Bundestresorerie) sowie die FLAG-Steuerung. Der Statistikteil
zeigt detaillierte Finanzinformationen im Mehrjahresvergleich.
Die Staatsrechnung entspricht im Aufbau
grundsätzlich dem Voranschlag. Hinzu kommt
in Band 1 die Darstellung der Bilanz und des
Eigenkapitalnachweises sowie die damit verbundenen Offenlegungspflichten. Namentlich
wird die Finanzierungsrechnung um den Mittelfluss aus Veränderungen des Finanzvermö­gens
und des Fremdkapitals und der Anhang um die
detaillierte Darstellung der Bilanzierungs- und
•
Die ausserhalb der Bundesrechnung geführten Sonderrechnungen werden sowohl für
den Voranschlag als auch die Staatsrechnung
in einem separaten Band 4 zusammengefasst.
Zurzeit sind dies die Sonderrechnungen für den
Fonds für die Eisenbahngrossprojekte, den Infrastrukturfonds, den ETH-Bereich und die Eid­
ge­nössische Alkoholverwaltung. Voranschlag
und Jahresrechnung werden von allen vier Institutionen nach kaufmännischen Grundsätzen
und betriebswirtschaftlichen Standards erstellt.
•
Für das Rechnungsjahr 2009 wurde erstmals
eine Konsolidierte Rechnung Bund erstellt. Sie
wird den eidgenössischen Räten zur Kenntnisnahme unterbreitet. Die konsolidier­te
Rechnung vermittelt einen Überblick über die
Vermögens-, die Finanz- und die Ertragslage
der von der Aufgabenerfüllung her der Verwaltungsebene Bund zurechenbaren Ein­hei­ten
und Organisationen. Der Konsolidierungs­kreis
umfasst das Stammhaus Bund (in der Bundesrechnung erfasste Verwaltungseinheiten),
Verwaltungseinheiten und Fonds mit Sonderrechnungen sowie Verwaltungseinheiten der
dezentralen Bundesverwaltung mit eigener
Rechnung (z.B. Finanzmarktaufsicht und Swissmedic). Die grossen Unternehmen, an denen
der Bund eine Kapitalmehrheit hält, werden in
der konsolidierten Rechnung mit ihrem anteili-
55
4 Rechnungsmodell
gen Eigenkapital (Equity-Wert) eingestellt und
nicht vollständig in die Konsolidierung aufgenommen (z.B. Post, SBB und Swisscom).
•
•
Der Bericht zum mehrjährigen Finanzplan enthält Ausführungen zur Entwicklung des Haushalts in den Finanzplanjahren. Der eigentliche
Berichtsteil ist auf die wesentlichen Aussagen
reduziert, weitergehende Informationen gibt
der Anhang zum Bericht. Auf der Grundlage
des Aufgabenportfolios werden hier standardisierte Übersichten für jede der 44 Aufgaben der funktionalen Gliederung sowie der
wichtigsten Einnahmenpositionen abgebildet.
Sach- und Finanzplanung werden damit enger
verknüpft und können in der politischen Steuerung optimal abgestimmt werden.
Die Botschaft zu den Nachträgen beinhaltet
den Kommentar zu den Nachtragskrediten,
den Zahlenteil mit den Begründungen sowie
Erläuterungen zum Nachtragsverfahren.
•
Die Broschüre Bundesfinanzen in Kürze erscheint jährlich zusammen mit dem Bericht zur
Bundesrechnung. Sie richtet sich in erster Linie
an die Medien und die Öffentlichkeit, die sich
kurz und bündig über die finanzielle Lage des
Bundes informieren wollen. Primär wird ein Vergleich zum Vorjahresabschluss vorgenommen.
Schliesslich finden die Daten der Bundesrechnung
auch Eingang in die Finanzstatistik. Die Finanzstatistik stellt die Ausweise der Ertrags-, Finanz- und
Vermögenslage der öffentlichen Haushalte (Bund,
Kantone, Gemeinden und öffentliche Sozialversicherungen) auf eine vergleichbare Grundlage
(siehe Ziff. 1.3.2). Die folgende Übersicht über die
Publikationen zu Haushaltszahlen auf Bundesebene zeigt die Unterschiede zwischen der Bundesrechnung, der konsolidierten Rechnung und der
Finanzstatistik.
Publikationen zu Haushaltszahlen auf Bundesebene Publikationen zu Haushaltszahlen auf Bundesebene
(ohne
Kantone, Gemeinden und Sozialversicherungen)
(ohne Kantone, Gemeinden und Sozialversicherungen)
Finanzstatistik
Staatsrechnung und übriger staatlicher Sektor,
konsolidiert
Staatsrechnung/ Voranschlag
nicht konsolidiert
Bundesrechnung/Bundesbudget
Zentrale Bundesverwaltung (entspricht dem
Geltungsbereich der Schuldenbremse)
Sonderrechnungen
vom Parlament zu genehmigende Rechnungen
– Fonds für Eisenbahngrossprojekte
– Infrastrukturfonds
– Bereich der Eidg. Technischen Hochschulen
– Eidg. Alkoholverwaltung
– Eidg. Hochschulinstitut für Berufsbildung
– Pro Helvetia
– Nationalfonds
– Schweiz Tourismus
56
Konsolidierte Rechnung
Staatsrechnung sowie dezentrale Einheiten der
Bundesverwaltung mit eigener Rechnung (vom
Parlament nicht zu genehmigen)
– Eidg. Finanzmarktaufsicht
– Eidg. Nuklearsicherheitsinspektorat
– Eidg. Institut für Geistiges Eigentum
– Eidg. Revisionsaufsichtsbehörde
– Schweizerische Exportrisikoversicherung
– Schweizerisches Nationalmuseum
– Swissmedic
– Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit
5 Haushaltführung
5.1
Instrumente der Haushaltführung
Für die Haushaltführung verfügen Bundesrat und
Parlament über folgende Instrumente:
•
•
•
•
•
Legislaturplanung mit Aufgaben- und Ressourcenplanung (Personal, Finanzen);
Langfristperspektiven und Entwicklungsszenarien;
mehrjährige Finanzplanung;
Voranschlag;
Staatsrechnung.
5.1.1 Legislaturplanung
Gemäss Artikel 146 ParlG hat der Bundesrat zu
Beginn der Legislaturperiode der Bundesversammlung eine Botschaft über die Legislaturplanung
und den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Legislaturplanung zu unterbreiten.
Die Legislaturplanung bildet für die nächsten
vier Jahre die längerfristig geplante Politik der
Regierung ab: In der neuen Legislatur wird die
bisherige politische Strategie zwar überprüft,
aber im Wesentlichen wird auf dem Bestehenden weitergebaut, Vorhaben der vergangenen
Legislaturperiode werden umgesetzt, und über
die neu geplanten Geschäfte wird teilweise erst
in der übernächsten Periode abgestimmt: Die
heute geplante Politik wirkt sich in solchen Fällen
frühestens in einigen Jahren aus. In diesem Sinne
Legislatur- und Legislaturfinanzplanung
Legislaturfinanzplan
2012
2013
2014
2015
Legislaturperiode 2011–2015
ist die Strategie des Bundesrates, wie sie in den politischen Leitlinien und den Zielen zum Ausdruck
kommt, über die neue Legislatur hinaus gültig.
Der einfache Bundesbeschluss definiert die politischen Leitlinien und Ziele der Legislaturplanung
und ordnet diesen die geplanten Erlasse der
Bundesversammlung und weitere Massnahmen
zu, welche zur Zielerreichung erforderlich sind.
Dabei geht es nicht nur um neue Ausgaben,
sondern auch um eine kritische Überprüfung des
Bestehenden mit entsprechenden Redimensionierungsvorschlägen (Aufgabenüberprüfung).
In der Botschaft über die Legislaturplanung werden den Zielen Indikatoren zugeordnet, mit denen die Zielerreichung überprüft werden kann.
Die Botschaft enthält auch eine Lageanalyse, die
sich auf Indikatoren abstützt. Zudem gibt die
Botschaft einen Überblick über alle Erlassentwürfe, die der Bundesrat während der Legislaturperiode der Bundesverwaltung vorzulegen plant
(Gesetzgebungsprogramm).
Die beiden Räte beraten gemäss Artikel 147 Absatz 1 ParlG die Legislaturplanung in zwei aufeinander folgenden Sessionen.
Zusammen mit der Botschaft wird der Legislaturfinanzplan (Finanzplan der Legislaturperiode) vorgelegt. Er setzt den Finanzbedarf für die
Legislaturperiode fest und zeigt auf, wie dieser
gedeckt werden soll. Der Legislaturfinanzplan erstreckt sich auf die dem ersten Voranschlag der
neuen Legislatur folgenden drei Jahre. Im Gegensatz zum normalen Finanzplan, der Teil der
Finanzberichterstattung zum Voranschlag ist,
wird der Legislaturfinanzplan als Beilage zur Botschaft über die Legislaturplanung publiziert.
Die Ziele und Massnahmen der Legislaturplanung
und der Legislaturfinanzplan werden sachlich
und zeitlich miteinander verknüpft.
57
5 Haushaltführung
Langfristperspektiven und Entwicklungsszenarien
Die Finanzpolitik muss sich vermehrt mit den Herausforderungen der Zukunft beschäftigen. Das
Budget und der Finanzplan des Bundes berücksichtigen langfristige Entwicklungen nicht, wozu
insbesondere die Demografie gehört. Aus diesem Grunde benötigt der Bund ein Instrument, das
eine langfristige Optik ermöglicht. Dieses Instrument, die Entwicklungsszenarien, ist in der Finanzhaushaltverordnung verankert (Art. 8 FHV, SR 611.01). So erstellt der Bundesrat mindestens alle
vier Jahre längerfristige Entwicklungsszenarien für bestimmte Aufgabenbereiche, die über den
Zeithorizont der Finanzplanung hinausgreifen. Diese werden aufgrund der längerfristigen Entwicklung der Finanzen aller drei Staatsebenen sowie der Sozialversicherungen erarbeitet. Sie zeigen
Entwicklungstendenzen mit ihren finanziellen Folgen sowie mögliche Steuerungs- und Korrekturmassnahmen auf.
Als Grundlage für die Erarbeitung dieser Entwicklungsszenarien dient der Bericht «Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen der Schweiz». Dieser zeigt die Haushaltsentwicklung der drei
Staatsebenen und der Sozialversicherungen (AHV, IV, EO, ALV) für die nächsten 50 Jahre auf. Die
erste Ausgabe dieses Berichts hat die Eidgenössische Finanzverwaltung im Mai 2008 vorgelegt.
Die Entwicklungsszenarien dienen dazu, Entwicklungstendenzen mit ihren finanziellen Folgen
in spezifischen Aufgabengebieten des Staates über den Finanzplanhorizont hinaus aufzuzeigen
und Politik-Optionen (Steuerungs- und Korrekturmassnahmen) zu diskutieren. Sie bilden damit
ein «politiknäheres» Instrument als der Bericht «Langfristperspektiven». Die ersten Entwicklungsszenarien wurden im Rahmen der Legislaturfinanzplanung 2009–2011 für das Gesundheitswesen erarbeitet. Die Entwicklungsszenarien zeigen, dass aufgrund der Alterung der Bevölkerung
deutliche finanzielle Zusatzlasten insbesondere im Bereich der Langzeitpflege der über 65-Jährigen entstehen dürften. Danach steigen die öffentlichen Ausgaben für die Langzeitpflege von
0,5 Prozent des BIP im Jahr 2005 bis ins Jahr 2050 um rund 0,5 bis 1,0 Prozentpunkte. Im übrigen
Gesundheitswesen wirken nicht-demografische Effekte wie der medizinisch-technische Fortschritt
stärker kostentreibend als die Alterung der Bevölkerung. Insgesamt ist im Bereich ohne Langzeitpflege eine Mehrbelastung der öffentlichen Haushalte von ein bis zwei Prozentpunkten des BIP zu
erwarten, gegenüber 4,4 Prozent des BIP im Jahr 2005. Die Entwicklungsszenarien zeigen zudem,
dass der Gesundheitszustand der Bevölkerung ein wichtiger Faktor für die Ausgabenentwicklung
im Gesundheitswesen ist.
58
5 Haushaltführung
Eine wichtige Rolle spielen dabei die mehrjährigen Finanzbeschlüsse. Dabei handelt es sich
finanzrechtlich um Verpflichtungskredite und
Zahlungsrahmen, die – einzeln oder im Verbund
– Höchstbeiträge an Bundesmitteln für einen
bestimmten Zeitraum oder Zweck festlegen. Die
mehrjährigen Finanzbeschlüsse werden periodisch – in Abstimmung mit der Legislaturplanung
– alle vier Jahre erneuert (vgl. Ziff. 7.3.2).
5.1.3 Voranschlag
Der Voranschlag wird im Parlamentsgesetz
(Art. 142) sowie im Finanzhaushaltgesetz (Art.
29–34) geregelt. Der Bundesrat legt jedes Jahr
die Ziele fest, die mit dem Voranschlag zu erreichen sind, und erlässt Weisungen für die Aufstellung des Voranschlags. Er informiert darüber die
Finanzkommissionen der eidgenössischen Räte.
Die Jahresziele sollen mindestens:
5.1.2 Mehrjährige Finanzplanung
Der Finanzplan wird im Parlamentsgesetz
(Art. 143), im Finanzhauhaltgesetz (Art. 19) sowie in der Finanzhauhaltverordnung (Art. 4–7)
geregelt.
a. die Einhaltung der Schuldenbremse (Art. 13–
18 FHG) gewährleisten;
Der Finanzplan setzt aufgrund der Prioritätenordnung der Richtlinien den künftigen Finanzierungsbedarf der staatlichen Ausgaben fest und
zeigt, wie er zu decken ist. Naturgemäss wird
dieser Zweck im Rahmen der rollenden Planung
auch mit den jährlichen Finanzplänen verfolgt.
Hauptaufgabe der Finanzplanung ist es, den politischen Behörden finanzielle Engpässe möglichst
frühzeitig anzuzeigen, damit zeitgerecht Massnahmen geprüft und durchgesetzt werden können. Die Finanzplanung soll die Voraussetzungen
für schuldenbremskonforme Budgets schaffen
und den finanzpolitischen Vorgaben der Bundesversammlung Rechnung tragen.
Der Voranschlag kann wie folgt charakterisiert
werden:
Der Finanzplan wird jährlich erstellt und gibt die
vorgesehenen Ausgaben und prognostizierten
Einnahmen der drei Jahre wieder, die auf die Budgetperiode folgen. Budget (Voranschlag) und Finanzplan decken damit eine Periode von vier Jahren ab. Es handelt sich um eine rollende Planung.
Die Zahlen des Finanzplans sind notgedrungen
weniger präzise als die des Voranschlags.
b. den finanzpolitischen Vorgaben der Bundesversammlung Rechnung tragen.
•
Er enthält die Zusammenstellung von Aufwänden und Investitionsausgaben sowie Erträgen
und Investitionseinnahmen für ein Jahr gegliedert nach
––
––
––
Verwaltungseinheiten,
Aufwand- und Ertragsarten sowie
Ausgaben- und Einnahmenarten im Investitionsbereich.
•
Der vom Eidg. Finanzdepartement vorbereitete Budgetentwurf wird vom Bundesrat
verabschiedet und anschliessend von der Bundesversammlung beraten, gegebenenfalls modifiziert und definitiv verabschiedet.
•
Mit dem Bundesbeschluss des Parlaments
werden Aufwände und Investitionsausgaben
(rechtsverbindlich) bewilligt.
•
Er enthält die Schätzung der Erträge und Investitionseinnahmen.
59
5 Haushaltführung
Die Kredite werden auf Grund sorgfältiger Schätzung des voraussichtlichen Bedarfs festgesetzt.
Enthält der Voranschlag für einen Aufwand oder
eine Investitionsausgabe keinen oder keinen ausreichenden Kredit, so ist ein Nachtragskredit zu
beantragen (siehe Ziff. 7.4.2).
Im Anschluss an die Orientierung der Finanzkommissionen informiert das Eidg. Finanzdepartement auch die Öffentlichkeit über die Hochrechnung.
5.2
5.1.4 Staatsrechnung
Die Staatsrechnung wird im Parlamentsgesetz (Art. 142) sowie im Finanzhaushaltgesetz
(Art. 4–11) geregelt.
Die Staatsrechnung folgt in Aufbau und Gliederung dem Voranschlag. Hinzu kommt die Darstellung der Bilanz und der damit verbundenen
Offenlegungspflichten. Die Staatsrechnung besteht aus der Bundesrechnung und aus den Sonderrechnungen. Die Sonderrechnungen werden
den eidgenössischen Räten aufgrund spezialgesetzlicher Regelungen unterbreitet. Die Notwendigkeit einer separaten Darstellung ergibt sich aus
Parlamentsbeschlüssen oder aus der besonderen
Art der Leistungen bzw. Finanzierung (vgl. Ziff. 8).
Der Bundesrat stellt die Staatsrechnung auf und
unterbreitet sie der Bundesversammlung jährlich
zwei Monate vor Beginn der Sommersession.
5.1.5 Hochrechnung
Gemäss Parlamentsgesetz ist der Bundesrat verpflichtet, jeweils per 30.6. und per 30.9. eine
Hochrechnung über das voraussichtliche Jahresergebnis zu erstellen und die Finanzkommissionen davon in Kenntnis zu setzen. Die Hochrechnung wird nur in Bezug auf die finanzierungswirksamen Positionen vorgenommen. Bei den
Einnahmen werden die Schätzungen aufgrund
der im Jahr bereits erfolgten Eingänge und gegebenenfalls neuer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen aktualisiert. Bei den Ausgaben werden
die absehbaren Abweichungen vom Budget (Kreditreste, Nachträge) ausgewiesen.
60
Grundsätze
5.2.1
Allgemeine Grundsätze
der Haushaltführung
Bundesrat und Verwaltung führen den Bundeshaushalt nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, der Dringlichkeit und der Sparsamkeit.
Sie sorgen für einen wirksamen und wirtschaftlichen Einsatz der Mittel.
•
Gesetzmässigkeit: Über öffentliche Mittel darf
nicht nach freiem Ermessen verfügt werden.
Jede Budgetposition bedarf einer rechtlichen
Grundlage. Ausgaben dürfen nur für Aufgaben des Staates, nur durch gesetzlich vorgesehene Behörden und nur im gesetzlich
vorgeschriebenen Verfahren getätigt werden.
•
Dringlichkeit: Öffentliche Mittel sind immer
geringer als die Bedürfnisse. Es gilt deshalb
Prioritäten zu setzen. Wichtiges und zeitlich
Unaufschiebbares hat Vorrang, Wünschbares
muss warten.
•
Sparsamkeit: Die Exekutive ist verpflichtet, die
öffentlichen Mittel massvoll einzusetzen. Vermeidbare Ausgaben sind zu verhindern.
•
Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit: Während es
bei der Wirksamkeit darum geht, dass die erzielten Ergebnisse den beabsichtigten Wirkungen (dem gewünschten Output) entsprechen
(«Werden die richtigen Dinge gemacht?»),
zielt die Wirtschaftlichkeit auf ein möglichst
günstiges Verhältnis zwischen Ergebnis und
eingesetzten Mitteln ab («Werden die Dinge
richtig gemacht?»).
5 Haushaltführung
5.2.2 Grundsätze der Budgetierung
Budgetierungsgrundsätze sind nötig, damit das
Parlament, seine Kommissionen sowie die Regierung und die Verwaltung ihre Entscheidungsund Steuerungsfunktion ausüben können. Sie
gelten für den Voranschlag, die Nachträge sowie
sinngemäss für die Rechnung:
•
•
•
•
Bruttodarstellung: Aufwände und Erträge sowie Investitionsausgaben und -einnahmen
sind getrennt voneinander ohne gegenseitige
Verrechnung auszuweisen. Die EFV kann im
Einvernehmen mit der Eidgenössischen Finanzkontrolle in Einzelfällen Ausnahmen anordnen.
Vollständigkeit: Im Voranschlag sind alle
mutmasslichen Aufwände und Erträge sowie
Investitionsausgaben und Investitionseinnahmen aufzuführen. Diese dürfen nicht direkt
über Bilanzpositionen wie Rückstellungen und
Spezialfinanzierungen abgerechnet werden.
Jährlichkeit: Das Voranschlagsjahr entspricht
dem Kalenderjahr. Nicht beanspruchte Kredite
verfallen am Ende des Voranschlagsjahres.
Spezifikation: Aufwände und Erträge sowie
Investitionsausgaben und Investitionseinnahmen werden nach Verwaltungseinheiten, nach
der Artengliederung des Kontenrahmens und,
soweit zweckmässig, nach Massnahmen und
Verwendungszweck unterteilt. Ein Kredit darf
nur für den Zweck verwendet werden, der bei
der Bewilligung festgelegt wurde. Sind mehrere Verwaltungseinheiten an der Finanzierung
eines Vorhabens beteiligt, so ist eine federführende Verwaltungseinheit zu bezeichnen, die
das Gesamtbudget offenlegt.
5.2.3 Grundsätze der Rechnungslegung
Zweck der Rechnungslegungsgrundsätze ist die
Sicherstellung, dass die Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend dargestellt wird («true and fair view»).
Sie gelten sinngemäss für den Voranschlag und
die Nachträge:
•
Wesentlichkeit: Sämtliche Informationen werden offen gelegt, die für eine umfassende
Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von Bedeutung sind.
•
Verständlichkeit: Die Informationen müssen
klar und nachvollziehbar sein.
•
Stetigkeit: Die Grundsätze der Budgetierung,
Buchführung und Rechnungslegung sollen soweit als möglich über einen längeren Zeitraum
unverändert bleiben.
•
Bruttodarstellung: Der Budgetgrundsatz der
Bruttodarstellung ist sinngemäss anzuwenden.
Die Grundsätze der Rechnungslegung bilden die
Grundlage für weiterführende Bestimmungen
wie beispielsweise für die Buchführung, die Bilanzierung oder die Bewertung.
61
5 Haushaltführung
5.2.4
Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze
Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze konkretisieren die Grundsätze der Rechnungslegung.
voraussichtlich zu einem Mittelabfluss führen.
Eine Passivierungsgrenze gibt es nur bei den
Rückstellungen. Diese beträgt 500 000 Franken.
Die Bilanzierungsgrundsätze regeln, ob ein Sachverhalt als Verpflichtung (Passivierung) oder als
Vermögen (Aktivierung) in der Bilanz aufzunehmen ist. Für die Bilanzierung gelten namentlich
die folgenden Grundsätze:
Die Bewertungsgrundsätze geben vor, zu welchem Wert die Bilanzpositionen auszuweisen
sind. Sie schliessen somit die Vorgaben zu Abschreibungen und Wertberichtigungen ein. Die
Bewertung erfolgt nach folgenden Grundsätzen:
•
•
Auf der Aktivseite werden Vermögenswerte bilanziert, wenn sie einen wirtschaftlichen
Nutzen hervorbringen oder der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe («service potential»)
dienen, wenn ihr Wert zuverlässig ermittelt
werden kann und wenn sie einen Mindestwert
erreichen (Aktivierungsgrenze). Bei Immobilien
und bei immateriellen Anlagen beträgt dieser
Wert 100 000 Franken, bei den übrigen Sachanlagen wie z.B. Fahrzeugen 5000 Franken.
Als Passiven werden gegenwärtige Verpflichtungen (inkl. Rückstellungen) bilanziert, die
62
•
Die Bewertung des Finanzvermögens erfolgt
zum Marktwert («at fair value»), im Falle des
Verwaltungsvermögens zu Anschaffungsbzw. Herstellkosten («at cost») abzüglich Abschreibungen oder zum tieferen Verkehrswert.
•
Die Verbindlichkeiten werden zu Nominalwerten bewertet. Rückstellungsbeträge sind bestmöglich zu schätzen («best estimate»).
•
Es gilt der Grundsatz der Einzelbewertung: Die
Bewertung erfolgt individuell pro Objekt und
Tatbestand.
5 Haushaltführung
5.2.5 Verhältnis zu IPSAS
Die Rechnungslegung des Bundes richtet sich
nach den IPSAS (International Public Sector
Accounting Standards, Art. 53 Abs. 1 FHV). Der
Bund übernimmt diese Standards nicht integral,
sondern weicht in gut begründeten Fällen von
diesen Vorgaben ab.
Abweichungen von den IPSAS (FHV, SR 611.01, Anhang 2)
Nr.
IPSAS
Nr.
Abweichung
1
Grundsatz der Periodengerechtigkeit
(Accrual Accounting).
1.1
Anzahlungen für Waren, Dienst­leistungen
und Rüstungsmaterial werden zum
Zahlungszeitpunkt erfolgswirksam verbucht
(Cash Accounting).
1.2
Das Entgelt des Bundes für die Erhebung
des EU-Steuerrück­behalts wird nach dem
Cash-Prinzip verbucht.
2
Fonds zur Mittelflussrechnung umfasst Geld
und geldnahe Mittel.
2.1
Fonds umfasst zusätzlich Forderungen
und laufende Verpflichtungen.
2
Dreistufiger Ausweis der Mittelfluss­rechnung:
Geschäftstätigkeit, Investi­tionstätigkeit,
Finanzierungstätigkeit.
2.2
Keine separate Stufe zur Geschäfts- und
Investitionstätigkeit, separater Ausweis der
ausserordentlichen Finanzvorfälle (Art. 7 FHG).
15
Finanzinstrumente: Offenlegung und
Darstellung.
15
Nettodarstellung: Agio und Disa­gio werden bei
der Fremdfinanzie­rung miteinander verrechnet
und als Aufwand oder Aufwandminde­rung
verbucht.
17
Aktivierungsvoraussetzung:
Wirt­schaftlicher Nutzen bzw. Nutzen­potenzial
für die öffentliche Auf­gabenerbringung
(Service Poten­tial).
17
Rüstungs- und Zivilschutzmaterial wird nicht
aktiviert.
18
Segmentberichterstattung erfolgt nach
dem Grundsatz der Perio­dengerechtigkeit
(Accrual Ac­counting).
18.1
Angaben zu den Aufgabengebie­ten basieren
auf der Finanzie­rungssicht.
18
Pro Segment werden Ergebnisse sowie
anteilige Aktiven und Ver­pflichtungen
ausgewiesen.
18.2
Verzicht des Ausweises der Bilanzwerte nach
Departementen und nach Aufgabengebieten.
63
5 Haushaltführung
Nr.
IPSAS
Nr.
Abweichung
23
Erträge aus Transaktionen ohne zurechenbare
Gegenleistung.
23.1
Die Erträge aus der direkten Bundessteuer
werden zum Zeit­punkt der Ablieferung der
Bun­desanteile durch die Kantone verbucht
(Cash Accounting).
23.2
Die Erträge aus der Wehrpflichter­satzabgabe
werden zum Zeitpunkt der Ablieferung durch
die Kantone verbucht (Cash Accounting).
25
Die Verpflichtungen für Vorsor­geleistungen
sowie für andere langfristig fällige Leistungen
für Arbeitnehmende werden im
Anhang der Jahresrechnung unter den
Eventualverbindlichkeiten ausgewiesen
(Verzicht auf eine Bilanzierung).
25
Leistungen zugunsten der Arbeit­nehmenden.
Soweit die IPSAS keine Regelung enthalten, werden
ergänzende Standards angewendet:
Ergänzende Standards (FHV, SR 611.01, Anhang 2)
Gegenstand
Standard
Bewertung der Finanzinstrumente im
Allgemeinen
Richtlinien der Eidgenössischen
Bankenkommission zu den
Rechnungslegungsvorschriften der
Art. 23–27 BankV vom 14.12.1994
(RRV-EBK)
25.3.2004
Strategische Positionen im Bereich der
derivativen Finanzinstrumente
Ziffer 23b RRV-EBK
31.12.1996
Bewertung der immateriellen Anlagen
International Accounting Standards
(IAS) 38, Immaterielle Vermögenswerte
31.3.2004
64
Stand
5.3
Ablauf der Budgetierung und Finanzplanung
Der Ablauf der Budgetierung lässt sich in fünf
Phasen unterteilen, die nachfolgend beschrieben
werden (vgl. Schema).
Jan
Feb
Vorbereitung
Entscheide:
Bundesrat (
Parlament
Mrz
Budgetierung
Apr
Mai
Juni
Budgetbereinigung
Juli
Aug
Erarbeitung
Botschaft
Sep
Okt
Nov
Dez
Parlamentarische
Beratung
Grundsatzentscheide)
Phase 1: Vorbereitung Budgetprozess
(ca. 15.12.–15.2.)
Zu Beginn des Budget- und Finanzplanungsprozesses findet eine finanzpolitische Standortbestimmung im Januar statt. In einem ersten Schritt
werden die volkswirtschaftlichen Referenzwerte
(insb. Annahmen über das Wirtschaftswachstum
und die Teuerung) für das Budget des kommenden Jahres und die drei darauf folgenden Finanzplanjahre festgelegt. Für das Budget richten sie
sich nach der Expertengruppe Konjunkturprognosen des Bundes. Für den Finanzplan wird ein
plausibles Wirtschaftsszenario erarbeitet. Auf
dieser Basis werden die Einnahmen und Ausgaben des vorjährigen Finanzplans aktualisiert.
Die Festlegung finanzpolitischer Ziele basiert auf
Schätzungen der Einnahmen und einer Aktualisierung der Ausgaben auf der Basis des vorliegenden Finanzplans. Aufgrund der Anforderungen der Schuldenbremse werden die zulässigen
Ausgabenplafonds berechnet. Zur Durchsetzung
dieser Ziele verabschiedet der Bundesrat seine
Weisungen zur Erarbeitung von Budget und Finanzplan. Diese gehen zusammen mit den technischen Budgetweisungen der Eidgenössischen
Finanzverwaltung (EFV) und des Eidgenössischen
Personalamtes (EPA) an die Departemente.
Phase 2: Budgetierung und Eingaben
(ca. 15.2.–30.4.)
Die Budgetierung und Finanzplanung erfolgt
nach den Vorgaben der Departemente dezentral bei den Verwaltungseinheiten. Sämtliche
Kreditbegehren sind an den Grundsätzen der
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu messen.
Zusätzlich müssen die Verwaltungseinheiten
Begründungen zu den einzelnen Kredit- und Ertragspositionen erstellen. Diese Begründungen
gehen an Bundesrat und Parlament und werden im Voranschlag der Verwaltungseinheiten
(Band 2B der Finanzberichterstattung) veröffentlicht. Bis Ende April erfolgen die Eingaben (Zahlen und Begründungen) der Departemente an
die Eidgenössische Finanzverwaltung.
Phase 3: Budgetbereinigung (ca. 1.5.–30.6.)
In einer ersten Phase der Bereinigung werden die
Kreditbegehren und Einnahmenschätzungen mit
den Verwaltungseinheiten besprochen. Die Generalsekretariate der Departemente werden dabei für die Prioritätensetzung und die Umsetzung
substantieller Kürzungen beigezogen. Anfangs
Juni legt der Bundesrat die Bereinigungsstrategie
fest gestützt auf überprüfte volkswirtschaftliche Eckwerte (Teuerung, Wirtschaftswachstum,
65
5 Haushaltführung
Zinssätze). Der Bundesrat verabschiedet das bereinigte Zahlenwerk von Voranschlag und Finanzplan vor den Sommerferien.
