Lebensmittelallergien im Fokus

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Lebensmittelallergien im Fokus
Kirsten Grashoff, Frankfurt a. M.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts prägte der österreichische Mediziner
Clemens Freiherr von Pirquet den Begriff der Allergie. Dieser leitet
sich aus dem griechischen „allos“ (anders) und „ergos“ (Arbeit, Aktion) ab und bedeutet so viel wie eine vom normalen Verhalten abweichende Reaktion des Organismus auf bestimmte (körperfremde)
Stoffe.
Unter allen allergischen Erkrankungen sind die Lebensmittelallergien die am wenigsten untersuchten. Den aktuellen Stand der Wissenschaft bezüglich Klinik, Diagnostik, Prävention und Therapie präsentierten Experten beim Workshop „Nahrung und Immunabwehr
im Clinch“. Dieser fand auf Initiative des Instituts Danone für Ernährung e. V. in Kooperation mit dem Institut für Pathophysiologie der
Medizinischen Universität Wien am 17. und 18. Juni in Wien statt.
Die körpereigene Abwehr
Aufgabe des Immunsystems ist es,
Fremdes (Antigene) zu erkennen und
den Organismus vor Infektionen zu
schützen, brachte Prof. Dr. Johannes
RING, TU München, die Bedeutung
der körpereigenen Abwehr auf den
Punkt. Dazu werden Tausende von
unterschiedlichen Immunzellen und
eine Vielzahl immunaktiver Biostoffe
in den lymphatischen Organen produziert (s. a. Abb. 1). Die von den Immunzellen wahrgenommenen Aufgaben bei der Abwehr von Antigenen
werden als zellvermittelte Immunantwort bezeichnet. Die der immunaktiven Biostoffe als humorale Immunantwort.
Der unspezifische (angeborene) Teil
des Immunsystems sorgt dafür, dass
beispielsweise Bakterien schon beim
ersten Kontakt von Phagozyten (Fresszellen) beseitigt werden. Dies wirkt
über so genannte Toll-like-Rezeptoren. Diese erkennen Muster und Signale, die den Organismus in Gefahr
bringen. Das spezifische (erworbene)
Immunsystem entwickelt sich dagegen erst nach und nach, so RING. Beispielsweise führt das Eindringen eines
Antigens in den Körper dazu, dass sich
B-Zellen vermehrt in Plasmazellen
umwandeln und anschließend die
passenden Antikörper produzieren.
Diese Phase ist entscheidend dafür, ob
zum Beispiel Toleranz signalisierende Immunglobuline vom Typ G oder
Allergie auslösende Immunglobluline
vom Typ E entstehen.
Ernährungs-Umschau 51 (2004) Heft 9
Eine wichtige Funktion für die Infektionsabwehr haben aber auch die dendritischen Zellen, die auf der Hautoberfläche lokalisiert sind. Sie präsentieren laut RING das Antigen, leiten es
an T-Zellen weiter und beeinflussen
deren Immunantwort. Außerdem seien sie möglicherweise dafür verantwortlich, dass das Immunsystem die
meisten der auf uns einwirkenden
Stoffe toleriert.
Allergie oder Intoleranz?
müssen klassische Lebensmittelallergien immunologisch vermittelt sein.
Es gibt 4 Typen von überschießenden
Immunreaktionen. Am häufigsten ist
bei Lebensmitteln die IgE-vermittelte
Typ-I- oder Sofortreaktion (Abb. 2).
Vom Patienten unbemerkt, findet
hierbei zunächst, wie bei jeder echten
Allergie, eine Sensibilisierung gegen
ein bestimmtes Antigen statt. IgE-Antikörper bilden sich und binden über
Rezeptoren an die Oberfläche von
Mastzellen. Hat der Patient erneut
Kontakt zu dem Allergen, wird dies
an den IgE-Antikörper gebunden.
