Kohl und Kraut : eine Kulturgeschichte Autor(en): Kobel, Fritz Objekttyp: Article Zeitschrift: Du : die Zeitschrift der Kultur Band (Jahr): 58 (1998) Heft 11: Das Kohl : das Kraut : ein Manifest PDF erstellt am: 20.10.2017 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-300088 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. 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Wie der rest¬ lichen Schöpfung ist auch die Wissenschaft den Geheimnissen von Kohl und Kraut auf der Spur. Lang ist die Kunst und das Leben kurz. Wollen wir darob verzagen* Dagegen wirkt der Kohl Wunder. HERKUNFT war die Bezeichnung des Kohls in römischer Zeit, und «Olitor» nannte man diejenigen, die ihn anbauten. Meistens waren die Olitores Sklaven der reichen Grossgrundbesitzer, wobei man sich ihr Schicksal nicht allzu hart vorstellen darf, im Gegenteil. Ein guter Olitor war ein gesuchter Mann und konnte für sehr viel Geld an andere Wohlhabende weitergege¬ ben werden. Die dabei erzielten Summen können ohne weiteres mit den heute aktu¬ ellen Transfergeldem für Fussballstars ver¬ glichen werden. Olus «Caulis» war ein anderer Name dieser wichtigen Nutzpflanze zu Zeiten der Rö¬ mer. Diese Bezeichnung lebt weiter im deutschen «Kohl», im englischen «Cole», im holländischen «Kool» und im französichen «Chou». Auch aus seinem keltischen Wortstamm «Kap» leiten sich heutige Völksnamen ab: «Kabis» im deutschen und «Cabbage» im englischen Sprachbereich. Diese Namen verraten die Herkunft der Kohlgewächse. Einerseits stammen sie ab von Wildpflanzen, die im mediterranen Küstenbereich zu Hause sind, von der Ägäis bis nach Ligurien, anderseits aus Westeuropa, den Atlantikküsten zwischen der Biskaya und Helgoland, in beiden Ge¬ bieten vorwiegend an Küstenfelsen. Der botanische Name dieser Art lautet Brassica oleracea. Brassica oleracea ist eine sehr formen¬ reiche Gesellschaft. Die morphologischen und physiologischen Unterschiede sind so gross, dass verschiedene Botaniker die Art unterteilen und vor allem den mediterra¬ nen Sippen eigene Namen geben, unter anderen Brassica eretica für die östlichen, Brassica rupestris für die italienischen und Brassica montana für die ligurischen Stämme. Da jedoch alle diese Formen den¬ selben Chromosomensatz 2n 28 haben, unter sich bastardieren und vollständig fruchtbare Nachkommen ergeben, ist eine Unterteilung nicht unbedingt nötig. Die Formenvielfalt der Wildart ist Ursache der mannigfaltigen Nutzpflanzen, die sich aus ihr ableiten. Als der Mensch vom nomadischen Sammler zum sesshaften Ackerbauer wurde, hat er jeweils diejenigen Typen ausgelesen, die ihm am nützlichsten waren. Durch die ständige Bastardierung und die Auslese der geeignetsten Nach¬ kommen haben sich im Verlauf der Jahr¬ hunderte die heutigen Formen stabilisiert, lange bevor mit der systematischen Ge¬ müsezüchtung begonnen wurde. Aus den im östlichen Mittelmeer be¬ heimateten Formen (Brassica eretica), die mehrjährige Pflanzen sind, welche jedoch bereits im Jahr der Aussaat Blütenstände anlegen, entstanden diejenigen Typen, bei denen die jungen Blütenstände konsu¬ miert werden, der Broccoli und die davon abstammenden Blumenkohle. Aus den in Italien vorherrschenden Formen (Brassica rupestris) mit ihrer Neigung, die Spross¬ achse als Speicherorgan zu verdicken, ent¬ wickelten sich der Markstammkohl und der durch Verkürzung der Sprossachse her¬ vorgegangene Kohlrabi. Die atlantischen Formen (Brassica oleracea) zeichnen sich durch ihre glatten Blätter und ihre Mehr¬ jährigkeit aus. Sie sind die Stammformen, aus denen die Blattkohle und nach Ver¬ kürzung der Achse und Kopfbildung die Kopfkohlarten selektioniert worden sind. Auch der krausblättrige Federkohl und der Wirz sind daraus entstanden. Alle diese Annahmen basieren auf ein¬ gehenden morphologischen und physio¬ logischen Untersuchungen. Die moderne Genanalytik wäre wohl ein Hilfsmittel, Ge¬ naueres über die Herkunft und Entstehung der Kohlarten zu erarbeiten. 28 Aus prähistorischen Zeiten sind keine eindeutigen Belege über den Anbau von Kohlarten vorhanden. Die wenigen Samenftmde aus Ausgrabungen lassen sich nicht genügend genau identifizieren. Erst die schriftlichen Aufzeichnungen der Grie¬ chen und Römer sind Quellen, aus denen wir schöpfen können. In Griechenland erwähnt Theophrast im 4. vorchristlichen Jahrhundert, dass der Kohl in drei Arten zerfalle: krausblättrigen, glattblättrigen und wilden, dessen Blätter klein seien und der viele Blütentriebe aufweise; der Saft sei scharf und als Arznei beliebt. Sehr ergiebig sind die Quellen des römischen Altertums, von Cato um 250 v.Chr. bis Plinius und Columella (ca. 50 n.Chr.). An Formen gab es: den Stengelkohl, der bereits verdickte und verkürzte Strünke aufwies und dem¬ nach dem Kohlrabi glich; 2. einen Sprossenkohl mit zahlreichen Seitentrieben, die immer wieder geschnit¬ ten wurden, eine Form, die es heute nicht 1. mehr gibt; 3. unverzweigte hohe Formen mit krau¬ sen Blättern, entprechend unserem Feder¬ kohl; 4. einen niedrigen Kohl mit breiten, ausgebreiteten Blättern, die jedoch noch keinen Kopf bildeten; 5. den Broccoli, eine Form, bei der die jungen Blütenstände geemtet wurden. Das Kohlsortiment der Römer war demnach schon weit entwickelt und nur wenig vom heutigen abweichend. Nördlich der Alpen fliessen die Quellen spärlicher. Sie stammen aus Klöstern und Anbauverzeichnissen (Capitularen) um 800 n.Chr. Daneben liegen schriftliche Aufzeichnungen Hildegards von Bingen und von