Kapitel 3 Lebensdauerverteilungen von Systemen ohne Reparatur 3.1 Grundbegriffe Definition 3.1.1 Fallen Komponenten aus, so werden sie nicht repariert: System ohne Reparatur. Definition 3.1.2 Die Zeitspanne T zwischen Betriebsbeginn und Ausfall einer Komponente (bzw. eines Systems) heißt Lebensdauer der Komponente (bzw. des Systems). FT (t) := P[T ≤ t] bezeichne die Verteilungsfunktion der Lebensdauer oder Ausfallwahrscheinlichkeit, dFT (t) 1 fT (t) = P[T ∈ (t, t + dt]] = dt dt die entsprechende Ausfalldichte. Vereinbarung 3.1.3 a) Es gelte FT (t) = 0 für t ≤ 0 (d.h. zum Zeitpunkt 0 ist die Komponente bzw. das System intakt). 27 28 KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN b) T ∈ [t, t+dt) bedeutet, daß die Komponente bzw. das System zum Zeitpunkt t schon defekt ist. Bezeichnung 3.1.4 a) E[T ] := Z ∞ 0 t · f (t)dt V[T ] bezeichne die Varianz von T . heißt mittlere Lebensdauer. b) Bemerkung 3.1.5 E[T ] = Z ∞ 0 (1 − FT (t))dt. Beweis: Durch partielle Integration erhält man Z Z ∞ Z ∞ E[T ] = t · f (t)dt = tdF (t) = t · F (t) − F (t)dt = 0 0 0 0 Z ∞ Z ∞ Z ∞ ∞ Z ∞ = t − (1 − FT (t))dt. F (t)dt = 1dt − F (t)dt = ∞ 0 0 ∞ 0 0 0 Definition 3.1.6 a) R(t) = P[T > t] = F̄T (t) = 1 − FT (t) heißt Überlebenswahrscheinlichkeit oder Zuverlässigkeitsfunktion. b) 1 λT (t) = lim P[T ≤ t + dt|T > t] dt→0 dt heißt Ausfallrate. Bemerkung 3.1.7 λT (t) = fT (t) . 1 − FT (t) 3.1. GRUNDBEGRIFFE 29 Beweis: 1 P[T ≤ t + dt|T > t] = dt→0 dt 1 P[T ≤ t + dt, T > t] = lim = dt→0 dt P[T > t] fT (t) 1 P[T ∈ (t, t + dt]] = . = lim dt→0 dt P[T > t] 1 − FT (t) λT (t) = lim Bemerkung 3.1.8 FT (t) = 1 − e− Rt 0 λT (u)du , d.h. die Lebensdauerverteilung ist durch Angabe der Ausfallrate bestimmt. Beweis: fT (t) 1 dFT (t) d = · = − [log(1 − F (t))]. 1 − FT (t) 1 − FT (t) dt dt Z t t Rt log(1 − F (t)) = − λT (u)du bzw. 1 − FT (t) = e− 0 λT (u)du . λT (t) = 0 0 Beispiel 3.1.9 Von der Lebensdauer T eines Bauteils ist die Ausfallrate ( 0 für t ≤ 0 λT (t) = αtµ für t > 0. bekannt. Man bestimme die Verteilung der Lebensdauer T dieses Bauteils. Nach der Bemerkung 3.1.8 erhält man FT (t) = 1 − e− Rt 0 λT (u)du = 1 − e− αtµ+1 µ+1 Also dieses Bauteil eine mit den Parametern p λ = µ + 1, β = µ+1 (µ + 1)/α W(λ, β)-verteilte Lebensdauer besitzt. . 30 KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN Bemerkung 3.1.10 Jede der Größen: Ausfallwahrscheinlichkeit, Überlebenswahrscheinlichkeit, Ausfalldichte und Ausfallrate, kann aus jeder anderen dargestellt werden. Definition 3.1.11 Die kumulative Ausfallfunktion ΛT (t) = Z t λT (u)du. 0 Bemerkung 3.1.12 Fällt λT (t), so ist ΛT (t) konkav. Wächst λT (t), so ist ΛT (t) konvex. Ist Λ konstant, so wächst ΛT (t) linear. Beispiel 3.1.13 Typische Form einer Ausfallrate. In der Praxis wird die Ausfallrate λT (t) häufig die Gestalt einer Badewannenkurve haben. Die Abnahme für Abbildung 3.1: Typische Form einer Ausfallrate kleine t repräsentiert die anfängliche Auftreten von Kinderkrankheiten (Phase I), die Konstanz für mittlere t repräsentiert eine gewisse Zeitspanne des Nichtalterns - volle Funktionsfähigkeit (Phase II), die Zunahme für große t repräsentiert das Auftreten von Alterserscheinungen (Phase III). Denkbar sind aber auch periodisch schwankende Ausfallraten als Folge saisonbedingter Störeinflüsse. 3.1. GRUNDBEGRIFFE 31 Abbildung 3.2: Die kumulative Ausfallfunktion ΛT (t) Definition 3.1.14 a) FT (t, t0 ) := P[T − t0 ≤ t|T > t0 ] heißt Verteilung der Restlebensdauer. b) F̄T (t, t0 ) := 1 − FT (t, t0 ) heißt bedingte Überlebenswahrscheinlichkeit. Bemerkung 3.1.15 FT (t + t0 ) − FT (t) , 1 − FT (t0 ) F̄ (t + t0 ) F̄T (t, t0 ) = 1 − FT (t, t0 ) = . F̄T (t0 ) FT (t, t0 ) = Satz 3.1.16 Ein System altert im Intervall [t1 , t2 ] genau dann, wenn seine Ausfallrate λT (t) dort streng monoton wächst. Beweis: Alterung bedeutet, dass für t0 > 0 0> −fT (t + t0 )F̄T (t) + F̄T (t + t0 )fT (t) d d F̄T (t + t0 ) = F̄T (t, t0 ) = dt dt F̄T (t0 ) (F̄T (t0 ))2 gilt, was mit fT (t + t0 )F̄T (t) > F̄T (t + t0 )fT (t) und damit λT (t + t0 ) = fT (t) fT (t + t0 ) > = λT (t), F̄T (t + t0 ) F̄T (t) KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN 32 also Monotonie der Ausfallrate, gleichbedeutend ist. Beispiel 3.1.17 Exponential Verteilung T ∼ E(λ), λ > 0. 