Kommt es dann zur Brückenbildung
(Crosslinking) zwischen zwei IgE-Molekülen, platzen die Mastzellen und
setzen Entzündungsmediatoren wie
zum Beispiel Histamin frei. Als Folge
treten typische Symptome wie Entzündungen oder Juckreiz, aber auch
Durchfall, allergisches Asthma oder
ein anaphylaktischer Schock auf. Dieser Vorgang dauert maximal 15 Minuten. 2 bis 4 Stunden später kann sich
eine verstärkte Entzündungsreaktion
anschließen. Diese Spätreaktion ist
dafür verantwortlich, dass die Allergiesymptome chronisch (chronisches
Asthma, Neurodermitis) werden, der
Betroffene also dauerhaft krank wird,
machte BISCHOFF deutlich.
Neben den IgE-vermittelten Allergien wie dem Oralen Allergie Syndrom,
der akuten Urtikaria oder allergische
Rhinitis gibt es allerdings auch nicht
IgE-vermittelte Allergien. Hierzu ge-
Allergien werden medizinisch klar von
Lebensmittelintoleranzen (z. B. Laktoseintoleranz) abgegrenzt. Die Symptome ähneln sich zwar, aber die zu
Grunde liegenden Mechanismen unterscheiden sich bei beiden Erkrankungen deutlich. 20 bis 25 % der Bevölkerung in Industrieländern klagen
Immunsystem
über Lebensmittelunverträglichkeiten
– mit steigender
unspezifische Immunabwehr
spezifische Immunabwehr
(angeboren)
(erworben)
Tendenz,
erklärte
Professor Dr. Stephan BISCHOFF, Medizellulär
zellulär
humorale
vermittelte
humorale
vermittelte
Immunantwort
zinische HochschuImmunantwort
Immunantwort
Immunantwort
(B-Lymphozyten)
(T-Lymphozyten)
le Hannover. Bei
Kindern handelt es
sich nur bei einem
Makrophagen
Plasmazelle
Monozyten
KomplementT-Helferzellen
Viertel dieser Reak(Immunglobuline:
Granulozyten
system
T-Killerzellen
IgA, IgG, IgM,
tionen wirklich um
Interferone
T-Supressorzellen
Natürliche
IgE, IgD)
und andere
T-GedächtnisKillerzellen
B-GedächtnisAllergien, bei ErSerumproteine
zellen
Dendritische
zellen
Zellen
wachsenen nur bei
etwa 10 %.
Nach der Definition, so BISCHOFF, Abb. 1: Übersicht über das Immunsystem
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IgE-vermittelte Typ I Allergie
Sensibilisierung
Spätreaktion
Sofortreaktion
Allergen
DC
DC2
B
IgE
DC2
IL-3, IL5
Be
T
Gene
IL-4
IL-13
Th2
IL-4
Th2
IL-3
IL-5
ENS
Eo
Histamin
etc.
Weitere Entzündungsmediatoren
Abb. 2: IgE-vermittelte Typ I Allergie [B-Zellen; Be: IgE-produzierende Plasmazellen;
DC: dendritische Zellen; Eo: eosinophile Granulozyten; ENS: enteritisches Nervensystem; IgE: Immunglobulin E; IL: Interleukine; T: T-Zellen; Th2: T-Helferzellen]
höre beispielsweise die Zöliakie, bei
der die Immunreaktionen IgA-vermittelt ablaufen.
Volkskrankheit Allergie
„Am Anfang einer Allergikerkarriere
steht die Lebensmittelallergie. Ab einem Alter von etwa 2 Jahren nehmen
diese kontinuierlich ab und respiratorische Allergien bis ins Erwachsenenalter zu“, charakterisierte Prof.
Dr. Harald RENZ, Philipps-Universität
Marburg, das Schicksal eines Allergikers. Dabei waren noch um ca. 1900
allergische Erkrankungen eher eine
Seltenheit. Heute gehören sie zu den
häufigsten chronischen Krankheiten
in der Pädiatrie und nehmen auch bei
Erwachsenen stetig zu. Eine Vielzahl
epidemiologischer Studien lassen keinen Zweifel darüber, dass Allergien in
den letzten 2 Generationen (ca. 40
Jahre) dramatisch zugenommen haben. Auch zeigen sie, dass vor allem
Industrieländer (Nordamerika, Europa, Australien, Japan) betroffen sind.
