Inhalt Dienstag, 31. Mai 2016 Green Economy / Blue Growth DIRKS, JAN Nationales Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen – Blue Growth 06 VESPER, HEIKE Für eine Nachhaltige Meeresökonomie 08 EMMERSON , RICHARD EASAC report on Marine Sustainability in Changing Oceans and Seas 10 Unterwasserschall SCHUSTER, MAX Hintergrundschall in den NATURA2000 Gebieten. Wie dominant sind natürliche Geräusche, Schiffslärm und Rammschall. 14 DÄHNE, MICHAEL Ergebnisse der Begleitforschung des BfN (Unterwasserschall) beim Bau des Offshore-Windparks“Butendiek“ 16 BÜSCHER, ILONA Bewertung von Schallmonitoring für Offshore Windparks 18 TEILMANN, JONAS Noise and seals-what can we extract from acoustic tags on seals 20 Sedimente und Habitate PROPP, CLAUDIA Flächendeckende Sedimentkartierung der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) 24 HEINICKE, KATHRIN Eckpunkte einer Kartieranleitung von Riffen gemäß FFH-Richtlinie und § 30 BNatSchG für Genehmigungsverfahren 26 W URPTS, ANDREAS Sublitoralkartierung der niedersächsischen Übergangs- und Küstengewässer 28 EMEIS, KAY-CHRISTIAN NOAH – Habitatmodelle in der Nordsee 30 Mittwoch, 01. Juni 2016 Meeresnaturschutz DANNHEIM, JENNIFER Identifizierung und biologische Charakteristika bedrohter benthischer Arten in der Nordsee 34 GARTHE, STEFAN HELBIRD – Ergebnisse der telemetrischen Untersuchungen der Auswirkungen der Offshore Windparks auf Nahrungsflüge der Brutvögel Helgolands 35 DORSCH, MONIKA DIVER – Ergebnisse der Telemetriestudie an Seetauchern im Bereich des Sylter Außenriffs 36 FISCHER, PHILIPP Küstenschutzstrukturen (Tetrapoden) und deren Auswirkungen auf die marine Fauna in der Nordsee Naturschutzfachliche Aspekte der Raumordnung JANSSEN, GEROLD Konsequenzen der EU-Richtlinie 2014/89/EU zur maritimen Raumplanung für den rechtlichen Meeresumweltschutz 40 KUHMANN, CARLA Anforderungen an die transnationale Meeresraumplanung in Nord- und Ostsee im Rahmen von OSPAR und HELCOM 43 SCHIELE, KERSTIN Beitrag des Naturschutzes zur Umsetzung des Ökosystemansatzes in der Meeres-Raumordnung 45 Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie / Wasserrahmenrichtlinie IMHOFF, HEIKE Sachstand: Das MSRL-Maßnahmen-Programm BLANCK, KLAUS-DIETER Deutsches Maßnahmen-Programm aus Sicht der Landwirtschaft 48 PLÖTZKE, MATTHIAS Deutsches Maßnahmen-Programm aus Sicht der Schifffahrt 51 ZIEBARTH, NADJA Deutsches Maßnahmen-Programm aus Sicht der NGOs 54 KNEFELKAMP, BRITTA Das Verhältnis von WRRL und MSRL aus Sicht der LAWA 57 Mehr vom Meer SIEBERT, URSULA Anstrandungen von Pottwalen 60 W ERNER, STEFANIE Meeresmüll: Vom Wissen hin zu effektiven Maßnahmen 62 VINK, ANNEMIEK Umweltuntersuchungen im Manganknollen Lizenzgebiet (Zentralpazifik) - Regularien, Bestandsaufnahme und mögliche Auswirkungen eines Tiefseebergbaus 64 Green Economy / Blue Growth 06 Green Economy / Blue Growth Nationales Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen – Blue Growth Jan Dirks Mit dem auf zehn Jahre angelegten Nationalen Hafenkonzept erkennt die Bundesregierung an, dass eine wirtschaftliche Entwicklung der Küstenregionen nur unter Berücksichtigung sozioökonomischer und ökologischer Belange erfolgreich sein kann. Der auf zehn Jahre angelegte strategische Leitfaden für die Hafenpolitik wurde in engster Zusammenarbeit mit den Ländern, der Hafenwirtschaft und den Verbänden, die sich zur Umsetzung der Maßnahmen verpflichtet haben, ausgearbeitet. Die rasante Entwicklung der blauen Industrien stellt die Häfen vor neue Herausforderungen, z.B. im Umwelt und Klimaschutz, bei den technologischen Entwicklungen und neuen Anforderungen an die Suprastrukturen und beim Ausbau der Infrastrukturen für alternative Kraftstoffe. Beim Umwelt- und Klimaschutz geht es unter anderem darum, strikte und einheitliche Grenzwerte für Emissionen und Abwassereinleitungen festzulegen und die Ausweisung weiterer Emissionsüberwachungsgebiete voranzubringen. Weltweit geltende SECA- und NECA- Standards dienen dem Umwelt- und Klimaschutz und vermeiden Wettbewerbsverzerrungen zwischen unterschiedlichen Fahrtgebieten und Häfen. Die Ostsee muss aufgrund ihrer besonderen geographischen und hydrologischen Eigenschaften sowie bestehender Belastungen mehr als andere Gewässer geschützt werden. Mit dem Energy Efficiency Design Index (EEDI) und dem Ship Energy Efficiency Management Plan (SEEMP) hat die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) 2011 erste technische Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes verabschiedet. Aus Sicht der Bundesregierung könnte ein weltweit geltendes CO2-Monitoring System ein erster Schritt zur Entwicklung weiterer technischer und betrieblicher Klimaschutzmaßnahmen sein, der schließlich zu einer marktbasierten wettbewerbsneutralen Maßnahme führen kann. Der Environmental Ship Index (ESI) ermöglicht die Identifikation von Schiffen, die höhere Emissionsstandards erfüllen, als sie in den derzeitigen Instrumenten der IMO gefordert ist. Anhand des ESI können die Häfen die Emissionen von Schiffen vergleichen und daraus emissionsabhängige Hafenentgelte ableiten. Green Economy / Blue Growth 07 Die am 7. November 2014 in Kraft getretene EU-RL über den Aufbau der Infrastrukturen für alternative Kraftstoffe verpflichtet Deutschland, eine Nationale Strategie für den Ausbau von Infrastrukturen für alternative Kraftstoffe bis Ende 2016 auszuarbeiten. In der Mobilitätsund Kraftstoffstrategie der Bundesregierung soll die Schifffahrt eine Vorreiterrolle bei der Umstellung auf alternative Kraftstoffe spielen. Deshalb prüft der Bund, wie er den Ausbau der Infrastrukturen für LNG unterstützen kann. Die Landstromversorgung ist eine ökologisch sinnvolle jedoch teure Alternative. Darüber hinaus erfordert Landstrom zusätzlichen Aufwand für die Umrüstung der Schiffe. Deshalb hat die Bundesregierung schon vor Jahren des Steuersatz für Landstrom auf 0,50 €/MWh gesenkt und beabsichtigt diesen niedrigen Steuersatz auch weiterhin beizubehalten. Durch den ermäßigten Steuersatz werden Kostenunterschiede des Landstroms gegenüber dem an Bord erzeugten Strom teilweise verringert. Bund, Länder und Hafenwirtschaft haben sich zur Umsetzung der Maßnahmen verpflichtet. Die Steuerungsgruppe hat vereinbart, dass Bund, Länder und Hafenwirtschaft vordringlich umzusetzende Maßnahmen identifizieren und der Koordinierungsstelle bis Ende April 2016 melden. Dadurch soll die Verbindlichkeit des Nationalen Hafenkonzepts gestärkt werden. Eine jährliche Berichterstattung aller Akteure über die Umsetzung der Maßnahmen lässt Hindernisse und Probleme frühzeitig erkennbar werden und ermöglicht Gegensteuern. Der jährliche Fortschrittsbericht wird Grundlage für die weitere Umsetzung der Maßnahmen. Anschrift des Vortragenden: Dr. Jan Dirks Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Referat WS 21 Robert-Schuman-Platz 1 53175 Bonn Email: [email protected] 08 Green Economy / Blue Growth Für eine Nachhaltige Meeresökonomie Heike Vesper Die Nutzung der Weltmeere und auch unserer europäischen Meere nährt seit einigen Jahren Hoffnungen in Politik und Wirtschaftskreisen, noch nicht ausgeschöpfte Wachstumspotenziale