HERZLICH WILLKOMMEN Dr. Claudia Gärtner THEODOR FLIEDNER STIFTUNG / LEITUNG FORSCHUNG „Es war schlimm und es ist vorbei – Bearbeitung von Traumafolgestörungen mit der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie (PITT)“ „Es war schlimm und es ist vorbei“ Bearbeitung von Traumafolgestörungen mit der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie PITT Dr. Claudia Gärtner Fliedner Krankenhaus Ratingen Patienten und Patientinnen mit traumatisch belastenden Biographien in der Akutversorgung • Viele unserer PatientInnen weisen in ihrer Biographie eine Vielzahl traumainduzierender Erlebnisse auf, die die Kategorien physische, sexualisierte und emotionale Gewalt umfassen und können daher als komplextraumatisiert bezeichnet werden. Dieser Umstand ist nur selten bis gar nicht in einer ICD-konformen Diagnose abbildbar. • Aufgrund der noch fehlenden Klassifikation als eigenständige Störung sowohl im ICD-10, als auch im überarbeiteten DSM-V bleibt diese Gruppe von PatientInnen diagnostisch immer noch namenlos und heimatlos und TherapeutInnen sind gezwungen, die zugehörigen Einzelsymptome unabhängig voneinander wie komorbide Störungsbilder zu kodieren. Komplexe psychische Traumata • Beinhalten ihrem Wesen gemäß und aufgrund des Zeitpunktes ihres Auftretens Extremformen traumatischer Belastung. • Lebensbedrohlich und mit körperlichen Verletzungen verbunden • Chronische Geschehnisse mit interpersonalem Charakter • Sie beeinträchtigen die Persönlichkeitsentwicklung und das Grundvertrauen der betroffenen Menschen in primären Beziehungen Komplexe Traumafolgestörungen beinhalten erheblich mehr, als der klassischen Traumadefinition entspricht Beinhalten oft eine Kombination andere Störungen und Symptome gemäß Achse I und Achse II (Persönlichkeit) Gesundheitliche Probleme nach Achse III Schwerwiegende psychosoziale Beeinträchtigungen nach Achse V Diagnostische Kriterien für PTBS im neuen DSM V deutlich erweitert aber keine eigenständige Diagnose der komplexen Traumafolgestörung aber eigenständige Diagnose im neuen ICD 11!! Die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie PITT nach Luise Reddemann Die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT) 3 Phasen: 1. Die Phase der Ichstärkung oder Stabilisierungsphase 2. Die Traumakonfrontationsphase 3. Die Integrationsphase Die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT) Wir behandeln Menschen mit einer Haltung, nicht mit einer Technik. Es geht um Würde- und Wachstumsorientierung, um das Interesse, dass ein Mensch erblühen kann, dass er in Kontakt kommt mit seinen Ressourcen und seinem wahren Kern. Die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT) • PITT versteht sich als angewandte Psychoanalyse mit Hilfe des „ego-state-Ansatzes” nach Federn und Watkins. • Auf die Beachtung des ÜbertragungsGegenübertragungsgeschehens wird Wert gelegt. • Die daraus resultierenden Erkenntnisse werden genutzt, die Patientin/den Patienten zu einem veränderten – imaginativen sowie handlungsorientierten – Umgang mit sich selbst anzuregen. Die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT) • Mitgefühl der Therapeutin/des Therapeuten und der Patientin/des Patienten für sich selbst im Sinne einer imaginativen Nachbeelterung nimmt einen zentralen Platz in der therapeutischen Arbeit ein. • Die therapeutische Haltung begründet sich aus einer phänomenologischen Sichtweise, einer Orientierung am Würdeprinzip nach Kant, sowie Prinzipien