1 1 , V[T ] = 2 , λ λ −λt −λt R(t) = e , λT (t) = λ, FT (t, t0 ) = 1 − e = FT (t), F̄T (t, t0 ) = F̄T (t). FT (t) = 1 − e−λt , fT (t) = λe−λt , E[T ] = Das heißt, daß Systeme mit exponentialverteilter Lebensdauer nicht altern sind. Beispiel 3.1.18 Weibull-Verteilung T ∼ W(λ, β), λ > 0, β > 0. β β Γ 1 β +1 FT (t) = 1 − e−λt , fT (t) = λβtβ−1 e−λt , E[T ] = , 1 λβ 2 Γ β2 + 1 − Γ β1 + 1 β , R(t) = e−λt , λT (t) = λβtβ−1 , V[T ] = 2 λβ β β FT (t, t0 ) = 1 − e−λ((t0 +t) −t0 ) . Für β < 1 nimmt die Ausfallrate monoton ab, für β > 1 – monoton zu. 3.2 Systeme mit heißer Reserve Definition 3.2.1 S sei ein System mit den n unabhängigen Komponenten K1 , . . . , Kn . Die (unabhängigen) Lebensdauern T1 , . . . , Tn haben die Verteilungsfunktionen FT1 (t), . . . , FTn (t). Mit Betriebsbeginn werden alle Komponenten (auch eventuell vorhandene Reserve-Komponenten) in Betrieb genommen: Heiße Reserve. Satz 3.2.2 Sei S ein nicht triviales isotones System mit heißer Reserve ohne Reparatur. Dann gilt: R(t) = F̄T (t) = ϕ(D) (R1 (t), . . . , Rn (t)) = ϕ(L) (R1 (t), . . . , Rn (t)), wobei Ri (t) = P[Ti > t] = 1 − FTi (t) – Überlebenswahrscheinlichkeit der Komponente i ist. 3.2. SYSTEME MIT HEISSER RESERVE 33 Beweis: Das System startet die Arbeit im Zustand 1 und nach zufälliger Zeit T übergeht in den Zustand 0, wo das System bleibt. Falls das System zur Zeitpunkt t intakt ist, dann ist das intakt im Zeitintervall [0, t]. Nach dem Satz 2.2.1 pi (t) := P[Ki intakt zur Zeit t]. Dann erhält man R(t) = P[S intakt zur Zeit t] = ϕ(L) (p1 (t), . . . , pn (t)) = ϕ(L) (R1 (t), . . . , Rn (t)). Für ϕ(D) analog. Folgerung 3.2.3 a) Für ein Seriensystem mit n unabhängigen Komponenten gilt: R(t) = n Y i=1 b) Ri (t) = n Y i=1 (1 − FTi (t)). Für ein Parallelsystem mit n unabhängigen Komponenten gilt: R(t) = 1 − n Y i=1 (1 − Ri (t)) = 1 − n Y FTi (t). i=1 Folgerung 3.2.4 S sei ein nicht triviales isotones System mit den minimalen Verbindungen V1 , . . . , Vk und den minimalen Trennungen T1 , . . . , Tm . S1 sei die Parallelschaltung von V1 , . . . , Vk und S2 sei die Serienschaltung von T1 , . . . , Tm . Dann gilt ϕS2 (R1 (t), . . . , Rk0 (t)) ≤ R(t) ≤ ϕS1 (R1 (t), . . . , Rm0 (t)). oder m Y j=1 1− Y i∈Tj k Y Y (1 − Ri (t)) ≤ P[S intakt] ≤ 1 − 1− Ri (t) . Bemerkung 3.2.5 Z ∞ Z (L) E[T ] = ϕ (R1 (t), . . . , Rn (t))dt = 0 j=1 ∞ i∈Vj ϕ(D) (R1 (t), . . . , Rn (t))dt. 0 Bemerkung 3.2.6 Für die Überlebenswahrscheinlichkeit des k-aus-n-Systems mit identisch verteilten Lebensdauern der unabhängigen Komponenten gilt (vgl. Beispiel 2.1.4) n X n F̄X1 (t)j FX1 (t)n−j . F̄X (t) = j j=k 34 KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN Bemerkung 3.2.7 Für exponentiell verteilte Lebensdauern Xi ∼ E(λ) wird die erwartete Lebensdauer eines k-aus-n-Systems wie folgt berechnet: Z ∞ E[X] = F̄X (t)dt 0 n Z ∞ X n e−λtj (1 − e−λt )n−j dt = j 0 j=k Z n 1 X n 1 z j (1 − z)n−j dz = λz j 0 j=k n = 1X1 . λ j=k j Beispiel 3.2.8 Ein typisches Beispiel für ein k-aus-n-System dient etwa zur Überwachung eines schwer messbaren Parameters, wobei n Sensoren (die bei der Messung relativ leicht kaputt gehen können) den Parameter messen und einem Auswahlelement mitteilen. Sind zumindest k Messwerte (abgesehen von Messfehlern) ident, so wird dieser Wert als wahrer Wert angesehen und zum Systemausgang geschaltet. Diejenigen Sensoren, die falsche Meßwerte liefern, werden instandgesetzt. Man spricht von Majoritätsschaltungen, wenn k > n2 gilt. Häufig werden 2-aus-3-Systeme verwendet. 