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"G R U N D L A G E N
D E R P H Y S I K III "
Teil II: Wärme
Vorlesung gehalten von
8% JkXdgX
im WS 1996/97
Universität GH Essen
1
Inhalt
Seite
KAPITEL A: Einleitung
6
KAPITEL B: Temperatur
1. Makroskopische Betrachtung
7
a) Gleichgewicht
7
b) Zustandsvariable
7
c) Temperaturskala
7
d) Die ideale Gastemperatur
9
e)Thermometer
9
f) Zustandsgleichungen
11
2. Mikroskopische Betrachtung
12
a) Naives Modell des idealen Gases
12
b) Wahrscheinlichkeit
13
c) Die Binominalverteilung
15
d) Die Gaußverteilung
17
e) Die kontinuierliche Gaußverteilung
19
f) Geschwindigkeitsverteilung
22
KAPITEL C: Wärme
1. Makroskopische Betrachtung
25
a) Definition von Wärme
25
b) Arbeit
25
c) Innere Energie
26
d) 1. Hauptsatz der Wärmelehre
27
e) Wärmekapazität
28
2. Mikroskopische Betrachtung
28
a) Freiheitsgrade
28
b) Gleichverteilungssatz
29
c) Beispiel: ideales Gas
29
d) Festkörper
30
KAPITEL D: Transportvorgänge
1.Einleitung
31
2. Wärmetransport
31
a) Wärmeleitungsgleichung
31
b) Wärmediffusion
32
2
c) Experimentelle Bestimmung von k
33
d) Wärmeübergang mit Konvektion
34
e) Strahlung
34
3. Transportkoeffizienten für Gase
34
a) Koeffizient für Wärmeleitung
34
b) Freie Weglänge
35
c) Transportkoeffizienten
36
KAPITEL E: Zustandsänderungen
1. Zustandsänderung in idealen Gasen
38
a) Versuch von Gay - Lussac (freie Expansion)
38
b) Innere Energie eines idealen Gases
38
c) Adiabatische Expansion
39
d) Joule - Thomson Prozeß
41
2. Zustandsänderung realer Gase
42
a) Allgemeinste Zustandsgleichung
42
b) Van - der - Waalssche Zustandsgleichung
42
c) Gay - Lussac - Prozeß bei van - der - Waals Gasen
44
d) Joule Thomson - Prozeß bei einem Van - der - Waals Gas
44
3. Erzeugung tiefer Temperaturen
46
a) Einleitung
46
b) Kühlmethoden
46
KAPITEL F: Der 2. Hauptsatz
1. Verschiedene Kreisprozesse
48
a) Einleitung
48
b) Wirkungsgrad von Wärmekraftmaschinen
48
c) Ottomotor
49
d) Stirlingmotor
50
e) Dampfmaschine
51
f) Kühlmaschine
51
g) Andere Kreisprozesse
52
2. Formulierungen des 2. Hauptsatzes
52
a) Kelvin - Planck Formulierung
52
b) Clausius Formulierung
53
c) Äquivalenz der Kelvin - Planck und der Clausius Formulierung
53
3. Reversibilität
54
3
a) Was ist ein reversibler Prozeß?
54
b) Beispiele für irreversible Prozesse
55
c) Carnot - Zyklus
57
d) Satz von Carnot
58
e) Wirkungsgrad der Carnot Maschine
59
f) Kelvin Temperaturskala
61
4. Entropie
61
a) Satz von Clausius
61
b) Definition der Entropie
62
c) Entropie eines idealen Gases
63
d) TS - Diagramme
63
e) Beispiele für Entropieänderungen
64
f) Entropieprinzip
66
g) Nicht ausnutzbare Energie
66
h) Entropie und Wahrscheinlichkeit
67
KAPITEL G: Thermodynamische Potentiale
1. Maxwell Gleichungen
69
a) Innere Energie U
69
b) Enthalpie H
69
c) Helmholzfunktion F
70
d) Gibbsfunktion G
70
2. Anwendungen
71
a) Innere Energie eines Van - der - Waals Gases
71
b) Clausius - Clapeyronsche Gleichung
72
KAPITEL H: Phasenübergänge
1. Phänomenologische Beschreibung
74
a) Woran erkennt man einen Phasenübergang?
74
b) Phasen
74
c) Überhitzung, Unterkühlung
76
2. Gleichgewicht Dampf - Flüssigkeit
76
a) Dampfdruck
76
b) Verdunsten, Sieden
78
c) Dampfdruckerniedrigung
78
d) Verschieben der Übergangstemperaturen durch Druckänderung
79
3. Luftfeuchtigkeit
80
4
KAPITEL I: Grenzgebiete
1. Thermoelektrische Effekte
81
a) Phänomene
81
b) Erklärung des Seebeckeffektes
82
c) Magnetothermische Effekte
83
2. Osmotischer Druck
83
3. Wärmestrahlung, Kirchhoffsche Strahlungsgesetze
84
KAPITEL J: Das Vakuum
1. Geschichtliches
85
2. Anwendungen
86
3. Erzeugung von Vakuum
86
a) Verdrängerpumpen
86
b) Treibmittelpumpen
87
c) Kryopumpen
88
4. Druckmessung
88
a) Membranmanometer
88
b) Hydrostatische Manometer
88
c) Messung von p über Wärmeleitung von Gasen
89
d) Ionisationsmanometer
89
5. Klassifikation von Vakua
90
6. Saugleistung, Leckrate
90
6
Teil II: Wärmelehre
KAPITEL A
Einleitung
1. Womit beschäftigt sich die Wärmelehre?
Die Wärmelehre befaßt sich mit dem Verhalten von Körpern, wobei gegenüber der Mechanik
als wesentliche Größe die Temperatur hinzukommt. Man kann die Temperatur rein mechanisch definieren: Als proportional zur mittleren kinetischen Translationsenergie der Moleküle
1 m <v 2 >= 3 kT,
2
2
wobei v die Geschwindigkeit der zufälligen Bewegung relativ zum Schwerpunkt ist. Mit der
auf der Mechanik beruhenden Theorie der Wärme befaßt sich die Statistische Mechanik. Primär benötigt man die Koordinaten und Geschwindigkeiten aller Teilchen (x i, v i ) mit i=1,...,N.
Über die Mittelung erhält man Aussagen über makroskopische Größen wie Druck und Temperatur. Der Vorteil der mikroskopischen Beschreibung ist die gedanklich klare Struktur und die
Möglichkeit, bestimmte Gesetzmäßigkeiten aus den Eigenschaften der Moleküle abzuleiten.
Andererseits sind die Koordinaten und Geschwindigkeiten der einzelnen Teilchen keiner direkten Messung zugänglich. Im Prinzip braucht man für die Beschreibung der makroskopischen Eigenschaften das Teilchenbild nicht. Ein großer Teil der Thermodynamik wurde sogar
entwickelt, bevor sich die Atomvorstellung durchgesetzt hatte. Wir wollen uns daher in dieser
Einführung überwiegend mit der makroskopischen Thermodynamik befassen.
Neben der Verbindung zur Mechanik gibt es Zusammenhänge mit dem Elektromagnetismus.
So spielt z.B. die Thermodynamik magnetischer Substanzen eine gewisse Rolle und einige
thermoelektrische Effekte verknüpfen die beiden Gebiete der Physik. Ein wichtiger Zusammenhang mit der Optik besteht über die Wärmestrahlung, d.h. das Strahlungsfeld eines Systems im thermischen Gleichgewicht.
7
KAPITEL B
Temperatur
1. Makroskopische Betrachtung
a) Gleichgewicht
Zur makroskopischen Definition der Temperatur kommen wir nicht ohne den Begriff des thermischen Gleichgewichtes aus. Thermisches Gleichgewicht liegt vor, wenn sich bei einem von
der übrigen Welt isolierten System die Zustandsvariablen, d.h. die Parameter, die das System
beschreiben, nicht ändern. Die typischen Einstellzeiten für das thermische Gleichgewicht nennt
man Relaxationszeiten. Zwei Systeme im thermischen Gleichgewicht, die über eine diathermische Wand, d.h. z.B. eine Metallfolie, in Kontakt gebracht werden, bilden zusammen normalerweise direkt nach der Kontaktierung kein Gesamtsystem im thermischen Gleichgewicht.
Man sagt dann, sie haben unterschiedliche Temperaturen. In dem Fall aber, in dem nach der
Kontaktierung thermisches Gleichgewicht vorliegt, sagt man, sie haben gleiche Temperatur.
Man kann also jedem System im Gleichgewicht eine Größe ϑ zuordnen, an der man erkennen
kann, ob zwei Systeme nach ihrer Kontaktierung im Gleichgewicht bleiben oder nicht. Diese
Größe heißt Temperatur. Die Temperatur ist eine Zustandsvariable.
b) Zustandsvariable
Zustandsvariable sind die makroskopischen Parameter, mit denen man ein System beschreibt.
Bei einem Gas oder einer Flüssigkeit sind dies p, V, n, ϑ. n charakterisiert die Stoffkonzentration oder Zusammensetzung. Bei einer paramagnetischen Substanz sind dies B, M, ϑ . B ist das
Magnetfeld, M die Magnetisierung. Bei einem Oberflächenfilm S = F/l, A, ϑ . S ist die Oberflächenspannung, A die Fläche; bei einem Widerstandsdraht σ = F/A, l, ϑ. Die Zustandsvariablen eines Systems sind nicht unabhängig. Die Funktion, die sie verknüpft, heißt die Zustandsgleichung. Bevor wir eine Temperaturskala angegeben haben, können wir die Zustandsfunktion nicht hinschreiben. Wir begnügen uns damit zu wissen, daß es eine solche gibt. Für ein Gas
schreiben wir f(p, V, n, ϑ) = 0
c) Temperaturskala
Bei der Definition einer Temperaturskala gibt es eine Reihe im Prinzip willkürlicher Maßnahmen. Man kann beispielsweise folgendermaßen vorgehen:
* Man wählt eine Thermometersubstanz ("Standardsystem") aus, z.B. Quecksilber oder He.
Die Zustandsvariablen seien x, y und ϑ , z.B. V, p, ϑ , wobei wir voraussetzen, daß die
Stoffmenge konstant bleibt.
* Man sorgt dafür, daß eine der beiden Zustandsvariablen x oder y konstant bleibt; die andere
ist dann die thermometrische Zustandsvariable, z.B. y = const. Bei einer Quecksilberskala
ist p = const, und man mißt die Temperatur über die Volumenausdehnung; bei einem
Gasthermometer ist meist V = const, man mißt die Temperatur über den Druck.
* Man wählt eine thermometrische Funktion ϑ(x) , die angibt, wie die Temperatur mit der freien Zustandsgröße verknüpft sein soll. Häufig setzt man einfach ϑ(x) = ax , andere Funktionen sind diskutiert worden, z.B. ϑ(x) ∼ log x, die den absoluten Nullpunkt ins Unendliche
rücken würde.
* Schließlich benötigt man einen oder mehrere Fixpunkte, d.h. Temperaturen, die sich reproduzierbar einstellen lassen. Im folgenden werden einige Fixpunkte und ihre Temperatur auf
der Celsius-Skala angegeben.
8
Gefrierpunkt von
Siedepunkt von
H2O
H2O
O2
S
Au
( 0° C)
( 100° C)
(-182° C)
( 440° C)
(1063° C)
α) Einfache Thermometerskala
Abb. 185: Eine lineare thermometrische Funktion
Vor 1954 wurden für die amtliche Temperaturskala 2 Fixpunkte und deren Temperaturdifferenz benutzt. Die Fixpunkte sind Gefrierpunkt und Siedepunkt des Wassers, deren Temperaturdifferenz auf 100° festgesetzt wurde. Als System diente Helium, dessen Druck x = p bei
konstantem Volumen gemessen wird, und die thermometrische Funktion war die Proportionalität ϑ(x) = ax. Eine beliebige Temperatur ergibt sich dann aus
ϑ(x)
= x −x x
2
1
ϑ(x ) − ϑ(x )
β) Moderne Gasthermometerskala
Abb. 186: Der Tripelpunkt von Wasser
Die moderne Gasthermometerskala benutzt einen Fixpunkt x1 und seine Temperatur ϑ(x 1 ) . Als
Fixpunkt wird der Tripelpunkt des Wassers gewählt. Das ist der Punkt, bei dem fester, flüssiger und gasförmiger Aggregatzustand gleichzeitig existieren. Der Tripelpunkt läßt sich genauer reproduzieren als der Schmelzpunkt des Eises. Ihm wird die Temperatur ϑ = 273, 16 zugeordnet. Die Temperatur ist, wenn man als thermometrische Funktion die Proportionalität verwendet, gegeben durch
ϑ = p 
273, 16  p tr  =
9
Abb. 187: Gasthermometer
Das Gasthermometer besteht aus dem Gasvolumen V und dem Flüssigkeitsmanometer. Durch
Anheben oder Absenken des linken Schenkels des U-Rohres sorgt man dafür, daß V konstant
bleibt. Der Druck wird an der Höhe h des Flüssigkeitsmanometers abgelesen (p = p0+ρ gh).
d) Die ideale Gastemperatur
Abb. 188: Extrapolation zu verschwindendem Druck
Nach dem unter b) beschriebenen Prinzip arbeitende Gasthermometer zeigen eine Temperatur,
die noch etwas von der Gasart abhängt. Die Unterschiede werden umso kleiner, je geringer der
Druck im Thermometer ist. Mißt man eine Temperatur, z.B. die Siedepunkttemperatur, indem
man unterschiedlich viel Gas in das Thermometervolumen füllt, d.h. indem man den Anfangsdruck am Tripelpunkt ptr variiert, so stellt man fest, daß der Wert, den man durch Extrapolation
der gemessenen Temperatur zu ptr = 0 erhält, für alle Gase gleich ist. Diesen Wert nennt man
die ideale Gastemperatur. Sie ist für praktische Zwecke mit der Kelvin-Skala identisch, die
über den Wirkungsgrad von Wärmekraftmaschinen definiert wird (s. Kap. F/3f).
p
T = ϑ = 273, 16 lim  p 
tr V=const
p tr →0
T = 273, 16 lim  V 
p tr →0  V tr  p=const
e) Thermometer
Mit der nun bekannten Temperaturskala kann man für andere Thermometersubstanzen die
Thermometerfunktion bestimmen. Meistens wird sie als Polynom von der Temperatur geschrieben. Die Konstanten des Polynoms kann man in Nachschlagewerken finden. Solche
Thermometer sind entweder leichter zu bedienen als ein Gasthermometer oder überstreichen
einen größeren Temperaturbereich.
Ein Widerstandsthermometer nutzt die Widerstandsänderung mit der Temperatur aus
10
R = R 0 (1 + Aϑ + Bϑ 2 )
Häufig benutzt wird Platin. Der Anwendungsbereich liegt zwischen - 200° C und + 1200° C.
Heute werden als Fühler häufig Halbleiter angewendet.
Abb. 189: Thermoelement
Ein Thermoelement (s. Kap. I) nutzt die Kontaktspannung zwischen zwei Metallen aus. In
einem Stromkreis mit konstanter Temperatur kompensieren sich die verschiedenen Spannungen. Bei unterschiedlicher Temperatur der Kontaktstellen bleibt eine resultierende Spannung
übrig, die mit der Temperaturdifferenz wächst. Ein Thermoelement sollte möglichst stromlos
betrieben werden, da ein Strom die Temperaturdifferenz der Kontaktstellen zu verringern versucht. Typische Materialien sind Kupfer und Konstantan. Temperaturbereich für den Einsatz
0 - 1000° C. Die Spannung ergibt sich aus
U = a + bϑ + cϑ 2
Ein einfaches Thermometer liefert ein Bimetallstreifen, d.h. ein Streifen, der aus zwei Metallen
mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten besteht. Bei Temperaturänderung verbiegt
das Bimetall.
Abb. 190: Thermische Ausdehnung von Wasser
Es gibt Stoffe, die ein anomales Verhalten bezüglich ihrer thermischen Ausdehnung zeigen
und deshalb als Thermometersubstanzen wenig geeignet sind. Dazu gehören Wasser (Abb.
190) und Gummi, das sich bei Erwärmung zusammenzieht.
11
f) Zustandsgleichung
Die Form der Zustandsgleichung folgt nicht aus der makroskopischen Theorie. Sie muß experimentell bestimmt oder aus einer mikroskopischen Theorie abgeleitet werden. Zustandsgleichungen werden häufig benutzt, um die Änderungen einer Zustandsvariablen aus der einer anderen unter bestimmten Randbedingungen zu ermitteln; etwa bei adiabatischer Kompression
eines Gases, d.h. Kompression ohne Wärmeaustausch mit der Umgebung aus der Volumenänderung die Temperatur- oder Druckänderung zu ermitteln. Es ist wichtig, sich hierbei zu vergegenwärtigen, daß die Temperatur nur für einen Gleichgewichtszustand definiert ist und daß
die Zustandsänderungen daher von einem Gleichgewichtszustand in einen anderen erfolgen
müssen. Wir geben im folgenden Zustandsgleichungen für einige Systeme an, zunächst ohne
sie zu begründen.
α) Ideales Gas
pV = νRT
R = 8,31 J/K mol, allgemeine Gaskonstante
ν:
Anzahl der Mole
1 mol: Molekülgewicht in g
ν = 1, p = 105 Pa = 1 bar, T = 273 K → V = 22,4 l
In dem idealen Gasgesetz sind das Boyle-Mariottsche Gesetz (Robert Boyle 1627 - 1691,
E. Mariotte 1620 - 1684) für T = const p · V = p0V0 und das Gay-Lussacsche Gesetz für
p = const (Joseph Gay-Lussac 1778 - 1850)
V = V0
T T
enthalten.
Das ideale Gasgesetz ist für Temperaturen weit vom Kondensationspunkt gut erfüllt. In der
Nähe des Kondensationspunktes benutzt man z.B. die van der Waals Gleichung (Johannes Diderik van der Waals 1837 - 1923)
 p + a  (v − b) = RT,
2

