PharmaForum Weniger Blutungsereignisse bei Immunthrombozytopenie Nplate® (Romiplostim) auch unter Praxisbedingungen mit ausgezeichneter Wirksamkeit Die Einteilung von Blutungen nach Schweregraden orientiert sich an der Weltgesundheitsorganisation (WHO)-Klassifikation (Tab. 1). Das Auftreten von (v.a. schwereren) Blutungen stellt für den Patienten eine erhebliche Belastung mit einer Minderung der Lebensqualität dar. Verursacht wird der Thrombozytenabfall unter einer ITP einerseits durch einen vermehrten Abbau der Blutplättchen vor allem in der Milz, andererseits durch eine verminderte Neuproduktion. Zur Erstlinientherapie werden gewöhnlich Kortikosteroide bzw. bei schweren Blutungen (Grad III/IV nach WHO) intravenöse Immunglobuline empfohlen, deren Wirkung aber meist relativ schnell nachlässt. Als Zweitlinientherapie stehen neben der Splenektomie, die allerdings mit postoperativen Komplikationen und Folgeerscheinungen wie Infektionen, Blutungen und Thrombosen assoziiert ist, Thrombopoetinrezeptor-Agonisten wie Romiplostim zur Verfügung. Romiplostim (Nplate®) ist ein sogenannter «Peptibody», d.h. es besteht aus der schweren Kette eines Immunglobulinmoleküls, das mit zwei Thrombopoetin-mimetischen Peptiden verknüpft ist, die den Thrombopoetinrezeptor stimulieren. Die kontinuierliche Behandlung mit Romiplostim führt zur Erhöhung der Thrombozytenzahlen bei Patienten mit ITP, die bis zu 5 Jahre lang anhalten kann und von den meisten Patienten gut vertragen wird [1, 5, 6]. Tab. 1. Blutungsgrade nach WHO und NCI CTCAE (National Cancer Institute Common Terminology Criteria for Adverse Events) WHO-Blutungsgrad 0 Keine Blutungszeichen WHO-Blutungsgrad I – Petechien – kleine Hämatome, Ekchymosen (< 10 cm) – Schleimhautblutungen (Mund, Nase) – Epistaxis (< 1 Std. Dauer, keine ärztliche Intervention notwendig) – subkonjunktivale Blutungen WHO-Blutungsgrad II (keine Transfusion notwendig) – Hämatome, Ekchymosen (> 10 cm) – Epistaxis (> 1 Std. Dauer oder Tamponade notwendig) – retinale Blutungen ohne Visusverminderung – vaginale Blutungen (unabhängig von Menstruation, mehr als 2 Binden/Tag notwendig) – Melaena, Hämatemesis, Hämoptysen, Hämaturie, Hämatochezie – Blutungen aus Punktionsstellen – Blutungen in Muskel und Gelenke WHO-Blutungsgrad III (zeitnahe Transfusion notwendig) – Epistaxis – Schleimhautblutungen (Mund, Nase) – vaginale Blutungen (unabhängig von Menstruation, mehr als 2 Binden/Tag notwendig) – Melaena, Hämatemesis, Hämoptysen, Hämaturie, Hämatochezie – Blutungen aus Punktionsstellen – Blutungen in Muskel und Gelenke WHO-Blutungsgrad IV (unabhängig vom Transfusionsbedarf) – retinale Blutungen mit Visusverminderung – Blutungen im Zentralnervensystem (ZNS) – andere Organblutungen, die die Funktion der betroffenen Organe (Gelenke, Muskulatur, Niere, Lunge, usw.) gefährden – letale Blutungen © 2015 S. Karger GmbH, Freiburg Fax + 49 761 4 52 07 14 [email protected] www.karger.com Zugelassen ist Romiplostim für Patienten, die gegen andere Therapien refraktär sind, die splenektomiert sind oder für die ein solcher Eingriff nicht infrage kommt [1]. Die Wirkung von Romiplostim ist unabhängig vom Vorhandensein der Milz und ist für die behandelten Patienten mit einer Verbesserung der Lebensqualität verbunden [7]. Der Wirkmechanismus von Romiplostim wird derzeit intensiv erforscht. Es gibt mittlerweile starke Hinweise darauf, dass Romiplostim über die Stimulation der Neubildung von Blutplättchen hinaus auch in immunologische Mechanismen eingreift, vor allem durch Beeinflussung regulatorischer T-Lymphozyten, und dadurch den immunvermittelten Abbau der Thrombozyten verhindert (z.B. [8, 9]). Therapieziel: anhaltende Remission Das Therapieziel ist idealerweise eine anhaltende Remission, die offenbar leichter zu erzielen ist, wenn Patienten bereits frühzeitig im Krankheitsverlauf behandelt werden. Untersucht wurde dies in einer prospektiven, 1-armigen Phase-II-Studie [4], in der 75 Patienten, die höchstens 6 Monate lang an einer ITP gelitten hatten, Romiplostim erhielten. 