zu erschließen. In teils euphorischer Goldgräberstimmung wird die Zukunft eines „Blue Growth“ oder „Blue Economy“ als nächster Schritt der Menschheit in der Erschließung unseres Planeten beschrieben. Dies geschieht vor einem Hintergrund der Ressourcenausbeutung der Fischbestände, sinkender Arten-und Habitatvielfalt sowie Schwächung der Regenerationsleistungen und Pufferkapazitäten der Meere. WWF hat in seiner globalen und regionalen Arbeit zu Meeresmanagement und Meerespolitik die Grundlagen des Wachstumsparadigmas der Meeresnutzungen näher untersucht, eine begriffliche Standortbestimmung vorgenommen, sowie Prinzipien für eine Nachhaltige Meeresökonomie entwickelt. Diese Prinzipien sind so gestaltet, dass sie von möglichst vielen Akteuren in Meeresschutz und –Wirtschaft mitgetragen werden können, die den Anspruch der Nachhaltigkeit ernst nehmen. In mehreren Publikationen hat der WWF Trends der Meeresbeanspruchung aufgezeigt (Baltic Trends, MedTrends) und Scenarien für eine Entwicklung gemeinsam mit Nutzern aufbereitet. Aus diesen wurde mit Hilfe von Ökonomen und Trendforschern die Grundzüge einer Nachhaltigen Meeresökonomie (Sustainable Blue Economy) entwickelt und für den Ostseeraum in einem Bericht „All hands on Deck“ als Beschreibung eines nachhaltigen Entwicklungspfades aufbereitet. Die Vortragende wird zunächst an einigen Beispielen den Zustand der Meere in ökonomischen Begriffen („Unter-Performance“) beleuchten (58 % der Fischbestände nicht im Guten Umweltzustand, 2/3 der Meereshabitate „unfavourable“) und skizzieren, welche Wirtschaftsleistung (Vergleich zum BIP von Nationalstaaten) die Weltmeere leisten (7.größtes BIP im Vergleich zu Volkswirtschaften). Am Beispiel des 2015 erschienenen Berichtes „Reviving the Ocean Economy“ von Global Change Institute, Boston Consulting Group und WWF werden die Daten und Fakten präsentiert. Vor diesem Hintergrund beleuchtet die Autorin die gängigen Begrifflichkeiten der Meeresökonomien von „Blaues Wachstum“, Green Growth, Green Economy , Kreislaufwirtschaft und ordnet die vom WWF vorgeschlagene Definition einer „Sustainable Blue Economy“ /Nachhaltigen Meereswirtschaft zu. Deren Definition und Leitprinzipien werden vorgestellt und erläutert. Eine Nachhaltige Meeresökonomie • • • erbringt soziale und wirtschaftliche Vorteile für unsere und künftige Generationen. stellt produktive und robuste Meeresökosysteme wieder her, schützt und erhält sie (dh.ohne negativen oder gar mit positivem Einfluss auf Ökosysteme) und basiert auf sauberen Technologien, erneuerbarer Energie und geschlossenen Stoffkreisläufen. Green Economy / Blue Growth 09 Zu den Governanceprinzipien gehören: Inklusivität, Transparenz und Nachvollziehbarkeit, ein holistischer, Sektor übergreifender und langfristiger Ansatz, Wissensbasiertheit, Vorsorgeorientierung und Eigenschaften wie adaptiv, innovativ und proaktiv. Dies erfordert von den Akteuren, ambitionierte Ziele und Umsetzungsstrategien aufzustellen, einen entsprechenden Rechtsrahmen zu schaffen und umzusetzen, eine ökosystembasierte Meeresraumplanung zu implementieren, Nachhaltigkeitskriterien in der Praxis konsequent anzuwenden. Hierzu müssen alle privaten und öffentlich-gesellschaftlichen Akteure eng zusammenarbeiten, damit eine solche Ökonomie greifen kann. Diese Prinzipien sind nach WWF Meinung auch wichtig, um die globalen Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) zu erreichen. Am Beispiel der Arbeit des WWF Ostseeprogrammes wird erläutert, wie eine Nachhaltige Meereswirtschaft für eines der europäischen Meere aussehen würde, welche Bedingungen dafür erfüllt sein müssen und was dies für die einzelnen Sektoren bedeuten würde. Der Bericht „All hands on Deck“ (2015) breitet dieses Scenario aus. Er ist das vorläufige Ergebnis einer Serie von Bestandsaufnahmen, und Analysen: von einem Report „Baltic Future Trends“ (2010), eines Scenario Reports „Counter Currents“ (2012)und dem Businessplan „Turning Adversities into Opportunities“ der Boston Consulting Group (2015). Die Autoren rufen zu einem Kurswechsel zu einer nachhaltigen Meeresökonomie im Ostseeraum auf, indem sie die Prinzipien einer Nachhaltigen Ostseeökonomie beschreiben, Stärken-Schwächen (SWOT-)Analyse der gegenwärtigen und einer nachhaltigen Ostseeökonomie durchführen. WWF ist dabei klar, dass dieser Ansatz nur gelingen kann, wenn Politik, die privaten Wirtschaftsakteure und die Bevölkerung ihn aktiv mit voranbringen. Daher sollen die vorgestellten Prinzipien als Angebot und Wegbegleiter zu einer nachhaltigen Meeresökonomie verstanden werden - für ein Wachstum innerhalb von Nachhaltigkeitsgrenzen. Anschrift der Vortragenden: Heike Vesper Leiterin des WWF Fachbereiches Meeresschutz Internationales WWF-Zentrum für Meeresschutz Mönckebergstr. 27 20095 Hamburg 10 Green Economy / Blue Growth EASAC report on Marine Sustainability in Changing Oceans and Seas Richard Emmerson EASAC, the European Academies’ Science Advisory Council, provides science-based advice to European decision-makers. The last 10 years have seen a growth in marine and maritime policymaking within the European Union with a key feature being the concept of the ecosystem approach to guide sustainable use of the seas. In view of this increasing focus on coherent marine and maritime policy and governance within the EU, as well as globally, the EASAC Council decided in December 2013 to conduct a study on the issue of marine sustainability together with the JRC. This decision particularly acknowledged the need to provide advice from the point of view of the European science academies on this new direction of marine policy and to highlight the particular challenges that this poses to the organisation of science. The resulting report – Marine sustainability in an age of changing oceans and seas – was launched in Brussels in January 2016 having been prepared by a specially convened working group comprising marine specialists from the European Academies. The report has the aim of contributing to the governance challenge of how to integrate the various aspects of marine policy (fisheries management, biodiversity conservation and marine environmental protection) as part of a coherent ecosystem approach. It considers how current science knowledge on marine ecosystems and the organisation of science can support an integrated approach to management of the seas. The report looks at a number of key aspects for sustainable development in changing oceans and seas (fisheries management, biodiversity conservation and marine environmental protection), and particularly highlights the key scientific challenges in addressing these issues. The report presents both recommendations from science for policy development,and recommendations on policy for science. The authors of the report come forward with a series of recommendations to foster the development and implementation of policy and science underpinning marine sustainability. They emphasise the importance of an ecosystem-based management, rooted in an integrated scientific understanding of marine ecosystems. Policy makers must recognise that scientific