wobei v das Volumen eines Mols ist und die Konstanten a und b für die verschiedenen Gase
unterschiedliche Werte haben.
β) Paramagnetische Substanz
Für Temperaturen weit vom Curie-Punkt gilt das Curie-Gesetz ((Pierre Curie 1859 - 1906)
M = CB
T
B ist das Magnetfeld und C die Curiekonstante, M die Magnetisierung.
In der Nähe des Curiepunktes gilt besser das Weißsche Gesetz (Pierre Weiss 1865 - 1940)
M=C
B
T − NρC
12
ρ ist die Dichte und N eine Konstante.
γ) Oberflächenfilme
Bei Oberflächenfilmen gilt
s = s 0  1 − ϑ 
ϑ
mit 1<n<2. s ist die Oberflächenspannung.
n
2. Mikroskopische Betrachtung
a) Naives Modell des idealen Gases
Abb. 191: Alle Teilchen, die auf A treffen
Um zu zeigen, wie aus einer mikroskopischen Betrachtung Gesetze für makroskopische Größen abgeleitet werden können, betrachten wir das einfachste Modell des idealen Gases. Es bestehe aus gleichen Massenpunkten der Masse m und der mittleren Geschwindigkeit v. Wir
nehmen an, daß der gesamte Effekt der Teilchen durch diese mittlere Geschwindigkeit beschrieben werden kann. Die Teilchen, die auf eine Wand zufliegen, übertragen bei elastischer
Reflexion pro Stoß den Impuls
∆P = 2mv
Bei inelastischem Stoß wäre der Impulsübertrag ∆P = mv, und das Teilchen würde an der
Wand haften bleiben. Im stationären Zustand werden allerdings gleich viel Teilchen auf die
Wand treffen wie sie wieder verlassen, so daß der elastische Stoß die Situation besser beschreibt als der inelastische.
Bei einer Teilchendichte von n Teilchen, die auf die Wand zufliegen, treffen die Wand in der
Zeit ∆t
nAv∆t
Teilchen. Der gesamte Impulsübertrag ist also
∆P = nAv∆t ⋅ 2mv
∆P und der Druck p = F/A = 2nmv 2
∆t
Der Druck ist nach Erfahrung unabhängig von der Form des Gefäßes. Wir berechnen ihn daher
für einen Würfel, in dessen Kanten die Koordinatenachsen liegen. Betrachten wir die Komponenten der Geschwindigkeit entlang der Koordinatenachsen und beachten wir, daß
die Kraft ist
13
Abb. 192: Die Anzahl der Teilchen, die auf eine Würfelfläche treffen.
nur die Geschwindigkeiten mit dem korrekten Vorzeichen zum Druck auf eine Wand beitragen, so erkennen wir, daß n/6 Teilchen auf eine Wand zufliegen, also
p = 1 nmv 2 = 1 N mv 2
3V
3
pV = 1 Nmv 2 = 1 νN A mv 2
3
3
ν ist also eine Zahl, die proportional zur Teilchenzahl ist. Für N = NA ist ν = 1 . Die Stoffmenge ist dann 1 Mol. Man kann also 1 Mol als die Stoffmenge definieren, die die genaue Anzahl
NA Teilchen enthält.
Man schreibt
pV = νRT
Man nennt NA= 6 · 1023/mol die Avogadrozahl (Amadeo Avogadro 1776 - 1856)
RT = 2 N A 1 mv 2 ; 1 mv 2 = 3 R T = 3 kT
3 2
2
2 NA
2
R = NAk
R = 8,3 J/K mol ist die ideale Gaskonstante.
k = 1,38 ·10-23 J/K ist die Boltzmann-Konstante (Ludwig Boltzmann 1844 - 1906).
b) Wahrscheinlichkeit
Der Schwachpunkt in der naiven Ableitung besteht darin, daß die "mittlere" Geschwindigkeit
überhaupt nicht definiert wurde. In Wirklichkeit haben alle Teilchen in Betrag und Richtung
unterschiedliche Geschwindigkeiten. Um hierüber mitteln zu können, muß man angeben, wie
diese Verteilung aussieht. Wir haben die Vorstellung, daß die Teilchen durch sehr viele Stöße
untereinander und mit der Wand dauernd ihre Geschwindigkeit ändern und daß die entstehende Verteilung ein Zufallsprodukt ist und erwarten daher, daß wir sie durch andere Zufallsprozesse, etwa geeignetes Würfeln reproduzieren können. Dies wollen wir im folgenden
versuchen.
14
α) Wurf einer Münze
Beim Wurf einer Münze haben wir die Vorstellung, daß bei sehr vielen Würfen die Hälfte die
Zahl, die Hälfte das Wappen zeigen. Ebenso könnten wir viele Münzen einmal werfen. Formal
können wir so zu diesem Ergebnis kommen:
Die möglichen Ereignisse sind: Die Münze zeigt eine Zahl oder ein Wappen. Die Zahl der
möglichen Ereignisse ist zm = 2. Davon interessiert nur das Ereignis mit der Zahl oben. Die
Zahl der günstigen Ereignisse ist zg = 1. Als Wahrscheinlichkeit dafür, daß ein günstiges Ereignis auftritt, erhalten wir
zg
W(z) = z = 1
m
2
β) Wurf zweier Münzen
Abb.193: Die möglichen Ereignisse bei dem Wurf von
zwei Münzen.
Bei zwei Münzen verfahren wir ebenso. Wollen wir z.B. wissen, wie wahrscheinlich es ist, daß
beide Münzen eine Zahl zeigen, so zählen wir die Gesamtheit der möglichen Ereignisse (das
"Ensemble"). Dies wären hier 4, und die Teilmenge, die uns interessiert, wäre hier ein Ereignis. Die Wahrscheinlichkeit ist also 1/4.
γ) Regeln zur Wahrscheinlichkeit
Interessieren wir uns dafür, wie wahrscheinlich es ist, daß ein Ereignis auftritt, das aus zwei
Ereignissen zusammengesetzt ist, in dem Sinne, daß wir zufrieden sind, wenn nur eins der beiden auftritt, so addieren sich gemäß der oben eingeführten Abzählmethode die Einzelwahrscheinlichkeiten
W = W(1) + W(2) (1 oder 2 findet statt)
Da die Summe aller möglichen Ereignisse gleich dem Nenner ist, erhält man
N
Σ= W(i) = 1
Wir sagen, die Wahrscheinlichkeit ist auf 1 normiert. Will man hingegen die Wahrscheinlichkeit für alle Fälle, bei denen ein Ereignis genau mit einem zweiten zusammen auftritt, so multiplizieren sich die Wahrscheinlichkeiten, da bei jedem Eintreffen von Ereignis 1 der Bruchteil
15
der Fälle bekannt ist, bei dem 2 eintritt. Die Wahrscheinlichkeit 1/4 im Beispiel b kann man also auch als das Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten in Beispiel a deuten.
c) Die Binominalverteilung
Eine der wichtigsten Verteilungen ist die Binominalverteilung. Auf ihr fußt die Maxwell- und
die Poissonverteilung (James Clerk Maxwell 1831 - 1879, Denis Poisson 1781 - 1840). Im einfachsten Fall ist sie die Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Anzahl der geworfenen Zahlen
bei N gleichzeitig geworfenen Münzen. Wir betrachten gleich den etwas allgemeineren Fall,
bei dem die Wahrscheinlichkeiten, eine Zahl oder ein Wappen zu werfen, nicht gleich sind.
Wir untersuchen diesen Fall anhand eines Betrunkenen auf einer geneigten Straße. Wir wollen
wissen, mit welcher Wahrscheinlichkeit er von insgesamt N Schritten n nach rechts macht. Im
Gegensatz zu dem früher betrachteten Fall ist dies ein eindimensionaler "random walk". Wir
lassen ihn beispielsweise 10 Schritte machen und notieren die Anzahl der Schritte nach rechts
n. Wir unternehmen viele solcher Versuche mit 10 Schritten, wobei immer vom ersten Ausgangspunkt angefangen wird. Die meisten dieser Versuche werden n = 5 oder eine Zahl in der
Nähe von 5 ergeben. Die Anzahl der Versuche mit n Rechtsschritten ist die gesuchte Verteilung W(n). Für eine große Anzahl von Schritten wird recht genau n = N/2 erfüllt sein, d.h.
W(n) ist im Verhältnis zur Gesamtzahl der Schritte schmal.
Abb. 194: Wie weit kommt der Betrunkene?
Die Wahrscheinlichkeit für einen Schritt nach rechts sei p, für einen Schritt nach links q mit
p + q = 1. Die Anzahl der Schritte nach rechts n1, nach links n2 mit n1 + n2 = N. Eine bestimmte
Konfiguration nennen wir ein Muster der nacheinander registrierten Schritte nach rechts oder
links, z.B. r, r, l, r, l, l, r, r, r, l, r..., wobei n1 Schritte nach rechts und n2 Schritte nach links in
einer Konfiguration vorkommen. Die Wahrscheinlichkeit für genau diese Konfiguration ist
Wkonf = p n 1 ⋅ p n 2 , denn wir könnten uns wieder N Münzen vorstellen, die diesmal unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten für den Wurf einer Zahl oder eines Wappens haben (p, q). Die
Wahrscheinlichkeit, daß an der ersten Stelle r ist, ist p, daß an der ersten und zweiten r, p2 usw.
Um die Wahrscheinlichkeit auszurechnen, daß genau n1 Schritte nach rechts, n2 Schritte nach
links gemacht werden, muß man nur die Gesamtzahl der Konfigurationen abzählen, die n1
Rechtsschritte und n2 Linksschritte enthalten. Zunächst zählen wir die Gesamtzahl der Möglichkeiten ab, überhaupt N unterscheidbare Elemente in einer Reihe aufzustellen. Wir nehmen
das erste Element und stellen es nacheinander auf einen Platz weiter, ohne die Reihenfolge der
anderen zu ändern. Dies gibt N Möglichkeiten. Bei den übrigen verfahren wir genauso. In jedem der ersten Fälle gibt es N-1 Möglichkeiten, das 2. Element zu versetzen. Insgesamt also
N(N-1) ...2 · 1 = N! Möglichkeiten, d.h. unsere ursprüngliche Konfiguration läßt N! Permutationen zu. Hierbei sind allerdings innerhalb der Schritte nach rechts n1! und der Schritte nach
links n2! Permutationen zuviel gezählt, da Schritte in einer Richtung den gleichen Effekt
16
Abb. 195: Die Möglichkeiten, 4 unterscheidbare Elemente anzuordnen.
machen, unabhängig von der Reihenfolge. Wir dividieren daher durch n1! · n2!. Die gesuchte
Wahrscheinlichkeit ist also
W(n 1 , n 2 ) =
N! p n 1 q n 2
n 1 !n 2 !
Wir schreiben diese noch um auf n1 = n als Variable mit n2 = N - n1
W(n) =
N!
p n q (N−n)
n!(N − n)!
W(n) gibt die Wahrscheinlichkeit an, daß der Betrunkene nach insgesamt N Schritten n Schritte nach rechts gemacht hat.
Diese Verteilung heißt Binominalverteilung, denn die Zahlenwerte W(n) sind identisch mit
den Binominalkoeffizienten
N
N
N!
p n q (N−n)
(p + q) = Σ
(
)
!
−
n!
N
n
=
Sie tritt überall in der Physik da auf, wo sich ein System mehrmals zwischen zwei Alternativen
entscheiden kann. Eine klassische Realisierung ist das Galtonsche Brett (Abb. 196) (Francis
Galton 1822 - 1911)
Abb.196: Das Galtonsche Brett
Um makroskopische Werte zu erhalten, muß man Mittelwerte bilden. Haben wir eine Größe
F(n), die von der Anzahl der Schritte nach rechts abhängt, bei dem Betrunkenen etwa die Lautstärke seiner Stimme, so ist der Mittelwert wie üblich
17
< F(n) >=
Σ W(n i )F(n i )
= Σ W(n i )F(n i )
Σ W(n i )
Der Nenner ist wegen der Normierung 1.
d) Die Gaußverteilung
α) Ableitung der Gaußverteilung
Für N >> 1 geht die Binominalverteilung in eine Gaußverteilung über. Da für N >> 1 die Verteilung sehr schmal wird, führen wir eine Entwicklung um den Mittelwert <n> durch. Dieser
liegt da, wo W(n) sein Maximum besitzt.
n = ⟨n⟩ + η;  dW  = 0
dn ⟨n⟩
Bei Entwicklung zeigt es sich, daß es günstiger ist, statt W(n) ln(W(n)) zu entwickeln. Um dies
plausibel zu machen, stellen wir uns eine Funktion f = (1 + g)N mit kleinem g und großem N
vor. Entwickeln wir sie direkt, so wird f ≈ 1 + Ng. Wegen N >> 1 kann das lineare Glied also
noch sehr groß ausfallen. Die Reihe konvergiert schlecht. Entwickelt man
ln f = N ln (1 + g) = N  g + 1 g 2 + ...  , erhält man eine gut konvergierendee Reihe.
2
Die Entwicklung von lnW bis zur 2. Ordnung hat die Form
2
ln W(n) = (ln W) ⟨n⟩ +  d ln W  η + 1  d ln2W  η 2 + ...
2  dn  ⟨n⟩
dn ⟨n⟩
(1)
Setzt man die Binominalverteilung ein, erhält man rechts
ln W = ln N! − ln n! − ln (N − n)! + n ln p + (N − n)ln q
Die Ableitungen lassen sich mit einem Hilfssatz für N >> 1 vereinfachen (Formel von James
Stirling 1692 - 1770)
d ln n! ≈ ln (n + 1)! − ln n! = ln (n + 1)! = ln (n + 1) ≈ ln n
1
n!
dn
damit wird
d ln W = −ln n + ln (N − n) + ln p − ln q
dn
d 2 ln W = − 1 − 1 = − N
n N−n
n(N − n)
dn 2
(2)
(3)
Der Ausdruck auf der rechten Seite läßt sich vereinfachen. Da <n> bei dem Maximum von
W(n) liegt, ist
 d ln W  = 0
 dn  ⟨n⟩
18
Der zweite Term in (1) fällt also fort. Außerdem kann man <n> durch Np ersetzen, denn bildet
man von (2) den Mittelwert, erhält man
−ln ⟨n⟩ + ln (N − ⟨n⟩) + ln p − ln q = 0
p
N − ⟨n⟩
= 1; Np − ⟨n⟩p = ⟨n⟩q
⟨n⟩q
Np = ⟨n⟩(p + q) = ⟨n⟩
Der 3. Term in Gl. (1) wird mit (3) und dieser Beziehung
N
N
=
= 1
⟨n⟩(N − ⟨n⟩) Np(N − p) Npq
Einsetzen in Gleichung (1) ergibt:
− 1 1 η 2 = ln W(n) − ln W(⟨n⟩)
2 Npq
2
1 η
W(η) = W(⟨n⟩)e 2 Npq
mit <n> = Np
η = n−< n >= n − Np
Dies ist die Gaußverteilung (Carl Friedrich Gauß 1777 - 1855)
Abb. 197: Die Gaußverteilung
β ) Diskussion der Gaußverteilung
In unserem Problem des eindimensionalen "random Walk" gibt die Gaußverteilung nicht die
Wahrscheinlichkeit an, eine bestimmte Position n nach N Schritten zu erreichen, sondern die
Wahrscheinlichkeit, n Schritte nach rechts ausgeführt zu haben. Gleichzeitig gab es n2 = N - n
Schritte nach links, so daß die erreichte Position bei
m = n - n2 = n - (N - n) = 2n - N
liegt. Um die Wahrscheinlichkeit auszurechnen, mit N Schritten m zu erreichen, braucht man
nur in W(n) das n durch
1
n=
2(m + N)
zu ersetzen.
η = n − ⟨n⟩ = 1 (m + N) − Np = 1 (m + N + 2Np)
2
2
19
= 1 [m + N(1 − 2p)]
2
Zur Symmetrisierung des Ausdrucks wird in der runden Klammer 1 durch p + q ersetzt
η = 1 [m + N(q − p)]
2
Die Wahrscheinlichkeit p(m) m zu erreichen, hat dann die Form
 [m − N(p − q)] 2 
P(m)
m − m0
= exp  −
 = exp −
8Npq
P(⟨m⟩)
m 2e


Abb. 198: Die Gaußsche Glockenkurve
Es liegt also eine Gaußsche Glockenkurve mit der Verschiebung m0 = N(p - q) vor. Bei m = m0
P(m 0 )
= 1 . Bei (m - m0) = me erreicht die Kurve
liegt das Maximum
P(⟨m⟩)
P(m)
=1
P(⟨m⟩) e
m e = 8Npq ist also ein Maß für die Breite der Kurve. Je mehr Ereignisse stattgefunden ha8pq
m
ben, desto breiter wird die Verteilung, allerdings nimmt die relative Breite e =
mit
N
N
steigendem N ab. Die Verschiebung wird Null, wenn p = q, d.h. wenn die Schritte nach rechts
und links gleich wahrscheinlich sind.
e) Die kontinuierliche Gaußverteilung
α) Umschreiben auf x
Wenn im Ortsraum die Schrittweite sehr klein ist gegen die Ausdehnung der Kurve, kann man
die Gaußverteilung durch eine kontinuierliche Kurve ersetzen. Wir fragen nicht mehr danach,
wie wahrscheinlich eine diskrete Schrittzahl m ist, sondern wie wahrscheinlich es ist, daß die
Ereignisse in ein vorgegebenes Wegintervall ∆x fallen. Wenn l die Schrittweite ist, erreicht
man in m Schritten die Position x = ml. Bei genügend kleiner Schrittweite kann man P(m) im
Intervall ∆x als konstant ansetzen. Dann ist die Anzahl der Ereignisse in ∆x
20
Abb. 199: Der Übergang zur kontinuierlichen
Verteilung
∆Z = P(m)∆m = P(m) ∆x = f(x)∆x
l
f(x) = dZ nennen wir die Verteilungsfunktion der Zahl der Ereignisse. Sie hat nach der Definidx
tion die Dimension m-1. Bei dem Grenzübergang ∆x → 0 verschwindet die Zahl der Ereignisse. Wenden wir diese Definition einer Verteilungsfunktion auf Geschwindigkeitsverteilungen
an, so ist
f(v)dv
die Anzahl von Teilchen mit Geschwindigkeiten zwischen v und v + dv.
f(x) erhält man aus der Gaußverteilung, indem man m im Exponenten durch x/l ersetzt:
[x/l − N(p − q)]
[x − Nl(p − q)]
[m − N(p − q)]
=
=
8Npq
8Npq
2(4Nl 2 pq)
2
2
2
Hierin ist µ = lN(p − q) eine Verschiebung und
σ 2 = 4Nl 2 pq
ein Maß für die Breite.
Die kontinuierliche Gaußverteilung hat damit die Form
f(x)dx = Ce
(x−µ) 2
2σ 2
dx
β) Normierung
C ist eine Konstante, die sich aus der notwendigen Normierung der Verteilungsfunktion
∞
∫
−∞
f(x)dx = 1
ermitteln läßt. Bei der Berechnung dieses oder ähnlicher Integrale benötigt man immer wieder
2
2
Integrationsformeln für die Gaußfunktion e −x und x n e −x , die im folgenden zusammengestellt
werden.
Zur Berechnung von
∞
I = ∫ e −x dx
2
−∞
wird I2 betrachtet.
21
∞
I =∫ e
2
−x 2
∞
dx
−∞
∫e
−∞
−y 2
∞
dy = ∫ e −(x
2 +y 2
) dxdy
−∞
Durch die Transformation auf Polarkoordinaten wird r2 = x2 + y2, das Flächenelement rdrdϕ
und das Integral
2π ∞
I =∫
2
∫ e −r rdrdϕ
−∞
2
das sich ebenfalls über die ganze Ebene erstreckt. Durch Substitution r2 = t, 2 rdr = dt und die
Integration über ϕ ∫ dϕ = 2π erhält man
I 2 = π ∫ e −t dt = π
Die höheren Momente (n ≠ 0) kann man entweder durch partielle Integration auf dieses Integral zurückführen oder direkt berechnen
∞
I n = ∫ x n e −x
2 /a 2
dx
−∞
ergibt
I0 = π a
I1 = a2
I2 = 1 π a3
2
Die Normierungskonstante der Verteilung erhält man nun aus
C ∫ e −(x−µ)
2
/2σ 2
dx = C π 2 σ = C 2π σ = 1
1
2π σ
C=
γ) Mittleres Schwankungsquadrat
Analog zu Mittelwerten bei diskreten Verteilungen ist der Mittelwert der Funktion von x, F(x)
bezüglich der kontinuierlichen Verteilungsfunktion f(x)
∞
⟨F(x)⟩ = ∫ f(x)F(x)dx
−∞
Der Mittelwert des Schwankungsquadrates
2
1
(x − µ) =
2π σ
=
∞
∫ (x − µ) e −(x−µ) /2σ dx
−∞
2
2
2
1 1 π σ 3 2 3/2 = σ 2 = 4Npql 2
2π σ 2
22
für l = 1, p = q = 1/2 erhält man
(x − µ)
=σ= N
2
Die absoluten Größen der Schwankungen wachsen also mit Wurzel N. Die relativen Größen
N
= 1
N
N
nehmen mit Wurzel N ab, z.B. Bei 10 Photonen im Detektor muß man mit einer Schwankung
von 3 und einem relativen Fehler von 30 % rechnen. Bei 1000 Photonen wächst der Absolutwert der Schwankung auf 30, der relative Fehler sinkt auf 1/30 ≈ 3 %. Das Signal erscheint
glatter.
f) Geschwindigkeitsverteilung in Gasen
α) Eindimensionales Gas
Wir betrachten zunächst ein eindimensionales Gas wie es etwa bei geladenen Teilchen im Magnetfeld vorkommt, wo sich die Gyrationszentren nur parallel zum Magnetfeld bewegen können. Wir nehmen an, daß durch die Vielzahl von Stößen, die ein Teilchen statistisch nach
rechts oder links streuen, eine Verteilung wie beim eindimensionalen "random walk" entsteht.
1 e −v2x /2σ
2π σ
f(v x ) =
Da der Mittelwert der Geschwindigkeit gleich Null sein wird, ist das mittlere Schwankungsquadrat gegeben durch
σ = ⟨v 2x ⟩
Wir definieren jetzt als Temperatur wie früher
1 m v 2 = 1 kT
⟨ x⟩
2
2
Der Faktor 1/2 statt 3/2 rührt daher, daß wir ein eindimensionales Gas betrachtet haben. Man
sagt, die Teilchen erhalten pro Freiheitsgrad 1/2 kT (Gleichverteilungssatz). Damit wird die
Verteilungsfunktion
(1/2)mv 2
x
1
f(v ) =
e − kT
x
2π
kT
m
β) Dreidimensionales Gas
Bei einem dreidimensionalen Gas erhält man analog
f(v x , v y , v z ) = Ce
− 12 m  v 2x +v 2y +v 2z  /kT
Zur Bestimmung der Normierungskonstanten ordnen wir die Variablen im Integral so um, daß
ein Produkt von gleichartigen Integralen erscheint, die wir schon kennen.
23
C ∫ e−
(1/2)mv 2x
kT
dv x ∫ e −
(1/2)mv 2
y
kT
dv y ∫ e −
(1/2)mv 2
z
kT
dv z = 1
3


C  2πkT
 =1
m


C =  m 
2πkT
3/2
Die Verteilungsfunktion lautet damit
f(v x , v y , v z ) =  m 
2πkT
3/2
e
−(1/2)m  v 2x +v 2y +v 2z  /kT
Abb. 200: Verteilung für vx
γ) Verteilung für |v|=v
Die Wahrscheinlichkeit für ein Teilchen, daß sein Geschwindigkeitsbetrag zwischen v und
v + dv liegt, ergibt sich aus der obigen Formel, indem man im Exponenten v 2x +v 2y +v 2z durch v
ersetzt und als Volumenelement im Geschwindigkeitsraum eine Kugelschale nimmt, die zwischen v und v + dv liegt. Ihr Volumen ist 4πv 2 dv. Die Verteilungsfunktion wird damit
Abb. 201: Verteilung von |v|
f(v) = 4π  m 
2πkT
3/2
v 2 e −(1/2)mv
2 /kT
Man nennt sie die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung.
Bei der Angabe von charakteristischen Geschwindigkeiten muß man unterscheiden zwischen
24
Abb. 202: Maxwellverteilung für zwei Temperaturen
df(v) 
= 0 ergibt,
vm, der häufigsten Geschwindigkeit, die sich aus der Bedingung 
 dv  v
v m = 2kT/m
<v>, der mittleren Geschwindigkeit
∞
⟨v⟩ =∫ v f(v)dv = 8kT/πm = 1, 13v m
<v2>, der mittleren quadratischen Geschwindigkeit
2
⟨v 2 ⟩ = ∫v 2 f(v)dv = 3kT/m = (1, 22v m )
δ ) Boltzmann Verteilung
Die Boltzmann Verteilung ist anwendbar für ein Gas, das aus Atomen besteht, die diskrete
Energiezustände Ei einnehmen können. Wir betrachten gleich den allgemeineren Fall, in dem
Niveaus entartet sein können, d.h. es gibt gi Niveaus, die die gleiche Energie Ei haben. gi ist
das statistische Gewicht. Statistische Betrachtungen, die ähnlich sind wie die, die zur Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung geführt haben, ergeben für die Anzahl der Teilchen in den
Niveaus E1 und E 2
f(E 1 ) g 1 e −E 1 /kT g 1 −(E 1 −E 2 )/kT
=
= e
f(E 2 ) g 2 e −E 2 /kT g 2
Deutet man die Erdatmosphäre als ein Ensemble von Teilchen in den Energieniveaus der Gravitation, erhält man aus der Boltzman Verteilung die barometrische Höhenformel
f(h)
= e −mgh/kT
f(0)
25
KAPITEL C
Wärme
1. Makroskopische Betrachtung
a) Definition von Wärme
Bringt man zwei Systeme mit unterschiedlichen Temperaturen in Kontakt, so wird nach einer
Ausgleichszeit ein Gleichgewichtszustand mit einer neuen Temperatur erreicht. Wir sagen, von
dem System mit höherer Temperatur ist Wärme in das mit der kleineren Temperatur übergegangen. Die Wärme kann zu einer Temperaturerhöhung, einer Änderung der Phase oder dem
Verrichten von Arbeit führen. Typische Situationen für diesen Vorgang sind das Erhitzen eines
Körpers durch eine Flamme oder das Mischen von heißem und kaltem Wasser. Man kann die
Wärmemenge experimentell quantifizieren, indem man sie an die Temperaturerhöhung bindet.
Die alte Einheit für Wärmemenge, die Kalorie, ist so definiert. Sie ist die Wärmemenge, die
notwendig ist, um ein Gramm Wasser um ein Grad zu erwärmen. Eine weiterführende Betrachtung verknüpft die Wärme mit der Energie. Zu diesem Zweck soll im folgenden die Arbeit an thermodynamischen Systemen genauer betrachtet werden.
b) Arbeit
Um zu entscheiden, ob bei einem Prozeß Arbeit geleistet wurde, prüfen wir, ob man mit ihm in
der Lage ist, mechanische Energie zu erzeugen, etwa ein Gewicht zu heben. Führt man z.B. einem in einem Zylinder eingeschlossenen Gas Wärme zu und läßt es dabei expandieren, so leistet das Gas Arbeit, da mit der Bewegung des Kolbens ein Gewicht gehoben werden könnte.
Abb. 203: Ein System, dem Wärme zugeführt wird, kann
Arbeit leisten
Die Arbeit berechnet sich aus
∆W = F∆x = pA∆x = p∆V
V2
W = ∫ pdV
V1
Da p eine Funktion von V und T ist, hat man T als freien Parameter, den man z.B. durch unterschiedliche Wärmezufuhr variieren kann.
T(V) bestimmt den Integrationsweg. Auf diese Weise kann man auf unterschiedlichen Integrationswegen von einem Anfangspunkt (1) zu einem Endpunkt (2) gelangen (s. Abb. 204) und
dabei unterschiedliche Werte für das Integral erhalten. Wenn das Integral unabhängig vom
Weg wäre, könnte man ähnlich wie in der Mechanik bei der potentiellen Energie eine Größe
26
Abb.204: Die verrichtete Arbeit ist nicht unabhängig vom
Weg
definieren, die eindeutig von den Systemparametern abhängt. Da dies bei der Arbeit an einem
thermodynamischen System nicht der Fall ist, ist W keine Zustandsfunktion und dW kein vollständiges Differential. Um dies zu verdeutlichen, schreibt man δ W. Für eine typische Zustandsfunktion wie p(V,T) kann man dagegen das vollständige Differential angeben.
∂p
∂p
dp =   dV +   dT
 ∂V 
 ∂T 
Abb.205: Die bei einer Zustandsänderung entlang eines geschlossenen Weges im pV-Diagrammm geleistete Arbeit
Führt man eine Zustandsänderung durch und macht sie rückgängig, indem man im pV-Diagramm einen anderen Pfad benutzt als auf dem Hinweg, so ist die von dem Pfad eingeschlossene Fläche ein Maß für die von dem System geleistete Arbeit. Wird der Bereich im Uhrzeigersinn durchlaufen, so wird W>0 und das System gibt Arbeit an die Außenwelt ab, im umgekehrten Fall nimmt es Arbeit auf. Möchte man die Arbeit über die Zustandsvariablen ausrechnen, muß der Prozeß natürlich quasistatisch ablaufen, da diese sonst nicht definiert sind.
Beispiel: Arbeit, die ein ideales Gas bei Expansion mit konstanter Temperatur leistet:
pV = νRT
V2
W = ∫ pdV
V
Es folgt
V
W = ∫ νRT dV = νRT ln 2
V
V1
c) Innere Energie
Führt man einem isolierten System Arbeit zu, so muß, da der Energiesatz gilt, die aufgewendete Arbeit als Energie im System stecken. Dies kann bei einem Gas z.B. kinetische Energie der
Translation der Teilchen sein, d.h. zu einer Temperaturerhöhung führen, kinetische Energie
der Rotation oder Schwingung, die zu keiner Temperaturerhöhung führt, oder potentielle Energie, besonders bei Phasenänderungen. Da mit den einzelnen Energien der Zustand des
27
Abb. 206: Zum Begriff der inneren Energie
Systems völlig festliegt, ist die so erzeugte Energie eine Zustandsfunktion. Man nennt sie innere Energie U(T,V) oder U(T,p). Das vollständige Differential hat die Form
∂U
∂U
dU =   dT +   dV
∂T V
∂V T
 
