Tagungen und Kongresse Lebensmittelallergien im Fokus Kirsten Grashoff, Frankfurt a. M. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts prägte der österreichische Mediziner Clemens Freiherr von Pirquet den Begriff der Allergie. Dieser leitet sich aus dem griechischen „allos“ (anders) und „ergos“ (Arbeit, Aktion) ab und bedeutet so viel wie eine vom normalen Verhalten abweichende Reaktion des Organismus auf bestimmte (körperfremde) Stoffe. Unter allen allergischen Erkrankungen sind die Lebensmittelallergien die am wenigsten untersuchten. Den aktuellen Stand der Wissenschaft bezüglich Klinik, Diagnostik, Prävention und Therapie präsentierten Experten beim Workshop „Nahrung und Immunabwehr im Clinch“. Dieser fand auf Initiative des Instituts Danone für Ernährung e. V. in Kooperation mit dem Institut für Pathophysiologie der Medizinischen Universität Wien am 17. und 18. Juni in Wien statt. Die körpereigene Abwehr Aufgabe des Immunsystems ist es, Fremdes (Antigene) zu erkennen und den Organismus vor Infektionen zu schützen, brachte Prof. Dr. Johannes RING, TU München, die Bedeutung der körpereigenen Abwehr auf den Punkt. Dazu werden Tausende von unterschiedlichen Immunzellen und eine Vielzahl immunaktiver Biostoffe in den lymphatischen Organen produziert (s. a. Abb. 1). Die von den Immunzellen wahrgenommenen Aufgaben bei der Abwehr von Antigenen werden als zellvermittelte Immunantwort bezeichnet. Die der immunaktiven Biostoffe als humorale Immunantwort. Der unspezifische (angeborene) Teil des Immunsystems sorgt dafür, dass beispielsweise Bakterien schon beim ersten Kontakt von Phagozyten (Fresszellen) beseitigt werden. Dies wirkt über so genannte Toll-like-Rezeptoren. Diese erkennen Muster und Signale, die den Organismus in Gefahr bringen. Das spezifische (erworbene) Immunsystem entwickelt sich dagegen erst nach und nach, so RING. Beispielsweise führt das Eindringen eines Antigens in den Körper dazu, dass sich B-Zellen vermehrt in Plasmazellen umwandeln und anschließend die passenden Antikörper produzieren. Diese Phase ist entscheidend dafür, ob zum Beispiel Toleranz signalisierende Immunglobuline vom Typ G oder Allergie auslösende Immunglobluline vom Typ E entstehen. Ernährungs-Umschau 51 (2004) Heft 9 Eine wichtige Funktion für die Infektionsabwehr haben aber auch die dendritischen Zellen, die auf der Hautoberfläche lokalisiert sind. Sie präsentieren laut RING das Antigen, leiten es an T-Zellen weiter und beeinflussen deren Immunantwort. Außerdem seien sie möglicherweise dafür verantwortlich, dass das Immunsystem die meisten der auf uns einwirkenden Stoffe toleriert. Allergie oder Intoleranz? müssen klassische Lebensmittelallergien immunologisch vermittelt sein. Es gibt 4 Typen von überschießenden Immunreaktionen. Am häufigsten ist bei Lebensmitteln die IgE-vermittelte Typ-I- oder Sofortreaktion (Abb. 2). Vom Patienten unbemerkt, findet hierbei zunächst, wie bei jeder echten Allergie, eine Sensibilisierung gegen ein bestimmtes Antigen statt. IgE-Antikörper bilden sich und binden über Rezeptoren an die Oberfläche von Mastzellen. Hat der Patient erneut Kontakt zu dem Allergen, wird dies an den IgE-Antikörper gebunden. Kommt es dann zur Brückenbildung (Crosslinking) zwischen zwei IgE-Molekülen, platzen die Mastzellen und setzen Entzündungsmediatoren wie zum Beispiel Histamin frei. Als Folge treten typische Symptome wie Entzündungen oder Juckreiz, aber auch Durchfall, allergisches Asthma oder ein anaphylaktischer Schock auf. Dieser Vorgang dauert maximal 15 Minuten. 