Phase 4: Erarbeitung und Verabschiedung der
Budgetbotschaft (ca. 1.7.–31.8.)
Die Eidgenössische Finanzverwaltung erarbeitet
aufgrund dieses Bundesratsentscheids die Botschaft zum Voranschlag und den Bericht zum
Finanzplan. Sie werden nach den Sommerferien vom Bundesrat verabschiedet und werden
gemäss Artikel 29 FHG bis Ende August an das
Parlament weitergeleitet (siehe auch Ziff. 4.5).
Phase 5: Parlamentarische Beratung
(ca. 1.9.–20.12.)
Die Vorberatungen für Budget und Finanzplan
finden in den jeweiligen Finanzkommissionen
der eidg. Räte statt. Die Finanzkommissionen erarbeiten dabei die Anträge ans Ratsplenum. Das
Budget muss während den Beratungen der eidg.
Räte in der Wintersession genehmigt werden.
Nach Verabschiedung des Budgets erfolgt die
technische Aufbereitung der Bundesbeschlüsse.
Sonderfall Legislaturfinanzplan
Beim Ablauf der Finanzplanungsarbeiten ist zu
unterscheiden zwischen:
•
der Erstellung des Legislaturfinanzplanes und
•
seiner jährlichen Überarbeitung während der
Legislaturperiode.
Während die Arbeiten am Legislaturfinanzplan
zeitlich und sachlich eng mit den Regierungsrichtlinien verknüpft sind und durch einen spezifischen Ablauf gekennzeichnet sind, erfolgt die
jährliche Überarbeitung parallel zur Budgetierung. Nachstehend wird deshalb nur eine kurze
Übersicht zur Ausarbeitung eines neuen Legislaturfinanzplanes gegeben.
66
In einer ersten Phase wird der Legislaturfinanzplan – wie die jährliche Überarbeitung – parallel
zum neuen Budget erarbeitet. Die Weisungen
des Bundesrates enthalten sowohl die Vorgaben für das Budget als auch die Planungsrichtlinien. Die Departementseingaben umfassen die
Budget- und die Finanzplanzahlen. Und in den
Verhandlungen zwischen EFV und den Verwaltungseinheiten werden Voranschlag und auch Finanzplanzahlen bereinigt. Anfangs Juni wird der
Bundesrat im Rahmen des ersten Budgetantrags
über den Stand der Planungszahlen orientiert.
Er überprüft die finanzpolitischen Zielvorgaben
und beauftragt das Eidgenössische Finanzdepartement, die nötigen Korrekturmassnahmen
vorzunehmen.
Weitere Anpassungen am Legislaturfinanzplan
ergeben sich aus den Arbeiten zur Legislaturplanung, die rund ein Jahr vor der Verabschiedung
der Botschaft durch den Bundesrat beginnen.
Der Bundesrat beschliesst Mitte Jahr über die
Strategie der Legislaturplanung (Leitlinien und
Ziele) und im Herbst über die Massnahmen im
Rahmen der Aussprache über den ersten Botschaftsentwurf. Sobald die konkreten Vorschläge für die Massnahmen der Legislaturplanung
vorliegen, wird der Legislaturfinanzplan einer
Aktualisierung unterzogen und dem Bundesrat
gleichzeitig mit dem Entwurf zur Botschaft über
die Legislaturplanung unterbreitet. Ziel dieses
Prozesses ist es, die finanziellen Konsequenzen
der geplanten Aufgabenerfüllung mit den Zielen
der Haushaltspolitik in Einklang zu bringen. Anschliessend erfolgt die Erarbeitung des Berichts
über den Legislaturfinanzplan.
Die Botschaft über die Legislaturplanung inkl.
Bericht zum Legislaturfinanzplan und Gesetzgebungsprogramm wird vom Bundesrat anfangs
Jahr genehmigt und anschliessend den eidg. Räten zur Beratung vorgelegt.
6 Einnahmen
6.1
Struktur
Im Jahr 2010 erreichten die ordentlichen Einnahmen des Bundes 62,8 Milliarden. Die nachfolgende Grafik zeigt die einzelnen Einnahmengruppen. Die Struktur der verschiedenen
Einnahmenkategorien ist insgesamt relativ stabil,
wobei langsame Verschiebungen zugunsten der
direkten Bundessteuer und zulasten der Verbrauchssteuern zu beobachten sind. Fiskaleinnahmen sind die grösste Kategorie; sie belaufen
sich auf 58,1 Milliarden oder 92,6 Prozent der
Gesamteinnahmen. Rund zwei Fünftel stammen
aus direkten Steuern (Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer) und drei Fünftel aus indirekten
Steuern (Mehrwertsteuer, Stempelabgaben etc.).
Die nichtfiskalischen Einnahmen im Umfang von
4,6 Milliarden umfassen namentlich Gewinnablieferungen von Unternehmen mit Bundesbeteiligung (insbesondere Swisscom, Die Post) sowie
Gebühren und Darlehensrückzahlungen.
In der Finanzberichterstattung des Bundes
werden neben den Einnahmen aus der Finanzierungsrechnung auch die Erträge aus der Erfolgsrechnung ausgewiesen. Im Gegensatz zur
Aufwandseite sind die Unterschiede zwischen Erträgen und Einnahmen nicht sehr bedeutsam. Bei
den Fiskaleinnahmen gibt es zwischen Erfolgsund Finanzierungssicht keine Unterschiede. Bei
den nichtfiskalischen Einnahmen bestehen vor
allem Abweichungen bei den Investitionseinnahmen, welche in der Investitionsrechnung
(und damit auch in der Finanzierungsrechnung)
erscheinen, nicht jedoch in der Erfolgsrechnung.
Betragsmässig fallen (ordentliche) Investitionseinnahmen beim Bund allerdings kaum ins Gewicht
(rund 200 Mio. pro Jahr).
Struktur der Bundeseinnahmen 2010
Ordentliche Einnahmen
R 2010: 62 833 Mio.
Direkte Bundessteuer
17 886 Mio., 28,5 %
Mehrwertsteuer
20 672 Mio., 32,9 %
Indirekte Steuern
35 547 Mio., 56,6 %
Direkte Steuern
22 609 Mio., 36 %
Nichtfiskalische Einnahmen
4 677 Mio., 7,4 %
Verrechnungssteuer
4 723 Mio., 7,5 %
Nichtfiskalische Einnahmen
4 677 Mio., 7,4 %
Übrige Fiskaleinnahmen
4 530 Mio., 7,2 %
Mineralölsteuer
5 134 Mio., 8,2 %
Stempelabgaben 2 855 Mio., 4,6 %
Tabaksteuer
2 356 Mio., 3,7 %
67
6 Einnahmen
6.2
Einnahmenprognosen
6.2.1 Grundlagen
Mit Einführung der Schuldenbremse im
Jahr 2003 haben die Einnahmenschätzungen
im Budgetprozess des Bundes eine erhöhte Bedeutung erhalten. Die Ausgaben des Bundes
richten sich seither nach den konjunkturell bereinigten Einnahmen des entsprechenden Jahres.
Zusammen mit den Konjunkturprognosen sind
die Einnahmenschätzungen somit zentral für
die ausgabenseitigen Vorgaben. Im Nachhinein
festgestellte Fehler bei den Einnahmenschätzungen werden – soweit sie nicht auf Fehler bei der
Konjunkturprognose zurückzuführen sind – auf
dem Ausgleichskonto festgehalten: Werden die
Einnahmen unterschätzt, führt dies zu einer Gutschrift auf dem Ausgleichskonto. Im umgekehrten Fall wird das Ausgleichskonto hingegen belastet. Gemäss dem Konzept der Schuldenbremse sollten sich die Gutschriften und Belastungen
des Ausgleichskontos die Waage halten. Dies
bedingt allerdings, dass sich die Prognosefehler
der Einnahmen (und auch der Ausgaben) im Zeitablauf kompensieren. Nur so kann eine permanente Äufnung von Überschüssen oder Defiziten
im Ausgleichskonto verhindert werden.
Wie jede Voraussage zukünftiger Ereignisse ist
die Veranschlagung der Einnahmen und Ausgaben mit Unsicherheiten behaftet. Im Interesse einer kohärenten Finanzplanung gilt es, die unvermeidlichen Abweichungen zwischen Plan- und
Rechnungszahlen in möglichst engen Grenzen
zu halten. Dabei stellt sich das Prognoseproblem
bei den Einnahmen schärfer als bei den Ausgaben. Das liegt in der unterschiedlichen Natur der
beiden Grössen.
68
Bei der Voraussage der Bundeseinnahmen sind
folgende besondere Schwierigkeiten zu meistern, die ausgabenseitig wenig oder nicht ins
Gewicht fallen: Die budgetierten Einnahmen
stellen eigentliche Erwartungsgrössen dar. Ihre
Bestimmungsgründe liegen meist ausserhalb des
Einflussbereiches von Bundesrat und Verwaltung.
Sie sind damit weder bei der Budgetierung und Finanzplanung noch beim Budgetvollzug steuerbar.
Ausgaben hingegen sind das Ergebnis staatlichen Handelns. Bundesrat und Parlament legen
sie als verbindliche Vorgabe fest, zum Beispiel in
Form rechtlicher Erlasse oder mehrjähriger Sachplanungen. In der Regel werden die gewährten
Kredite nicht voll ausgeschöpft, so dass die Ausgaben in der Rechnung niedriger ausfallen als im
Voranschlag. Daneben gibt es aber auch Ausgabenkomponenten, die gar nicht oder zumindest
nicht kurzfristig beeinflussbar sind, wie zum
Beispiel die Ausgaben für Passivzinsen, Kantonsanteile an Bundeseinnahmen oder Transfers an
die Sozialversicherungen (diese hängen v.a. von
den prognostizierten Ausgaben der AHV und IV,
aber auch von den Eingängen der entsprechend
zweckgebundenen Einnahmen ab).
Die für die Einnahmenschätzung verwendeten
Modelle sind im Laufe der Jahre wesentlich verfeinert worden und haben sich bei ihrer Anwendung auf Vergangenheitszahlen als recht zuverlässig erwiesen. So konnten die Abweichungen
zwischen Voranschlag und Rechnung in den
letzten zwanzig Jahren in den meisten Fällen auf
einige hundert Millionen oder wenige Prozent
beschränkt werden. Die grosse Ausnahme stellt
die Prognose der Verrechnungssteuer dar, welche
auf äusserst volatilen Zahlen beruht.
6 Einnahmen
Die Prognose der wirtschaftlichen Bestimmungsgrössen ist das eigentliche Hauptproblem jeder
Einnahmenschätzung. Um die Konsistenz der
Planungsannahmen zu sichern, bedarf es einer
Prognose des Wirtschaftsverlaufes für einen Zeitraum von bis zu 1½ Jahren bei der Budgetierung,
beziehungsweise von 4½ Jahren bei der Finanzplanung – die Planung erfolgt gut ein halbes Jahr
vor Beginn des Voranschlagsjahres. Wie die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben, kann
sich das Verhalten der gesamtwirtschaftlichen
Grössen innert kurzer Zeit grundlegend ändern.
Die Qualität der Einnahmenschätzungen hängen
somit zum Grossteil von der Qualität der verfügbaren Wirtschaftsprognosen ab.
Für die Finanzplanung über das Voranschlagsjahr
hinaus ist die Verwaltung auch auf interne Schätzungen angewiesen, denn Konjunkturprognosen
betreffen kaum mehr als die folgenden zwei Jahre. Diese mittelfristigen Prognosen sind mit einer
grossen Unsicherheit behaftet.
6.2.2
Top-down-Plausibilitätsprüfung
der Einnahmenschätzung
Der Zusammenzug der Schätzung der einzelnen
Einnahmenkomponenten ergibt eine Schätzung
der Gesamteinnahmen. Diese Schätzung wird
somit in einem Bottom-up Verfahren erstellt. Die
Finanzverwaltung plausibilisiert diese Schätzung
allerdings auch durch Top-down Ansätze. Dazu
müssen zunächst die Auswirkungen von gesetzlichen Massnahmen wie etwa Steuererhöhungen
bereinigt werden. Diese Bereinigung ermöglicht
einen direkten Vergleich mit dem Verlauf von
volkswirtschaftlichen Indikatoren, zum Beispiel
mit dem BIP. Dabei kann überprüft werden, ob
und wie konjunkturelle Schwankungen in den
Einnahmenschätzungen zum Ausdruck kommen.
Die Überprüfung kann auf verschiedene Arten
erfolgen. Eine ausführliche Top-Down Schätzung
kann durch die Verwendung eines makroökonomischen Modells erfolgen. Dieses unterscheidet
auch einzelne Einnahmenkomponenten und
setzt diese in Relation zu verschiedenen volkswirtschaftlichen Bestimmungsgrössen. Eine
einfache Plausibilisierungsgrösse stellt auch die
Aufkommenselastizität der Bundeseinnahmen
dar. Dabei handelt es sich um eine Zahl, welche
ausdrückt, um wieviel Prozent sich die Bundeseinnahmen verändern, wenn sich das nominelle
BIP um ein Prozent verändert. Eine Elastizität von
zwei bedeutet zum Beispiel, dass die Einnahmen
doppelt so stark wachsen wie das BIP. In einzelnen Jahren kann dieses Verhältnis stark schwanken, weil nicht alle Änderungen der Einnahmen
auf die BIP-Konjunktur zurückgeführt werden
können. Bei der Prognose wird eine BIP-Elastizität
von eins als realistisch erachtet, signifikante Abweichungen davon müssten zumindest begründet werden können.
6.2.3 Qualität der Einnahmenschätzungen
Die Qualität der Einnahmenschätzungen des
Bundes lässt sich grundsätzlich nicht an der
Budgetgenauigkeit eines einzelnen Jahres festmachen. Wie bereits erwähnt, sind die Einnahmenschätzungen mit zahlreichen Unsicherheiten
verbunden, die sich meistens dem Einflussbereich
von Bundesrat und Verwaltung entziehen. Diese
Unsicherheiten können zu hohen Abweichungen zwischen den effektiv realisierten und den
im Voranschlag budgetierten Einnahmen führen.
Jährliche Budgetabweichungen in der Höhe von
mehreren hundert Millionen sind daher eher die
Regel als die Ausnahme. Von entscheidender
Bedeutung ist allerdings, dass sich diese Budgetabweichungen im Zeitablauf ausgleichen. Dies
setzt voraus, dass die budgetierten Einnahmen
eine erwartungstreue Schätzung für die tatsächlich realisierten Einnahmen darstellen. Mit
anderen Worten muss sichergestellt werden,
dass die Einnahmen des Bundes weder systematisch über- noch unterschätzt werden. Um ein
differenziertes und umfassendes Urteil über die
Einnahmenschätzungen zu fällen, sollte deren
Qualität daher über einen längeren Zeitraum untersucht werden.
69
6 Einnahmen
Die nachfolgende Grafik veranschaulicht die Fehler bei der Prognose der ordentlichen Einnahmen
des Bundes im Verlauf der letzten Dekade. Die
Prognosefehler sind in Prozent des Voranschlagswertes ausgedrückt, um einen unverzerrten Vergleich über die Zeit zu ermöglichen. Ein positiver
Prognosefehler bedeutet, dass die Einnahmen
unterschätzt worden sind bzw. dass die effektiven Einnahmen den Budgetwert übertroffen
haben. Ein negativer Prognosefehler entspricht
demgegenüber einer Überschätzung der Einnahmen. Im Jahr 2003 findet sich – mit einem
negativen Prognosefehler von 7,3 Prozent – die
grösste Überschätzung der ordentlichen Einnahmen. Hingegen wurden die Einnahmen im Jahr
2008 mit einem positiven Prognosefehler von
10,2 Prozent am stärksten unterschätzt.
Prognosefehler im Detail
Um die Qualität der Einnahmenschätzung über
einen längeren Zeitraum zu veranschaulichen
kann auf den durchschnittlichen absoluten Prognosefehler als einfaches Mass abgestellt werden.
In den letzten zehn Jahren beträgt dieser für die
ordentlichen Einnahmen des Bundes 4,6 Prozent.
Somit werden die Einnahmen jedes Jahr durchschnittlich um 4,6 Prozent des Voranschlagswertes über- oder unterschätzt. Hinter dieser Zahl
verbergen sich allerdings grosse Unterschiede zwischen den verschiedenen Einnahmenkategorien.
Von den grossen Fiskaleinnahmen waren in den
vergangenen zehn Jahren die Schätzungen der
Mehrwertsteuereinnahmen am genausten: Hier
wurden die Einnahmen durchschnittlich nur um
2,2 Prozent des Voranschlagswertes über- oder
unterschätzt. Dicht dahinter folgen die Schätzungen der Mineralölsteuereinnahmen mit einem
durchschnittlichen absoluten Prognosefehler
von 2,6 Prozent. Während die Genauigkeit der
Einnahmenschätzungen der direkten Bundessteuer (5,0 %) im Vergleich zu den Gesamteinnahmen nur wenig schlechter ausfällt, sind bei
den Stempelabgaben (10 %) und insbesondere
bei der Verrechnungssteuer deutliche Ausreisser
zu beobachten (48,2 %). Sie widerspiegeln die
starke Volatilität dieser Einnahmen: Die Stempelabgaben unterliegen den Turbulenzen der
Güte der Einnahmenschätzungen
Prognosefehler der ordentlichen Einnahmen in % der Einnahmen resp. des nom. BIP gemäss VA
12
9
6
3
0
-3
Prognosefehler
Einnahmen
-6
Rezessionsphasen
-9
Prognosefehler
nom. BIP
-12
01
70
02
03
04
05
06
07
08
09
10
6 Einnahmen
Aktienmärkte und den hohen Fluktuationen der
Emissionsvolumen. Der Verrechnungssteuerertrag weist seit vielen Jahren grosse unvorhergesehene Schwankungen auf, was eine genaue
Prognose unmöglich macht. Zur Verdeutlichung:
Der Ertrag dieser Steuer stieg von 4,2 Milliarden
im Jahr 2007 auf 6,5 Milliarden im Jahr 2008
(+53 %), um im folgenden Jahr auf 4,4 Milliarden zurückzufallen, was natürlich den Prognosefehler wesentlich beeinflusst hat.
Prognosefehler 2001–2010:
konjunkturelles Muster
Die blau hinterlegten Flächen in der oben stehenden Grafik markieren die Jahre, in denen sich
die Schweizer Volkswirtschaft in einer Rezession
befand. Als Rezession wird in diesem Zusammenhang eine Phase definiert, in der sich die Schweiz
in einer gesamtwirtschaftlichen Unterauslastung
befand und die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandprodukts unter ihrem langfristigen Potenzial lag. Mit dieser Darstellung lässt sich ein
Muster in der Entwicklung der Prognosefehler erkennen: So werden die Bundeseinnahmen während eines wirtschaftlichen Abschwungs tendenziell überschätzt (negativer Prognosefehler) und
in der nachfolgenden Aufschwungsphase eher
unterschätzt (positiver Prognosefehler). Über einen Konjunkturzyklus hinweg dürften sich diese
Schätzfehler gegenseitig aufwiegen. Dies war
auch in den vergangenen zehn Jahren annähernd der Fall. So summieren sich die negativen
und positiven Prognosefehler bei den ordentlichen Einnahmen auf lediglich rund 10 Milliarden
auf. Dies entspricht, bezogen auf die insgesamt
vereinnahmten ordentlichen Einnahmen des
Bundes in dieser Zeitperiode (rund 544 Mrd.),
einem durchschnittlichen Prognosefehler von
1,7 Prozent. Mit anderen Worten wurden die ordentlichen Einnahmen seit 2001 durchschnittlich
um 1,7 Prozent zu tief geschätzt. Allerdings ist
dieser Mittelwert statistisch gesehen nicht signifikant von null verschieden, d.h. die Einnahmen
wurden weder systematisch über- noch unterschätzt.
Abhängigkeit von Wirtschaftsprognosen
In der Grafik sind ebenfalls die Fehler bei der
Prognose des nominalen Bruttoinlandproduktes
abgetragen (graue Vierecke). Dieser berechnet
sich als prozentuale Differenz zwischen dem zum
Zeitpunkt der Budgetierung erwarteten nominalen BIP (Niveau in Mrd.) und dem tatsächlich
realisierten nominalen BIP gemäss der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung des Bundesamtes
für Statistik (2010: vorläufige Schätzung des
SECO). Hier zeigt sich wie stark die Güte der
Einnahmenschätzungen von den Wirtschaftsprognosen abhängt.
6.3
Fiskaleinnahmen und ihre wichtigsten Bestimmungsgrössen
Im Folgenden werden die wichtigsten Einnahmenquellen des Bundes mit ihren Bestimmungsgrössen und den abgeleiteten Schätzverfahren
dargelegt.
6.3.1 Direkte Bundessteuer
Der Ertrag der direkten Bundessteuer stammt
zu mehr als der Hälfte aus der Belastung der
Einkommen der natürlichen Personen (Einkommenssteuer); der verbleibende Anteil entstammt
aus der fiskalischen Belastung des Ertrages von
juristischen Personen (Gewinn- oder Unternehmenssteuer).
Als Bestimmungsgrösse für die Schätzbasis der
Einkommenssteuer dient das Einkommen der
Haushalte. Dieses setzt sich zusammen aus Arbeitnehmereinkommen, Geschäftseinkommen
der Selbstständigen und Vermögenseinkommen.
Die Gewinnsteuer hängt von der Entwicklung des
steuerbaren Unternehmungsgewinns ab. Für diese
Steuerbasis gibt es keine zuverlässigen Prognosen,
was die Einnahmenschätzung deutlich erschwert.
Die Gewinnsteuer wird massgeblich durch wenige
ertragsstarke Unternehmen getragen.
71
6 Einnahmen
Bei den natürlichen Personen gilt ein progressiver
Steuertarif mit einem Durchschnittssteuersatz von
höchstens 11,5 Prozent und einem maximalen
Grenzsteuersatz von 13,2 Prozent. Bei den juristischen Personen kommt ein Proportionalsatz von
8,5 Prozent auf dem Reinertrag zur Anwendung.
Für den Ertragsverlauf ist nicht nur die Veränderung des primären Einkommens der privaten
Haushalte insgesamt, sondern die Verteilung des
Einkommenszuwachses und die Entwicklung bei
den mittleren und höheren Einkommen massgebend, weil einige wenige Prozent der Steuerpflichtigen mit hohen Einkommen mehr als die
Hälfte der Steuern der natürlichen Personen aufbringen.
Der Steuerertrag wächst infolge der progressiven
Ausgestaltung des Steuertarifes der natürlichen
Personen wesentlich stärker als das primäre Einkommen in der entsprechenden Bemessungsperiode. Das Verhältnis zwischen der prozentualen
Veränderung des Steuerertrages und der prozentualen Veränderung des Einkommens in der vergleichbaren Periode, die so genannte Elastizität, ist
allerdings nicht konstant. So nimmt der Steuerertrag aufgrund der erwähnten Progression im Steuersystem je nach Verteilung des Einkommenszuwachses auf die verschiedenen Tarifstufen stärker
oder schwächer zu. Darüber hinaus gibt es noch
weitere Faktoren, welche die Erträge der direkten
Bundessteuer beeinflussen und nicht direkt mit
der Einkommensentwicklung im Zusammenhang
stehen. Dazu gehören beispielsweise Änderungen
der Steuertarife oder der Abzüge. In den letzten
Jahren schwankte die Elastizität in etwa zwischen
1,1 und 2,4. Die Gewinnbesteuerung erfolgt zwar
proportional, die grosse Schwankungsbreite der
Unternehmensgewinne führt aber auch da zu einer überproportionalen Abbildung von konjunkturellen Entwicklungen.
Die Bundesverfassung verlangt, dass bei der direkten Bundessteuer die kalte Progression d. h.
die teuerungsbedingte Verlagerung hin zu höheren Steuersätzen, periodisch ausgeglichen wird.
72
National- und Ständerat hatten 2009 entschieden, dass die kalte Progression künftig jährlich
auszugleichen ist. Massgebend ist der Stand des
Landesindexes der Konsumentenpreise am 30.6.
vor Beginn des Steuerjahres. Bis zur Gesetzesänderung von 2009 hatte der Bundesrat die Anpassung vorzunehmen, sobald sich der Landesindex
der Konsumentenpreise seit der letzten Anpassung um 7 Prozent erhöht hat. Deshalb erfolgte bis dann der Ausgleich in der Regel erst nach
mehreren Jahren.
Durch das Veranlagungs- und Bezugssystem
entstehen bei der direkten Bundessteuer Verzögerungen zwischen der Entstehung eines steuerbaren Einkommens oder Unternehmensgewinns
und der Sichtbarkeit der darauf geschuldeten
Steuer in den Bundeseinnahmen:
•
Bei den natürlichen Personen wird die Steuerschuld aus einer Steuerperiode erst im
Folgejahr fällig (Hauptfälligkeitsjahr). Die Steuerrechnung beruht zu diesem Zeitpunkt allerdings mangels entsprechender Informationen
noch auf einer provisorischen Veranlagung,
meist aufgrund des vorgängig versteuerten
Einkommens. Die Steuerpflichtigen können
aber der Steuerbehörde Änderungen in ihrer
Einkommenssituation frühzeitig melden, damit dies bei der provisorischen Veranlagung
berücksichtigt wird. Das Veranlagungs- und
Bezugsverfahren führt zu einer effektiven Verzögerung von mindestens ein bis zwei Jahren
zwischen Erwirtschaftung eines Einkommens
durch den Steuerpflichtigen und der Verbuchung einer daraus entstehenden Einnahme
durch den Bund. Die definitive Veranlagung
liegt auch bei der Fälligkeit der Steuerschuld
des darauf folgenden Steuerjahres nicht in
jedem Fall vor; Zahlungen können sich daher
auch über mehrere Jahre erstrecken. Für die
Schätzung der Steuern auf dem Einkommen
natürlicher Personen werden jeweils Annahmen über die zeitliche Verteilung der geschuldeten Steuern einer Steuerperiode auf die
Folgejahre erstellt. Diese Annahmen beruhen
6 Einnahmen
auf Erfahrungswerten. In den letzten Jahren ist
allerdings eine Tendenz in Richtung einer Verkürzung der beschriebenen Verzögerung bei
der Veranlagung zu beobachten. Eine wichtige
Ursache hierfür ist die Einführung des ratenweisen Vorausbezugs der direkten Bundessteuer durch verschiedene Kantone. Dadurch
erhalten die Steuerpflichtigen die Möglichkeit,
ihre Steuerrechnung für ein bestimmtes Steuerjahr bereits im selben Kalenderjahr zu begleichen.
•
Bei den juristischen Personen ist der Ablauf
vom Prinzip her identisch, allerdings wird bei
diesen mit einer unterschiedlichen zeitlichen
Verteilung gerechnet: ein Grossteil der Veränderung der Unternehmensgewinne schlägt
sich oftmals bereits im Folgejahr auf die Bundeseinnahmen nieder.
6.3.2 Verrechnungssteuer
Der Ertrag der Verrechnungssteuer ergibt sich
aus der Differenz zwischen dem Rückbehalt auf
beweglichem Kapitalvermögen (Eingänge) und
den auf Antrag der Steuerpflichtigen gewährten
Rückerstattungen.
Eingänge
Die Verrechnungssteuer wird auf dem Ertrag aus
beweglichem Kapitalvermögen erhoben, das von
Personen mit Domizil im In- oder Ausland bei
Schweizer Schuldnern in Schweizer Franken oder
ausländischer Währung angelegt ist. Die Eingänge stammen vorwiegend aus folgenden Anlagen:
•
Anleihensobligationen und Kassenobligationen;
•
Aktien, GmbH- und Genossenschaftsanteile;
•
Kundenguthaben bei inländischen Banken
(Sichtguthaben, Festgelder, Spar- und Depositeneinlagen);
•
Anteile an Anlagefonds.
Verschiedene makroökonomische Faktoren wie
Konjunkturentwicklung, Finanzmarktzyklus, Zinssätze der verschiedenen Anlagearten, Wirtschaftspolitik und Erwartungen der Finanzmärkte
haben einen erheblichen Einfluss auf die Höhe
der Eingänge. Die Portfolioumschichtungen werden namentlich beeinflusst von der allgemeinen
Wirtschaftsentwicklung und im Besonderen von
den Erwartungen der Wirtschaftssubjekte.
Der Anteil der einzelnen Finanzprodukte an den
Eingängen schwankt von Jahr zu Jahr erheblich. Massgebend für die Entwicklung der Steuereingänge ist dennoch vor allem das Volumen
der Dividendenausschüttungen. 2010 entfielen
knapp 75 Prozent der gesamten Eingänge auf
Dividendenausschüttungen. Die Eingänge aus
Dividendenausschüttungen sind stark konjunkturabhängig. Ihre Entwicklung unterliegt ausserdem in hohem Masse der Dividendenpolitik
der Gesellschaften. Einzelne Grossunternehmen
nahmen in jüngerer Vergangenheit beispielsweise anstelle der ordentlichen Dividendenausschüttung eine Nominalwertreduktion der Aktien vor, die nicht verrechnungssteuerpflichtig ist.
Seit 2011 können die Gesellschaften zudem die
neue Möglichkeit nutzen, nicht steuerpflichtige
Rückerstattungen offener Kapitaleinlagen vorzunehmen (im Rahmen der Unternehmenssteuerreform II eingeführtes Kapitaleinlageprinzip).
Dagegen haben die Rückkaufprogramme einiger
Grossunternehmen zu erheblichen Eingängen
geführt, die jedoch normalerweise im selben Jahr
ihrer Verbuchung zur vollständigen Rückzahlung
gelangen.
Die übrigen Eingänge hängen in erster Linie vom
Volumen der neuen Anleihensobligationen und
der in Anlagefonds investierten Gelder sowie von
der Höhe der Kundenguthaben bei den Banken
ab. Die Entwicklung der Zinssätze spielt dabei für
die Umschichtung der Portefeuilles eine wichtige
Rolle und schlägt sich schnell auf die gesamte
Verzinsung der Guthaben nieder, was zu erheblichen Schwankungen bei den Verrechnungssteuereingängen führen kann.
73
6 Einnahmen
Rückerstattungen
Massgebend für die Rückerstattungen sind:
•
der Zeitpunkt der Antragstellung auf Rückerstattung.
•
der Steuersatz (Steuerhinterziehung).
•
der Ausländeranteil am beweglichen inländischen Kapitalvermögen.
•
die Doppelbesteuerungsabkommen.
Die Rückerstattungsanträge der Verrechnungssteuer können mit einer mehr oder weniger
grossen Verzögerung eingereicht werden, im
Allgemeinen frühestens nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die steuerbare Leistung fällig
geworden ist.
Das gilt insbesondere für Rückerstattungen an
natürliche Personen, für welche die Kantone eine
Abrechnung erstellen.
Juristische Personen, die Anspruch auf eine Rückerstattung von mindestens 4000 Franken haben,
erhalten auf Antrag hin bereits im Fälligkeitsjahr
die Rückerstattung von drei Vierteln des mutmasslichen Betrags, in Form von vierteljährlichen
Vorauszahlungen. Zudem können seit 2001 die
innerhalb eines Schweizer Konzerns ausgeschütteten Dividenden Gegenstand einer Meldung
sein. In solchen Fällen wird die Verrechnungssteuer weder abgezogen noch anschliessend vollumfänglich zurückerstattet. Durch diese Änderung
konnten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit
der Verrechnungssteuer ausgeräumt werden.