3.3 Systeme mit kalter Reserve Definition 3.3.1 Ein System heißt System mit kalter Reserve, falls die ReserveKomponente erst eingesetzt werden, wenn die zu ersetzenden Komponenten ausgefallen sind. Bemerkung 3.3.2 Systeme mit kalter Reserve lassen sich durch Zuverlässigkeitsschaltbilder oder Systemfunktionen allein nicht beschreiben. Wegen der Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten werden Systeme mit kalter Reserve nur exemplarisch behandelt. Beispiel 3.3.3 System mit n − 1 kalten Reserve-Komponenten ohne Umschalter. S sei ein System mit den n Komponenten K1 , . . . , Kn . Zum Zeitpunkt t = 0 wird 3.3. SYSTEME MIT KALTER RESERVE 35 K1 in Betrieb genommen. Sobald Ki−1 ausfällt, wird Ki in Betrieb genommen. a) T = T1 + T2 + · · · + Tn . b) E[T ] = E[T1 ] + · · · + E[Tn ]. Falls die Lebensdauern der Komponenten unabhängig sind, gilt: c) V[T ] = V[T1 ] + · · · + V[Tn ]. d) Gk (t) := P[T1 + T2 + · · · + Tk ≤ t] kann rekursiv berechnet werden: G1 (t) = F1 (t), Gk (t) = Z t 0 Gk−1 (t − y) · fk (y)dy (Faltung). Für die Verteilung der Lebensdauer T des Systems gilt: FT (t) = Gn (t). e) FT (t) kann auch durch die Normalverteilung approximiert werden (Zentraler Grenzverteilungssatz). Beispiel 3.3.4 k-von-n-System mit kalter Reserve ohne Umschalter. Bei Betriebsbeginn werden k Komponenten in Betrieb genommen, die restlichen n − k Komponenten bleiben als kalte Reserve. Immer wenn eine Komponente ausfällt, wird eine Reserve-Komponente in Betrieb genommen. Die Lebensdauern T1 , T2 , . . . , Tn seien unabhängig und E(λ)-verteilt. a) Die Lebensdauer von k Komponenten hat die Verteilung G(t) = 1 − e−kλt . Beweis: (D) Ḡ(t) = ϕS.-System (R1 (t), . . . , Rk (t)) = e−λt · ... · e−λt = e−kλt . b) Die Lebensdauer des Systems S ist erlangverteilt ER(λk, n − k + 1). Beweis: Nach dem Ausfall einer Komponente ist die Lebensdauer der ReserveKomponente und die Restlebensdauer der k − 1 nicht ausgefallenen Komponenten wieder E(λ)-verteilt, d.h. die Zeitspanne zwischen zwei Ausfällen ist immer E(λk)-verteilt, also T ∼ ER(λk, n − k + 1)-verteilt. Beispiel 3.3.5 Systeme mit kalter Reserve und Umschalter. S1 , S2 , S3 seien Systeme mit jeweils zwei Komponenten K1 und K2 und einen Umschalter K0 . Bei Betriebsbeginn wird K1 in Betrieb genommen. Sobald K1 ausfällt schaltet K0 auf K2 um. K0 , K1 und K2 sind unabhängig. KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN 36 Die Systeme sind defekt, sobald K1 und K2 defekt sind. S1 ist defekt, sobald K0 defekt ist. S2 ist defekt, wenn K0 und K1 defekt sind. S3 ist defekt, wenn K0 zum Zeitpunkt des Umschaltens schon defekt ist. Z ∞ FT1 (t − x) · fT2 (x)dx , a) RS1 (t) = F̄TS1 (t) = R0 (t) 1 − 0 b) c) RS2 (t) = F̄TS2 (t) = F̄TS1 (t) + FT0 (t) · R1 (t), Z t RS3 (t) = F̄TS3 (t) = F̄TS2 (t) + (FT0 (t) − FT0 (x)) · R2 (t − x) · fT1 (x)dx. 0 Beweis: a) RS1 (t) = P[TS1 > t] = P[T0 > t und T1 + T2 > t] = P[T0 > t] · P[T1 + T2 > t] = Z ∞ FT1 (t − x)fT2 (x)dx . = R0 (t) · 1 − 0 b) RS2 (t) = P[TS2 > t] = P[TS1 > t oder (T0 ≤ t und T1 > t)] = = P[TS1 > t] + P[T0 ≤ t] · P[T1 > t] = F̄TS1 (t) + FT0 (t) · R1 (t). c) RS3 (t) = P[TS3 > t] = P[TS2 > t oder (T1 < t0 ≤ t < T1 + T2 )] = = P[TS2 > t] + P[T1 < T0 ≤ t < T1 + T2 ] = Z t (F0 (t) − F0 (x)) · R2 (t − x) · fT1 (x)dx. = F̄S2 (t) + 0 3.4 Wichtige Lebensdauerverteilungen Definition 3.4.1 Eine Familie von Verteilungen heißt skalierungsinvariant, wenn daraus, dass die Verteilung von T zu der Familie von Verteilungen gehört, folgt, dass für σ > 0 auch die Verteilung von σ · T dazugehört. Eine Familie von Verteilungen heißt lageinvariant, wenn daraus, dass die Verteilung von T zu der Familie von Verteilungen gehört, folgt, dass auch die Verteilung von T + µ dazugehört. Bemerkung 3.4.2 Skalierungs- und lageinvariante Familien sind günstig, weil es bei ihnen nicht darauf ankommt, in welchen Einheiten gemessen wird. Die Familie der Normalverteilungen ist skalierungs- und lageinvariant. 