2 bis 4 Stunden später kann sich eine verstärkte Entzündungsreaktion anschließen. Diese Spätreaktion ist dafür verantwortlich, dass die Allergiesymptome chronisch (chronisches Asthma, Neurodermitis) werden, der Betroffene also dauerhaft krank wird, machte BISCHOFF deutlich. Neben den IgE-vermittelten Allergien wie dem Oralen Allergie Syndrom, der akuten Urtikaria oder allergische Rhinitis gibt es allerdings auch nicht IgE-vermittelte Allergien. Hierzu ge- Allergien werden medizinisch klar von Lebensmittelintoleranzen (z. B. Laktoseintoleranz) abgegrenzt. Die Symptome ähneln sich zwar, aber die zu Grunde liegenden Mechanismen unterscheiden sich bei beiden Erkrankungen deutlich. 20 bis 25 % der Bevölkerung in Industrieländern klagen Immunsystem über Lebensmittelunverträglichkeiten – mit steigender unspezifische Immunabwehr spezifische Immunabwehr (angeboren) (erworben) Tendenz, erklärte Professor Dr. Stephan BISCHOFF, Medizellulär zellulär humorale vermittelte humorale vermittelte Immunantwort zinische HochschuImmunantwort Immunantwort Immunantwort (B-Lymphozyten) (T-Lymphozyten) le Hannover. Bei Kindern handelt es sich nur bei einem Makrophagen Plasmazelle Monozyten KomplementT-Helferzellen Viertel dieser Reak(Immunglobuline: Granulozyten system T-Killerzellen IgA, IgG, IgM, tionen wirklich um Interferone T-Supressorzellen Natürliche IgE, IgD) und andere T-GedächtnisKillerzellen B-GedächtnisAllergien, bei ErSerumproteine zellen Dendritische zellen Zellen wachsenen nur bei etwa 10 %. Nach der Definition, so BISCHOFF, Abb. 1: Übersicht über das Immunsystem 385 Tagungen und Kongresse IgE-vermittelte Typ I Allergie Sensibilisierung Spätreaktion Sofortreaktion Allergen DC DC2 B IgE DC2 IL-3, IL5 Be T Gene IL-4 IL-13 Th2 IL-4 Th2 IL-3 IL-5 ENS Eo Histamin etc. Weitere Entzündungsmediatoren Abb. 2: IgE-vermittelte Typ I Allergie [B-Zellen; Be: IgE-produzierende Plasmazellen; DC: dendritische Zellen; Eo: eosinophile Granulozyten; ENS: enteritisches Nervensystem; IgE: Immunglobulin E; IL: Interleukine; T: T-Zellen; Th2: T-Helferzellen] höre beispielsweise die Zöliakie, bei der die Immunreaktionen IgA-vermittelt ablaufen. Volkskrankheit Allergie „Am Anfang einer Allergikerkarriere steht die Lebensmittelallergie. Ab einem Alter von etwa 2 Jahren nehmen diese kontinuierlich ab und respiratorische Allergien bis ins Erwachsenenalter zu“, charakterisierte Prof. Dr. Harald RENZ, Philipps-Universität Marburg, das Schicksal eines Allergikers. Dabei waren noch um ca. 1900 allergische Erkrankungen eher eine Seltenheit. Heute gehören sie zu den häufigsten chronischen Krankheiten in der Pädiatrie und nehmen auch bei Erwachsenen stetig zu. Eine Vielzahl epidemiologischer Studien lassen keinen Zweifel darüber, dass Allergien in den letzten 2 Generationen (ca. 40 Jahre) dramatisch zugenommen haben. Auch zeigen sie, dass vor allem Industrieländer (Nordamerika, Europa, Australien, Japan) betroffen sind. Warum das so ist, ist bis heute nicht eindeutig erforscht. Das Immunsystem jedes Menschen wird bereits während der Schwangerschaft geprägt, berichtete RENZ weiter. Daher sei es wichtig, dass Schwangere potenziell allergene Lebensmittel, zum Beispiel Kuhmilch, nicht meiden. Nur so kann das Immunsystem des Kindes beim späteren Erstkontakt Kuhmilch-Antigene erkennen und sie als harmlos und unbedenklich bewerten, also tolerieren. Auch der Kontakt mit harmlosen und banalen Krankheitserregern bei 386 Erkältungskrankheiten der oberen Luftwege und die Besiedelung des Gastro-Intestinal-Traktes mit Bakterien seien beispielsweise wichtig für die Toleranzbildung des Immunsystems. Findet diese normale Reifung und Entwicklung nicht statt, so ist es auch nicht in der Lage harmlose Umweltantigene als solche zu erkennen. Dagegen häufen sich fehlgerichtete (allergische) Reaktionen. Dieses Konzept wird als Hygiene-Hypothese bezeichnet. Neu ist, so RENZ, dass man Mikroben