knowledge about marine environments is constantly evolving and many gaps and uncertainties continue to exist. Policies implementation must be adaptable and open to integration of new scientific progress. They also call on using the revised Common Fisheries Policy to bring current fisheries exploitation to sustainable levels, following scientific advice on fisheries management and sock recovery. In addition the report contains recommendations on how to organise and focus marine science to optimise its availability and usefulness for policy makers. The authors suggest that at the EU level Horizon 2020 should be used as a key mechanism for improving marine knowledge to support the EU legislation in this field. Green Economy / Blue Growth 11 The recommendations include, among others, building knowledge on increasing ecological efficiency of ocean harvest as well as the implementation of a sustained European strategy for marine ecosystem observation accompanied by enhanced EU data collection and dissemination frameworks. The report recommend a greater coordination of structures stimulating and funding European marine research programmes. They call for strengthening human capacity by establishing a European marine university which would coordinate a coherent and sustained European-wide marine science curriculum. Last but not least the authors see a need for building greater awareness among EU population on marine topics. Anschrift des Vortragenden: Richard Emmerson, PhD Havsmiljöinstitutet Swedish Institute for the Marine Environment c/o Göteborgs Universitet Box 260 405 30 Göteborg Schweden Email: [email protected] Unterwasserschall 14 Unterwasserschall Hintergrundschall in den NATURA2000 Gebieten. Wie dominant sind natürliche Geräusche, Schiffslärm und Rammschall. Max Schuster Unterwasserlärm hat sich durch den Ausbau der Offshore-Windparks zu einem wichtigen Aspekt im Meeresnaturschutz entwickelt, denn vor allem bei der Installation der OffshoreWindkraftanlagen können extrem hohe Schallpegel entstehen. Die biologischen Auswirkungen dieser impulshaften Geräusche sind vielfältig: In kurzer Distanz bewirken sie temporäre oder dauerhafte Hörschäden, weiter entfernt reagieren Meeressäuger mit Flucht oder Meidung des Seegebietes. Um die negativen Effekte der Schallemissionen zu mindern, müssen die Pfahlgründungen während der Bauarbeiten mittlerweile ein verbindliches Kriterium für Schallemissionen erfüllen, das an die Empfindlichkeit mariner Säuger angelehnt ist. Damit diese Anforderung auch bei der Installation großer Pfähle erfüllt werden kann, wurden diverse Methoden zur Schallminderung entwickelt. Heute sind diverse technische Lösungen verfügbar, die den abgestrahlten Lärm während der Pfahlrammung reduzieren. Somit können die vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden. Der Beitrag anderer Lärmquellen auf den Baustellen, wie z.B. durch Versorgungs- und Wachschiffe, wird von diesen Maßnahmen nicht gemindert. Dadurch haben diese kontinuierlichen Schallquellen einen erheblichen Beitrag zum gesamten Lärmpegel in der Umgebung der Baustelle. Bisher wurde der Beitrag kontinuierlicher Lärmquellen im Umkreis der Offshore-Windparks nicht bewertet. Bei Schallmessungen im Umkreis des Windparks Butendiek zeigte sich jedoch, dass Schiffe einen erheblichen Anteil an der dauerhaften Belastung des Meeresgebietes haben. Es wird erwartet, dass Schiffslärm durch Crewtransporter auch nach Abschluss der Bauarbeiten einen dominanten Beitrag zum Hintergrundschall in der Umgebung des Windparks leisten wird. Für die Bewertung der Auswirkungen eines Windparks auf die Meeresumwelt ist es daher sinnvoll, diesen Beitrag zu berücksichtigen. Im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz wurden in den Jahren 2012 bis 2015 Langzeitmessungen des Unterwasserschalls in Nord- und Ostsee durchgeführt. Diese Datensätze wurden , auf Schiffslärm und auf Rammschall untersucht. Die Ergebnisse daraus zeigen, welche Zeiträume in den Meeresgebieten durch anthropogenen Beitrag bestimmt werden. Im Umkehrschluss können auch akustische Rückzugsräume identifiziert werden, in denen Meeressäuger weitgehend ungestört von Schiffslärm bleiben. Der Vortrag präsentiert die Methoden und die vorläufigen Ergebnisse aus den Auswertungen der Langzeitmessungen. Daraus werden Vorschläge für ein zukünftiges Vorgehen beim Monitoring abgeleitet, das durch die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) gefordert wird. Abschließend wird ein Ausblick auf Forschungsvorhaben gegeben, die die Auswirkungen von Schiffslärm auf Marine Säuger untersuchen. Unterwasserschall Anschrift des Vortragenden: Max Schuster DW-ShipConsult GmbH Lise-Meitner-Str. 9 24223 Schwentinental Email: [email protected] 15 16 Unterwasserschall Ergebnisse der Begleitforschung des BfN (Unterwasserschall) beim Bau des Offshore-Windparks “Butendiek“ Michael Dähne1,3 , Andreas Ruser1, Max Schuster2, Matthias Fischer2, Johannes Baltzer1, Dietrich Wittekind2, Ursula Siebert1 (1) Tierärztliche Hochschule Hannover, Stiftung, Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung, Werftstraße 6, 25761 Büsum (2) DW-ShipConsult, Lise-Meitner-Straße 9, 24223 Schwentinental (3) Deutsches Meeresmuseum Stralsund, Katharinenberg 14-20, 18439 Stralsund Die Errichtung von Offshore-Windkraftanlagen hat sich weiterentwickelt. Während zuerst Pilotprojekte mit wenigen Anlagen realisiert wurden, werden heute durch Rammungen Fundamente für viele Windfarmen z.T. parallel gebaut. Schweinswale Phocoena phocoena reagieren auf Rammungen mit Hydraulikhämmern, die impulsive Geräusche unter Wasser erzeugen, mit starken Vertreibungseffekten in einem Umkreis von bis zu 20 km. Diese Vertreibung ist eine der stärksten Verhaltensreaktionen von Tieren auf Schall. Andere Änderungen des Verhaltens, wie die Unterbrechung von Fressverhalten, Kommunikation, Änderungen der Schwimmrichtung und -geschwindigkeit, erhöhter Puls und Atemfrequenz, sowie Stress können in ihrer Gesamtheit zu einer verringerten Fitness der Gesamtpopulation führen. Ob dies für die Effekte von Rammungen auf Schweinswale zutrifft ist bisher nicht nachgewiesen. Die potentiellen Effekte sind dabei abhängig wie viele Rammungen durchgeführt werden, welche weiteren schallinduzierten Effekte wirken und ob Schweinswale in Gebieten mit hoher biologischer Bedeutung für eine relevante Zeitperiode gestört werden. Das deutsche Schallschutzkonzept hat Grenzwerte (160 dB re 1 µPa²s Einzelereignispegel und 190 dB re 1 µPa Spitzenschalldruckpegel) für die Schallbelastung definiert, um sicherzustellen das Schweinswale außerhalb einer Entfernung von 750 m vom Rammort nicht verletzt werden. Das Sylter Außenriff wurde nicht zuletzt auf Grund der hohen Schweinswaldichten während der Paarungs- und Aufzuchtzeit zum Natura 2000 Schutzgebiet erklärt. Schweinswale und Schalleinflüsse wurden 2013 für zwei Monate während der Errichtung von drei Windparks in der Umgebung dieses wichtigen Schutzgebietes durchgeführt. Die Untersuchungen wurden 2014, während des Baus der Windparke Butendiek und Amrumbank West fortgeführt. Butendiek ist der einzige