70 von ihnen (93%) sprachen mit einer Erhöhung der Thrombozytenzahlen auf 50 × 109/l oder mehr an. Das Ansprechen trat schnell ein, nämlich nach im Median lediglich 2 Wochen, und dauerte im Median 11 Monate an; 32% der Patienten zeigten auch nach 24 Wochen eine anhaltende Remission – nachdem das Medikament bereits abgesetzt worden war. Diese Ergebnisse zeigen die hohe Ansprechrate von Romiplostim sowie die Chance auf anhaltende Remissionen bei Patienten, die einen dauerhaft stabilen Thrombozytenwert erreichen [4]. Für den Patienten ebenso wie für den behandelnden Arzt können damit eine erhöhte Therapiesicherheit und eine spürbare Entlastung verbunden sein. Wirksamkeit und Verträglichkeit in der Praxis mit Studiendaten vergleichbar In einer deutschen und einer europäischen Beobachtungsstudie [2, 3] wird die Wirksamkeit von Romiplostim bei erwachsenen Patienten mit ITP (125 in der deutschen, 356 in Downloaded by: 88.99.70.242 - 10/20/2017 7:56:57 PM Die chronische immun-(idiopathische) thrombozytopenische Purpura (ITP) ist eine Autoimmunerkrankung, die durch niedrige Thrombozytenzahlen und dadurch bedingt rezidivierende Blutungskomplikationen gekennzeichnet ist. Die Therapie zielt neben der Erreichung einer lang anhaltenden Remission darauf ab, die für die Betroffenen belastende, erhöhte Blutungsneigung möglichst dauerhaft zu verringern. Durch den Einsatz des Thrombopoetinrezeptor-Agonisten Romiplostim (Nplate®) bei splenektomierten Patienten, die gegenüber anderen Therapien refraktär sind, bzw. als Second-Line-Therapie bei Patienten, bei denen eine Operation kontraindiziert ist [1], lassen sich Blutungen und Hospitalisierungen deutlich vermindern [2, 3], und die Remission hält bei einem Teil der Patienten auch nach Absetzen der Therapie an [4]. Um eine möglichst lang anhaltende Remission zu erreichen, scheint der möglichst frühe Therapiebeginn mit Romiplostim – bevor die Blutungen einsetzen – von großer Bedeutung zu sein. 40 30 24 20 10 14,9 6,1 3,7 0 Blutungen Grad III/IV vor Romiplostim der europäischen Studie) in der täglichen Praxis – abseits der Bedingungen, wie sie in klinischen Studien herrschen – untersucht: In den Interimsanalysen zeigte sich beispielsweise, dass der Thrombozytenwert in der deutschen Studie von im Median 26 × 109/l auf über 50 × 109/l anstieg und auch langfristig so hoch blieb [2]. In der europäischen Studie [3] betrug der Thrombozytenwert anfangs im Median 20 × 109/l, stieg nach 2 Wochen auf 69 × 109/l und blieb anschließend bei mehr als 50 × 109/l. Die Rate an Grad-III/IV-Blutungen hatte in der deutschen Studie vor Therapiebeginn bei 6,1 pro 100 Patientenjahre gelegen; nach Beginn der Behandlung wurde sie auf 3,7 pro 100 Patientenjahre reduziert [2]. In der europäischen Studie sank sie noch stärker von 12 pro 100 Patientenjahre vor Therapiebeginn auf lediglich 2 pro 100 Patientenjahre nach Beginn der Behandlung [3]. Gleichzeitig sank die Rate ITP-bedingter Hospitalisierungen in der deutschen Studie von 24 auf 14,9 pro 100 Patientenjahre [2] (Abb. 1), in der europäischen Studie von 87 auf 35 pro 100 Patientenjahre [3]. Die Blutungs- und Hospitalisierungsraten waren in der europäischen Studie bei splenektomierten und nicht splenektomierten Patienten vergleichbar [3]. In der deutschen Studie wurden insgesamt 6 schwerwiegende unerwünschte Ereignisse beobachtet [2], in der europäischen Studie 13 [3]. Diese Studiendaten bedeuten für den Arzt, dass er seinen ITP-Patienten eine effektive Behandlungsoption anbieten kann. Die Reduktion von Blutungen und die geringere Rate an Einweisungen ins Krankenhaus wiederum bedeuten für die Patienten ein großes Plus an Lebensqualität. Individuelle Dosisfindung für den Patienten Für den Erfolg der Behandlung einer ITP ist eine ausreichend lange und genügend hoch dosierte Therapie mit Romiplostim von großer Bedeutung: Das Medikament wird zu Beginn Hospitalisierung nach Romiplostim Abb. 1. Abnahme der Blutungsund Hospitalisierungsraten durch die RomiplostimTherapie, modifiziert nach [2]. mit 1 μg/kg wöchentlich dosiert – zur Berechnung der Dosis sollte das tatsächliche Körpergewicht des Patienten bei Therapiebeginn verwendet werden. Romiplostim wird 1-mal wöchentlich gegeben, die anzuwendende Dosis sollte so lange in Schritten von 1 μg/kg erhöht werden, bis der Patient eine