der buddhistischen Ethik (Achtsamkeit und Mitgefühl). Es gilt den Grundgedanken des beidäugigen Sehens von Leid, aber auch von Stärken, Fähigkeiten und Ressourcen Die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT) • Leitend ist auch das Konzept eines „heilen Kerns“ und daraus abgeleitet die Notwendigkeit der Unterstützung selbstregulativer Prozesse, also Resilienz- und Ressourcenorientierung. • So wird über das Medium einer hilfreichen Beziehung vor allem die Selbstbeziehung und Selbstberuhigungsfähigkeit betont und mittels Imagination angeregt, diese neu zu gestalten und seelische Wunden damit einer Heilung zuzuführen. Die Schwerpunkte in der Arbeit mit PITT • die Sicherheit spendende therapeutische Beziehung; • Ressourcen, Resilienz; • beidäugiges Sehen, daraus Pendeln zwischen Traumainhalten und stabilen, resilienten Inhalten; • Herzstück von PITT: Versorgung verletzter Anteile; • Selbstliebe, Trost, Mitgefühl; Die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT) • Es wird geklärt, worin die Traumatisierung bestanden hat. Eine detaillierte Befragung wird dem Patienten erspart, es reicht, wenn er/sie „eine Überschrift“ für das Erlebte finden kann. • Ergänzt werden soll die „Traumaanamnese“ stets von der Frage, „ „was hat zum Überleben geholfen (wer, was)?“ (Überlebenskunst). • Das sog. Traumatalking der Patienten untereinander soll unterbleiben. Die Patienten müssen über den Grund aufgeklärt werden: das beständige Wiederholen des Schreckens lässt diesen immer wieder neu durchleben und verfestigt Erinnerungsspuren. Hilfreich ist oft die Frage an den Patienten, „glauben sie, dass das ständige Erzählen und Sprechen über das Erfahrene hilfreich für sie ist“. • Es gibt naturgemäß „den Sog des Schlimmen“: negative Erfahrungen werden länger und tiefer erinnert (Evolutionsbedingt); daraus ergibt sich die Notwendigkeit daran zu arbeiten, das Gute festzuhalten und zu verankern. Stabilisierung Bereits in der Stabilisierungsphase geht es darum, ein Gegengewicht zu den inneren Schreckenswelten aufzubauen, um positive Emotionen wahrzunehmen und zu verankern, insbesondere eine Haltung von Mitgefühl mit sich selbst. Darüber wird die Entwicklung einer Selbstberuhigungsfähigkeit möglich Stabilisierung • Bei der Ressourcenaktivierung soll erst geschaut werden, was der Patient schon hat. Dieses gilt es dann, im Laufe der Behandlung zu mehren und bewusst zu machen. • Also: die Wahrnehmungsfähigkeit auf Seiten des Patienten stärken: was macht Freude; Fähigkeiten und Fertigkeiten; Stärken; gute Erfahrungen in der Biographie (Freudebiographie); • Imaginationen sind eine weitere Möglichkeit, mit Ressourcen in Kontakt zu kommen, bzw. diese auszubauen. • Auch hier macht es Sinn, auf bereits vorhandene hilfreiche Bilder der Patienten zurückzugreifen (Urlaub, Hobby, Interesse – und wenn er davon erzählt, erinnert er und Erinnern ist imaginieren). Über die Bilder der Patienten ins Gespräch kommen und darüber hilfreiche Bilder verankern, z.B. der Ort der Geborgenheit. Distanzierung und das BASC-Modell nach PITT Spricht der Patient über traumatische Erfahrungen, soll er zur weitest möglichen Distanzierung angeleitet werden, die Beschreibung anhand des BASK-Modell vorzunehmen. Das Ganze erfolgt in der 3. Person • Behaviour – Verhalten – was tut sie? • Affect – Gefühl – was fühlt sie? • Sensation – in welchem Körperteil ist das Gefühl besonders präsent? • Kognition – was denkt sie? Distanzierung • Zur