Albertus Magnus aus dem frühen 13. Jahrhundert vor. Der berühmte Klosterplan von St. Gallen (820 n.Chr.) weist unter den 18 Beeten für Kräuter und Gemüse eines für Kohl, genannt «Caulas», auf. In den Capitularen Karls des Grossen, bei Hildegard von Bingen und Albertus Magnus finden sich die Bezeichnungen Caulis und Kappus, also wohl Stengelkohl und Kopfkohl. Von Hildegard wird auch rotfarbiger Caulis erwähnt. Das Sortiment ist demnach ärmer als das römische, dafür treten als neue Kulturmerkmale die Kopf- bildung und die rote Farbe erstmals auf. Die spärlichen Nachrichten aus dem Mit¬ telalter können auch darauf zurückzu¬ fuhren sein, dass Kohlarten sehr verbreitet und gewöhnlich waren und deshalb der Erwähnung nicht bedurften. rang; die neueren Sorten holen in dieser Beziehung auf. Ein wichtiges Züchtungs¬ ziel sind zur Zeit Resistenzen gegen zahl¬ reiche Krankheiten und Schädlinge. Ob mit den modernsten Methoden der Gen¬ technologie und des Gentransfers weitere Fortschritte zu erzielen sind, wird die Zu¬ Zu Beginn der Neuzeit, mit dem Auf¬ kommen des Buchdrucks, wurden die Berichte über die Kohlarten nördlich der Alpen ausserordentlich zahlreich. Es sind vor allem die im 16. Jahrhundert veröf¬ fentlichten Kräuterbücher, die uns Aus¬ kunft zeigen. kunft über die damaligen Gärten geben. Weil alle diese Bücher mit schönen Holz¬ schnitten versehen sind, hat man auch ge¬ naue Auskunft über das Aussehen der damaligen Kulturformen. Die Reihe der Verfasser begann mit Otto Brunfels 1532. Es folgten Leonhard Fuchs, Hieronymus Bock, R. Dodonaeus, J. Camerarius, P. A. Matthiolus, J. Dalechamp, R. und J.Th. Tabernaemontanus, alle in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Diese Kräu¬ terbücher sind sehr umfangreich und sowohl gestalterisch wie inhaltlich recht ähnlich und wohl öfters voneinander ab¬ geschrieben und umgestaltet. Ein copyright existierte damals noch nicht. Der Haupt¬ inhalt aller Kräuterbücher ist die medizi¬ nische Verwendung von Pflanzen, zu einer Zeit, als diese die einzigen Heilmittel wa¬ ren. Gegen alle Krankheiten, und es waren deren ungeheuer viele und heute kaum mehr verbreitete, war nach damaliger Auf¬ fassung «ein Kraut gewachsen», und Sache der kräuterkundigen Verfasser war es, das Wissen unter das Volk zu bringen. Die Kräuterbücher waren sehr weit verbreitet; originale Exemplare davon werden noch heute in traditionsbewussten Bauernfami¬ lien gehütet. Über die folgenden Jahrhunderte fin¬ den wir eine Unmenge von Angaben über die Kohlarten, vorwiegend in den soge¬ nannten Hausbüchern, später auch nach dem Aufkommen eines organisierten Gemüsesamenhandels in den Samenkata¬ logen. Als neue Variante trat im 18. Jahr¬ hundert der Rosenkohl auf, vermudich zuerst in Belgien. Wie und aus welchen Stammformen er entstanden ist, bedarf noch genauerer Abklärung. Die Samen¬ händlerwaren die ersten, die mit bewusster und systematischer Selektionszüchtung begannen, lange bevor die Gesetze der Ver¬ erbungslehre bekannt waren. Durch ihre Tätigkeit vereinheidichten sich die Kohl¬ typen, und man begann eigentliche Sor¬ tennamen zu verwenden. In den letzten Jahrzehnten wurde die FpHybridzüchtung zum bevorzugten Werkzeug der Züchtungsinstitute, die im¬ mer einheitlichere und ertragreichere Sor¬ ten hervorbrachten. Vorerst vermochten die geschmacklichen Qualitäten nicht im¬ mer Schritt zu halten mit der Ertragssteige¬ f.P m% ums SS f. 's -sAAr -S'-r Sft'7À*ï| Bis weit in unser Jahrhundert hinein waren die Kohlarten für die Ernährung enorm wichtig. Seit dem frühen Mittelalter waren besonders der Weiss- und der Rotkohl für das Überleben und die Gesundheit überall dort unentbehrlich, wo aus klimatischen Gründen im Winter keine frische Gemüse¬ nahrang erhältlich war. Der Kabis konnte im Keller oder in besonderen Mieten im Freiland über Winter gelagert werden und stand damit bis im Frühjahr für den Kon¬ sum zur Verfügung. Auch liess sich daraus das haltbare Sauerkraut herstellen, wobei die wertvollen Inhaltsstoffe erhalten blie¬ ben. Einlagern und Einsäuern waren in der «guten alten Zeit» neben dem Dörren die einzigen Konservierungsmethoden für das Gemüse, und sie brauchten keine Fremd¬ ¦üS «fa> Krauser Kohl (Grünkohl). Holzschnitt aus dem Kräuterbuch von teonhart Fuchs (1543). Xappees -vn V atfo ¦ii- vn k energie. Erst seit wenigen Jahrzehnten sind sie vom energieaufwendigen Kühllagern, Eindosen und Tiefgefrieren weitgehend verdrängt worden. Wie wichtig die Kohlarten waren, geht auch aus dem Wort «Chabisplätz» hervor, wie der bäuerliche Gemüsepflanzgarten allgemein genannt wurde. Wenn Gotthelfs «Käthi, die Grossmutter» in ihrem Chabis¬ plätz arbeitete, pflegte sie sicher nicht nur Kohlgemüse; auch eine grosse Zahl an¬ derer Gemüsearten war darin vertreten, flächenmässig wohl wesentlich mehr, als die Kabisbeete ausmachten. Der Name aber ist bis in unsere Zeit hinein im bäuer¬ lichen Gemüsebau erhalten geblieben. Kabisanbau war in früheren Jahrhun¬ derten nicht nur den Bauern vorbehalten. Einen erwerbsmässigen Gemüsebau im heutigen Sinne gab es damals noch nicht, und Gemüseimporte waren wegen der schlechten Transportmöglichkeiten unbe¬ kannt. Um so wichtiger war die Selbstver¬ sorgung der Dorfbewohner und Städter. Wenn wir alte Stadtpläne und Dorfansich¬ ten betrachten, fallen einem die grossen Gartenflächen mitten im Stadt- oder Dorf¬ gebiet oder unmittelbar an den Siedlungs¬ rändern auf. Sicher waren die Kohlarten in diesen Gärten prominent vertreten. Im Zweiten Weltkrieg erlebte der Ka¬ bisbau in der Schweiz einen Aufschwung, nachdem er in der Zwischenkriegszeit mehr und mehr zurückgegangen war. Die Energieverknappung und die stark redu¬ zierten Importe liessen diese uralte Ge¬ müseart, die auch je Flächeneinheit recht viele Kalorien produziert, wieder aufleben. Im Mehranbau gemäss «Plan Wahlen» spielten die Kohlarten eine grosse Rolle. 