3.4. WICHTIGE LEBENSDAUERVERTEILUNGEN 37 Zuerst werden die Kenngrößen der wichtigsten Lebensdauerverteilungen, wie • Exponentialverteilung E(λ), • Weibullverteilung W(λ, β), • Erlangverteilung ER(λ, n), • Potenzverteilung1 PT (β, δ) auf [0, δ), • Logarithmische Normalverteilung2 LN (µ, σ 2 ). zusammengestellt. (Umfangreichere Tabelle siehe etwa [5, S.95]). E(λ) W(λ, β) ER(λ, n) PT (β, δ) LN (µ, σ 2 ) FT (t) 1 − e−λt fT (t) λe −λtβ 1−e Pn−1 1 − e−λt k=0 1 − (1 − −λt λ −λtβ (λt)k k! t β ) δ φ( ln t−µ ) σ λT (t) E[T ] 1 λ Γ( β1 +1) λβtβ−1 e n−1 λ (λt) e−λt (n−1)! λβtβ−1 % λ t→∞ β (1 δ β δ−t δ β+1 nicht monoton eµ+ − δt )β−1 √ 1 e− 2πσt (ln t−µ)2 2σ 2 V[T ] ( λ1 )2 Γ( β2 +1)−Γ( β1 +1)2 λ1/β n λ λ2/β n λ2 βδ 2 (β+1)2 (β+2) σ2 2 3.4.1 Exponentialverteilung Bemerkung 3.4.3 Die Exponentialverteilung E(λ) besitzt den Träger T[0, ∞), die Verteilungsdichte ( λe−λt für t ≥ 0 fT (t) = 0 sonst und die Verteilungsfunktion FT (t) = 1 ( 0 Rt 0 λfT (t)dt = 1 − e−λt t<0 t ≥ 0. Die unten angegebenen Formeln gelten für t ∈ [0, δ). Rt x2 Wir bezeichnen mit φ(t) := √12π −∞ e− 2 dx die Verteilungsfunktion der StandardNormalverteilung. 2 2 2 e2µ+σ (eσ − 1) KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN 38 Eine E(λ)-verteilte Zufallsvariable T besitzt den Erwartungswert und die Varianz E[T ] = 1 , λ V[T ] = 1 . λ2 Die Exponentialverteilung hat viele schöne Eigenschaften (vgl. [5, Kapitel 4.2]). 1.0 0.5 Λ=0.05 Λ=0.05 Λ=0.10 0.8 Λ=0.10 0.4 Λ=0.15 Λ=0.15 RHtL Λ=0.50 Λ=0.20 ΛT HtL Λ=0.20 0.6 Λ=0.50 0.3 0.4 0.2 0.2 0.1 0.0 0 20 40 60 80 100 0 20 40 t 60 80 100 t Abbildung 3.3: Überlebenswahrscheinlichkeit R(t) und Ausfallrate λT (t) für T ∼ E(λ), λ ∈ {0.05, 0.10, 0.15, 0.20, 0.50} 1. Nichtalterungseigenschaft: Sei T ∼ E(λ), dann gilt F̄T (t, t0 ) = P[T > t + t0 |T > t0 ] = P[T > t] = F̄T (t), t ≥ 0, t0 ≥ 0. Beweis: 1 − FT (t, t0 ) = P[T − t0 > t|T > t0 ] = = P[T − t0 > t, T > t0 ] = P[T > t0 ] P[T > t + t0 ] e−λ(t+t0 ) = = e−λt . P[T > t0 ] e−λt0 2. E(λ) ist die einzige Verteilung mit dieser Eigenschaft. Beweis: P[X > t + t0 ] = P[X > t] · P[X > t0 ], F̄T (t + t0 ) = F̄T (t)F̄T (t0 ), log F̄T (t + t0 ) = log F̄T (t) + log F̄T (t0 ). 3.4. WICHTIGE LEBENSDAUERVERTEILUNGEN 39 Bezeichnen wir mit g(t) = log F̄T (t), g(0) = 0. Dann gilt g(t + t0 ) = g(t) + g(t0 ). Die Funktion g(t) ist stetig und stückweise differenzierbar überall außer in einem Punkt 0. g 0 (t + t0 ) = g 0 (t) =: −λ, log F̄T (t) = −λt, ⇒ g(t) = g(0) − λt, F̄T (t) = e−λt . D.h. T ∼ E(λ). 3. Sei T ∼ E(λ), dann gilt E[T s ] = λ−s Γ(s + 1) Beweis: Durch die partielle Integration erhält man Z ∞ Z ∞ Z ∞ s −λt s s ts de−λt = t λe dt = − t fT (t)dt = E[T ] = 0 0 Z ∞0 ∞ = −ts e−λt + s e−λt ts−1 dt = sλ−1 E[T s−1 ]. 0 s 0 −s Daraus folgt E[T ] = λ Γ(s + 1). 4.Skalierungsinvarianz: T ∼ E(λ) ⇒ λ T ∼ E(1). Beweis: h ti P[λ T ≤ t] = P T ≤ = 1 − e−t . λ 5. Seien T1 , T2 , . . . , Tn vollständig unabhängig und Ti ∼ E(λi ), dann gilt (für die Lebensdauer eines Seriensystems) n X λi . min{T1 , T2 , . . . , Tn } ∼ E i=1 Beweis: P[min{T1 , T2 , . . . , Tn } ≤ t] = 1 − P[min{T1 , T2 , . . . , Tn } > t] = = 1 − P[T1 > t, T2 > t, . . . , Tn > t] = 1 − P[T1 > t] · P[T2 > t] · ... · P[Tn > t] = = 1 − e−(λ1 +λ2 +···+λn )t = 1 − e− Pn i=1 λi t . 40 KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN 6. Seien T1 , T2 , . . . , Tn vollständig unabhängig und Ti ∼ E(λ), dann gilt n X i=1 Ti ∼ ER(n, λ). Beweis: P[ n X i=1 Ti ≤ t] = (F altung) = 1 − n−1 X k=0 e−λt (λt)k . k! 7. Seien T1 , T2 , . . . , Tn vollständig unabhängig und Ti ∼ E(λ), dann gilt 2λ n X i=1 Ti ∼ χ2 (2n). Beweis: P[2λ n X i=1 Ti ≤ t] = P n hX i=1 n−1 k X t i −t/2 (t/2) . =1− e Ti ≤ 2λ k! k=0 8. Seien T1 , T2 , . . . , Tn vollständig unabhängig und Ti ∼ E(λi ), dann gilt 2 n X i=1 λi Ti ∼ χ2 (2n). Beweis: Nach der Eigenschaft 4 λi Ti ∼ E(1). Aus der Eigenschaft 7 folgt, daß Pn 2 i=1 T̃i ∼ χ (2n), falls T̃i ∼ E(1). 