Warum das so ist, ist bis heute nicht
eindeutig erforscht.
Das Immunsystem jedes Menschen
wird bereits während der Schwangerschaft geprägt, berichtete RENZ weiter.
Daher sei es wichtig, dass Schwangere
potenziell allergene Lebensmittel,
zum Beispiel Kuhmilch, nicht meiden.
Nur so kann das Immunsystem des
Kindes beim späteren Erstkontakt
Kuhmilch-Antigene erkennen und sie
als harmlos und unbedenklich bewerten, also tolerieren.
Auch der Kontakt mit harmlosen
und banalen Krankheitserregern bei
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Erkältungskrankheiten der oberen
Luftwege und die Besiedelung des
Gastro-Intestinal-Traktes mit Bakterien seien beispielsweise wichtig für
die Toleranzbildung des Immunsystems. Findet diese normale Reifung
und Entwicklung nicht statt, so ist es
auch nicht in der Lage harmlose Umweltantigene als solche zu erkennen.
Dagegen häufen sich fehlgerichtete
(allergische) Reaktionen. Dieses Konzept wird als Hygiene-Hypothese bezeichnet.
Neu ist, so RENZ, dass man Mikroben jetzt nicht mehr ausschließlich als
gefährliche Krankheit auslösende Erreger betrachtet, sondern davon ausgeht, dass sie natürliche Immunmodulatoren sind. Als Beispiele nannte
er Lipopolysaccharide, Mykobakterien
und Lactobacillen.
Die Frage nach dem Risiko
Allergische Reaktionen auf Lebensmittel treten bei ca. 6 bis 8 % aller Kinder in den ersten Lebensjahren auf.
Von den Kindern mit atopischer Dermatitis leidet jedes dritte Kind unter
einer Lebensmittelallergie. Die meisten betroffenen Kinder entwickeln
später eine klinische Toleranz, machte
Dr. Kirsten BEYER, Virchow-Klinikum,
Charité Berlin, deutlich. Das heißt, sie
können das entsprechende Lebensmittel wieder essen, wenn sie älter
werden. Diese Toleranzentwicklung ist
allerdings abhängig vom jeweiligen
Lebensmittel, das die allergische Reaktion auslöst. So entwickeln ca. 80 %
der Kinder mit einer Kuhmilchallergie
eine klinische Toleranz, wohingegen
es bei der Erdnussallergie nur ca. 20 %
der Patienten sind.
Wie bei anderen atopischen Erkrankungen scheint die genetische
Veranlagung bei der Lebensmittelallergie eine wichtige Rolle zu spielen,
betonte BEYER. So hat eine Studie zur
Erdnussallergie gezeigt, dass die Konkordanzrate bei eineiigen Zwillingen
64 %, bei zweieiigen jedoch nur 7 %
beträgt.
Generell scheint eine höhere Exposition gegenüber bakteriellen Produkten vor der Entwicklung einer allergischen Erkrankung zu schützen. Auch
die normale Darmflora mit ihrer enormen Bakterienzahl (geschätzt: 1012-14
MO pro ml Koloninhalt) ist vermutlich wichtig für die Ausbildung des regulären Immunsystems des Darms. Es
hängt u. a. von genetischen Faktoren,
der mütterlichen Darmflora und der
Umgebung ab, wie sich die Darmflora
in den ersten Lebenstagen ausbildet.
Im Tierexperiment konnte gezeigt
werden, dass in keimfreier Umgebung
aufgezogene Mäuse keine normale
orale Toleranz entwickeln. Auf einen
weiteren interessanten Befund wies
BEYER hin: Kinder, die per Kaiserschnitt auf die Welt kommen, weisen
eine verzögerte Kolonisierung des
Darms auf und haben ein 3fach höheres Risiko für Lebensmittelallergien.