dU =  ∂U  dT + ∂U dp
 ∂p 
∂T p
Bei einem idealen Gas hat man keine potentielle Energie. Die innere Energie ist daher vom
mittleren Abstand der Teilchen und damit vom Volumen unabhängig ∂U = 0 , d.h.
∂V
∂U
dU =   dT
∂T V
Eine häufige Fehlerquelle bei der Behandlung von thermodynamischen Problemen rührt daher,
daß man von "Wärmeinhalt" spricht. Während der Inhalt an innerer Energie ein sinnvoller Begriff ist, gibt es Wärmeinhalt nicht, wie im folgenden auseinandergesetzt wird.
d) Erster Hauptsatz der Wärmelehre
Der erste Hauptsatz besagt, daß Wärme eine Energieform ist. Diese Erkenntnis hat sich erst
verhältnismäßig spät in der Physik herausgebildet. Etwa vor 1800 bestand die allgemeine Ansicht, daß Wärme ein Stoff ist, der bei Kontakt zweier Körper von einem zum andern übergeht.
Rumford (Graf Rumford 1753 - 1814), ein amerikanischer Abenteurer und Erfinder, (der die
Rumford-Suppe zur Armenspeisung einsetzte), entdeckte beim Bohren von Kanonenrohren,
daß die Arbeit mit der entwickelten Wärme zusammenhängt, daß man immer wieder einen
Körper durch Bearbeitung zum Glühen bringen kann, ohne daß der vermutete Wärmestoff
knapp wird. Robert Mayer (1814 - 1878) fand als erster einen Zahlenwert für die Umrechnung
von Wärmeeinheiten in Arbeitseinheiten, indem er die Arbeit an einem idealen Gas berechnete
und den Wert mit der Wärmekapazität verglich. Joule (James Prescott Joule 1818 - 1889)
führte als erster genaue Messungen zum "Wärmeäquivalent" durch, indem er durch Reibung
mechanische Arbeit in Temperaturerhöhung umsetzte. Es zeigte sich, daß Arbeit vollständig in
Wärme umgesetzt werden kann, während die umgekehrte Umwandlung i.a. nicht vollständig
möglich ist. Hiermit befaßt sich der zweite Hauptsatz. Formal besagt der erste Hauptsatz, daß
die einem System zugeführte Wärmemenge in einer Erhöhung der inneren Energie und einer
Arbeitsleistung des Systems wiedergefunden wird
δQ = dU + δW
28
Da δW keine Zustandsvariable ist, ist auch δQ keine. Der Begriff der Wärme hat nur einen
Sinn, wenn man ihn im Zusammenhang mit Übergang von thermischer Energie von einem
Körper auf einen anderen gebraucht.
e) Wärmekapazität
Die Wärmekapazität verknüpft die Wärmezufuhr ∆Q mit der daraus resultierenden
Temperaturerhöhung
∆Q = C∆T
C gibt die Wärmemenge an, die man einem Stoff zuführen muß, damit sich seine Temperatur
um 1° erhöht. cm = C/m ist die spezifische Wärmekapazität, c/Anzahl der Mole die molare
Wärmekapazität. Über sie kann man durch mikroskopische Betrachtungen Aussagen machen.
Über die Wärmekapazität kann man bei einem Mischvorgang die Mischungstemperatur berechnen oder umgekehrt kann man über Mischvorgänge die Wärmekapazität bestimmen.
m 1 c 1 (T 1 − T m ) = m 2 c 2 (T m − T 2 )
Abb. 207: Ermittelung der Mischtemperatur
Für genauere Messungen muß man die Wärmeabgabe an das Mischgefäß, den sogenannten
Wasserwert und die Abkühlung bis zum Ablesen der Temperatur berücksichtigen.
2. Mikroskopische Betrachtung
a) Freiheitsgrade
Da sich bei einer Wärmezufuhr die Energie auf Translations-, Rotations-, Vibrations- und potentielle Energie verteilt, für die Temperaturerhöhung nur die Erhöhung der Translationsenergie maßgeblich ist, ist zur Berechnung der Wärmekapazität die Abzählung der verschiedenen
möglichen Bewegungsformen wichtig. Allgemein nennt man die Zahl der unabhängigen Ortskoordinaten, die notwendig sind, die Bewegung eines Moleküls zu beschreiben, seine
Freiheitsgrade.
Abb.208: Beim Zusammenstoß von Kugeln wird praktisch
keine Rotationsenergie übertragen
29
In der Thermodynamik fallen einige dieser Bewegungsformen weg, weil sie praktisch nicht
angeregt werden. Z.B. verhalten sich einatomige Moleküle bei einem Stoß wie Kugeln mit
glatter Oberfläche. Die wesentlichen Kräfte wirken senkrecht zur Tangentialfläche im Berührungspunkt. Daher werden sie bei Stoß praktisch nicht in Rotation versetzt.
Abb. 209: Anzahl der Freiheitsgrade einer Hantel
Einatomige Gase haben daher nur die drei Translationsfreiheitsgrade. Zweiatomige Moleküle
werden zu Drehungen um zwei Achsen senkrecht zur Verbindungslinie der Atome angeregt,
aber nicht zu Drehungen um die Verbindungslinie. Sie haben daher 5 Freiheitsgrade. Im Prinzip kommen noch Vibrationsfreiheitsgrade dazu. Diese sind bei Zimmertemperatur meist nicht
angeregt.
b) Gleichverteilungssatz
In der statistischen Mechanik wird gezeigt, daß im thermischen Gleichgewicht auf jeden Freiheitsgrad, von dem die Energie quadratisch abhängt, 1/2 kT an Energie pro Atom fällt. Wir
können uns vorstellen, daß durch die häufigen Stöße gleich viel Energie auf die verschiedenen
Bewegungsformen fällt. Die Temperatur ist also unabhängig von den Freiheitsgraden definiert
durch
1 mv 2
3
trans = kT
2
2
Man sieht dies leicht ein, da die Temperatur im idealen Gasgesetz steht. Hier sorgt sie für den
Druck auf die Wand und dafür ist nur die Translation maßgeblich. Bei der Erhöhung der inneren Energie U muß man hingegen alle Freiheitsgrade berücksichtigen.
f
dU = kdT + dE pot
2
c) Beispiel: Ideales Gas
Zur Berechnung der Wärmekapazität gehen wir vom ersten Hauptsatz aus
δQ = dU + pdV
und berücksichtigen, daß beim idealen Gas ∂U = 0 ist. Die Wärmekapazität hängt davon ab,
∂V
ob bei konstantem Volumen oder konstantem Druck gearbeitet wird, da bei Veränderung des
Volumens Arbeit geleistet wird, d.h. bei gleicher Temperaturerhöhung mehr zugeführte Wärme erforderlich ist.
α) V = const
dW = pdV = 0
30
∂U
dQ =   dT = c V dT
∂T V
f
dU = RdT
2
c V = 1 fR
2
Dies ist die molare Wärmekapazität eines idealen Gases für konstantes Volumen.
β ) p = const
Bei konstantem Druck kommt die Volumenarbeit pdV hinzu. Da pV = RT für ein Mol und
p = const, ist diese pdV = RdT
f
dQ = RdT + RdT = (c V + R)dT
2
Man erkennt, daß cp > cv und
cp − cV = R
1
cp
c V + R 2 fR + R f + 2
c V = κ = c V = 1 fR = f
κ nennt man den Adiabatenkoeffizienten. Er spielt z.B. bei einer adiabatischen Zustandsänderung (dQ = 0) eine Rolle, für die gilt pV κ = p 0 V κ0 . (s. Kap. E/1c)
d) Festkörper
Da sich Festkörper nur sehr wenig bei Temperaturerhöhung ausdehnen, fällt hier die Volumenarbeit pdV weg, und cp und cv sind gleich. Dafür spielt die potentielle Energie eine entscheidende Rolle und erhält 1/2 kT pro Freiheitsgrad an Energie wie die kinetische Energie. Für
drei Freiheitsgrade ergibt sich das Gesetz von Dulong-Petit (Pierre Louis Dulong 1785 - 1838,
Alexis Thérèse Petit 1791 - 1820) dQ = dU = 3RdT
c V = 25 Joule
Kmol
Für genügend hohe Temperaturen ist dieses Gesetz gut erfüllt (s. Tabelle I: Wärmekapazität
fester Körper). Schwere Atome befolgen es schon bei Zimmertemperatur. Die Abnahme bei
kleinen Temperaturen ist ein quantenmechanischer Effekt. Die Oszillatoren können nicht kontinuierlich mit kleineren Amplituden schwingen. Sie werden daher, wenn sie bei der minimalen Amplitude angekommen sind, der Energieverteilung entzogen. Man sagt, die Freiheitsgrade sind eingefroren.
Abb.210: Abnahme der Wärmekapazität bei kleinen
Temperaturen
31
KAPITEL D
Transportvorgänge
1. Einleitung
Bisher wurde das Hauptaugenmerk auf Gleichgewichtszustände gerichtet. Hat man in einem
System an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Temperaturen, so liegt sicher kein thermisches Gleichgewicht vor, und es fließt Wärme. Die Wärmemenge, die pro Zeit und Querschnittsfläche durch eine Fläche strömt, nennt man den Wärmestrom φu. Wärmeübergang, der
nicht mit Materietransport verbunden ist, etwa von einer Kochplatte zum metallenen Griff eines Kochtopfes, nennt man Wärmeleitung. Geschieht die Wärmeübertragung durch Materietransport wie Wärme- oder Kälteeinbruch bei verschiedenen Winden, so spricht man von Konvektion. Ohne jede Beteiligung von Materie kann Wärme durch Strahlung übertragen werden,
wie der Wärmestrom von der Sonne auf die Erde zeigt. In vielen praktischen Situationen beruht die Wärmeübertragung auf einer Kombination dieser Grundprozesse.
Es gibt eine Reihe von Transportprozessen, denen eine ähnliche Physik zugrunde liegt wie die
Wärmeleitung, so daß man sie mit dem gleichen Formalismus beschreiben kann: Ein Gradient
einer physikalischen Größe erzeugt einen Strom. Bei der Wärmeleitung erzeugt ein Temperaturgradient einen Wärmestrom, bei der elektrischen Leitung ein Ladungsgradient einen elektrischen Strom, bei der Diffusion ein Dichtegradient einen Teilchenstrom und bei der Viskosität
ein Impulsgradient in einer Strömung eine Impulsübertragung und damit eine Kraft.
2. Wärmetransport (makroskopische Betrachtung)
a) Wärmeleitungsgleichung
Abb. 211: Wärmeleitung in einem Stab
Wir betrachten ein eindimensionales Problem, etwa einen Stab, der an der einen Seite geheizt,
an der anderen gekühlt wird. Der Außenmantel sei isoliert. Im stationären Fall stellt sich eine
zeitunabhängige Temperaturverteilung ein. Der Wärmestrom ist dem Temperaturgradienten
proportional: Φ u ∼ ∆T . Man schreibt
∆x
Φ = −k dT
dx
Das negative Vorzeichen berücksichtigt die Tatsache, daß der Wärmestrom in Richtung abnehmender Temperatur fließt. k nennt man den Wärmeleitungskoeffizienten. Da der Wärmeverlust
der Temperaturdifferenz an beiden Seiten einer Wand proportional ist, ist es zur Vermeidung
von Wärmeverlusten angesagt, diese möglichst klein zu halten, also z.B. die Kesseltemperatur
einer Heizungsanlage möglichst niedrig zu halten. Außerdem verwendet man natürlich geeignete Dämmaterialien, d.h. Materialien mit kleinem k. Der Wärmeleitungskoeffizient wird experimentell bestimmt. In einfachen System wie idealen Gasen läßt er sich berechnen. Die Wärmeleitungsgleichung ist ähnlich aufgebaut wie die Gleichung für elektrische Leitfähigkeit.
32
Man kann also den stationären dreidimensionalen Fall analog zum elektrischen Problem
berechnen.
Abb. 212: Wärmeleitungsproblem in Zylindersymmetrie
Beispiel: Radiale Temperaturverteilung in einem langen Rohr, das im Innern auf erhöhter
•
Q
dT
=−
Temperatur gehalten wird
2πrLk
dr
•
Da Q im stationären Fall konstant ist, ergibt sich durch Integration ein logarithmisches
Temperaturprofil.
b) Wärmediffusion
Überläßt man einen Körper mit einer Temperaturverteilung sich selbst, so wird er in einem instationären Vorgang in den Gleichgewichtszustand übergehen, d.h. die Temperatur ist vom Ort
und der Zeit abhängig. Im eindimensionalen Fall ergibt sich die Temperaturänderung in einem
Massenelement dm = ρAdx durch die Differenz der Wärmeströme, die bei x zufließen und bei
x + dx abfließen.
Abb.213: Zur Ableitung der Diffusionsgleichung
∆Q(x) = −kA
∂T
∆t
∂x
∂
∂T
T + dx  ∆t

∂x
∂x
Die Differenz ist nach der Definition der spezifischen Wärmekapazität c gleich
∆Q(x + dx) = −kA
cdm∆T = cρAdx∆T
∂2T
dx∆t = cρAdx∆T
∂ 2
Hieraus ergibt sich die Diffusionsgleichung für T
kA
∂T k ∂ 2 T
=
∂t ρc ∂x 2
Die gleiche Form hat die Gleichung für Teilchendiffusion
∂2n
∂n
=D 2
∂t
∂
33
(Das sogenannte 2. Ficksche Gesetz, Adolph Fick 1829 - 1901)
Für Magnetfelder in einer leitfähigen Flüssigkeit kann man aus den Maxwellschen Gleichungen eine Diffusionsgleichung herleiten, wenn der Verschiebungsstrom vernachlässigbar ist:
•
rotE = −B
rotB = µ 0 j
j = σE
Ersetzt man j in der zweiten Gleichung durch die dritte Gleichung und bildet man von dieser
die Rotation, um E mit Hilfe der ersten Gleichung zu eliminieren, erhält man
•
rotrotB = −µ 0 σ B
2
Wegen rotrotB = ∇(∇B) − ∇ B und divB = 0 ergibt sich die Diffusionsgleichung
•
∇2B = µ0σ B
mit der man das Eindringen des Sonnenwindes in das Erdmagnetfeld oder das Eindringen eines Magnetfeldes in eine Hochfrequenzabschirmung berechnen kann.
Für eine Abschätzung setzt man
∂2
≈ 12
2
∂
∂ 1
≈
∂t t 0
wobei L eine typische räumliche und t0 eine typische zeitliche Ausdehnung ist. Man erhält
L = µ0σ t0
c) Experimentelle Bestimmung von k
Die Wärmeleitfähigkeit mißt man mit der oben beschriebenen stationären Anordnung. Die
Probe wird an der einen Seite geheizt, an der anderen gekühlt. Durch Messung der Temperaturen an beiden Seiten und der von der Heizung abgegebenen Wärmemenge ergibt sich k. Die
zeitliche Abstrahlung macht bei Metallen einen vernachlässigbaren Effekt. In anderen Fällen
kann man sie durch Isolierung oder durch eine zusätzliche Heizung verringern. Es zeigt sich,
daß Stoffe, die eine gute elektrische Leitfähigkeit besitzen, auch gute Wärmeleiter sind. Nach
dem Wiedemann-Franz-Gesetz sind k und σ zueinander proportional. (Gustav Wiedemann
1826 - 1899, Rudolph Franz 1827 - 1902). Daher haben Metalle eine hohe Wärmeleitfähigkeit,
Isolatoren wie Glas eine geringe (s. Tabelle II)
Wärmeleitfähigkeit in J/msK
Ag
Cu
Fe
Glas
H2O
Glaswolle
Luft
421
381
40
0,7
0,6
0,04
0,03
34
d) Wärmeübergang mit Konvektion
Abb.214: Wärmeübergang an einer Fensterscheibe
Bei einer Wärmeübertragung zwischen einer festen Wand und einem Gas wie bei einem Heizkörper oder einer Fensterscheibe sind verschiedene Prozesse beteiligt. Man faßt ihren Effekt in
der Wärmeübergangszahl h zusammen und schreibt
•
Q= −hA∆T
h ist von der Oberflächenbeschaffenheit, der Lage der Wand (senkrecht oder horizontal) und
der Strömungsgeschwindigkeit abhängig. Eine Dimensionsanalyse zeigt, daß bei Systemen aus
fester Wand und Gas h ∼ (∆T) 1/4 . Bei Glas-Luft h = 2(∆T) 1/4 J/sm 2 K . Bei einer einzelnen Glasscheibe entsteht die Haupttemperaturdifferenz in der Konvektionszone, während die Temperaturdifferenz zwischen den Oberflächen der Scheibe meist sehr viel kleiner ist. Die Scheibe
nimmt etwa die mittlere Temperatur zwischen außen und innen an.
e) Strahlung
Jeder Körper wandelt innere Energie in elektromagnetische Strahlung um und strahlt sie ab.
Die Abstrahlung von Festkörpern beschreibt man am besten über die eines sogenannten
schwarzen Strahlers. Ein schwarzer Strahler ist ein Körper, der alle auf ihn fallende Strahlung
absorbiert. Er wird durch einen Hohlraum mit einem kleinen Loch realisiert. Seine Strahlungsleistung hängt nur von der Temperatur ab, nicht von der Form oder dem Material des Hohlraums. Die gesamte Strahlungsleistung pro Fläche wird durch das Stefan-Boltzmannsche Gesetzt gegeben (J.Stefan 1835 1893).
P = σT 4
A
Für einen beliebigen Festkörper schreibt man
P = εσT 4
A
ε
worin der gemittelte Emissionskoeffizient des Körpers ist. Er ist nach Kirchhoff gleich dem
Absorptionskoeffizienten.
3. Transportkoeffizienten für Gase (mikroskopische Betrachtung)
a) Energieübertrag durch Stöße
Wir erklären die physikalischen Vorgänge am eindimensionalen Modell der Wärmeleitung und
übertragen die Ergebnisse auf die anderen Transportkoeffizienten.
In einem Gas herrsche ein Temperaturgradient in Richtung x. Die innere Energie der Teilchen
U ist dann von x abhängig. Die Teilchen fliegen eine gewisse Strecke λ frei bis sie stoßen. Bei
einem Stoß können sie Energie auf den Stoßpartner übertragen oder von ihm Energie
Abb. 215: Ein Stoß bringt Information über die Verhältnisse im Abstand der freien Weglänge
35
aufnehmen. Im Mittel bleibt in einem homogenen Medium die Energie pro Teilchen u = U/n
gleich. Bei einem Medium mit Temperaturgradient deponiert ein Teilchen im Mittel seine
Energie u(x) an einem Ort, der von dem Ausgangspunkt x eine Entfernung λ hat. Z.B. an die
Stelle x = 0 bringen Teilchen die Energie mit, die bei ±λ herrscht. Diese ist
u(−λ) = u(0) − λ du
dx
u(+λ) = u(0) + λ du
dx
1
Der Teilchenstrom in x-Richtung ist (s. Kap. B/2a) nv , wobei v die mittlere thermische Ge6
schwindigkeit ist. Die an die Stelle x = 0 übertragene Energie wird also
1 nvu(−λ) − 1 nvu(λ) = − 1 λnv du
6
6
3
dx
der Fluß der inneren Energie also
Φ u = − 1 λnv du
3
dx
(2)
f
Für ein ideales Gas ist u = 2 k B T und daher
f
Φ u = Φ = − 1 λnv k B ∂T
(3)
3
2 ∂x
Man erhält also die Form der Wärmeleitungsgleichung, wobei der Wärmeleitungskoeffizient
durch charakteristische Daten des Moleküls und die freie Weglänge λ ausgedrückt wird. Um
genauere Aussagen machen zu können, versuchen wir im folgenden auch die freie Weglänge
durch Moleküldaten auszudrücken.
b) Freie Weglänge
Abb. 216: Die Anzahl der Stöße in einem Teilchenstrahl
Wir stellen uns zunächst vor, daß in ein Gasvolumen mit einer Teilchendichte n von außen
Teilchen eingeschossen werden. Die Gaszelle sei so kurz, daß die Projektionen der Teilchen
nicht überlappen. Dann ist die Wahrscheinlichkeit für ein Strahlteilchen, einen Stoß zu erleiden, gleich dem Verhältnis der Querschnittsflächen aller Teilchen nσ ⋅ x ⋅ A zur Gesamtfläche
A. Für punktförmige Strahlteilchen ist diese Fläche, der sogenannte Wirkungsquerschnitt
gleich πr 2 .
Abb.217: Die Wahrscheinlichkeit für einen Treffer
36
Abb. 218: Der Wirkungsquerschnitt beim Stoß zweier
gleichgroßer Kugeln
Für Strahlteilchen vom Radius r ist er σ = π(2r) 2 , da alle Strahlteilchen, die in einer Entfernung kleiner 2r am Mittelpunkt eines Gasteilchens vorbeifliegen, einen Stoß erleiden (Abb.
218). Die Wahrscheinlichkeit für ein Strahlteilchen für einen Stoß ist also nxσ.
Die freie Weglänge ist die Länge x des Volumens, bei der die Stoßwahrscheinlichkeit 1 ist,
d.h. nλσ = 1
1
λ = nσ
Beispiel: Für ein Gas mit 2 r = 10-8 cm und einer Teilchendichte 3 · 1019 cm-3 ist
1
λ=
= 10 −4 cm
19
π −16
⋅
d.h. bei einem Druck von 1 mbar ist die freie Weglänge etwa 1 mm.
c) Abhängigkeit der Transportkoeffizienten von n und T
α) Wärmeleitung
Für die Wärmeleitung eines idealen Gases folgt aus Gleichung (3)
f
k = 1 λnv k B
3
2
kB ist die Boltzmannkonstante
mit λ = 1/nσ erhält man
v fk
k = 1σ
B
6
Die Wärmeleitung ist unabhängig von der Dichte der Teilchen und damit vom Gasdruck. Da
1 mv 2 = 3 kT , steigt sie mit der Temperatur und nimmt mit der Molekülmasse ab. Wenn die
2
2
freie Weglänge größer wird als der Abstand der Wände eines Vakuumgefäßes L, wird die
Energie direkt von einer Wand zur gegenüberliegenden transportiert. Man kann also Gl. (3)
benutzen, wenn man für λ L einsetzt.
k = 1 Lvnfk B
6
Die Wärmeleitfähigkeit ist jetzt der Dichte proportional. Der Bereich, in dem die Transportkoeffizienten der Dichte proportional sind, heißt der Knudtsenbereich. Man nutzt diesen Effekt
zur Druckmessung über die Wärmeleitung aus.
β) Diffusionskoeffizient
37
Um zur Diffusionsgleichung zu kommen, ersetzt man in Gl. 2 u durch n
v dn
Φ n = − 1 λnv dn = − 1 σ
3
3 dx
dx
und erhält das 1. Ficksche Gesetz mit der Diffusionskonstanten
v
D = 1σ
3
T wird D ∼ T unabhängig von n.
mit v∼ m
m
γ) Viskosität
Abb. 219: Newtonsche Definition der Viskosität
Die Viskosität definiert man in einer Situation, in der sich eine Strömungsgeschwindigkeit
senkrecht zur Geschwindigkeitsrichtung ändert. Im Teilchenbild nehmen Teilchen, die Schichten mit konstantem vx wechseln, deren Impuls mit und übertragen ihn an eine Schicht, die die
Entfernung λ hat. Um die Viskosität η durch Moleküldaten auszudrücken, ersetzt man in Gl. 3
u durch mvx = px und erhält
•
px
dv
F
Φp =
= x = − 1 λ nm v x
3
A
A
dy
Man erkennt, daß man den Newtonschen Ansatz für Viskosität herausbekommt mit
η = 1 vλ nm , η ∼ mT
3
Die Viskosität von Gasen ist außerhalb des Knudtsenbereichs unabhängig vom Druck, steigt
mit der Temperatur und mit der Molekülmasse
38
KAPITEL E
Zustandsänderungen
1. Zustandsänderungen in idealen Gasen
a) Versuch von Gay-Lussac (freie Expansion)
Abb. 220: Die freie Expansion eines Gases
Um den ersten Hauptsatz zu illustrieren und um den Begriff reversibler Prozesse vorzubereiten, werden im folgenden verschiedene Prozesse besprochen, bei denen ein Gas expandiert.
Zunächst betrachten wir einen thermisch isolierten Behälter mit einer Trennwand. In der einen
Hälfte sei ein ideales Gas, in der anderen Vakuum. Die Trennwand wird beseitigt, und das Gas
strömt in das Vakuum, dabei wird keine Wärme abgegeben (δQ = 0) und keine Arbeit geleistet. Nach dem ersten Hauptsatz δQ = dU + δW folgt dann, daß die innere Energie konstant
bleibt. Dies verstehen wir auch mikroskopisch sofort, da für alle Teilchen die Summe aus kinetischer und potentieller Energie sich nicht ändern darf. Im allgemeinen Fall ist U eine Funktion
von T und V
∂U
∂U
dU =   dT +   dV
∂T V
∂V T
und die Temperaturänderung hängt von U(V) ab. Beim idealen Gas ist  ∂U  = 0 . Dies ist
∂V T
gleichbedeutend mit der Aussage, daß die potentielle Energie der Teilchen keine Rolle spielt,
da diese vom gegenseitigen Abstand und damit von V abhängen würde. Bei der freien Expansion eines idealen Gases bleibt also die Temperatur konstant. Bei einem realen Gas ist der Effekt so klein, daß er mit der Anordnung von Gay-Lussac nicht meßbar ist.
b) Innere Energie eines idealen Gases
Bei konstant gehaltenem Volumen gilt für ein beliebiges Gas, dem Wärme zugeführt wird,
nach dem ersten Hauptsatz
δQ = dU
Andererseits nach der Definition der spezifischen Wärme bei konstant gehaltenem Volumen
δQ = C V dT
d.h.
U = ∫ C V dt + U 0
Bei einem idealen Gas ist Cv konstant und U nur von T abhängig, d.h. U0 ebenfalls konstant,
daher erhält man
U = CVT + U0
Bei einem realen Gas hängt U0 im allgemeinen noch von den anderen Zustandsvariablen, z.B.
V, ab
39
c) Adiabatische Expansion
Abb.221: Modellversuch zur adiabatischen Expansion
Der Gay-Lussac Prozeß ist streng von der adiabatischen Expansion zu unterscheiden. Hier
wird ein Kolben, gegen den das Gas eine Arbeit leistet, aus einem Zylinder gezogen. Die Wärmezufuhr soll wieder gleich Null sein, aber die vom Gas geleistete Arbeit soll nicht verschwinden. Man kann sich z.B. vorstellen, außerhalb vom Kolben sei Vakuum. Dann ist es möglich,
mit dem Zylinderhub ein Gewicht zu heben, was wir als Kriterium für geleistete Arbeit angesehen haben. Mikroskopisch erkennt man die Tatsache, daß vom Gas Arbeit geleistet wird,
daran, daß beim Stoß eines Teilchens auf den bewegten Kolben die mittlere kinetische Energie
abnimmt.
Aus dem ersten Hauptsatz mit δQ = 0 und dU = C v dT folgt
0 = C V dT + pdV
(1)
C dT = −pdV
V
Wir schreiben eine ähnliche Gleichung für CpdT, indem wir benutzen (s. Kap. C/2c)
Cp - Cv =νR (ν ist die Zahl der Mole, R die Gaskonstante).
(C p − νR)dT = −pdV
wegen pV = νRT ist pdV + Vdp = νRdT. Ersetzen wir damit νRdT, ergibt sich
C p dT − pdV − Vdp = −pdV
C p dT = Vdp
(2)
Durch Division der Gleichungen (2) und (1) wird dT eliminiert, und man erhält eine gewöhnliche Differenzialgleichung
Cp
Vdp
κ=
=−
CV
pdV
dp
κ dV + p = 0
V
die integriert den Zusammenhang von p und V für adiabatische Zustandsänderung ergibt.
pV κ = const
κ ist der Adiabatenkoeffizient, der durch die Freiheitsgrade des Moleküls ausgedrückt werden
kann.
f
f
C V = R; C p = C V + R =  + 1  R
2