29 Kopfkohl. Holzschnitt aus dem Kräuterbuch von Otto Brunfels (1532). A WW'S >^ »WW-fft yXr H fìflf il»/ SI mm s^m ses» *» y?. r y- N*sgü £&& Kohlrabi. Holzschnitt aus dem Kräuterbuch von Joachim Camerarius (15S6). ?y y f %#$ ¦>; ^PrJ/ %!^w¥ Blumenkohl. Holzschnitt aus dem Kräuterbuch von Joachim Camerarius (1586). Zur Zeit beanspruchen die Kopfkohl¬ arten als Lagergut und zum Einsäuern in der Schweiz immer kleinere Anbau¬ flächen. Viel wichtiger sind die Kohlarten für den Frischmarkt geworden, Kohlrabi, Broccoli und Blumenkohl; der Rosenkohl ist ebenfalls eher im Aufschwung. In den Haus- und Schrebergärten sieht man die¬ selbe Tendenz. Die heutigen Keller eignen sich meist sehr schlecht zum Einlagern, und selbst Sauerkraut herzustellen ist nicht aktuell. Nur eine allfällige Notzeit mit Im¬ portsperren, Nahrungsmittel- und Energie¬ mangel könnte dem Kabis seine frühere Bedeutung zurückbringen. HEILMITTEL «Ehe das die Arzet ins Römisch Reich kom¬ men /haben sich die Römer sechs hundertjar mit Kölkreutteren beholfen dermassen das kein kranckheit je war under dem Volck welcher nit mit Kölkraut begegnet und ge- / / / holffen ist worden des hat man glaubwür¬ dige zeugnuss und Schrijft inn M. Catone.» Mit diesen Worten beginnt Hieronymus Bock in seinem Kreutterbuch (Auflage von 1577) den Abschnitt über die Kohlarten im Kapitel Von der kreutter Underscheid/ Namen und Würckung Theil. Sein Wissen um die Heilwirkung der Kräuter schöpfte Bock wie alle Autoren II von Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts vor allem aus den antiken Schriften der Ärzte Hippokrates um 400 v. Chr. und Galenus um 150 n.Chr. Auch die römischen Naturwissenschaftler Marcus Portius Cato und Gaius Plinius der Ältere werden regel¬ mässig zitiert, ferner verschiedene Heil¬ kundige aus dem arabischen Kulturkreis. Ihre Werke hatten in den mittelalterlichen Klöstern überlebt, wo sie kaum gelesen wurden. Erst die Renaissance erweckte sie wieder zum Leben, und ihre Wirkung auf die Wissenschaft der frühen Neuzeit war ungeheuer. Sie waren die grossen Auto¬ ritäten, deren Aussagen nie widersprochen wurde. Die Kräuterbücher geben auch Auskunft über die zahllosen Krankheiten und Ver¬ letzungen, welche die Menschheit in der «guten alten Zeit» heimsuchten. Vom Kohlkraut, innerlich oder äusserlich an¬ gewendet, versprach man sich folgende Heilwirkungen. Das Zitat stammt aus Hieronymus Bock und ist ins heutige Deutsch übersetzt. kräftiger. Andere Tugenden findet man bei Cato und Plinius. Hippokrates befiehlt, man solle Kohl zweimal gekocht den bauchflüssigen Men¬ schen und den an roter Ruhr erkrankten zu essen geben. Saft aus dem rohen, ungekochten Kohl ge¬ presst und mit Salz vermischt getrunken er¬ weicht den Stuhlgang. Kohl aus Essig roh gegessen ist dem Milz- Erstens ist das Gemüse gut für den blöden, schwachen Magen. Es hilft der Verdauung, lässt den Bauch nicht erhärten, fördert den Harn und führt ihn ab, die Galle und die zähen, aufsteigenden Flüsse, wovon die Au¬ süchtigen gut. Gegen die giftigen Pilze koche man Kohl¬ kräuter und esse sie oder trinke den Saft, aus gen dunkel werden. viel Milch. Wennjemandvon einer Schlange gebissen wird, siede er Kohlkraut mit Wein und trinke ihn warm; er wird vor dem Gift sicher sein. Dieselbe Wirkung hat auch der Samen, mit Sauerkohl ist gutfür den hitzigen Magen, darum sollen ihn die essen, die stets schwere Arbeit leisten. Er bekommt auch den Milz¬ süchtigen wohl, regt den Appetit an und löscht den Durst. Wein getrunken. Wenn jemand an Magengelbsucht leidet, nehme er die obersten Blattaustriebe und erwelle sie kurz in heissem Wasser, stosse die Blätter und drücke den Saft durch ein Tuch. Er nehme am Morgen ein ziemliches Gläs¬ mit etwas Salz und römi¬ Kümmel undfaste ungefähr drei oder vier Stunden. Das purgiert wunderbar, sagt chen dieses Saftes schem Cato. Dioskorides empfiehlt den Saft aus rohem Kohl gepresst mit Salpeter und gestossener Violwurzel zu diesem Zweck. Kohlkraut gesotten mit einem alten Hahn und die Brühe getrunken stillt die Kolik und andere Bauchgrimmen. Eine nützliche Nah¬ rung bei Lendenstein, ebenso für leber- und milzsüchtige Menschen. Wenn sich jemand wegen des Trunkes sorgt, esse er zwei oder drei Kohlblätter roh mit Salz und Essig vor und nach dem Essen. Er kann sicher sein, dass ihm der Wein nicht scha¬ det, auch wenn er zuviel davon genossen hat. Denen, welchen das Gliederweh und die Podagra Gefährten sind, sollen sich zum Kohl gesellen und ihn nicht nur zur Speise ge¬ brauchen, sondern damit purgieren, wie oben gesagt ist. Wenn man Rauten- und Korian¬ dersamen dazu tut, wird die Arznei um so rohen Blättern gepresst. Kohl in der Nahrung gebraucht macht Die Blätter dem Haupt aufgelegt behalten das Haar, das auszufallen beginnt. Kohlkraut zerstossen und gemischt mit Foenum graecum und Essig stillt als Um¬ schlag die Schmerzen des Podagras. Der Harn von einem Menschen, der ei¬ nige Tage lang Kohlkräuter gegessen hat, ist zum obigen Gebresten sehr nützlich. Er heilt Fisteln, Krebs, Wolf, Flechten, Zittermäler und alles Unreine der Haut. Cato sagt, man