Seit Juli 2005 gilt diese Regelung auch für Dividenden, die von einer Schweizer Filiale an eine
Muttergesellschaft mit Domizil in einem Land der
Europäischen Union ausgeschüttet werden.
Schliesslich können Personen mit Domizil im Ausland bei Vorliegen eines internationalen Abkom-
74
mens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung,
unmittelbar nach Abzug der Steuer einen Antrag
auf Rückerstattung stellen. Aufgrund der Bestimmungen des geltenden Abkommens haben sie
Anspruch auf eine vollumfängliche oder teilweise
Rückerstattung des Steuerabzugs.
Ertragsprognose der Verrechnungssteuer
Die Verrechnungssteuer ist von einer hohen Volatilität geprägt. Beeinflusst wird sie nicht nur von
den zyklischen Schwankungen, sondern auch
von einmaligen Faktoren gesetzlicher oder rechnerischer Natur oder aufgrund anderer, kaum
quantifizierbarer und von Natur aus unvorhersehbarer Sonderfaktoren. Der Ertrag schwankte
somit zwischen 2,6 Milliarden im Jahr 2004 und
einem Rekordbetrag von 6,2 Milliarden im Jahr
2008 aufgrund der verzögerten Auswirkung der
günstigen Konjunktur. 2010 belief sich der Verrechnungssteuerertrag auf 4,7 Milliarden.
Die grossen jährlichen Schwankungen bei den
Eingängen und die Unmöglichkeit, den Zeitpunkt
der Rückerstattungsgesuche sowie deren Umfang vorauszusehen, erschweren die Schätzung
des Verrechnungssteuerertrags. Ausserdem ist es
generell nicht möglich, den Einfluss zukünftiger
Sonderfaktoren, die meistens von Natur aus unvorhersehbar sind, zu quantifizieren. Aus diesen
Gründen wird im Budget seit 2005 jeweils anstelle einer Punktschätzung ein langjähriger Durchschnittsbetrag eingesetzt. Für den Voranschlag
2012 und den neuen Legislaturfinanzplan wurde
die Schätzmethode wie jedes Jahr einer Neuüberprüfung unterzogen. Angesichts der jüngsten Ergebnisse wird die Prognose neu mit einer
exponentiellen Glättungsmethode vorgenommen. Diese Methode gewichtet die jüngsten Ergebnisse stärker als die weiter zurückliegenden.
Konkret ist eine Schätzung, die mit Hilfe einer
solchen Glättungstechnik erstellt wird, reaktiver
als eine Schätzung, die auf einem arithmetischen
Mittel oder einem mobilen Durchschnitt beruht.
Sie eignet sich deshalb besser für die Schätzung
6 Einnahmen
zukünftiger Entwicklungen einer Einnahme, deren Ertragsniveau manchmal brüsken Schwankungen oder sogar plötzlichen Trendwenden
unterliegt.
Der Entscheid, sich auf eine Schätzung, die einem
langjährigen Durchschnitt entspricht, sowie auf
eine Glättungsmethode abzustützen, wird auch
den Anforderungen der Schuldenbremse gerecht
(vgl. Ziff. 3.1). Die Anforderungen der Fiskalregel haben es für die Berechnung des zulässigen
Ausgabenplafonds notwendig gemacht, sich auf
den durchschnittlichen Verrechnungssteuerertrag abzustützen, um zu verhindern, dass sich
die erheblichen Schwankungen dieser Steuer auf
den Ausgabenplafond niederschlagen.
Der Bundesrat schlägt im Rahmen der Massnahmen zur Stärkung des schweizerischen Kapitalmarkts vor, bei der Verrechnungssteuer auf Erträgen von Obligationen und Geldmarktpapieren
vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip überzugehen. Auf diese Weise würden die Zinserträge
ausländischer Obligationen, die von natürlichen
Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gehalten
werden, ebenfalls verrechnungssteuerpflichtig.
Demgegenüber könnten in- und ausländische
Investoren, die weder der Einkommens- noch der
Gewinnsteuer in der Schweiz unterstehen (bspw.
die institutionellen Anleger), von der Steuer befreit werden.
6.3.3 Stempelabgaben
Es werden drei Arten von Stempelabgaben unterschieden:
•
Emissionsabgaben auf inländischen Wertpapieren, namentlich Aktien, Obligationen und
Geldmarktpapieren (Anteil am Gesamtertrag
im Jahr 2010: ca. 25 %).
•
Die Umsatzabgabe auf in- und ausländischen
Wertpapieren (ca. 50 %).
•
Der Prämienquittungsstempel auf bestimmten
Versicherungen (ca. 20 %).
In den letzten fünfzehn Jahren war die Stempelabgabe Gegenstand mehrerer gesetzlicher
Anpassungen, die dazu dienten, den Schweizer
Finanzplatz gegenüber der ausländischen Konkurrenz zu stärken. Die Massnahmen beinhalten
insbesondere die Befreiung von der Umsatzabgabe für einen Teil der institutionellen Anleger (vor
allem die ausländischen institutionellen Anleger
und die in- und ausländischen Anlagefonds).
Ferner umfassen sie auch die Aufhebung der
Umsatzabgabe für den Handel mit Schweizer
Wertpapieren (Bluechips) an ausländischen Börsen. Im Gegenzug gelten seit dem 1. Juli 2001
inländische institutionelle Anleger als Effektenhändler und sind damit steuerpflichtig. 2005
wurden mit der Erhöhung der Freigrenze bei der
Emissionsabgabe steuerliche Entlastungen auf
der Emission von Aktien und GmbH-Anteilen
verabschiedet.
Die Emission von Fremdkapital (Anleihensobligationen, Kassenobligationen, Geldmarktpapiere)
soll von der Emissionsabgabe befreit werden.
Diese Abgabebefreiung ist vom Parlament in der
Herbstsession 2011 im Rahmen der neuen Grossbankenregelung «too big to fail» zur Stärkung
des schweizerischen Kapitalmarkts gutgeheissen
worden.
Ausschlaggebende Faktoren
Für die Ertragsschätzung der Stempelabgaben
sind folgende Bestimmungsgrössen massgebend:
•
Emissionsabgabe
––
Emission und Erhöhung des Nominalwerts
der Beteiligungsrechte in der Form von Aktien von Aktiengesellschaften, Anteilscheinen
von GmbH und Genossenschaftsscheinen,
Genussscheinen, Anteilscheinen an Schweizer Gesellschaften oder Handelsunternehmen mit öffentlich-rechtlichem Status;
––
Ausgabe von Obligationen (Anleihensobligationen) und von Kassenobligationen
75
6 Einnahmen
(Abgabebefreiung im Laufe von 2012 vorgesehen);
•
––
Ausgabe von Geldmarktpapieren (Abgabebefreiung im Laufe von 2012 vorgesehen);
––
Emission von Aktien und anderen Beteiligungsrechten (Neugründungen, Kapitalerhöhungen, Fusionen).
Umsatzabgabe
––
•
politischen Ereignissen ab. Dieser schwankt somit
erheblich, so dass sich der Ertrag aus den Stempelabgaben als sehr volatil erweist. Da Prognosen
über die Börsentendenz und das Ausmass der
steuerpflichtigen Geschäfte nicht möglich sind,
wird für die Erstellung des Voranschlags und des
Finanzplans auf eine allgemeine Trendprognose
zurückgegriffen, die sich auf bestimmte Annahmen bezüglich der Konjunktur und des finanziellen Umfelds abstützt.
Volumen der entgeltlichen Übertragung von
in- und ausländischen Wertpapieren durch
inländische Wertpapierhändler (das heisst
Banken nach Bankengesetz, Anlageberater und gewerbliche Vermögensverwalter,
Schweizer Holdinggesellschaften);
––
Börsentendenz (Wertpapierkurse);
––
Dollarkurs, Eurokurs.
Die Emissionsabgabe hängt ebenfalls von der
wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung
und somit von den Neugründungen und Restrukturierungen von Unternehmen ab sowie
genereller vom Finanzbedarf der Unternehmen.
Auch die Entwicklung der Zinssätze und die Erwartungen der Finanzmärkte spielen hinsichtlich
der Begebung und der Laufzeit neuer Anleihen
eine Rolle. Der Ertrag der Emissionsabgabe unterliegt vor allem im Bereich der Beteiligungsrechte
ebenfalls starken Schwankungen. Die Schätzung
ist deshalb mit hoher Unsicherheit behaftet.
Prämienquittungsstempel
––
Umfang der steuerpflichtigen Versicherungsleistungen (Haftpflicht- und Kaskoversicherung für Motorfahrzeuge);
––
Volumen der rückkaufsfähigen Lebensversicherungen gegen Einmalprämie;
––
Prämiensätze.
Die Erträge aus den Stempelabgaben beliefen
sich im Jahr 2010 auf annähernd 2,9 Milliarden.
Etwa die Hälfte des Gesamtertrags entfällt auf
die Umsatzabgabe. Die Geschäfte mit ausländischen Wertpapieren machen mehr als zwei Drittel dieser Einnahmenkategorie aus, der Rest entfällt auf den Handel mit inländischen Wertpapieren. Der Umfang der steuerpflichtigen Geschäfte
hängt im Wesentlichen von der Eigendynamik
der Börsenmärkte, den Renditeerwartungen, den
Schwankungen der Zinssätze und Wechselkurse
sowie der wirtschaftlichen Entwicklung und den
76
Der Ertrag aus dem Prämienquittungsstempel hingegen weist nur geringfügige jährliche
Schwankungen auf. Seine Schätzung beruht
deshalb auf den letzten bekannten Ergebnissen.
6.3.4 Mehrwertsteuer
Steuerbasis der Mehrwertsteuer ist die inländische Wertschöpfung. Exporte sind demnach
von der Steuerpflicht ausgenommen. Abrechnungspflichtig sind grundsätzlich selbständige
Leistungserbringer, die einen Umsatz von jährlich
mehr als 100 000 Franken aus steuerbaren Leistungen erzielen.
Die Mehrwertsteuer ist eine so genannte Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug. Dies bedeutet,
dass zwar auf dem gesamten steuerpflichtigen
Umsatz die Mehrwertsteuer erhoben wird (Brutto-Steuer); der Steuerpflichtige kann dann aber
von dieser Brutto-Steuer die auf den bezogenen
Vorleistungen bezahlte Steuer abziehen (Vorsteuerabzug). Abzuliefern hat der Steuerpflichtige nur
6 Einnahmen
den Nettobetrag, also die Differenz zwischen der
Steuer auf dem Umsatz und dem Vorsteuerabzug.
Ergibt sich ein Überschuss zu Gunsten des Steuerpflichtigen, zum Beispiel weil er einen grossen Teil
seiner Produktion exportiert, so wird ihm dieser
Betrag gutgeschrieben.
Nicht alle Leistungen werden gleich hoch besteuert. Für die meisten Lieferungen von Gegenständen und für nahezu alle Dienstleistungen gilt der
Normalsatz von 8,0 Prozent. Waren des täglichen
Bedarfs werden nur mit dem reduzierten Satz von
2,5 Prozent belastet. Beherbergungsleistungen
unterliegen dem Sondersatz von 3,8 Prozent.
Eine Reihe von Leistungen sind von der Mehrwertsteuer ausgenommen, so namentlich in den
Bereichen Gesundheit, Soziales, Bildung, Kultur, Geld- und Kapitalverkehr, Versicherungen,
Vermietung von Wohnungen und Verkauf von
Liegenschaften. Wer solche Leistungen erbringt,
hat kein Anrecht auf Vorsteuerabzug. Es besteht
aber die Möglichkeit, gewisse ausgenommene
Leistungen zu versteuern (Option). In diesem Fall
gilt das Anrecht auf Vorsteuerabzug.
Die Inlandumsätze werden grundsätzlich quartalsweise abgerechnet. Nach Ablauf eines Quartals
hat der Steuerpflichtige 60 Tage Zeit, über das
Quartal abzurechnen und die geschuldete Steuer
zu zahlen. Die Besteuerung der Warenimporte erfolgt laufend, sobald die Ware die Grenze überschreitet. Dem grössten Teil der Importeure wird
hierauf eine 60-tägige Zahlungsfrist zur Begleichung der Steuerschuld eingeräumt. Steuerpflichtige mit regelmässig sehr hohen Vorsteuerüberschüssen können monatlich abrechnen, wobei
dem Bund wiederum 60 Tage Zeit bleiben, diese
Forderungen zu begleichen. Schliesslich haben
kleine und mittlere steuerpflichtige Unternehmen
die Möglichkeit, die geschuldete Steuer mit Hilfe
von Saldosteuersätzen zu ermitteln. Diese Saldosteuersätze variieren in Abhängigkeit der von
den Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeiten. Sie
werden so festgelegt, dass sich mit deren Anwendung die Ermittlung der Vorsteuer erübrigt, der
Verwaltungsaufwand kann dadurch stark reduziert werden. Unternehmen, die Saldosteuersätze
benutzen, müssen nur halb- statt vierteljährlich
abrechnen.
Ausgangslage für die Einnahmenschätzungen
bilden jeweils die Einnahmen des laufenden
Jahres. Diese werden entsprechend den prognostizierten BIP-Zuwachsraten auf die Folgejahre
hochgerechnet. Damit hängt die Schätzung der
Mehrwertsteuer direkt mit den Konjunkturprognosen zusammen. Eine Änderung der Konjunkturprognose wirkt sich proportional auf den geschätzten Steuerertrag aus.
Die Mehrwertsteuereinnahmen werden konsequent nach dem Forderungsprinzip verbucht,
d.h. als Einnahmen gelten die gemäss den Abrechnungen geschuldeten Steuern. Davon muss
erfahrungsgemäss ein Teil abgeschrieben werden
– es entstehen Debitorenverluste, welche als Aufwandsposition separat verbucht werden.
Ein Teil der Mehrwertsteuer ist zweckgebunden
(rund 23 % der Einnahmen) zugunsten von AHV
und IV sowie für die Krankenversicherung (individuelle Prämienverbilligung) und den Fonds
für Eisenbahngrossprojekte (FinöV-Fonds). Die
zweckgebundenen Anteile enthalten ebenfalls
Debitorenverluste – proportional zu ihrem Anteil
an der Mehrwertsteuer. Die Ausbezahlung der
Anteile, z.B. des Mehrwertsteuerprozents an die
AHV, erfolgt nach Abzug der Debitorenverluste,
da diese nicht für die Finanzierung von Aufgaben
zur Verfügung stehen.
6.3.5 Tabaksteuer
Der Tabaksteuer unterliegen die im Inland gewerbsmässig hergestellten, verbrauchsfertigen
sowie die eingeführten, verbrauchsfertigen Tabakfabrikate und Ersatzprodukte. Für im Inland
hergestellte Tabakfabrikate ist der Hersteller steuerpflichtig. Die Steuerschuld entsteht, sobald die
Produkte für die Abgabe an den Verbraucher fertig verpackt sind. Für eingeführte Tabakfabrikate
ist der Zollschuldner steuerpflichtig, und die Steu-
77
6 Einnahmen
erschuld entsteht im Zeitpunkt der Überführung
der Produkte in den zollrechtlich freien Verkehr.
Die massgeblichen Faktoren für die Zigarettenverkäufe und somit für die Einnahmen aus der
Tabaksteuer sind
•
das Preisniveau,
•
die Wahrnehmung der Bevölkerung über die
Schädlichkeit des Rauchens für die Gesundheit und die Massnahmen der öffentlichen
Gesundheit zur Verringerung des Tabakmissbrauchs sowie
•
Die massgeblichen Faktoren für die Entwicklung
der Einnahmen aus der Mineralölsteuer lauten
wie folgt:
•
Der Motorfahrzeugbestand wuchs in den
vergangenen Jahren stetig. So betrug die
Zunahme im vergangenen Jahrzehnt rund
1,7 Prozent pro Jahr, wobei die Anzahl der Personenwagen im Durchschnitt um 1,5 Prozent
pro Jahr zulegte.
•
Mit dem Fahrzeugbestand nahm auch die
Anzahl der zurückgelegten Kilometer zu. Der
Durchschnitt pro Fahrzeug war bei den Personenwagen allerdings in den vergangenen Jahren leicht rückläufig.
•
Der durchschnittliche Verbrauch neuer Fahrzeuge ist im Allgemeinen geringer als derjenige
der alten Fahrzeuge derselben Kategorie. Der
durchschnittliche Treibstoffverbrauch sinkt seit
längerem kontinuierlich. Im Jahr 2010 ist der
durchschnittliche Verbrauch auf 6,62 l/100 km
zurückgegangen und die CO2-Emissionen sind
im Mittel auf 161 Gramm gesunken.
•
Die Preisunterschiede im Vergleich zu den
Nachbarländern beeinflussen den Benzintourismus in den Grenzgebieten.
•
Ein Konjunkturaufschwung(-abschwung) bringt
tendenziell einen (Minder-)Mehrverbrauch an
Treibstoff.
die Preisunterschiede im Vergleich zu den
Nachbarländern (Tourismus, Grenzverkehr).
Seit einigen Jahren ist die Zigarettenproduktion
für den inländischen Markt leicht rückläufig und
der Anstieg der Einnahmen ist hauptsächlich den
sukzessiven Erhöhungen der Tabaksteuer zuzuschreiben. Der Ertrag ist von ungefähr 1650 Millionen im Jahr 2000 auf etwa 2356 Millionen im
Jahr 2010 angestiegen. Für die Schätzung der
zukünftigen Erträge geht man davon aus, dass
die Zigarettenverkäufe weiterhin schrittweise um
zweieinhalb Prozent pro Jahr zurückgehen werden. Die Tabaksteuer leistet einen Beitrag an die
Finanzierung des Bundesbeitrages an die AHV/IV.
6.3.6 Mineralölsteuer
Die Mineralölsteuer ist eine Verbrauchssteuer
und umfasst
•
eine Mineralölsteuer auf Erdöl, anderen Mineralölen, Erdgas und den bei ihrer Verarbeitung
gewonnenen Produkten sowie auf Treibstoffen;
•
einen Mineralölsteuerzuschlag auf Treibstoffen;
•
eine Mineralölsteuer auf Brennstoffen und anderen Mineralölprodukten.
78
Die Einnahmen aus der Mineralölsteuer betrugen
2010 5,1 Milliarden, dies entspricht 8,2 % der
Bundeseinnahmen. Davon entfallen 3,1 Milliarden auf die Mineralölsteuer (Anteil Brennstoffe:
20 Mio.) und 2,1 Milliarden auf den Mineralölsteuerzuschlag. Die Hälfte der Mineralölsteuer
und der gesamte Mineralölsteuerzuschlag sind
für Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr zweckgebunden. Der Rest des Reinertrags ist für allgemeine Aufwendungen des
Bundeshaushaltes bestimmt. Die Spezialfinanzierung Luftverkehr wird seit 2011 separat ge-
6 Einnahmen
führt. Ein wichtiger zusätzlicher Einflussfaktor ist
die am 18.3.2011 vom Parlament beschlossene
Änderung des Bundesgesetzes über die Reduktion der CO2-Emissionen (SR 641.71). Diese Änderung sieht vor, die CO2-Emissionen von in der
Schweiz neu immatrikulierten Personenwagen
an den EU-Vorschriften zu orientieren und bis
2015 auf 130 g/km zu senken. Damit wird sich
der Rückgang des durchschnittlichen Verbrauchs
deutlich akzentuieren. Für die Jahre 2012–2015
wird deshalb davon ausgegangen, dass die Einnahmen aus der Mineralölsteuer leicht zurückgehen werden.
6.3.7 Schwerverkehrsabgabe
Der Bund erhebt seit dem 1.1.2001 für die
Benützung der dem allgemeinen Verkehr geöffneten Strassen auf in- und ausländischen
Motorfahrzeugen und Anhängern mit einem
Gesamtgewicht von je über 3,5 Tonnen eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA).
Die LSVA ersetzte die seit 1985 bestehende pauschale Schwerverkehrsabgabe.
Die Abgabe bemisst sich nach dem höchstzulässigen Gesamtgewicht des Fahrzeugs sowie den
gefahrenen Kilometern. Der Tarif wird zudem
aufgrund der EURO-Schadstoffklassen abgestuft.
Bei einer Fahrt von 300 Kilometern beispielsweise beträgt die Abgabe rund 270 Franken für ein
Fahrzeug der Emissionsklasse EURO 5 und einem
Gewicht von 40 Tonnen.
Auf bestimmten Fahrzeugarten wird die Abgabe
pauschal erhoben. Dazu gehören insbesondere
die schweren Fahrzeuge für den Personentransport (z.B. Reisecars). Gewisse Fahrzeuge sind
vollständig von der Abgabe befreit (z.B. Militär,
Polizei, Feuerwehr, Ambulanzen).
Für die Ertragsschätzung sind folgende Bestimmungsgrössen massgebend:
•
•
•
Entwicklung des Schwerverkehrs
Entwicklung des Fahrzeugparks
Tarifänderungen
Der Ertrag der LSVA hat sich seit deren Einführung
im Jahr 2001 mehr als verdoppelt. Zurückzuführen
ist dieser deutliche Anstieg auf die Zunahme des
Schwerverkehrs sowie Tariferhöhungen. Die der
Abgabe unterliegende Verkehrsleistung, gemessen in Bruttotonnenkilometern, hat sich zwischen
2001 und 2010 um durchschnittlich 2,3 Prozent
pro Jahr erhöht. Im gleichen Zeitraum hat das reale BIP im Schnitt um 1,7 Prozent zugelegt.
Die LSVA-Tarife wurden seit der Einführung der
Abgabe zweimal erhöht. Die erste, umfangreiche
Anpassung wurde im Jahr 2005 vorgenommen,
zeitgleich mit der Bewilligung der 40 TonnenFahrzeuge, die zweite im Jahr 2008. In beiden
Jahren erfolgte zusammen mit der Tarifanpassung jeweils auch eine Neuzuordnung der EUROFahrzeugklassen in die drei Abgabekategorien.
Eine weitere Anpassung ist für 2012 vorgesehen.
Sie wird unter anderem einen Rabatt für Fahrzeuge, die mit Partikelfiltern nachgerüstet werden sowie eine Berücksichtigung der Teuerung
beinhalten. Die Anpassung an die Teuerung ist
nach Artikel 42 des Landverkehrsabkommens
zwischen der Schweiz und der EU vorgesehen.
Eine einnahmenmindernde Wirkung ergibt sich
aus dem Erneuerungsprozess hin zu weniger
um­­welt­belastenden und da­mit weniger stark besteuerten Fahrzeugen. Allein zwischen 2006 und
2010 ist der Anteil der Fahrzeuge der Schadstoffklassen EURO 4 und höher am Total der Bruttotonnenkilometer von knapp 10 Prozent auf über
60 Prozent angestiegen. Diese Entwicklung wird
sich weiter fortsetzen, so dass sich in absehbarer
Zeit – sofern keine Abklassierung vorgenommen
wird – praktisch alle Fahrzeuge in der günstigsten
Abgabekategorie befinden werden.
In den kommenden Jahren wird angesichts
der Annahmen zu Konjunktur und Teuerung
sowie der Umstellung des Fahrzeugparks ein
durchschnittlicher Anstieg des Ertrags um
1,0 Prozent pro Jahr erwartet. Der Ertrag ist
zweckgebunden. Nach Abzug der Debitorenverluste sowie der Entschädigung der Kantone für
79
6 Einnahmen
den Vollzug der LSVA und die polizeilichen Kontrollen wird ein Drittel den Kantonen und zwei
Drittel dem Bund zugewiesen. Der Bundesanteil
floss bis 2010 vollständig in den FinöV-Fonds. Seit
2011 verbleibt ein Teil im allgemeinen Haushalt
und wird – wie in Artikel 85 Absatz 2 der Bundesverfassung vorgesehen – zur Deckung der vom
Strassenverkehr verursachten (externen) Kosten
verwendet und den für den Bundesbeitrag an die
individuelle Prämienverbilligung bestimmten Mitteln zugewiesen. Der dadurch im ordentlichen
Haushalt entstandene Spielraum erlaubt es, die
finanziellen Mittel für den Substanzerhalt und
Betrieb der Bahninfrastruktur zu erhöhen.
6.3.8 Zölle
Eingeführte Waren müssen nach geltendem
Zolltarif verzollt werden. Vorbehalten bleiben
Ausnahmen, welche eine teilweise oder vollständige Befreiung vorsehen, die sich aus Freihandelsabkommen, besonderen Bestimmungen in
Gesetzen sowie Verordnungen des Bundesrats
ergeben. Auf der Einfuhr von Automobilen sowie Treibstoffen und anderen mineralölhaltigen
Produkten werden keine Einfuhrzölle, sondern
interne Verbrauchssteuern erhoben.
Soweit nicht durch Gesetz oder besondere Vorschriften etwas anderes verfügt wird, bestimmt
sich der Zollbetrag nach Art, Menge und Beschaffenheit der Ware im Zeitpunkt, in dem sie
unter Zollkontrolle gestellt worden ist. Der Zollbetrag trägt der Preisentwicklung der Ware nicht
Rechnung. Die Zölle sind deshalb bei steigendem
Preisniveau fortschreitender Erosion ausgesetzt.
Die Schätzung für Voranschlag und Finanzplan
orientiert sich an den Ergebnissen der letzten
Jahre sowie der Einnahmenentwicklung in den
ersten Monaten des laufenden Jahres. Weiter
80
werden auch die Auswirkungen von Zollabbauübereinkommen und anderer Freihandelsabkommen berücksichtigt. Ebenfalls herbeigezogen
werden die Erwartungen über die Wirtschaftsentwicklung. Die Erfahrung der letzten Jahre
zeigt allerdings, dass die Zolleinnahmen nur mässig auf die konjunkturelle Entwicklung reagieren.
Der Ertrag aus den Einfuhrzöllen beträgt etwas
mehr als eine Milliarde und ist seit Jahren relativ
stabil. Für die kommenden Jahre werden leicht
rückläufige Erträge erwartet. Diese Entwicklung
ist auf den Rückgang der Einnahmen im Agrarbereich zurückzuführen, der nur teilweise durch
den Anstieg der Erträge aus Industriezöllen kompensiert wird.
Erhebliche Ausfälle würden sich bei einem allfälligen Freihandelsabkommen mit der EU im Agrar- und Lebensmittelbereich ergeben. Während
fünf Jahren, d.h. bis auf Waren aus der EU keine
Agrarzölle mehr erhoben werden, würden die
Zolleinnahmen jährlich um rund 100 Millionen
zurückgehen.
Im Hinblick auf ein solches Freihandelsabkommen
mit der EU oder eines möglichen Abschlusses der
Doha-Runde der WTO haben die eidg. Räte mit
Bundesbeschluss vom 18.6.2010 eine Änderung
des Landwirtschaftsgesetzes vorgenommen. Die
Zolleinnahmen auf importierten Landwirtschaftsprodukten und Lebensmitteln der Jahre 2009–
2016 sollen im Rahmen einer Spezialfinanzierung
für die Umsetzung von Begleitmassnahmen reserviert werden (Stand Ende 2010: 1,2 Mrd.). Mit den
Begleitmassnahmen gilt es, die Landwirtschaftsbetriebe beim Übergang in die neue Marktsituation zu unterstützen und die nötigen Umstellungen
sozialverträglich zu gestalten.
7 Ausgaben und Aufwände
7.1
Gliederung
7.1.1 Gliederungsarten
Der Ressourcenverbrauch des Bundes kann nach
drei unterschiedlichen Gesichtspunkten gegliedert werden:
•
•
•
Institutionelle Sicht (nach Organisationsstruktur)
Funktionale Sicht (nach Aufgabengebieten)
Kontensicht (nach Kostenarten)
Der Bund verfügt über ein duales Rechnungsmodell: Während die Finanzierungsrechnung auf die
finanzpolitische Gesamtsteuerung ausgerichtet
ist, dient die Erfolgsrechnung der Verwaltungsund Betriebsführung. Entsprechend erfolgt
die funktionale Gliederung in der Finanzierungssicht, d.h. sie teilt die Ausgaben (finanzierungswirksamer Aufwand und Investitionen) auf die
Aufgabengebiete auf, weil sie die ausgabenpolitischen Prioritäten zum Ausdruck bringen. Die
institutionelle Sicht und die Kontensicht hingegen erfolgen aus der Perspektive der Erfolgsrechnung, da hier die betriebliche Führung im Fokus
steht. Dabei werden bei der institutionellen Sicht
auch die Aufwände aus der bundesinternen Leistungsverrechnung (LV) eingerechnet, während
diese in der Kontensicht wegfallen, da sie sich
über den gesamten Bundeshaushalt durch entsprechende LV-Erträge aufheben.
Die drei verschiedenen Gliederungsarten stehen
in einem komplementären Verhältnis zueinander;
entsprechend werden alle drei in der Finanzberichterstattung dargestellt.
Entwicklung der Aufgabenstruktur 1990–2015 Anteile in %
100
9
9
10
9
Übrige Aufgabengebiete
5
5
4
5
Beziehungen zum Ausland –
Internationale Zusammenarbeit
14
14
14
13
Verkehr
8
10
11
Bildung und Forschung
10
8
7
Landesverteidigung
6
5
Landwirtschaft und Ernährung
31
34
Soziale Wohlfahrt
16
17
16
Finanzen und Steuern
2000
2010
2015
75
9
50
19
8
8
30
25
22
14
0
1990
81
7 Ausgaben und Aufwände
und 44 Aufgaben. In Anhang 4 des Berichts zum
Finanzplan werden die Strategien und Ziele sowie
die wichtigsten finanziellen und inhaltlichen Änderungen innerhalb der 44 Aufgaben kommentiert.
7.1.2 Institutionelle Sicht
Die institutionelle Sicht bildet die Aufwände des
Bundes gegliedert nach Departementen und Verwaltungseinheiten ab. Damit gibt sie Auskunft
darüber, in welchem Departement bzw. in welcher Verwaltungseinheit welche Mittel eingestellt
sind. Sie bildet die Basis für die Kreditsprechung
durch das Parlament (vgl. Voranschlag, Bd. 2A).
Die Kommentierung und Begründung der einzelnen Kredite erfolgt ebenfalls in dieser Sicht
(Bd. 2B). Da sich die verschiedenen Verwaltungseinheiten hinsichtlich ihrer Aufgaben und Tätigkeiten deutlich voneinander unterscheiden, können sie nur beschränkt miteinander verglichen
werden.
Ein Blick auf die Entwicklung der Ausgaben nach
Aufgabengebieten zeigt, dass zwischen 1990
und 2015 vor allem die Aufgabengebiete mit
einem hohen Anteil an gebundenen Ausgaben
(Soziale Wohlfahrt/Finanzen und Steuern) stark
wachsen. Betrug deren Anteil zu Beginn der
1990er Jahre noch gut 35 Prozent, so lag er im
Jahr 2000 bereits bei 46 Prozent und dürfte bis
2015 knapp die Hälfte der Ausgaben ausmachen, mit weiter steigender Tendenz. Diese Entwicklung geht zur Hauptsache zulasten der Agrar- und Verteidigungsausgaben, deren Anteil an
den Gesamtausgaben im gleichen Zeitraum etwa
um die Hälfte (von 26,5 auf 12,4 %) zurück geht.