2
Cp f + 2
=
CV
f
40
Abb. 222: adiabatische und isotherme Zustandsänderung
im Verlauf
Im pV-Diagramm ist die Kurve für adiabatische Zustandsänderung steiler als eine Isotherme.
Auf der Adiabaten ändert sich die Temperatur. Möchte man die Temperaturänderung berechnen, kann man in der Adiabatengleichung p über das ideale Gasgesetz durch T und V
ausdrücken
p = nRT ; nRT V κ = const
V
V
TV κ−1 = const
In der Natur sind viele Zustandsänderungen nicht streng adiabatisch. Man kann dann noch
pV π = const schreiben. Solche Zustandsänderung heißt polytrop. Der Polytropenexponent ist
ungleich κ.
Abb. 223: Versuch von Clement und Desormes
κ kann mit verschiedenen Methoden experimentell bestimmt werden. Abb. 223 zeigt die Anordnung nach Clement und Desormes (Charles Bernard Desormes 1777 - 1862, Nicolas Clement 1779 - 1841). In einem größeren Behälter wird ein erhöhter Druck des zu untersuchenden
Gases hergestellt und der Temperaturausgleich mit der Außentemperatur abgewartet. Der
Druck im Gefäß sei dann pa, das Volumen Va und die Temperatur T0. Durch Öffnen des Hahnes läßt man das Gas adiabatisch expandieren. Der Druck nimmt auf p0 ab, das Volumen vergrößert sich auf Ve. (Ein Teil davon ist nicht mehr in der Flasche.) Jetzt schließt man den Hahn
und wartet den Temperaturausgleich ab. Der Druck wird dabei pe. Zwischen dem Zustand ganz
am Anfang des Versuches und am Ende hat man also eine isotherme Zustandsänderung
paVa = peVe
bei der adiabatischen Expansion gilt
p a V κa = p e V κe
Durch Potenzieren der ersten Gleichung zum Exponenten κ und Division beider Gleichungen
eliminiert man V und erhält eine Gleichung, die die gemessenen Drücke und κ verknüpft
pa pe
=
p κa p κe
Abb. 224 zeigt die Anordnung von Rüchhardt. Eine Metallkugel paßt so genau in ein Rohr,
das in einem Gefäß sitzt, daß sie auf dem Luftpolster schwingt. Wegen der Schnelligkeit des
41
Abb.224: Der Versuch von Rüchhardt zur Bestimmung
von cp/cv
Vorgangs ist dieser adiabatisch. Die rücktreibende Kraft ergibt sich also aus dem
Adiabatengesetz
dp
dV
p = −κ V
Man erkennt, daß man für kleine Änderungen von p und V dp durch ∆p und dV durch ∆V ersetzen kann (Linearisierung!) Für die Kraft auf die Kugel bei Auslenkung aus der Gleichgewichtslage ergibt sich
p
p
F = A∆p = −κ ∆VA = −κ A 2 x
V
V
Die Bewegungsgleichung der Kugel ist also eine Schwingungsgleichung
p
••
m x= − A 2 κx
V
pA 2 κ
mit der Schwingungsfrequenz
ω2 =
mV
p und V sind die Daten für den Gleichgewichtsfall.
d) Der Joule-Thomson Prozeß (Gedrosselte Expansion)
(William Thomson (Lord Kelvin) 1824 - 1907)
Abb.225: Anordnung zur gedrosselten Expansion
Beim Joule-Thomson Prozeß wird ein Gas durch eine poröse Zwischenwand gedrückt. Dadurch entsteht ein Druckunterschied in den beiden Hälften des Gefäßes. Nach außen hin ist das
Gefäß thermisch isoliert. Durch den engen Kontakt der porösen Zwischenwand mit dem
durchströmenden Gas nimmt diese die Temperatur des Gases an, so daß auch hier der erste
Hauptsatz mit δQ = 0 gilt.
Die Arbeit an dem Kolben ist ∫ pdV = pV. Wegen δQ = 0 wird diese ganz in innere Energie
überführt.
U 2 − U 1 = pV 1 − pV 2
Beim Joule-Thomson-Prozeß ist also U + pV konstant. Man nennt
H = U + pV
die Enthalpie eines Gases. Da U, p und V Zustandsfunktionen sind, ist auch H eine Zustandsfunktion. In einem idealen Gas ist
H = U(T) + nRT
42
d.h. nur eine Funktion von T. Daher findet für ein ideales Gas beim Joule-Thomson-Prozeß
keine Temperaturänderung statt.
Nach der Definition von H ist dH = dU + pdV + Vdp, nach dem 1. Hauptsatz δQ = dU + pdV,
daher
dH = δQ + Vdp
Für einen Prozeß mit konstant gehaltenem Druck ist dp = 0 und daher
dH = δQ = C p dT
H = CpT + H0
Bei einem adiabatischen Prozeß ist dH = Vdp .
H ist also die Fläche zwischen einer Adiabaten und der p-Achse.
Abb. 226: Graphische Deutung der Enthalpie
2. Zustandsänderungen realer Gase
a) Allgemeinste Zustandsgleichung
Da sich ein reales Gas für kleine Drucke wie ein ideales Gas verhält, liegt es nahe, die Zustandsgleichung für ideale Gase durch eine Taylorentwicklung nach p zu erweitern. Eine solche Entwicklung kann z.B. die Form haben
pV
= 1 + Bp + Cp 2 + Dp 3 + ...
VRT
B, C, D sind Koeffizienten, die von der Gasart abhängen. Man nennt sie Virialkoeffizienten.
B, C, D lassen sich theoretisch aus dem Gesetz, das die Kraft zwischen den Molekülen bestimmt, begründen. Umgekehrt gibt die Messung der Virialkoeffizienten Aufschluß über das
Kraftgesetz. Eine andere Möglichkeit besteht darin, nach 1/V zu entwickeln. Die entsprechenden Koeffizienten werden ebenfalls Virialkoeffizienten genannt. Neben der Änderung der Zustandsgleichung ist beim Übergang vom idealen zum realen Gas eine Änderung des Gesetzes,
das die innere Energie angibt, notwendig.
b) Die van der Waals´sche Zustandsgleichung
Eine universelle, wenn auch oft nicht sehr genaue Zustandsgleichung für reale Gase ist die van
der Waals Gleichung. Sie wird gewöhnlich für ein Mol eines Gases hingeschrieben. Das in ihr
auftretende Volumen ist also das Volumen eines Mols. Wir schreiben es daher klein. v im
idealen Gas wird ersetzt durch (v-b), wobei das "Kovolumen" b die Größe der Moleküle berücksichtigt. Da bei einem Stoß der Wirkungsquerschnitt durch π(2r) 2 gegeben ist, ist das effektive Volumen der Molekeln veff = 4vm, wobei vm das Volumen einer Molekel ist. Daher
kann man etwa rechnen
b = 4N A v m
43
(NA ist die Avogadrozahl). Messung von b durch Anpassen der van-der-Waals Kurven an die
eines Gases gestattet also die grobe Bestimmung von Molekülgrößen. Der Druck im idealen
Gasgesetz wird durch p + pB ersetzt, wobei der Binnendruck pB durch die Anziehung der Moleküle untereinander stammt. Die Molekülkräfte gehen häufig mit F ∼ 16 , wobei r der gegenseitige Abstand ist. Dies liegt daran, daß Moleküle neutral sind und in erster Näherung ein Dipolfeld haben, das mit 1/r3 geht. Die Kraft zwischen Punktladung und Molekül geht also mit
1/r3, zwischen zwei Molekülen mit 1/r6. Da v ≈ N A r 3 , geht die Kraft mit 1/v2. Damit hat die
van-der-Waals Gleichung die Form
(v − b)  p + a2  = RT

v 
Abb.227: Isothermen nach der van der Waalschen
Zustandsgleichung
Im pV-Diagramm erhält man die Kurvenschar von Abb. 227. Der Scharparameter ist die Temperatur. Für hohe Temperaturen ergeben sich die Hyperbeln des idealen Gases. In der Nähe
des Kondensationspunktes weichen sie immer stärker hiervon ab. Bei kleinen Temperaturen
hat man Kurven 3. Ordnung mit zwei Extremwerten. Es treten also formal Bereiche auf mit
dp/dV>0, d.h. je größer das Volumen gemacht wird, desto größer wird der Druck, der das Volumen vergrößert, d.h. diese Situation ist instabil. In Realität liegen die Gase in diesem Bereich
im Gleichgewicht mit Flüssigkeiten vor. Man nennt das Gas dann Dampf. Der Druck bleibt für
eine isotherme Zustandsänderung konstant, da eine Volumenverkleinerung zur Verflüssigung
führt. Um diese Zustandsänderung korrekt zu beschreiben, ersetzt man nach Max- well die aus
dem van-der-Waals Gesetz folgende Kurve durch eine waagerechte Gerade, so daß gleiche
Flächen oberhalb und unterhalb der Isothermen umrandet werden. Die Grenzkurve, bei der
statt zweier Extremwerte eine horizontale Tangente an einem Wendepunkt ist, heißt die kritische Isotherme, der Wendepunkt der kritische Punkt mit Tc, vc, pc. Für den Bereich oberhalb
von Tc läßt sich das Gas nicht in einem isothermen Prozeß verflüssigen. Aus den Bedingungen
2
 ∂p  = 0 und  ∂ p  = 0 lassen sich die kritischen Daten durch a und b ausdrücken. Das
 ∂V  T
 ∂v 2  T
Verhältnis RTc/pcvc ist universell 8/3. Experimentell ergibt sich für Helium 3,13, für Wasser
4,46. Die Umgebung des kritischen Punktes wird also nicht sehr genau durch die van-derWaals Gleichung beschrieben. Es gibt Zustandsgleichungen, die die Umgebung des kritischen
Punktes oder andere Bereiche besser beschreiben. Im "Handbuch der Physik", Hrg. Flügge,
werden 56 solcher Gleichungen angegeben.
a
Beispiele:
Callendar-Gleichung: (v − b) = RT
p − T n geeignet für überhitzten Dampf
Dieterici-Gleichung: p = RT e −a/RTv
v−b
44
c) Gay-Lussac-Prozeß bei van-der-Waals Gasen
Beim Gay-Lussac Prozeß, d.h. dem freien Ausströmen eines Gases ist U konstant. Zur Berechnung der Temperaturänderung durch diesen Prozeß ist es also notwendig, U für ein van-derWaals Gas zu bestimmen
 p + a  (v − b) = RT (für ein Mol)
2

Die Thermodynamik kann die Funktion der inneren Energie aus der Zustandsgleichung ableiten (s. Kap. G/2). Wir benutzen zunächst ein anschauliches Verfahren. Beim idealen Gas ist
die innere Energie nur eine Funktion der Temperatur. Daher vermuten wir, daß die Änderung
der Zustandsgleichung gegenüber dem idealen Fall durch einen kleinen Zusatzterm hervorgerufen wird, der nur vom Volumen abhängt. Dieser Zusatzterm kann aus der Arbeit gegen den
Binnendruck berechnet werden.
dW = a2 dv
W = − av
u = c v T − av + u 0
Beim Gay-Lussac-Prozeß ist u = const., d.h.
dT = − ca ⋅ 12 dv
V v
d.h. bei einer Volumenvergrößerung erhält man eine Temperaturerniedrigung.
d) Der Joule-Thomson-Prozeß bei einem van-der -Waals Gas
Beim Joule-Thomson-Prozeß bleibt h konstant. (Die kleinen Buchstaben u und h werden verwendet, da der Einfachheit halber ein Mol eines Gases betrachtet wird.) Wir gewinnen einen
Ausdruck für h aus der Definition der Enthalpie
h = u + pv
wobei wir u aus dem vorigen Abschnitt verwenden und p aus der van-der-Waals-Gleichung
ersetzen
h = u 0 + c V T − av +  RT − a2  v
v − b

Der dritte und der letzte Term lassen sich zusammenfassen. Die Schwierigkeit bei der folgenden Ableitung besteht darin, daß wir uns nur für den ersten nicht verschwindenden Term in der
Taylorentwicklung interessieren. Dieser ergibt sich als Differenz zweier kleiner Terme, in denen a und b als Faktoren auftreten. An allen Stellen, wo diese Differenz berührt wird, müssen
Terme der Ordnung a oder b beibehalten werden. In allen übrigen Fällen kann v - b durch v ersetzt werden. Differentiation ergibt
∆h = c V ∆T + 2a2 ∆v+ Rv ∆T + RT ∆v− RTv 2 ∆v
v−b
v−b
v
(v − b)
RT(v − b)
= (c V + R)∆T + 2a2 ∆v+
∆v− RTv 2 ∆v
2
v
(v − b)
(v − b)
Der Faktor von ∆T ergibt cp, da cp- cv = R. Die beiden letzten ergeben
45
− RTb∆v2 ≈ RTb
∆v
v2
(v − b)
 ∆v
∆h = c p ∆T +  2a2 − RTb
2 

Da die Druckänderung interessiert, ersetzen wir über das ideale Gasgesetz ∆v durch ∆p
∆p
∆v
RT
p = RT
v ; ∆p = − v 2 ∆v; v 2 = − RT
∆T = ∆p c1  2a − b 
p RT
∆T = 1  2a − b 