solle die jungen Kinder mit dem Harn waschen; es verschont sie vor vielen Krankheiten. Kohlsamen mit Violwurzsaft zerstossen und aufgetragen tilgt die Flecken im Gesicht. Kohlblätter mit Essig und ein wenig Alaun zerstossen und nach dem Bad die Räude damit bestrichen, es hilft. Kohlblätter samt den Samen zerstossen und über die Bisse tollwütiger Hunde gelegt, hilft. Der Saft in die Nase getropft reinigt das Haupt. Der Saft mit Wein vermischt und lau¬ warm in die Ohren getan bringt das Gehör. Wilde Kohlkräuter mit altem Schmalz zer¬ stossen, als Pflaster aufein Tuch gestrichen und es Kohlrabi, Oberkohlrabi, Rübkohl (Brassica oleracea var. gongylodes) Va' S r & ^m f/ Battili 6 Delikatess weisser è $< ¦ !J Delikatess blauer Y Blaro Lanro 30 ^ « a -«•w; * SxX * i \ Superschmelz aufgelegt heilt allerlei Geschwülste und Seiten¬ stechen und ist auch gutfür das Podagra. Asche aus Kabis- und Kohlstengeln ge¬ brannt und mit Schweineschmalz vermischt trocknet alle fliessenden Schäden, sagt Galenus. Tatsächlich löscht eine Lauge aus Kohl¬ aschen, bereitet den kalten Brand, das wilde Feuer und anderes. Es ist ein wunderbarfei¬ nes, sicheres Experiment. und Geschwüre ein Gegen alte Schäden Experiment: Nimm Kohlkräuter im ausge¬ henden Heumonat, entferne die Mittelrip¬ pen, koche die Blätter in weissem Wein und wasche die Schenkel in der Brühe, danach lege die Blätter warm auf. es mildert die Schmer¬ zen und heilt sanft. Tücher getränkt mit der Brühe des Sauer¬ kohls löschen als Umschlag kräftig den Brand; dies ist ein besonderes Experiment. Eine ganz wichtige Rolle spielte in der Folge der Sauerkohl als Heilmittel gegen den Skorbut. Diese Vitamin-C-Mangelkrankheit befiel vor allem die Seeleute auf den monatelangen Fahrten über die Weltmeere, weil sie kein frisches Obst und Gemüse zur Verfügung hatten. Das Einsäuern konserviert das lebenswichtige Vitamin des Kohls. Sauerkohl wurde zum Standardproviant auf den Segelschiffen. Die grossen Entdeckungsfahrten und das Aufkommen des Welthandels sind ohne Sauerkohl kaum denkbar. Der Glaube an die Heilwirkung des Kohls hat seit dem 16. Jahrhundert zunehmend nachgelassen. Das Grosse Kräuterbuch von Johann Künzle, dem Kräuterpfarrer, das 1945 erstmals erschien und etwa zwei Dut¬ zend Auflagen erlebte, erwähnt ihn bereits nicht mehr. In anderen zeitgenössischen Werken über Heilpflanzen gelten dagegen noch zwei der früheren Anwendungsfor¬ men als wissenschaftlich erprobt und wer¬ den weiterhin empfohlen, nämlich: 1. Krautwickel fur schlecht heilende Wunden, Geschwüre und gichtartige Glie¬ derschmerzen. Dazu werden Kohlblätter roh mit dem Wallholz gewalkt, den zu hei¬ lenden Stellen aufgelegt, mit Mullbinden eingebunden und etwa 12 Stunden einwir¬ ken gelassen. 2. Presssaft aus rohem Weisskohl als Mittel gegen Magen- und Zwölffinger¬ darmgeschwüre. Pro Tag soll ein Liter die¬ ses Saftes in mehreren Portionen einge¬ nommen werden. Eine Heilung ist nach zwei bis drei Wochen zu erwarten. In jüngster Zeit wird vermehrt Wert auf eine gesunde, obst- und gemüsereiche Nahrang gelegt. In einem 1998 im Süd¬ westverlag erschienenen Buch von K Oberbeil und Ch. Lentz, Heilen mit Obst und Gemüse, nehmen die Kohlarten wie¬ der eine sehr prominente Stellung ein. Be¬ handelt werden die im jetzigen Anbau ver¬ breiteten Formen Blumenkohl, Broccoli, Grünkohl, Rosenkohl, Rot- und Weiss¬ kohl, wobei die wichtigsten Inhaltsstoffe und die gesundheitliche Wirkung aufgeli¬ Die Heilwirkungen des Kohls sind in diesem neuen Werk eher reichhaltiger als diejenigen der alten Kräuterbücher. Dass beispielsweise der Weisskohl «tüchtig zum ehelichen Werk» macht, wie er das zu um¬ schreiben pflegte, hat Bock nicht gewusst. Kohlarten sind demnach laut den er¬ wähnten Autoren äusserst gesunde Nah¬ rang, was durchaus mit der modernen Ernährungslehre übereinstimmt. Grün¬ kohl, Rosenkohl und Broccoli sind mit ihrem hohen Trockensubstanz-, Mineral¬ stoff und Vitamingehalt für eine gesunde Ernährung am meisten zu empfehlen. Auch die weniger gehaltreichen, Blumen¬ kohl, Kohlrabi und die Kopfkohlarten wei¬ sen jedoch immer noch derart hohe Ge¬ halte an Wertstoffen auf, dass sie für die gesunde Küche unentbehrlich sind stet sind. ANBAU Vom Blumenkohl wird zum Beispiel gesagt, er wirke entwässernd, helfe bei Nieren- und Blasenproblemen, unter¬ stütze Massnahmen zur Gewichtsab¬ nahme, helfe beim Aufbau einer üppigen Darmschleimhaut, sei wichtig für Zell¬ wachstum und -erneuemng, kurble die Blutbildung an, sorge für einen hohen Nährstoffgehalt in allen Körperzellen, kräftige das Immunsystem und beuge Infektionen wirksam vor, wirke blutdruck¬ senkend und beuge Dickdarmkrankheiten Ahnliche und weitere gesundheitliche Wirkungen werden von den andern Kohl¬ arten aufgeführt: der Broccoli soll unter anderem bei nervöser Unruhe, Reizbar¬ keit und Schlafstörungen helfen sowie Menstraationsbeschwerden beheben. Der Grünkohl wirke vitalisierend, verbessere die Stimmungslage und stoppe stressbe¬ dingte Alterangsprozesse. Der Rosenkohl sorge für glänzendes Haar, geschmeidige Haut und mehr Vitalität und Lebenskraft. Rot- und Weisskohl schliesslich sollen die Spermienbildung fördern und Potenz und Libido verstärken. Blumenkohl, Karfiol (Brassica oleracea var. asparagoides) (Brassica oleracea var. botrytis) -' J '¦¦¦¦,- DER KOHLRABI. Brassica oleracea var. gongylodes Die heutigen Formen des Kohlrabi ent¬ standen aus den in römischer Zeit an¬ gebauten hochstengeligen Typen, deren Stamm bereits