Der Anteil der anderen Aufgabengebiete am Ge-
7.1.3 Funktionale Sicht
Die Gliederung nach Aufgabengebieten gibt Aufschluss darüber, wofür der Bund seine Mittel verwendet. Der Bundeshaushalt gliedert sich in der
funktionalen Sichtweise in 13 Aufgabengebiete
Ausgaben nach Aufgabengengebieten 2011–2015
VA 2011
VA 2012
LFP 2015
Ø ∆ in %
2011–15
Total ordentliche Ausgaben
63,1
64,1
69,4
2,7
Soziale Wohlfahrt
20,4
21,0
23,2
3,3
Finanzen und Steuern
10,1
10,3
11,0
2,0
Verkehr
8,1
8,5
9,2
2,3
Bildung und Forschung
6,3
6,7
7,3
3,8
Landesverteidigung
4,9
4,7
4,9
1,7
Landwirtschaft und Ernährung
3,7
3,7
3,7
0,2
Beziehungen zum Ausland –
Internationale Zusammenarbeit
3,5
3,2
3,8
6,0
Übrige Aufgabengebiete
6,0
6,1
6,3
1,2
Mrd. CHF
Hinweise:
–Wachstumsrate 2011–15 unter Ausklammerung verzerrender Effekte: u.a. Auslagerung der SIFEM AG (Beziehungen zum
Ausland); Kreditreste Armee; Neuer Netzbeschluss NEB (Nationalstrassen); Rückerstattung CO2-Abgabe; Indirekte Presseförderung
(Kultur und Freizeit).
– VA 2012 und LFP 2015: Zahlen gemäss Botschaft des Bundesrates zum VA 2012 bzw. Planungsstand LFP November 2011.
82
7 Ausgaben und Aufwände
samthaushalt bleibt im Betrachtungszeitraum
nahezu unverändert (38 %). Nichts destotrotz
hat sich die Prioritätenordnung leicht verschoben: Während die Anteile für Bildung und Forschung und für die Internationalen Beziehungen
zwischen 1990 und 2015 deutlich wachsen, geht
der Anteil der Verkehrsausgaben am Gesamthaushalt im gleichen Zeitraum leicht zurück.
Für die Legislaturperiode 2011–2015 ist von einem
durchschnittlichen jährlichen Ausgabenwachstum
von 2,7 Prozent auszugehen. Obwohl die Aufgabengebiete Soziale Wohlfahrt und Finanzen und
Steuern mit 2,9 Prozent nach wie vor überdurchschnittlich wachsen, ist von einem verlangsamten
Wachstum dieser beiden Aufgabengebiete auszugehen (1990–2010: 4,8 %). Ihr Anteil an den
Gesamtausgaben steigt um gut einen halben Prozentpunkt auf 49,0 Prozent. Diese verlangsamte
Entwicklung ist in erster Linie auf Reformen in der
Sozialen Wohlfahrt (Invalidenversicherung) sowie
auf die Stabilisierung der Schuldenlast (Schuldenbremse) zurückzuführen. Die übrigen Aufgabengebiete wachsen in der gleichen Periode mit
durchschnittlich 2,4 Prozent, wobei dieses Wachs-
tum primär auf die stark steigenden Ausgaben
für die Internationalen Beziehungen (+6 %, v.a.
Entwicklungszusammenarbeit) sowie für Bildung
und Forschung zurückzuführen ist. Mit einem
Wachstum von durchschnittlich 2,3 Prozent ist
auch im Verkehrsbereich von einem deutlichen
Anstieg der real verfügbaren Mittel auszugehen.
7.1.4
Kontensicht
Die Kontensicht gibt Auskunft darüber, wie der
Bund seine Aufgaben erfüllt. Zu unterscheiden
sind dabei grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
Der Bund kann seine Aufgaben selbst erfüllen
(Eigenaufwand, rund 20 % des Haushaltes).
Dies geschieht vor allem in jenen Bereichen, in
denen zentralstaatliche Aufgaben zu erfüllen
sind (bspw. Landesverteidigung, Aussenpolitik,
Zoll). In anderen Aufgabengebieten delegiert der
Bund die Erfüllung seiner Aufgaben ganz oder
teilweise an Dritte und stellt diesen die dafür nötigen Mittel in Form von Subventionen zur Verfügung (Transferaufwand). Rund drei Viertel des
gesamten Aufwands (48 Mrd.) sind dieser Kategorie zuzuordnen, so dass der Bundeshaushalt
weitgehend ein Transferhaushalt ist. Der Anteil
Aufwand nach Kontengruppen im Voranschlag 2012
Total ordentlicher Aufwand
VA 2012: 63,8 Mrd.
Finanzaufwand
2,8 Mrd., 4 %
Eigenaufwand
12,8 Mrd., 20 %
Transferaufwand
48,2 Mrd., 76 %
83
7 Ausgaben und Aufwände
des Finanzaufwands am Gesamtaufwand beträgt
schliesslich 4 Prozent (2,7 Mrd.).
Eigenaufwand
Der Eigenaufwand des Bundes umfasst den Personalaufwand, den Sach- und Betriebsaufwand, den
Rüstungsaufwand, die Aufwendungen für den
Bau und den Unterhalt der Nationalstrassen sowie
die Abschreibungen auf dem Verwaltungsvermögen. Seit der Jahrtausendwende ist der Anteil
dieser Aufwandart am Gesamthaushalt in etwa
gleich geblieben (rund 20 %). Dies ist im Wesentlichen auf zwei gegenläufige Entwicklungen zurückzuführen: Während der Rüstungsaufwand in
diesem Zeitraum einen Rückgang von 50 Prozent
zu verzeichnen hatte, führte die Übertragung der
Nationalstrassen auf den Bund ab 2008 zu einem
deutlichen Anstieg des Eigenaufwands.
Gut 40 Prozent des Eigenaufwands entfallen auf
den Personalaufwand. Darin enthalten sind neben den Löhnen für die Angestellten (VA 2012:
rund 33 300 Vollzeitäquivalente) die Arbeitgeberbeiträge und -leistungen (AHV, IV, EO, 2.
Säule, etc.) sowie die Ausgaben für die Weiterbildung des Bundespersonals.
Der Sach- und Betriebsaufwand umfasst rund
einen Drittel des Eigenaufwands des Bundes.
Darin enthalten sind u.a. der Unterhalt der bundeseigenen Liegenschaften, die Informatik, der
Beratungsaufwand, der Betriebsaufwand der Armee sowie der Bau und Unterhalt der Nationalstrassen. Knapp ein Fünftel des Eigenaufwandes
entfällt auf Abschreibungen. Diese widerspiegeln
den Wertverzehr von Investitionen des Bundes
im Eigenbereich. Über die Hälfte des Abschreibungsaufwands fällt bei den Nationalstrassen an.
Eigenaufwand im Voranschlag 2012
Total ordentlicher Eigenaufwand
VA 2012: 12,8 Mrd.
Rüstungsaufwand
1,0 Mrd., 8 %
Sach- und Betriebsaufwand
4,3 Mrd., 34 %
Abschreibungen Verwalt.verm.
2,2 Mrd., 17 %
Personalaufwand
5,3 Mrd., 41 %
84
7 Ausgaben und Aufwände
Transferaufwand
Im Transferaufwand sind sämtliche Beiträge des
Bundes an Dritte zusammengefasst. Im Voranschlag 2012 fallen 48 Milliarden resp. 76 Prozent
des ordentlichen Aufwands in diese Aufwandkategorie. Zu unterscheiden sind namentlich:
•
Beiträge an Sozialversicherungen: Ein Drittel
des Transferaufwands wird für die Finanzierung der Sozialversicherungen (Beiträge an
AHV/IV/ALV sowie die individuelle Prämienverbilligung) verwendet.
•
Beiträge an Dritte: Rund 30 Prozent des
Transferaufwandes gehen an Kantone, private Organisationen sowie Privatpersonen. In
dieser Zahl enthalten sind insbesondere auch
die Bundesbeiträge an die Finanzausgleichsgefässe (Ressourcen- und Lastenausgleich,
Härteausgleich) sowie die Beiträge an internationale Organisationen.
•
Anteile Dritter an Bundeserträgen: Bei diesen
Transferzahlungen handelt es sich um Steuern und Abgaben oder Teile davon, die direkt
an die Kantone (z.B. Anteil an der direkten
Bundessteuer), die AHV (z.B. Anteil an der
Mehrwertsteuer) oder die Bevölkerung (z.B.
Rückverteilung CO2-Abgabe) weitergegeben
werden. Die Höhe dieser Ausgaben ist einnahmenabhängig und beläuft sich im Voranschlag
2012 auf 8,9 Milliarden (18 % der Transferausgaben).
•
Wertberichtigungen: Die Wertberichtigungen
werden auf Investitionsbeiträgen sowie Darlehen und Beteiligungen vorgenommen. Die
Investitionsbeiträge werden in der Erfolgsrechnung jeweils im laufenden Jahr zu 100 Prozent wertberichtigt. Zu nennen sind in diesem
Zusammenhang in erster Linie die Investitionsbeiträge bei der Infrastruktur (FinöV, SBB,
Infrastrukturfonds).
Transferaufwand im Voranschlag 2012
Total ordentlicher Transferaufwand
VA 2012: 48,2 Mrd.
Wertberichtigungen 4,7 Mrd., 10 %
Anteile Dritter
an Bundeserträgen 8,9 Mrd., 18 %
Beiträge an Sozialversicherungen 15,7 Mrd., 34 %
Entschädigungen
an Gemeinwesen 1,0 Mrd., 2 %
Entschädigungen
an eigene Institutionen 3,1 Mrd., 6 %
Beiträge an Dritte 14,9 Mrd., 31 %
85
7 Ausgaben und Aufwände
•
Beiträge an eigene Institutionen: In dieser
Kontengruppe werden zur Hauptsache die
Zahlungen an die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) sowie an die Eidgenössischen
Technischen Hochschulen (ETH) zusammengefasst. Deren Anteil am gesamten Transferaufwand beläuft sich auf 6 Prozent.
•
Entschädigungen an Gemeinwesen: Übernehmen Kantone oder Gemeinden Bundesaufgaben (v.a. im Asylbereich), so werden diese vom
Bund dafür entschädigt.
Finanzaufwand
Der Finanzaufwand umfasst den Zinsaufwand –
insb. für Anleihen und Geldmarktbuchforderungen – sowie den Kapitalbeschaffungsaufwand.
Der Finanzaufwand ist abhängig von der Höhe
der Bundesschuld und dem allgemeinen Zinsniveau. Während der Anteil des Finanzaufwandes
an den Gesamtausgaben des Bundes 2008 noch
7 Prozent betrug, ist er seither auf 4 Prozent zurückgegangen.
7.2
Ausgabenbindungen im Bundeshaushalt
Das Parlament verfügt über das verfassungsmässig garantierte Recht, die Höhe der Bundesausgaben im Rahmen des Voranschlags jedes Jahr neu
festzulegen (Budgethoheit). In der Ausübung
dieses Rechts sieht sich das Parlament jedoch
mit dem Problem konfrontiert, dass ein beachtlicher Teil der Ausgaben aufgrund bestehender
Ausgabenbindungen kurzfristig nicht beeinflusst
werden kann. Je grösser der Anteil dieser Ausgaben ist, desto kleiner sind die finanzpolitischen
Handlungsspielräume, die dem Parlament zur
Gestaltung des Budgets zur Verfügung stehen.
Ausgabenbindungen entstehen immer dann,
wenn Verfassung oder Gesetze konkrete Zweckbindungen für Einnahmen (bspw. Kantonsanteile
an der direkten Bundessteuer) oder fixe Beträge
86
resp. Ausgabenquoten für einzelne Subventionen vorsehen (z.B. Beiträge an Sozialversicherungen). Weitere Ausgabenbindungen ergeben
sich aus vertraglichen Verpflichtungen, welche
die Eidgenossenschaft eingeht (z.B. Beiträge an
internat. Organisationen). Nicht beeinflusst werden können schliesslich auch Ausgaben, deren
Entwicklung an exogene Einflussfaktoren gekoppelt ist (z.B. Debitorenverluste).
7.2.1 Ausgaben mit starker Bindung
Eine Analyse der bestehenden Ausgabenbindungen zeigt, dass gut 55 Prozent der Bundesausgaben (rund 35 Mrd.) stark gebunden sind. Ein
Grossteil dieser Ausgaben (rund 90 %) entfällt
auf die beiden Aufgabengebiete Soziale Wohlfahrt und Finanzen und Steuern.
Soziale Wohlfahrt
Die Ausgabenbindungen im Bereich der Sozialen
Wohlfahrt ergeben sich aus gesetzlich verankerten Bundesbeiträgen an einzelne Sozialversicherungen resp. Kantone (Asylbereich) sowie aus diversen Zweckbindungen von Bundeseinnahmen:
•
Bundesbeiträge an die Sozialversicherungen
(15,3 Mrd.): Die Höhe dieser Ausgaben ist
in den gesetzlichen Grundlagen der Sozialwerke festgelegt und richtet sich zur Hauptsache nach den Ausgaben der betreffenden
Versicherungen. Aus diesem Grund kann die
Höhe der Bundesbeiträge nur im Rahmen von
Systemreformen beeinflusst werden. Der Bund
entrichtet folgende Beiträge an die Sozialversicherungen: Beitrag an die AHV (19,55 % der
Gesamtausgaben), Beitrag an die IV (37,7 %
der Gesamtausgaben der Versicherung), Ergänzungsleistungen AHV/IV (5/8 der Kosten
im Bereich Existenzsicherung), Individuelle
Prämienverbilligung (7,5 % der Bruttokosten
der oblig. Krankenpflegeversicherung), Familienzulagen in der Landwirtschaft (2/3 der nicht
gedeckten Kosten), ALV (Spezialfall: 0,15 %
der versicherten Lohnsumme).
7 Ausgaben und Aufwände
•
Zweckbindungen von Bundeseinnahmen
(VA 2012: 3,8 Mrd.): Mehrwertsteuerprozent
zugunsten der AHV, Spielbankenabgabe für
die AHV, Mehrwertsteuerzuschlag für die IV.
•
Beiträge des Bundes an die Kosten der Kantone im Asylbereich (0,9 Mrd.): Diese richten
sich nach der Anzahl der Asylgesuche sowie
der Anzahl Asylsuchender und anerkannter
Flüchtlinge.
•
Finanzausgleich (3,1 Mrd.): Die Höhe der Bundesbeiträge an die Ausgleichsgefässe (Ressourcenausgleich, Lastenausgleich, Härteausgleich)
wird von der Bundesversammlung jeweils für
die Dauer von vier Jahren festgelegt. Die Anpassung der Beiträge erfolgt ab dem zweiten
Jahr aufgrund einer festgeschriebenen Berechnungsmethode und kann damit seitens des
Parlaments nicht mehr beeinflusst werden.
•
Schuldenverwaltung (inkl. Geldbeschaffung,
2,9 Mrd.): Die Höhe dieser Ausgaben ist abhängig vom Finanzbedarf des Bundes sowie der
Zinsentwicklung an den Finanzmärkten und ist
somit ebenfalls nur indirekt beeinflussbar. Eine
substanzielle Reduktion des Finanzaufwandes
kann nur über einen dauerhaften Abbau der
Bundesschulden herbeigeführt werden.
•
Debitorenverluste (0,2 Mrd.): Diese entstehen
in erster Linie bei der Mehrwertsteuer, der LSVA sowie beim Zoll; ihr Umfang ist nicht beeinflussbar.
Finanzen und Steuern
Bei den Ausgaben für das Aufgabengebiet Finanzen und Steuern können vier Kostenblöcke
unterschieden werden:
•
Kantonsanteile an Bundeseinnahmen (4,2 Mrd.):
Direkte Bundessteuer (17 % des Bruttoertrags),
Verrechnungssteuer (10 % des Reinertrags), LSVA (1/3 des Reinertrags), Wehrpflichtersatzabgabe (20 % Budgetprovision).
Ausgabenbindungen im Bundeshaushalt – Anteile am Gesamthaushalt
Starke Bindung
55,3 %
Finanzen und Steuern
Kantonsanteile
Schuldenverwaltung
Finanzausgleich
16,1 %
6,8 %
4,5 %
4,8 %
Soziale Wohlfahrt
AHV
IV
EL zu AHV / IV
Krankenversicherung
Diverse
32,1 %
16,1 %
7,6 %
2,2 %
3,5 %
2,7 %
Schwache Bindung
44,7 %
Personalaufwand
7,6 %
Sach- und Betriebsaufwand
Betriebsaufwand der Armee
Unterhalt u. Betrieb Nationalstrassen
Übriger Eigenaufwand
5,5 %
2,4 %
0,7 %
2,4 %
Einzelne Aufgabengebiete
Beziehungen zum Ausland
Bildung und Forschung
Landesverteidigung
Verkehr
31,6 %
2,5 %
8,7 %
2,3 %
9,9 %
Pflichtbeiträge an
internationale Organisationen
2,3 %
Landwirtschaft
5,4 %
Durchlaufposten
Behörden und Gerichte
4,3 %
0,5 %
Übrige Aufgabengebiete
2,8 %
87
7 Ausgaben und Aufwände
Übrige Ausgaben mit starker Bindung
Stark gebundene Ausgaben finden sich neben
den beiden erwähnten Aufgabengebieten ferner
in folgenden Bereichen:
•
Durchlaufposten (2,8 Mrd.): Als Durchlaufposten werden Steuern und Abgaben oder Teile
davon bezeichnet, die direkt an Dritte weitergeleitet werden und dem Bund damit nicht zur
Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung stehen. Nebst den bereits erwähnten Durchlaufposten im Bereich der Sozialen Wohlfahrt und
der Finanzen und Steuern sind dieser Kategorie
folgende Ausgaben zuzuordnen: Kantonsanteil von 10 Prozent an den Mineralölsteuereinnahmen, Einlage in den FinöV-Fonds (2/3 des
Reinertrags der LSVA, Mineralölsteueranteile
für die Finanzierung der NEAT, MWST-Promille), CO2- und VOC- Lenkungsabgaben (Rückverteilung der Einnahmen an Bevölkerung und
Wirtschaft).
•
Pflichtbeiträge an internationale Organisationen (1,5 Mrd.): Die Höhe dieser Beiträge richtet sich nach den Beteiligungsschlüsseln der
jeweiligen Organisationen. Da bei der Berechnung der Mitgliederbeiträge in der Regel auf
exogene Faktoren (bspw. BIP, Bevölkerungsgrösse) abgestellt wird, können die Pflichtbeiträge an internationale Organisationen kaum
beeinflusst werden; eine gewisse Flexibilität
besteht einzig bei den freiwilligen Beiträgen.
•
Ausgaben für Behörden und Gerichte
(0,3 Mrd.): Mit Rücksicht auf die Gewaltentrennung kann der Bundesrat auf die Ausgaben der Legislative und der Bundesgerichte
keinen Einfluss nehmen.
7.2.2 Ausgaben mit schwacher Bindung
Rund 45 Prozent der Bundesausgaben (29 Mrd.)
weisen eine schwache Bindung auf. Dazu zählen
vorab die Ausgaben im Eigenbereich der Verwaltung, namentlich die Personalausgaben sowie
die Sach- und Betriebsausgaben.
88
Ausgaben im Eigenbereich
Mit Blick auf die arbeitsrechtlichen Verpflichtungen des Bundes können im Personalbereich
kurzfristig keine substanziellen Entlastungen
(Stellenabbau) vorgenommen werden. Eine Reduktion der Beschäftigtenzahl muss von strukturellen Reformen der Verwaltung oder von einem
konkreten Aufgabenverzicht begleitet werden;
solche Massnahmen sind allerdings nur mittelbis langfristig umsetzbar. Kurzfristige Kürzungen
sind hingegen möglich bei den Ausgaben für die
Weiterbildung, für die familienergänzende Kinderbetreuung sowie – je nach Preisentwicklung –
bei den im Finanzplan eingestellten Mitteln für
Lohnmassnahmen (insb. Teuerungsausgleich).
Von den Sach- und Betriebsausgaben entfallen
über die Hälfte auf die Armee und die Nationalstrassen (Betrieb und Unterhalt), so dass diese
Bereiche stark zu Kürzungen der Sach- und Betriebsausgaben beitragen müssen.
Übrige Ausgaben mit schwacher Bindung
Der grösste Teil der Ausgaben mit schwacher Bindung findet sich in jenen Aufgabengebieten, die
entweder dem Eigenbereich der Verwaltung zuzuordnen sind oder aber über wichtige mehrjährige Finanzbeschlüsse gesteuert werden. Letztere
werden im Regelfall alle vier Jahre angepasst und
geben Bundesrat und Parlament somit periodisch
die Möglichkeit, finanzpolitische Prioritäten zu
setzen (vgl. dazu Ziff. 7.3.2). Umgekehrt ist der
Spielraum für Anpassungen oder Umpriorisierungen während der Laufzeit dieser Beschlüsse eher
gering.
7.2.3 Auswirkungen von Ausgabenbindungen
Da gut die Hälfte der Bundesausgaben stark gebunden ist, stehen für finanzpolitische Priorisierungen oder Kürzungen kurz- bis mittelfristig lediglich 45 Prozent des Haushalts zur Verfügung.
Dieser Anteil steigt, je mehr der Planungshorizont
von Reformen in die Zukunft ausgedehnt wird.
7 Ausgaben und Aufwände
Seit 1990 hat der Anteil der stark gebundenen
Ausgaben stetig zugenommen (vgl. Ziff 7.1.3.)
und beträgt mittlerweile über 50 Prozent. Damit
hat sich der Spielraum für kurzfristige finanzpolitische Priorisierungen (Kürzungen, Aufstockungen, Übernahme neuer Aufgaben) in den letzten
25 Jahren eingeengt. Ein Blick auf den Legislaturfinanzplan 2013–15 zeigt jedoch, dass der Anteil
der stark gebundenen Ausgaben (insb. soziale
Wohlfahrt sowie Finanzen und Steuern) in den
kommenden Jahren nahezu stabil gehalten werden kann. Um dieses Ziel langfristig zu erreichen
und einer weiteren Verdrängung der ungebundenen Ausgaben vorzubeugen, werden auch in
den kommenden Jahren finanzpolitische Priorisierungen und strukturelle Reformen, namentlich
im Sozialversicherungsbereich, nötig sein (vgl.
dazu Ziff. 7.3.1).
Die Problematik der starken Bindung der Bundesausgaben manifestiert sich schliesslich auch
in der Anwendung von Fiskalregeln: Sind zur Einhaltung der Schuldenbremse bspw. Kürzungen in
Form von allgemeinen Abbauvorgaben oder Kreditsperren nötig, können die stark gebundenen
Ausgabenteile in der kurzen Frist nicht mit einbezogen werden. Dies führt zwangsläufig zu überproportionalen Kürzungen im restlichen, weniger stark gebundenen Teil des Bundeshaushalts.
Davon betroffen sind in erster Linie wachstumsfördernde Bereiche wie Bildung und Forschung
oder Infrastruktur sowie Aufgabengebiete wie
die Landesverteidigung oder die Landwirtschaft.
Bund nur schwer einseitig aus der gemeinsamen
Aufgabenerfüllung zurückziehen kann, ist die
Flexibilität bei den im Verbundbereich anfallenden Ausgaben von rund 4,5 Milliarden ebenfalls
relativ gering.
7.3
Instrumente der Ausgabensteuerung
Seit Einführung der Schuldenbremse verfügt die
Schweiz auf Bundesebene über ein finanzpolitisches Steuerungsinstrument, das den strukturellen Ausgleich des Bundeshaushalts auf mittlere
Frist gewährleistet. Unter Berücksichtigung der
konjunkturellen Entwicklung gibt die Schuldenbremse vor, in welchem Rahmen sich die Ausgaben des Bundes entwickeln sollen (vgl. dazu
Ziff. 3.1). Dabei lässt sie allerdings offen, wie die
vorhandenen Mittel verwendet und strukturelle
Defizite ausgeglichen werden sollen. Die Aufgabe
der Haushaltsteuerung verbleibt somit bei Bundesrat und Parlament, welchen zu diesem Zweck
verschiedene Instrumente zur Verfügung stehen.
Während die kurz- bis mittelfristig wirkenden Instrumente in erster Linie auf die rasche Beseitigung von Defiziten ausgerichtet sind, stehen bei
den längerfristig wirkenden Instrumenten eher
qualitative Verbesserungen der Haushaltslage im
Vordergrund. Strukturelle Fehlentwicklungen wie
etwa die Verdrängung der schwach gebundenen
Ausgaben durch stark gebundene Ausgaben sollen dabei korrigiert und unklare finanzpolitische
Prioritätenordnungen beseitigt werden.
7.3.1
Bei der Analyse der Ausgabenbindungen muss
im Weiteren auch dem föderalen Staatsaufbau
der Schweiz Rechnung getragen werden. Dieser führt dazu, dass Bund und Kantone in vielen
Bereichen gemeinsam für die Aufgabenerfüllung
verantwortlich sind. Zu nennen sind in diesem
Zusammenhang insbesondere die Aufgabengebiete Bildung und Forschung (Finanzierung kant.
Universitäten und Fachhochschulen, Berufsbildung), Verkehr (Abgeltung regionaler Personenverkehr, Hauptstrassen), Umweltschutz und
Raumordnung sowie Gesundheit. Da sich der
Instrumente zur kurz- und mittelfristigen Haushaltsteuerung
Die kurz- bis mittelfristig wirkenden Instrumente
zur Haushaltsteuerung kommen vor allem dann
zum Einsatz, wenn bei der Erarbeitung des Voranschlags innert kurzer Zeit strukturelle Haushaltsdefizite beseitigt werden müssen. Dies ist
beispielsweise dann der Fall, wenn sich auf der
Einnahmenseite strukturelle Abwärtskorrekturen
abzeichnen, oder wenn neue Projekte oder Aufgaben innerhalb des Ausgabenplafonds finanziert werden müssen. Bundesrat und Parlament
stehen in diesen Fällen drei vergleichsweise rasch
89
7 Ausgaben und Aufwände
wirkende Instrumente zur Verfügung, die je nach
Umfang und Dringlichkeit der jeweils nötigen
Entlastungen eingesetzt werden können.
Kreditsperre
Zeigt sich bei der Bereinigung des Voranschlags,
dass kurzfristig Defizite von bis zu 500 Millionen
ausgeglichen werden müssen, so hat der Bundesrat die Möglichkeit, die mit dem Voranschlag
beantragten Kredite teilweise zu sperren. Bei dieser Massnahme handelt es sich allerdings lediglich um eine bedingte Kürzung. Die gesperrten
Kredite werden zwar teilweise (zu einem gewissen Prozentsatz) blockiert, können im Rahmen
des Budgetvollzugs durch den Bundesrat aber
auch wieder freigegeben werden.
Auch das Parlament kann im Rahmen des Bundesbeschlusses über den Voranschlag Kredite
nach Artikel 37a FHG sperren. Der Bundesrat hat
dabei die Möglichkeit, solche Sperren im Falle einer schweren Rezession oder bei Vorliegen von
gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen
aufzuheben (Art. 37b FHG). Im Falle einer Rezession bedarf es dazu jedoch der Zustimmung der
Bundesversammlung.
Die Sperrung von Zahlungskrediten wird einzig
im Voranschlagsjahr vorgenommen. Es können
jedoch auch Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen einer Sperre unterworfen werden. Grundsätzlich werden dabei alle Kredite
gesperrt, der Bundesrat kann im Rahmen der
Budgetbotschaft jedoch gezielt Ausnahmen beantragen. So wurden bis heute im Rahmen von
Ausnahmeregelungen die stark gebundenen
Voranschlagskredite regelmässig von der Sperre
ausgenommen (vgl. Ziff. 7.2). Der Bundesrat beantragt ferner grundsätzlich keine Kreditsperren
auf den Voranschlägen der Bundesversammlung,
der eidgenössischen Gerichte sowie der Eidgenössischen Finanzkontrolle. Eine Kreditsperre für
diese Verwaltungseinheiten wäre direkt durch
das Parlament zu beschliessen.
90
Die Höhe des Sperrsatzes kann individuell und in
Abhängigkeit des gewünschten Entlastungsziels
oder weiterer finanzpolitischer Zielsetzungen
festgelegt werden. Im Normalfall ermöglichen
Kreditsperren Entlastungen in der Höhe von 200
bis 450 Millionen, was einer Sperre von 1 bis 2
Prozent entspricht. Sperrsätze über 2 Prozent
sind ohne Korrekturen an der Aufgabenerfüllung
und entsprechenden gesetzlichen Änderungen
kaum umsetzbar.
Seit 1997 wird die Kreditsperre zur kurzfristigen
Haushaltsteuerung in regelmässigen Abständen
eingesetzt; sie bildet heute ein wichtiges und allgemein akzeptiertes Instrument der regelgebundenen Finanzpolitik.
Kreditsperren kommen ferner auch dann zum
Einsatz, wenn die Rechtsgrundlage für voraussehbare Aufwände oder Investitionsvorhaben
zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Voranschlags noch fehlt (Art. 32 Abs. 2 FHG). Zudem
sieht das Finanzhaushaltgesetz für den Bundesrat
die Möglichkeit vor, bewilligte Voranschlags- und
Verpflichtungskredite zu sperren, um einen Fehlbetrag auf dem Ausgleichskonto gemäss Schuldenbremse abzubauen und rückwirkend Überschreitungen des Ausgabenplafonds gemäss
Schuldenbremse auszugleichen (Art. 18 Abs. 2
FHG). Der Bundesrat hat bis heute jedoch noch
nie von diesem Instrument Gebrauch gemacht.
Budgetkürzungen
Belaufen sich die strukturellen Defizite im Voranschlag und Finanzplan auf 500 bis 700 Millionen,
können die nötigen Bereinigungen mittels Budgetkürzungen vorgenommen werden. Zu diesem
Zweck wird im Rahmen der Budgetweisungen
für jedes Departement festgelegt, in welchem
Umfang sich dieses an der Haushaltsentlastung
zu beteiligen hat. Da bei der Berechnung dieser
Vorgaben die schwach gebundenen Ausgaben
jeweils stärker gewichtet werden, tragen die Departemente mit einem hohen Anteil solcher Ausgaben überproportional stark zur angestrebten
Entlastung bei.
7 Ausgaben und Aufwände
Dem Parlament werden Kürzungen im Rahmen
der Voranschlagsbotschaft unterbreitet. Dies
bedeutet, dass Anpassungen von Gesetzen im
Normalfall nicht möglich sind. Theoretisch ist
es jedoch denkbar, dass dem Parlament parallel
zum Voranschlag eine Botschaft mit Gesetzesänderungen unterbreitet wird, die von diesem
im Dringlichkeitsverfahren zu behandeln wäre.
Einem solchen Vorgehen sind allerdings sowohl
zeitlich als auch inhaltlich enge Grenzen gesetzt.
Das Mittel der Budgetkürzung kommt eher selten zum Einsatz. Es wird vor allem dann angewandt, wenn die im Rahmen der Budgetbereinigung notwendigen Entlastungen nicht über
eine Kreditsperre erreicht werden können und
die Erarbeitung eines eigentlichen Entlastungsprogramms (mit eigenständiger Botschaft) mit
Blick auf die zur Verfügung stehende Zeit und die
Höhe des Defizits weder möglich noch sinnvoll
erscheint. Für die Umsetzung von Budgetkürzungen ist eine Vorlaufzeit von einigen Monaten
nötig.
