Darstellung, Struktur und Reaktivität von labilen

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Zusammenfassung
2
3
Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit stand die Darstellung, Charakterisierung und Reaktivität
verschiedener kurzlebiger Organosiliciumsysteme unter kryogenen Bedingungen im
Vordergrund. Sie beinhaltet drei in sich geschlossene Studien, wobei spektroskopische
Untersuchungen von bimolekularen Reaktionen eines Silylens 1 mit Oxidationsmitteln,
π-Systemen und Lewis-Basen in Inertgasmatrizes den Schwerpunkt bilden. In einem
weiteren Kapitel wird die Pyrolyse von Triphosphanylsilanen beschrieben, die potentielle
Vorstufen für Silanphosphimine 38 und Silaphosphanitrile 40 darstellen. Darüber hinaus
wird im letzten Teil der Arbeit über die Photochemie von 1,3-Diazido-1,3disilacyclobutanen im Hinblick auf die mögliche Generierung von Bissilaniminen 54
berichtet.
2.1
Reaktivität von Silylenen
Das zur Untersuchung der Reaktivität von Silylenen eingesetzte Methyl(phenyl)-
silylen 1e kann photochemisch aus matrixisoliertem Phenylsilyldiazomethan 5 dargestellt
werden (Schema 2.1). Letztere Verbindungsklasse gehört zu den wichtigsten Vorstufen
zur Erzeugung von Silenen. Daher entsteht bei dieser Reaktion zunächst das
spektroskopisch nachweisbare 1-Phenylsilen 3e, welches allerdings photolabil ist und
nach UV-Bestrahlung durch eine 1,2-Wasserstoffverschiebung zu 1e umlagert.
Ph
H
N2
Si C
H
5
λ = 400
- 450 nm
Ar, 10 K
Ph
H
H
.
[1,2]-H
Si .C
H
H
H
Ph
Si C
H
H
7
3e
λ = 350
[1,2]-H
- 450 nm
Ph
H
..
Si
Si C
H
H
3f
Schema 2.1
Darstellung von Methyl(phenyl)silylen 1e in Argonmatrizes.
Ph
CH3
1e
4
Zusammenfassung
Methyl(phenyl)silylen 1e wird in nahezu quantitativer Ausbeute gebildet und zeichnet
sich durch seine photochemische und thermische Stabilität unter den Bedingungen der
Matrixisolation aus. Durch Generierung von 1e in dotierten Argonmatrizes und
anschließendem Tempern konnten bimolekulare thermische Reaktionen von 1e mit
verschiedenen Reaktionspartnern untersucht werden. Die erhaltenen Ergebnisse belegen,
daß die Reaktivität dieser Verbindung hauptsächlich durch seine Elektrophilie bestimmt
wird.
Die Oxidation von 1e mit molekularem Sauerstoff verläuft innerhalb weniger
Sekunden in einer nahezu quantitativen Reaktion. Als einziges Produkt konnte
Methyl(phenyl)siladioxiran 10e identifiziert werden, das vermutlich intermediär aus dem
korrespondierenden Silanon-O-oxid 9e entstanden ist (Schema 2.2).
O.
..
Si
Ph
O
+ 3O2
CH3
35 - 38 K
Ar
1e
O
.
Si
Si
Ph
O
Ph
CH3
CH3
10e
9e
[1,2]-CH3
λ = 450
- 680 nm
[1,2]-Ph
O
O
Si
Ph
O
12e
Schema 2.2
CH3
Ph
Si
H3C
O
12f
Reaktion von Methyl(phenyl)silylen 1e mit Sauerstoff in Argonmatrizes.
Während sich bei der Reaktion der homologen Carbene mit O2 stets die
korrespondierenden Carbonyl-O-oxide nachweisen lassen, sind Silanon-O-oxide selbst
unter kryogenen Bedingungen instabil. Diese experimentelle Beobachtung wird durch
quantenmechanische Rechnungen bestätigt. Für das Stammsystem (R = H) konnte mit
Multireferenzverfahren eine Aktivierungsbarriere der Umlagerung 9a → 10a von rund 5
kcal mol-1 ermittelt werden; mit der B3LYP-Methode wurde für 9e → 10e eine noch
kleinere Barriere berechnet.
Nachfolgende Bestrahlung von matrixisoliertem Methyl(phenyl)siladioxiran 10e mit
sichtbarem Licht (λ = 450 – 680 nm) führt zur Ringöffnung und Bildung von
Zusammenfassung
5
Methyl(phenoxy)silanon 12f. Das dabei entstehende Nebenprodukt wurde vorläufig dem
isomeren Methoxy(phenyl)silanon 12e zugeordnet.