keulig verdickt war und als Gemüse diente. In Abbildungen des 16. Jahrhunderts werden bereits wesendich verkürzte Formen dargestellt, die jedoch noch keine kugelige Knolle aufweisen. Die jetzigen Kohlrabitypen entstanden ver¬ mutlich erst im Verlauf des 19. Jahrhun¬ derts, als Kohlrabi vermehrt angebaut ^ ¦ Èl ; :¦ '¦'¦¦C ¦¦ r Calabrais henfolge ihres Erscheinens auf dem Markt aufgeführt. Dabei bestehen selbstverständ¬ lich Überschneidungen. Die modernen Anbautechniken, wie Glashauskultur, An¬ bau unter Folien und gestaffelter Anbau, erlauben jede Kohlart über mehrere Mo¬ nate erntereif zu erzeugen. Zwar wird aus wirtschaftlichen Gründen nur der Kohlrabi gelegentlich unter Glas angebaut; alle an¬ deren sind typische Freilandgemüse. vor. Broccoli, Sprossenbroccoli, Grüner Spargelkohl ¦ Im folgenden sind die zur Zeit in der Schweiz angebauten Kohlarten in der Rei¬ li| .- Tim É, *.' ^p»^ Green Valiant F, Candid Charm F, 31 Idol gfc* \> i Weisser Riese wurde und sich der Samenhandel mit der Selektion und Züchtung zu befassen be¬ gann. Ein Pionier der neueren Kohlrabi¬ züchtung war die schweizerische Firma Roggli in Hilterfingen, deren blaue und weisse Sorten weltweit bekannt und be¬ liebt wurden. Erst die Konkurrenz durch die FrHybridsorten französischer und holländischer Züchtelfirmen beeinträch¬ tigte ihre führende Rolle auch in der Schweiz. Wie alle Kohlarten wird der Kohlrabi über Setzlinge angebaut. Der Setzling ist ein Charakteristikum des gärtnerischen Gemüsebaues. Die Anzucht der Jung¬ pflanzen auf kleinem Raum, meistens im Gewächshaus oder Frühbeet, erlaubt eine intensivere Freilandnutzung, weil das ungünstige Klima im Vorfrühling umgan¬ gen werden kann und die Standzeit auf dem Feld gegenüber der Direktsaat stark verkürzt wird. Unter Glas werden die im Dezember gesäten Setzlinge meist Mitte Februar gepflanzt, und die Ernte erfolgt be¬ reits nach ungefähr acht Wochen. Ab Ende März kann ins Freiland gepflanzt werden, wobei die frühesten Sätze oft mit Folie oder Vlies abgedeckt werden. Bei April¬ pflanzungen wird auf diese aufwendige Abdeckung verzichtet. Auch hier dauert es von der Pflanzung bis zur Ernte nur acht bis zehn Wochen. In den Sommermona¬ ten wird Kohlrabi kaum produziert, da¬ für wird er gelegentlich noch im Septem¬ ber gepflanzt und kann bis Frostbeginn im Spätherbst auf den Markt gebracht werden. Als eines der ersten einheimischen Gemüse findet man im Frühjahr den Kohl¬ rabi meistens mit dem Laub gebündelt in den Gemüsegestellen. Das vitaminreiche Blattwerk kann wie Spinat zubereitet oder in die Suppe geschnitten werden, was lei¬ der viel zu selten geschieht. Die Knollen selbst haben ungefähr denselben Gehalt an Nährstoffen, Mineralien und Vitaminen wie der Blumenkohl. Zur Zubereitung wer¬ den sie meist in feine Scheiben geschnitten und gekocht. Auch in kleine Würfel auf¬ geteilt als Saucengemüse oder in Stücke geschnitten in Eintopfgerichten sind sie sehr beliebt. DER BROCCOLI. Brassica oleracea var. asparagoides Broccoli, auch Spargelkohl genannt, ist ne¬ ben dem Blumenkohl die einzige Kohl¬ varietät, die bereits im Jahr der Aussaat Blütenstände anlegt; alle anderen müssen zuerst überwintern, bis sie blühen können. Bereits in römischer Zeit wurden junge Blütensprosse als Gemüse genossen. Ob es sich dabei um die Vorläufer des heutigen Broccoli oder um eine andere Brassica-Art handelt (siehe unten Cima di rapa), ist um¬ stritten. Zwischen dem Blumenkohl und dem jetzigen Spargelkohl bestehen zahl¬ reiche Übergangsformen, so der Kopfbroccoli, meist als Winterblumenkohl bezeich¬ net, mit lockeren, je nach Herkunft weiss, grünlich oder violett gefärbten «Blumen». Der Broccoli, wie wir ihn heute kennen, ist ein extrem dichter Blütenstand mit blüh¬ fähigen Knospen und fleischigen Stengeln. Er wurde vor allem in den USA gezüchtet, wohin er von italienischen Einwanderern gebracht worden war. Erst nach dem Zwei¬ ten Weltkrieg wurde er auch in Europa beliebt und vermehrt angebaut, in der Schweiz erst in den sechziger Jahren. Der Broccoli ist wärmebedürftiger als der Kohlrabi. Er wird bei uns erst ab Mitte April und bis Anfang August ins Frei¬ land gepflanzt. Pro Are können 90 bis 120 Kilogramm Sprossen geerntet werden. Mit dem einheimischen Anbau kann der Markt nur etwa vier Monate lang von Juni bis Oktober versorgt werden. In der übri¬ gen Zeit werden grosse Mengen aus wär¬ meren Gebieten, vor allem aus Süditalien, importiert. Auf dem Wochenmarkt und in Spezial¬ geschäften wird der Broccoli meistens of¬ fen angeboten. Dabei werden einige Blät¬ ter als Zeichen der Frische am Strunk belassen; ähnlich wie bei Kohlrabi kann man diese gut verwenden. Bei den Gross¬ verteilern findet man die Ware ohne Blät¬ ter vorwiegend in durchsichtige Folie ver¬ packt. Broccoli ist die weitaus delikateste Kohlart. Er hat auch in die haute cuisine Eingang gefunden, wo er vor allem wegen seiner intensiv grünen Farbe und seinem Wohlgeschmack geschätzt wird: von allen Kohlarten weist er am wenigsten Senföle auf. Daneben gehört er mit seinem hohen Carotin-, Vitamin-C- und Mineralstoff¬ gehalt zu den wertvollsten Gemüsen und ist aus unseren Küchen nicht mehr weg zu denken. DERBLUMENKOHL. Brassica oleracea var. botrytis Der Blumenkohl stammt wie der Broccoli, aus dem er sich ableitet, aus Italien. Sein Blütenstand ist noch stärker gestaucht, die Stengel noch mehr verdickt, und die Zahl der Blütenanlagen hat sich so sehr ver¬ mehrt, dass die Einzelblüten funktionslos geworden