Sparprogramme
Spar- oder Entlastungsprogramme müssen dann
erarbeitet werden, wenn die nötigen Entlastungen nicht mit den übrigen Instrumenten der
kurz- oder mittelfristigen Haushaltsteuerung
erzielt werden können. Dies ist der Fall, wenn
die strukturellen Defizite im Voranschlag und
Finanzplan 700–800 Millionen übersteigen und
deren Beseitigung nur noch über die Sistierung
von Subventionsbestimmungen, die Kürzung von
Beitragssätzen oder die Erstreckung von Terminen erreicht werden kann. Solche Massnahmen
erfordern im Regelfall jedoch die Anpassung
von Spezialgesetzen und können dem Parlament
deshalb nicht im Rahmen der Botschaft über den
Voranschlag unterbreitet werden.
Bei der Erarbeitung von Sparprogrammen sind
gewisse Grundprinzipien zu beachten: Zunächst
gilt es sicherzustellen, dass die Opfersymmetrie
gewährleistet ist. Gelingt dies nicht, so droht ein
Sparprogramm am Widerstand der überdurchschnittlich stark betroffenen Interessengruppen
zu scheitern. Solche Bemühungen um die innere
Ausgewogenheit von Entlastungsprogrammen
werden zwar gelegentlich als «Rasenmähermethode» kritisiert, lassen sich mit Blick auf die äusseren Rahmenbedingungen jedoch rechtfertigen:
Sparprogramme entstehen zumeist innert weniger Monate und bieten deshalb kaum die Gelegenheit, grundlegende Reformen anzugehen.
Ebenso wenig eignen sie sich, früher beschlossene Prioritäten der Finanzpolitik grundsätzlich
in Frage zu stellen. Nebst der grundsätzlichen
Gleichbehandlung der verschiedenen Aufgabengebiete ist ferner stets darauf zu achten, dass
auch der Eigenbereich der Verwaltung (Personal,
Sach- und Betriebsausgaben) in die Strategie zur
Haushaltssanierung einbezogen wird. Auf diese
Weise wird die Gleichbehandlung des Transferund des Eigenbereichs sichergestellt. Schliesslich
wurde bislang stets Wert darauf gelegt, nebst
den schwach gebundenen Ausgaben soweit
möglich auch die stark gebundenen Ausgaben
in die Sparbemühungen einzuschliessen. Grundlegende und komplexe Systemkorrekturen wie
bspw. eine Reform der Altersversicherung, sind
im Rahmen eines Sparprogramms – auch aus demokratiepolitischen Gründen – allerdings nicht
möglich.
Da für Sparprogramme zumeist auch Spezialgesetze angepasst werden müssen, handelt es sich
bei diesen Vorlagen in der Regel um Mantelerlasse, in welche die angestrebten Gesetzesänderungen integriert werden. Einen Sonderfall bildet
dabei das Bundesgesetz über Massnahmen zur
Verbesserung des Bundeshaushalts (SR 611.010),
in welchem dem Parlament zusätzlich zu der geplanten Änderung von Spezialgesetzen auch die
sog. Sparaufträge zur Genehmigung unterbreitet werden. In solchen Sparaufträgen werden
all jene Massnahmen zusammengefasst, deren
Umsetzung grundsätzlich auch ohne Gesetzesänderungen möglich wären (insb. Massnahmen
im Eigenbereich).
91
7 Ausgaben und Aufwände
Die Bündelung sämtlicher Massnahmen in einer
Vorlage bietet dabei mehrere Vorteile:
•
Sie erhöht die Transparenz der getroffenen
Massnahmen, was insbesondere für die von
den geplanten Kürzungen betroffenen Leistungsempfänger wichtig ist.
•
Die innere Ausgewogenheit der Vorlage wird
deutlich gemacht.
•
Ein mittels Gesetz beschlossenes Programm
verfügt über eine höhere politische Legitimität
und Verbindlichkeit.
Für die Umsetzung eines Sparprogramms ist eine
Vorlaufzeit von mindestens neun Monaten notwendig, da im Regelfall eine Vernehmlassung
durchzuführen ist. In den letzten zehn Jahren
wurden mit den Entlastungsprogrammen 2003
und 2004 und dem Konsolidierungsprogramm
2012–2013 (KOP 12/13) insgesamt drei Entlastungsprogramme aufgelegt. Währendem die ersten beiden Vorlagen vollumfänglich umgesetzt
wurden, wurde ein kleiner Teil des KOP 12/13
aufgrund der überraschend guten Einnahmenentwicklung 2010 ausgesetzt.
Schwachpunkte
In vielen Fällen stellen Sparprogramme, Budgetkürzungen oder Kreditsperren die einzige Möglichkeit dar, strukturelle Ungleichgewichte des
Haushalts kurzfristig auszugleichen. Solch kurzfristig wirkende Massnahmen sind aber auch mit
erheblichen Nachteilen verbunden. Befindet sich
der Haushalt im Ungleichgewicht, so genügt es
mittel- bis langfristig nicht, Beiträge des Bundes
zu kürzen resp. deren Wachstum vorübergehend etwas einzudämmen. Weit wichtiger ist in
solchen Fällen eine generelle Überprüfung des
staatlichen Leistungsangebots, was angesichts
der jeweils herrschenden Zeitknappheit jedoch
oft nicht möglich ist.
92
Der grösste Nachteil von kurzfristig wirkenden
Entlastungsmassnahmen besteht in der systematischen Ungleichbehandlung von gebundenen
und ungebundenen Ausgaben. Da erstere ausser
im Rahmen von Sparprogrammen zumeist ganz
von Kürzungen ausgenommen bleiben, konzentrieren sich die Konsolidierungsbemühungen
somit oft auf die weniger stark gebundenen Ausgabenteile. Dies hat zur Folge, dass der an sich
unerwünschten Verdrängung der ungebundenen
Ausgaben durch gebundene Ausgaben gar noch
Vorschub geleistet wird. Es besteht die Gefahr,
dass Investitionen in für das Wachstum und die
Beschäftigung wichtige Aufgabengebiete (z.B.
Bildung und Forschung, Verkehrsinfrastruktur)
übermässig stark beschnitten werden.
7.3.2
Instrumente zur mittel- bis langfristigen
Haushaltsteuerung
Das strukturelle Gleichgewicht des Bundeshaushaltes kann auf Dauer nicht allein durch
kurz- oder mittelfristig wirkende Massnahmen
gewährleistet werden. Eine nachhaltige Finanzpolitik erfordert vielmehr eine an langfristigen
Zielen ausgerichtete Schwerpunktsetzung, wie
sie etwa im Prioritätenprofil des Bundesrates
und den Zielwachstumsraten der Aufgabenüberprüfung (AÜP) zum Ausdruck kommt. Nötig ist
darüber hinaus aber auch eine Koordination der
wichtigsten Finanzbeschlüsse, ohne die die angestrebte Priorisierung einzelner Aufgaben nicht
gelingen kann.
Prioritätenprofil und Zielwachstumsraten
Die Einführung der Schuldenbremse stärkte bei
Bundesrat und Parlament das Bewusstsein für die
Notwendigkeit einer Begrenzung des anhaltend
hohen Ausgabenwachstums. Um dieses Ziel zu
erreichen, entwickelte der Bundesrat im Rahmen
der Aufgabenüberprüfung (AÜP) ein Konzept,
das auf die Umsetzung von Strukturreformen
und die Verhinderung weiterer Sparprogramme
ausgerichtet war. Dabei standen zwei strategische Ziele im Vordergrund:
7 Ausgaben und Aufwände
•
Stabilisierung der Staatsquote und Festlegung
eines Wachstumsziels für den Gesamthaushalt
(Ausgabenwachstum = Wachstum nominales
BIP)
•
Festlegung finanzpolitischer Prioritäten und Posterioritäten zwecks Stärkung der wachstumsund beschäftigungsfördernden Aufgaben.
Mit ihrem vergleichsweise langen Planungshorizont und ihrer Ausrichtungen auf die Aufgabenerfüllung unterscheidet sich der Ansatz der AÜP
deutlich von herkömmlichen Sparprogrammen.
Diese streben zumeist nach raschen Haushaltsentlastungen und orientieren sich dabei weniger
an der Aufgabenstruktur des Bundes als an departementalen Zuständigkeiten.
Dreh- und Angelpunkt der Aufgabenüberprüfung war das 2006 vom Bundesrat verabschiedete Prioritätenprofil, in welchem für 18 Aufgabenbereiche eine durchschnittliche jährliche
Zielwachstumsrate für die Jahre 2008–2015 festgeschrieben wurde. Ein reales Wachstum, d. h.
ein über der Teuerung von 1, 5 Prozent liegendes
Wachstum, war dabei für das Aufgabengebiet
Bildung und Forschung, die Soziale Wohlfahrt,
für die Entwicklungszusammenarbeit sowie für
den Verkehrsbereich vorgesehen. Für alle übrigen Aufgabengebiete wurde höchstens das Ziel
einer realen Stabilisierung der verfügbaren Mittel
(Teuerungsausgleich) festgelegt.
In den folgenden Jahren erarbeitete der Bundesrat ein Umsetzungskonzept, das im Rahmen des
Berichts zur Umsetzungsplanung im April 2010
verabschiedet wurde. Dieser Bericht enthielt
rund 75 Massnahmen in Form von Aufgabenverzichten, Leistungsreduktionen und Strukturreformen. Rund 50 dieser Massnahmen mit einer
raschen Entlastungswirkung und einem geringen
Rechtsänderungsbedarf wurden in das Konsolidierungsprogramm 2012–2013 (KOP 12/13)
integriert, in Folge des Nichteintretens der eidg.
Räte dann aber teilweise sistiert. Die übrigen
25 Massnahmen, die komplexere Reformen erfordern und mehr Zeit für die Detailplanung und
Implementierung in Anspruch nehmen, werden
derzeit im Rahmen von separaten Vorlagen vorangetrieben. Über deren Umsetzung berichtet
der Bundesrat jährlich im Rahmen der Staatsrechnung.
Die langfristige Wirkung der Aufgabenüberprüfung bemisst sich allerdings nicht nur in der
Zahl der umgesetzten Reformprojekte. Ihre Bedeutung liegt vielmehr auf einer strategischen
Ebene: Mit der Erarbeitung eines Prioritätenprofils und der Festlegung von Zielwachstumsraten
wurde ein Konzept entwickelt, das seine Bedeutung als strategisches Steuerungsinstrument der
Finanzpolitik über den Abschluss der AÜP hinaus
behalten wird.
Mehrjährige Finanzbeschlüsse
Die Einhaltung des finanzpolitischen Prioritätenprofils setzt voraus, dass Vorhaben von erheblicher finanzieller Tragweite bestmöglich aufeinander abgestimmt werden. In der Vergangenheit
war dies zumeist nicht der Fall. Die wichtigsten
mehrjährigen Finanzbeschlüsse, über die beinahe
die Hälfte der ungebundenen Ausgaben gesteuert werden, wurden in der Regel einzeln gegen
Ende der Legislaturperiode verabschiedet, ohne
dass der finanzpolitischen Gesamtsicht dabei
besondere Beachtung geschenkt worden wäre.
Dies verunmöglichte die finanzpolitische Koordination und beeinträchtigte überdies den Handlungsspielraum des nachfolgenden Parlaments.
Vor diesem Hintergrund entschied der Bundesrat
2008, die wichtigsten mehrjährigen Finanzbeschlüsse künftig besser aufeinander abzustimmen. Die zu diesem Zweck vorgenommene Änderung der Finanzhaushaltverordnung (Art. 7 FHV)
schreibt vor, dass die Planung, Beratung und Verabschiedung von mehrjährigen Finanzbeschlüssen künftig zeitlich koordiniert wird. Mit dieser
93
7 Ausgaben und Aufwände
Änderung verfolgt der Bundesrat drei Ziele: In einem ersten Schritt sollen die Finanzvorlagen bestmöglich auf die Ziele des Legislaturplans abgestimmt werden. Zweitens sollen die betreffenden
Vorlagen den eidgenössischen Räten gemeinsam
in kurzem Zeitabstand zur Botschaft über die Legislaturplanung unterbreitet werden. Schliesslich
soll die politische Willensbildung nach den eidgenössischen Wahlen durch die neu gewählten Entscheidungsträger stattfinden können.
Koordiniert werden jene Finanzbeschlüsse, die
im Mehrjahresrhythmus erneuert werden, einen
Umfang von mindestens 500 Millionen aufweisen und hinsichtlich der Betragshöhe und Periodizität grundsätzlich steuerbar sind. Diese Kriterien erfüllen insbesondere folgende Finanzbeschlüsse:
•
Entwicklungszusammenarbeit (vier Einzelbeschlüsse)
•
Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen
im Bereich Bildung, Forschung und Innovation
(BFI-Botschaft)
•
Zahlungsrahmen für die Leistungsvereinbarung mit den SBB und Verpflichtungskredit zu
den Leistungsvereinbarungen mit den anderen
konzessionierten Transportunternehmen (Privatbahnen)
•
im Erstrat in der Sommersession des ersten Legislaturjahrs starten und in der darauf folgenden
Wintersession abgeschlossen werden. Die Beitragsperiode beginnt im anschliessenden zweiten
Legislaturjahr.
Da Legislaturplanung und Finanzbeschlüsse in
gegenseitigem Austausch erarbeitet werden,
kann dem Parlament ein konsistentes und austariertes Planungspaket unterbreitet werden, das
Gesamt- und Sektoralsicht, finanz- und sachpolitische Postulate umfassend berücksichtigt.
Während die Legislaturplanung ihre Ziele weitgehend frei von vorgelagerten Sektoralentscheiden
in einem primären Planungsakt festlegen kann,
aus dem erste Vorgaben für die Finanzbeschlüsse
abgeleitet werden können, liefern diese der Legislaturplanung das fachliche Fundament. Durch
dieses Verfahren gewinnen die Legislaturpläne
an Bedeutung und Aussagekraft und die Finanz­
vorlagen an finanzpolitischer Tragfähigkeit.
Schwachpunkte
Mittel- und langfristig wirkende Instrumente der
Haushaltführung bieten im Gegensatz zu Sparprogrammen oder Budgetkürzungen die Möglichkeit, strukturelle Ungleichgewichte des Bundeshaushalts mittels grundlegender Reformen
anzugehen. Auch sie haben aber ihre Grenzen:
•
Fehlende politische Voraussetzungen: Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt,
dass grundlegende Reformen nur gelingen
können, wenn über deren Notwendigkeit auf
politischer Ebene ein breiter Konsens besteht.
Reformen benötigen also immer ein entsprechendes «window of opportunity».
•
Hohe Komplexität: Umfassende Reformprojekte sind konzeptionell zumeist komplex und
laufen damit Gefahr, an den Realitäten des politischen Prozesses aufzulaufen. Entsprechend
nehmen umfassende Reformprojekte in der
Regel auch viel Zeit in Anspruch.
Weiterentwicklung der Agrarpolitik.
Die Abstimmung von Legislaturplanung und
mehrjährigen Finanzvorlagen erfolgt in einem
parallelen Verfahren: Der Bundesrat plant die
bedeutenden Finanzvorlagen im vierten Legislaturjahr, d.h. weitgehend zeitgleich und in engem
Bezug zur Legislaturplanung. Die Botschaften zu
den Finanzvorlagen werden dem Parlament kurz
nach jener zur Legislaturplanung – im Regelfall
innert zweier Monate – unterbreitet. Die parlamentarische Beratung kann so mit Behandlung
94
7 Ausgaben und Aufwände
Sonderfall Ausgabenbremse
Mit der Ausgabenbremse existiert schliesslich ein
weiteres Instrument der Ausgabensteuerung, das
nicht primär auf die Beseitigung bestehender Defizite und die Umsetzung struktureller Reformen
ausgerichtet ist. Ihr Ziel besteht vielmehr darin,
im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren auf die
Einhaltung der Ausgabendisziplin hinzuwirken.
Die auf Verfassungsebene verankerte Ausgabenbremse schreibt vor, dass neue Ausgaben ab
20 Millionen (für einmalige) bzw. 2 Millionen (für
wiederkehrende) Ausgaben der Zustimmung der
Mehrheit der Mitglieder beider Räte bedürfen
(Art. 159 Abs. 3 Bst b BV). Dies gilt sowohl für
Subventionsbestimmungen in Bundesgesetzen
und Bundesbeschlüssen als auch für Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen (Finanzbeschlüsse). Von der Ausgabenbremse ausgenommen werden hingegen Ausgaben, die als gebunden zu betrachten sind.
Zur Auslegung dieser Verfassungsbestimmung ist
insbesondere auf Folgendes hinzuweisen:
•
•
Als neue Ausgaben gelten diejenigen Ausgaben, bei denen die zuständige Behörde über
einen relativ grossen Spielraum bezüglich Betrag, Termin und anderer wichtiger Modalitäten verfügt. So handelt es sich insbesondere
dann um neue Aufgaben, wenn der grundlegende Erlass zwar umfassend die Erfüllung
einer neuen ausgabenrelevanten Aufgabe
vorsieht, die Frage der Modalitäten aber noch
offen bleibt.
Als gebunden gelten Ausgaben dann, wenn
sie zur Erfüllung gesetzlich geordneter Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich sind
(z.B. Ausgaben für den Unterhalt oder den
Umbau von Gebäuden ohne Nutzungsänderung, Erneuerung von Betriebsmaterial wie
Ersatzteile). Im Zweifelsfalle soll allerdings die
Ausgabenbremse zur Anwendung gelangen.
Wird eine Ausgabe als neu betrachtet, so bleibt
zu entscheiden, ob sie einmaligen oder wiederkehrenden Charakter hat. Die einmalige Zahlung
zu einem bestimmten Zweck verursacht – als
einmalige Ausgabe – in der Regel keine grundlegenden Probleme. Sie ist einzig an die Limite
von 20 Millionen gebunden. Hingegen stellt sich
die Frage der Zuordnung, wenn Subventionsbestimmungen oder Finanzbeschlüsse wiederholte
Zahlungen nach sich ziehen. Wenn jährliche Zahlungen als zweckmässig betrachtet werden und
der Finanzierungsbedarf langfristig besteht (z.B.
Beiträge an die Pro Helvetia oder den Schweizerischen Nationalfonds für die wissenschaftliche
Forschung), gilt die Ausgabe in der Regel als
wiederkehrend. Demnach untersteht der Betrag
der Ausgabenbremse, sofern er die Schwelle von
zwei Millionen übersteigt. Wenn hingegen eine
Reihe von Zahlungen eine untrennbare Einheit
darstellt, dergestalt, dass alle Einzelzahlungen
zur Verwirklichung des Projektes (Bauten) oder
für den Erwerb eines Objektes (Rüstungsmaterial) unerlässlich sind, handelt es sich um eine
einmalige Ausgabe, obwohl die Zahlungen in
aufeinander folgenden Tranchen erfolgen. Im
letzteren Fall wird die Ausgabenbremse – unabhängig vom Betrag der Teilzahlung – einzig dann
angewendet, wenn der Gesamtbetrag 20 Millionen übersteigt. In der Praxis sind periodische Ausgaben eher im Subventionsbereich anzutreffen,
während die einmaligen Ausgaben insbesondere
den Eigenbereich des Bundes betreffen.
Die direkt sichtbaren Folgen der Ausgabenbremse sind eher gering. Seit ihrer Einführung hat sie
nur in den seltensten Fällen eine konkret nachweisbare Bremswirkung erzielt. Ihre Wirkung ist
deshalb – ähnlich jener des Referendums – in
erster Linie general präventiv: Die erhöhten Anforderungen an die Genehmigung neuer Ausgaben führen in der Praxis dazu, dass bereits bei der
Erarbeitung neuer Gesetzesvorlagen und Finanzbeschlüsse auf einen massvollen Mittel­einsatz
geachtet wird.
95
7 Ausgaben und Aufwände
7.4
Kreditarten im Überblick
Zur Steuerung und Kontrolle der Aufwände und
Investitionsausgaben, welche bei der Erfüllung
der Bundesaufgaben anfallen, stehen der Bundesversammlung verschiedene Instrumente zur
Verfügung. Dabei ist zu unterscheiden zwischen
den Voranschlags- und den Nachtragskrediten,
welche eine (jährliche) Rechnungsperiode betreffen, und den Verpflichtungskrediten sowie Zahlungsrahmen, mit denen die mehrjährige Steuerungsfunktion wahrgenommen wird.
7.4.1
Verpflichtungskredite
und Zahlungsrahmen
Verpflichtungskredit
Der Verpflichtungskredit setzt den Höchstbetrag
fest, bis zu dem der Bundesrat ermächtigt ist, für
ein bestimmtes Vorhaben finanzielle Verpflichtungen einzugehen. Er ist in der Regel dann einzuholen, wenn die Ausführung eines Vorhabens
über das laufende Voranschlagsjahr hinaus zu
Zahlungen führt. Artikel 21 Absatz 4 FHG nennt
die Fälle, in denen namentlich ein Verpflichtungskredit einzuholen ist. Danach sind Verpflichtungskredite insbesondere erforderlich für:
•
Bauvorhaben und Liegenschaftskäufe;
•
längerfristige Liegenschaftsmieten mit erheblicher finanzieller Tragweite;
•
Entwicklungs- und Beschaffungsvorhaben;
•
die Zusicherung von Beiträgen, die erst in späteren Rechnungsjahren auszuzahlen sind;
•
die Übernahme von Bürgschaften und sonstigen Gewährleistungen.
96
Die Ausnahmen von der Pflicht zur Einholung eines Verpflichtungskredites sind abschliessend in
Artikel 11 FHV geregelt. Keine Verpflichtungskredite sind einzuholen für:
•
die längerfristige Miete von Liegenschaften;
•
die Beschaffung von Sachgütern ausserhalb
des Bau- und Liegenschaftsbereichs;
•
die Beschaffung von Dienstleistungen,
wenn die Gesamtkosten im Einzelfall weniger als
10 Millionen betragen, sowie für die Anstellung
von Bundespersonal.
Begehren für Verpflichtungskredite werden je
nach ihrer Bedeutung den eidgenössischen Räten entweder mit besonderer Botschaft oder mit
den Beschlüssen über den Voranschlag und seine Nachträge unterbreitet. Gemäss der Verordnung der Bundesversammlung vom 18.6.2004
über die Verpflichtungskreditbegehren für
Grundstücke und Bauten (SR 611.051) sind Verpflichtungskreditbegehren für Grundstücke und
Bauten, mit Ausnahme derjenigen für den ETHBereich, mit besonderer Botschaft zu unterbreiten und im Einzelnen zu erläutern, wenn die für
den Bund zu erwartenden Gesamtausgaben pro
Projekt 10 Millionen übersteigen. Das In­strument
Verpflichtungskredit wird ausschliesslich für
Verpflichtungen gegenüber externen Dritten
angewendet. Verwaltungsinterne Leistungsbezüge werden nicht über Verpflichtungskredite
abgerechnet. Der Verpflichtungskredit ist keine
Ausgabenbewilligung; die nötigen Voranschlagskredite müssen jährlich beantragt und vom Parlament beschlossen werden.
7 Ausgaben und Aufwände
Der Zusatzkredit ist die Ergänzung eines nicht
ausreichenden Verpflichtungskredites. Zusatzkredite sind unverzüglich und vor dem Eingehen der
Verpflichtungen zu beantragen, soweit sie nicht
durch die Teuerung oder Wechselkursschwankungen bedingt sind.
Der Gesamtkredit fasst mehrere, von der Bundesversammlung einzeln spezifizierte Verpflichtungskredite zusammen.
Die Kreditverschiebung ist die dem Bundesrat mit
einfachem Bundesbeschluss ausdrücklich eingeräumte Befugnis, innerhalb eines Gesamtkredites
einen Verpflichtungskredit zulasten eines anderen zu erhöhen.
Der Rahmenkredit ist ein Verpflichtungskredit mit
delegierter Spezifikationsbefugnis, bei dem der
Bundesrat oder die Verwaltungseinheit innerhalb
der von der Bundesversammlung umschriebenen
allgemeinen Zweckbestimmung bis zum bewilligten Kreditbetrag einzelne Verpflichtungstranchen ausscheiden kann.
Der Jahreszusicherungskredit ist die mit dem
Voranschlag erteilte Ermächtigung, während des
Voranschlagsjahres im Rahmen des bewilligten
Kredites finanzielle Leistungen zuzusichern. In
der Regel wird die Geltungsdauer der einzelnen
Zusicherung begrenzt.
Zahlungsrahmen
Der Zahlungsrahmen ist ein von der Bundesversammlung für mehrere Jahre festgesetzter
Höchstbetrag der Voranschlagskredite für bestimmte Ausgaben. Er stellt keine Kreditbewilligung dar. Die erforderlichen Voranschlagskredite
müssen jährlich im Budget beantragt und vom
Parlament beschlossen werden. Zahlungsrahmen
sind in der Regel für Bereiche erforderlich, bei
denen Zusicherungen und Zahlungen in das gleiche Jahr fallen und gleichzeitig eine längerfristige
Ausgabensteuerung geboten ist.
7.4.2 Voranschlagskredite
Der Voranschlagskredit ermächtigt die Verwaltungseinheit für den angegebenen Zweck und
innerhalb des bewilligten Betrags während des
Voranschlagsjahres laufende Ausgaben zu tätigen und nicht finanzierungswirksamen Aufwand
zu verbuchen (Aufwandkredit) sowie Investitionsausgaben auszulösen (Investitionskredit). Der
Aufwandkredit umfasst auch Kreditelemente, die
nicht ausgabenwirksam sind. Zu nennen sind insbesondere die Abschreibungen oder die für Leistungsbezüge bei anderen Verwaltungseinheiten
beanspruchten Ressourcen.
Der Globalkredit ist ein Voranschlagskredit mit
allgemein umschriebener Zweckbestimmung. Er
gelangt insbesondere für jene Fälle zur Anwendung, in denen die Budgetierung des Kreditbedarfs auf Stufe der Verwaltungseinheiten mit
grossen Unsicherheiten behaftet ist, so namentlich im Personalbereich (Lohnmassnahmen vor
der Bewilligung durch das Parlament) oder bei
Informatikprojekten. Mit der zentralen Budgetierung erhöht sich der Handlungsspielraum bei
der Kreditverwendung beziehungsweise Mittelzuteilung.
Mit der Kreditabtretung weist der Bundesrat
(bzw. ein Departement) Kreditbeträge aus einem
Globalkredit einzelnen Verwaltungseinheiten zu.
Mit dem Instrument der Kreditabtretung sind die
Departemente in der Lage, den Mitteleinsatz auf
Verwaltungsebene zu steuern.
Die Kreditverschiebung ist die dem Bundesrat mit
dem Beschluss über den Voranschlag ausdrücklich erteilte Befugnis, einen Voranschlagskredit
zulasten eines anderen zu erhöhen. Dies ermöglicht es dem Bundesrat, im Rahmen dieser Befugnis zwischen verschiedenen bewilligten Voranschlagskrediten Umlagerungen vorzunehmen. In
begrenztem Umfang sind insbesondere Verschiebungen zwischen Personalaufwandkrediten und
Aufwandkrediten für externe Beratungs- und
97
7 Ausgaben und Aufwände
notwendig, damit die sich in der Regel erst im
Rahmen des Rechnungsabschlusses aufdrängenden Buchungen vorgenommen werden
können. Im Vordergrund stehen Wertberichtigungen auf Darlehen und Beteiligungen sowie
auf Guthaben und Finanzanlagen, wenn der
Buchwert aus Bonitätsgründen nach unten
korrigiert werden muss oder der Verkehrswert
unter dem Buchwert liegt. Kreditüberschreitungen resultieren schliesslich auch im Falle
der Auflösung von FLAG-Reserven (soweit der
mit dem Globalbudget bewilligte Plafond nicht
ausreicht), aus zeitlichen Abgrenzungsbuchungen, im Falle eines wechselkursbedingten
Mehrbedarfs sowie bei einem verminderten
Münzumlauf. Bei Beträgen ab 5 Millionen bedarf die Kreditüberschreitung der Zustimmung
der Finanzdelegation.
Unterstützungsleistungen sowie zwischen dem
Investitionskredit für bauliche Massnahmen und
dem Kredit zur Deckung des laufenden Betriebsaufwands im ETH-Bereich vorgesehen.
Der Nachtragskredit ist ein in Ergänzung des
Voranschlags nachträglich bewilligter Voranschlagskredit. Er ist in jenen Fällen unverzüglich
zu beantragen, in denen ein Aufwand oder eine
Investitionsausgabe unvermeidlich ist und kein
ausreichender Voranschlagskredit zur Verfügung
steht. Keine Nachtragskredite sind erforderlich
für nicht budgetierte Anteile Dritter an bestimmten Einnahmen, Fondseinlagen aus zweckgebundenen Einnahmen sowie nicht budgetierte
Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen. Im Nachtragskreditbegehren ist der
zusätzliche Kreditbedarf eingehend zu begründen. Es ist nachzuweisen, dass der Mittelbedarf
nicht rechtzeitig vorhergesehen werden konnte,
ein verzögerter Leistungsbezug zu erheblichen
Nachteilen führen würde und nicht bis zum
nächsten Voranschlag gewartet werden kann. Im
Einzelnen sind zu unterscheiden:
•
Der ordentliche Nachtrag (ohne Vorschuss):
Er wird von den eidgenössischen Räten mit
dem Nachtrag I (Sommersession) oder dem
Nachtrag II (Wintersession) zum Voranschlag
bewilligt.
•
Der Nachtragskredit mit Vorschuss: Dringliche
Zahlungen werden vom Bundesrat mit Zustimmung der Finanzdelegation (Vorschuss) beschlossen. Die Anwendung dieses Instruments
ist auf jene Fälle zu begrenzen, die keinen Aufschub erdulden.
•
Die Kreditüberschreitung: Nachtragskredit mit
Vorschuss, der vom Bundesrat erst nach Verabschiedung der Botschaft zum Nachtrag II
beschlossen wird. Kreditüberschreitungen sind
98
•
Die Kreditübertragung: Ordentlicher Nachtrag
zur Fortführung bestimmter Werke, Arbeiten
oder Tätigkeiten, wenn im Vorjahr der dafür
bewilligte Voranschlagskredit nicht oder nur
teilweise beansprucht worden ist. Übertragungen auf das Folgejahr können durch den
Bundesrat beschlossen werden. Voraussetzung ist, dass der Grund für den Kreditrest in
einer zeitlichen Verzögerung des Vorhabens
im Vorjahr liegt. Der übertragene Kreditanteil
darf auch im Folgejahr nur für das betreffende
Vorhaben verwendet werden. Der Bundesrat
ist verpflichtet, in den Botschaften über die
Nachtragskreditbegehren oder, wenn dies
nicht möglich ist, mit der Staatsrechnung über
die Kreditübertragungen Bericht zu erstatten.
Der Bundesrat unterbreitet der Bundesversammlung die bevorschussten Aufwände und Investitionsausgaben in der Regel mit dem nächsten
Nachtrag zum Voranschlag, bei Kreditüberschreitungen jedoch mit der Staatsrechnung zur nachträglichen Genehmigung.