in deutschen Schutzgebieten der Ausschließlichen Wirtschaftszone genehmigte Windpark in Deutschland. Für das Monitoring wurden Schweinswalclicks mit C-PODs (Schweinswaldetektoren, www.chelonia.co.uk) und Schalleinflüsse mit AMARS (Autonome Mehrkanal AkustikRekorder, www.jasco.com) erfasst. Während der Errichtung von Butendiek und Amrumbank West wurde der in die Wassersäule emittierte Schall effektiv durch Schallminderungsmaßnahmen (ICH-NMS, Blasenschleier) gemindert. Für diese Windparks konnte der gesetzlich vorgegebene Einzelereignispegel von 160 dB re 1 µPa²s zum überwiegenden Teil eingehalten werden. Somit wurde das Risiko einer Hörschädigung von Schweinswalen gegenüber ungedämmten Rammungen stark reduziert. Unterwasserschall 17 Die Schweinswalaktivität zeigt jedoch, dass trotz der erheblich reduzierten Schallbelastung großräumige Vertreibungseffekte beobachtet wurden. Am stärksten waren diese Effekte in 6,5 km Entfernung, sie waren jedoch auch in 13 km Entfernung dokumentierbar. Diese widersprüchlichen Ergebnisse führen zu einer Reihe von offenen Forschungsfragen: 1. Wird Schallminderung im relevanten Frequenzbereich für die betroffene Tierart durchgeführt? 2. Wird der Kontext der Rammungen, zum Beispiel die saisonal variierende Wichtigkeit eines Gebietes für Fressverhalten und Paarung als Einflussfaktor noch unterschätzt? 3. Werden Schweinswale durch andere Schallquellen, zum Beispiel durch patrouillierende Schiffe gestört? 4. Werden Schweinswale durch Vergrämung durch Seal Scarer weitreichender vertrieben als bisher angenommen? 5. Sind die zu Grunde liegenden Analysen aller Windparks vergleichbar und können alle Messungen mit der gleichen Methode ausgewertet werden? 6. Zeigen Schweinswale ein ähnliches Echoortungs- und Schwimmverhalten während der Rammungen, wie zu ungestörten Zeiten, oder werden Tauchmuster und Echoortungsaktivität stark beeinflusst? Zur Beantwortung dieser Fragen sind Langzeitstudien erforderlich, die die Wirkungen unterschiedlicher Faktoren in den biologischen Kontext stellen und verhaltensbiologische Aspekte stärker berücksichtigen. Anschrift des Vortragenden: Dr. Michael Dähne Curator of Marine Mammals Deutsches Meeresmuseum Stiftung des bürgerlichen Rechts Katharinenberg 14 - 20 18439 Stralsund Email: [email protected] 18 Unterwasserschall Bewertung von Schallmonitoring für Offshore Windparks Ilona Büscher (BSH), Maria Boethling (BSH), Andreas Müller (Müller-BBM) Es liegen dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Erfahrungen beim Bau von 16 Windparks in der Nord- und Ostsee vor. Weitere sind geplant, beantragt bzw. genehmigt. Überwiegend werden diese Offshore Windenergieanlagen auf Tiefgründungen gebaut. Die Gründungsstrukturen der einzelnen Anlagen werden in den Meeresboden eingerammt, wodurch Unterwasserlärm erzeugt wird, der Auswirkungen auf die Meeresfauna haben kann. Die Schlüsselart für die Bewertung von Auswirkungen des Rammschalls ist dabei der Schweinswal. Das Umweltbundesamt (UBA) hat Empfehlungen unter Verwendung von Forschungsergebnissen und Fachbeiträgen erarbeitet. Daraufhin hat das BSH für die Genehmigungen verbindliche Lärmschutzgrenzwerte zur Vermeidung und Verminderung von Effekten des Rammschalls auf die Meeresumwelt in den Bescheiden von Offshore Vorhaben eingeführt (Offshore Windparks: Nebenbestimmung 14, Netzanbindungen und Konverter: Nebenbestimmung 20). In diesen Nebenbestimmungen besagt ein duales Kriterium, dass der Schalldruck SEL 160 dB re 1µPa2s und der Spitzenpegel 190 dB re 1µPa2s in 750m zur Rammstelle nicht überschreiten dürfen. Die Überwachung und Bewertung der Effektivität von Schallschutzmaßnahmen gehört im Rahmen des Vollzugs von Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren zu den Kernaufgaben des BSH. Zwei Standards wurden entwickelt, die die Anforderungen und Kriterien für die Bewertung der Effektivität von Schallminderungssystemen festlegen: „Erfassung und Auswertung von Unterwasserschall (2011)“ und „Bestimmung der Wirksamkeit von Schallminderungssystemen (2013)“. Die Bewertung der Ergebnisse aus dem Unterwasserschallmonitoring, insbesondere auch im Hinblick auf die Bestimmung der Wirksamkeit von technischen Schallminderungssystemen, nimmt eine wichtige Rolle im Prozess der Bauüberwachung ein. Die Grenzwerte können ohne den Einsatz von Schallschutzmaßnahmen nicht eingehalten werden, sodass seit 2011 seriell technische Schallminderungssysteme in Offshore Bauvorhaben eingesetzt werden. Zurzeit kommen hauptsächlich drei Systeme zum Einsatz. Der „Große Blasenschleier“ (BBC) besteht aus einem Schlauch mit vielen kleinen Löchern, der am Meeresboden in verschiedenen Entfernungen um die Baustelle herum ausgelegt wird. Mit Hilfe von Kompressoren wird Luft durch den Schlauch gepumpt, sodass sich ein Schleier aus Blasen in der Wassersäule bildet. Die anderen beiden Systeme sind direkt am Pfahl positioniert. Der Hydro Sound Damper (HSD) besteht aus einem runden Ballastgewicht und einem runden Auftriebskörper, zwischen die Netze mit verschieden großen Schaumstoffelementen gespannt sind. Das dritte System ist ein doppelwandiges Schallschutzrohr (IHC), aus dessen Zwischenspalt das Wasser herausgepumpt und ein interner Blasenschleier betrieben wird. Unterwasserschall 19 Im Rahmen der Präsentation wird ein Überblick des aktuellen Stands der Entwicklung und der praktischen Erfahrungen mit technischem Schallschutz bei Rammarbeiten von Offshore Vorhaben in der deutschen AWZ vermittelt. Während bei den ersten Bauvorhaben noch viel Potential für Verbesserungen offen war, werden die Grenzwerte seit 2014 verlässlich eingehalten. Dabei hat sich die Kombination eines Blasenschleiers mit einem pfahlnahen Schallschutzsystem bewährt. Anhand von Daten aus der Bauüberwachung werden einzelne Aspekte durchleuchtet, die bei der Einhaltung der Lärmschutzwerte eine wichtige Rolle einnehmen. Auch in den nächsten Jahren wird sich der Bereich Unterwasserlärm im Rahmen von Offshore Windvorhaben weiter entwickeln, wie bei der Bewertung der Schallwirkungen der Schutzgüter und weiterer technischer Innovationen. Deutschland hat mit Vorgabe von Schallschutzwerten eine Vorreiterrolle übernommen. Andere Nationen übernehmen Teile der Vorgehensweise, was zu einer nachweislich verbesserten Lärmsituation in den Meeren geführt hat und führen wird. Anschrift der Vortragenden: Ilona Büscher Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie Bernhard-Nocht-Str. 78 20359 Hamburg Email: [email protected] 20 Unterwasserschall Noise and seals-what can we extract from acoustic tags on seals Jonas Teilmann Acoustic tags have been used for some years on cetaceans to understand how animals use sounds in their natural behaviour and how human noise may impact social interactions, feeding and movements. This study has developed the first multi-week wideband sound recording tag (DTAG) for seals and so represents a major breakthrough in sound tag technology. The seal tag records sounds from 100 Hz to 50 kHz. Sensors comprising triaxial accelerometer, triaxial magnetometer and pressure are sampled at 200 Hz per channel also with 16 bit resolution. This