9. Seien T1 , T2 . . . , Tn vollständig unabhängig und Ti ∼ E(λ) und T(1) , T(2) , . . . , T(n) seien die zugehörigen Ordnungsstatistiken (T1 , T2 , . . . , Tn der Größe nach sortiert), dann gilt T(1) , T(2) −T(1) , . . . , T(n) −T(n−1) sind vollständig unabhängig und exponentialverteilt, wobei P[T(k) − T(k−1) ≥ t] = e−(n−k+1)λt t ≥ 0, k = 1, 2, . . . , n. 3.4. WICHTIGE LEBENSDAUERVERTEILUNGEN 41 Man beachte, dass diese Zufallsvariablen bei einem Lebensdauertest auftreten. Beweis: Nach der Eigenschaft 5 T(1) = min{T1 , T2 , . . . , Tn } ∼ E[nλ]. Nach dem Ausfall der ersten Komponente es liegt zur Zeitpunkt T(1) ein neues System mit n − 1-Komponenten vor. Dann gilt T(2) − T(1) = min {T1 , T2 , . . . , Tn } \ {T(1) } ∼ E(λ(n − 1)), usw. 10. Seien T1 , T2 , . . . , Tn vollständig unabhängig und Ti ∼ E(λ) und T(r) sei die r-te Ordnungsstatistik mit T(0) = 0, dann gilt für r = 1, . . . , n r 1X 1 , E[T(r) ] = λ k=1 n − k + 1 r 1 1 X . V[T(r) ] = 2 λ k=1 (n − k + 1)2 Beweis: T(r) = T(1) + T(2) − T(1) + · · · + T(r−1) − T(r−2) + T(r) − T(r−1) . Nach der Eigenschaft 10 T(k) − T(k−1) ∼ E((n − k + 1)λ) ⇒ 1 1 , V[T(k) − T(k−1) ] = 2 . E[T(k) − T(k−1) ] = (n − k + 1)λ λ (n − k + 1)2 Daraus folgt E[T(r) ] = E[T(1) ] + E[T(2) ] − E[T(1) ] + · · · + E[T(r) ] − E[T(r−1) ] = r 1 1 1 1 1X = + + ··· + = , nλ (n − 1)λ (n − r + 1)λ λ k=1 n − k + 1 V[T(r) ]] = V[T(1) ] + V[T(2) ] − V[T(1) ] + · · · + V[T(r) ] − V[T(r−1) ] = r 1 1 1 X 1 1 + ··· + = 2 . = 2 2+ 2 2 2 2 nλ (n − 1) λ (n − r + 1) λ λ k=1 (n − k + 1)2 KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN 42 3.4.2 Weibullverteilung Bemerkung 3.4.4 Die Wiebullverteilung3 W(λ, β) besitzt den Träger T = (−∞, ∞), die Verteilungsdichte ( β λβtβ−1 e−λt t ≥ 0 fT (t) = 0 sonst und die Verteilungsfunktion FT (t) = ( 0 β 1 − e−λt t<0 t ≥ 0. Eine W(λ, β)-verteilte Zufallsvariable T besitzt den Erwartungswert und die Varianz 1 Γ β +1 Γ( β2 + 1) − Γ( β1 + 1)2 , V[T ] = . E[T ] = λ1/β λ2/β Die Weibullverteilung wurde Ende der 40er Jahre vom schwedischen Ingenieur Weibull zur Beschreibung der Lebensdauern von Verschleißteilen vorgeschlagen. Sie war jedoch schon vorher von Wissenschaftern der Universität Freiberg entdeckt worden und ist daher in der montanwissenschaftlichen Literatur als Rosin/ Rammler-Verteilung bekannt. 1. Die Familie der Weibullverteilungen ist skalierungsinvariant. T ∼ W(λ, β) ⇒ λ1/β T ∼ W(1, β). Der Parameter β ist der eigentliche Formparameter, die Größe λ1/β ist lediglich ein Skalenparameter. Beweis: P[λ1/β T ≤ t] = P[T ≤ tλ−1/β ] = 1 − e−λ(tλ −1/β )β β = 1 − e−t . 3 Achtung: Die Angabe der Parameter (Reihenfolge, λ ersetzt durch λ1/β ) einer Weibullverteilung ist in der Literaur sehr unterschiedlich, vgl. auch Mathematica. Man muss immer genau prüfen, welche Parameter gemeint sind. 3.4. WICHTIGE LEBENSDAUERVERTEILUNGEN 1.0 43 Β=0.2 Β=0.2 Β=0.6 0.8 Β=0.6 4 Β=1.0 Β=1.0 Β=1.6 0.6 Β=1.6 3 Β=4.0 RHtL ΛT HtL Β=4.0 0.4 2 0.2 1 0.0 0 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 0.0 0.5 t 1.0 1.5 2.0 t Abbildung 3.4: Überlebenswahrscheinlichkeit R(t) und Ausfallrate λT (t) für T ∼ W(λ, β), λ = 1, β ∈ {0.2, 0.6, 1.0, 1.6, 4.0} 2. Mit Hilfe der Weibullverteilung können alternde (β > 1) und ”verjüngende” (β < 1) Systeme beschrieben werden. Beweis: λ(t) = fT (t) = λβtβ−1 . 1 − FT (t) Wenn β > 1, dann ist λT (t) monoton steigend. Wenn β < 1, dann ist λT (t) monotone fallend. 3. Sei ein System besteht aus sehr vielen unabhängigen Komponenten mit Lebensdauern Ti ∼ E(λi ). Es wird angenommen, daß Die Elemente des Systems hochzuverlässig sind, d.h. λi = αθi , α → 0. Definieren wir für jeden Zustandsvektor (z1 , . . . , zn ) die folgenden Mengen: G(z1 , . . . , zn ) = {i : zi = 1}, B(z1 , . . . , zn ) = {i : zi = 0}, n X Dk = {(z1 , . . . , zn ) : ϕ(z1 , . . . , zn ) = 0 ∧ (1 − zi ) = k}. i=1 Für die Verteilungsfunktion der Lebensdauer T des Systems gilt die folgende Approximation, r FT (t) = P[T ≤ t] ≈ 1 − e−(αt) g(θ) , 44 KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN wobei r – die Größe der minimalen Trennung und X g(θ) = Y θi . (z1 ,...,zn )∈Dr i∈B(z1 ,...,zn ) Beweis: Siehe Gertsbakh [4, Abschnitt 2.3.2, Seite 36], R(t) = 1 − FT (t) = 1 − n h X k=r X Y e−λi t (z1 ,...,zn )∈Dk i∈G(z1 ,...,zn ) Y i∈B(z1 ,...,zn ) i (1 − e−λi t ) . Durch eine Reihenzerlegung der Exponenten e−λi t = 1 − λi t + O(λ2i t2 ) = 1 − αθi t + O(α2 ). Durch Substitution in die vorige Formel R(t) = 1 − × n h X k=r Y X Y (z1 ,...,zn )∈Dk i∈G(z1 ,...,zn ) i∈B(z1 ,...,zn ) i (αθi t − O(α2 ) = = 1 − αtr g(θ) + O(αr+1 ) ≈ e−α (1 − αθi t + O(α2 )× r tr g(θ) . 