Des weiteren wurde die Addition von 1e an π-Systeme untersucht. Die thermische
Reaktion von 1e mit Acetylen ergibt Methyl(phenyl)siliren 18e, die Umsetzung mit Ethen
führt dementsprechend zur Bildung von Methyl(phenyl)silacyclopropan 21e (Schema
2.3). Beide Verbindungen erwiesen sich als photochemisch instabil und isomerisieren bei
kurzwelliger Photolyse (λ = 260 – 320 nm) zu Ethinyl(methylphenyl)silan 20e bzw.
Vinyl(methylphenyl)silan 22e.
Ph
H3C
..
+ HCCH
Si
Ph
CH3
Ar, 35 K
..
+ H2C=CH2
Si
CH3
1e
Schema 2.3
Ar, 35 K
λ = 260
- 320 nm
C
C
H
1e
Ph
Si
18e
Si
H2C
CH2
21e
H3C
Si C
CH
H
H
Ph
H3C
Ph
20e
λ = 260
- 320 nm
Ph
H3C
Si CH
CH2
H
22e
Reaktion von Methyl(phenyl)silylen 1e mit Acetylen und Ethen in Argonmatrizes.
Bei der experimentell beobachteten Thermochemie von 1e mit diesen beiden Reaktanten
handelt es sich damit um konzertierte und barrierelose [2n+2π]-Cycloadditionen, die in
Fall der Reaktion mit Acetylen gemäß DFT-Rechnungen am Stammsystem (R = H),
ebenso wie die Ethenadditionen an 1, nach einem asynchronen Mechanismus ablaufen.
Gegenüber einer weiteren typischen π-Verbindung, Acetonitril, ist das Silylen 1e
hingegen unter Matrixisolationsbedingungen inert.
Ferner wurde auch die Reaktivität von 1e gegenüber Lewis-Basen überprüft. Die
Addition von CO an 1e führt zur Bildung des gewinkelten Methyl(phenyl)silylen-CO
Addukts 25e und nicht zu einem planaren Silaketen (Schema 2.4), dessen Analoga in der
homologen Carbenchemie beobachtet werden. Die Generierung von 25e ist ein
reversibler Prozeß, da bei UV-Belichtung (λ = 375 – 450 nm) die partielle Rückbildung
von 1e und freiem CO festgestellt werden konnte.
Mit PH3 reagiert 1e thermisch ebenfalls zu einem Säure-Base Komplex. Durch die
Matrixisolation von 28e ist damit die erste IR-spektroskopische Charakterisierung eines
6
Zusammenfassung
Silylen-PR3 Addukts gelungen. Anschließende Photolyse mit UV-Licht (λ = 375 – 450
nm) resultiert in einer P-H Insertion unter der Bildung von Methyl(phenyl)phosphinosilan
29e.
..
Ph
- CO, λ = 375
CH3
- 450 nm
1e
..
Ph
C
CH3
O
25e
H
P H
Si
H
Ph
CH3
28e
Ar, 35 K
CH3
Si
..
+ PH3
Si
Ph
..
+ CO, 35 K
Si
1e
λ = 350
- 450 nm
H
PH2
Si
Ph
CH3
29e
Reaktion von Methyl(phenyl)silylen 1e mit CO und PH3 in Argonmatrizes.
Schema 2.4
DFT-Rechnungen bestätigen für beide Systeme die experimentellen Ergebnisse und
sagen
jeweils
für
die
Thermochemie
schwach
exotherme
Reaktionen
ohne
Aktivierungsbarriere voraus.
Schließlich wurden auch die nukleophilen Eigenschaften von Silylen 1e durch die
Reaktion mit BF3 bzw. CO2 untersucht. Während viele Carbene mit CO2 α-Lactone
bilden, zeigt matrixisoliertes 1e gegenüber diesem Molekül keine Reaktivität
(Schema 2.5).
..
Si
Ph
1e
+ CO2
Ar, 35 K
CH3
+ BF3
Ar, 35 K
Si ..
+ BF3
Ar, 35 K
O
O
C
?
1r
Si
Ph
CH3
34e
Schema 2.5
Reaktion von Methyl(phenyl)silylen 1e mit CO2 und BF3 bzw. Dekamethylsilicocen
1r mit BF3 in Argonmatrizes.
Zusammenfassung
7
Mit BF3 hingegen konnte reproduzierbar eine Umsetzung festgestellt werden, doch ist
bisher keine definitive Aussage über das Produkt möglich. Als Referenzsystem wurde das
nukleophile Dekamethylsilicocen 1r eingesetzt, daß aber in Argonmatrizes gegenüber
BF3 chemisch inaktiv ist.
2.2
Pyrolyse von Triphosphanylsilanen
In Zusammenarbeit mit der Arbeitgruppe von Prof. Drieß wurde die Thermochemie
der drei substituierten Triphosphanylsilane 44b, 44c und 44i mittels zweier unterschiedlicher Pyrolysetechniken untersucht. Die Edukte sind potentielle Vorläufermoleküle für
reaktive
Intermediate,
da
unter
PH3-Abspaltung
die
korrespondierenden
Silanphosphimine 38 und Silaphosphanitrile 40 gebildet werden könnten (Schema 2.6).