jetzt nicht mehr ausschließlich als gefährliche Krankheit auslösende Erreger betrachtet, sondern davon ausgeht, dass sie natürliche Immunmodulatoren sind. Als Beispiele nannte er Lipopolysaccharide, Mykobakterien und Lactobacillen. Die Frage nach dem Risiko Allergische Reaktionen auf Lebensmittel treten bei ca. 6 bis 8 % aller Kinder in den ersten Lebensjahren auf. Von den Kindern mit atopischer Dermatitis leidet jedes dritte Kind unter einer Lebensmittelallergie. Die meisten betroffenen Kinder entwickeln später eine klinische Toleranz, machte Dr. Kirsten BEYER, Virchow-Klinikum, Charité Berlin, deutlich. Das heißt, sie können das entsprechende Lebensmittel wieder essen, wenn sie älter werden. Diese Toleranzentwicklung ist allerdings abhängig vom jeweiligen Lebensmittel, das die allergische Reaktion auslöst. So entwickeln ca. 80 % der Kinder mit einer Kuhmilchallergie eine klinische Toleranz, wohingegen es bei der Erdnussallergie nur ca. 20 % der Patienten sind. Wie bei anderen atopischen Erkrankungen scheint die genetische Veranlagung bei der Lebensmittelallergie eine wichtige Rolle zu spielen, betonte BEYER. So hat eine Studie zur Erdnussallergie gezeigt, dass die Konkordanzrate bei eineiigen Zwillingen 64 %, bei zweieiigen jedoch nur 7 % beträgt. Generell scheint eine höhere Exposition gegenüber bakteriellen Produkten vor der Entwicklung einer allergischen Erkrankung zu schützen. Auch die normale Darmflora mit ihrer enormen Bakterienzahl (geschätzt: 1012-14 MO pro ml Koloninhalt) ist vermutlich wichtig für die Ausbildung des regulären Immunsystems des Darms. Es hängt u. a. von genetischen Faktoren, der mütterlichen Darmflora und der Umgebung ab, wie sich die Darmflora in den ersten Lebenstagen ausbildet. Im Tierexperiment konnte gezeigt werden, dass in keimfreier Umgebung aufgezogene Mäuse keine normale orale Toleranz entwickeln. Auf einen weiteren interessanten Befund wies BEYER hin: Kinder, die per Kaiserschnitt auf die Welt kommen, weisen eine verzögerte Kolonisierung des Darms auf und haben ein 3fach höheres Risiko für Lebensmittelallergien. Bei Kindern allergischer Mütter war das Risiko sogar 7-mal so hoch. Ob eine Lebensmittelallergie durch die Vermeidung des entsprechenden Lebensmittels verhindert werden kann, ist bis heute nicht geklärt, so BEYER. Im Tierversuch hätte sich gezeigt, dass geringe Dosen eines Allergens eher zur Sensibilisierung und höhere Dosen zu Toleranzentwicklung führen. Bei Kindern konnte jedoch die Entwicklung einer allergischen Erkrankung durch Verwendung von extensiv hydrolisierten Casein-Formula im Vergleich zu Kuhmilch-Formula signifikant verringert werden. Auch scheint Zigarettenrauch die Sensibilisierung von Kindern gegen Lebensmittelantigene zu erhöhen. So konnte eine Studie nachweisen, dass sich das Risiko für eine Lebensmittelallergie mehr als verdoppelte, wenn die Mutter während der Schwangerschaft und auch nach der Geburt rauchte (vgl. a. Leitlinie Allergieprävention, S. 361 ff). Kreuzallergien Etwa 40 bis 50 % aller Patienten mit Birkenpollenallergie reagieren auch Ernährungs-Umschau 51 (2004) Heft 9 Tagungen und Kongresse auf Rosaceae (Apfel, Birne, Kirsche), Apiaceae (Sellerie), Betulaceae (Haselnuss), Solanaceae (Kartoffel, Tomate) und exotische Früchte (Kiwi) mit allergischen Symptomen, berichtete PD Dr. Peter SCHMID-GRENDELMEIER, Universitätsspital Zürich. Und immer noch ein Viertel von ihnen verträgt Gewürze wie Estragon, Kamille oder Wermut nicht. Verantwortlich hierfür sind praktisch identische Epitope, also bestimmte Bereiche des die Spezifität der Antikörper bestimmenden Antigens. In den letzten Jahren konnten durch neue molekularbiologische Methoden wesentliche Erkenntnisse über Art und