7 Ausgaben und Aufwände
7.5
Subventionen des Bundes
Gemäss Botschaft zum Voranschlag 2012 richtet
der Bund auf der Basis von rund 300 Tatbeständen in Verfassung und Gesetzen Subventionen
von 36 Milliarden aus. Die Subventionen umfassen damit mehr als die Hälfte der jährlichen Bundesausgaben.
Die Subventionen verteilen sich auf insgesamt
12 Aufgabengebiete. Gemäss Voranschlag 2012
wird der Bund den grössten Teil der Subventionen,
nämlich 46 Prozent, im Aufgabengebiet der Sozialen Wohlfahrt ausrichten. Mit 17 Prozent deutlich
geringer ist der Anteil, der auf den Bereich Bildung
und Forschung entfällt, gefolgt vom Verkehr mit
16 Prozent, der Landwirtschaft mit 10 Prozent und
den Beziehungen zum Ausland mit 7 Prozent. Auf
die übrigen Aufgabengebiete entfallen Anteile
von je einem Prozent oder weniger.
7.5.1 Subventionsbegriff
Der Bund trägt der gewichtigen Bedeutung
der Subventionen mit dem Bundesgesetz über
Finanzhilfen und Abgeltungen (Subventionsgesetz, SuG) Rechnung. Dieses regelt bereichsübergreifend, was unter einer Subvention zu verstehen ist und unter welchen Voraussetzungen
bzw. in welcher Form Subventionen ausgerichtet
werden. Zudem stellt das Gesetz einheitliche Bestimmungen auf über das Verfahren der Ausrichtung und Rückforderung von Subventionen. Das
Subventionsgesetz richtet sich insbesondere an
den Bundesrat und an die Verwaltung, die bei
der Regelung der einzelnen Subventionen in den
jeweiligen Sachgesetzen (Bundesgesetz über die
Alters- und Hinterlassenenversicherung, Bundesgesetz über die Landwirtschaft usw.) diesen allgemeinen Vorgaben zu entsprechen haben.
Das Subventionsgesetz unterscheidet zwischen
Finanzhilfen und Abgeltungen.
Finanzhilfen
Mit den Finanzhilfen fördert der Bund Tätigkeiten,
die im öffentlichen Interesse liegen, oder trägt zu
deren Erhaltung bei. Finanzhilfen werden an Dritte ausserhalb der zentralen Bundesverwaltung geleistet (Private oder Kantone). Finanzhilfen sind ein
wichtiges Instrument, um Initiative und Leistungen
Privater in Bereichen des öffentlichen Interesses
aufrechtzuerhalten. Bei den Finanzhilfen lautet die
Frage nach ihrer Berechtigung: «Ist es gerechtfertigt, dass der Bund eine bestimmte private Tätigkeit fördert bzw. zu ihrer Erhaltung beiträgt?»
Subventionen des Bundes nach Aufgabengebieten im Voranschlag 2012
Total Subventionen
VA 2012: 35,8 Mrd.
Verkehr 5,6 Mrd., 16 %
Landwirtschaft und Ernährung 3,6 Mrd., 10 %
Übrige Aufgabengebiete 1,6 Mrd., 4 %
Beziehungen zum Ausland –
Internationale Zusammenarbeit 2,6 Mrd., 7 %
Soziale Wohlfahrt
16,5 Mrd., 46 %
Bildung und Forschung 6,0 Mrd., 17 %
99
7 Ausgaben und Aufwände
Mit Finanzhilfen unterstützt der Bund private Eigentümer beispielsweise bei der Restaurierung
von schützenswerten Liegenschaften oder bei
der Waldpflege.
Gemäss Subventionsgesetz kann eine Finanzhilfe
insbesondere ausgerichtet werden, wenn
•
der Bund ein Interesse an der damit unterstützten Tätigkeit hat,
•
die private oder kantonale Tätigkeit ohne die
Bundesunterstützung nicht hinreichend ausgeübt würde,
•
alternative Finanzierungen nicht ausreichen
und
•
sich keine zweckdienlicheren Massnahmen
anbieten.
•
Lasten aus bundesrechtlich vorgeschriebenen
Aufgaben können
•
demjenigen entstehen, der die Aufgabe erfüllen muss (Beispiel: Der Bund entschädigt die
Landwirtschaft für Massnahmen zur Verhinderung der Abschwemmung und Auswaschung
von Böden) oder
•
bei einem Dritten anfallen, der nicht zur Aufgabenerfüllung verpflichtet ist, der aber von
mit der Aufgabenerfüllung einhergehenden
Beeinträchtigungen betroffen ist (Beispiel: Der
Bund leistet einen Beitrag an die Entschädigung von Wassernutzungsberechtigten für
erhebliche Einbussen, die aus der Erhaltung
und Unterschutzstellung schützenswerter
Landschaften von nationaler Bedeutung resultieren).
Rund zwei Drittel der bundesrechtlichen Subventionstatbestände dienen als Grundlage für
die Ausrichtung der Finanzhilfen. Betragsmässig
machen die Finanzhilfen etwas mehr als einen
Drittel der Subventionen aus.
Abgeltungen
Mit den Abgeltungen leistet der Bund Dritten eine Milderung oder einen Ausgleich von Lasten,
die ihnen aus vom Bund übertragenen oder aus
bundesrechtlich vorgeschriebenen Aufgaben
entstehen.
Bezüger von Abgeltungen aus Erfüllung von
übertragenen Aufgaben sind vielfach Organisationen und Unternehmen des Bundes, die solche
Aufgaben an seiner Stelle wahrnehmen. Abzugeltende Leistungen basieren unter anderem
•
direkt auf einem Gesetz oder einer Verordnung der Bundesversammlung (Beispiel: Die
Kantone erhalten eine Abgeltung für die Erhebung, Erneuerung und Nachführung von
Daten für die Amtliche Vermessung);
100
auf einem Vertrag (Beispiel: Transportunternehmungen erhalten eine Abgeltung für die
geplanten, ungedeckten Kosten des vom
Bund und den Kantonen bestellten Regionalverkehrs);
Bei den Abgeltungen stellt sich die Frage: «Ist es
gerechtfertigt, ein bestimmtes, rechtlich zwingend vorgeschriebenes Verhalten oder die Übernahme einer bestimmten öffentlichen Aufgabe
zu entschädigen?».
Gemäss Subventionsgesetz kann eine Abgeltung
insbesondere ausgerichtet werden, wenn die zu
erfüllende Aufgabe
•
nicht im überwiegenden Eigeninteresse des
Verpflichteten liegt,
•
diesem eine unzumutbare finanzielle Belastung auferlegt und
•
die mit der Aufgabe verbundenen Vorteile die
finanzielle Belastung nicht ausgleichen.
7 Ausgaben und Aufwände
Oft speziell als Beiträge an internationale Organisationen ausgewiesen werden Abgeltungen oder
Finanzhilfen an ausländische Staaten und internationale Organisationen oder Institutionen mit
Sitz im Ausland, da für diese das Subventionsgesetz nur beschränkt gilt.
7.5.2 Überprüfung der Bundessubventionen
Das Subventionsgesetz verpflichtet den Bundesrat, die Subventionen des Bundes periodisch zu
überprüfen und dem Parlament über die Prüfergebnisse Rechenschaft abzulegen. Dieser
Verpflichtung entsprach der Bundesrat mit den
Subventionsberichten von 1997 und 1999. Ein
zweiter Bericht erschien im Jahr 2008. Die dritte Subventionsüberprüfung ist für das Jahr 2014
vorgesehen.
Im Rahmen der Subventionsüberprüfung ist namentlich abzuklären, ob die vom Bund ausgerichteten Finanzhilfen und Abgeltungen
•
durch ein Bundesinteresse hinreichend begründet sind,
•
ihren Zweck auf wirtschaftliche und wirkungsvolle Art erreichen,
•
einheitlich und gerecht geleistet werden,
•
in ihrer Ausgestaltung den finanzpolitischen
Erfordernissen Rechnung tragen sowie
•
einer sinnvollen Aufgaben- und Lastenverteilung
zwischen Bund und Kantonen entsprechen.
Die periodische Subventionsüberprüfung soll
eine wirksame und wirtschaftliche Ausrichtung
der Subventionen gewährleisten; damit verbundene Entlastungen des Bundeshaushaltes sind
willkommene Nebeneffekte im Sinne einer nachhaltigen Finanzpolitik, stehen jedoch nicht im
Vordergrund.
Dennoch stellt die Subventionsüberprüfung ein
wichtiges Element des bundesrätlichen Konzeptes zur Haushaltssanierung dar. Durch einen
Verzicht auf überholte Subventionen, eine Reduktion überhöhter Beiträge, eine zweckmässigere Ausgestaltung komplizierter und wenig
zielgerichteter Subventionssysteme sowie eine
stufengerechtere Aufgaben- und Lastenverteilung zwischen Bund und Kantonen lassen sich
zumindest mittelfristig Entlastungen der öffentlichen Haushalte und spürbare Verbesserungen
der staatlichen Aufgabenerfüllung erzielen.
7.5.3
Sonderfall Subventionen in Form
von Steuervergünstigungen
Subventionen können nicht nur ausgaben-,
sondern auch einnahmenseitig mittels Steuererleichterungen gewährt werden. Eine einnahmenseitige Subvention liegt vor, wenn der Bund in
Zusammenhang mit einer bestimmten Aufgabe
auf Steuern oder Abgaben verzichtet und damit
einem Dritten ausserhalb der zentralen Bundesverwaltung einen geldwerten Vorteil ohne
marktübliche Gegenleistung zur Unterstützung
einer freiwilligen Tätigkeit einräumt. Beispiele
dafür sind:
•
Juristische Personen mit Sitz in der Schweiz
und öffentlicher oder gemeinnütziger Zweckbestimmung sind von der Entrichtung der direkten Bundessteuer ausgenommen.
•
Die Spitalbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung in Spitälern im Bereich der Humanmedizin sind von der Mehrwertsteuer befreit.
•
Bei Verwendung des Treibstoffs für land- oder
forstwirtschaftliche Zwecke erstattet der Bund
die Mineralölsteuer zurück.
Die OECD hebt in ihren Empfehlungen zur Handhabung der Steuervergünstigungen namentlich
die geringeren administrativen Kosten dieser
Subventionen hervor.
101
7 Ausgaben und Aufwände
Einnahmenseitige Subventionen weisen aber
auch gewichtige Nachteile auf. Insbesondere lassen sie sich betragsmässig höchstens aufgrund
von Schätzungen ermitteln. Sie entziehen sich als
versteckte Subventionen einer parlamentarischen
Steuerung im Rahmen des Budgetprozesses und
finden keinen Ausweis in der Staatsrechnung.
Sie verstossen damit nicht nur gegen die gesetzlichen Grundsätze der Transparenz und der
Vollständigkeit, sondern auch gegen das Bruttoprinzip und führen insofern zu einer Unterschätzung der Staatsquote. Insgesamt können sich
einnahmenseitige Subventionen unbemerkt zu
unerwünschten Giesskannensubventionen entwickeln. Deshalb schreibt das Subventionsgesetz
vor, auf Finanzhilfen in Form von steuerlichen
Vergünstigungen in der Regel zu verzichten.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) zeigt
in ihrem Bericht vom 2.2.2011 («Welche Steuervergünstigungen gibt es beim Bund?»), dass das
Schweizer Steuersystem auf Bundesebene viele
verschiedene Arten von Steuervergünstigungen
102
kennt. Insgesamt kann je nach verwendeter Definition von gegen 100 Steuervergünstigungen
gesprochen werden. Die Steuerausfälle betragen
zwischen 17–21 Milliarden, je nach angewendeter Berechnungsmethode, wobei eine grosse Anzahl Steuervergünstigungen nicht quantifiziert
werden konnte.
Mit einer Reduktion der Anzahl von Steuervergünstigungen könnte die Komplexität des Steuersystems reduziert werden. Ausserdem führt
jede Steuervergünstigung zu einer entsprechend
höheren Belastung des verbleibenden Steuersubstrats. Eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage durch eine Abschaffung von Steuervergünstigungen würde es erlauben, die Steuersätze zu
senken. Diese Strategie hätte eine Verbesserung
der gesamtwirtschaftlichen Effizienz zur Folge
und hätte positive Wachstumswirkungen. Aus
diesem Grund wird diese Strategie von der OECD
und in unzähligen Forschungsstudien als wachstumsorientierte Steuerreform empfohlen.
8 Sonderrechnungen
8.1
Fonds für die Eisenbahn-
grossprojekte (FinöV-Fonds)
8.1.1
Rechtsgrundlage, Struktur
und Kompetenzen
Artikel 196 Ziffer 3 der Bundesverfassung regelt
die Finanzierung der Eisenbahngrossprojekte
Bahn 2000 (1. Etappe und Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur [ZEB]), Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT), Anschluss der
Ost- und Westschweiz an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz sowie den Lärmschutz entlang der Eisenbahnstrecken.
Um einen reibungslosen finanztechnischen
Ablauf des Investitionsprogramms zu gewährleisten, wurde gemäss Absatz 3 der Fonds für
die Eisenbahngrossprojekte errichtet. Die entsprechenden Verfahren sind mit dem Bundesbeschluss vom 9.10.1998 über das Reglement
des Fonds für die Eisenbahngrossprojekte (SR
742.140) festgelegt worden. Die folgende Grafik
zeigt das Grundprinzip des Fonds.
Fonds für die Eisenbahngrossprojekte Werte gemäss Rechnung 2010 in Mio. CHF
Zweckgebundene Einlagen
Entnahmen für Projekte
NEAT (1280)
LSVA (968)
BAHN 2000 (39)
Mehrwertsteuer (316)
FinöV Fonds
HGV-Anschluss (98)
Lärmschutz (140)
Mineralölsteuer (320)
Bevorschussungszinsen (203)
Bevorschussung
103
8 Sonderrechnungen
Der FinöV-Fonds hat die Form eines rechtlich unselbständigen Fonds mit eigener Rechnung. Es
wird eine Erfolgsrechnung und eine Bilanz geführt.
Refinanzierung der dem Fonds gewährten Mittel
bezahlt, werden dem Fonds automatisch belastet
und im gleichen Jahr in der Erfolgsrechnung des
Bundes als Ertrag verbucht.
Die Erfolgsrechnung umfasst:
•
den Ertrag: Dieser setzt sich zusammen aus den
Fondseinlagen in Form von zweckgebundenen
Einnahmen, aus der Aktivierung von Darlehen
sowie aus Aktivzinsen auf den Darlehen.
•
den Aufwand: Dieser besteht aus den Entnahmen für die einzelnen Projekte, aus Rückzahlungen der Verpflichtungen des Fonds, aus
Passivzinsen auf den Verpflichtungen des Fonds
sowie aus der Abschreibung von Aktiven;
Die für die Eisenbahngrossprojekte zweckgebundenen Einnahmen nach Artikel 196 Ziffer 3 Absatz 2 BV (Mineralölsteuermittel, Mehrwertsteuer
und Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe)
werden in der Erfolgsrechnung des Bundes erfasst und im gleichen Jahr zwecks Einlage in den
Fonds als Ausgaben in der Investitionsrechnung
verbucht. Der Bundesrat entscheidet periodisch,
in welchem Umfang die verschiedenen vorgesehenen Finanzmittel (Art. 4 des Reglements)
in den Fonds eingespeist werden. Er stützt sich
dabei auf eine Finanzplanung, welche die Kostendeckung der Projekte sicherstellt. Der Bundesrat erstellt eine dreijährige Finanzplanung und
informiert das Parlament über deren Ergebnisse
gleichzeitig mit dem Voranschlag (Art. 8 Abs. 2
des Reglements).
Die variabel verzinslichen und bedingt rückzahlbaren Darlehen an die Bahnen bleiben für die
Struktur der Bilanz und Erfolgsrechnung des
Fonds neutral, da sie unmittelbar nach der Aktivierung vorsorglich vollumfänglich wertberichtigt werden. Die Bevorschussung wird zu marktmässigen Bedingungen verzinst und ist über die
zweckgebundenen Einnahmen voll rückzahlbar.
Damit wird die Erfolgsrechnung des Bundes
durch die Bevorschussung per saldo nicht belastet; die Zinsen, die der Bund am Kapitalmarkt zur
104
Das Fondsbudget sowie die Fondsrechnung sind
in den Botschaften über den Voranschlag und die
Staatsrechnung des Bundes integriert (Band 4).
Damit ist die parlamentarische Budgethoheit gewährleistet. Die Bundesversammlung legt zusammen mit dem jährlichen Voranschlag mit einfachem Bundesbeschluss fest, welche Mittel für die
verschiedenen Projekte eingesetzt werden sollen.
Dazu genehmigt sie für jedes Projekt einen Voranschlagskredit (Art. 3 des Reglements). Die Bundesversammlung muss ebenfalls die Rechnung
des FinöV-Fonds genehmigen (Art. 8 Abs. 1 des
Reglements).
8.1.2 Funktionsweise des Fonds
Bis zur Fertigstellung der NEAT ist wegen der
Kumulation der Projekte eine Investitionsspitze
zu verzeichnen. Während dieser ersten Phase
reichen die zweckgebundenen Einnahmen zur
Deckung des jährlichen Aufwands des Fonds
nicht aus. Der Fehlbetrag in der Erfolgsrechnung
wird jährlich durch Vorschüsse (Art. 6 Abs. 1 des
Reglements) gedeckt, die sich in der Fondsbilanz
kumulieren. Die kumulierte Bevorschussung darf
8,6 Milliarden (Preisbasis 1995) nicht übersteigen
(Art. 6 Abs. 2 des Reglements). Bis Ende 2010
wurde die Bevorschussung indexiert. Für diese
Vorfinanzierung muss der Bund seinerseits die
notwendigen Mittel temporär auf dem Kapitalmarkt aufnehmen, wodurch die Staatsverschuldung ansteigt.
In der zweiten Phase der Fondslaufzeit (nach Fertigstellung der NEAT) werden die im Verfassungsartikel vorgesehenen Finanzmittel (zweckgebundenen Einnahmen) die Entnahmen aus dem Fonds
für die verschiedenen Projekte übersteigen. Es
kommt somit zu einem jährlichen Finanzierungsüberschuss. Gemäss Artikel 6 Absatz 3 des Fondsreglements sind nach der kommerziellen Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels (voraussichtlich
8 Sonderrechnungen
2016) mindestens 50 Prozent der zweckgebundenen Fondseinlagen (Art. 196 Ziff. 3 Abs. 2 Bst. b
und e BV) zur Rückzahlung der Bevorschussung
einzusetzen. Diese Regelung gilt, bis die gesamte
Bevorschussung zurückbezahlt ist. Damit werden
sich die Verpflichtungen des Fonds gegenüber
dem Bund und das negative Eigenkapital in der
Fondsbilanz reduzieren. In der Bilanz des Bundes
nimmt die unter dem Finanzvermögen eingestellte
Bevorschussung ab; entsprechend geht auch die
auf die Eisenbahngrossprojekte zurückzuführende
Verschuldung des Bundes zurück.
Es wird eine Erfolgsrechnung und eine Bilanz geführt, ergänzt mit einer Liquiditätsrechnung, die
den Stand der Fondsmittel aufzeigt.
Die Erfolgsrechnung umfasst:
•
den Ertrag: Dieser setzt sich zusammen aus den
Einlagen sowie den Aktivierungen der Nationalstrassen im Bau und der Darlehen an Schienenprojekte des Agglomerationsverkehrs.
•
den Aufwand: Dieser setzt sich zusammen
aus den Entnahmen für die Finanzierung der
Aufgaben (Netzvollendung, Engpassbeseitigungen, Massnahmen im Bereich der Agglomerationen, Hauptstrassen in Berg- und
Randregionen) sowie der Wertberichtigung
für die Darlehen an Schienenprojekte des Agglomerationsverkehrs. Auch die Nationalstrassen im Bau werden vollständig wertberichtigt.
Bei den Entnahmen für die Nationalstrassen
wird nach aktivierbaren und nichtaktivierbaren Anteilen unterschieden. Der Bund kann
Ausgaben im Zusammenhang mit dem Nationalstrassenbau nur aktivieren, wenn ihm ein
entsprechender Vermögenswert zugeht. Nicht
aktivierbar sind deshalb Ausgaben für Anlagen, die in den Besitz der Kantone übergehen
(z.B. Schutzbauwerke gegen Naturgefahren
ausserhalb des Nationalstrassenperimeters,
Verbindungsstrassen von den Nationalstrassen
zum untergeordneten Strassennetz usw.) oder
Ausgaben anderer Art (z.B. Landumlegungen,
Archäologie, ökologische Ausgleichsmassnahmen usw.).
Sobald die verschiedenen Projekte abgeschlossen
sind und die zu marktmässigen Bedingungen verzinste Bevorschussung vollständig zurückbezahlt
ist, wird der Fonds aufgelöst. Mit der vom Bundesrat als Gegenentwurf zur Volksinitiative «Für
den öffentlichen Verkehr» vorgeschlagenen Lösung würde der FinöV-Fonds mit sämtlichen Aktiven und Passiven in einen zeitlich unbefristeten
Bahninfrastrukturfonds (BIF) überführt.
8.2
Infrastrukturfonds
8.2.1
Rechtsgrundlage, Struktur
und Kompetenzen
Der Infrastrukturfonds für den Agglomerationsverkehr, das Nationalstrassennetz sowie Hauptstrassen in Berggebieten und Randregionen ist
auf Artikel 86 Absatz 3 und 173 Absatz 2 BV
abgestützt. Das Infrastrukturfondsgesetz vom
6.10.2006 (IFG, SR 725.13) regelt die Grundsätze
des Fonds. Im Bundesbeschluss über den Gesamtkredit für den Infrastrukturfonds vom 4.10.2006,
wurde die Verteilung auf die verschiedenen Aufgabengebiete festgehalten (Art. 1). In der Verordnung über die Verwendung der zweckgebundenen Mineralölsteuer (MinVV, SR 725.116.21)
werden schliesslich die Verfahren präzisiert. Das
Infrastrukturfondsgesetz wurde auf den 1.1.2008
in Kraft gesetzt.
Der Infrastrukturfonds hat die Form eines rechtlich unselbständigen Fonds mit eigener Rechnung.
Die Bilanz setzt sich wie folgt zusammen (wesentliche Positionen):
•
Umlaufvermögen: die verfügbaren Mittel bestehen zur Hauptsache aus den Forderungen
an den Bund. Hierzu ist zu erläutern, dass der
Infrastrukturfonds über keine flüssigen Mittel
verfügt, da die Liquidität fortlaufend und nur
im Ausmass des tatsächlichen Mittelbedarfs
durch den Bund bereitgestellt wird.
105
8 Sonderrechnungen
•
•
Anlagevermögen: Dieses setzt sich aus den
aktivierten und wertberichtigten Nationalstrassen im Bau sowie den aktivierten und wertberichtigten, bedingt rückzahlbaren Darlehen
an den Schienenverkehr (Stadtbahnen und
Trams in den Agglomerationen) zusammen.
Eigenkapital: Dieses ist eine sich aus den Aktiven nach Abzug des Fremdkapitals ergebende
Residualgrösse.
Die Bundesversammlung hat mit dem Bundesbeschluss vom 4.10.2006 einen Verpflichtungskredit
(Gesamtkredit) für den Infrastrukturfonds von 20,8
Milliarden (Preisstand 2005, ohne Teuerung und
Mehrwertsteuer) bewilligt. Bereits freigegeben wurden die Tranchen des Gesamtkredites für die Fertigstellung des Nationalstrassennetzes (8,5 Mrd.),
die Mittel für die Realisierung von dringenden und
baureifen Projekten des Agglomerationsverkehrs
(2,6 Mrd.) sowie die Beiträge an Hauptstrassen in
Berggebieten und Randregionen (800 Mio.). Mit
Beschlüssen vom 21.9.2010 gab das Parlament
erstmalig Mittel für die realisierungsreifen Vorhaben des Programms Engpassbeseitigung auf den
Nationalstrassen und des Programms Agglomerationsverkehr ab 2011 frei. Weitere Mittelfreigaben
aus diesen beiden Programmen werden der Bundesversammlung periodisch unterbreitet.
Während der Laufdauer des Fonds genehmigt
die Bundesversammlung jährlich die Rechnung
des Fonds sowie – zusammen mit dem Voranschlag – die Entnahmen aus dem Fonds für die
einzelnen Aufgaben. Sie beschliesst im Rahmen
des Voranschlags des Bundes zudem über die
jährlichen Einlagen in den Fonds. Gemäss Artikel 9 IFG darf sich der Fonds nicht verschulden.
Der Bundesrat erstellt eine Finanzplanung des
Fonds, die er dem Parlament jährlich zusammen
mit dem Voranschlag oder im Rahmen des Legislaturfinanzplans zur Kenntnis bringt. Im Übrigen
verfügt der Bundesrat über die Kompetenz, den
Gesamtkredit um die ausgewiesene Teuerung
und die Mehrwertsteuer zu erhöhen.
106
8.2.2 Funktionsweise des Infrastrukturfonds
Der Bund legt Mittel in den Infrastrukturfonds
ein. Dort werden diese gemäss den Vorgaben des
Infrastrukturfondsgesetzes wie folgt verwendet:
•
Fertigstellung des beschlossenen National­
strassennetzes nach Artikel 197 Ziffer 3 BV
•
Beseitigung von Engpässen im Nationalstrassennetz
•
Investitionen des Agglomerationsverkehrs
•
Beiträge an Hauptstrassen in Berggebieten
und Randregionen
Dem Infrastrukturfonds wurde mit der Inkraftsetzung eine Ersteinlage in Höhe von 2,6 Milliarden
gutgeschrieben. Die Ersteinlage kann gemäss
Artikel 2 Absatz 2 des IFG nur für die Fertigstellung des Nationalstrassennetzes, die Engpassbeseitigung und die Beiträge an Hauptstrassen verwendet werden. Diese Bedingungen gelten auch
für die zusätzliche Einlage von 850 Millionen, die
das Parlament per 2011 zur Verbesserung der
Liquidität des Infrastrukturfonds am 1.10.2010
beschlossen hat.
Die Ausgaben des Agglomerationsverkehrs sind
demgegenüber aus den jährlichen Einlagen zu
finanzieren.
Die Einlagen in den Infrastrukturfonds sind
gemäss Artikel 2 Absatz 3 IFG so zu dimensionieren, dass sowohl die über den Fonds finanzierten
Aufgaben wie auch die übrigen Aufgaben nach
Artikel 86 Absatz 3 BV über genügend Mittel
verfügen.
Der Infrastrukturfonds ist auf 20 Jahre befristet
(Art. 13 IFG).
8 Sonderrechnungen
8.3
Bereich der Eidgenössischen Technischen Hochschulen
8.3.1 Struktur und Führung des ETH-Bereiches
Der ETH-Bereich umfasst die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Zürich (ETH
Zürich) und Lausanne (EPFL), das Paul Scherrer Institut (PSI), die Eidgenössische Forschungsanstalt
für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) und die Eidgenössische Anstalt
für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und
Gewässerschutz (Eawag). Der ETH-Rat als strategisches Führungsorgan mit seinem Stab und die
ETH-Beschwerdekommission als unabhängiges
Beschwerdeorgan gehören ebenfalls dazu.
Verpflichtungskredit vorsieht. Der Verpflichtungskredit zum Bauprogramm des ETH-Bereichs wird
dem Parlament mit der jährlichen Botschaft zum
Voranschlag (Bundesbeschluss über den Voranschlag) unterbreitet. Der entsprechende Voranschlagskredit (620/A4100.0125 ETH-Bauten) ist
im BBL eingestellt. Der Zahlungsrahmen stellt
jedoch keine Ausgabenbewilligung dar. Die erforderlichen Kredite werden jährlich vom Parlament
beschlossen. Die Voranschlagskredite für den Betrieb sind in der Verwaltungseinheit ETH-Bereich
(328/A2310.0346 Finanzierungsbeitrag an den
ETH-Bereich) eingestellt.
Die Führung des ETH-Bereichs wird durch den
Bundesrat mittels Leistungsauftrag wahrgenommen. Der Leistungsauftrag wird dem Parlament
durch den Bundesrat alle vier Jahre zur Genehmigung unterbreitet. Der ETH-Rat seinerseits
führt die ETH und die Forschungsanstalten mit
vierjährigen Zielvereinbarungen, basierend auf
dem Leistungsauftrag des Bundesrates. Die Beurteilung der Auftragserfüllung durch den ETH-Rat
zuhanden des Bundesrates erfolgt am Ende einer
Leistungsperiode in Form eines Leistungsberichts.
Den eidgenössischen Räten werden jährlich der
Voranschlag, die Rechnung sowie der Budgetund der Rechenschaftsbericht unterbreitet.
Zur Förderung der Kostentransparenz wird die
Verrechnung der Unterbringung in Analogie zum
Mietermodell auch auf die bundeseigenen Immobilien im ETH-Bereich angewendet. Der Beitrag des Bundes für die Unterbringung des ETHBereichs wird als finanzierungswirksamer Aufwandkredit im ETH-Bereich eingestellt. Beim BBL
wird ein Ertragskredit in selber Höhe geführt. Der
Mitteltransfer erfolgt durch Verrechnung, d.h. er
ist nicht liquiditätswirksam. Der Bundesbeitrag
an die Unterbringungskosten ist nicht Bestandteil
des laufenden Zahlungsrahmens.
8.3.2 Finanzielle Steuerung des ETH-Bereichs
Zur Deckung des Finanzbedarfs des ETH-Bereichs
wird im Rahmen der Botschaft über die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation
(BFI-Botschaft) ein vierjähriger Zahlungsrahmen
beantragt.
Mit dem Zahlungsrahmen sollen der gesamte Betrieb des ETH-Bereichs im Rahmen des
Leistungsauftrages sowie sämtliche Investitionen abgedeckt werden. Da die Immobilien im
Eigentum des Bundes sind, gilt für diesen Bereich
das Finanzhaushaltgesetz, welches für Bauvorhaben und Liegenschaftskäufe zwingend den
8.3.3 Rechnung des ETH-Bereichs
Die Rechnungslegung des ETH-Bereichs erfolgt
gemäss Verordnung über das Rechnungswesen
des ETH-Bereichs sowie den Grundsätzen der
kaufmännischen Buchführung. Der Voranschlag
setzt sich zusammen aus der konsolidierten Erfolgs-, der Investitions- und der Mittelflussrechnung. Die konsolidierte Erfolgsrechnung zeigt
den Ertrag und den Aufwand des ETH-Bereichs.
Die Investitionsrechnung enthält die Ausgaben
für die Beschaffung der Immobilien im Eigentum
der ETH und Forschungsanstalten, der Mobilien
und der Informatik. Die Mittelflussrechnung zeigt
die Ergebnisse aus laufenden Aktivitäten (Cash
Flow), aus investiven Aktivitäten sowie aus den
Finanzierungsaktivitäten.