Distanzierung des Schlimmen arbeiten wir mit dem „Inneren Beobachter“: • Einem Teil, der immer schon da war, der nur beobachtet, ohne zu urteilen oder sich zu verwickeln, der emotional nicht erlebend ist. • Die Distanzierung durch den inneren Beobachter hat zwei Funktionen: Genaues Wahrnehmen Schutz durch Distanz Distanzierung Eine andere, häufig benutzte Distanzierung ist die so genannte “Bildschirmtechnik“: • "Stellen Sie sich vor, dass Sie die Geschichte wie einen Film auf einem Bildschirm betrachten. Sie haben eine Fernbedienung, die es Ihnen ermöglicht, das Bild näher heranzuholen, größer zu machen, intensiver wahrzunehmen usw. • Spielen Sie mit diesen Möglichkeiten." • Der Patient erzählt die Geschichte in der 3. Person. • Wichtig ist, dass der Patient die Erfahrung macht, dass er die Kontrolle über die Bilder hat. Es geht darum, zu lernen mit der Fernbedienung umzugehen. Versorgung jüngerer, verletzter Ich-Anteile Sehr heftige Gefühle sind ein Anzeichen dafür, dass jüngere Ichs (verletzte Ichs) involviert sind und reagieren. Genau um diesen Teil sollten wir uns dann kümmern, der Therapeut gemeinsam mit dem erwachsenen Ich, so dass der Patient mehr und mehr lernen kann, diese Versorgung alleine zu schaffen: was hätte der Teil damals schon gebraucht? Das kann jetzt auf der imaginativen Ebene nachgeholt werden. Dabei ist die Wahrnehmung hilfreich: es ist vorbei. Deshalb kann der verletzte Teil aus der damaligen Situation herausgenommen und versorgt werden und schließlich am Ort der Geborgenheit verbleiben, versorgt mit ausreichenden Helferwesen. Versorgung jüngerer, verletzter Ich-Anteile Voraussetzung ist ein einigermaßen stabiles erwachsenes Ich. Es kann helfen - und ist oft erforderlich! - sich das kindliche Ich räumlich entfernt vorzustellen, ggf. auch auf einem Bildschirm. • • Die erwachsene Person stellt einen Kontakt mit dem jüngeren Ich her, es ist deutlich und erlebbar, dass es sich um zwei voneinander getrennte Wesen handelt. Ggfs. muss man die Fähigkeit zur Selbstdistanzierung erst erarbeiten Die erwachsene Person versichert dem jüngeren Ich, dass es um seinen Schmerz weiß und es versteht, d.h. sie zeigt Mitgefühl. Es hat sich als hilfreich erwiesen, das jüngere Ich einzuladen, sein erwachsenes Ich genau wahrzunehmen, zu erkennen, was dieses erwachsene Ich alles kann. Danach kann eine Erklärung erfolgen, dass jetzt eine andere Zeit ist, und dass diese andere Zeit viele Möglichkeiten bietet, die es damals nicht gab. Dies sollte ausführlich erklärt werden. Bei sehr kleinen Kindern muss dies erfahren werden, denn Erklärungen helfen weniger. Versorgung jüngerer, verletzter Ich-Anteile • • • • Das jüngere Ich aus der belastenden Szene herausholen. – Es kann auch sein, dass dies der 1. Schritt sein muss, d.h. das jüngere Ich muss sofort aus der belastenden Szene herausgeholt werden, vor allem bei massiven traumatischen Erfahrungen Das jüngere Ich an den Ort der Geborgenheit bringen, falls die erwachsene Person das nicht kann, dazu die Hilfe der Helferwesen oder idealer Eltern beanspruchen. Dem jüngeren Ich am Ort der Geborgenheit Trost und Unterstützung geben so viel wie es braucht. Alle Gefühle des Kindes sind in Ordnung, was auch immer, ebenso seine Reaktionen auf Gefühle. Abschließend Arbeit am Transfer in den Alltag: Was bedeutet es für den erwachsenen Menschen hinsichtlich seiner Kompetenz im Hier und Jetzt, wenn das jüngeres Ich jetzt in Sicherheit ist? Zur Imagination