Struktur von kreuzreagierenden Epitopen gewonnen werden. Insbesondere die Möglichkeit, als Allergen wirkende Proteine entweder zu isolieren oder durch gentechnische Methoden als einzelne Substanz herzustellen (rekombinante Allergene) hat wesentlich dazu beigetragen. So konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass das Hauptallergen der Birkenpollen, Bet v 1, für viele Kreuzreaktionen verantwortlich ist. Sein Epitop hat zu 80–90 % die gleiche Proteinsequenz wie das Hauptallergen Mal d 1 des Apfels, Cor a 1 der Haselnuss und Api g 1 des Selleries. In Tabelle 1 sind typische Kreuzallergien zwischen verschiedenen Allergengruppen und Lebensmitteln aufgeführt. Einige der allergieauslösenden Proteine sind thermolabil, d. h., bei Temperaturen über 60 °C wird die Proteinstruktur so zerstört, dass das Epitop nicht mehr als allergen erkannt wird. Dies ist beispielsweise der Fall bei Apfelprotein: Während rohe Äpfel beim Birkenpollenallergiker Beschwerden auslösen, werden häufig gekochte Äpfel vertragen. Sellerie-Allergene sind dagegen thermostabil. Beifußpollenallergiker vertragen daher auch keinen gekochten Sellerie. Echte Erdbeerallergien sind hingegen sehr selten, bemerkte SCHMIDGRENDELMEIER. Vielmehr kämen die Reaktionen (Urtikaria/Nesselfieber) nach Kontakt mit Erdbeeren dadurch zu Stande, dass Erdbeerkontakt unspezifisch zur Ausschüttung von Histamin führen kann. Ist jedes Protein auch allergen? Unter den zahlreichen Proteinen, die wir täglich zu uns nehmen, sind vergleichsweise wenige, die auch das Potenzial besitzen, allergische Beschwerden hervorzurufen. Die International Union of Immunological Societies hat Ernährungs-Umschau 51 (2004) Heft 9 Tab. 1: Typische Kreuzallergien zwischen verschiedenen Allergengruppen und Lebensmitteln (Auswahl) Pollen/andere Allergenquellen andere kreuzreagierende Pollen kreuzreagierende Lebensmittel Birke Erle, Hasel, Buche, Eiche, Esche Apfel, Haselnuss, Mandel, Aprikose, Birne, Kirsche, Kiwi, Pfirsich Gräser Gräser untereinander, Getreide, Mais Tomate, Melone, Erdnuss, Sojabohne Beifuß Ambrosia, Sonnenblume Sellerie, Karotte, Dill, Oregano, Basilikum, Kümmel, Koriander, Haselnuss, Paprika, Petersilie, Sonnenblumenkerne Platane Birke, Erle, Hasel, Eiche, Buche, Kastanie, Gräserpollen Melone Ölbaum Oliven, Esche, Flieder, Forsythie, Liguster, echter Jasmin, Gräser Ananas, Ascorbinsäure, Meerrettich Latex Ficus(-saft) Banane, Kiwi, Melone, Avocado (Latex-Frucht-Syndrom) Hausstaubmilben Küchenschaben Meeresfrüchte Vogelfedern – Hühnerei (Vogel-Ei-Syndrom) eine Liste veröffentlicht, die alle bisher bekannten Allergene enthält. Diese kann unter www.allergen.org/List.htm abgerufen werden. Die allergenen Proteine können in Proteinfamilien gruppiert werden, führte Prof. Dr. Karin HOFFMANN-SOMMERGRUBER, Medizinische Universität Wien, aus. Pflanzliche Lebensmittelallergene sind vor allem Speicher- und Strukturproteine sowie solche, die die Abwehrmechanismen der Pflanze unterstützen. Es sei daher durchaus interessant, die physikochemischen Eigenschaften dieser Proteinfamilien näher zu untersuchen und Gemeinsamkeiten zu identifizieren, die eine Einschätzung der allergenen Potenz eines Proteins zulassen. Wie allergen ein Protein tatsächlich ist, werde durch viele Faktoren beeinflusst, z. B. die Löslichkeit, den Gehalt im Lebensmittel oder den Verarbeitungsgrad. HOFFMANN-SOMMERGRUBER stellte in diesem Zusammenhang die Ergebnisse eines EU-Projektes vor. Dieses hatte zum Ziel, die verschiedenen Allergene im Apfel zu erforschen. Bisher wurden vier verschiedene Allergene des Apfels (Malus domestica) identifiziert: Mal d 1 bis Mal d 4. Diese Proteine wurden aus dem Extrakt gereinigt und mit rekombinant hergestellten