4. Sind T1 , T2 , . . . unabhängige Zufallsvariablen mit der Eigenschaft P[Tk ≤ t] = ctd (1 + o(1)), t > 0 in der Nähe von 0, c, d > 0 und gilt weiters Zn = n1/d min{T1 , . . . , Tn }, dann n→∞ Zn −→ Z ∼ W(c, d). 3.4. WICHTIGE LEBENSDAUERVERTEILUNGEN 45 Beweis: P[Zn ≤ t] = P[min{T1 , . . . , Tn } ≤ t · n−1/d ] = = 1 − P[T1 > t · n−1/d , . . . , Tn > t · n−1/d ] = = 1 − P[T1 > t · n−1/d ] · ... · P[Tn > t · n−1/d ] = n Y =1− P[Ti > t · n−1/d ] = i=1 =1− n Y (1 − c(t · n−1/d )d (1 + o(1)) = i=1 n c d n→∞ = 1 − 1 − td (1 + o(1)) −→ 1 − e−ct . d 5. Sind Tk ∼ W(λk , β) unabhängige Zufallsvariablen und λ = min{T1 , . . . , Tn } ∼ W(λ, β). Pn k=1 λk , so gilt Beweis: P[min{T1 , . . . , Tn } ≤ t] = 1 − P[min{T1 , . . . , Tn } > t] = = P[T1 > t, . . . , Tn > t] = P[T1 > t] · ... · P[Tn > t] = β β e−λ1 t · ... · e−λn t = e− Pn k=1 λk tβ β = e−λt . 6. Ist T ∼ W(λ, β), dann log T hat die Extremwertverteilung. Die Familie dieser Verteilungen ist skalierungs- und lageinvariant. Beweis: Einerseits gilt P[log T ≤ t] = P[T < et ] = 1 − e−λe βt und andererseits für σ > 0 i h β(t−µ) −βµ βt t−µ P[σ log T + µ ≤ t] = P T ≤ e σ = 1 − e−λe σ = 1 − e−λe σ e σ , was offensichtlich dieselbe Gestalt wie der obige Ausdruck hat. KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN 46 3.4.3 Erlangverteilung Bemerkung 3.4.5 Die Erlangverteilung ER(λ, n), λ > 0, n ∈ N besitzt den Träger T = [0, ∞), die Verteilungsdichte ( n−1 t≥0 λe−λt (λt) (n−1)! fT (t) = 0 sonst und die Verteilungsfunktion FT (t) = ( 0 Pn−1 −λt (λt)k 1 − k=0 e k! t<0 t ≥ 0. Eine ER(λ, n)-verteilte Zufallsvariable T besitzt den Erwartungswert und die Varianz n n E[T ] = , V[T ] = 2 . λ λ 1.0 0.8 Λ=0.2 3.5 Λ=0.2 Λ=0.6 3.0 Λ=0.6 Λ=1.0 Λ=1.0 2.5 Λ=1.6 0.6 RHtL ΛT HtL Λ=4.0 Λ=1.6 Λ=4.0 2.0 1.5 0.4 1.0 0.2 0.5 0.0 0.0 0 10 20 30 40 50 0 2 t 4 6 8 10 t Abbildung 3.5: Überlebenswahrscheinlichkeit R(t) und Ausfallrate λT (t) für T ∼ ER(λ, n), λ ∈ {0.2, 0.6, 1.0, 1.6, 4.0}, n = 5 1. Wenn T ∼ E(λ), dann T ∼ ER(λ, 1). 2. Wenn T1 , . . . , Tn sind unabhängige Zuvallsvariablen und Tk ∼ E(λ), dann gilt T1 + · · · + Tn ∼ ER(λ, n). Bemerkung 3.4.6 Man beachte, dass es sich hier um die Verteilung der Lebensdauer eines Systems mit einer laufenden Komponente und n − 1 Reservekomponenten handelt. Eine solche Lebensdauer tritt aber auch dann auf, wenn auf ein 3.4. WICHTIGE LEBENSDAUERVERTEILUNGEN 1.0 n=1 47 n=1 1.5 n=2 0.8 n=2 n=3 n=3 n=4 0.6 n=4 1.0 n=5 RHtL ΛT HtL n=5 0.4 0.5 0.2 0.0 0.0 0 2 4 6 8 10 0 2 t 4 6 8 10 t Abbildung 3.6: Überlebenswahrscheinlichkeit R(t) und Ausfallrate λT (t) für T ∼ ER(λ, n), λ = 1.6, n ∈ {1, 2, 3, 4, 5} System Schocks eintreffen, die einem Poissonprozess mit Intensität λ gehorchen, und das System beim n-ten Schock zerstört wird. 3. Eine Verallgemeinerung der Erlangverteilung ist die Gammaverteilung, sie ist allerdings im Vergleich zur Weibullverteilung weniger populär, weil die Überlebenswahrscheinlichkeit keine so einfache Gestalt hat. Bemerkung 3.4.7 Die Gammaverteilung G(λ, α) besitzt den Träger T = [0, ∞), die Verteilungsdichte ( −α α−1 −z/λ λ t e t≥0 Γ[α] fT (t) = 0 sonst und die Verteilungsfunktion FT (t) = ( 0 1 Γ[α] Rt 0 λ −α α−1 −u/λ u e du t<0 t ≥ 0. Eine G(λ, α)-verteilte Zufallsvariable T besitzt den Erwartungswert und die Varianz E[T ] = αλ, V[T ] = αλ2 . 4. Zur Klasse der Gammaverteilungen gehört auch die χ2 -Verteilung. Für alle n ∈ N stimmt die Gammaverteilung mit den Parametern α = n2 und λ = 2 mit der Chi-Quadrat Verteilung mit dem Parameter n überein. KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN 48 3.4.4 Potenzverteilung Bemerkung 3.4.8 Die Potenzverteilung PT (β, δ) besitzt den Träger T = [0, δ), die Verteilungsdichte β−1 β t 1 − t ∈ [0, δ) δ fT (t) = δ 0 sonst und die Verteilungsfunktion FT (t) = 0 1 − 1 − t δ β t<0 t ∈ [0, δ). Eine PT (β, δ)-verteilte Zufallsvariable T besitzt den Erwartungswert und die Varianz δ βδ 2 E[T ] = , V[T ] = . β+1 (β + 1)2 (β + 2) Bemerkung 3.4.9 Bei der Potenzverteilung ist β ein Formparameter und δ ein Skalenparameter. 