107
8 Sonderrechnungen
8.4
Eidgenössische Alkoholverwaltung
8.4.1 Allgemeines
Die Eidgenössische Alkoholverwaltung (EAV) ist
verantwortlich für den Vollzug der Alkoholgesetzgebung. Die gesetzlichen Grundlagen, die
für die EAV massgebend sind, finden sich in Artikel 105, 112, und 131 BV sowie im Alkoholgesetz
(SR 680). Als Steuerbehörde kontrolliert die EAV
Import, Produktion und Handel mit Spirituosen
sowie weitere, dem Alkoholgesetz unterstellte
Alkoholika. Ein wesentliches Ziel der Alkoholgesetzgebung ist, die schädlichen Wirkungen des
Alkoholkonsums einzudämmen. Dieser gesundheitspolitische Grundsatz ist in Artikel 105 BV
verankert. Ausserdem räumt Artikel 131 BV dem
Bund die Kompetenz ein, «gebrannte Wasser»
zu besteuern.
Experten der Alkoholprävention attestieren den
staatlichen Steuerungsmassnahmen im Alkoholbereich eine besonders wirksame und nachhaltige Funktion. Zu diesen staatlichen Instrumenten
zählen namentlich die Steuer auf Spirituosen, die
entsprechenden Kontrollen des Marktes, aber
auch Handels- und Werbebestimmungen.
Um die Besteuerung zu gewährleisten, müssen
die Produktions-, Import- und Handelsbetriebe
überwacht werden. Im Sinne einer wirksamen
und effizienten Kontrolle werden die entsprechenden Arbeiten risikoorientiert vorgenommen.
Das System basiert zum einen auf Kontrollen an
Ort und Stelle, zum anderen auf den Revisionen
anhand der Geschäftsbücher. Die in Kontrolle
und Revision ausgebildeten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben die Kompetenz, Strafuntersuchungen durchzuführen.
Nach Artikel 44f des Alkoholgesetzes geht der
Reinertrag der EAV zu 90 Prozent an die AHV/IV,
während die Kantone (verteilt nach ihrer Bevölkerungszahl) die restlichen 10 Prozent erhalten.
Letztere verwenden ihren Anteil zur Bekämpfung
108
des Suchtmittelmissbrauchs. Der erwirtschaftete
Reinertrag betrug in den letzten Jahren durchschnittlich über 260 Millionen.
Das Profitcenter der EAV, Alcosuisse, verkauft
hochgradigen Ethanol für industrielle Anwendungen. Der Rohstoff wird für die Lebensmittelindustrie, für chemisch-technische sowie für
pharmazeutische und kosmetische Zwecke verwendet.
8.4.2 Rechnung der EAV
Das Finanz- und Rechnungswesen der EAV wird
nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt (Verordnung über das Finanz- und Rechnungswesen der EAV). Budget und Rechnung
der EAV setzen sich insbesondere aus der Erfolgsund der Investitionsrechnung zusammen.
Aus der Erfolgsrechnung sind der Aufwand (Personal, Sachaufwand, Alkoholprävention), der Ertrag (Verkauf Ethanol, Fiskaleinnahmen, Vermögenserträge, betriebsfremder Erfolg) sowie der
Reinertrag ersichtlich.
Die EAV führt eine Investitionsrechnung, in der
sie über die wertvermehrenden Ausgaben für
bauliche Anlagen, Betriebseinrichtungen, Fahrzeuge und Alkoholtransportbehälter Rechenschaft ablegt. Die Investitionen werden in dieser
Rechnung zum Beschaffungspreis aufgeführt
und nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen
in der Erfolgsrechnung abgeschrieben.
Das Profitcenter Alcosuisse wird mittels Leistungsauftrag, jährlicher Leistungsvereinbarung
und über ein Globalbudget gesteuert. Die Geschäftsführung erfolgt nach privatwirtschaftlichen Prinzipien.
8 Sonderrechnungen
8.4.3 Totalrevision der Alkoholgesetzgebung
Die Alkoholpolitik des Bundes steht vor Reformen. Der Bundesrat hat im Jahr 2010 die Vernehmlassung über die Totalrevision der Alkoholgesetzgebung durchgeführt. In diesem Rahmen
schlägt er vor, das Steuer- und Kontrollsystem
im Bereich der Spirituosen wesentlich zu vereinfachen. Zudem sollen die Alkoholmonopole
aufgehoben werden. Entsprechend soll sich der
Bund aus dem Import, dem Handel und Verkauf
von Ethanol zurückziehen. Die EAV wurde beauftragt, die Zukunft ihres Profitcenters Alcosuisse,
namentlich dessen Privatisierung anzugehen.
Ohne Alcosuisse kann die EAV sodann in die zentrale Bundesverwaltung reintegriert werden, womit auch die Sonderrechnung wegfallen dürfte.
109
9 Geldbeschaffung, Vermögens- und Schuldenbewirtschaftung
Die Bundestresorerie stellt die ständige Zahlungsbereitschaft des Bundes und seiner Betriebe und Anstalten sicher. Zu den Hauptaufgaben
der Bundestresorerie zählen das Schuldenmanagement (Mittelbeschaffung am Geld- und
Kapitalmarkt), das Liquiditätsmanagement (Liquiditätsplanung, kurzfristige Anlage des Liquiditätsbestandes resp. kurzfristige Deckung von
Liquiditätslücken) sowie die zentrale Beschaffung
und Bewirtschaftung von Devisen. Die Deckung
der Finanzierungsbedürfnisse des Bundes hat dabei längerfristig zu möglichst tiefen Kosten bei
einem akzeptablen Grad an Risiko zu erfolgen.
Zum Ausgleich von Liquiditätsschwankungen
hält der Bund angemessene Tresoreriemittel, die
sicher und zinstragend angelegt werden.
Die Bewirtschaftung der Geld- und Kapitalmarktschulden des Bundes richtet sich nach folgenden
wesentlichen Zielsetzungen und Grundsätzen:
•
•
Das oberste Ziel ist die Sicherstellung der
Zahlungsbereitschaft des Bundes und der zugeordneten Institutionen und Verwaltungseinheiten. Dabei ist die Liquidität auf jenen Stand
zu beschränken, der als Sicherheit für nicht
planbare oder unerwartete Ereignisse gehalten wird und kurzfristig zur Verfügung stehen
muss.
Die Deckung der Finanzierungsbedürfnisse des
Bundes erfolgt, über einen längeren Zeitraum
betrachtet, zu möglichst tiefen Kosten bei akzeptablem Risiko (Grundsatz der Kosten/Risiko-Optimierung). Dabei soll die Finanzposition
Passivzinsen zuverlässig planbar sein, und deren jährliche Schwankungen sind zu beschränken. Das Fälligkeitsprofil der Schulden ist unter
Berücksichtigung des Refinanzierungsrisikos
ausgewogen zu gestalten.
•
Ein kosteneffizienter Zugang zum Geld- und
Kapitalmarkt ist laufend sicherzustellen. Dabei
stellen die Transparenz und Kontinuität der
Emissionstätigkeit, die Liquidität im Sekundärmarkt und die generelle Kontaktpflege zu Banken und Investoren wesentliche Elemente dar.
9.1
Mittelbeschaffung
Zur Finanzierung des intern nicht gedeckten
Mittelbedarfes nimmt der Bund am Geld- und
Kapitalmarkt Mittel auf. Hierzu werden zwei Instrumente eingesetzt:
•
Im Wochenrhythmus auktioniert die Tresorerie
Geldmarkt-Buchforderungen (GMBF) mit Laufzeiten von drei, sechs und zwölf Monaten;
•
In der Regel im Monatsrhythmus werden öffentliche Anleihen (Eidgenossen) mit fixem
Zinssatz und mehrjähriger Laufzeit emittiert.
Weiter wird für den Ausgleich kurzfristiger
Schwankungen der liquiden Mittel das Instrument der Geldmarktkredite (Overnightgeschäfte,
Kredite mit fester Laufzeit) eingesetzt.
9.1.1 Anleihen
Das wichtigste Instrument des Bundes zur Deckung seines Finanzierungsbedarfes sind die
Eidgenössischen Anleihen (kurz «Eidgenossen»).
Seit 1980 werden die Eidgenossen im Auktionsverfahren emittiert. Jeweils zu Jahresbeginn wird
ein Emissionskalender mit dem geplanten jährlichen Emissionsvolumen und den Auktions- und
Liberierungsdaten publiziert. Abgesehen von
einem Unterbruch im Sommer finden die Auktionen monatlich am zweiten Mittwoch statt. Die
Auktionen werden über die elektronische EUREXPlattform mittels eines Zinstenders durchgeführt.
111
9 Geldbeschaffung, Vermögens- und Schuldenbewirtschaftung
Bei der Ausgabe werden lediglich der Nominalzinssatz und die Laufzeit festgelegt, während
der Emissionsbetrag und der Ausgabepreis und
damit die Rendite aufgrund der eingereichten
Offerten der an der Plattform angeschlossenen
Teilnehmer (Banken, sowie Postfinance sowie
einzelne bedeutende institutionelle Anleger) bestimmt werden. Jeder Teilnehmer kann beliebig
viele Offerten, auch mit unterschiedlichen Preisen, einreichen. Die Zuteilung erfolgt nach dem
Einheitspreisverfahren (holländisches Verfahren),
d.h. einheitlich zum niedrigsten noch akzeptierten Preis. Es werden jene Teilnehmer berücksichtigt, die diesen oder einen höheren Preis geboten haben. Als Beauftragte des Bundes ist die
Schweizerische Nationalbank für die Abwicklung
der Auktion verantwortlich. Die Bundesanleihen
werden an der Schweizer Börse SIX Swiss Exchange kotiert.
Der Bund hält ein beschränktes Volumen an Titeln im Eigenbestand. Diese sogenannten Eigenquoten werden bei Auktionen zurückbehalten
und können bei Bedarf zwischen den ordentlichen Auktionsterminen direkt am Markt verkauft
werden. Sonst nimmt die Bundestresorerie nicht
aktiv am Handel mit Bundesobligationen teil.
Bundesobligationen enthalten eine ReopeningKlausel. Dadurch kann eine Anleihe mit der Ausgabe fungibler Obligationen (identische Anleihebedingungen) im Betrag erhöht werden. Mit dieser
Aufstockungsmöglichkeit erhöht sich die Liquidität und die Handelbarkeit der Bundesanleihen.
Im Durchschnitt hat der Bund rund 20 Anleihen
ausstehend, und i.d.R. wird pro Jahr eine Anleihe
zur Rückzahlung fällig. Pro Auktion werden durchschnittlich rund 500 Millionen aufgenommen. Eine erstmalig begebene Anleihe (Basisanleihe) wird
über ihre Laufzeit hinweg mittels Aufstockungen
sukzessive auf maximal 6–8 Milliarden erhöht.
Der Schweizer Kapitalmarkt ist der elftgrösste
Anleihemarkt weltweit. Ende 2010 waren gut
500 Milliarden ausstehend, die sich in etwa je
zur Hälfte auf in- und ausländische Schuldner
112
verteilte. Mit einem Anteil von rund 40 Prozent
am Inlandsegment ist der Bund der grösste
Schuldner und wichtigste Emittent am Schweizer Kapitalmarkt (Ende 2010: 81,5 Milliarden
ausstehend). In den letzten Jahren hat sich die
Emissionstätigkeit des Bundes im Zuge des Schuldenabbaus reduziert. Der Anteil des Bundes am
inländischen Emissionsvolumen (in den letzten
Jahren 20 bis 40 Milliarden jährlich) ist denn auch
deutlich unter das langjährige Mittel von 28 Prozent gesunken (aktuell rund 10 %).
9.1.2 Geldmarkt-Buchforderungen
Die Geldmarkt-Buchforderungen (GMBF, Treasury Bills) sind verzinsliche Schuldverschreibungen,
die von der EFV auf Diskontbasis emittiert werden. Es handelt sich dabei um handelbare Buchforderungen, die in einem zentralen Schuldbuch
bei der Schweizerischen Nationalbank eingetragen sind. Die Laufzeiten der GMBF betragen drei,
sechs und zwölf Monate. Insgesamt sind immer
16 GMBF ausstehend, davon elf 3-monatige, drei
6-monatige und zwei 12-monatige GMBF. Die
Auktionen erfolgen wöchentlich (Dienstag), analog zu den Anleihen in Form eines Zinstenders
mit holländischem Zuteilungsverfahren. Bei den
GMBF wird kein Nominalzins festgelegt. Die Verzinsung erfolgt in Form eines Diskontabschlags
bei der Ausgabe. Das bedeutet, dass die GMBF
grundsätzlich zu einem Preis kleiner 100 Prozent
des Nominalwertes emittiert werden. Die Rückzahlung erfolgt dann zu 100 Prozent. Im Zuge
der Finanz- und Schuldenkrise suchten viele Anleger Sicherheit um jeden Preis. So wurden die
GMBF über eine längere Zeit zu einem Preis von
100 Prozent emittiert, also ohne Diskontabschlag
und damit mit einer Nullverzinsung.
Seit Anfang Juni 2010 können die GMBF (wie
andere Geldmarktpapiere, insbesondere die SNB
Bills) auf einer Sekundärmarktplattform gehandelt werden. Die regelmässige Emission dieser
Geldmarktpapiere ist ein wichtiger Pfeiler in der
Refinanzierungspolitik des Bundes. Ein funktionierender und liquider GMBF-Markt erlaubt es
dem Bund, jederzeit auch grössere Volumina an
9 Geldbeschaffung, Vermögens- und Schuldenbewirtschaftung
Fremdmittel zu günstigen Konditionen aufzunehmen. In den vergangenen 10 Jahren betrug
das ausstehende GMBF-Volumen rund 12 Milliarden. Ende 2010 lag das ausstehende Volumen
an GMBF bei 9,2 Milliarden.
9.1.3 Geldmarktkredite
Im Rahmen des Liquiditätsmanagements kann
die Bundestresorerie zur Abdeckung vorübergehender Bedarfsspitzen Geldmarktkredite aufnehmen. Diese haben in der Regel eine Laufzeit von
wenigen Tagen. Der Geldmarkt ist der Markt für
die Aufnahme und Anlage von kurzfristigen Geldern. Als kurzfristig gelten im wesentlichen Gelder mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr.
9.2
Tresorerieanlagen
Die Liquiditätsbewirtschaftung orientiert sich an
der übergeordneten Zielsetzung der Sicherstellung der Zahlungsbereitschaft des Bundes. Aufgrund der schwierigen Planbarkeit der Zahlungsströme, namentlich bei der Verrechnungssteuer
und der direkten Bundessteuer, hält die Bundestresorerie liquide Mittel in einem angemessenen Ausmass. Um die Liquiditätshaltung und die
damit verbundenen Kosten zu limitieren, arbeitet
die Bundestresorerie mit Zielbandbreiten für die
Liquiditätsentwicklung, welche sowohl die saisonalen Schwankungen auf der Einnahmenseite als
auch Rückzahlungstermine von Anleihen berücksichtigen. Damit kann die Geldbeschaffung unter
Berücksichtigung der Marktpflege vermehrt auf
die Liquiditätsentwicklung abgestimmt werden.
Die kurzfristig ausgerichtete Anlagetätigkeit basiert auf einem Gegenparteienlimitenkonzept
und erfolgt nach den Kriterien Sicherheit, marktkonformer Ertrag und Diversifikation. Für die
Geldanlage stehen der Bundestresorerie folgende Instrumente zur Verfügung:
9.2.1 Liquide Mittel
Die liquiden Mittel hält die Bundestresorerie auf
ihrem Postkonto sowie auf ihrem Girokonto bei
der Nationalbank. Das Postkonto wird täglich
nach Abschluss der Buchungen mittels Transfer
auf das SNB-Konto auf null gestellt. Das Girokonto bei der Nationalbank wird bis zu einem Maximalbetrag von 200 Millionen zum Repo-Overnight-Index (Tagessatz für gesicherte Anlagen)
minus 0,1 Prozent verzinst. Die Bundestresorerie
ist bestrebt, den täglichen Stand so tief wie möglich zu halten.
9.2.2 Kurzfristige Anlagen
Festgeldanlagen mit Laufzeiten von bis zu einem
Jahr kann die Bundestresorerie bei Geschäftsbanken oder anderen Schuldnern mit sehr guter Bonität tätigen. Im Vordergrund steht dabei
die Sicherheit der Anlage, eine marktkonforme
Verzinsung sowie eine gewisse Diversifikation
unter den Gegenparteien, um Klumpenrisiken
zu vermeiden. Zu diesem Zweck besteht ein Limitenkonzept. Die Kreditlimiten werden pro Gegenpartei nach vordefinierten Kriterien festgelegt, namentlich Rating, Eigenkapital, Finanzkraft
(bei Kantonen), Diversifikation und Instrumente.
Die ausgesetzten Gegenparteienlimiten werden
regelmässig überprüft, und die Einhaltung der
Limiten wird täglich überwacht. Aufgrund einer
Vereinbarung zwischen der EFV und der Schweizerischen Nationalbank müssen auch Festgelder
im Gesamtbetrag von mindestens einer Milliarde
mit Laufzeiten von bis zu sechs Monaten bei der
Nationalbank angelegt werden. Bis zu diesem
Betrag kann der Bund sein Konto bei der Nationalbank innerhalb des Tages im Rahmen des
Zahlungsverkehrs kostenlos überziehen. Können
Liquiditätsengpässe nicht mit Geldmarktkrediten
gedeckt werden, was selten vorkommt, so können Festgeldanlagen bei der Nationalbank im erforderlichen Mass aufgelöst werden.
9.2.3 Wertschriften
Die Bundestresorerie kann als Alternative zu den
Festgeldern Anlagen in Form von Kassenobligationen und Obligationen tätigen. Von diesen
Anlagemöglichkeiten macht sie zurzeit wenig
Gebrauch.
113
9 Geldbeschaffung, Vermögens- und Schuldenbewirtschaftung
9.3
Schuldenbewirtschaftung und Risikosteuerung
Der Bund strebt bei der Bewirtschaftung seiner
Geld- und Kapitalmarktschulden eine Optimierung an zwischen den gegenläufigen Zielsetzungen, die Geldbeschaffungskosten möglichst
tief zu halten und gleichzeitig das Zins- und Refinanzierungsrisiko möglichst zu reduzieren. Historisch betrachtet stellt eine steigende Zinskurve
(kurzfristige Zinsen sind tiefer als längerfristige
Zinsen) den Normalfall dar. Die Erfahrung zeigt
aber auch, dass kurzfristige Zinsen grösseren
Schwankungen unterworfen (volatiler) sind als
längerfristige Zinsen. Mit einer Verkürzung der
durchschnittlichen Laufzeit des Schuldenportfolios können somit die Zinsausgaben reduziert
werden, gleichzeitig erhöht sich aber das Zinsund Refinanzierungsrisiko. Eine Verkürzung der
durchschnittlichen Laufzeit des Schuldenportfolios bedeutet, dass ein grösserer Teil des Schuldenportfolios innert kürzerer Zeit refinanziert
werden muss. Deshalb besteht das Risiko, dass
fällig werdende Schulden zu spürbar anderen
Zinssätzen refinanziert werden müssen. Dies
kann zu höheren Schwankungen der Zinsausgaben und im ungünstigen Fall zu höheren Zinsausgaben führen, was die Planbarkeit und das
Ausmass der Zinsausgaben negativ beeinflussen
kann.
Das grosse Volumen der Geld- und Kapitalmarktschulden, die dominante Position des Bundes im
CHF-Anleihemarkt sowie die aus Sicht des CHFKapitalmarktes relativ hohen jährlichen Fälligkeiten zwingen die Eidgenossenschaft, stetig und
regelmässig sowie mit absorbierbaren Transaktionsvolumina am Geld- und Kapitalmarkt aufzutreten. Damit kann sich die Eidgenossenschaft
letztlich der Zinsentwicklung nicht vollständig
entziehen. Entsprechend verfolgt der Bund einen
systematischen Ansatz zur Steuerung des Zinsrisikos und diversifiziert den Finanzierungsbedarf
der Geld- und Kapitalmarktschulden über einen
114
längeren Zeitraum. Die Laufzeiten sind so gewählt, dass rund 15–25 Prozent der Geld- und
Kapitalmarktschulden innert 12 Monaten fällig
werden. Im internationalen Vergleich kann das
damit verbundene Risiko als angemessen und die
verfolgte Strategie als eher konservativ bezeichnet werden.
Die Tresorerie ist bestrebt, die relevanten Laufzeiten der CHF-Zinskurve mittels Neuemissionen
und anschliessenden Aufstockungen der Basisanleihen abzudecken. Die ausstehenden Bundesobligationen bilden mit ihrer jeweiligen Restlaufzeit und der jeweiligen Rendite die Zinskurve
der Staatsanleihen. Diese Renditen gelten für die
Marktteilnehmer als risikoloser Zinssatz. Entsprechend ist die CHF-Zinskurve für die Marktteilnehmer die zentrale Referenzgrösse und unterstützt
einen effizienten Primär- und Sekundärmarkt
sowohl für die Obligationen als auch für davon
abgeleitete Zinsderivate. Um den Sekundärmarkthandel mit Bundesobligationen so weit als
möglich zu unterstützen, werden die Anleihen
regelmässig aufgestockt. Ein funktionierender
Sekundärmarkt ist nicht nur für die Marktteilnehmer vorteilhaft, sondern auch für den Bund, da
Sekundärmarktrenditen wiederum die Referenzgrösse für die laufende Emissionstätigkeit des
Bundes sind.
Zur Optimierung ihrer Aufgabenerfüllung kann
die Bundestresorerie auch derivative Finanzinstrumente, insbesondere Zinssatzswaps und Devisentermingeschäfte, einsetzen. Die Politik des
Einsatzes von Swaps wird vom Asset & Liability
Management Committee (ALCO) unter dem
Präsidium des Direktors der EFV festgelegt. Devisentermingeschäfte werden zur Absicherung von
Zahlungsverpflichtungen in Fremdwährungen
eingesetzt.
9 Geldbeschaffung, Vermögens- und Schuldenbewirtschaftung
9.4
Devisenbewirtschaftung
Die Bundestresorerie sichert den im Voranschlag budgetierten Fremdwährungsbedarf in
den Währungen Euro und USD systematisch
ab (sogenannte Budgetgeschäfte); die übrigen
Währungen werden nicht abgesichert und zu
laufenden Kursen abgerechnet. Die Beschaffung
mittels Terminkäufen erfolgt schrittweise parallel zum Budgetprozess mit dem Ziel, einen dem
Marktverlauf entsprechenden Durchschnittskurs
zu erzielen. Die Bundestresorerie stellt diese beschafften Fremdwährungen den Verwaltungseinheiten zum fixierten Budgetkurs zur Verfügung.
Primäre Zielsetzung dieses Vorgehens ist die Budgettreue und die Planbarkeit der Ausgaben in
Schweizer Franken und somit ein Vermeiden von
Nachtragskrediten aufgrund von ungünstigen
Währungskursentwicklungen.
Die Bundestresorerie verfolgt bei der Devisenabsicherung für die beiden Hauptwährungen
Euro und USD einen passiven Ansatz. Sie kauft
während des Budgetprozesses zwischen Februar
und Juli die Devisen gleichmässig verteilt und in
operativ sinnvollen und kosteneffizienten Einzeltransaktionen auf Termin.
Müssen aufgrund eines Verpflichtungskredites
Zahlungen in fremder Währung über mehrere
Jahre geleistet werden und überschreiten die
Zahlungen den Gegenwert von 50 Millionen, sichert die EFV in der Regel das Währungsrisiko ab
(sogenannte Spezialgeschäfte; alle Währungen).
Die Absicherung ist normalerweise unmittelbar
nach Bewilligung des Verpflichtungskredites
durch das Parlament vorzunehmen. Die Spezialgeschäfte werden gemeinsam mit der Verwaltungseinheit, der Abteilung Ausgabenpolitik und
der Bundestresorerie besprochen.
115
10 Steuerung und finanzielle Führung im «Konzern Bund»
10.1
Führen mit Leistungsauftrag und Globalbudget (FLAG)
10.1.1 Definition und Ziele
FLAG steht für eine moderne, wirkungsorientierte Verwaltungsführung in der zentralen
Bundesverwaltung. FLAG umfasst sowohl die
politische als auch die betriebliche Steuerung.
Mit dem Leistungsauftrag des Bundesrates und
den Globalbudgets erhalten die FLAG-Verwaltungseinheiten einen grösseren betrieblichen
Handlungsspielraum. Sie sind verantwortlich für
Zielerreichung und Berichterstattung. Der Ressourceneinsatz richtet sich nach den Leistungsund Wirkungszielen.
FLAG startete 1997 als Pilotprojekt. Bis Ende
2000 hatten elf Verwaltungseinheiten mit Unterstützung des Eidgenössischen Personalamtes und
der Eidgenössischen Finanzverwaltung auf FLAG
umgestellt.
2009 hat der Bundesrat mit der Verabschiedung
des vom Parlament geforderten Evaluationsberichtes FLAG 2009 seine Vorstellung zur Zukunft
der Verwaltungsführung ausgedrückt. Nach dem
positiven Ergebnis der Evaluation setzte er sich
zum Ziel, die ergebnisorientierte Verwaltungsführung in der Bundesverwaltung weiterzuentwickeln. In der Folge prüfte er mögliche Optionen. 2011 initialisierte der Bundesrat schliesslich
ein Projekt zur Weiterentwicklung der Verwaltungsführung (vgl. Kapitel 11.1.3f).
Die Verwaltungsführung nach den Grundsätzen
der Wirkungsorientierung schliesst folgende
Kernelemente ein:
•
Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit steigern:
Das Verwaltungshandeln orientiert sich an
Leistungen und Wirkungen. Die produktbezogene Kosten- und Leistungsrechnung fördert
das kostenbewusste Denken. Die Globalbudgets ermöglichen den Verwaltungseinheiten,
flexibel auf Veränderungen zu reagieren und
Vorgaben mit eigenen Lösungen wirkungsvoll
und effizient umzusetzen. Die Möglichkeit der
Reservenbildung schafft zusätzliche Anreize
zur wirtschaftlichen Leistungserbringung.
•
Politische Steuerung vom operativen Aufgabenvollzug trennen: FLAG stärkt die politische
Führung der Verwaltung. Die Art und Weise der
Leistungserbringung wird an die Verwaltungseinheit delegiert. Bundesrat und Parlament
prüfen das öffentliche Bedürfnis, setzen Prioritäten und legen Qualität und Quantität der zu
erbringenden Leistungen fest. Die Verwaltungseinheit erhält die Verantwortung und die Kompetenzen für die vollständige und rechtmässige
Umsetzung der politischen Vorgaben.
Zum Abschluss des Versuchs fand 2001 eine wissenschaftliche Evaluation statt. Die Ergebnisse
wurden dem Parlament zur Kenntnis gebracht.
Der Bundesrat beurteilte FLAG als taugliches und
zur Umsetzung geeignetes Konzept und empfahl
eine Ausdehnung auf weitere Verwaltungseinheiten. FLAG erhielt den Status eines definitiven
Programms mit einer Programmleitung in der
EFV.
2004 legte der Bundesrat in der Botschaft zur
Totalrevision des Bundesgesetzes über den eidgenössischen Finanzhaushalt eine Gesamtstrategie im FLAG-Bereich vor (BBI 2005 5, S. 35).
Darin äusserte er seinen Willen, die Anzahl der
mit FLAG geführten Verwaltungseinheiten bis
Ende 2007 zu verdoppeln und im besten Fall bis
Ende 2011 zu verdreifachen. 2012 werden 21
Verwaltungseinheiten mit Leistungsauftrag und
Globalbudget geführt.
117
10 Steuerung und finanzielle Führung im «Konzern Bund»
•
Transparenz erhöhen: Eine FLAG-Verwaltungseinheit zeigt auf, welche Leistungen und Wirkungen sie mit welchen finanziellen Mitteln
erbringt. Das Parlament kann mit diesen Informationen die Ergebnisse hinsichtlich der politischen Zielsetzung beurteilen.
•
Controlling nutzen: Das wirkungsorientierte
Controlling stellt führungsrelevante Informationen bereit, orientiert über den Fortschritt
in der Erfüllung der Zielvorgaben und ermöglicht, gegebenenfalls steuernd einzuwirken.
Der Ausweis von messbaren Wirkungs- und
Leistungszielen in den mehrjährigen Leistungsaufträgen, in der Berichterstattung über Wirkungen und Leistungen sowie im jährlichen
Voranschlag und in der Staatsrechnung bildet
die Grundlage für ein politisches Controlling
auf Stufe Parlament.
•
Kontinuierliche Leistungsverbesserung: FLAG
fördert eine kontinuierliche Verbesserung
der Leistungserbringung. Es werden Anreize
geschaffen, Neuerungen vorzunehmen, auf
veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren und sich weiterzuentwickeln. Die Verwaltungseinheiten erstellen bei der Erneuerung
ihrer Leistungsaufträge Umfeldanalysen und
ein Stärken-Schwächen-Profil. Die Erkenntnisse fliessen in die Ziel- und Strategieformulierung durch den Bundesrat ein.
10.1.2 FLAG-Instrumente
Der Bundesrat bestimmt im Leistungsauftrag an
die FLAG-Einheit die generelle Ausrichtung einer
Verwaltungseinheit und die Wirkungs- und Leistungsziele je Produktgruppe. Dazu legt er den
finanziellen Rahmen für die Leistungsauftragsperiode fest. Der Leistungsauftrag ist in der Regel
während vier Jahren gültig. Die zuständigen parlamentarischen Kommissionen werden vor der
Erteilung konsultiert.
Das Globalbudget ist ein pauschales Budget für
den Eigenaufwand. Die Kompetenz der Mittelaufteilung liegt bei der FLAG-Verwaltungseinheit.
118
Das Globalbudget ist aufgeteilt in Aufwände/
Erträge und Investitionsausgaben/-einnahmen.
Ausserhalb des Globalbudgets bleiben Aufwände/Erträge im Transferbereich sowie Investitionsbeiträge, Darlehen und Beteiligungen.
Das Parlament beschliesst die Budgets nach Vorberatung in den Finanzkommissionen im ordentlichen Voranschlagsprozess. Es berücksichtigt die
inhaltlichen Ziele aus dem Leistungsauftrag. Pro
Produktgruppe werden zudem zwei bis drei wesentliche Wirkungs- und Leistungsziele im Voranschlag aufgeführt.
Das Parlament genehmigt die zwei Globalbudgets der FLAG-Einheit. Bei politisch besonders
wichtigen Produktgruppen kann es zum Zwecke
der Leistungssteuerung auch Planungsgrössen
für die Kosten und Erlöse einer Produktgruppe
allein festlegen (Produktgruppenbudgets). Steuerungsbasis für diese Beschlüsse sind die Wirkungs- und Leistungsziele der Produktgruppe.
FLAG-Verwaltungseinheiten können allgemeine und zweckgebundene Reserven äufnen. Die
Bundesversammlung beschliesst die Bildung und
Verwendung mit der Staatsrechnung. Zweckgebundene Reserven entstammen Krediten, die
aufgrund von Projektverzögerungen noch nicht
beansprucht wurden. Sie dürfen nur für die entsprechenden Vorhaben aufgelöst werden und
verfallen bei Projektende. Allgemeine Reserven
können gebildet werden, wenn durch Wirtschaftlichkeitsverbesserungen der budgetierte
Aufwand unterschritten oder ein Nettomehrertrag erzielt wird. Die Verwendung erfolgt im
Einklang mit den Zielen des Leistungsauftrages.