∆p c p  RT
Man nennt
 ∂T 
= µ den Joule-Thomson Koeffizient.
 ∂p 
Da eine Differenz von zwei positiven Größen vorkommt, kann µ positiv oder negativ sein. Für
2a > b d.h. T < 2a ist µ>0 und für abnehmenden Druck ergibt sich eine abnehmende
RT
Rb
Temperatur.
Für 2a < b, d.h. T > 2a ist µ < 0 und die Temperatur steigt bei abnehmendem Druck.
RT
Rb
T i = 2a heißt die Inversionstemperatur. Die Inversionstemperatur liegt im Maximum der
Rb
Isenthalpen im Tp Diagramm. Die Verhältnisse bei realen Gasen werden in Abb. 228
dargestellt.
Abb. 228: Zur Erklärung der Inversionstemperatur
µ wird erst innerhalb einer Grenzkurve, die durch die Inversionstemperatur im Tp-Diagramm
gegeben ist, positiv. Um Gas durch gedrosselte Expansion abzukühlen, muß also die Anfangstemperatur kleiner sein als Ti max. Wie man aus der Tabelle für Ti max entnimmt, ist dies für
Stickstoff am einfachsten zu verwirklichen, da die maximale Inversionstemperatur deutlich
über Raumtemperatur liegt, während für He eine starke Vorkühlung erforderlich ist.
Stoff:
Ti
max
He
H2
N2
34 K
202 K
625 K
46
3. Erzeugung tiefer Temperaturen
a) Einleitung
Es ist selbstverständlich, daß man bestrebt ist, die Eigenschaften der Materie auch außerhalb
des bis dahin zugänglichen Erfahrungsbereiches zu erforschen. Bei tiefen Temperaturen wurde
eine ganze Reihe neuer Phänomene entdeckt: die Supraleitfähigkeit, Superfluidität, die Abnahme der Wärmekapazität bei Festkörpern. Entweder treten Quantenphänomene deutlicher hervor als bei Normaltemperaturen oder Effekte werden gesehen, weil sie nicht von der thermischen Bewegung der Teilchen überdeckt werden. Im täglichen Laborbetrieb benötigt man tiefe
Temperaturen, um Detektoren zur Unterdrückung des thermischen Rauschens zu kühlen oder
zur Kondensation von Gasen und damit zur Verbesserung des Vakuums. Es gibt unzählige
technische Anwendungen, z.B. die Herstellung reiner Gase durch fraktionierte Destillation,
den Transport von verflüssigten Gasen als Brennstoff usw. In der Teilchenphysik benutzt man
riesige Tanks mit flüssigem Wasserstoff als sogenannte Blasenkammern, um Teilchenbahnen
zu verfolgen.
b) Kühlmethoden
Einfache Methoden zur Kühlung kann man über die Verdampfungswärme finden. In heißen
Gegenden kühlt man Getränke über das Verdunsten durch die Behälterwände. Dies kann man
auch zur Erniedrigung der Temperatur in verflüssigten Gasen anwenden. Eine einfache Demonstration ist die Bildung von Kohlesäureschnee beim Ausströmen von CO2-Gas aus Druckflaschen. Kältemischungen wie Salz in Schnee nutzen die Lösungswärme aus, z.B. kann man
mit einer Mischung von 10 Teilen CaCl2 + 6 H2 mit 7 Teilen Schnee -51° erreichen.
Abb. 229: Kompressorkühlmaschine
Eine Kompressionskühlmaschine benutzt eine leicht flüchtige Substanz wie Frigen, komprimiert sie, wobei die überschüssige Wärme über Kühlflächen abgegeben wird und das Gas sich
verflüssigt. Es wird über ein Drosselventil einem zweiten Behälter zugeführt, in dem es unter
Unterdruck steht und deshalb verdunstet. Hier wird der Umgebung Wärme entzogen.
Abb. 230: Funktionsweise der Lindeschen Kühlmaschine
47
Das Herz aller Tieftemperaturphysik ist die Gasverflüssigungsanlage. Diese arbeiten nach dem
Lindeschen Verfahren (Carl v. Linde 1842 - 1934). Das Gas wird einer gedrosselten Expansion unterworfen, wobei es geringfügig abkühlt. Das gekühlte Gas wird zum Vorkühlen verwendet, so daß sich der Prozeß bis zur Verflüssigung aufschaukelt.
48
KAPITEL F
Der zweite Hauptsatz
1. Verschiedene Kreisprozesse
a) Einleitung
Man kann mechanische Arbeit zu 100 % in Wärme umwandeln, ohne daß sich der Zustand des
betrachteten Systems ändert. Dies kann z.B. durch Reibung erfolgen, wobei die Reibungswärme in ein Reservoir, etwa fließendes Wasser abgeführt wird. Der umgekehrte Prozeß, bei dem
Wärme vollständig in Arbeit umgewandelt wird, ohne daß sich der Zustand des Systems ändert, ist nicht möglich. Zwar kann man durch Wärmezufuhr zu einem Gas und gleichzeitiger
isothermer Expansion die Wärme vollständig in Arbeit überführen, wenn man von Reibungsverlusten absieht, aber da das Volumen am Ende größer ist als am Anfang, hat sich der Zustand des Gases geändert. In einem zyklischen Prozeß kann man mit der gleichen Menge eines
Mediums fortwährend Wärme, die man einem Reservoir entnimmt, in Arbeit überführen, allerdings ist dies grundsätzlich nicht vollständig möglich, auch nicht, wenn man von Wärmeverlusten durch Reibung absieht. Viele Wärmekraftmaschinen in der Realität wie Verbrennungsmotoren verwenden keine Kreisprozesse. Frisches Gas wird ständig angesaugt, verbrannt und als
Abgas ausgestoßen. Trotzdem kann man sie bis zu einem gewissen Grad durch Kreisprozesse
modellieren. Die Stoffumwandlung während der Verbrennung ist nicht so wichtig wie die
Wärmezufuhr, und man kann daher so tun, als ob die Stoffmenge gleich bleibt, ihr während
der Verbrennung Wärme zugeführt wird und die Restwärme während der Auspuffphase an die
Außenluft abgegeben wird.
b) Der Wirkungsgrad von Wärmekraftmaschinen
Abb. 231: Schema einer Wärmekraftmaschine
Eine Wärmekraftmaschine arbeitet also immer nach dem in Abb. 231 angedeuteten Schema.
Einem Reservoir mit der hohen Temperatur TH wird Wärme entzogen. Diese wird teilweise in
Arbeit W umgewandelt. Der Rest an Wärme wird einem kälteren Reservoir zugeführt. Der
Wirkungsgrad ist die geleistete Arbeit geteilt durch die aufgenommene Wärme. Da nach dem
ersten Hauptsatz W = QH - QL, erhält man
η=1−
QL
QH
Man erkennt, daß der Wirkungsgrad umso höher wird, je kleiner die Abwärme QL ist. Das folgende Kapitel behandelt verschiedene Realisierungen von Wärmekraftmaschinen.
49
c) Der Ottomotor
Im Zyklus des Ottomotors finden nacheinander sechs Hauptprozesse statt. Vier davon sind mit
einer Bewegung des Kolbens verbunden und heißen Takte. Beim realen Zyklus wird zunächst
das Gasgemisch in den Zylinder gesaugt, wobei der Innendruck kleiner ist als der Außendruck.
Dann wird das Gemisch komprimiert, Temperatur und Druck wachsen. Es gibt Verluste durch
Reibung und Wärmeleitung. Das Gas verbrennt. Dabei bleibt das Volumen praktisch konstant.
T und p erhöhen sich drastisch. Die Gaszusammensetzung ändert sich stark. Es treten Verluste
durch Wärmeleitung auf. Im Arbeitstrakt expandieren die Verbrennungsgase, p und T nehmen
ab. Arbeit wird auf den Kolben übertragen. Es gibt Verluste durch Reibung und Wärmeleitung. In der letzten Phase öffnet sich das Ventil, das Gas kann entweichen. Das Volumen
bleibt fast konstant. p erniedrigt sich etwa auf den Außendruck. Energie wird abgegeben. Am
Schluß wird der Rest der Verbrennungsgase ausgestoßen.
Um die thermodynamischen Prozesse im Ottomotor zu erläutern, ersetzt man den realen Zyklus durch einen idealisierten, den sogenannten Standard-Otto-Zyklus. (Nikolaus August Otto
1832 - 1891). In der Idealisierung trennt man Energielieferant und Arbeitsmedium. Arbeitsmedium ist Luft, die als ideales Gas behandelt wird. Alle Prozesse werden als quasistatisch gedacht. Reibung und Wärmeleitung werden vernachlässigt, d.h. Kompression und Expansion
werden als adiabatische Prozesse behandelt. Statt der Verbrennung nimmt man an, die Verbrennungswärme wird isochor zugeführt. Statt des Auslasses nimmt man an, Wärme wird
isochor abgegeben.
Abb. 232: Der Standard-Otto-Zyklus
Der Wirkungsgrad ist nach Abschn. b
QL
η=1−
QH
Da für ideales Gas gilt
dQ = C V dT + pdV ist Q H = C V (T 4 − T 3 ) = C V ∆T H
∆T L
.
∆T
Das Temperaturverhältnis kann man auf ein Kompressionsverhältnis V2/V1 zurückführen, indem man adiabatische Zustandsänderung annimmt.
Q L = C V (T 5 − T 6 ) = C V ∆T L und damit η = 1 −
κ−1
= T 3 V κ−1
T 6 V κ−1
2 T2V2
1
= T 4 V κ−1
T 5 V κ−1
2
1
Daraus folgt:
∆T L  V 1  κ−1
=
∆T H  V 2 
50
Abb. 233: Diesel Zyklus
V κ−1
η=1−  1
 V2 
Der Wirkungsgrad wird umso höher, je größer das Kompressionsverhältnis ist. Dies erklärt die
Tendenz, Motoren mit hoher Kompression zu entwickeln. Beim Dieselprozeß (Rudolph Diesel
1858 - 1903) wird die Verbrennung durch geeignetes Einspritzen isobar geführt. Im idealisierten Bild ergibt sich daher der in Abb. 232 gezeigte Zyklus im pV-Diagramm.
d) Der Stirlingmotor
Abb. 234: Der Stirling Zyklus
Im Stirlingmotor (Robert Stirling 1790 - 1878) strebt man isotherme Kompression und Expansion an. Man arbeitet mit einem abgeschlossenen Gasvolumen, das zwischen einem heißen und
einem kalten Reservoir hin- und hergeschoben wird. Wärmezu- und -abfuhr erfolgen durch
Kontakt des Gases mit den beiden Reservoiren. Das Verschieben und die Volumenänderungen
werden durch zwei Kolben bewirkt, die sich mit 90° Phasenverschiebung bewegen. Ein wichtiges Konstruktionselement des Stirlingmotors ist der Regenerator, den man sich als poröse
Wand vorstellen kann, die nicht mit den Reservoirs in Kontakt ist und deshalb die Wärmemenge, die sie in einem Takt aufnimmt, in einem anderen wieder abgibt, so daß die im Zeitmittel
abgegebene Wärme Null ist.
Abb.235: Die einzelnen Takte im Stirlingmotor
51
Abb.236: Schema einer Dampfmaschine
e) Dampfmaschine
Der Referenzzyklus für die Dampfmaschine ist der Rankine-Zyklus (William John Macquorne
Rankine 1820 - 1872): Wasser nimmt aus einem heißen Reservoir Wärme QH auf, verdampft
und treibt damit den Kolben (oder die Turbine). Im Kondensor wird die Wärme an ein kaltes
Reservoir abgegeben, wobei der Dampf kondensiert. Das kondensierte Wasser wird in den
Verdampfer gepumpt. Wieder ist es so, daß bei einigen Anordnungen der Dampf in die Außenluft abgestoßen wird und da kondensiert. In diesem Fall spielt also die Außenluft die Rolle des
Reservoirs mit der tieferen Temperatur. Die Physik des Kreisprozesses wird dadurch nicht
anders.
Abb. 237: Pfad des Rankine Zyklus
Im pV-Diagramm wird also ein Bereich durchlaufen, der im Gebiet des Dampfes liegt (s. Zustandsänderungen im van-der-Waals Gas). Bei modernen Maschinen wird der Dampf überhitzt, d.h. über den Punkt völliger Verdampfung hinaus erwärmt. Es geht immer noch das Märchen um, daß Watt die Dampfmaschine erfunden hätte (James Watt 1736 - 1819). Dabei kann
man sich durch alte Darstellungen davon überzeugen, daß schon bevor Watt geboren war,
Dampfmaschinen mit erheblicher Leistung gebaut wurden, z.B. von Papin und von Newcomen. In der Newcomen-Maschine wurde Wasser in einem Zylinder zum Verdampfen gebracht und dann kaltes Wasser in den Dampf gespritzt. Dadurch kondensierte der Dampf und
der entstehende Unterdruck führte dazu, daß der Kolben bewegt wurde. Der Nachteil bestand
darin, daß der Wirkungsgrad sehr gering war, weil während des Zyklus nicht nur der Dampf,
sondern auch das im Zylinder enthaltene Wasser abgekühlt und wieder erhitzt werden mußte.
Watt hat den Wirkungsgrad der Dampfmaschine verbessert und ihr dadurch zum Durchbruch
verholfen.
f) Kühlmaschine
Läßt man ein Gas den Zyklus in umgekehrter Richtung durchlaufen, so entsteht eine Kühlmaschine. Jetzt muß von außen Arbeit hereingesteckt werden, Wärmemenge wird dem kälteren
Reservoir entnommen und ein größerer Betrag an Wärme wird einem heißeren Reservoir zugeführt (s. Abb. 238)
52
Abb.238: Kühlmaschine
Der Wirkungsgrad ist jetzt
QL
,
W
wobei nach dem ersten Hauptsatz W = QH - QL ist. Beim Stirlingmotor genügt eine umgekehrte
Drehrichtung. Bei der Dampfmaschine muß die Pumpe durch ein Reduzierventil ersetzt und
die Steuerung der Hauptventile geändert werden.
η=
g) Andere Kreisprozesse
Es gibt eine ganze Reihe anderer Kreisprozesse, die man wenigstens im Prinzip zur Arbeitsleistung oder in umgekehrter Richtung zur Kühlung ausnutzen kann. In der Vorlesung wurde ein
Kreisprozeß demonstriert, in dem man durch Erwärmung über den Curiepunkt hinaus eine
Entmagnetisierung erreicht, durch Abkühlung eine Magnetisierung. Durch die Kontraktion
von Gummi bei Erwärmung wird in einem Rad mit Gummispeichen eine Unwucht und damit
ein Drehen erzeugt. Ein spezieller Draht zieht sich in heißem Wasser zusammen und übt damit
ein Drehmoment auf ein Rad aus. Einfache Dampfmaschinen stellen die Nickente und die kerzengeheizte Weihnachtskugel dar.
2. Formulierungen des 2. Hauptsatzes
a) Kelvin-Planck Formulierung (Max Planck 1858 - 1947)
Alle im vorigen Abschnitt besprochenen Wärmekraftmaschinen haben gemeinsam, daß Wärme
einem heißen Reservoir entnommen, teilweise in Arbeit umgewandelt wird und der Rest an ein
kälteres Reservoir abgegeben wird. Die Erfahrung zeigt, daß man keine Maschine damit antreiben kann, daß man nichts macht, als ein Reservoir abzukühlen und die gewonnene Wärme
in Arbeit umzusetzen. Wäre dies möglich, wären wir auf lange Zeit hinaus aller Energiesorgen
enthoben. Diese Aussage ist der Inhalt des zweiten Hauptsatzes der Wärmelehre. Eine Maschine, die den oben geschilderten Prozeß zuwege bringt, nennt man Perpetuum mobile zweiter
Art.
Während also der 1. Hauptsatz ein Perpetuum mobile 1. Art, d.h. eine Maschine, die Energie
erzeugt, verbietet, verbietet der 2. Hauptsatz ein Perpetuum mobile 2. Art. Wunderphysiker
schließen daher messerscharf, da eine endliche Anzahl von Erfahrungstatsachen keinen Beweis
erbringen, man könnte mit Schläue den 2. Hauptsatz widerlegen. Die mikroskopische Betrachtung gibt allerdings eine tiefere Einsicht in die Gründe des 2. Hauptsatzes, der demjenigen, der
die Argumentation versteht, die letzte Hoffnung auf ein Perpetuum mobile 2. Art nehmen sollte. Wir nehmen also als Grundgesetz an:
Es gibt keinen Prozeß, der nur bewirkt, daß einem Körper Wärme entnommen und ganz in Arbeit umgewandelt wird.
53
b) Die Clausius Formulierung des 2. Hauptsatzes (Rudolf Clausius 1822 - 1888)
Es gibt verschiedene Formulierungen des 2. Hauptsatzes, die äquivalent sind. Wir besprechen
die Clausius Formulierung und zeigen, daß sie mit der Kelvin-Planck Formulierung identisch
ist. Nach Clausius gilt:
Abb. 239: Kann man kühlen, ohne Arbeit zu verrichten?
Es gibt keinen Prozeß, der nur bewirkt, daß einem Körper Wärme entzogen und ganz an einen
Körper höherer Temperatur übertragen wird.
Diese Formulierung besagt unter anderem, daß es nicht möglich ist, einen Kühlschrank zu bauen, der kühlt, ohne daß man Energie reinsteckt. Das Wörtchen "nur" in den beiden Formulierungen des 2. Hauptsatzes ist dabei sehr wichtig. Natürlich ist es möglich zu kühlen, ohne eine
Arbeitsleistung an einem System vorzunehmen, z.B. durch Verdunstung einer Flüssigkeit, aber
hierdurch werden noch andere Veränderungen in der Welt vorgenommen, als daß Wärme in
ein heißeres Reservoir abgegeben wird, nämlich die Kühlflüssigkeit wird weniger. Um andere
Veränderungen der Außenwelt zu vermeiden, muß man in dem betrachteten Prozeß das Arbeitsmedium in den ursprünglichen Zustand zurückbringen, d.h. einem Kreisprozeß
unterwerfen.
c) Äquivalenz der Kelvin-Planck und der Clausius Formulierung des 2. Hauptsatzes
Abb. 240: Eine Maschine, die der Aussage von Clausius
widerspricht
Um die Äquivalenz beider Aussagen zu zeigen, nehmen wir einmal an, es gäbe eine Maschine,
die der Aussage von Clausius (C) widerspricht. Dann kann man diese Maschine (C) mit einer
erlaubten Wärmekraftmaschine zusammenkoppeln, die genau die Wärmemenge Q bei der höheren Temperatur benötigt
Abb. 241: Eine Verbundmaschine, die KelvinPlanck verbietet
54
Man füttert Q, das C an das heißere Reservoir abgeben möchte in die zweite Maschine. Diese
liefert dafür Arbeit und gibt die Abwärme QL an das kältere Reservoir ab. Die Verbundmaschine ist aber gerade eine von dem Typ, die die Kelvin-Planck Formulierung verbietet (K) . Damit ist gezeigt, daß aus C K folgt.
Abb. 242: Eine Antikelvin Maschine
Nimmt man andererseits an, es gäbe eine Maschine K , die der Kelvin Planck-Aussage widerspricht (Abb. 242), so kann man diese mit einem erlaubten Kühlaggregat zusammenschalten,
das die Arbeit aus K ausnutzt, um die Wärme QL dem kühleren Reservoir zu entnehmen und
dafür QL + Q an das heißere zu übertragen. Diese Verbundmaschine ist eine, die der Clausius
Formulierung widerspricht. Aus K folgt also auch C . Wenn aus C → K und aus K → C , sind
K und C identisch.
Abb. 243: Es ergibt sich eine Anticlausius
Maschine
Notfalls macht man sich das an Eulerdiagrammen klar. Man zeichnet alle Situationen, in denen
K gilt, als geschlossene Menge in die Ebene. Die Aussage K → C besagt dann, daß die Menge
K in C enthalten ist (Abb. 244). Umgekehrt ist aber nach der zweiten Aussage auch C in K
vollständig enthalten. Dies ist nur möglich, wenn beide Mengen und damit auch ihre Komplementärmengen identisch sind.
Abb. 244: Zur Logik der Schlußfolgerung
3. Reversibilität
a) Was ist ein reversibler Prozeß?
Unter einem reversiblen Prozeß verstehen wir eine Zustandsänderung, die so geführt wird, daß
man den Ausgangszustand wieder herstellen kann, ohne Veränderungen zu hinterlassen. Gemeint sind nicht beliebige Kreisprozesse. Bei diesen wird zwar der Anfangszustand des
55
Systems wieder erreicht, aber im allgemeinen hat ein Wärmeaustausch mit Reservoiren stattgefunden und Arbeit ist geleistet oder aufgenommen worden.
Abb. 245: Bei einem reserviblen Prozeß darf
sich auch in der lokalen Umgebung nichts ändern, wenn der alte Zustand des Systems wieder
hergestellt wird
Um diese Tatbestände besser beschreiben zu können, teilen wir die Welt auf in das System,
das z.B. das Arbeitsgas sein kann, die lokale Umgebung des Systems, d.h. der Teil der Welt,
mit der das System wechselwirkt, indem es Wärme oder andere Energieformen austauscht,
z.B. Reservoire, Gewichte, die gehoben oder gesenkt werden, elektrische Generatoren usw.
und die übrige Welt, die nicht von dem System beeinflußt wird. Damit definieren wir einen reversiblen Prozeß:
Ein reversibler Prozeß ist so geführt, daß das System und seine lokale Umgebung in den Anfangszustand zurückgebracht werden können, ohne im Rest der Welt eine Änderung zu
hinterlassen.
b) Beispiele für irreversible Prozesse
Abb. 246: Reibung im Kontakt mit einem Reservoir
Einen Reibungsprozeß können wir uns vorstellen als ein System, in dem Arbeit in Wärme umgesetzt wird. Die Wärme wird entweder in ein Reservoir überführt, z.B. in das Kühlwasser,
oder bleibt in dem geriebenen Körper. In beiden Fällen müßte man, um den Anfangszustand
wieder herzustellen, Wärme einem Körper entnehmen und diese ganz in Arbeit umsetzen, im
Widerspruch zum 2. Hauptsatz.
Abb.247: Dieser Prozeß ist irreversibel
Ebenso wird bei einem stromdurchflossenen Widerstand oder einer inelastischen Verformung
mechanische Arbeit in Wärmeenergie überführt, die man nach dem 2. Hauptsatz nicht wieder
in Arbeit verwandeln kann. Die Kompression eines Gases durch eine endliche Druckdifferenz
ist ebenfalls irreversibel: Das Gewicht, das man auf den Kolben in einem Zylinder legt, um das
in ihm enthaltene Gas zu komprimieren, bekommt man nicht wieder in die Ausgangsposition,
56
ohne Arbeit aus der Umgebung aufzunehmen. Bei all den hier beschriebenen Prozessen wird
Arbeit in Wärme überführt.
Abb. 248: Der Gay-Lussac-Prozeß ist irreversibel
Eine andere Klasse von irreversiblen Prozessen sind Ausströmvorgänge. Weder der Gay-Lussac-Prozeß noch der Joule-Thomson-Prozeß lassen sich, ohne Veränderungen in der lokalen
Umgebung zu hinterlassen, rückgängig machen. Hier wird Strömungsenergie dissipiert. Jede
Anordnung, bei der Wärme zwischen zwei Körpern mit endlicher Temperaturdifferenz geleitet
wird, sind irreversibel.
Im Grunde sind alle auf der Welt vorkommenden Prozesse irreversibel, da sie irgendwie mit
Energiedissipation verbunden sind. Man kann allerdings, indem man von gewissen Vorgängen
wie Reibung absieht, idealisierte Prozesse betrachten, die reversibel sind.
Abb. 249: Wie man eine Kompression reversibel führen
kann
Z.B. kann man die Kompression eines Gases reversibel führen, wenn man statt ein Gewicht in
der Höhe h aufzulegen, nacheinander Teilgewichte auflegt, die in geeigneten Höhen angeordnet sind, so daß man sie nur seitlich zu verschieben braucht, um sie auf den Kolben oder von
ihm herunter zu bringen. Bei Gewichten mit endlicher Masse ∆ m bleibt ein Gewicht, das nicht
in die ursprüngliche Lage gebracht werden kann, übrig. Im Grenzübergang ∆m→ 0 verschwindet dieser kleine Fehler. Eine kontinuierliche reversible Kompression ist mit der Anordnung
von Abb. 250 möglich, wenn der Exzenter so konstruiert ist, daß in jeder Stellung des Kolbens
Kräftegleichgewicht herrscht.
Natürlich muß außerdem Reibung vernachlässigbar sein. In ähnlicher Weise kann man im
Prinzip Wärmeaustausch reversibel gestalten, wenn das austauschende Reservoir praktisch die
gleiche Temperatur hat wie das System.
Damit ein Prozeß reversibel ist, müssen also folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
α) Er muß quasistatisch verlaufen.
Abb. 250: Eine Maschine zur reversiblen Kompression eines Gases
β) Reibung, Viskosität und Turbulenz dürfen keine Rolle spielen.
57
γ) Temperatur- und Druckdifferenzen müssen infinitesimal klein sein.
In praktischen Fällen muß man immer, um einen Körper zu komprimieren, eine Druckdifferenz, und um Wärmeübergänge zu erzwingen, eine Temperaturdifferenz haben. Die Voraussetzung γ) stellt nur sicher, daß im Grenzübergang ∆T→ 0 oder ∆p→ 0 der Fehler vernachlässigbar klein wird.
c) Der Carnot Zyklus (Sadi Carnot 1796 - 1832)
Abb. 251: Schema der Carnot Maschine
Die Carnotmaschine ist eine Wärmekraftmaschine, die zwischen zwei Reservoiren mit endlicher Temperaturdifferenz arbeitet und reversibel geführt wird. Dadurch zeichnet sie sich vor
allen anderen Wärmekraftmaschinen aus und erlaubt es, Aussagen über die minimale Wärmemenge QL, die bei einer Wärmekraftmaschine an ein kälteres Reservoir abgegeben werden
muß, zu machen und damit den maximalen Wirkungsgrad anzugeben. Auch können grundsätzliche Fragen geklärt werden, z.B. wie das Arbeitsmedium eingeht. Im Carnot-Zyklus durchläuft ein System folgende Phasen:
α) Das System steht in Kontakt mit dem kühleren Reservoir und erreicht Gleichgewicht mit
der Temperatur TL.
β) Das System wird von dem Reservoir getrennt und vollständig isoliert. Man nimmt eine reversible adiabatische Zustandsänderung vor, bei der das System seine Temperatur auf TH
erhöht.
γ) Das System wird mit dem heißeren Reservoir in Kontakt gebracht und nimmt in einem isothermen Prozeß die Wärme QH auf.
δ) Das System wird wieder isoliert und adiabatisch auf TL abgekühlt.
ε) Nach Kontakt mit dem kühleren Reservoir wird die Wärme QL in einem isothermen Prozeß
abgegeben.
Es wechselt also immer ein adiabatischer und ein isothermer Prozeß miteinander ab. Bei den
isothermen Prozessen steht das System jeweils mit einem der Reservoire in Verbindung.
Man kann eine ganze Reihe von Medien angeben, mit denen man einen solchen Carnot-Zyklus
durchlaufen kann.
Abb. 252: Carnot Zyklus in einem Gas
58
Am häufigsten betrachtet wird der Carnot-Zyklus eines Gases. Als adiabatische Prozesse hat
man adiabatische Kompression, wobei die Temperatur erhöht wird und adiabatische Expansion, als isotherme Prozesse isotherme Kompression und Expansion (Abb. 252). Wir behandeln
den Sonderfall eines idealen Gases.
Abb. 253: Carnot Prozeß mit Dampf
Gleichartige Prozesse könnte man auch mit gesättigtem Dampf durchführen. Ein technisch
ebenfalls wichtiger Prozeß ist der Carnotzyklus mit einer paramagnetischer Substanz. Hier benutzt man isotherme und adiabatische Magnetisierung, bzw. Entmagnetisierung (Abb. 254).
Abb. 254: Carnot Prozeß mit einer paramagnetischen
Substanz
Das maßgebliche Gesetz ist das Weißsche Gesetz
M= a H
T−b
bzw. der Sonderfall b = 0, das Curiesche Gesetz. M ist die Magnetisierung, d.h. das magnetische Dipolmoment pro Volumen und H die Feldstärke, die proportional zum Strom ist, der das
Magnetfeld erzeugt. Da alle Vorgänge in einer Carnotmaschine reversibel sind, können alle
Carnotmaschinen mit umgekehrtem Umlaufsinn als Kühlmaschinen betrieben werden, wobei
QH, QL und W den gleichen Betrag wie bei dem Betrieb als Wärmekraftmaschine, aber umgekehrtes Vorzeichen haben.
d) Satz von Carnot
Die Bedeutung der Carnot-Maschine besteht darin, daß sie von allen möglichen Maschinen,
die zwischen zwei Wärmereservoiren arbeiten, den größten Wirkungsgrad besitzt. Dies ist der
Inhalt des Satzes von Carnot. Man beweist diesen Satz, indem man annimmt, es gäbe eine Maschine M, die einen größeren Wirkungsgrad η M hat als die Carnotmaschine
ηM > ηC
Abb. 255: Die Zusammenschaltung von Carnot Maschinen
59
Wir nehmen eine Carnot-Maschine C, die als Kühlmaschine betrieben wird, und die gerade die
Arbeit aufnimmt, die die Maschine M abgibt
WC = WM = W
Wir koppeln beide Maschinen zu einer Verbundmaschine, die jetzt ohne Arbeit aufzunehmen,
läuft. Wenn die aufgenommenen Wärmemengen QC und QM sind, ist nach Voraussetzung
W > W d. h. Q > Q
C
M
QM QC
Dem kälteren Reservoir wird die Wärme Q C − Q M > 0 entnommen, dem heißeren Reservoir
die gleiche Wärmemenge zugeführt. Damit ist die Verbundmaschine eine, die dem 2. Hauptsatz in der Clausius-Formulierung widerspricht. Die Carnotmaschine hat also den größten Wirkungsgrad von allen möglichen Maschinen, die zwischen TH und TL arbeiten. Der Wirkungsgrad hängt nur von den beiden Temperaturen ab und ist damit unabhängig vom Medium.
Zunächst verblüfft es zu erfahren, daß einem so speziellen Prozeß wie dem Carnot-Prozeß eine
derart universelle Bedeutung zukommt. Der Grund ist der, daß er zwischen zwei Reservoiren
mit endlicher Temperaturdifferenz läuft und reversibel geführt werden kann. Im Prinzip könnte
man irgendeinen reversiblen Kreisprozeß nehmen. Der oben spezifizierte Zyklus gibt eine
Realisierungsmöglichkeit an.
e) Der Wirkungsgrad der Carnotmaschine
Abb. 256: Der Wirkungsgrad wird mit einem idealen Gas
als Medium ausgerechnet
Um den Wirkungsgrad der Carnotmaschine zu berechnen, ist es wegen des Satzes von Carnot
gleichgültig, welches Arbeitsmedium man verwendet. Wir benutzen daher der Einfachheit halber ein ideales Gas, für das der 1. Hauptsatz die Form hat
δQ = C V dT + pdV
p = νRT
V
δQ = C V dT +  νRT  dT
V
QL
Da η = 1 −
, benötigen wir die Wärmemengen, die während der isothermen Prozesse ausQH
getauscht werden.
E
V
Q = νRT ∫ dV = νRT ln E
V
VA
(Die Indizes E und A stehen für Ende und Anfang.)
Die abgegebene Wärme kommt mit dem ersten Hauptsatz als negative Größe heraus. Da wir in
unserer Betrachtung die an TL abgegebene Wärme als positiv ansehen, fügen wir ein negatives
Vorzeichen hinzu
60
V
Q H = νRT H ln  c 
V 
V
Q L = −νRT L ln  a 
V 
 Vd 
Q L T L ln  V a 
=
(1)
Q H T H  Vc 
ln  V b 
Die Volumenverhältnisse ergeben sich aus einer Betrachtung der adiabatischen Prozesse.
Mit δQ = 0 erhält man aus dem 1. Hauptsatz
−C V dT = nRT dV
V
E
E
C
− V ∫ dT =∫ dV
V
nR T
T
C
V
− V ln E = ln E
nR T
V
Bei dem Übergang c nach d:
T
C
V
− V ln H = ln b
nR T L
Va
T
C
V
− V ln L = ln d
nR T H
Vc
Durch Gleichsetzen der linken Seiten mit ln x = - ln 1/x
ln
Vd
V
= −ln b
V
V
ln V d − ln V c = ln V a − ln V b
Vd
V
= ln c
Va
Vb
erhält man mit Gleichung (1)
QL TL
=
QH TH
ln
η=1−
TL
TH
Je näher das kühlere Reservoir an den absoluten Nullpunkt rückt, desto größer wird der Wirkungsgrad. Bei sehr tiefen Temperaturen hört die Gültigkeit dieser klassischen Betrachtung
auf.
Wenn man fragt, was für die Energiegewinnung mehr wert ist, +100° C oder -100° C, so stellt
man fest
61
η + = 1 − 273 ≈ 0, 27
373
η − = 1 − 173 ≈ 0, 37
273
Von dieser Sicht her ist das kühlere Reservoir mehr wert. Je größer das Temperaturverhältnis,
desto größer der Wirkungsgrad. Dies erklärt das Bestreben von Kraftwerkbauern, möglichst
hohe Temperaturen zu erzeugen. Es gibt sozusagen wertvollere Wärme bei hoher Temperatur
und weniger wertvolle Wärme bei niedriger Temperatur (genauer Umgebungstemperatur). Für
Heizwerke kann diese noch für manche Verbraucher wertvoll sein.
Die Redeweise von Energieverschwendung erhält durch den 2. Hauptsatz einen gewissen Sinn.
Nach dem 1. Hauptsatz bleibt Energie ja erhalten, kann somit nicht verschwendet werden.
Nach dem 2. Hauptsatz gibt es für Wärmekraftmaschinen wertvollere und weniger wertvolle
Energie. Energieverschwendung ist dann die Überführung von wertvoller in weniger wertvolle
Energie.
f) Die Kelvin Temperaturskala
Der Wirkungsgrad einer Carnotmaschine gestattet es, eine Temperaturskala unabhängig von
der idealen Gastemperatur zu definieren. Man baut eine Carnotmaschine und bestimmt QH und
QH
T
.
QL und definiert als Kelvintemperatur H =
TL QL
Nach unserer Betrachtung ist klar, daß die Kelvintemperatur identisch mit der idealen Gastemperatur ist.
4. Entropie
Im folgenden wird eine neue Zustandsfunktion eingeführt, die Entropie. Die Entropie ist eng
mit der Reversibilität verknüpft. Irreversible Prozesse führen zu einer Erhöhung der Entropie.
Die Entropiefunktion gibt z.B. eine Möglichkeit aus den Zustandsgrößen vor und nach einem
Prozeß zu entscheiden, ob der Prozeß reversibel oder irreversibel ist.
a) Satz von Clausius
Der Satz von Clausius bezieht sich auf einen reversiblen Kreisprozeß, bei dem über dem gesamten Weg Wärme mit Reservoiren unterschiedlicher Temperatur ausgetauscht wird. Die Bilanz von aufgenommener zu abgegebener Wärme führt zu einer Nettoaufnahme Q durch das
System und einer Arbeitsleistung W. Der ursprüngliche Kreisprozeß wird durch eine Serie
Abb.257: Änderung der Entropie in einem beliebigen reversiblen Kreisprozeß
aneinandergrenzender Carnot-Zyklen ersetzt, die wir uns erzeugt denken durch einen Verbund
sehr vieler Carnot-Maschinen, die die Wärme QHi von einem heißen Reservoir der Temperatur
THi entnehmen und QLi einem entsprechenden, kühleren abgeben. Die bei den Zustandsänderungen entlang der Grenzlinien zwischen zwei Zyklen geleisteten Arbeiten Wi werden so weit
wie möglich in den Verbund wieder eingespeist. Die Nettoarbeitsleistung des Verbundes ist
gleich der des ursprünglichen Kreisprozesses.
62
W = Σ Wi
Die gesamte vom System aufgenommene Wärme ist
Q = Σ Q Hi + Σ Q Li
Wir rechnen jetzt mit algebraischen Größen Q, die negativ sind, wenn das System Wärme
abgibt.
Nach Carnot gilt für einen Teilprozeß
Q Hi
Q Hi Q Li
T
= Hi ,
+
=0
T Li T Hi T Li
Q Li
Für den gesamten Kreis
∆Q i
Σ Ti = 0
Im Grenzübergang ∆Q → 0 erhält man den Satz von Clausius:
In einem reversiblen Kreisprozeß gilt
∫
Rev
δQ
=0
T
b) Definition der Entropie
Abb.257: Die Entropie ist vom Weg unabhängig
Die Situation ist ähnlich wie bei Potentialfeldern in der Mechanik. Dort schließt man aus dem
Verschwinden der Arbeit auf einem geschlossenen Weg auf die Unabhängigkeit der Arbeit, die
man aufwenden muß, um einen Körper von a nach b zu verschieben, von der Form des Weges
und definiert die potentielle Energie. Auch hier ist wegen
b
b
δQ
δQ
δQ
∫Rev T = 0, aR∫ T =aR∫ T
und man definiert
b
S=
∫
aRev
δQ
T
S ist die Entropie. Zur Berechnung von S muß man eine reversible Zustandsänderung betrachten. S ist dann wie die potentielle Energie vom Anfangspunkt abhängig oder nur bis auf eine
Konstante bestimmt. S ist dann unabhängig vom Weg und damit eine Zustandsfunktion.
Es gibt verschiedene Darstellungen, abhängig davon, welche Zustandsgrößen als unabhängige
Variable betrachtet werden, z.B. S(T, V), S(T, p). S ist ähnlich wie m, V, U eine extensive
Größe, d.h. wenn man von zwei Systemen die Entropien kennt, ergibt sich für die Entropie des
Gesamtsystems, das aus den beiden Teilsystemen gebildet wird, die Summe.
63
c) Entropie eines idealen Gases
Die Entropie berechnen wir, indem wir δQ nach dem ersten Hauptsatz ausdrücken.
δQ = C V dT + pdV
= C V dT + nRTdV/V
δQ
= C V dT + nR dV
V
T
T
Wir erhöhen T und V quasistatisch von einem Anfangswert TA, VA auf einen Endwert.
Die Integration führt zu
dS =
S(T, V) = C V ln T + nR ln V + S 0
Um S(T, p) zu berechnen, schreiben wir den 1. Hauptsatz auf die Variable p um:
δQ = C p dT − Vdp
dp
dS = C p dT − nR p
T
und für Cp = const ergibt sich
S(T, p) = C p ln T + nR ln p + S 0
d) TS-Diagramme
Abb. 259: Wärme im TS Diagramm
Oft ist es nützlich, Zustandsänderungen statt in der pV-Ebene in der TS-Ebene darzustellen.
Von dieser Möglichkeit wird in der Technik häufig Gebrauch gemacht.
Da δQ = TdS , ist die Fläche unter der Kurve, die eine reversible Zustandsänderung beschreibt,
gleich der bei dem Prozeß ausgetauschten Wärme. Eine Gerade parallel zur S-Achse entdQ
spricht, da auf ihr dT = 0 gilt, einer Isothermen, eine Parallele zur T-Achse wegen dS =
T
Abb. 260: Isothermen und Adiabaten im TS Diagramm
Abb.261: Carnot Prozeß im TS-Diagramm
64
und dQ = 0 einer Adiabaten. Ein Carnot-Zyklus umschreibt also in der TS-Ebene ein Rechteck. Im TS-Diagramm kann man den Wirkungsgrad einer Wärmekraftmaschine sofort ablesen.
Da der Wirkungsgrad η = W/Q H ist und W = Q H − Q L , ergibt sich η aus dem Verhältnis der
umlaufenen Fläche zu der Gesamtfläche unter der Kurve.
Abb. 262: Wirkungsgrad im TS-Diagramm
e) Beispiele für Entropieänderungen
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich Entropieinhalte ändern, werden im folgenden
verschiedene einfache Prozesse betrachtet.
Abb. 263: Entropieänderung bei Wärmeaustausch mit einem Reservoir
α) Wärmeaustausch mit Reservoiren
Ein System gebe die Wärmemenge Q bei verschwindender Temperaturdifferenz an ein Reservoir ab. Im folgenden wird die Zunahme der Entropie in den verschiedenen Teilen der Welt
betrachtet.
Reservoir:
∆S R =
Q
T
System:
∆S S =
−Q
T
∆S W = 0
Welt:
Die Gesamtentropie ändert sich also nicht. Dieses Verhalten ist typisch für reversible Prozesse.
β) Reibung
Wenn die Reibungswärme an ein Reservoir übertragen wird, kann man S aus der Definition
sofort berechnen, da T = const.
Abb. 264: Entropieänderung bei Reibung
65
Aufnahme an Entropie:
∆S = W
Reservoir:
T
Die Arbeit wird sofort in Wärme Q umgewandelt. Das System nimmt Q auf und gibt Q ab, daher ∆Q S = 0
System:
∆S S = 0 .
∆S W = W > 0
T
Da es sich um einen irreversiblen Prozeß handelt, nimmt die Gesamtentropie zu.
Welt:
γ) Freie Expansion
Abb. 265: Entropieänderung bei freier Expansion
Das System soll thermisch isoliert sein, daher wird keine Wärme mit der Umgebung ausgetauscht und die Entropie der Umgebung ändert sich nicht. Betrachten wir als Medium ein ideales Gas, so ist dU = 0 und δQ = pdV = nRT dV. Die Entropieänderung ist
V
V2
V
∆S S = ∫ nR dV = nRm E > 0
V
VA
V
Insgesamt nimmt die Entropie der Welt zu.
δ) Wärmeleitung
Abb. 266: Entropieänderung bei Wärmeleitung
T H : ∆S H = −
Q
TH
Q
TL
Die Entropieänderung in der Welt ist
∆S W = ∆S L − ∆S H = Q  1 − 1  > 0
 TL TH 
Wärmeleitung ist ein irreversibler Prozeß, die Gesamtentropie nimmt zu.
T L : ∆S L =
66
f) Entropieprinzip
Abb.267: Warum die Entropie im allgemeinen zunimmt
Bei irreversiblen Prozessen nimmt die Entropie der Welt zu. Für den Beweis betrachten wir
nur einen adiabatischen, irreversiblen Prozeß (Abb. 267 A→ E). Wir nehmen an, es gäbe einen
solchen, bei dem SA>SE ist. Dann können wir ihn wie in Abb. 267 zu einem Kreisprozeß ergänzen. Dabei sind Ee und aA reversible adiabatische Prozesse. Da bei ihnen wegen
∆Q = 0 auch ∆S = 0 ist, gilt SA = Sa und SE = Se und damit nach Voraussetzung Sa>Se. Das
heißt aber, beim Übergang des Systems von e nach a ist die Entropieänderung des Systems positiv und wegen ∆S = ∆Q/T nimmt das System Wärme auf. Da der Kreisprozess auf allen anderen Teilstrecken adiabatisch verläuft, leistet er eine gewisse Arbeit und entnimmt die entsprechende Wärmemenge aus einem Reservoir, nämlich dem, mit dem er auf dem Weg von e
nach a in Kontakt steht, gibt aber keine Wärme ab. Dies widerspricht dem 2. Hauptsatz.
g) Nicht ausnutzbare Energie
Wir leben in einer Welt, in der uns zur Aufnahme der Abwärme Reservoire mit "Normaltemperatur" zur Verfügung stehen. Kühlere Reservoire wären zur Hebung des Wirkungsrades
wünschenswert. Ihre Herstellung erfordert allerdings zusätzliche Energie und lohnt sich daher
nicht. Wir gehen daher davon aus, daß das kälteste Reservoir eine Temperatur T0 besitzt. Der
Wirkungsgrad einer Carnotmaschine ist dann
T
ηC = W = 1 − 0
Q
T
und die maximal gewinnbare Arbeit
T
W max = Q  1 − 0 
T
Wenn jetzt durch irgendeinen Vorgang Wärme bei höherer Temperatur TH auf eine tiefere
Temperatur TL übergegangen ist, so wird die maximal aus Q gewinnbare Arbeit kleiner.
Anfangs war sie
am Ende
T
W max A = Q  1 − 0 