1.0 4 Β=0.2 Β=0.2 Β=0.6 0.8 Β=0.6 Β=1.0 Β=1.0 3 Β=1.6 0.6 Β=1.6 RHtL ΛT HtL Β=4.0 Β=4.0 2 0.4 1 0.2 0 0.0 0 1 2 3 4 5 0 1 2 t 3 4 5 t Abbildung 3.7: Überlebenswahrscheinlichkeit R(t) und Ausfallrate λT (t) für T ∼ PT (β, δ), β ∈ {0.2, 0.6, 1.0, 1.6, 4.0}, δ = 5 1. Für δ = β = 1 ergibt sich die Gleichverteilung im Intervall [0, 1]. Beweis: FT (t) = P[T ≤ t] = 1 − (1 − t) = t. 3.4. WICHTIGE LEBENSDAUERVERTEILUNGEN 49 2. Eine PT (β, δ) verteilte Lebensdauer endet mit Sicherheit vor dem Zeitpunkt δ. Beweis: δ β FT (δ) = P[T ≤ δ] = 1 − 1 − = 1. δ 3.4.5 Logarithmische Normalverteilung Bemerkung 3.4.10 Die logarithmische Normalverteilung LN (µ, σ) besitzt den Träger T = [0, ∞), die Verteilungsdichte ( 2 2 √ 1 e−(log(t)−µ) /(2σ ) t≥0 2πtσ fT (t) = 0 sonst und die Verteilungsfunktion ( 0 FT (t) = √1 2πtσ Rt 0 e −(log(u)−µ)2 /(2σ 2 ) t<0 du t ≥ 0. Eine LN (µ, σ)-verteilte Zufallsvariable T besitzt den Erwartungswert und die Varianz 2 2 2 E[T ] = eµ+σ /2 , V[T ] = e2µ+σ (eσ − 1). Bemerkung 3.4.11 Die logarithmische Normalverteilung wird vor allem als Verteilung von Reparaturdauern verwendet, sie beschreibt aber auch die Einsatzdauern von Fahrzeugen pro Jahr. 1. Ist T ∼ N (µ, σ), so ist Y = eT ∼ LN (µ, σ). Ist Y ∼ LN (µ, σ), so ist T = log(Y ) ∼ N (µ, σ). Beweis: FY (t) = P[Y ≤ t] = P[eT ≤ t] = P[T ≤ log(t)] = Z log(t) 1 2 2 e−(u−µ) /(2σ ) du. = FT (log(t)) = √ 2πσ 0 KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN 50 Die zweite Transformationsformel zeigt man analog. 2. Sind die positive Zufallsvariablen T1 , . . . , Tn unabhängig und identisch verteilt und ist n groß , so ist ihr Produkt T1 · ... · Tn wegen T1 · ... · Tn = elog(T1 ·...·Tn ) = elog(T1 )+···+log(Tn ) näherungsweise logarithmisch normalverteilt. Beweis: Wie beim zentralen Grenzverteilungssatz. 3.5 IFR- (DFR-) Verteilungen Ist nicht bekannt, zu welcher Klasse eine Lebensdauerverteilung gehört, so versucht man, wenigstens den Typ der Ausfallrate, ob fallend oder steigend, herauszufinden. Bei Vorliegen eines gewissen Typs können nämlich Abschätzungen mithilfe der Exponentialverteilung herangezogen werden, wobei lediglich die Kenntnis gewisser Momente erforderlich ist. Definition 3.5.1 Eine Verteilungsfunktion FT (t) ist IFR- (DFR-) Verteilung, wenn FT (t, t0 ) für jedes t0 > 0 in t streng monoton steigt (fällt). IFR (increasing failure rate) bzw. DFR (decreasing failure rate) bedeutet für die Ausfallrate, daß sie streng monoton steigt bzw. fällt. Beispiel 3.5.2 IFR: Exponentialverteilung, Weibullverteilung mit β ≥ 1, Erlangverteilung, Potenzverteilung. DFR: Exponentialverteilung, Weibullverteilung mit β ≤ 1. 1. Weisen alle Komponenten eines Seriensystems eine Lebensverteilung vom selben Typ auf, so hat die Lebensdauerverteilung des Systems denselben Typ. Beweis: FT (t) = P[T ≤ t] = P[min{T1 , . . . , Tn } ≤ t] = 1 − P[min{T1 , . . . , Tn } > t] = n Y = 1 − P[T1 > t, . . . , Tn > t] = 1 − (1 − FTi (t)). i=1 3.5. IFR- (DFR-) VERTEILUNGEN 51 Definition 3.5.3 Sind T1 , . . . , Tn unabhängige Zufallsvariablen, so P heißt die Variable T eine Mischung von T1 , . . . , Tn , falls es α1 , . . . , αn gibt mit ni=1 αi = 1 und n X FT (t) = P[T ≤ t] = αi P[Ti ≤ t]. i=1 Bemerkung 3.5.4 Die Verteilungsfunktion FT (t) einer Mischung T ist also Konvexkombination der Verteilungsfunktionen der Ti . Dieselbe Beziehung gilt auch für die Überlebenswahrscheinlichkeit und Dichtefunktion. Bemerkung 3.5.5 Eine Mischung tritt z.B. auf, wenn etwa in einer Firma gleichartige Bauteile auf verschiedenen Maschinen erzeugt werden, so dass sich abhängig davon unterschiedliche Lebensdauern ergeben. 