Bei Kindern allergischer Mütter war
das Risiko sogar 7-mal so hoch.
Ob eine Lebensmittelallergie durch
die Vermeidung des entsprechenden
Lebensmittels verhindert werden
kann, ist bis heute nicht geklärt, so
BEYER. Im Tierversuch hätte sich gezeigt, dass geringe Dosen eines Allergens eher zur Sensibilisierung und
höhere Dosen zu Toleranzentwicklung
führen. Bei Kindern konnte jedoch die
Entwicklung einer allergischen Erkrankung durch Verwendung von extensiv hydrolisierten Casein-Formula
im Vergleich zu Kuhmilch-Formula
signifikant verringert werden.
Auch scheint Zigarettenrauch die
Sensibilisierung von Kindern gegen
Lebensmittelantigene zu erhöhen. So
konnte eine Studie nachweisen, dass
sich das Risiko für eine Lebensmittelallergie mehr als verdoppelte, wenn
die Mutter während der Schwangerschaft und auch nach der Geburt
rauchte (vgl. a. Leitlinie Allergieprävention, S. 361 ff).
Kreuzallergien
Etwa 40 bis 50 % aller Patienten mit
Birkenpollenallergie reagieren auch
Ernährungs-Umschau 51 (2004) Heft 9
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auf Rosaceae (Apfel, Birne, Kirsche),
Apiaceae (Sellerie), Betulaceae (Haselnuss), Solanaceae (Kartoffel, Tomate)
und exotische Früchte (Kiwi) mit allergischen Symptomen, berichtete PD
Dr. Peter SCHMID-GRENDELMEIER, Universitätsspital Zürich. Und immer
noch ein Viertel von ihnen verträgt
Gewürze wie Estragon, Kamille oder
Wermut nicht. Verantwortlich hierfür
sind praktisch identische Epitope, also
bestimmte Bereiche des die Spezifität
der Antikörper bestimmenden Antigens. In den letzten Jahren konnten
durch neue molekularbiologische Methoden wesentliche Erkenntnisse über
Art und Struktur von kreuzreagierenden Epitopen gewonnen werden. Insbesondere die Möglichkeit, als Allergen wirkende Proteine entweder zu
isolieren oder durch gentechnische
Methoden als einzelne Substanz herzustellen (rekombinante Allergene)
hat wesentlich dazu beigetragen. So
konnte zum Beispiel gezeigt werden,
dass das Hauptallergen der Birkenpollen, Bet v 1, für viele Kreuzreaktionen
verantwortlich ist. Sein Epitop hat zu
80–90 % die gleiche Proteinsequenz
wie das Hauptallergen Mal d 1 des Apfels, Cor a 1 der Haselnuss und Api g 1
des Selleries. In Tabelle 1 sind typische
Kreuzallergien zwischen verschiedenen Allergengruppen und Lebensmitteln aufgeführt.
Einige der allergieauslösenden Proteine sind thermolabil, d. h., bei Temperaturen über 60 °C wird die Proteinstruktur so zerstört, dass das Epitop
nicht mehr als allergen erkannt wird.
Dies ist beispielsweise der Fall bei Apfelprotein: Während rohe Äpfel beim
Birkenpollenallergiker Beschwerden
auslösen, werden häufig gekochte Äpfel vertragen. Sellerie-Allergene sind
dagegen thermostabil. Beifußpollenallergiker vertragen daher auch keinen
gekochten Sellerie.
Echte Erdbeerallergien sind hingegen sehr selten, bemerkte SCHMIDGRENDELMEIER. Vielmehr kämen die
Reaktionen (Urtikaria/Nesselfieber)
nach Kontakt mit Erdbeeren dadurch
zu Stande, dass Erdbeerkontakt unspezifisch zur Ausschüttung von Histamin führen kann.
Ist jedes Protein auch allergen?