Proteinen hinsichtlich ihrer physikochemischen und immunologischen Eigenschaften verglichen. Das erste aus dem Apfel identifizierte Allergen ist eng verwandt mit dem Hauptallergen aus dem Birkenpollen (Bet v 1). Es ist in nennenswerten Mengen im Fruchtfleisch und in der Schale zu finden. Mal d 1 ist ein labiles Protein, das sowohl durch Hitze als auch durch Einwirkung von Proteasen sofort zerstört wird. Daher verursacht es primär lokale Symptome im Mund- und Rachenraum. Als weiteres, relevantes Lebensmittelallergen aus dem Apfel gilt Mal d 2, das mit dem aus Kirschen und Paprika identifizierten Proteinen Pru av 2 und Cap a 1 verwandt ist. Mal d 2 gehört zu den thaumatin-ähnlichen Proteinen und ist sehr stabil. Mal d 3 ist ebenfalls hitzestabil und gegenüber Verdauungsenzymen äußerst stabil. Die Proteine sitzen vor allem in der Schale. Sie verursachen bei allergischen Patienten in aller Regel schwere Symptome und sind u. a. auch in pasteurisierten Fruchtsäften nachzuweisen. Mal d 4 (Apfelprofilin) ist ein instabiles Nebenallergen, aber hoch kreuzreaktiv mit Profilinen vieler anderer Pflanzenarten, z. B. Birken, Gräser, Beifuß. Laut HOFFMANN-SOMMERGRUBER reagieren Apfelallergiker unterschiedlich auf die Allergene im Apfel. So vertragen beispielsweise Birkenpollenallergiker rote Apfelsorten häufig besser als grüne. Auch spiele die Lagerung eine Rolle: Je länger ein Apfel gelagert wird, desto allergener ist er. Biologisch erzeugte Äpfel weisen häufig eine größere allergische Potenz auf als konventionell erzeugte Äpfel. Lebensmittelallergien und Antazida Bei der Verdauung von Proteinen spielt der pH-Wert des Magens eine 387 Tagungen und Kongresse besondere Rolle. In In-Vitro-Verdauungsversuchen konnte gezeigt werden, dass beispielsweise Milch- und Fischproteine bei einem pH-Wert von 2 ihr allergenes Potenzial schon nach einer Minute verlieren. Erhöht man hingegen den pH-Wert auf 3 bis 5, bleiben die Proteine wesentlich länger unverdaut und damit auch allergen. Bei Untersäuerung verliert der Magen seine „Gate-Keeper“-Funktion, so Prof. Erika JENSEN-JAROLIM, Medizinische Universität Wien. Proteine werden dann nicht vollständig verdaut. Dies führt zu einer Bildung von Antikörpern (IgE) mit dem Risiko einer Lebensmittelallergie. Interessant sind diese Ergebnisse vor allem für Patienten, die häufig Antazida einnehmen. Denn im Tierversuch entwickelten Mäuse nach einer medikamentösen Erhöhung des Magen-pHs Lebensmittelallergien gegen die gefütterten Proteine. Eine bisher unveröffentlichte Studie bestätigt diese Ergebnisse: Bei Patienten, die wegen Gastritis oder Magengeschwüren über 3 Monate mit H2Blockern und Protonenpumpen-Inhibitoren behandelt wurden, entwickelten sich IgE gegen Lebensmittel wie Erdnuss, Walnuss, Kartoffel, Karotte oder Sellerie. Zudem zeigten sie positive Hauttests. Allergenes Potenzial reduzieren Viele Pollenallergiker reagieren auch auf Obst allergisch 388 Quelle: Bilderbox Wie das allergene Potenzial von Lebensmitteln durch technische Maßnahmen reduziert werden kann, berichtete Prof. Dr. Dr. Hans STEINHART, Universität Hamburg. So könnten zum Beispiel bereits küchentechnische Maßnahmen wie Waschen, Schälen oder Entfernen bestimmter Bestandteile oder eine lebensmitteltechnologische Bearbeitung wie Erhitzen, Hochdruck oder enzymatische bzw. saure Hydrolyse das allergene Potenzial verringern. Allerdings gilt dies nicht für jedes Lebensmittel. Bei Mangos, Erdnüssen und auch bei neuern Apfelsorten wie Golden Delicious sei dies nicht möglich. In einigen Fällen nimmt die Allergenität sogar zu. Zurzeit werde an neuen Technologien, z. B. dem Hochdruckverfahren, in der Lebensmittelzubereitung geforscht. In Vorversuchen konnte so das allergene