high sensor sampling rate enables acquisition of feeding signals as described by Ydesen et al. (2014) as well as swimming movements and any startle responses to e.g. boat passes, pile driving or seismic sounds. The tag also includes a fastsampling GPS which makes 32 ms acquisitions of available GPS satellite signals when the animal surfaces. As the tag is strictly archival, it must be recovered to retrieve the data making radio tracking of paramount importance. The seal tag incorporates both a VHF radio beacon for shortrange (< 5 nautical mile) localization and an Argos satellite transmitter for global localization. A magnesium link releases the tag from the seal after about 3 weeks. As soon as the tags fall off and float to the surface they are relocated using Argos positions and VHF tracking. When the magnesium corrodes after about three weeks the line will fall off and detach the tag. The tag will then float to the surface where it will transmit Argos and VHF signals for retrieval. Four seals have been successfully tagged with DTAGs (two harbour seal from the German Wadden Sea and two grey seals from Helgoland) since March 2015. All tags have been recovered and provide the first full bandwidth recordings on both harbour and grey seals for 14 days. This project has shown feasibility of acoustic tags on seals and has opened up a whole new field of research that can be used to e.g. show the response of seals to anthropogenic noise sources. Reference Ydesen, K.S., Wisniewska, D.M., Hansen, J.D., Beedholm, K., Johnson, M. and Madsen, P.T. (2014). What a jerk: prey engulfment revealed by high-rate, super-cranial accelerometry on a harbour seal (Phoca vitulina). Journal of Experimental Biology, available at: http://jeb.biologists.org/lookup/doi/10.1242/jeb.100016 Unterwasserschall Anschrift des Vortragenden: Jonas Teilmann Institute for Bioscience University of Aarhus (AU) Frederiksborgvej 399 4000 Roskilde Dänemark Email: [email protected] 21 Sedimente und Habitate 24 Sedimente und Habitate Flächendeckende Sedimentkartierung der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Claudia Propp1*, Alexander Bartholomä2, H.Christian Hass3, Peter Holler2, Svenja Papenmeier3, Peter Richter4, Klaus Schwarzer4, Franz Tauber5, Manfred Zeiler1 1 Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) 2 Marine Research Department, Senckenberg am Meer (SaM) 3 Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung, Wattenmeerstation Sylt (AWI) 4 Christian-Albrechts-Universität, Institut für Geowissenschaften (CAU-IfG) 5 Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) Die Aktivitäten im Offshore-Bereich als auch der Schutz der marinen Umwelt erfordern ein verbessertes Verständnis der Bedingungen am Meeresboden. In diesem Zusammenhang sind detaillierte Informationen von Sedimenttypen eine grundlegende Voraussetzung für die Identifizierung, das Monitoren und den Schutz von marinen Biotopen gemäß EU Vorgaben. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie startete im Juni 2012 ein Programm für eine flächendeckende Sedimentkartierung der deutschen AWZ, welches im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) durchgeführt wird. Die Sedimentverteilungskarten werden unter anderem als Grundlage für die Erstellung einer detaillierten Biotopkarte der AWZ dienen. Hochauflösende Seitensichtsonardaten sowie Greiferproben und Videoaufnahmen („ground-truthing“) dienen als Basis für die Erstellung der Sedimentverteilungskarten. Um eine standardisierte und somit nachvollziehbare Vorgehensweise für die Datenaufnahme, prozessierung und -interpretation zu gewährleisten, erarbeiteten das BSH und seine wissenschaftlichen Partner (AWI, CAU, IOW und SaM) eine „Anleitung zur Kartierung des Meeresbodens mit hochauflösenden Sonaren“ (Veröffentlichung im Mai 2016). Um die Bedürfnisse der Biotopkartierung in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, wurden das BfN und seine Partner im Bereich der Biotopkartierung und des Benthosmonitorings sowie die Facharbeitsgruppen für Benthos und Hydromorphologie des BLANO eingebunden. Neben den Behörden hatten auch Vertreter von Umweltbüros die Möglichkeit, den Entwurf für die Veröffentlichung zu kommentieren. Die Anleitung legt den Fokus auf die Interpretation der Daten. In Abhängigkeit der zur Verfügung stehenden Seitensichtsonaruntersuchungen und der Daten von Bodenbeprobungen mit Greifern und Unterwasservideo sowie weiteren Informationen über das jeweilige Gebiet räumt die Anleitung die Möglichkeit ein, die Sedimenttypen in einem unterschiedlichem Detaillierungsgrad darzustellen. Basierend auf der Folk-Klassifikation (1954) wurden verschiedene Ebenen für Sedimenttypen eingefügt. Sedimente und Habitate 25 Um eine entsprechende Differenzierung der Sedimenttypen auf dem sandigen Schelf der deutschen Nordsee zu gewährleisten werden Sande in diesem Bereich für gemäß des nationalen Klassifizierung von Figge (1981) differenziert. Die Sedimentklassifikationen innerhalb der verschiedenen Ebenen werden zusammen mit Informationen über Genese und Grenzen der Sedimenttypen in einer Sedimentverteilungskarte zusammengefügt. Die Kartierungsanleitung umfasst zudem einen hydroakustischen Katalog, welcher eine Zusammenstellung bekannter hydroakustischer Signaturen, Bodenstrukturen und Sedimenttypen in den deutschen Meeresgebieten enthält. In einem nächsten Schritt ist nunmehr geplant, die Anleitung für die Erfassung von Steinbzw. Blockvorkommen sowie Bodenelementen wie z.B. Rippelfelder im Zuge einer Fortschreibung zu ergänzen. Über die Einbeziehung des oben genannten Personenkreises soll eine einheitliche Anleitung und konsistente Sedimentverteilungen für das gesamte deutsche Meeresgebiet sichergestellt werden. Literatur: Figge, K., 1981. Sedimentverteilung in der Deutschen Bucht (Blatt-Nr. 2900, Maßstab 1:250.000). Deutsches Hydrographisches Institut, Hamburg. Folk, R.L., 1954. The Distinction between Grain Size and Mineral Composition in Sedimentary-Rock Nomenclature. Journal of Geology, 62, 344 – 359. Anschrift der Vortragenden: Dr. Claudia Propp Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie Bernhard-Nocht-Str. 78 20359 Hamburg Email: [email protected] 26 Sedimente und Habitate Eckpunkte einer Kartieranleitung von Riffen gemäß FFHRichtlinie und § 30 BNatSchG für Genehmigungsverfahren Kathrin Heinicke Riffe gehören aufgrund ihrer besonderen ökologischen Bedeutung und ihrer Sensitivität zu den sowohl durch nationales als auch internationales Recht geschützten Lebensräumen im Meer. Es handelt sich dabei um kompakte Hartsubstrate auf harten oder weichen Meeresböden, die sowohl geogenen als auch biogenen Ursprungs sein können. Den Rahmen für ihre Erfassung und Kartierung gibt das Interpretationshandbuch der Europäischen Kommission (EU KOM 2007) vor, welches die europaweit gültige Definition und Beschreibung dieses nach Anhang I der FFH-Richtlinie geschützten Lebensraumtyps enthält. Seit 2010 unterliegen Riffe in Deutschland zusätzlich dem gesetzlichen Biotopschutz des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Riffe im Sinne § 30 BNatSchG