Unter den zahlreichen Proteinen, die
wir täglich zu uns nehmen, sind vergleichsweise wenige, die auch das Potenzial besitzen, allergische Beschwerden hervorzurufen. Die International
Union of Immunological Societies hat
Ernährungs-Umschau 51 (2004) Heft 9
Tab. 1: Typische Kreuzallergien zwischen verschiedenen Allergengruppen und Lebensmitteln (Auswahl)
Pollen/andere
Allergenquellen
andere kreuzreagierende
Pollen
kreuzreagierende
Lebensmittel
Birke
Erle, Hasel, Buche, Eiche, Esche
Apfel, Haselnuss, Mandel, Aprikose,
Birne, Kirsche, Kiwi, Pfirsich
Gräser
Gräser untereinander,
Getreide, Mais
Tomate, Melone, Erdnuss, Sojabohne
Beifuß
Ambrosia, Sonnenblume
Sellerie, Karotte, Dill, Oregano,
Basilikum, Kümmel, Koriander,
Haselnuss, Paprika, Petersilie,
Sonnenblumenkerne
Platane
Birke, Erle, Hasel, Eiche, Buche,
Kastanie, Gräserpollen
Melone
Ölbaum
Oliven, Esche, Flieder, Forsythie,
Liguster, echter Jasmin, Gräser
Ananas, Ascorbinsäure, Meerrettich
Latex
Ficus(-saft)
Banane, Kiwi, Melone, Avocado
(Latex-Frucht-Syndrom)
Hausstaubmilben
Küchenschaben
Meeresfrüchte
Vogelfedern
–
Hühnerei (Vogel-Ei-Syndrom)
eine Liste veröffentlicht, die alle bisher
bekannten Allergene enthält. Diese
kann unter www.allergen.org/List.htm
abgerufen werden.
Die allergenen Proteine können in
Proteinfamilien gruppiert werden,
führte Prof. Dr. Karin HOFFMANN-SOMMERGRUBER, Medizinische Universität
Wien, aus. Pflanzliche Lebensmittelallergene sind vor allem Speicher- und
Strukturproteine sowie solche, die die
Abwehrmechanismen der Pflanze unterstützen. Es sei daher durchaus interessant, die physikochemischen Eigenschaften dieser Proteinfamilien
näher zu untersuchen und Gemeinsamkeiten zu identifizieren, die eine
Einschätzung der allergenen Potenz
eines Proteins zulassen. Wie allergen
ein Protein tatsächlich ist, werde
durch viele Faktoren beeinflusst, z. B.
die Löslichkeit, den Gehalt im Lebensmittel oder den Verarbeitungsgrad.
HOFFMANN-SOMMERGRUBER stellte in
diesem Zusammenhang die Ergebnisse eines EU-Projektes vor. Dieses hatte
zum Ziel, die verschiedenen Allergene
im Apfel zu erforschen. Bisher wurden
vier verschiedene Allergene des Apfels
(Malus domestica) identifiziert: Mal
d 1 bis Mal d 4. Diese Proteine wurden
aus dem Extrakt gereinigt und mit rekombinant hergestellten Proteinen
hinsichtlich ihrer physikochemischen
und immunologischen Eigenschaften
verglichen. Das erste aus dem Apfel
identifizierte Allergen ist eng verwandt mit dem Hauptallergen aus
dem Birkenpollen (Bet v 1). Es ist in
nennenswerten Mengen im Fruchtfleisch und in der Schale zu finden.
Mal d 1 ist ein labiles Protein, das sowohl durch Hitze als auch durch Einwirkung von Proteasen sofort zerstört
wird. Daher verursacht es primär lokale Symptome im Mund- und Rachenraum. Als weiteres, relevantes Lebensmittelallergen aus dem Apfel gilt Mal d
2, das mit dem aus Kirschen und Paprika identifizierten Proteinen Pru av 2
und Cap a 1 verwandt ist. Mal d 2
gehört zu den thaumatin-ähnlichen
Proteinen und ist sehr stabil. Mal d 3
ist ebenfalls hitzestabil und gegenüber
Verdauungsenzymen äußerst stabil.