sind. Sie haben ihre grüne Farbe eingebüsst, und der ganze Blütenstand ist zu einer gelblichweissen, kompakten und höckrigen Scheibe deformiert. Vor etwa 300 Jahren war diese Entwicklung abge¬ schlossen; blumenkohlähnliche Gemüse¬ pflanzen waren jedoch schon früher be¬ kannt. In ihren Wärmeansprüchen unterschei¬ den sich Blumenkohl und Broccoli kaum. Die Setzlinge werden ab Anfang April ins Freiland gepflanzt, wobei die Kulturen zum Schutz vor kaltem Wetter und zur Verfrahung der Ernte oft während einigen Wochen mit Folien oder Vlies abgedeckt werden. Die «Blumen» bilden sich erst recht spät, dafür verläuft ihre Entwicklung um so rascher. Damit sie schön weiss blei¬ ben, müssen sie vor direkter Sonne und vor Regen geschützt werden. Die neuen Sorten bedecken sich selbst, indem sich die Blätter nach innen biegen und über die «Blume» legen. Ältere Sorten mussten durch Abknicken der äusseren grossen Blätter überdeckt werden. Bei warmem Wetter dauert die Emtefähigkeit nur we¬ nige Tage. Rasch werden die «Blumen» Weisskohl, Weisskabis, Weisskraut, Chabis (Brassica oleracea var. capitata f. alba) w -4f > fi : V i i 'ft Eskimo ¦ Minaret ¦ ¦ '¦J - T' ¦¦:,¦ ,'-W .¥' ä«K ¦ISai« ¦ Amager Apex F, 32 Thurner locker, verfärben sich und sind nicht mehr verkäuflich. Im Sommer muss bei trocke¬ nem Wetter regelmässig gewässert werden, weil die Pflanzen sonst vorzeitig ldeine, un¬ brauchbare «Blumen» ausbilden. Der An¬ bau im Spätsommer mit der Erntezeit Ende Oktober ist weniger heikel. Wie bei Broccoli beschränkt sich das Angebot aus einheimischem Anbau auf vier bis fünf Monate; in der übrigen Zeit werden grosse Mengen importiert. Der Blumenkohl ist die meistverkaufte Kohlart auf dem Schweizer Markt; das An¬ gebot erstreckt sich über das ganze Jahr. Zum Zubereiten wird er in Teilsprosse zer¬ legt und weichgekocht. Auch als Bestandteil gemischter Salate ist er sehr beliebt. Dabei darf er jedoch nicht roh verwendet werden, sondern muss leicht aufgekocht sein. DER WEISSKABIS. Brassica oleracea var. capitata f. alba In römischer Zeit gab es noch keine kopfbildenden Brassica-Formen. Das als «Olus» bezeichnete Gemüse trug auf einem stark verkürzten Strunk eine grosse Blattrosette. Erst im Verlauf des Mittel¬ alters entwickelten sich daraus die Kopf¬ kohle, die neben Mangold als wichtigste Blattgemüseart angebaut wurden. Weil sie gut lagerfähig waren und auch die Herstel¬ lung des Sauerkrautes bekannt war, wa¬ ren sie der wichtigste Vitamin-C-Lieferant während Jahrhunderten. Weisskabis ist noch heute ein wichtiges Lagergemüse, obwohl sein Anbau rückläu¬ fig ist, weil der Markt auch über Winter überreichlich mit Frischgemüse versorgt wird. Für die Einlagerung werden die Setz¬ linge in der zweiten Junihälfte gepflanzt, damit sie vor Frostbeginn Ende Oktober die richtige Reife erreicht haben. In mo¬ dernen Kühlhäusern bleibt der Weisskabis bis in den nächsten Frühsommer hinein frisch. Er wird abgelöst durch die ersten Frühpflanzungen von Ende März, die im Juni geerntet werden können. Spätere Sätze gewährleisten die Marktversorgung im Sommer und Herbst. Damit ist das ganze Jahr über Kabis aus einheimischem Anbau erhältlich. Früher lag das ideale Stückgewicht bei 2 bis 3 Kilogramm. Weil die Haushalte kleiner geworden sind und Weisskabis oft eher Beilage als Hauptge¬ richt ist, sind Köpfe von mehr als einem Kilogramm nur noch schwer verkäuflich. Für die Sauerkrautfabrikation dagegen sind grosse Köpfe mit Stückgewichten von 5 bis 10 kg gesucht, wie sie die aus einhei¬ mischen Landsorten selektionierten «Thurner» und «Wädenswiler» liefern. Sie wer¬ den vorwiegend im Gürbetal angebaut, wo auch mehrere Einschneidebetriebe ansäs¬ sig sind. Im Sommer wird nur wenig Weisskabis konsumiert, hauptsächlich als Bestandteil von gemischten Salaten. Im Winter ist er nach wie vor ein recht beliebtes Gemüse. Auch das Sauerkraut wird fast ausschliess¬ lich in der kalten Jahreszeit angeboten. Das ist bedauerlich, denn der gesundheitliche Wert macht beide Produkte das ganze Jahr über wertvoll. zu Hause oder im Restaurant öfters auf dem Speiseplan. DER WIRZ. Brassica oleracea var. sabauda Krausblättrige Brassica-Arten werden be¬ reits von den Griechen und Römern er¬ wähnt. Es ist anzunehmen, dass sie auch während des ganzen Mittelalters angebaut wurden. Dabei entstanden unter anderem auch kopfbildende Typen, die heute als Wirz, Wirsing, in der Schweiz auch als Chööli, bekannt sind. gefärbter, Dunkelgrün sogenannt leichdcopfiger Wirz wird während der ganzen Vegetationsperiode erzeugt. Die frühsten Pflanzungen erfolgen im April und sind ab Juni schnittreif. Spätere Sätze sind den ganzen Sommer und Herbst über erhältlich. Einige Sorten, so der einheimi¬ sche «Paradieslen> und moderne Fj-Hybriden, sind sehr winterhart und können bis März im Freiland geemtet werden. Für die Einlagerang werden schwerkopfige Sorten bevorzugt. Sie werden Ende Juni gepflanzt und im Oktober oder November in die Kühllager gebracht, wo sie bis in den Mai hinein konsumfrisch bleiben. Wegen seines hohen Gehalts an Mine¬ ralstoffen (Phosphor, Kali und Magne¬ sium) ist der Wirz wie alle Kohlarten für eine gesunde Ernährung wichtig. In der Küche wird er feingeschnitten als Koch¬ gemüse oder grob zerteilt für Eintopf¬ gerichte verwendet. DER ROTKABIS. Brassica oleracea var. capitata f. rubra Rote Kohlarten werden erstmals von der heiligen Hildegard von Bingen um 1150 erwähnt. Im Verlauf des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit entstanden die ro¬ ten Kopfkohlformen. Die rote Farbe wird durch Anthozyane verursacht, die vorwie¬ gend in der Epidermis lokalisiert sind. Rotkabis wird fast ausschliesslich als Herbst- und Wintergemüse angebaut. Er wird in der zweiten Junihälfte ausgepflanzt und ist ab Mitte Oktober erntereif. Ein ldeiner Teil erscheint im Spätherbst auf dem Frischmarkt, die Hauptmenge wird in Kühlhäusern eingelagert. Die Lagerbestände erlauben die Versor¬ gung des Marktes bis weit ins Frühjahr hin¬ ein. Als vitaminreiches Gemüse mit ausge¬ prägtem Kohlgeschmack ist Rotkraut recht beliebt. Feingeschnitten wird es dank sei¬ ner roten Farbe als Salat geschätzt. Rot¬ kraut mit Kastanien gekocht oder als Bei¬ lage zu Wild sind in den Wintermonaten DER ROSENKOHL. Brassica oleracea var. gemmifera Rosenkohl wurde erstmals um 1775 in Bel¬ gien bekannt. Vermutlich entstand er aus Kreuzungen von hochstrunkigen Formen wie Grünkohl oder Markstammkohl mit kopfbildendem Weisskohl. Seine Beson¬ derheit besteht darin, dass die Seitenknos¬ pen der Blätter am hohen Strunk zu klei¬ nen, geschlossenen Köpfen auswachsen. Rosenkohl ist ausschliesslich ein Herbst- und Wintergemüse. In der ersten Junihälfte gepflanzt, erfolgt die Ernte je Rotkabis, Rotkohl, Blaukraut Wirsing, Chööli (Brassica oleracea var. capitata f. rubra) (Brassica oleracea var. + ' ¦ Dithmarscher Spitzkabis Chavannes Dänischer Steinkopf 33 i Marner Lagerrot Novusa Fj nach Sorte ab Ende September. Winter¬ harte Sorten können bis im Januar oder Februar auf dem Feld bleiben und bei frostfreiem Wetter geemtet werden. Der Geschmack wird durch Kälte verfeinert. Im Hausgarten werden die reifen «Rosen» lau¬ fend geemtet; im Erwerbsanbau ist ein¬ malige Ernte die Regel, wobei die Rosen maschinell von den Strünken getrennt werden. Im Herbst und Winter findet man den Rosenkohl als Frischgemüse auf dem Markt. Er eignet sich auch sehr gut zum Tiefkühlen. Dank seinem feinen Ge¬ schmack und dem sehr hohen Gehalt an Wertstoffen ist er sehr beliebt und ge¬ sucht. DER FEDERKOHL. Brassica oleracea var. acephalaf. laciniate Schon in römischer Zeit war der Blätter¬ kohl sehr beliebt, und auch damals waren krausblättrige Formen bekannt. Sie ent¬ sprechen in ihrem Bau den urtümlichen, am Mittelmeer und Atlantik beheimateten Wildpflanzen, jedoch sind die heutigen Sorten alle zweijährig geworden und bil¬ den im Jahr der Aussaat keine Blüten¬ Eintopfgerichten. Die Sauerkrautfabriken sind der wichtigste Abnehmer. Die Rüben werden dort teils ungemischt, teils zusam¬ men mit Weisskabis eingesäuert. Bekann¬ ter ist jedoch ihre folkloristische Bedeu¬ tung als «Rabe» für die volkstümlichen Lichterumzüge in verschiedenen Ortschaf¬ ten. In Richterswil zum Beispiel werden mehrere Tonnen ausgehöhlt und die Lich¬ ter an der «Räbechilbi» in fantasievollen Sujets auf Wagen montiert. DER MARKSTAMMKOHL. Brassica oleracea var. medullosa Hochgebaute Kohlformen mit verdicktem Stamm waren schon in römischer Zeit be¬ kannt. Die eigentlichen Vorfahren der heu¬ tigen Formen findet man im 19. Jahrhun¬ dert in Frankreich. Die Pflanzen werden ca. 1,5 Meter hoch und sind damit die mäch¬ tigste Kohlart. Die grossen Pflanzen benötigen ent¬ sprechend viel Standraum, genügend Bo¬ denfeuchte und eine lange Entwicklungs¬ zeit. Die Flächenerträge sind beträchtlich hoch. Markstammkohl findet man nur sehr selten in Hausgärten Früher wurde der Markstammkohl be¬ sonders in Notzeiten in der Küche ver¬ wendet. Heute gilt er nur noch als Vieh¬ fütter. (Anm. der Redaktion: Siehe Text von Carlos Casares «Caldo gallego» im Lese¬ teil. Der Marktstammkohl wird in Galicien und Nord-Portugal für die Gemüsesuppe verwendet und dort, wo in unseren Regio¬ nen dieser Kohl in Schreber- und Haus¬ gärten zu sehen ist, wohnen Galicier und Portugiesen.) DER BODENKOHLRABI. Brassica napus var. rutabaga Als Wildform ist der Bodenkohlrabi nicht bekannt. Vermudich entstand er im westli¬ chen Mittelmeer als Artbastard von Kohl¬ rabi und der Herbstrübe. Er bildet gröss¬ tenteils oberirdisch wachsende Knollen aus, die im Gegensatz zum Kohlrabi keine Blattansätze aufweisen. Seine Knollen sind entweder weissfleischig und werden Viehfütter verwendet oder dienen Bassica rapa var. rapa Der Federkohl ist ein ausgesprochenes Wintergemüse. Er wird erst in der ersten Julihälfte gepflanzt und eignet sich des¬ halb zum Anbau nach Frühgemüsearten. Er ist sehr anspruchslos und eignet sich für die meisten Boden- und Klimalagen. Seine Frosthärte gestattet, den ganzen Winter über einzelne Blätter zu ernten. Der Federkohl wird fast nur auf Wo¬ chenmärkten im Spätherbst und Winter angeboten, ansonsten ist er ein typisches Hausgartengemüse. Nach einigen Frost¬ tagen ist er besonders schmackhaft und verdaulich. Für eine gesunde Ernährung in der kalten Jahreszeit ist er von grösster Bedeutung. Er weist den höchsten Gehalt an Proteinen, Mineralstoffen und Vitami¬ nen von allen Kohlarten auf und war während Jahrhunderten eine wichtige Heilpflanze. Die Herbstrübe stammt aus dem westli¬ chen Mittelmeergebiet. Die rande Knolle entsteht aus dem Hypokotyl, das heisst dem Teil der Keimpflanze zwischen Wur¬ zel und Spross, das sich stark verdickt und der Pflanze als Reserveorgan für die Über¬ winterung dient. Im Gegensatz zu den bisher bespro¬ chenen Kohlarten wird die Herbstrübe nicht über Setzlinge angebaut, sondern direkt gesät. Sie ist eine «Stoppelfracht», denn sie wird nach der Ernte von Winter¬ getreide direkt in die umgebrochenen