R
R
Si PH
2
PH2
44
∆T
- PH3
H2P
Si
P
R
P
40
∆T
PH2
Si
b R = Me
c R = Et
i R=F
- PH3
H
.. Si
38
P
R
42
Schema 2.6
Potentielle Darstellung der reaktiven Spezies 38 und 40 aus Triphosphanylsilanen.
Im Hinblick auf eine Generierung der bisher unbekannten Si-P Dreifachbindungssysteme
40 scheint das fluorierte Silan besonders geeignet, da 40i gemäß theoretischer
Berechnungen rund 20 kcal mol-1 stabiler als sein Isomer 42i ist und zudem beide
Moleküle durch eine deutliche Energiebarriere voneinander getrennt werden.
Die Blitzvakuumpyrolysen mit massenspektroskopischer Detektion ergeben keine
Hinweise auf reaktive Zwischenstufen. Als Produkte entstehen bei allen drei untersuchten
Triphosphanylsilanen H2, PH3 und elementarer Phosphor in Form von P2 und P4 (Schema
2.7).
Die
Ethylverbindung
44c
liefert
zusätzlich
Ethen,
methylsubstituierte Derivat 44b Methylradikale nachweisbar sind.
während
für
das
8
Zusammenfassung
PH2
∆T
konv.
R Si PH
2
PH2
44
H2 + PH3 + P2 + P4 + H2C
CH2 + . CH3
R = Et
R = Me
Produkte der Blitzvakuumpyrolysen von 44b, 44c und 44i.
Schema 2.7
Die pulspyrolytischen Experimente mit Matrix-IR Kopplung liefern hingegen keine
einheitlichen Ergebnisse. Während die Produktbildung der konventionellen Pyrolyse für
44c bestätigt werden kann, entstehen bei den Untersuchungen des Fluorderivats 44i
gemäß Schema 2.8 Verbindungen (SiF2, SiO und HF), die auf bimolekulare Reaktionen
und
Si-F
Bindungsspaltung
schließen
lassen,
aber
ebenfalls
keine
Si-P
Mehrfachbindungssysteme.
PH2
F
Si PH
2
PH2
∆T
Pulspyrolyse
HF + SiO + SiF2 + wenig PH3
44i
PH2
H3C
Si PH
2
PH2
∆T
Pulspyrolyse
PH3 + SiO + CH4 + ?
44b
Schema 2.8
Produkte der Pulspyrolysen von 44i und 44b.
Im Gegensatz dazu liefern die Pulspyrolysen der Methylverbindung 44b neben PH3, SiO
und CH4 eine oder mehrere reaktive Spezies, dessen Strukturen allerdings nicht
aufgeklärt werden konnten. Die Bildung von 38b und 40b ist nicht eindeutig
auszuschließen, erscheint jedoch anhand der simulierten IR-Spektren dieser Moleküle
eher unwahrscheinlich.
2.3
Photochemie von 1,3-Diazido-1,3-disilacyclobutanen
Die Verbindungsklasse der 1,3-Diazido-1,3-disilacyclobutane 52 stellen potentielle
Vorstufen zur Erzeugung der bisher unbekannten tetracyclischen Bissilanimine 54 dar,
die zwei isolierte Si=N Doppelbindungen enthalten. Das im Rahmen dieser Studie
Zusammenfassung
9
hergestellte Dimethylderivat 52b liefert unter Matrixisolationsbedingungen nach
Photolyse mit λ = 254 nm mindestens zwei neue Photoprodukte, von denen eines
vorläufig den cis/trans-Isomeren von 1,3-N,N’-(Diimino)-1,3-disilacyclobutan 60
zugeordnet werden kann (Schema 2.9).
N3
H3C
Si
Si
N3
CH3
λ = 254 nm
Ar, 10 K
.
N.
H3C
.N
.
Si
Si
?
CH3
53b
52b
2x
[1,2]-CH3
H3C
N
Si
Si
54b
Schema 2.9
N
CH3
2x
[1,3]-H
H
H2C N
Si
Si
H
N CH2
60
Photochemie von 1,3-Diazido-1,3-dimethyl-1,3-disilacyclobutan 52b in Argon-
matrizes.
Für die Bildung des gewünschten Bissilanimins 54b gibt es keine direkten Hinweise,
doch könnte diese Spezies als photolabiles Intermediat entstehen, das durch zweifache
1,3-Wasserstoffverschiebung zum beobachteten Hauptprodukt 60 isomerisiert.
Die Strukturen weiterer Produkte sind bisher unbekannt. Aufgrund theoretischer
Untersuchungen zahlreicher Isomere von 53b und der allgemeinen geringen Selektivität
bei Umlagerungen von Silylnitrenen ist die Bildung von einer oder mehreren
Verbindungen wahrscheinlich, die durch Ringerweiterung entstanden sind.
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