2. Eine Mischung von exponentialverteilten Zuvallsvariablen hat eine DFR-Verteilung. Beweis: Sei Ti ∼ E(λi ) und Λ eine Zufallsvariable mit P[Λ = λi ] = αi und Pn α = 1, dann gilt i=1 i R(t) = P[T > t] = n X αi P[Ti > t] = i=1 = n X αi e−λi t = E[e−Λt ]. i=1 Für die Ausfallrate ergibt sich d d2 λT (t) = − 2 log(R(t)) dt dt d2 = − 2 log(E[e−Λt ]) dt E[Λ2 e−Λt ]E[e−Λt ] − (E[Λe−Λt ])2 = − ≤ 0, (E[e−Λt ])2 wobei die letzte Gleichung folgt, indem man die Ableitung in den Erwartungswert hineinzieht, und die Cauchy-Schwartz-Ungleichung4 verwendet. 4 E[V 2 ]E[W 2 ] − (E[V W ])2 ≥ 0 KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN 52 3. Abhängig vom Typ der Lebensdauerverteilung, gibt es verschiedene Abschätzungen für die Überlebenswahrscheinlichkeit. Bezeichnet µk := E[X k ], so gilt etwa für eine IFR-Verteilung 1/k −t µk! 1/k k für t ≤ µk , R(t) ≥ e 1/k 0 für t > µk und für eine DFR-Verteilung e − µt − µ2 +1 2µ2 ≤ R(t) ≤ ( t e− µ µ et für für t ≤ µ, t > µ. Liegen die Schranken nahe beisammen, so kann die Überlebenswahrscheinlichkeit gut abgeschätzt werden. Beweis: Der Beweis ist nicht trivial. Beispiel 3.5.6 Betrachten wir eine Mischung von exponentialverteilten Zufallsvariablen, R(t) = 0.6e−1.0t + 0.4e−0.9t . Diese Verteilung gehört zur Klasse von DFR-Verteilungen. Die Ausfallrate λT (t), die Überlebenswahrscheinlichkeit R(t) = F̄T (t) sowie obere und untere Schranken sind in der Abbildung 3.8 veranschaulicht. 0.96 1.0 RHtL 0.95 0.8 Untere S. 0.94 Obere S. RHtL ΛT HtL 0.6 0.93 0.4 0.92 0.2 0.91 0.0 0 0.90 0 10 20 30 40 50 1 2 3 4 5 t t Abbildung 3.8: λT (t), R(t) mit oberen und unteren Schranken für die Mischung von zwei exponentialverteilten Zufallsvariablen 3.6. COMPETING RISCS 3.6 53 Competing Riscs Definition 3.6.1 Dieses Modell wird verwendet, wenn es für einen Systemausfall verschiedene Ursachen gibt, etwa, wenn ein elektrisches Gerät durch Kurzschluss oder Stromausfall ausfallen kann. So kann durch Kombination mehrerer unabhängiger Ausfallursachen eine Ausfallrate entstehen, die sich als Summe der einzelnen Ausfallraten ergibt. Auf diese Art kann man auch die ”Badewannenkurve” erreichen. Betrachtet man die Ausfälle durch den Fehler j (j = 1, . . . , k nicht unbedingt unabhängig), so muss man zwischen den potentiellen Lebensdauern (”net lives”) und den beobachteten Lebensdauern (”crude lives”) unterscheiden. Definition 3.6.2 Die potentielle Lebensdauer (bezeichnet mit Xj ) würde erreicht, wenn es nur den Fehler j gäbe. Sie wird aber nur dann beobachtet, wenn der Fehler j vor allen anderen Fehlern zum Ausfall führt. Die beobachtete Lebensdauer mit Fehler j bezeichnen wir mit Yj . Mit T = min{X1 , . . . , Xk } bezeichnen wir die Lebensdauer des Systems (mit einem beliebigen Fehler) und mit πj = P[T = Xj ] – die Fehlerwahrscheinlichkeit für den Fehler j Wie man aus FYj (t) = P[Xj < t | T = Xj ] = P[T < t | T = Xj ], FT (t) = k X P[T < t, T = Xj ] = j=1 k X πj FYj (t) j=1 sieht, sind die Verteilungen der Yj aus der gemeinsamen Verteilung der Xi leicht zu bestimmen. Bemerkung 3.6.3 Die Verteilung von T ist durch die Verteilungen der Yj und die Fehlerwahrscheinlichkeiten festgelegt. Die umgekehrte Richtung, nämlich die Verteilungen der Xi aus den Verteilungen der Yj zu berechnen, ist nur möglich, wenn die Xi vollständig unabhängig sind. Satz 3.6.4 Für die Ausfallrate gilt πi fYi (t) λXi (t) = Pk . j=1 πj F̄Yj (t) Man beachte, dass im Nenner gerade F̄T (t) steht. 54 KAPITEL 3. LEBENSDAUERVERTEILUNGEN VON SYSTEMEN Beweis: Wir berechnen zuerst k X πj F̄Yj (t) = F̄T (t) = j=1 k Y j=1 P[Xj ≥ t], πi fYi (t)dt = P[T = Xi ] P[Yi ∈ [t, t + dt[] = P[T = Xi ] P[Xi ∈ [t, t + dt[ | T = Xi ] = P[Xi ∈ [t, t + dt[, T = Xi ] Y = P[Xi ∈ [t, t + dt[] P[Xj ≥ t + dt]. j6=i Daraus folgt nun πi fYi (t) = fXi (t) Y j6=i P[Xj ≥ t] und durch Einsetzen πi fYi (t) Pk j=1 πj F̄Yj (t) fXi (t) = Qk Q j=1 = j6=i P[Xj ≥ t] P[Xj ≥ t] fXi (t) P[Xi ≥ t] die Behauptung. Folgerung 3.6.5 Für die Fehlerwahrscheinlichkeiten πi , i = 1, . . . , k, gilt Z ∞ Y πi = fXi (t) P[Xj ≥ t]dt. 0 j6=i Beweis: Die Aussage folgt unmittelbar uas der Integration der beiden Seiten der Gleichung Y πi fYi (t) = fXi (t) P[Xj ≥ t] j6=i von 0 bis ∞.