Stoppeln gesät, wobei sie sich sehr rasch entwickelt und ab Ende Oktober erntereif ist. Der Anbau in der Schweiz beschränkt sich auf wenige Orte, hauptsächlich im Kanton Aargau. Die Herbstrübe oder «Rabe» wird nur selten konsumiert, meistens als Beigabe in als gelbfleischige Sorten der menschlichen Ernährung. Wie die Herbstrübe wird der Bodenkohlrabi nicht über Setzlinge ange¬ baut, sondern direkt ins Freiland gesät, meistens in abgeerntete Frühkartoffelfel¬ der ab Mitte Juni. Die Ernte erfolgt im DIE HERBSTRÜBE. stände aus. als Spätherbst. Den Bodenkohlrabi findet man nicht oft auf dem Markt. Er war weitgehend als Gemüse für Notzeiten bekannt. Erst seit wenigen Jahren erfreut er sich wieder grös¬ serer Beliebtheit, in der westlichen Schweiz als Hauptgericht zusammen mit Möhren und Speck, im übrigen als Bestandteil von Eintopfgerichten. CIMA DI RAPA Brassica rapa var. cymosa Cima di rapa wird hauptsächlich im süd¬ lichsten Teil Italiens angebaut, wo er auch herstammt. Wahrscheinlich ist er ein Ab¬ kömmling der Wildpflanze Brassica campestris. Er ist als Kulturform eine einjährige Pflanze mit starkem Blattwerk, das zum Teil zusammen mit den noch wenig ent¬ wickelten Blütenständen genossen wird. Wirsing, Chööli Federkohl (Brassica oleracea var. Rosenkohl, Brüsseler Kohl Markstammkohl (Brassica oleracea var. sabauda) acephala f. laciniate) (Brassica oleracea var. gemmifera) (Brassica oleracea var. medullosa) M^T;*^- -f-'J /v ¦'$ ¦y^t^\;/ ¦ " w "H*. ,.§> ..> «r ^" f, A *** < 1 << £é& ¦- „ --. •• ¦*y m Vertus Halbhoher Hilds ideal Predora F, 34 Markstammkohl Der Anbau in der Schweiz und die Be¬ lieferung des Marktes sind bescheiden. Cima di rapa lässt sich während der gan¬ zen Vegetationsperiode anbauen und hat eine Entwicklungszeit von knapp drei Mo¬ 8. Garten kohl 247 Entwicklung der Formen der Kohlarten Ausgangs-Wildform Brassica oleracea var. sylvestris L. naten. Die hauptsächlichsten Käufer von Cima di rapa sind italienische Gastarbeiter, denen das Gemüse von zu Hause her be¬ kannt ist. Der Kohlgeschmack des Blatt¬ werkes ist recht ausgeprägt; die unreifen Blütensprosse sind milder und gehaltvoller. var. acephala, Blätterkohl L_ -—-subvar. plana Futterstaudenkohl subvar. laciniata Krauskohl Gemeinsames Merkmal subvar. palmi/olia Baumkohl Kohl Zurückdrängung der Stengel¬ verzweigung, Differenzierung nach Blattform und Blatt¬ reichtum, zweijährig bis ausdauernd In Ostasien gibt es mehrere Brassica-Arten, die eine ebenso grosse Formenmannig¬ faltigkeit aufweisen wie die europäischen. Von dieser Vielfalt sind bei uns bis jetzt nur zwei Gemüsearten im Anbau. subvar. millecapitata Tausendköpfiger Mit Stengel¬ verzweigung Deformierung Deformierung der Deformierung des Blütenstandes Terminalknospe des Stengels des Stengels var. botrytis Blumenkohl DER CHINAKOHL. var. capitata var. sabauda Kraut Wirsing subvar. Brassica pekinensis asparagoides Der Chinakohl stammt aus dem südlichen Teil Chinas, ist neuerdings jedoch vorwie¬ gend von den Japanern zu den hier erhält¬ lichen Sorten gezüchtet worden. Diese bilden stranklose, hochovale Köpfe mit breitrippigen Blättern aus. Die Entwick¬ lungszeit ist sehr kurz. Der noch nicht lange bekannte China¬ kohl ist zu einem bedeutenden Herbst¬ gemüse geworden. Oft wird er Ende Juli f. alba Spargelkohl Blütenstand etwas gestaucht, geglie¬ dert, rispenartig, locker; einjährig var. medullosa Markstamm¬ kohl Strunk f. rubra angeschwollen, verdickt Weißkraut Rotkraut T 1 Rückschlag auf Stengel¬ var. gongylodes knospen Stengelgrund fleischig, kugelig verdickt verzweigung mit Deformierung der Blattachsel¬ subvar. cymosa Brokkoli Blütenstand stärker gestaucht, Kohlrabi var. gemmifera lockere bis mäßig feste Rose; Rosenkohl überwinternd zweijährig direkt ausgesät und im Oktober und No¬ vember vermarktet. Frühe Sätze werden über Setzlinge ab Mitte März angebaut und kommen ab Ende Mai auf den Markt. Vor allem im Herbst findet man China¬ kohl regelmässig in den Gemüsegestellen. Er ist sehr kalorienarm, hat aber einen recht hohen Mineralstoff- und Vitamin¬ gehalt. Feingeschnitten werden die Blätter als Salat zubereitet. Im übrigen kann er wie Weisskabis gekocht und verwendet werden. i Aus dem «Handbuch des subvar. caulißora Gesamten Gemüsebaues. Blumenkohl Einschliesslich der Küchen¬ Blütenstand extrem stark ge¬ staucht, kompakte kräuter». Von Dr. h.c. J. ein j ährig Hamburg 1956. zigen Sorten sind die breiten Blattrippen, die ihn dem bekannten Rippenmangold (Krautstiel) ähneln lassen. Der Anbau im Inland ist noch sehr be¬ scheiden. Meist wird er Ende Juli direkt ins Freiland gesät, meist als Nachfrucht zu an¬ deren Kulmren. Er wird bereits nach 50 bis 60 Tagen im September oder Oktober schnittreif. PAK-CHOI. Brassica chinensis Der Pak-Choi stammt aus Südostasien, wo er sehr verbreitet ist. Auch in den USA wird er sehr geschätzt. Typisch an den jet- Becker-Dilingen. Verlag Paul Parey, Berlin und fleischige Rose; Die fleischigen Blattrippen sind zarter vom Krautstiel. Sie müssen nur ganz leicht gekocht werden; damit bleiben die wertvollen Vitamine erhalten. Auch feingeschnitten kann er wie Chinakohl als Salat verwendet werden. als die ¦ Bodenkohlrabi Cima di rapa Chinakohl Chinesischer Senfkohl Rosettenkabis (Brassica napus var. rutabaga) (Brassica rapa var. cymosa) (Brassica pekinensis) (Brassica chinensis) (Brassica campestris vartnosa) - ^8»T»>*i "im 2 \ Schmalz Stengelkohl - ^ .--*' l f-4 f .> §ß 1 tiChorus Pak-Choi F, 35 - Joi Choi F, Tatsoi