entsprechen dem durch Anhang I FFH-RL geschützten Lebensraumtyp „Riffe“ (Code 1170). Im Rahmen von Genehmigungsverfahren besteht die Verpflichtung, dieses § 30 Biotop in der deutschen Nord- und Ostsee innerhalb und auch außerhalb von Schutzgebieten zu kartieren. Eine standardisierte Anleitung für die Kartierung ist daher notwendig. Die Erfassung und Abgrenzung von geogenen Riffen stützt sich auf die Auswertung von Seitensichtsonar-Mosaiken nebst „Ground Truthing“ (Greiferproben und Videoprofile) sowie überwiegend videogestützte benthosbiologische Untersuchungsverfahren. Hierbei beruht die Riffabgrenzung auf dem Vorkommen von Steinen ab einer Kantenlänge von ca. 0,3 Metern, dem Vorkommen von Restsedimenten und Geschiebemergel, um die mittels Seitensichtsonar nicht zu identifizierenden Hartsubstrate einzubeziehen 1 und der jeweils assoziierten benthischen Besiedlung. Dabei lassen sich verschiedene Rifftypen unterscheiden. Aufgrund der unterschiedlichen Naturraumausstattung und der daraus resultierenden, voneinander abweichenden ökologischen Verhältnisse sind in Nord- und Ostsee unterschiedliche Herangehensweisen und Kriterien für die Kartierung von Riffen erforderlich. In der Nordsee basiert die Abgrenzung des Rifftyps „Steinfeld“ auf der Erfassung von Einzelsteinen mit einer Mindestgröße von 0,3 Metern, welche mit einem Puffer von 75 m Radius umgeben, bestimmte Kriterien bezüglich ihres Abstands und ihrer Anzahl zu erfüllen haben. Bei einer Mindestgröße von 1000 m² gilt die mittels GIS-Analyse ermittelte Abgrenzung dieses Rifftyps sobald eine biologische Verifizierung erfolgt ist. Der zweite Rifftyp „Marine Findlinge“ besteht aus erratischen Blöcken mit einer Kantenlänge von mindestens 2 Metern. Für diesen Rifftyp ist eine biologische Verifizierung aufgrund der vorauszusetzenden epibenthischen Besiedlung derartig großer Einzelsteine nicht erforderlich. Ein solches Riff wird mit einem Flächenpuffer von 75 Meter Radius nach außen abgegrenzt. Den dritten Rifftyp in der Nordsee bilden Restsediment- bzw. Geschiebemergelflächen. Restsedimente sind genau wie Geschiebemergelflächen Bestandteil von geogenen Riffen, da sie neben 1 Bei "Hartsubstrat" handelt es sich gem. Interpretationshandbuch um: Felsen (einschließlich „weichem“ Festgestein wie z. B. Kreidefelsen), Felsblöcke und Geröll (in der Regel >64 mm Durchmesser) Sedimente und Habitate 27 detektierbaren größeren Steinen auch mit gängigen Methoden nicht als Einzelobjekt erkennbare kleinere Gerölle im Korngrößenspektrum oberhalb von 64 mm enthalten. Die Abgrenzung der Restsedimentflächen erfolgt gemäß der Sedimentkartieranleitung des BSH und erfordert für die Festlegung als geogenes Riff eine biologische Verifizierung entsprechend dem Rifftyp „Steinfeld“. In der Ostsee werden die Typen „Steinfeld und Restsediment/Geschiebemergel“ im Gegensatz zur Nordsee anhand eines Referenzrasters mit einer Kantenlänge von 100 m abgegrenzt. Entscheidend für die Einstufung einer Rasterzelle als geogenes Riff ist die auf Basis von Rückstreumosaiken ermittelte Steinbelegungsdichte. Es werden drei Klassen unterschieden. In der Klasse 1 (Steinbelegungsdichte > 40 %) ist aufgrund der Steinhäufigkeit epibenthische Besiedlung vorauszusetzen und somit keine biologische Verifizierung erforderlich. Die Rasterzelle zählt direkt als geogenes Riff. Bei der Klasse 2 (Steinbelegungsdichte > 20%-40%) ist eine biologische Verifizierung durch visuelle Beprobungen vorgesehen, die entsprechend dem in der Ostsee geltenden Klassifizierungssystem der Helsinki Kommission „HUB“ epibenthisch dominierte Besiedlung nachzuweisen hat. In der Klasse 3 ist bei einer Steinbelegungsdichte unter 20 % neben der biologischen Verifizierung eine vollständige Zuordnung der Rasterzelle zum Sedimenttyp „Restsediment/Geschiebemergel“ erforderlich. Wie in der Nordsee gelten auch in der Ostsee außerhalb der Vorkommen der Rifftypen „Steinfeld und Restsediment/Geschiebemergel“ alle erratischen Blöcke mit einer Kantenlänge von mindestens 2 Metern als geogene Riffe Typ „Mariner Findling“. Anschrift der Vortragenden: Kathrin Heinicke Bundesamt für Naturschutz - Außenstelle Insel Vilm FG II 5.2 Meeresschutzgebiete, Management, Monitoring Insel Vilm 18581 Putbus (Lauterbach) Email: [email protected] 28 Sedimente und Habitate Sublitoralkartierung der niedersächsischen Übergangs- und Küstengewässer Andreas Wurpts Für die Umsetzung verschiedener europäischer Richtlinien (FFH-Richtlinie, WRRL, MSRL) führt der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in Zusammenarbeit mit der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer (NLPV) eine umfassende Sublitoralkartierung der niedersächsischen Küsten- und Meeresgewässer durch. Es wird hierbei eine detailgenaue und grenzscharfe Verteilung und Ausdehnung der Habitate bestimmt und eine vollständige Karte von Meeresgrund und – untergrund für die vorgenannten Gewässer erstellt. Diese wird als bestmögliche Abschätzung der Habitatverteilung zu einer bestimmten Zeit nach aktuellstem Stand der Technik eingestuft und in regelmäßigen Intervallen aktualisiert. Die Erhebung liefert zudem detailliertes Wissen zu Morphologie, Sedimentologie und vertikalem Aufbau der Gewässersohle, das für eine Vielzahl weiterer Nutzungen, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, der Identifikation geeigneter Sandentnahmestellen oder als Datengrundlage für numerische morphodynamische Modellierungen relevant ist. Die Forschungsstelle Küste im NLWKN entwickelt hierzu eine innovative Methodik zur Erfassung und Klassifizierung der Sedimente und Bodenformen mit dem Fokus auf einer objektiven Klassifizierung, welche subjektive Einflüsse infolge der Bearbeitung durch den Menschen soweit möglich eliminiert und eine jederzeitige Reprozessierung der Rohdaten erlaubt. Das Verfahren setzt spezifische Erfassungstechnik (MBES, Swath Bathymetrical Sonar, Sub Bottom Profiler) voraus und nutzt den engen Zusammenhang zwischen Oberflächensedimenten, Substratstrukturen und Bodenformen mit hydrodynamischen, morphologischen und geomorphologischen Parametern. Eine wesentliche Voraussetzung für die hierzu erforderliche morphometrische Analyse liegt in der hochgenauen und gleichzeitigen Ortsreferenzierung der bathymetrischen und der Rückstreudaten. Die auf verschiedenen Datenmodellen basierenden Zuordnungen der Parameter werden durch Abgleich mit Probennahmen kalibriert. Ein solches Vorgehen zur Sicherstellung eindeutig reproduzierbarer Ergebnisse erlaubt die Analyse der räumlich-zeitlichen Entwicklung der Gewässersohle (Wiederholungsmessungen) und stellt die Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen anderer sicher. Der Beitrag stellt anhand von Messergebnissen das Kartierungskonzept hinsichtlich seiner innovativen, technischen und methodischen Aspekte vor. Sedimente und Habitate Anschrift des Vortragenden: Dr.