T 
T
W max E = Q  1 − 0 

TL 
Es geht also ein Betrag
T
T
W max A − W max E = ∆W max = Q  0 − 0 
T
T 
Q Q
= T0  −
= T 0 ∆S
 TL TH 
67
verloren. Die Entropiezunahme der Welt ist also ein Maß für die Energie, die für eine Weiterverwertung verlorengegangen ist.
So gesehen, nimmt der Wärmeinhalt aller kühlen Reservoire der Welt langsam zu, bis die
Entropie ihren maximal möglichen Wert erreicht hat. Es gibt dann keine Temperaturdifferenzen mehr und eine Energieumsetzung, die z.B. auch Voraussetzung für alles Leben ist, wird
unmöglich. Man spricht vom Wärmetod der Welt.
h) Entropie und Wahrscheinlichkeit
Die Entropie eines Systems hängt mit der Wahrscheinlichkeit seines Zustandes zusammen. Eine genauere Erörterung wird in der statistischen Mechanik vorgenommen. Wir begnügen uns
mit einem Beispiel: Der freien Expansion
Abb. 268: Bei der freien Expansion nimmt die Wahrscheinlichkeit des Zustandes zu
Am Anfang sei ein Gas in einer Hälfte eines Behälters, die durch eine Membran abgesperrt
wird, eingeschlossen. Zerbricht man die Membran, wird das Gas in kurzer Zeit das ganze Volumen einnehmen. Man kann diesen Vorgang so auffassen, daß das Gas am Anfang, d.h. direkt
nach Entfernung der Membran, einen sehr unwahrscheinlichen Zustand hatte. Am Ende des
Vorgangs ist der wahrscheinlichere Zustand erreicht. Das Gas läuft also aus einem Zustand geringerer Wahrscheinlichkeit in einen größerer Wahrscheinlichkeit. Wir entsinnen uns an Kap.
B/2, in dem gezeigt wurde, daß die Wahrscheinlichkeit eines Zustandes eine Zahl ist. Z.B. ist
die Wahrscheinlichkeit, daß sich bei einem Teilchen alle Teilchen in einer Hälfte des Gefäßes
aufhalten W1 = 1/2, bei zwei Teilchen W2 = W1W2 = 1/4, bei N Teilchen WN =2-N. Bei einem
Mol eines Gases ist also die Wahrscheinlichkeit, daß alle Teilchen sich in einer Hälfte des Ge23
fäßes befinden 2 −10 , während die Wahrscheinlichkeit für Gleichverteilung praktisch Wgleich= 1
ist. Der unordentlichere, weniger strukturierte Zustand mit gleichmäßigerer Verteilung ist immer der wahrscheinlichere. Dies hat viele Parallelen im täglichen Leben, wo es um die Entwicklung von Unordnung aus einem geordneten Zustand geht. Interessanterweise scheint nur
die Entwicklung der Lebewesen dieser Folge des 2. Hauptsatzes entgegenzustehen. Heute weiß
man, daß dies damit zusammenhängt, daß man im 2. Hauptsatz Systeme in der Nähe des thermischen Gleichgewichts betrachtet. Bei extremen Nichtgleichgewichtssituationen kann man
Strukturbildung beobachten. Beispiele sind Konvektionszellen in Flüssigkeiten (z.B. dem Fett
in einer heißen Pfanne), Bildung von Schäfchenwolken und vieles mehr.
Da sowohl S wie W bei irreversiblen Prozessen zunehmen, muß S eine monoton steigende
Funktion von W sein. Da bei der Vereinigung zweier Systeme A und B
S ges = S A + S B
W ges = W A ⋅ W B
hat S generell die Gestalt
S = k ln W
(2)
Die statistische Mechanik zeigt, daß die makroskopische Definition dS = δ Q/T und die mikroskopische Definition Gl. 2) identisch sind, wenn
k = 1,38 · 10-23 J/K
gesetzt wird. Dies ist die Boltzmannkonstante.
68
69
KAPITEL G
Thermodynamische Potentiale
1. Thermodynamische Potentiale, Maxwellgleichungen
Thermodynamische Potentiale sind Funktionen von den Zustandsvariablen. Wir haben schon
die innere Energie kennengelernt, die die Summe von kinetischer und potentieller Energie aller
Einzelteilchen ist, sowie die Enthalpie, die z.B. beim Joule Thomson Prozeß mit Vorteil angewandt wird, weil sie bei ihm konstant bleibt.
Wir führen in diesem Kapitel zwei weitere thermodynamische Potentiale ein, die Helmholtz
Funktion F und die Gibbs Funktion G (Hermann v. Helmholtz 1821 - 1894, Josiah Willard
Gibbs 1839 - 1903). Beide sind für eine spezielle Klasse von thermodynamischen Prozessen
nützlich. Aus den Darstellungen in Differentialform ergeben sich Zusammenhänge zwischen
den Ableitungen der Zustandsvariablen T, V, p, S untereinander, die sogenannten Maxwellschen Gleichungen der Thermodynamik.
a) Die innere Energie U
Nach dem 1. Hauptsatz ist
δQ = dU + pdV
nach der Definition von S
δQ = TdS
also
dU = TdS − pdV
(1)
Stellt man sich also U als Zustandsfunktion U(S, V) vor, so erhält man als Differential von U
∂U
∂U
dU =   dS +   dV
∂S V
∂V S
und durch Vergleich der Koeffizienten
∂U
∂U
T =   ; p = −  
∂S V
∂V S
Die Unabhängigkeit der 2. Ableitung von der Reihenfolge der Differentiation ergibt dann
∂2U
∂2U
=
∂S∂V ∂V∂S
 ∂T  =  ∂p 
 ∂V  S  ∂S  V
Dies ist eine der Maxwellschen Gleichungen der Thermodynamik
b) Die Enthalpie H
H ist durch die Definition als Funktion von Zustandsvariablen gegeben
H = U + pV
Wir bilden das Differential und ersetzen dU durch den oben gewonnenen Ausdruck
dH = dU + pdV + Vdp
dU = TdS − pdV
70
dH = TdS + Vdp
Um hieraus eine Maxwellsche Gleichung zu gewinnen, betrachten wir H als Funktion von S
und p.
 
dH =  ∂H  dS + ∂H dp
 ∂p 
∂S p
und erhalten durch Vergleich
 
T =  ∂H  ; V = ∂H
 ∂p 
∂S p
∂2H
∂2H
=
Da hier
, ergibt sich eine Maxwellsche Gleichung der Form
∂S∂p ∂p∂S
 ∂T 
=  ∂V 
 ∂p  S  ∂S  p
c) Die Helmholtz-Funktion F
F wird zuweilen auch Helmholtzsche freie Energie genannt. Die Bezeichnung "freie Energie"
wird allerdings nicht einheitlich angewandt, so daß sie hier ganz vermieden wird. F ist
definiert:
F = U − TS
mit dF = dU − TdS − SdT = −SdT − pdV.
Für einen isothermen reversiblen Prozeß ist gerade dF = - pdV, d.h. die in das System gesteckte Arbeit. Wenn außerdem das Volumen konstant bleibt, wie in vielen chemischen Prozessen,
ist dF = 0. Wie oben gewinnt man eine Maxwellsche Gleichung
∂F
∂F
−S =   ; −p =  
∂T V
∂V T
 ∂S  =  ∂p 
 ∂V  T  ∂T  V
(2)
Die Helmholtzfunktion hat die größte Bedeutung in der statistischen Mechanik, die es erlaubt,
F aus einer mikroskopischen Betrachtung zu berechnen.
d) Die Gibbs Funktion G
G wird auch die Gibbsche freie Enthalpie genannt. Die Definition ist ähnlich wie von F nur,
daß U durch H ersetzt wird.
G = H − TS
dG = dH − TdS − SdT = −SdT + Vdp
(3)
G spielt vor allem bei Phasenübergängen eine Rolle, weil hier T und p konstant sind. S ändert
sich, da die Entropie ein Maß für diesen Ordnungszustand ist.