Die Proteine sitzen vor allem in der
Schale. Sie verursachen bei allergischen Patienten in aller Regel schwere
Symptome und sind u. a. auch in pasteurisierten Fruchtsäften nachzuweisen. Mal d 4 (Apfelprofilin) ist ein instabiles Nebenallergen, aber hoch
kreuzreaktiv mit Profilinen vieler anderer Pflanzenarten, z. B. Birken, Gräser, Beifuß.
Laut HOFFMANN-SOMMERGRUBER reagieren Apfelallergiker unterschiedlich
auf die Allergene im Apfel. So vertragen beispielsweise Birkenpollenallergiker rote Apfelsorten häufig besser als
grüne. Auch spiele die Lagerung eine
Rolle: Je länger ein Apfel gelagert wird,
desto allergener ist er. Biologisch erzeugte Äpfel weisen häufig eine größere allergische Potenz auf als konventionell erzeugte Äpfel.
Lebensmittelallergien und
Antazida
Bei der Verdauung von Proteinen
spielt der pH-Wert des Magens eine
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besondere Rolle. In In-Vitro-Verdauungsversuchen konnte gezeigt werden, dass beispielsweise Milch- und
Fischproteine bei einem pH-Wert von
2 ihr allergenes Potenzial schon nach
einer Minute verlieren. Erhöht man
hingegen den pH-Wert auf 3 bis 5,
bleiben die Proteine wesentlich länger
unverdaut und damit auch allergen.
Bei Untersäuerung verliert der Magen
seine „Gate-Keeper“-Funktion, so
Prof. Erika JENSEN-JAROLIM, Medizinische Universität Wien. Proteine werden dann nicht vollständig verdaut.
Dies führt zu einer Bildung von Antikörpern (IgE) mit dem Risiko einer Lebensmittelallergie.
Interessant sind diese Ergebnisse
vor allem für Patienten, die häufig
Antazida einnehmen. Denn im Tierversuch entwickelten Mäuse nach einer medikamentösen Erhöhung des
Magen-pHs Lebensmittelallergien gegen die gefütterten Proteine. Eine bisher unveröffentlichte Studie bestätigt diese Ergebnisse: Bei Patienten,
die wegen Gastritis oder Magengeschwüren über 3 Monate mit H2Blockern und Protonenpumpen-Inhibitoren behandelt wurden, entwickelten sich IgE gegen Lebensmittel wie
Erdnuss, Walnuss, Kartoffel, Karotte
oder Sellerie. Zudem zeigten sie positive Hauttests.
Allergenes Potenzial
reduzieren
Viele Pollenallergiker reagieren auch auf
Obst allergisch
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Quelle: Bilderbox
Wie das allergene Potenzial von Lebensmitteln durch technische Maßnahmen reduziert werden kann, berichtete Prof. Dr. Dr. Hans STEINHART,
Universität Hamburg. So könnten
zum Beispiel bereits küchentechnische Maßnahmen wie Waschen,
Schälen oder Entfernen bestimmter
Bestandteile oder eine lebensmitteltechnologische Bearbeitung wie Erhitzen, Hochdruck oder enzymatische
bzw. saure Hydrolyse das allergene Potenzial verringern. Allerdings gilt dies
nicht für jedes Lebensmittel. Bei
Mangos, Erdnüssen und auch bei neuern Apfelsorten wie Golden Delicious
sei dies nicht möglich. In einigen Fällen nimmt die Allergenität sogar zu.
Zurzeit werde an neuen Technologien,
z. B. dem Hochdruckverfahren, in der
Lebensmittelzubereitung geforscht. In
Vorversuchen konnte so das allergene
Potenzial tierischer Lebensmittel reduziert werden.
Problematisch seien auch „versteckte Allergene“. Darunter verstehe
man Bestandteile in Lebensmitteln,
die unbewusst in verarbeitete Lebensmittel eingebracht werden (Beispiel
Nüsse in Milchschokolade).
an dem erkennbar sei, welches Antigen ein Allergen ist. Das heißt, eine Allergietestung auf Basis einzelner Allergene würde eine Vielzahl an Einzeltests erfordern und stößt damit an die
Grenze der Praktikabilität.