FLAG-Verwaltungseinheiten werden mit dem
jährlichen Bundesbeschluss ermächtigt, im Einvernehmen mit dem zuständigen Departement
zwischen dem Investitionskredit und dem Aufwandkredit des Globalbudgets Verschiebungen
vorzunehmen. Diese dürfen weder 5 Prozent des
bewilligten Aufwandkredites noch den Betrag
von 5 Millionen überschreiten.
10 Steuerung und finanzielle Führung im «Konzern Bund»
Erzielt eine FLAG-Verwaltungseinheit nicht budgetierte leistungsabhängige Mehrerträge, so
kann sie mit diesen zusätzlichen Erträgen die damit verbundenen nicht budgetierten Aufwände
und Investitionsausgaben ohne Nachtragsverfahren decken.
Die jährliche Berichterstattung an Bundesrat und
Parlament erfolgt mit der Staatsrechnung. Die
FLAG-Verwaltungseinheiten weisen nebst dem
Zahlenteil der Finanzrechnung je Produktgruppe Kosten und Erlöse, Kostendeckungsgrad und
Zielerreichung aus. Die umfassende Berichterstattung erfolgt vor der Erneuerung des Leistungsauftrages in Form eines aussagekräftigen
Wirkungs- und Leistungsberichtes. Der Bericht
wird den zuständigen Kommissionen vorgelegt.
Die politischen Einflussmöglichkeiten sind: Bundesbeschluss über den Voranschlag sowie über
die Staatsrechnung, Planungsgrössen zu Produktgruppen inkl. Festlegen der Kosten und Erlöse einer Produktgruppe, Beschluss über Bildung
und Verwendung der Reserven sowie Einflussnahme im Rahmen des Konsultationsverfahrens
für Leistungsaufträge auf die Leistungssteuerung, Ressourcenzuteilung und die Zielsetzungen. Das Parlament kann also die FLAG-Einheiten
nicht nur über das Globalbudget steuern, sondern auch direkt auf die Planung von wichtigen
Produktgruppen Einfluss nehmen. Weiter besteht
die Möglichkeit einer Motion zum Leistungsauftrag. Diese hat die Funktion einer Richtlinie und
kann den Bundesrat anweisen, einen Leistungsauftrag zu erlassen oder zu ändern.
10.1.3 Weiterentwicklung
der Verwaltungsführung
Der Bundesrat hat am 4.5.2011 ein umfassendes
Projekt «Neues Führungsmodell für die Bundesverwaltung (NFB)» initialisiert. Dabei soll die finanzielle Haushaltsteuerung mit einer stärkeren
Ausrichtung auf die Aufgaben- und Finanzplanung ergänzt werden. Der Bundesrat unterstützt
ein neues, flächendeckendes und ergebnisorientiertes Steuerungsmodell. Im Zentrum steht das
Ziel, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit des Verwaltungshandelns weiter zu erhöhen.
Dies soll erreicht werden durch
•
die Verknüpfung von Aufgaben und Finanzen
in den wichtigsten Planungs- und Steuerungsinstrumenten,
•
die Stärkung der mittelfristigen Planung, insbesondere auf der Ebene der Verwaltungseinheiten,
•
den Aufbau von Leistungs- und Wirkungszielen auf allen Ebenen,
•
die Vergrösserung des Handlungsspielraums
der Verwaltung beim Ressourceneinsatz, beispielsweise durch den flächendeckenden Einsatz von Globalbudgets im Eigenbereich,
•
die Erhöhung der Anreize zu einer wirtschaftlichen Verwaltungsführung unter anderem
durch Möglichkeiten zur Reservenbildung und
zur vereinfachten Kreditübertragung.
Mit dem Neuen Führungsmodell für die Bundesverwaltung soll die Steuerung der Verwaltung
nicht komplett verändert, sondern gezielt weiterentwickelt werden. Kernelemente sind:
•
Ein integrierter Aufgaben- und Finanzplan
(IAFP), der die bestehenden Instrumente Finanzplan und Voranschlag zu einem politischen
Leistungsauftrag zusammenführt. Als Hauptinstrument an der Nahtstelle zwischen politischer
und betrieblicher Planung ist er der Dreh- und
Angelpunkt des neuen Führungsmodells. Der
IAFP hat eine ausgeweitete politische und prospektive Sicht zum Ziel. Weiter sollen für alle
Verwaltungseinheiten jährlich Globalbudgets
gesprochen werden. Wichtiger Bestandteil ist
zudem die Integration eines gegenüber heute
stark verkürzten Leistungsauftrags mit Leistungs- und Wirkungszielen in den IAFP (Voranschlag und Finanzplan).
119
10 Steuerung und finanzielle Führung im «Konzern Bund»
•
Verwaltungsinterne Leistungskontrakte zwischen Departementen und Verwaltungseinheiten, welche die Vorgaben aus dem IAFP
konkretisieren. Um den Nutzen als betriebliches Führungsinstrument zu erhöhen, soll
der neue Leistungskontrakt wesentlich kürzer
ausfallen als der heutige Leistungsauftrag bei
FLAG und jährlich vereinbart werden.
Die weiteren Instrumente und Prozesse erfahren
eher punktuelle Anpassungen, um die Abstimmung der Sach- und Ressourcenplanung sowie
die Koordination der Steuerungsmechanismen
auf allen Ebenen sicherzustellen. Besonders zu
erwähnen sind dabei die neu nach Aufgaben gegliederte Legislaturplanung sowie die mehrjährigen Finanzbeschlüsse, die enger mit der Legislaturplanung verknüpft werden.
Zu den wichtigen Aspekten eines neuen Steuerungsmodells gehört die Ausgestaltung der parlamentarischen Mitwirkung an der Steuerung
von Aufgaben und Finanzen. Der Bundesrat will
das Parlament frühzeitig in die konzeptionellen
Arbeiten einbeziehen. Er wird im Projektauftrag
den Einbezug des Parlaments präzisieren und die
Politik beziehungsweise die Parlamentsdienste
zur Mitarbeit einladen.
10.2 Corporate Governance des Bundes
Verschiedene Aufgaben des Bundes sind ausgelagert und werden von Einheiten erfüllt, die
rechtlich selbständig sind. In verschiedenen Vorstössen beauftragte das Parlament den Bundesrat, Kriterien für Auslagerungen und Vorschläge
für eine harmonisierte Steuerung der Unternehmen des Bundes vorzulegen. Diesem Anliegen
kam der Bundesrat mit dem Corporate-Governance-Bericht vom 13.9.2006 (BBl 2006 8233)
und mit dem Zusatzbericht vom 25.3.2009 (BBl
2009 2659) nach.
120
Im Einzelnen beantworten die Berichte die Fragen:
•
welche Aufgaben der zentralen Bundesverwaltung sich zur Auslagerung eignen (Aufgabentypologie),
•
wie die mit der Aufgabenerfüllung betrauten
verselbständigten Einheiten rechtlich zu konzipieren und vom Bund als ihr Eigner zu steuern
sind (37 Leitsätze und Steuerungsmodell),
•
und wie der Bund sich intern bei der Wahrnehmung seiner Eignerinteressen organisieren soll
(Rollenverteilung).
Nicht Gegenstand des Corporate-GovernanceBerichts ist die Frage nach der Notwendigkeit
und dem Ausmass staatlicher Tätigkeit beziehungsweise nach der Möglichkeit von Aufgabenprivatisierungen. Dies untersucht der Bundesrat
unter anderem im Rahmen der systematischen
Überprüfung der Bundesaufgaben. Auch neuere
Formen der Aufgabenteilung zwischen der öffentlichen Hand und Privaten, wie beispielsweise
Public Private Partnership, sind nicht Thema des
Berichts.
10.2.1 Aufgabentypologie
Auslagerungen wurden früher ohne systematische Entscheidungshilfen beschlossen. Seit dem
Corporate-Governance-Bericht geschieht dies
auf der Grundlage einer Aufgabentypologie. Die
Tätigkeiten, die von der zentralen Bundesverwaltung und von damit betrauten Unternehmen des
Bundes wahrgenommen werden, werden durch
Typisierung in vier verschiedene Gruppen (= Aufgabentypen) unterteilt. Sie fassen Aufgaben zusammen, die sich in unterschiedlichem Masse zur
Auslagerung eignen:
10 Steuerung und finanzielle Führung im «Konzern Bund»
•
•
Ministerialaufgaben: Diese umfassen insbesondere die Politikvorbereitung sowie die Politikdurchsetzung, vor allem wenn sie mit Eingriffen
in Grundrechte verbunden sind (beispielsweise
Aufgaben der inneren und äusseren Sicherheit).
Diesen Aufgaben fehlt die Auslagerungseignung, weil sie einen hohen politischen Steuerungs- und Legitimationsbedarf aufweisen.
Wegen ihres ausgeprägten Koordinationsbedarfs mit anderen Aufgaben ist zudem die
Erfüllung innerhalb der zentralen Bundesverwaltung effizienter als ausserhalb.
Dienstleistungen mit Monopolcharakter: Der
Aufgabentyp umfasst ein heterogenes Spektrum von Leistungen, insbesondere in den
Aufgabengebieten Bildung und Kultur, aber
beispielsweise auch Leistungen in den Bereichen der Flugsicherungs- und Wetterdienste,
der Statistik oder der Exportrisikoversicherung.
Gemeinsam ist den Dienstleistungen, dass sie
auf eine spezifische Kundschaft ausgerichtet
sind. Sie werden vielfach sogar in Konkurrenz
zu ähnlichen Leistungen anderer Anbieter erbracht, können aber nur teilweise über Preise
oder Gebühren finanziert werden. Sie werden
deshalb vom Markt in zu geringem Umfang
oder nicht in der gewünschten Qualität zur
Verfügung gestellt. Die daraus resultierenden Versorgungsmängel werden deshalb mit
einem monopolähnlichen, öffentlichen Angebot korrigiert. Im Bildungs- und Forschungsbereich sowie in der Kultur hängt der Erfolg
der erbrachten Dienstleistungen stark von der
Reputation ihres Erbringers ab, was dessen
rechtliche Verselbständigung nahelegt. Diese
Dienstleistungen eignen sich zur Auslagerung,
wenn kaum Koordinationsbedarf sowie ein
geringes Synergiepotenzial mit andern Bundesaufgaben besteht. Unter den ausgelagerten Aufgaben bedarf dieser Typ jedoch der
engsten politischen Steuerung, da sich die
Mehrheit dieser Aufgaben nur mit öffentlichen
Geldern erfüllen lässt.
•
Aufgaben der Wirtschafts- und der Sicherheitsaufsicht: Diese Aufsichtstätigkeiten sind
– ähnlich wie die Rechtsprechung – ohne
politische Einflüsse im Einzelfall auszuführen
(Beispiele: Finanzmarktaufsicht, Aufsicht über
Kernkraftanlagen). Die Auslagerung dieser
Aufgaben unterstreicht die Unabhängigkeit
ihrer Erfüllung.
•
Dienstleistungen am Markt: Diese Dienstleistungen werden überwiegend durch Angebot
und Nachfrage gesteuert, wobei ein Mindestversorgungsgrad gesetzlich garantiert ist (Beispiele: Fernmelde- oder Postdienstleistungen).
Sie eignen sich zur Auslagerung, da ihr Erbringer über eine weitgehende Eigenständigkeit
verfügen muss, um sich erfolgreich am Markt
positionieren zu können.
Die Aufgabentypologie ist jedoch keine Auslagerungsstrategie. Sie versteht sich als
•
Orientierungshilfe bei Auslagerungsentscheiden, indem sie anhand sachlicher Kriterien
aufzeigt, welche Aufgaben sich zur Auslagerung eignen und welche nicht;
•
Anknüpfungspunkt für die Steuerung der verselbständigten Einheiten, die solche Aufgaben
erfüllen.
Die Aufgabentypologie ermöglicht, dass der Bund
Gleiches gleich und Ungleiches ungleich steuert.
10.2.2 Leitsätze und Steuerungsmodell
Nach einer Auslagerung übt der Bund seinen Einfluss auf die Aufgabenerfüllung einerseits als Gesetzgeber aus, andererseits als Eigner des Unternehmens. Sein Einfluss als Eigner hängt zu einem
bedeutenden Teil von der rechtlichen Konzeption
des Unternehmens ab.
121
10 Steuerung und finanzielle Führung im «Konzern Bund»
Im Corporate-Governance-Bericht und im Zusatzbericht stellt der Bundesrat 37 Leitsätze auf, die
bei der rechtlichen Konzeption von verselbständigten Einheiten des Bundes von der Verwaltung
als Richtlinien berücksichtigt werden müssen.
•
•
•
•
Leitsatz 1 stellt den Grundsatz auf, dass verselbständigte Einheiten Anstalten sein sollen.
Die privatrechtliche AG ist vorzusehen, wenn
die Unternehmung überwiegend am Markt
tätig ist. Spezialgesetzliche Aktiengesellschaften sollen nur noch ausnahmsweise geschaffen werden.
Leitsätze 18 bis 22b setzen sich eingehend
mit der Kontrolle und den möglichen Massnahmen bei Fehlentwicklungen auseinander.
Die Grundlagen der bundesrätlichen Kontrolle
werden zum einen explizit ausgewiesen. Zum
andern werden die Berichterstattungen inhaltlich standardisiert und auch für Anstalten auf
das aktienrechtliche Niveau gehoben.
•
Leitsätze 23 bis 28 äussern sich zu den Finanzen der verselbständigten Einheiten.
Kapitalausstattung, Finanzierung, Gewinnverwendung und Steuerpflicht sind hier die wesentlichen Themen.
Leitsätze 2 bis 8 äussern sich zu den Organen.
Sie sollen schlank und nach professionellen
Gesichtspunkten funktionieren.
•
Leitsätze 29 bis 37 befassen sich mit Fragen
des Personalstatuts (öffentlich- oder privatrechtlich) und der beruflichen Vorsorge bei
verselbständigten Einheiten.
Leitsatz 9 befasst sich mit den instruierbaren
Bundesvertretern in Verwaltungsräten. Instruierbare Bundesvertreter sollen nur noch ausnahmsweise entsandt werden.
•
Leitsätze 10 bis 12 widmen sich der Haftung.
•
Leitsätze 13 bis 15 befassen sich mit besonderen Kompetenzen, die verselbständigten
Einheiten eingeräumt werden können. Dazu
gehören die Gesetzgebung oder die Kompetenz, Beteiligungen eingehen zu können.
•
Gemäss den Leitsätzen 16 und 17 soll der
Bundesrat die verselbständigten Einheiten mit
einem einheitlichen Instrument steuern und
ihnen dabei sowohl aufgabenspezifische wie
unternehmerische Ziele auf strategischer Ebene geben.
122
Durch die Zusammenführung der 37 Leitsätze
mit den drei zur Auslagerung geeigneten Aufgabentypen entsteht das aufgabenspezifische
Steuerungsmodell für verselbständigte Einheiten
des Bundes.
10.2.3 Rollenverteilung
Akteure der Eignerpolitik des Bundes sind insbesondere Parlament, Bundesrat und Bundesverwaltung (Generalsekretariate/EFV). Gegenüber den verselbständigten Einheiten tritt der
Bundesrat grundsätzlich als Eigner auf, das Parlament übt die Oberaufsicht aus. An dieser Rollenverteilung wird festgehalten. Der CorporateGovernance-Bericht sieht jedoch eine verstärkte
und direktere Aufsicht des Bundesrates über die
Unternehmen vor. Dadurch wird auch die Basis
für die parlamentarische Oberaufsicht des Parlaments verstärkt.
10 Steuerung und finanzielle Führung im «Konzern Bund»
Die verwaltungsinterne Zuständigkeit für die
Vorbereitung und Koordination der eignerpolitischen Geschäfte hängt von der Bedeutung des
Unternehmens ab: Gemeinsam nehmen Fachdepartement und EFV diese Verantwortung wahr
bezüglich Unternehmen mit Dienstleistungen am
Markt sowie bezüglich Unternehmen, die Dienstleistungen mit Monopolcharakter erbringen und
auf namhafte Subventionen angewiesen sind.
Allein nimmt das Fachdepartement diese Verantwortung wahr gegenüber den übrigen verselbständigten Einheiten, die Dienstleistungen
mit Monopolcharakter erbringen, sowie gegenüber den Unternehmen mit Aufgaben der Wirtschafts- und der Sicherheitsaufsicht. Die EFV wird
in Fragen der Kapitalausstattung, der Pensionskasse, der Haftung und der Rechnungslegung
zwingend beigezogen.
10.2.4 Parlamentarische Oberaufsicht
Im Bundesgesetz vom 17.12.2010 über die Mitwirkung der Bundesversammlung bei der Steuerung der verselbständigten Einheiten (BBl 2010
8967) hat das Parlament die nötigen Bestimmungen für seine Oberaufsicht über die Eignerpolitik
des Bundesrates (Aufsicht des Parlaments über
die Aufsicht des Bundesrates) geschaffen:
•
Der Bundesrat wird verpflichtet, die verselbständigten Einheiten, soweit zweckmässig,
über strategische Ziele zu steuern (Art. 8
Abs. 5 RVOG).
•
Das Parlament wird ermächtigt, dem Bundesrat Aufträge zu erteilen im Hinblick auf die
Festlegung oder Änderung strategischer Ziele
(Art. 28 Abs. 1 und 1bis ParlG).
•
Der Bundesrat wird verpflichtet, dem Parlament periodisch über die Erreichung der für
die verselbständigten Einheiten festgelegten
strategischen Ziele in modularer Form Bericht
zu erstatten (Art. 148 Abs. 3bis ParlG).
Demnach berichtet der Bundesrat dem Parlament ab 2012 jährlich in modularer Form über
die Erreichung der strategischen Ziele der verselbständigten Einheiten. Die Berichterstattung
des Bundesrates an das Parlament basiert auf
den Berichten dieser Einheiten und bildet die
Grundlage für die Oberaufsicht des Parlaments.
Zum einen schafft der Bundesrat in einem öffentlich verfügbaren integrierten Kurzbericht
(1–4 Seiten je Einheit) einen breiten Überblick
über die Zielerreichung aller verselbständigten
Einheiten. Zum anderen wird zu Handen der
Aufsichtskommissionen ein vertiefter Bericht
über die Zielerreichung der einzelnen Einheiten
erstellt (10–20 Seiten je Einheit); bei den Einheiten mit grosser politischer und wirtschaftlicher
Bedeutung erfolgt dies jährlich, bei den kleineren
Einheiten alle vier Jahre, jeweils am Ende der Geltungsdauer der strategischen Ziele.
10.3
Risikosituation und Risikomanagement
Der Bund ist vielfältigen Risiken ausgesetzt, deren
Eintritt die Erreichung der Ziele und die Erfüllung
der Aufgaben der Bundesverwaltung gefährden
kann. Diese Risiken sollen möglichst frühzeitig
identifiziert, analysiert und bewertet werden, damit zeitgerecht die erforderlichen Massnahmen
ergriffen werden können. Der Bundesrat hat zu
diesem Zweck Ende 2004 die Grundlagen für das
Risikomanagement beim Bund gelegt. Seither
wird das Risikomanagement stetig weiterentwickelt. Am 24.9.2010 erliess der Bundesrat neue
Weisungen über die Risikopolitik des Bundes (vgl.
BBl 2010 6549).
Das Risikomanagement ist ein Führungsinstrument des Bundesrates. Es ist voll integriert
in die Geschäfts- und Führungsprozesse der
Departemente und der Verwaltungseinheiten.
Eingebunden in das Risikomanagement sind
alle Departemente, die Bundeskanzlei und die
123
10 Steuerung und finanzielle Führung im «Konzern Bund»
Verwaltungseinheiten der zentralen und der dezentralen Bundesverwaltung (Letztere nur sofern
sie keine eigene Rechnung führen). Die selbstständigen Anstalten und Unternehmen des Bundes haben ihr eigenes Risikomanagement.
10.3.1 Umgang mit Risiken
Unter Risiken werden Ereignisse und Entwicklungen verstanden, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten und wesentliche negative
finanzielle und nichtfinanzielle Auswirkungen
(z.B. Beeinträchtigungen der Reputation) auf
die Erreichung der Ziele und die Erfüllung der
Aufgaben der Bundesverwaltung haben. Die
Identifikation, Analyse, Bewertung, Bewältigung
und Überwachung der Risiken erfolgt nach einheitlichen Regeln. Die Ausgestaltung des Risikomanagements orientiert sich an den gängigen
Normenwerken. Es werden folgende Risikokategorien unterschieden:
•
•
•
•
•
•
Finanzielle und wirtschaftliche Risiken
Rechtliche Risiken
Sach-, technische und Elementarrisiken
Personenbezogene und organisatorische Risiken
Technologische und naturwissenschaftliche
Risiken
Gesellschaftliche und politische Risiken.
Die Umsetzung des Risikomanagements liegt
grundsätzlich in der Verantwortung der Departemente und der Bundeskanzlei. Die Eidgenössische
Finanzverwaltung EFV und die Generalsekretärenkonferenz GSK erfüllen im Risikomanagement
aber wichtige Koordinationsfunktionen: Die EFV
sorgt mit dem Erlass von Richtlinien und einer bundesweiten Schulung für eine möglichst homogene
Umsetzung des Risikomanagements innerhalb der
Bundesverwaltung. Ausserdem betreibt sie ein
Informatik-Tool, das für die Bewirtschaftung der
Risiken und die Risikoberichterstattung eingesetzt
124
wird. Die GSK ist für die Konsolidierung und Priorisierung der Risiken auf Stufe Bundesrat zuständig
und nimmt eine Vollständigkeitsprüfung vor.
10.3.2 Instrumente und Massnahmen des
Risikomanagements
Der Bund bewältigt seine Risiken nach den Strategien «vermeiden», «vermindern» und «finanzieren». Es gibt jedoch Bundesaufgaben, welche
nur unter Inkaufnahme von Risiken erfüllt werden können. Trotz Risiken ist ein Verzicht auf die
Aufgabenerfüllung in diesen Fällen (Strategie
«vermeiden») in der Regel nicht zulässig. Die
Bundesverwaltung kann nur versuchen, die Risiken möglichst gering zu halten (Strategie «vermindern»). Grundsätzlich trägt der Bund auch
in finanzieller Hinsicht das Risiko für Schäden an
seinen Vermögenswerten und für die haftpflichtrechtlichen Folgen seiner Tätigkeit selbst (vgl.
Art. 50 Abs. 2 FHV). Nur in besonderen Fällen
stimmt die EFV dem Abschluss eines Versicherungsvertrages zu.
Die Massnahmen zur Bewältigung von Risiken
können organisatorischer (z.B. Vier-Augen-Prinzip), personeller (z.B. Weiterbildung), technischer
(z.B. Brandschutz) oder rechtlicher (vertragliche
Absicherungen, Rechtsänderungen) Natur sein.
Ihre Wirksamkeit wird im Rahmen von Controllingprozessen periodisch überprüft.
2008 war das Einführungsjahr des bundesweiten
Internen Kontrollsystems IKS. Im Gegensatz zum
Risikomanagement befasst sich das IKS nur mit
operativen Risiken und nicht mit strategischen Risiken. Da die beiden Themen Risikomanagement
und IKS Schnittstellen aufweisen, ist die Zusammenarbeit zwischen dem Risikocoach (dem Risikomanager der Verwaltungseinheit) und dem
IKS-Beauftragten in jeder Verwaltungseinheit
vorgesehen.
10 Steuerung und finanzielle Führung im «Konzern Bund»
10.3.3 Risikosituation des Bundes
Die Risiken des Bundes ergeben sich unmittelbar
oder mittelbar aus den ihm durch Verfassung und
Gesetz übertragenen Aufgaben und Tätigkeiten.
Der Bund kann einerseits Schaden an seinen eigenen Vermögenswerten erleiden. Andererseits
erwachsen ihm Risiken aus Haftungsverhältnissen gegenüber Dritten oder im Zusammenhang
mit ausgelagerten Organisationen, die öffentlichrechtliche Aufgaben erfüllen. Generell haftet der
Bund für Schäden, die Bundesbedienstete Dritten
widerrechtlich verursachen. Darunter fallen auch
Ersatzbegehren wegen Verletzung von Aufsichtspflichten. Schwergewichtig handelt es sich bei
den Risiken des Bundes um finanzielle und wirtschaftliche Risiken, um rechtliche Risiken sowie
um Sach-, technische und Elementarrisiken.
10.3.4 Offenlegung der Risiken
Die Risikoberichterstattungen an den Bundesrat
werden nicht veröffentlicht. Die Offenlegung der
Risiken in der Jahresrechnung des Bundes erfolgt
je nach ihrem Charakter unterschiedlich. Anhand
der Eintretenswahrscheinlichkeit des Risikos können verschiedene Stufen unterschieden werden:
•
Bereits eingetretene Risiken, die auf Ereignissen
in der Vergangenheit basieren, und bei denen
ein Mittelabfluss in den nachfolgenden Rechnungsperioden wahrscheinlich ist, werden in
der Bilanz der Jahresrechnung als Verbindlichkeiten und Rückstellungen berücksichtigt.
•
Sachverhalte, für deren Eintritt ein erhebliches, quantifizierbares Risiko besteht, werden
im Anhang der Jahresrechnung ausgewiesen
(Eventualverpflichtungen, Sachverhalte mit
Eventualcharakter).
Durch die verwaltungsinternen Prozesse ist sichergestellt, dass Risiken, welche die Tatbestände
von Rückstellungen oder Eventualverbindlichkeiten erfüllen, vollständig erfasst werden können
und in die Jahresrechnung einfliessen.
125
Anhang
Aufgaben und Organisation der Eidgenössischen Finanzverwaltung
Das Eidgenössische Finanzdepartement leitet die
Verwaltung der Bundesfinanzen und sorgt für
den Überblick über den gesamten Finanzhaushalt des Bundes (Art. 58 Abs. 1 FHG). Es entwirft
zuhanden des Bundesrates den Voranschlag,
dessen Nachträge, die Staatsrechnung und den
Finanzplan; es prüft die Kreditbegehren und Ertragsschätzungen (Art. 58 Abs. 2 FHG). Zu diesem Zweck steht ihm die Eidgenössische Finanzverwaltung (Art. 59 FHG) zur Verfügung.
d. Sie wirkt hin auf eine ergebnisorientierte
Verwaltungsführung und ein systematisches
Controlling sowohl in der gesamten Bundesverwaltung als auch gegenüber externen Trägern von Verwaltungsaufgaben.
e. Sie sorgt mit einem zeitgemässen Tresorerieund Liquiditätsmanagement für die ständige
Zahlungsbereitschaft des Bundes und sichert
diesem eine bevorzugte Stellung am Geldund Kapitalmarkt.
2
Gestützt auf das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG; SR 172.010) und die
entsprechende Verordnung (RVOV) sind die Ziele
und Aufgaben der Eidgenössischen Finanzverwaltung in der Organisationsverordnung für das
Eidgenössische Finanzdepartement (OV-EFD, SR
172.215.1) festgehalten.
Art. 8 Ziele und Funktionen
1
Die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV)
verfolgt die folgenden Ziele:
a. Sie stellt den Überblick über den Finanzhaushalt des Bundes sicher.
b. Sie entwirft die Rechnung sowie unter Berücksichtigung der Anforderungen der Wirtschaftspolitik den Voranschlag und den Finanzplan zuhanden des Bundesrates.
c. Sie tritt für eine wirksame Kredit- und Ausgabensteuerung und eine sparsame und
wirtschaftliche Mittelverwendung ein und
nimmt bei der Budgetierung, der Finanzplanung sowie bei der Vorbereitung von Bundesratsgeschäften der Departemente und der
Bundeskanzlei mit finanziellen Auswirkungen
entsprechend Einfluss.
Zur Verfolgung ihrer Ziele nimmt die EFV insbesondere die folgenden Funktionen wahr:
a. Sie entwirft Sanierungs- und Sparmassnahmen, wenn sich dies zur zeitgerechten Erreichung der Haushaltziele als notwendig
erweist.
b. Sie stellt finanzpolitische Grundlagen und Optionen bereit, insbesondere für die Führung
der Wirtschafts- und Währungspolitik.
c. Sie vertritt nach Anhörung des SIF und des SECO die Schweiz in internationalen Organisationen und Fachgremien, die sich mit Fragen
der Finanz- und Geldpolitik, der Finanzstatistik, der Tresorerieführung, des Rechnungswesens und der Public Corporate Governance
befassen.
d. Sie erarbeitet die Rechtserlasse im Bereich
des:
1. Finanzhaushaltrechts;
2. Währungs- und Nationalbankrechts, soweit nicht die Finanzmarktstabilität betroffen
ist.
127
Anhang
e. Sie vertritt den Bund bei der Eintreibung bestrittener und der Abwehr unbegründeter
vermögensrechtlicher Ansprüche.
f. Sie koordiniert das Risiko- und Versicherungsmanagement des Bundes.
g. Sie pflegt die Beziehungen des Bundes zur
SNB, soweit nicht das SIF zuständig ist.
Art. 9 Besondere Bestimmungen
1
Die EFV hat die folgenden besonderen Aufgaben:
a. Sie besorgt die Geldbeschaffung und -anlage
des Bundes.
Sie organisiert die Haushalt- und Rechnungsführung sowie die Zahlungsabwicklung in der
Bundesverwaltung. Sie erlässt die dazu erforderlichen Weisungen.
2
3
Der EFV unterstellt sind folgende Einheiten:
a. die Zentrale Ausgleichsstelle;
b. die Eidgenössische Ausgleichskasse mit der
Familienausgleichskasse;
c. die Schweizerische Ausgleichskasse;
d. die IV-Stelle für Versicherte im Ausland;
e. die Eidgenössische Münzstätte (Swissmint).
b. Sie erarbeitet und vollzieht die Erlasse über
den bundesstaatlichen Finanzausgleich.
c. Sie erstellt die Finanzstatistik der öffentlichen
Verwaltungen.
d. Sie führt das «Dienstleistungszentrum Finanzen» des EFD.
128
4
Die Einheiten nach Absatz 3 werden mittels
Leistungsauftrag und Globalbudget (FLAG)
geführt.
Vizedirektor Beat Blaser *
Stv. Urs Julmy
Vizedirektor Tobias Beljean *
Stv. Roland Fischer
* Mitglied Direktion
Finanz- und Rechnungswesen
F+RW
Bundestresorerie BT
Vizedirektor Urs Eggenberger *
Stv. Daniel Wittwer
Stv. Direktor Karl Schwaar *
Stv. Marianne Widmer
Direktorin Valérie Cavero
Stv. Jean-Pierre Kuhn
Zentrale Ausgleichsstelle
Ausgabenpolitik AP
Urs Plavec *
Stv. Barbara Schlaffer
Andreas Hostettler *
Stv. Anita Grütter
Finanzpolitik, Finanzausgleich,
Finanzstatistik FP
Ökonomische Analyse
und Beratung ÖAB
Stab, Personal, Kommunikation
Direktor Fritz Zurbrügg *
Stv. Direktor Karl Schwaar
Direktion DIR
Organigramm der Eidgenössischen Finanzverwaltung (Stand 1.1.2012)
Abteilungsleiter Jakob Kilchenmann *
Stv. vakant
Rechtsdienst RD EFV
Geschäftsleiter Kurt Rohrer
Stv. Marius Haldimann
Swissmint
Anhang
129
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