−S =  ∂G  ; V = ∂G
 ∂p 
∂T p
71
mit der Maxwellschen Gleichung
 
− ∂S =  ∂V 
 ∂p  T
∂T p
Man erkennt, daß der thermische Ausdehnungskoeffizient bei konstantem Druck mit der Änderung des Ordnungszustandes bei Druckänderung zusammenhängt. Bei einem Gas verringert
sich die Entropie bei Kompression, da der Bewegungsspielraum eingeschränkt wird, daher ist
der Ausdehnungskoeffizient positiv. Bei Polymeren ist die Lage umgekehrt. Sie nehmen von
alleine nicht ein möglichst großes Volumen ein, sondern ein möglichst kleines, sie knäulen
sich. Der Zustand mit größerer Entropie entsteht also durch Verkleinern des Volumens. Daher
ist der Ausdehnungskoeffizient negativ.
2. Anwendungen
Von den zahlreichen Anwendungen werden im folgenden zwei herausgegriffen: Die Berechnung der inneren Energie aus der Form der Zustandsgleichung und die Berechnung der
Dampfdruckkurve.
a) Innere Energie eines van der Waals Gases
Bekannt sei die Zustandsgleichung p(T,V). Als Beispiel betrachten wir die van der Waals
Gleichung für ein Mol:
 p + a  (v − b) = RT
2