Daher entwickelt die Arbeitsgruppe
um SPITZAUER zurzeit ein neues Messprinzip (Microarray Allergen Test). Es
soll die simultane Bestimmung komplexer IgE-Reaktionsprofile gegen bis
zu 100 Einzelallergene ermöglichen.
Erste Vergleichbarkeitsstudien mit
herkömmlichen Routinetests zeigen,
dass zwischen den Verfahren eine gute
qualitative Übereinstimmung besteht.
Für einen quantitativen Nachweis
hingegen ist das neue Testverfahren
noch zu ungenau. Dennoch hält
SPITZAUER den Einsatz eines solchen
Microarray Allergen Test für die Routinediagnostik von Typ-I-Allergien
künftig für denkbar.
Basis der Diagnostik
Auf Basis rekombinanter Allergene,
also rein definierter allergener Moleküle, sei es gelungen, so Prof. Dr. Rudolf VALENTA, Medizinische Universität
Wien, die Epitope der häufigsten Allergenquellen zu rekonstruieren und
neue Diagnosetests zu entwickeln, die
das Reaktionsprofil von Allergikern bis
auf die Molekülebene erfassen.
Diese Technologie ermöglicht es
aber auch, hypoallergene Impfstoffe
gegen Allergien zu entwickeln. So gelang es der Arbeitsgruppe um VALENTA
beispielsweise einen Impfstoff für
Birkenpollen-Allergiker herzustellen,
der vielleicht in einigen Jahren die
Hyposensibilisierung ablösen kann.
Der Impfstoff (gentechnisch hergestellte, hypoallergene Derivate von Bet
v 1) wurde bereits in einer plazebokontrollierten Doppelblindstudie an
124 Birkenpollenallergikern getestet.
Die Impfung induzierte die Bildung
schützender IgG-Antikörper, die die
Freisetzung von Entzündungsmediatoren hemmt. Auch die Hautsensibilität wurde reduziert und die Krankheitsymptome verbesserten sich. Besonders interessant: Bei den geimpften Patienten waren die durch Birkenpollen-Exposition induzierten allergen-spezifischen und für den Ausbruch der Allergie verantwortlichen
IgE-Spiegel signifikant reduziert. Das
heißt, so VALETTA, die allergenspezifische Immuntherapie wirkt wie eine
echte Impfung etwa gegen Masern
oder Röteln.
Bis heute werden für alle routinemäßig durchgeführten Allergietests
Allergen-Extrakte verwendet. Laut
Prof. Dr. Susanne SPITZAUER, Medizinische Universität Wien, kann mit diesen Testsystemen nur die Quelle, nicht
aber das eigentlich die Allergie auslösende Allergen identifiziert werden.
Es können also keine Informationen
zum individuellen Reaktionsprofil eines Patienten erhoben werden. In
Hinblick auf den Erfolg einer spezifischen Immuntherapie sei jedoch die
Kenntnis über das individuelle IgEReaktionsmuster wichtig. Denn wenn
ein Patient beispielsweise auf die
Hauptallergene nicht reagiert, jedoch
auf kreuzreaktive, ist er für eine Immuntherapie weniger geeignet. Ein
weiteres Problem besteht zudem in
der Standardisierung von natürlichen
Allergen-Extrakten in Bezug auf den
Allergengehalt. Auch können bei der
Herstellung von Extrakten aus tierischen Material Kontaminationen
nicht ausgeschlossen werden. Falschnegative oder auch falsch-positive
Tests sind die Folge, bemerkte SPITZAUER.
Bisher konnten mehr als 100 einzelne Allergene standardisiert und charakterisiert werden. Viele von ihnen
sind von der genetischen Information
bis hin zu ihrer Tertiärstruktur erforscht. Allerdings gäbe es aus heutiger Sicht kein gemeinsames Merkmal,
Vision Allergieimpfung
Ernährungs-Umschau 51 (2004) Heft 9
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