einladen, wie sich Situationen verändern, wenn ein jüngeres Ich gut versorgt ist. Was bedeutet es künftig für das problematische Verhalten, wenn dieser Teil in Sicherheit ist? Versorgung jüngerer, verletzter Ich-Anteile • Da es bei Verletzungen in der Kindheit, im familiären Umfeld zumeist viele verletzte Ichs gibt, hilft eine frühzeitige Imagination, dass alle verletzten Ichs, die im „Panoramablick“ zu erkennen sind (nicht detailliert), jeweils ein eigenes altersgerechtes Helferwesen bekommen und an einen guten Ort, dem Ort der Geborgenheit gebracht werden, wo es ihnen besser gehen kann, als in der belastenden Kindheit und Jugend. • Hierüber kann i.d.R. eine gewisse Absenkung des Arousals des Patienten erreicht werden. • In der Folge kann mit einzelnen verletzten Ichs genauer und individuell gearbeitet werden. Stabilisierung • Die so wichtige Versorgung von häufig zahlreichen verletzten jüngeren Ichs ist mehr als reine Stabilisierung. • Es beinhaltet bereits konfrontative Elemente in der Auseinandersetzung mit kindlich erfahrenem Leid, das aber bereits in der frühen Behandlungsphase, also der Stabilisierungsphase vom erwachsenen Ich zu leisten ist, so dass hierüber Kontrolle und Steuerungsfähigkeit von der Patientin oder dem Patienten erfahren werden kann, was gleichsam stabilisierend und stärkend wirkt. Stabilisierung • Die Selbstwirksamkeit, aber auch Selbstmitgefühl, das die PatientInnen in der Arbeit mit PITT über eine schonende und mitfühlende Versorgung innerer Kindanteile erfahren, führt letztendlich dazu, die Fähigkeit von eigener Kontrolle und Steuerung zu bemerken und unterbricht das das alte Muster eines Gefühls der Mangelhaftigkeit, Hilflosigkeit und Abhängigkeit. • Die Arbeit mit den jüngeren Anteilen führt auch zu der Erfahrung den Prozess steuern zu können und damit auch zu einer Verbesserung der Selbstregulationsfähigkeiten. KoKo Konfrontation bei Komplextraumatisierung – Eine qualitative Studie zur subjektiven Wahrnehmung konfrontativer Erfahrungen bei komplextraumatisierten PatientInnen Claudia Gärtner1, Martina Hahn2, Luise Reddemann3 Theodor Fliedner Stiftung, Fliedner Krankenhaus Ratingen 2 Psychotherapeutische Praxis, Neuss 3 Universität Klagenfurt 1 Helios Forschungsförderung grant-ID: 001860 KoKo Semistrukturierte Interviews mit anschließender kategorienbasierter inhaltsanalytischer Auswertung Auswahlkriterium: • (Komplexe) Traumafolgestörung • In ambulanter PITT-Therapie (streng nach Manual) • Ausreichende Stabilität Stichprobe: N=20 (♀= 18 /♂= 2 ) Alter Ø = 50 (Min= 30 Max = 68) F43.1 posttraumatische Belastungsstörung F43.2 Anpassungsstörungen DESNOS F48.0 Neurasthenie F48.1 Depersonalisations- und Derealisationssyndrom F45.4 anhaltende somatoforme Schmerzstörung F45.0 Somatisierungsstörung F45.9 somatoforme Störung nicht näher bez. F45.3 somatoforme autonome Funktionsstörung F44.0 dissoziative Amnesie F44.3 Trance- und Besessenheitszustände F44.7 dissoziative Störungen (Konversionsstörung) gemischt F44.9 dissoziative Störungen (Konversionsstörung) nicht näher bez. F40.01 Agoraphobie mit Panikstörung F41.0 Panikstörung F41.1 generalisierte Angststörung F 32.1 mittelgradige depressive Episode F33.1 rezidivierende depressive Störung gegenwärtig mittelgradige Episode F10.2 Abhängigkeitssyndrom Alkohol F10.24 gegenwärtiger Substanzgebrauch (Alkohol) gegenwärtige Abhängigkeit F50.1 Atypische Anorexia Nervosa F60.6 ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung 12 1 16 9 1 2 2 2 1 1 1 4 2 1 4 4 9 8 1 1 1 1 Begegnung mit jüngeren verletzten Anteilen Konfrontative Erfahrung mit körperlicher Abreaktion und Überflutung mit negativen Emotionen Verbesserung der Lebensqualität Ressourcenarbeit Erfahrung den Prozess steuern zu können und Verbesserung der Selbstregulationsfähigkeiten Erlernen von Distanzierungstechniken Selbstmitgefühl verbessert sich Versorgung der jüngeren verletzten Anteile Gefühl der Selbstwirksamkeit und Kontrolle Belastung nimmt ab Gärtner, Hahn, Reddemann (in Vorb.) Verletzende Anteile / Täterintrojekte • Den Schutzcharakter verstehen: Täterintrojekte entstehen zum Schutz, damit das Kind am Leben bleibt die Beziehung zu den Eltern muss geschützt werden, damit man am Leben bleibt • Entstehen immer in einer abhängigen Beziehung • Verletzende Anteile können identifizierbar mit einem Trauma in Verbindung gebracht werden • Den Anteil würdigen und eine Gestalt geben Den Anteil fragen: „Weißt Du wie alt ich bin?“ „Wie verändert sich das Leben, wenn der Anteil eine andere Aufgabe bekommt?“ Mit dem Anteil aushandeln, wie die Hilfe in Zukunft aussieht • Wenn die Patientin den Anteil vernichten möchte, haben wir das zu akzeptieren Drachentötermodell Konfrontation • Konfrontation ist nicht identisch mit Erzählen! • Es geht darum, dass bei einer Traumakonfrontation eine Auseinandersetzung en detail mit der traumatischen Erfahrung stattfinden soll. • Das bedeutet, dass die Patientin auch den Schmerz und alle belastenden Gefühle von damals noch einmal – mehr oder weniger heftig – erlebt • Dazu muss sie in der Lage sprich stabil genug sein. Keine Konfrontation bei bestehendem Täterkontakt!!!!!!!!! Kontraindikation für Konfrontation • Täterkontakt • Keine äußere Sicherheit • Psychose • Suizidalität • Schwere körperliche Erkrankung • Instabile psychosoziale Situation • Mangelnde Affekttoleranz • Anhaltende schwere Dissoziationsneigung • Unkontrolliertes autoaggressives Verhalten (an Täterkontakt bzw. Beeinflussung denken!) • Mangelnde Distanzierungsfähigkeit zum traumatischen Ereignis Konfrontation Wenn PatientInnen durch das Sprechen über traumatische Erfahrungen massiv unter Druck geraten, so dass einige Stunden oder auch unmittelbar danach Symptome entstehen wie Schneidedruck, Alkohol-und Medikamentenabusus, Intrusion, Flashbacks oder abendliche Erregungszustände, ist dies ein Hinweis darauf, dass traumatische Erfahrungen dissoziiert gespeichert wurden. In diesem Fall ist eine vertiefende Traumaexploration- oder gar Exposition kontraindiziert. Reddemann, 2015 Vorbereitung der Konfrontation • Treffen Sie die Entscheidung zur Konfrontation gemeinsam mit der Patientin (shared-decision making) • Die Patientin hat ein recht auf NEIN!! • Erklären Sie genau den Ablauf / die Technik (Beobachter/Bildschirm) • Üben Sie die Technik vorab an einem positiven Beispiel • Aufsuchen der traumatischen Situation in einem klar strukturierten Setting • Arbeiten Sie nur mit kurzen Sequenzen, legen Sie Anfang und Ende vorher fest. • Vereinbaren Sie ein Stopp-Signal – Stopp ist Stopp, ohne Rechtfertigungszwang!! Vorbereitung der Konfrontation • Legen Sie gemeinsam mit der Patientin fest, wie diese nach der konfrontativen Sitzung gut für sich sorgen kann. • Planen Sie ausreichend Zeit ein! Es ist sehr wichtig, dass Sie genügend Zeit haben der Patientin zu helfen, sich zu reorientieren und zu trösten (ca. 1/3 der Gesamtzeit) • Planen Sie kurzfristige Termine ein oder die