p(T, v) = RT − a2
v−b
Das Differential der inneren Energie ist nach dem vorigen Abschnitt, wenn U als Funktion von
V und T betrachtet wird
du =  ∂u  dT +  ∂u  dv
∂v T
∂T v
 ∂u  ist die spezifische Wärme bei konstantem Volumen:
 ∂T  v
δQ = du + pdv ergibt für v = const δQ = du nach Definition von c v ist δQ = c v dT, daher
du = c v dT
 ∂u  wird aus der differentiellen Form von u(S, V) berechnet.
 ∂v 
du = Tds − pdv
 ∂u  = T  ∂S  − p
 ∂v 
 ∂v 
72
∂s wird aus der Maxwell-Gleichung (2) ersetzt, p aus der Zustandsgleichung
∂v
 ∂s  =  ∂p  = R
 ∂v  T  ∂T 
v−b
 ∂u  = TR − TR + a = a
 ∂v 
v − b v − b v2 v2
du = c v dT + a2 dv
u = ∫ c v dT − a
v + u0
Ein Ergebnis, das wir in Kap. E/2 schon einmal mit einer weniger genauen und allgemeinen
Argumentation erhalten hatten.
b) Die Clausius Clapeyronsche Gleichung (Bendit Paul Emile Clapeyron 1799 - 1864)
Die Clausius Clapeyronsche Gleichung ist eine Differentialgleichung für die Änderung des
Druckes in Abhängigkeit von der Temperatur bei einem Phasenübergang. Als Beispiel kann
der Dampfdruck betrachtet werden, d.h. der Druck, der über einer Flüssigkeit gemessen wird,
wenn man den Raum über ihr auspumpt.
Abb. 269: Zur Berechnung der Dampfdruckkurve aus
dem Gibbsschen Potential
Wir gehen von der Tatsache aus, daß die Gibbsche Funktion sich beim Phasenübergang nicht
ändert. Die Indizes 1 und 2 stehen für Punkte auf der Dampfdruckkurve bei T, p bzw. T + dT,
p + dp; die Indizes D und F für Dampf und Flüssigkeit. Wegen der Gleichheit von G an beiden
Seiten der Dampfdruckkurve gilt
G 2F = G 2D
G 1F = G 1D
∆G F = ∆G D
Aus der differentiellen Form von G (Gl. 3) erhalten wir
dG = −SdT + Vdp
Für ein Mol schreiben wir dafür
∆g = −s∆T+v∆p
−s F ∆T+v F dp = −s D ∆T+v D dp
73
∆p(v F − v D ) = ∆T(s F − s D )
∆p s D − s F
=
∆T v F − v D
Wir ersetzen die Entropiedifferenz durch die Verdampfungswärme (im allgemeinen Fall durch
die latente Wärme l)
T(s D − s p ) = ∆Q = l
und erhalten die Clausius Clapeyronsche Gleichung
dp
l
=
dT T(v D − v F )
(4)
vD - vF ist die Volumenänderung bei der Zustandsänderung.
Zur Berechnung der Dampfdruckkurve kann man näherungsweise vD - vF durch vD ersetzen,
für vD das ideale Gasgesetz anwenden.
v D = RT
p und die Verdampfungswärme als konstant betrachten, dann wird aus Gl. (4)
dp
lp
=
2
T
dp ldT
2
p =
ln p = −l
RT
p/p 0 = e −l/RT
Zu einem ähnlichen Ergebnis kann man durch eine mikroskopische Betrachtung gelangen, indem man von der Boltzmann Gleichung ausgeht. Der Energieunterschied für ein Teilchen im
Dampf und in der Flüssigkeit ist durch die Verdampfungswärme gegeben W = l
NA
Damit ist das Dichteverhältnis
nD
−l/N A kT
nF = e
Dies ist gleich dem Druckverhältnis
p
−l/RT
p0 = e
mit p 0 = n F kT .
74
KAPITEL H
Phasenübergänge
1. Phänomenologische Beschreibung
a) Woran erkennt man einen Phasenübergang?
Phasenübergänge sind für uns zunächst die Änderungen des Aggregatzustandes eines Stoffes,
also das Schmelzen und Verdampfen. Dabei ändert sich eine ganze Reihe von Stoffeigenschaften drastisch. Betrachten wir Wasser, das wir von T<100° C auf T>100° C bei Normaldruck
erhitzen, so ändert sich die Dichte fast um einen Faktor 1000, gleichzeitig die Wärmekapazität,
die elektrische und thermische Leitfähigkeit. Wir sehen diese sprunghafte Änderung als charakteristisch für einen Phasenübergang an.
Abb. 270: Temperaturverlauf bei konstanter Wärmezufuhr
Bei einem Phasenübergang bewirkt im allgemeinen die zugeführte Wärme keine Temperaturerhöhung. Man spricht von latenter Wärme.
Bei Wasser beträgt die Schmelz- bzw. Erstarrungswärme QE = 333 · 103 J/kg die Verdampfungs- bzw. Kondensationswärme QK = 22,6 · 105 J/kg.
Der große Wert der Kondensationswärme ist ein wichtiger Faktor im Klimageschehen. Kondensations- und Erstarrungswärmen und -temperaturen werden in Tab. IV: "Kondensationsund Erstarrungswärme verschiedener Stoffe" angegeben.
Wenn die Temperatur konstant ist während eine Wärmemenge ∆Q zugeführt wird, ergibt sich
aus der Definition der Entropie
∆Q = T∆S ,
seine Entropieerhöhung beim Phasenübergang, d.h. eine Verminderung der Ordnung in der
Substanz. Die unstetige Änderung der Materialeigenschaften bei einem Phasenübergang hängt
also mit einer Änderung der Ordnung zusammen.
Bei dem Übergang von einem Gas in ein Plasma wird kein Ordnungsparameter geändert, und
es sind keine sprunghaften Änderungen von Materialeigenschaften zu beobachten. D.h., obgleich beide Substanzen sich bei genügender Temperaturdifferenz sehr unterschiedlich verhalten, kann man nicht von zwei Phasen eines Stoffes sprechen.
b) Phasen
Obgleich man zwei Phasen in der Nähe eines Phasenüberganges deutlich unterscheiden kann,
braucht die Unterscheidung nicht eindeutig zu sein. Um dies zu zeigen, betrachten wir eine
flüssige Substanz, deren Zustand im pV Diagramm durch den Punkt A gekennzeichnet ist. In
der Nähe der Verflüssigung haben die Isothermen die Gestalt, die man durch die van der Waalschen Zustandsgleichung ermittelt (Abb. 271). Verflüssigung tritt nur innerhalb der Grenzkurve auf, d.h. beim Übergang von A nach B entlang dem Weg (1) gibt es einen
75
Abb. 271: Ein Aggregatzustand ist nicht eindeutig
bestimmt
Phasenübergang und bei B ist die Substanz gasförmig. Beim Übergang entlang dem Weg (2),
mit dem der kritische Punkt umgangen wird, findet kein Phasenübergang statt, und man würde
die Substanz bei B als flüssig bezeichnen.
Außer den üblichen Aggregatzuständen haben viele Stoffe eine Reihe anderer Phasen. Z.B.
kann sich bei Festkörpern unter bestimmten Bedingungen die Kristallstruktur ändern. Schwefel
hat im Gleichgewicht für T < 95,5° C eine monokline, für T > 95,5° C eine rhombische
Kristallstruktur.
Abb. 272: Phasendiagramm von Wasser
Kohlenstoff kann als Diamant oder Graphit vorliegen. Eis hat eine ganze Reihe von verschiedenen Phasen. Die Bereiche, in denen die verschiedenen Phasen auftreten, stellt man im Phasendiagramm dar.
Abb. 273: Phasendiagramm des Kohlenstoffs
Die Grenzen zwischen den Phasen sind die Übergangskurven. Zwischen Flüssigkeit und
Dampf ist die Grenzkurve z.B. die Dampfdruckkurve. Auf der Grenzkurve können zwei Phasen gleichzeitig existieren. An einem Knotenpunkt können drei Phasen gleichzeitig existieren.
Ein solcher Punkt heißt Tripelpunkt. Das Vorzeichen der Steigung der Kurven hängt nach der
Gleichung von Clausius Clapeyron vom Größenverhältnis der Volumina des Stoffes in beiden
angrenzenden Phasen ab. Da Eis sich beim Schmelzen zusammenzieht, ist im Phasendiagramm
des Wassers die Steigung der Grenzlinie zwischen festem und flüssigem Aggregatzustand negativ, bei den meisten Stoffen wie in Abb. 275 positiv.
Abb. 272 und 273 zeigen die komplizierten Verhältnisse von Wasser und Kohlenstoff anhand
ihrer Phasendiagramme. Auch in Flüssigkeiten können unterschiedliche Ordnungszustände
herrschen. Ein Beispiel sind Flüssigkristalle, die für LCD Anzeigen im Computer benutzt werden. Typische quantenmechanische Effekte sind für den Übergang normalleitend - supraleitend
76
Abb. 274: Phasendiagramm des Wassers in der Nähe des
Tripelpunktes
Abb. 275: Phasendiagramm mit negativer Steigung der
Grenzkurve
zwischen
festem
und
flüssigem
Aggregatzustand
(z.B. bei Hg mit der Übergangstemperatur T = 4,1 K bei Normaldruck) oder normalviskos-superfluid (z.B. bei He) verantwortlich.
Gläser, Gemische oder sich zersetzende Stoffe haben keine scharfen Phasenübergänge.
c) Überhitzung, Unterkühlung
Man kann eine Substanz über die Umwandlungstemperatur hinaus erhitzen, bzw. unter sie abkühlen, ohne daß eine Umwandlung stattfindet. Man erzeugt dadurch einen instabilen Zustand,
der bestrebt sein wird, in den stabilen überzugehen. Wasser in einem Reagenzglas wird leicht
über 100° C heiß. Man spricht von Siedeverzug. Das Wasser verdampft dann schlagartig. Verunreinigungen, kleine Glasperlen oder Schütteln verhindern im allgemeinen den Siedeverzug.
In Extremfällen kann der überhitzte bzw. unterkühlte Zustand lange Zeit aufrecht erhalten bleiben. Diamant ist eine Phase des Kohlenstoffs, die bei extrem hohen Drucken im Gleichgewicht
ist. Trotzdem kann man Diamant bei normalen Drucken lange aufbewahren. Natriumazetat
schmilzt bei TE = 58° C, man kann aber flüssiges Natriumazetat bei sorgfältigem Vorgehen
jahrelang bei 20° C aufheben, ohne daß es erstarrt. Verunreinigungen liefern Kristallisationskeime, an denen die Kristallisation beginnt.
2. Gleichgewicht Dampf-Flüssigkeit
a) Dampfdruck
Die isotherme Zustandsänderung eines realen Gases in der Umgebung der Verflüssigung wird
durch die in Abb. 276 dargestellte Funktion beschrieben, die wir uns durch die van-der-Waalsschen Zustandsgleichung ausgerechnet vorstellen können. Bei Temperaturen unterhalb der kritischen Temperatur geht ein Gas bei genügender Kompression in den flüssigen Zustand über.
Dies ist hier im Punkt A der Fall. Bei weiterer Kompression existieren Flüssigkeit und Dampf
gleichzeitig. Es ist verständlich, daß die Zustandsgleichung für Gase das Zweiphasengemisch
Abb. 276: Zur Konstruktion der Maxwellschen Geraden
77
nicht korrekt wiedergibt. Es zeigt sich allerdings, daß für diese Situation des Nebeneinanderbestehens beider Phasen die Gleichung einer Isotherme besonders einfach ist: Der Druck ist konstant, unabhängig vom Volumen. In einem abgeschlossenen Volumen stellt sich ein Gleichgewicht ein zwischen Atomen, die die Oberfläche der Flüssigkeit verlassen und denen, die aus
dem Gasraum wieder in die Flüssigkeit eintauchen. Bei Volumenverkleinerung tauchen mehr
Moleküle in die Flüssigkeit ein als sie verlassen. Es stellt sich ein neues Gleichgewicht ein mit
gleichem Druck. Der Druck hängt von der Temperatur ab. p(T) nennt man den Dampfdruck.
Ist der gesamte Dampf verflüssigt (Punkt B), verläuft die weitere Zustandsänderung auf der
durch die ursprüngliche Zustandsgleichung gegebenen Kurve.
Um zu ermitteln, wo wir die Gerade AB im Zustandsdiagramm anzusetzen haben, betrachten
wir einen reversiblen Kreisprozeß auf dem Weg ABCDA, wobei wir das Stück AB mit (1),
BCDA mit (2) bezeichnen. Da U eine Zustandsfunktion ist, muß bei der Integration ∫ dU über
den geschlossenen Weg Null herauskommen, d.h. nach dem 1. Hauptsatz
Q 1 −∫ pdV + Q 2 −∫ pdV = 0
Da der Prozeß reversibel sein soll, muß Q1/T + Q2/T = 0 gelten und da er auf einer Isothermen
verläuft Q1 + Q2 = 0 und damit
∫ pdV+∫ pdV = 0
Dies ist die Bedingung, daß die schraffierten Flächen in Abb. 276 gleich sind. Die MaxwellGerade wird also so konstruiert, daß die Flächen zwischen ihr und der Kurve gleich groß sind.
Abb. 277: Dampfdruckkurve
Die Form der Dampfdruckkurve wurde im vorigen Kapitel ausgerechnet. Sie verläuft im wesentlichen nach einer e-Funktion. Für Wasser beträgt der Dampfdruck bei TK = 373 K
ps = 1 bar und bei TK = 293 K ps = 20 mbar.
Bei Anwesenheit der Atmosphäre eines anderen Gases über der Flüssigkeit in einem abgeschlossenen Gefäß addiert sich der Dampfdruck zu dem Druck des anderen Gases. Füllen wir
z.B. in ein Gefäß, in dem sich anfangs Luft mit dem Druck pL befand, Wasser und schließen
das Gefäß ab, so entwickelt sich in ihm der Druck
p = pL + ps ,
Abb. 278: Wie addiert sich der Dampfdruck
zum Atmosphärendruck?
wobei ps der Dampfdruck des Wassers bei der betrachteten Temperatur ist.
78
p L = n L kT und p s = n s kT
nennt man die Partialdrucke (nL, ns: Teilchendichten).
Sie sind ein Maß für die Teilchendichten
ps ns
pL = nL
Die Größe des Dampfdruckes ist also unabhängig von dem Vorhandensein der Luft.
b) Verdunsten, Sieden
Abb. 279: Eine Flüssigkeit verdunstet auch unterhalb des
Siedepunktes
Man neigt dazu, den Siedepunkt als die Temperatur TK zu definieren, oberhalb derer eine Flüssigkeit in den gasförmigen Zustand übergeht. Dies ist insofern nicht ganz korrekt, als jede
Flüssigkeit durch Verdunsten an der Oberfläche auch bei T < TK in einem offenen Gefäß vollständig verschwindet, dadurch, daß die aufgrund des Dampfdruckes aus der Oberfläche austretenden Teilchen das Gefäß verlassen können. Erreicht der Dampfdruck den äußeren Druck, so
kann auch eine innerhalb der Flüssigkeit entstehende Dampfblase mit dem umgebenden Druck
im Gleichgewicht stehen. Es bilden sich Dampfblasen im Innern, wodurch die Oberfläche der
Flüssigkeit vergrößert und die Verdampfungsrate beschleunigt wird. Diesen Vorgang nennt
man Sieden.
c) Dampfdruckerniedrigung
Abb.280: Ein gelöster Stoff führt zu einer Dampfdruck erniedrigung
Eine Lösung, in der in einem reinen Lösungsmittel mit der Teilchendichte n0 eine kleine Menge eines Stoffes mit der Teilchendichte n1 gelöst ist, hat einen gegenüber dem reinen Lösungsmittel reduzierten Dampfdruck. Der gesamte Druck über der Flüssigkeit setzt sich aus den Partialdrucken von Lösungsmittel und gelöstem Stoff zusammen. Hat der gelöste Stoff einen verschwindenden Dampfdruck, was häufig der Fall ist, erhält man eine Dampfdruckerniedrigung
∆p
n1
n1
p0 = n0 + n1 ≈ n0
(Gesetz von Raoult; Francois M. Raoult 1830 - 1901)
79
Abb. 281: Eine Dampfdruckerniedrigung führt zu einer Erhöhung des Siedepunktes
Aufgrund der Dampfdruckerniedrigung zeigen Lösungen eine Siedepunkterhöhung und eine
Schmelzpunkterniedrigung.
Zur Berechnung der Siedepunkterhöhung benutzen wir die Clausius-Clapeyronsche Gleichung
∆p
=− l
∆T K
T∆v
∆T K = ∆vT ∆p
l
und ersetzen ∆p durch das Raoultsche Gesetz, ∆ v durch das Gasvolumen und die ideale
Gasgleichung
∆v≈v= RT
p0
2
n
∆T K = n 1 RT
2 l
Abb. 282: Gefrierpunktserniedrigung durch
Dampfdruckerniedrigung
Über die Siedepunkterhöhung kann man z.B. die Teilchendichte eines gelösten Stoffes bestimmen, und wenn man die Masse kennt, das Molekulargewicht ermitteln.
Die Gefrierpunkterniedrigung ergibt sich durch eine ähnliche Betrachtung in der Nähe des
Schmelzpunktes. Durch die Erniedrigung des Dampfdruckes verschiebt sich der Tripelpunkt
zu kleineren Temperaturen. Die Grenzlinie fester Stoff-Gas bleibt, die Grenzlinie fester StoffFlüssigkeit verschiebt sich zu kleineren Temperaturen. Schmelzpunkterniedrigung wird zum
Schmelzen von Eis mit Streusalz und für Kältemischungen verwendet.
d) Verschiebung der Übergangstemperaturen durch Druckänderung
Wie in Abb. 281 zu ersehen ist, erniedrigt sich die Siedetemperatur bei Erniedrigung des äußeren Druckes. Daher hat siedendes Wasser in den Bergen eine kleinere Temperatur als im
Flachland und in einem Druckkochtopf eine höhere Temperatur als in einem gewöhnlichen offenen Topf. Eine ähnliche Erscheinung gibt es beim Schmelzpunkt. Ob eine Erniedrigung oder
80
Erhöhung des Schmelzpunktes bei Erhöhung des Druckes eintritt, hängt von dem Vorzeichen
der Steigung der Umwandlungskurve ab. Bei Wasser folgt aus der Tatsache, daß Eis sich beim
Schmelzen zusammenzieht aus der Clausius Clapeyronschen Gleichung, daß durch Erhöhen
des Druckes der Schmelzpunkt erniedrigt wird. Dies wird im Demonstrationsexperiment mit
einem Draht gezeigt, der sich durch einen Eisblock hindurcharbeitet (Regelation des Eises).
Das Gleiten beim Schlittschuhlaufen wird gefördert durch das unter dem Druck der Kufe entstehende Wasser.
3. Luftfeuchtigkeit
Die Erdatmosphäre grenzt an große Wasseroberflächen, enthält aber nicht die Feuchtigkeit, die
dem Dampfdruck des Wassers entspricht. Wegen der häufigen Temperaturwechsel und der
langen Diffusionszeiten des Wassers in der Luft ergibt sich meistens eine geringere Wassermenge. Man mißt sie als absolute oder relative Luftfeuchtigkeit. Die absolute Luftfeuchte ist
das Verhältnis der Masse des Wasserdampfes zum Volumen der feuchten Luft
m
ϕa = W
VL
Die relative Luftfeuchte wird auf die maximal von der Luft bei der gegebenen Temperatur aufnehmbare Masse bezogen
pW
m
n
ϕr = m W = W =
max
n s (T ) p D (T )
n beschreibt die Teilchendichten, p die Partialdrucke. ns ist also die bei Sättigung vorhandene
Teilchendichte, pD der Dampfdruck bei Sättigung. Kühlt man die Luft ab, so nimmt pD(T) ab
und damit ϕ r zu. Der Punkt, bei dem die Sättigung erreicht wird, ist der Taupunkt mit der
Temperatur Tτ. Durch Messen der Taupunkttemperatur, die sich durch "Beschlagen" eines
Spiegels bemerkbar macht, läßt sich die relative Luftfeuchte bestimmen
pW
p D (T τ )
ϕr =
=
p D (T ) p D (T )
Das entsprechende Gerät heißt Taupunkthygrometer. Eine schneller anwendbare Methode ist
das Pykrometer nach Aßmann. Hier wird ein Luftstrom an zwei Thermometern vorbeigesogen,
wovon das eine einen mit Wasser befeuchteten Beutel um seine Kugel hat. Durch das Verdampfen nimmt die Temperatur dieses Thermometers so lange ab, bis die Luft in der Umgebung des Beutels gesättigt ist. Aus dem Temperaturunterschied der beiden Thermometer läßt
sich die Luftfeuchtigkeit ermitteln. Die absolute Luftfeuchtigkeit ermittelt man mit dem Apparat von Reynault (Abb. 283). Durch Ablassen einer definierten Menge Wasser saugt man dieses Volumen Luft durch eine Trockensubstanz, z.B. CaCl2. Durch Wiegen vor und nach dem
Versuch ergibt sich mW und über das Volumen VL.
Abb. 283: Bestimmung der Luftfeuchte nach Reynault
81
KAPITEL I
Grenzgebiete zwischen Thermodynamik und anderen Gebieten der Physik
1. Thermoelektrische Effekte
a) Phänomene
Abb. 284: Seebeck-Effekt
Unter den thermoelektrischen Effekten faßt man drei Effekte zusammen, bei denen elektrische
und Wärmeströme miteinander wechselwirken. Drei weitere, magnetothermische Effekte
schließen die Wechselwirkung mit Magnetfeldern ein. Der bekannteste der thermoelektrischen
Effekte ist der Seebeck-Effekt (Abb. 284) (August Seebeck 1805 - 1849). Bringt man die Lötstellen zwischen zwei verschiedenen Metallen in einer Schaltung wie in Abb. 284 auf unterschiedliche Temperaturen, so entsteht eine Spannung, die proportional zur Temperaturdifferenz ist.
 ∆U  = ε nennt man die Thermokraft.
 ∆T 
Beispiele:
Eisen-Konstantan:
Eisen-Kupfer
ε = 53, 7 µV/K
ε = 13 µV/K
Thermoelemente werden zur Messung von Temperaturen und zur Direktumwandlung von
Wärme in Strom verwendet. Im Demonstrationsexperiment wird ein Thermoelement gezeigt,
das etwa 100 A erzeugt.
Die Umkehrung des Seebeck-Effektes ist der Peltier-Effekt: Schickt man einen Strom durch
die Anordnung von Abb. 284, ergibt sich eine Temperaturdifferenz an den beiden Lötstellen.
Man benutzt den Peltier-Effekt zum Kühlen. Für eine praktische Anordnung werden mehrere
Verbindungen der beiden Metalle in Reihe geschaltet (Abb. 285).
Abb. 285: Aufbau eines Peltier-Elementes
Beim Thomson-Effekt überlagert man einen elektrischen Strom einem Wärmestrom und erhält
dadurch eine Umverteilung der Wärme, die über die Effekte durch Ohmsche Wärme hinausgeht. Der Thomson-Effekt überlagert sich meistens mit den beiden vorher besprochenen Effekten und modifiziert sie.
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Abb. 286: Der Thomson-Effekt
b) Erklärung des Seebeck-Effektes
α) Makroskopische Erklärung
Den Seebeck-Effekt kann man als einen Carnot-Zyklus auffassen, der an der Ladung als Medium vorgenommen wird. Wir stellen uns einen solchen reversibel geführten Prozeß vor. Nach
Q1 Q2
dem 1. Hauptsatz gilt Q 1 + Q 2 = UI∆t . Da der Prozeß reversibel sein soll
+
= 0 . Durch
T1 T2
Ersetzen von Q2 in der oberen Gleichung durch die zweite Gleichung erhält man
Q1
T
(T 1 − T 2 )
UI∆t = Q 1 − Q 1 2 =
T1 T1
Die Thermokraft ist also bei diesem System von I und der Referenztemperatur T1 abhängig.
Man versteht aus dieser Darstellung sofort die Umkehrbarkeit des Prozesse.
β) Mikroskopische Betrachtung
Mikroskopisch knüpfen wir an die Beschreibung von Kontaktspannungen in elektrolytischen
Zellen oder Halbleitern an. Die Elektronen im Metall sind unterschiedlich stark gebunden, d.h.
an der Grenzfläche diffundieren die Elektronen in das benachbarte Metall und bilden eine
Doppelschicht. Den stationären Zustand kann man als Gleichgewicht zwischen Diffusionsstrom jD und elektrischen Strom in dem Feld der Schicht auffassen.
d. h.
j D = −e 0 D dn
dx
j E = −ne 0 v= ne o µE
e 0 D dn + ne 0 µE = 0
dx
−D
µ ln n − ϕ(x) = const
Diese Größe, die in dem gesamten Raumladungsgebiet konstant bleibt, nennt man auch das
elektrochemische Potential. Über die ganze Zone integriert ergibt sich
D ln n = −U(x)
µ n0
n
−e 0 U(x)/kT
n =e
0
Dies ist identisch mit einer Boltzmannverteilung
Im Festkörper gilt statt der Boltzmannverteilung eine Fermiverteilung. In jedem Fall hängt die
sich ausbildende Thermospannung von der Temperatur ab. Bei gleicher Temperatur der beiden
Lötstellen sind die Thermospannungen gleich groß, aber entgegengesetzt, so daß kein Strom
fließt. Bei ungleicher Temperatur ergibt sich ein Ungleichgewicht, und es fließt Strom.
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c) Magnetothermische Effekte
Der Vollständigkeit halber werden in Abb. 287 die drei magnetothermischen Effekte
dargestellt:
Abb. 287: Die magnetothermischen Effekte
Andreas v. Ettinghausen (1796 - 1878), Walther Nernst (1864 - 1941), Augusto Righi (1850 1920), Anatole, Sylvestre Leduc (1856 - 1937)
2. Osmotischer Druck
Abb. 288: Messung des osmotischen Druckes
Teilt eine halbdurchlässige Membran ein Gebiet mit einem reinen Lösungsmittel derart, daß
nur Teilchen der einen Sorte, etwa des Lösungsmittels, durch die Membran dringen können,
setzt eine Wanderung dieser Teilchen ein, die in der Richtung verläuft, in der das Konzentrationsgefälle abgebaut wird. Es entsteht in der Lösung ein erhöhter Druck, der schließlich die
Wanderung zum Stillstand bringt. Der Überdruck gehorcht dem Gesetz von van't Hoff (Jacobus Henricus van't Hoff 1852 - 1911)
p = nkT,
wobei n die Dichte der Teilchen in der Lösung ist. Die Teilchen des gelösten Stoffes verhalten
sich also so, also ob das Lösungsmittel nicht vorhanden wäre. Die physikalischen Vorgänge
sind ähnlich wie bei der Diffusion von Ladungsträgern über eine Grenzschicht zweier Metalle.
Die der Diffusion entgegenwirkende Kraft ist statt des elektrischen Feldes die Druckdifferenz.
Abb. 289: Ein Hohlraum im thermischen Gleichgewicht
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3. Wärmestrahlung
Kirchhoffsche Strahlungsgesetze
Die Gesetze der Thermodynamik lassen sich auf das Strahlungsfeld in einem Hohlraum anwenden. Da im thermischen Gleichgewicht alle Größen nur von der Temperatur abhängen, gilt
dies auch für das Strahlungsfeld in einem Hohlraum. Die Intensitätsverteilung ist also unabhängig von dem Material des Hohlraumes. Um dies einzusehen, denken wir uns einen Hohlraum aus zwei verschiedenen Materialien zusammengesetzt und im thermischen Gleichgewicht. Durch eine die Hohlräume verbindende Blende mit einem Filter werde nur Strahlung
der Frequenz ν durchgelassen. Dann folgt aus dem 2. Hauptsatz, daß die Strahlungsströme in
beiden Richtungen gleich groß sind. Die Hohlraumstrahlungsintensität ist also eine universelle
Funktion von ν und T, die Kirchhoff-Planck-Funktion B(ν , T). Das gleiche trifft natürlich für
die Energiedichte des Strahlungsfeldes u(ν , T) zu.
Ähnlich kann man beweisen, daß das Strahlungsfeld des Hohlraumes isotrop ist. Stellt man einen Körper in einen Hohlraum und läßt ihn dessen Temperatur annehmen, so kann sich nach
dem 2. Hauptsatz dessen Temperatur nicht durch ein Ungleichgewicht der auf ihn fallenden
und von ihm emittierten Strahlung steigen. Auf ihn fällt die Strahlung des Hohlraumes B(ν,T).
Davon absorbiert er AB(ν , T). Er emittiert die Strahlungsleistung E. Es muß also gelten
E = AB(ν, T)
E = B(ν, T)
A
Emission E und Absorption A sind Eigenschaften, die der Körper auch außerhalb des Hohlraumes besitzt. Die Thermodynamik liefert also einen Zusammenhang zwischen diesen Stoffeigenschaften. Insbesondere erkennt man, daß jeder Stoff bei den Frequenzen besonders gut
emittiert, bei denen er auch gut absorbiert. Ein schwarzer Körper mit der Absorption 1 strahlt
wie ein Hohlraum mit gleicher Temperatur.
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KAPITEL J
Das Vakuum
1. Geschichtliches
Im klassischen Altertum war die Frage nach der Natur des Vakuums eine philosophische Frage. Es gab eine philosophische Richtung, die sich die Materie als eingebettet in ein Vakuum
vorstellte und eine andere, die die Existenz eines Vakuums leugnete. Zur letzteren gehörte Aristoteles (384 - 322 v. Chr.), dessen Meinung vom ausgehenden Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert hinein maßgeblich war. Bei ihm bewirkte der "horror vacui", daß Materie angesaugt werden konnte und daß feste Körper zusammenhalten. Galilei (1564 - 1642) entdeckte, daß eine
Saugpumpe eine Wassersäule nicht höher als 10 m heben kann. Nach seiner Deutung hat der
"horror vacui" eine endliche Größe. Sein Schüler E. Torricelli (1608 - 1647) machte die Versuche durch Verwendung von Quecksilber handlicher. Er beobachtete die Wetterabhängigkeit
der Höhe der Quecksilbersäule und folgerte, daß die Höhe nicht durch ein allgemeines Naturgesetz bestimmt sein kann.
Heute wissen wir, daß das Vakuum von Torricelli in Wirklichkeit Quecksilberdampf mit dem
Dampfdruck des Quecksilbers bei Zimmtertemperatur enthält, der aber für viele Betrachtungen
vernachlässigbar ist. B. Pascal (1623 - 1632) regte eine Bergexpedition zur Bestimmung der
Höhenabhängigkeit des Luftdruckes an. Der Effekt erwies sich größer als erwartet und stürzte
die Vorstellung vom "horror vacui" endgültig.
Experimente mit dem Vakuum wurden möglich nach Erfindung der Luftpumpe durch Otto von
Guericke (1602 - 1686), Bürgermeister von Magdeburg nach dem 30jährigen Krieg. Von Guericke entwickelte die Technik von Vakuumgefäßen, Ventilen und Dichtungen. Außerdem
stammen von ihm eine ganze Reihe von Beobachtungen: Er stellte fest,
- daß Luft ein Gewicht hat,
- daß sich Schall im Vakuum nicht ausbreitet,
- daß bei Verbrennung ein Teil der Luft verschwindet.
Er baute ein Gasthermometer, wofür er als Fixpunkt die Lufttemperatur bei Beginn der Nachtfröste wählte.
R. Boyle entdeckte den Zusammenhang von Druck und Volumen bei fester Temperatur sowie
die Siedepunktserniedrigung bei Unterdruck.
Im heutigen Weltbild bleibt immer weniger vom ursprünglichen Vakuumbegriff als einem
Raum, der nichts enthält, übrig. Selbst wenn man den Dampfdruck und die Diffusion von Molekülen durch Wände vermeiden könnte, bliebe immer noch das Strahlungsfeld, das aus einer
Vielzahl von Photonen besteht. In einem Hohlraum ist dies die Strahlung eines schwarzen
Körpers, die bei jeder Temperatur angebbar ist. Daneben gibt es Energiefluktuationen, die man
sich als das plötzliche Erscheinen und wieder Zerfallen von Teilchen vorstellen kann. Sie sind
eine Folge der Heisenbergschen Unschärferelation, nach der die Genauigkeit einer Energiemessung ∆E von der Zeitdauer ∆t abhängt, über die gemessen wird
∆E∆t ≥ h
h = h/2π ist die Plancksche Konstante. Das bedeutet umgekehrt, während sehr kurzer Zeiten ∆t
kann eine so große Energie ∆E zur Verfügung gestellt werden, daß ein Teilchenpaar, etwa ein
Elektron-Positron-Paar, entsteht, ohne daß das Energieprinzip verletzt wird.
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2. Anwendungen
Moderne Technik ist ohne Vakuum nicht vorstellbar. Es gibt im wesentlichen drei Hauptgründe für die Anwendung eines Vakuums:
a)
Um Teilchenbahnen nicht zu stören, benötigt man Stoßfreiheit. Dies ist in Vakuumröhren, z.B. der Fernsehröhre, im Elektronenmikroskop, bei Materialbearbeitung mit Teilchenstrahlen und in Teilchenbeschleunigern der Fall.
b)
Um chemisch saubere Verhältnisse zu erzeugen, muß die Anwesenheit von Fremdatomen vermieden werden. Dies wird z.B. bei der Vakuumdestillation, Oberflächenphysik, Herstellung von Halbleitern und in der Plasmaphysik erforderlich.
c)
Zur Konservierung von Lebensmitteln werden diese im Vakuum getrocknet, z.B. Gefriertrocknung von Kaffeepulver.
3. Erzeugung von Vakuum
a) Verdrängerpumpen
Die einfachste Verdrängerpumpe ist die Kolbenpumpe wie sie von Guericke einführte. Bei jedem Hub wird das Volumen des eingeschlossenen Gases vergrößert und entsprechend verkleinert sich nach dem Gesetz von Boyle und Mariotte der Druck. Auch Rotationspumpen benutzen dieses Prinzip.
Abb.290: Aufbau einer Drehschieberpumpe
Bei der Drehschieberpumpe (Abb. 290) wird der Kolben durch einen beweglich in einer exzentrisch gelagerten Walze angebrachten Schieber ersetzt. Bei Anwesenheit von Feuchtigkeit
kondensiert diese in der Ausstoßphase, in der das Gas komprimiert wird. Um die Ansammlung
von Feuchtigkeit zu vermeiden, die durch ihren Dampfdruck das erreichbare Vakuum begrenzen würde, gibt man in der Ausstoßphase Luft hinzu, um die relative Luftfeuchte zu erniedri
gen. Man spricht von Gasballast. Drehschieberpumpen sind einsetzbar von 1 bar bis 10-3 mbar.
Im Rootsgebläse (Abb. 291) (J.D. Root 1870) übernehmen zwei achtförmige Drehkolben die
Aufgabe des Verdrängens. Die Form ist so gewählt, daß sie untereinander und mit der Wand
ohne Berührung dichten. Dies ermöglicht höhere Drehzahlen und damit größere
Abb. 291: Aufbau des Rootsgebläses
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Abb.292: Die Pumpleistung von Rootsgebläsen
Saugleistungen S = V/t. Abb. 292 zeigt die Saugleistung einer Rootspumpe in Abhängigkeit
vom Arbeitsdruck.
Abb. 293: Aufbau einer Turbomolekularpumpe
Die Turbomolekularpumpe ist ähnlich wie eine Turbine aufgebaut mit Stator und Rotor (Abb.
293). Durch extrem hohe Drehzahlen wird die Rückströmung gering gehalten. Die Rückströmung ist umso größer, je kleiner das Molekülgewicht des Gases ist. Leichte Gase lassen sich
deshalb schlechter pumpen als schwere. Man kann andererseits diesen Effekt ausnutzen, um
mit einer Molekularpumpe Wasserstoff zu reinigen, indem man ihn an der Ausstoßseite der
Pumpe einfüllt. Wasserstoff strömt gegen die Pumprichtung, während die anderen Gase abgepumpt werden. Turbomolekularpumpen benötigen an der Ausstoßseite ein Vorvakuum. Man
schaltet also eine Drehschieberpumpe nach. Man erreicht Vakua bis 10-8 mbar.
b) Treibmittelpumpen
Abb. 294: Die Wasserstrahlpumpe
In der Treibmittelpumpe hat man einen Flüssigkeits- oder Gasstrahl. Das Pumpgas diffundiert
in das Treibmittel und wird so mit dem Strahl forttransportiert. Die einfachste Version ist die
Wasserstrahlpumpe (Abb. 294), mit der man ein Vakuum bis etwa 20 mbar erzeugen kann.
Die Begrenzung für den minimalen Druck ist durch den Dampfdruck des Treibmittels
gegeben.
Öldiffusionspumpen benutzen Öldampf als Treibmittel. Dieser wird kondensiert, wobei er das
Pumpgas abgibt. Er wird dann einer erneuten Verdampfung zugeführt. Um das Eindringen von
Öldampf in den Rezipienten zu vermeiden, schaltet man Dampfsperren dazwischen, in denen
der Dampf adsorbiert oder kondensiert wird. Mit Öldiffusionspumpen erzeugt man Vakua bis
10-8 mbar. Die besten im Labor erzielbaren Vakua erreichen 10-13 mbar. Man beachte, daß dann
immer noch größenordnungsmäßig 1000 Teilchen pro cm3 vorhanden sind.
88
Man erreicht extreme Vakua mit Getterpumpen. Hier wird im Vakuum ein Metall, z.B. Titan
verdampft. Der Metalldampf wirkt wie eine Treibmittelpumpe und begräbt das Pumpgas bei
der Kondensation an der Wand.
c) Kryopumpe
Abb. 295: Aufbau einer Kryopumpe
In Kryopumpen kondensiert das zu pumpende Gas aufgrund der tiefen Temperatur an einer
Wand. Wasserstoff läßt sich z.B. mit flüssigem Helium pumpen. Der Heliumtank wird häufig
durch ein Blendensystem umgeben, das mit flüssigem Stickstoff gekühlt wird, um Wärmeaufnahme und damit unnötige Verdampfung des Heliums durch von außen auftreffende Strahlung
zu vermeiden. Um die Pumpwirkung einer Kryopumpe zu verstehen, betrachten wir zunächst
einen Pumpvorgang bei hohem Druck, d.h. bei Bedingungen, in denen die freie Weglänge viel
kleiner als der Rohrquerschnitt ist. Das Pumpen erzeugt dann eine Rohrströmung etwa nach
dem Hagen-Poiseuilleschen Gesetz. Das Gas erhält also eine Schwerpunktgeschwindigkeit.
Bei Drucken unter etwa 10-3 mbar stoßen die Teilchen praktisch nur mit der Wand. Sie bewegen sich als Einzelteilchen. Der Pumpvorgang besteht dann darin, daß alle Teilchen an der einen Seite eines Rohres, die aufgrund ihrer thermischen Geschwindigkeit austreten, eingefangen werden. Die maximale Pumpleistung ist dann Avth (A: Querschnittsfläche der Pumpöffnung, vth: thermische Geschwindigkeit).
Eine Kryopumpe ohne Rückdiffusion von Teilchen erreicht also die für die vorgegebene Öffnung maximale Pumpleistung.
4. Druckmessung
a) Membranmanometer
Im Membranmanometer wird die Durchbiegung einer Membran, die das interessierende und
ein Referenzvakuum trennt, gemessen. Die Anzeige ist unabhängig von der Gasart.
Bei mechanischer Übertragung der Durchbiegung auf einen Zeiger kann man Drucke bis etwa
1 mbar bequem messen. Zur empfindlicheren Messung wird die Membran durch eine zweite
Elektrode zu einem Kondensator ergänzt und dessen Kapazität elektrisch gemessen (Baratron).
Man erreicht auf diese Weise Messungen von Drucken bis 10-4 mbar. Es gibt Miniaturdruckdosen mit einem Durchmesser von ca. 5 mm, in denen die Durchbiegung der Membran über Dehnungsmeßstreifen in elektrische Signale umgewandelt wird.
b) Hydrostatische Manometer
U-Rohre sind auch heute noch wegen ihrer einfachen Herstellbarkeit nützliche Druckmeßgeräte. Wegen der leichten Durchschaubarkeit eignen sie sich zur Eichung. Für Drucke bis
10-5 mbar verwendet man ein Manometer nach Mc Leod (Herbert McLeod, 1841 - 1923). Hier
wird durch definierte Kompression eines Testvolumens während der Messung ein höherer
Druck erzeugt.
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Abb. 296: McLeod
c) Messung von p über die Wärmeleitung von Gasen
Abb.297: Thermotronröhre
Im Bereich 1 - 10-3 mbar sind Geräte bequem anwendbar, die die Abhängigkeit der Wärmeleitfähigkeit von Gasdruck im Knudsenbereich ausnutzen. Man schickt einen Strom durch einen
Heizfaden im Vakuum und mißt dessen Temperatur. Diese ist abhängig von der durch das umgebende Gas abgeführten Wärme und ist daher ein Maß für den Gasdruck. Das Prinzip wurde
von Marcello Pirani (1880 - 1968) eingeführt und entsprechende Röhren heißen auch Piranioder Thermotronröhren.
d) Ionisationsmanometer
Für kleinere Drucke eignen sich Ionisationsmanometer. Diese nutzen aus, daß die Elektronenleitung in Gasen von der Stoßzahl der Elektronen abhängt und so ein Maß für den Gasdruck
ist. Man verwendet entweder Glüh- oder Kaltkathoden. Der Aufbau einer Glühkathodenröhre
ähnelt dem einer Radioröhre. Die Beeinflussung des Stromes erfolgt über die Raumladung.
Man nennt diese Röhre auch Ionivacröhren. Ohne besondere Maßnahmen sind sie im Bereich
10-3 bis 10-9 mbar anwendbar. Die untere Grenze ist durch Sekundärelektronenemission gegeben. Sie läßt sich durch besondere konstruktive Maßnahmen bis zu den kleinsten Drücken verschieben. Die Anwendung des Ionivac ist einfach. Nachteilig ist, daß die Anzeige von der Gasart abhängt und sich bei Alterung des Fadens ändert. Man sollte beachten, daß ein Ionivac eine
eigene Pumpwirkung besitzt und damit das zu messende Vakuum verfälscht.
In der Kaltelektrodenröhre (F.M. Penning 1894 - 1953) benötigt man keinen Glühfaden. Die
geringere Elektronenemission gleicht man aus, indem man die Elektronen in einem gekreuzten
E- und B-Feld auf Zykloidenbahnen laufen läßt, wodurch sich die Aufenthaltsdauer im Gas
und damit die Stoßwahrscheinlichkeit vergrößert. Penningröhren sind besonders robust, messen aber nicht so tiefe Drucke wie Ionivacs.
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Heute benutzt man häufig Massenspektrometer zur Vakuumsanzeige, um außer dem Druck die
Restgaszusammensetzung zu ermitteln.
5. Klassifikation von Vakua
Um die verschiedenen Anwendungsgebiete Pump-, Meß- und Dichttechniken zu unterscheiden, klassifiziert man die Vakua nach den Druckbereichen:
Das Grobvakuum reicht von Atmosphärendruck bis etwa 1 mbar. Zur Erzeugung genügen einfache Verdrängerpumpen, teilweise die Wasserstrahlpumpe, zur Messung Membranmanometer
mit mechanischer Anzeigeübertragung.
Fein- oder Vorvakuum umfaßt dann den Bereich 1 - 10-3 mbar. Es kann mit Drehschieberpumpen erzeugt werden, mit Thermotronröhren oder Membranmanometer mit elektrischer Anzeigenübertragung gemessen werden. Alle Hochvakuumapparaturen benötigen eine Vorvakuumstufe, da im Hochvakuum der große Druckunterschied zum Außendruck nicht mit einer Stufe
überbrückt werden kann.
Das Hochvakuum von 10-3 bis 10-8 mbar erzeugt man mit Turbomolekular- oder Öldiffusionspumpen. Ionisationsmanometer sind hier die bequemsten Druckmeßgeräte. Da im allgemeinen eine Ausheizung der Apparatur zur Entfernung von Oberflächenbelegungen nicht
erforderlich ist, können Gummidichtungen verwendet werden.
Im darunterliegenden Bereich des Ultrahochvakuums müssen Apparaturen ausgeheizt werden.
Daher werden Metalldichtungen verwendet. Als Zusatzpumpen werden Getterpumpen eingesetzt. Für die Druckmessungen gibt es spezielle Ionisationsmanometer, z.B. Ionivac nach
Bayard-Alpert
6. Saugleistung, Leckrate
In einer Vakuumapparatur ist die Anzahl der durch ein kleines Loch in die Apparatur dringenden Teilchen vom Innendruck praktisch unabhängig. Bei abgeschaltetem Pumpsystem und ge∆p
schlossenen Rezipienten macht sich dies in einem Druckanstieg
bemerkbar, der vom Volu∆t
men des Rezipienten abhängt. Die Anzahl der Teilchen ist der Stoffmenge ν proportional mit
pV
pV
ν=
. Die Leckrate L ist also proportional zu
. Wir definieren`daher
RT
RTt
∆p
=
```````````,̀
L
V
∆t
wobei die Leckrate L in mbar-Litern pro Sekunde gemessen wird. L läßt sich also einfach messen, indem das Vakuumgefäß zur Zeit t = 0 abgeschlossen und der Druckanstieg
∆p in der Zeit ∆t gemessen wird. Diese Größe mit dem Volumen des Rezipienten multipliziert
ergibt die Leckrate L.
Eine Vakuumpumpe erniedrigt so lange den Druck im Gefäß, bis ihre Saugleistung gleich der
Leckrate ist. Bei über dem Druck konstanter Saugleistung erhält man für das Gleichgewicht
pV
= pS
S = V; L =
````````````````````````
t
t
91
``````````
p= L
S
Der Enddruck ergibt sich also aus dem Verhältnis von Leckrate und Saugleistung.
(Literatur: W. Pupp, Vakuumtechnik, Verlag Thiemig, München)
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