Thrombozytenzahl von 50 × 109/l erreicht hat. Die Thrombozytenzahlen werden weiter so lange in wöchentlichem Abstand bestimmt, bis sie sich ohne weitere Dosisanpassung für mindestens 4 Wochen bei mindestens 50 × 109/l stabilisiert haben. Danach werden die Thrombozytenzahlen im Monatsabstand überprüft. Die maximale Dosis von Romiplostim darf einen Wert von 10 μg/kg 1-mal wöchentlich nicht überschreiten. Bei Thrombozytenzahlen von > 250 × 109/l muss mit der Therapie pausiert werden, sobald der Wert auf unter 150 × 109/l absinkt, sollte sie mit einer um 1 μg/kg reduzierten Dosis fortgesetzt werden [1]. Weil die Knochenmarkzellen individuell sehr unterschiedlich ansprechen können, kann es bei manchen Patienten nach Verringerung der Dosis oder nach Absetzen der Behandlung zu einem abrupten Absinken der Thrombozyten-Zahl auf unter 50 × 109/l kommen. In solchen Fällen kann, sofern es klinisch angemessen erscheint, ein höherer Grenzwert der Thrombozytenzahl für die Dosisreduktion (200 × 109/l) bzw. für das Aussetzen der Behandlung (400 × 109/l) angesetzt werden [1]. Den weiten Dosierungsspielraum kann man zur Optimierung der Ansprechrate nutzen: In 2 randomisierten Studien betrug die mediane Dosis von Romiplostim, mit der Thrombozytenzahlen zwischen 50 und 200 × 109/l gehalten werden konnten, etwa 3 μg/kg für splenektomierte und etwa 2 μg/kg für nicht splenektomierte Patienten; das entspricht etwa 30% bzw. 20% der Maximaldosis [10]. Unter Eltrombopag, dem anderen Thrombopoetinrezeptor-Agonisten, wurde eine deutlich höhere mediane Dosis eingesetzt, nämlich zwischen 71% und 85% der Maximaldosis [11]. © 2015 S. Karger GmbH, Freiburg Fax + 49 761 4 52 07 14 [email protected] www.karger.com Darüber hinaus kann unter der 1-mal wöchentlichen subkutanen Injektion von Romiplostim eine bessere Compliance erwartet werden als unter Eltrombopag, das zwar oral, aber täglich dosiert wird. Fazit Wie sich in der deutschen und in der europäischen Beobachtungsstudie zeigt [2, 3], weist Romiplostim (Nplate®) auch unter Praxisbedingungen eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit auf. Das subkutan zu injizierende Thrombopoetin-Mimetikum kann das Risiko für Blutungen und dadurch bedingte Hospitalisierungen senken und bei einem erheblichen Anteil der Patienten die Grundlage lang anhaltender Remissionen schaffen. Blutungs- und Hospitalisierungsraten lassen sich bei splenektomierten ebenso wie bei nicht splenektomierten Patienten vergleichbar gut senken. Die Möglichkeit der flexiblen, an das Ansprechen angepassten Dosierung über einen weiten Dosisbereich erlaubt eine individuelle Behandlung, ermöglicht eine Optimierung der Ansprechraten und ist mit einer besseren Compliance für die Patienten assoziiert, ganz abgesehen von der Einfachheit der Anwendung auch für den Arzt. Josef Gulden, Grafrath Literatur Fachinformation Nplate®, Stand Dezember 2013. Welslau M et al.: Haematologica 2014;99(suppl 1):204 (EHA 2014;abstr #P603). 3 Papadaki H et al.: Haematologica 2014;99(suppl 1):203 (EHA 2014;abstr #P601). 4 Newland A et al.: ASH 2014;abstr #2775. 5 Bussel J et al.: Blood 2009;114:285 (ASH 2009;abstr #681). 6 Bussel JB et al.: Blood 2009;113:2161–2171 [Erratum: Blood 2009;113:4822]. 7 Kuter DJ et al.: N Engl J Med 2010;363:1889–1899. 8 Bao W et al.: Blood 2010;116:4639–4645. 9 André S et al.: Am J Pathol 2009;174:1575–1587. 10 Kuter DJ et al.: Lancet 2008;371:395–403. 11 Response to Appraisal Consultation Document Revolade® for the treatment of chronic idiopathic (immune) thrombocytopenic purpura. July 2010. 1 2 Impressum Weniger Blutungsereignisse bei Immunthrombozytopenie Nplate® (Romiplostim) auch unter Praxisbedingungen mit ausgezeichneter Wirksamkeit PharmaForum in ONCOLOGY RESEARCH AND TREATMENT 38 l 6 l 15 © 2015 by S. Karger Verlag für Medizin und Naturwissenschaften GmbH Wilhelmstraße 20A 79098 Freiburg, Deutschland Mit freundlicher Unterstützung durch Amgen GmbH Verlag, Herausgeber, Redaktion und Verlagsgeschäftsführung übernehmen keine Verantwortung für den Inhalt dieser Rubrik. NPO-DEU-AMG-408-2015-March-P 50 Downloaded by: 88.99.70.242 - 10/20/2017 7:56:57 PM Anzahl Ereignisse pro 100 Patientenjahre PharmaForum