Potenzial tierischer Lebensmittel reduziert werden. Problematisch seien auch „versteckte Allergene“. Darunter verstehe man Bestandteile in Lebensmitteln, die unbewusst in verarbeitete Lebensmittel eingebracht werden (Beispiel Nüsse in Milchschokolade). an dem erkennbar sei, welches Antigen ein Allergen ist. Das heißt, eine Allergietestung auf Basis einzelner Allergene würde eine Vielzahl an Einzeltests erfordern und stößt damit an die Grenze der Praktikabilität. Daher entwickelt die Arbeitsgruppe um SPITZAUER zurzeit ein neues Messprinzip (Microarray Allergen Test). Es soll die simultane Bestimmung komplexer IgE-Reaktionsprofile gegen bis zu 100 Einzelallergene ermöglichen. Erste Vergleichbarkeitsstudien mit herkömmlichen Routinetests zeigen, dass zwischen den Verfahren eine gute qualitative Übereinstimmung besteht. Für einen quantitativen Nachweis hingegen ist das neue Testverfahren noch zu ungenau. Dennoch hält SPITZAUER den Einsatz eines solchen Microarray Allergen Test für die Routinediagnostik von Typ-I-Allergien künftig für denkbar. Basis der Diagnostik Auf Basis rekombinanter Allergene, also rein definierter allergener Moleküle, sei es gelungen, so Prof. Dr. Rudolf VALENTA, Medizinische Universität Wien, die Epitope der häufigsten Allergenquellen zu rekonstruieren und neue Diagnosetests zu entwickeln, die das Reaktionsprofil von Allergikern bis auf die Molekülebene erfassen. Diese Technologie ermöglicht es aber auch, hypoallergene Impfstoffe gegen Allergien zu entwickeln. So gelang es der Arbeitsgruppe um VALENTA beispielsweise einen Impfstoff für Birkenpollen-Allergiker herzustellen, der vielleicht in einigen Jahren die Hyposensibilisierung ablösen kann. Der Impfstoff (gentechnisch hergestellte, hypoallergene Derivate von Bet v 1) wurde bereits in einer plazebokontrollierten Doppelblindstudie an 124 Birkenpollenallergikern getestet. Die Impfung induzierte die Bildung schützender IgG-Antikörper, die die Freisetzung von Entzündungsmediatoren hemmt. Auch die Hautsensibilität wurde reduziert und die Krankheitsymptome verbesserten sich. Besonders interessant: Bei den geimpften Patienten waren die durch Birkenpollen-Exposition induzierten allergen-spezifischen und für den Ausbruch der Allergie verantwortlichen IgE-Spiegel signifikant reduziert. Das heißt, so VALETTA, die allergenspezifische Immuntherapie wirkt wie eine echte Impfung etwa gegen Masern oder Röteln. Bis heute werden für alle routinemäßig durchgeführten Allergietests Allergen-Extrakte verwendet. Laut Prof. Dr. Susanne SPITZAUER, Medizinische Universität Wien, kann mit diesen Testsystemen nur die Quelle, nicht aber das eigentlich die Allergie auslösende Allergen identifiziert werden. Es können also keine Informationen zum individuellen Reaktionsprofil eines Patienten erhoben werden. In Hinblick auf den Erfolg einer spezifischen Immuntherapie sei jedoch die Kenntnis über das individuelle IgEReaktionsmuster wichtig. Denn wenn ein Patient beispielsweise auf die Hauptallergene nicht reagiert, jedoch auf kreuzreaktive, ist er für eine Immuntherapie weniger geeignet. Ein weiteres Problem besteht zudem in der Standardisierung von natürlichen Allergen-Extrakten in Bezug auf den Allergengehalt. Auch können bei der Herstellung von Extrakten aus tierischen Material Kontaminationen nicht ausgeschlossen werden. Falschnegative oder auch falsch-positive Tests sind die Folge, bemerkte SPITZAUER. Bisher konnten mehr als 100 einzelne Allergene standardisiert und charakterisiert werden. Viele von ihnen sind von der genetischen Information bis hin zu ihrer Tertiärstruktur erforscht. Allerdings gäbe es aus heutiger Sicht kein gemeinsames Merkmal, Vision Allergieimpfung Ernährungs-Umschau 51 (2004) Heft 9