Möglichkeit der Kontaktaufnahme (Email; Telefon, SMS…) Protokoll der Beobachter-Technik • • • • • • • • • • • Die traumatische Situation benennen Womit beginnt das belastende Ereignis, womit endet es, klären SUD klären Body-Check Die negative Kognition benennen Eine positive Kognition erarbeiten und mit der VoC-Skala einschätzen Merke: Wir bearbeiten immer einen „alten Film“, das Ereignis findet nicht jetzt statt. Klären, ob andere jüngere oder ältere Ichs von diesem Trauma betroffen sein könnten. Das geht am besten mit Hilfe der Vorstellung eines Lebenspanoramas oder auch einer Lebenslinie Alle erlebenden Teile an den sicheren Ort bringen, bzw. einladen, dorthin zu gehen. Auch das erlebende Ich von heute sollte an den sicheren Ort gehen. Ggf. bleibt das am Trauma beteiligte Ich weit entfernt dabei und schaut von weitem zu, z.B. vom sicheren Ort aus. Protokoll der Beobachter-Technik • Der beobachtende Teil und das handelnde – erzählende - Ich von heute arbeiten zusammen, d.h. der beobachtenden Teil berichtet dem erzählenden Ich von heute, was er beobachtet und zwar sowohl die Erfahrungen des Körpers, die Gedanken, die Bilder und die Gefühle (s. BASK-Modell. Z.B. „das Kind wird geschlagen, sein Rücken tut weh, ist traurig und verzweifelt und denkt, ich habe es verdient, usw.). • Die Therapeutin achtet darauf, dass alle Bereiche des seelischen Erlebens vom erwachsenen Ich von heute mit Hilfe des beobachtenden Teils wahrgenommen werden und fragt ggf. nach. • Die Therapeutin achtet darauf, dass alle erlebenden Teile in Sicherheit bleiben. Sollte das nicht der Fall sein, bemerkt man es meist an der Physiologie (Angstzeichen) und sollte es ansprechen und behilflich sein, dass erlebende Teile wieder in Sicherheit gebracht werden. Trostphase • Wenn das Trauma durchgearbeitet erscheint, klären, ob das Trauma wirklich „ganz“ durchgearbeitet ist • Und erst dann fragen, was das verletzte jüngere Ich jetzt braucht, das es damals gebraucht hätte und von wem dies gegeben werden kann (Ich von heute, Helfer, ideale Eltern). Die Bedürfnisse des verletzten Ich werden imaginativ befriedigt. Zeit lassen! • Noch in derselben Sitzung oder in der folgenden Grad der Belastung erneut einschätzen. Es sollte wenigstens eine Verbesserung um einen Punkt erfolgt sein.- Nicht selten geht die Belastung stark zurück. Bei chronisch Traumatisierten kann man das allerdings in der Regel nicht erwarten, es sei denn es wäre das letzte Trauma. Ebenso die Kognitionen klären und erneuter body-check. Nach der Konfrontation • Stellen Sie sicher, dass die Patientin wieder im Hier-und-Jetzt ist, helfen Sie ggf. bei der Reorientierung • Überprüfen Sie , dass die Patientin weiß: Das war damals, ich habe überlebt, es ist vorbei!!! • Nach der traumatischen Erfahrung ist es besonders heilsam, wenn die Betroffenen Trost und Mitgefühl erfahren (Luise Reddemann, 2012) „Es ist Aufgabe des Arztes manchmal zu heilen, oft zu lindern und immer zu trösten“ (Eckard Nagel, 2010) Trauern und Neuorientierung (Integration) • • • • • Der Trauer eine Gestalt und Raum geben Die Grenzen akzeptieren Die Folgen des Grauens erkennen, benennen und durcharbeiten Veränderungen im Umgang mit sich selbst und in Beziehungen erproben (Beziehungs-)Konflikte rücken in den Vordergrund Seien Sie als TherapeutIn offen für die Lebenslösungen Ihrer PatientInnen, die völlig anders sind, als Sie es sich vorstellen können. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!