-Ing. Andreas Wurpts Leiter der Forschungsstelle Küste im NLWKN An der Mühle 5 26548 Norderney Email: [email protected] 29 30 Sedimente und Habitate NOAH – Habitatmodelle in der Nordsee Kay-Christian Emeis (Helmholtz-Zentrum Geesthacht) und das NOAH-Projektkonsortium: Berit Brockmeyer (BSH, Hamburg), Gerd Kraus (Thünen Institut, Hamburg), Ingrid Kröncke (Senckenberg, Wilhelmshaven), Christian Möllmann (CEN, Universität Hamburg), Michael Schlüter (AWI Bremerhaven), Christian Winter (MARUM Bremen), Gesine Witt (HAW, Hamburg) Die Nutzung der Meeresböden der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone in Nordund Ostsee wird in den nächsten Jahrzehnten eine neue Qualität erreichen. Dies Intensivierung und Diversifizierung der Nutzung geschieht vor dem Hintergrund des globalen Klima- und Umweltwandels und ihrer mannigfaltigen regionalen Manifestationen, und ohne dass die Auswirkungen jedes einzelnen externen Treibers auf das System Nordsee gänzlich erfasst sind und vorhergesagt werden können. Gleichzeitig nimmt die Notwendigkeit zu, prägnante und belastbare Indikatoren für den Umweltzustand des Küstenmeers im Kontext des Gesamtsystems zu beschreiben, um internationalen Zielsetzungen und Vorgaben zu genügen und den Erfolg umweltpolitischer Maßnahmen messen zu können. Das Verbundvorhaben NOAH (http://www.noah-project.de) schafft seit April 2013 ein georeferenziertes Inventar der Eigenschaften des Meeresbodens in der deutschen Bucht der Nordsee. Der so genannte Habitatatlas stellt wissenschaftliche Daten zu physikalischen, chemischen, biologischen Bedingungen von Meeresböden der Nordsee sowie der Intensität menschlicher Nutzungen und Belastungen dar. Diese Daten und abgeleitete Produkte sind Grundlage für die Einschätzung des Zustands des Meeresbodens, seiner Funktionen und Risiken für guten Umweltzustand. Zur Erstellung der Informationen verbindet das NOAHKonsortium Mess- und Modelldaten zu themen- und fragengerechter Information durch Analyse existierender Daten zur Klassifizierung und Eingrenzung von Meeresbodentypen, Beschreibung der physikalischen, chemischen, biologischen Eigenschaften und der menschlichen Drücke. Prozessuntersuchungen messen und analysieren dynamische, chemische, und biologische Prozesse in neun repräsentativen Arbeitsgebieten der - im Vorfeld monothematisch (Granulometrie) definierten - Sedimentprovinzen. Dies dient der Erhebung von Eigenschaften, Austauschraten und saisonaler bis zwischenjährlicher Variabilität in diesen Gebieten typischer Sedimentbeschaffenheit (einschließlich ihrer physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften), um Vertrauensbereiche bei der Extrapolation auf größere Gebiete gleicher Eigenschaften zu erfassen. Numerische Modelle werden zur Inter- und Extrapolation der Eigenschaften und Prozesse auf die gesamte Deutsche Bucht eingesetzt und helfen bei der Ableitung von mittleren und extremen Eigenschaften. Sie werden anhand von Beobachtungen optimiert und sollen in Zukunft zur Abschätzung der natürlichen Baseline (guter Umweltzustand) ohne menschliche Einflüsse eingesetzt werden. Daten aus allen 3 Arbeitspaketen werden zu einer Bewertung des Umweltzustands und seiner Variabilität herangezogen. Sedimente und Habitate 31 Sie dienen zur Ableitung von praktikablen und objektiven Indikatoren des Zustands sowie zur Erkennung von Risiken für den Umweltzustand. Zentrales Produkt des Projektverbunds ist das NOAH Informationssystem für marine Geodaten in der Nordsee. Über den so genannten Habitatatlas werden dem Nutzer Geoinformationen über eine Reihe von physikalischen, biogeochemischen und biologischen Eigenschaften des Meeresbodens in der Deutschen Bucht (Nordsee) in Form digitaler Karten zur Verfügung gestellt – Endziel ist die Bereitstellung als gerasterte Datensätze für weitere wissenschaftliche Nutzung. Die zugrunde liegende Geodatenbank beinhaltet Modellrechnungen sowie historische und aktuelle Beobachtungen, die im Verlauf des NOAH Projekts generiert, ausgewertet und weiterverarbeitet werden. Das Projekt hat eine Laufzeit von 6 Jahren (seit April 2013) und hat gerade seine Synthesephase begonnen. Die Arbeit der insgesamt 8 Partner im NOAH-Verbund wird am Helmholtz-Zentrum Geesthacht koordiniert. Anschrift des Vortragenden: Prof. Kay-Christian Emeis Institute of Coastal Research Helmholtz Center Geesthacht Email: [email protected] Meeresnaturschutz 34 Meeresnaturschutz Identifizierung und biologische Charakteristika bedrohter benthischer Arten in der Nordsee Jennifer Dannheim, Lars Gutow, Jan Holstein, Dario Fiorentino, Thomas Brey Biodiversität wird als eines der wichtigsten Services von marinen Ökosystemen gesehen, und seltene und bedrohte Arten spielen eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Biodiversität. Besonders in flachen Küstengewässern wie der Nordsee tragen benthische Organismen signifikant zur marinen Biodiversität bei. Daher ist das Wissen um biologische Charakteristika und die räumlicher Verteilung benthischer Biodiversität und seltener benthischer Arten essential für ein nachhaltiges Ökosystemmanagement sowie für den Schutz von bedrohten Arten. Grundlage der naturschützerischen Bewertung benthischer Ökosysteme ist die rote Liste bedrohter Arten, die 2013 überarbeitet und neu publiziert wurde. Problematisch an der roten Liste ist, dass die Entscheidung über den Status einer Art bisher häufig auf der Basis unzureichender Daten, insbesondere mit Blick auf ihre räumliche Verteilung, getroffen wurde. Wir nutzen ein umfangreiches Informationssystem benthischer Invertebraten in der Deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee (>9000 Stationen x >740 Arten) für hochdetaillierte und großskalige Analysen des Vorkommens und der räumlichen Verteilung von Arten der Rote Liste. Erstmalig evaluieren wir anhand dieses Informationssystems, wie selten diese Arten sind, welche funktionelle Rolle sie haben und analysieren ihre räumliche Verteilung in der AWZ. Schließlich identifizieren wir potentielle sensitive Areale, in denen bedrohte Arten gehäuft vorkommen. Diese Informationen bieten eine wissenschaftlich solide Grundlage für ein nachhaltiges Ökosystemmanagement. Anschrift der Vortragenden: Dr. Jennifer Dannheim Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung Am Handelshafen 12 27570 Bremerhaven Email: [email protected] Meeresnaturschutz 35 HELBIRD – Ergebnisse der telemetrischen Untersuchungen der Auswirkungen der Offshore Windparks auf Nahrungsflüge der Brutvögel Helgolands Stefan Garthe, Verena Peschko Basstölpel brüten seit dem Jahr 1991 auf der Insel Helgoland, die Zahl der Brutpaare ist im Laufe der Jahr auf inzwischen fast 700 Paare angestiegen. Bisher ist nur wenig darüber bekannt, wie Basstölpel die Deutsche Bucht während der Brutzeit nutzen. Die Kenntnis über Nahrungs- und Rastgebiete sowie über das Verhalten der Tiere ist jedoch von entscheidender Bedeutung, um mögliche Veränderungen im Verhalten oder in den Bestandszahlen der Tiere erklären zu können. Dabei spielen auch Reaktionen auf anthropogene Aktivitäten eine zentrale Rolle. Die hier vorgestellte Studie setzt telemetrische Methoden ein, um einen detaillierten Einblick in die Raumnutzung von auf Helgoland brütenden Basstölpeln zu erhalten. Dazu wurden während der Brutzeit auf Helgoland Basstölpel gefangen und mit GPS-Geräten ausgestattet. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen nahmen die Geräte die geographische Position, die Uhrzeit, die Flughöhe ebenso wie Bewegungsdaten mittels Beschleunigungssensoren auf. Anhand dieser Daten können auf Basis statistischer Modellierungen individuelle Unterschiede in der Raumnutzung untersucht werden. Dabei wird deutlich, welche Gebiete der Deutschen Bucht zur Nahrungssuche genutzt werden, in welchen Gebieten sie sich hauptsächlich zur Rast aufhielten und welche Flugrouten die einzelnen Tiere nutzten. Anschrift des Vortragenden: Prof. Dr. Stefan Garthe Forschungs- und Technologiezentrum Westküste (FTZ) Universität Kiel Hafentörn 1 D-25761 Büsum Email: [email protected] 36 Meeresnaturschutz DIVER – Ergebnisse der Telemetriestudie an Seetauchern im Bereich des Sylter Außenriffs Monika Dorsch Das Projekt DIVER ist ein Verbundvorhaben der Projektpartner BioConsult SH, der Arbeitsgruppe Verhaltensökologie und Ökophysiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen sowie des DHI (Kopenhagen, Dänemark). Das Vorhaben wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) vertreten durch den Projektträger Jülich (PtJ). Die Projektlaufzeit ist von November 2014 bis April 2018. Sterntaucher kommen im Frühjahr in großen Anzahlen in den Offshore-Bereichen der deutschen Nordsee vor und nutzen dabei auch Bereiche, die für den Ausbau der OffshoreWindenergienutzung von zunehmendem Interesse sind. Hieraus ergibt sich ein Konfliktpotenzial, da Sterntaucher wie Seetaucher allgemein sehr empfindlich auf Störungen reagieren und Untersuchungen an bereits bestehenden Windparks darauf hindeuten, dass die Windparkbereiche von Seetauchern gemieden werden. Das Forschungsvorhaben DIVER verfolgt daher das übergeordnete Projektziel, die Auswirkungen von Offshore-Windparks auf Habitatnutzung und Bewegungsmuster von Sterntauchern zu untersuchen und in Bezug auf die Offshore-Windkraftplanung planungs-, bewertungs- und genehmigungs-relevante Wissenslücken zu schließen. Seit März 2015 wurden in zwei Frühjahrssaisons bislang insgesamt 36 Sterntaucher im Bereich des Sylter Außenriffs auf der deutschen Nordsee gefangen und mit Satellitensendern ausgerüstet. Mittels dieser Daten können die Bewegungsmuster der Vögel im Überwinterungsgebiet in Bezug auf Nutzung von Gebieten mit und ohne Offshore-Windparks analysiert sowie weitere Fragestellungen zu Zugmustern, Brutgebieten und Ortstreue der Sterntaucher beantwortet werden. Die Daten der besenderten Sterntaucher zeigen, dass diese bestehende OffshoreWindpark-Gebiete fast komplett meiden. Die Bewegungsmuster und Aktionsräume (Home Ranges) im Überwinterungsgebiet sind individuell sehr verschieden und deuten auf eine hohe Mobilität der Tiere hin. Auch hinsichtlich der Ortstreue zum Überwinterungsgebiet wurden individuelle Unterschiede festgestellt. Während ein Teil der besenderten Sterntaucher im zweiten Winter früh in den Bereich des Fanggebiets auf der Nordsee zurückkehrte, verbrachten andere den Winter in der Irischen See, vor der britischen Küste oder in der Ostsee. Der Einzugsbereich der in der deutschen Nordsee überwinternden Sterntaucher ist sehr groß. Die potentiellen Brutgebiete der auf der deutschen Nordsee gefangenen Sterntaucher erstrecken sich von Westgrönland über Norwegen bis zur Yamal- und TaimyrHalbinsel Sibiriens. Meeresnaturschutz Anschrift der Vortragenden: Monika Dorsch BioConsult SH GmbH & Co.KG Schobüller Str. 36 25813 Husum Email: [email protected] 37 Naturschutzfachliche Aspekte der Raumordnung 40 Naturschutzfachliche Aspekte der Raumordnung Konsequenzen der EU-RL 2014/89/EU zur maritimen Raumplanung für den rechtlichen Meeresumweltschutz Gerold Janssen Die Richtlinie 2014/89/EU zur Schaffung eines Rahmens für die maritime Raumplanung (MRO-RL) hat einen stark nutzungsbezogenen und aus Umweltsicht quellenbezogenen Ansatz. Der Mehrwert für den Meeresumweltschutz wird erst bei näherer Betrachtung sichtbar. Die Betonung des „Rahmencharakters“ der Richtlinie erklärt sich aus zweierlei Gründen: zum einen richtet sich die Richtlinie an alle Mitgliedstaaten (bis auf die Binnenstaaten, Art. 15 Abs. 4 MRO-RL) mit ihren unterschiedlichen Entwicklungsständen in der Raumordnung, insbesondere im Meeresbereich. Zum anderen sind kompetenzrechtliche Schranken von der Richtlinie einzuhalten. Zu betonen ist aber, dass es sich vorliegend nicht um eine eigenständige Kategorie von EU-Rechtsakten handelt. Die fehlende Raumordnungskompetenz der EU stand den Beratungen zur Verabschiedung der MRO-RL lange im Weg. Die Richtlinie wird gestützt auf Art. 43 Abs. 2, Art. 100 Abs. 2, Art. 192 Abs. 1 und Art. 194 Abs. 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und damit auf ein Bündel aus fachlichen, meeresbezogenen Einzelzuständigkeiten der EU, wobei gemäß Art. 192 Abs. 2 AEUV Regelungen zur Raumordnung inbegriffen sind. Die tragenden Regelungen der MRO-RL lesen sich als Anweisung für die Schaffung eines Integrierten Planungs- und Bewirtschaftungskonzepts im Sinne von Art. 4 MRO-RL. Es wird eine ganzheitliche, fachübergreifende maritime Raumplanung (besser: Raumordnung) vorgeschrieben, verbunden mit der verbindlichen Aufstellung von Raumordnungsplänen. Dafür werden Mindestanforderungen und Ziele formuliert und das Beteiligungsverfahren mit der Öffentlichkeit beschrieben. In Bezug auf die Inhalte der maritimen Raumordnung und der Raumordnungspläne verfügen die Mitgliedstaaten über (erheblichen) Gestaltungsspielraum. Dieser beschränkt sich allerdings auf das „WIE“ der Planung, also beispielsweise die Regelungstiefe, insbesondere die Detailgenauigkeit der Planungen. Nicht hingegen stehen das „OB“ der Aufstellung von Plänen oder die Regelungsgegenstände zur Disposition. Gesetzlicher Änderungsbedarf im ROG besteht zunächst bei den raumordnerischen Grundsätzen gemäß Art. 2 ROG, wo insbesondere der Ökosystemsatz umzusetzen ist. Hierbei sind auch die „Interessen“ in den Meeresgewässern wie Fischfanggebiete und Meeresschutzgebiete in Form von Naturschutzgebieten und Artenschutzgebieten zu berücksichtigen und es ist den Herausforderungen des Klimawandels zu entsprechen. Des Weiteren sind die Vorschriften in § 13 ROG (raumordnerische Zusammenarbeit) um Regelungen zum Integrierten Küstenzonenmanagement (IKZM) zu erweitern. Überdies ist das Verhältnis der Raumordnung in AWZ und Küstenmeer untereinander und mit der terrestrischen Raumordnung zu regeln. Schließlich ist auch der Meeresuntergrund einzubeziehen, was für die Einführung einer umfassenden Untergrundraumordnung an Land und im Meer spricht. Unverändert zu übernehmen ist die Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung (SUP). Naturschutzfachliche Aspekte der Raumordnung 41 Eine der Kernfragen ist, welche Konsequenzen aus der Einführung des „ÖkosystemAnsatzes“ gemäß MRO-RL für die Raumordnung folgen. Die Frage der Bedeutung dieses neuen Ansatzes hätte schon zuvor im Zuge der Umsetzung der MeeresstrategieRahmenrichtlinie (MSRL) beantwortet werden müssen, ist im Wasserhaushaltgesetz aber unterblieben. In den Richtlinien werden dazu Anwendungskriterien genannt. So soll gemäß Art. 1 Abs. 3 MSRL – worauf in der MRO-RL Bezug genommen wird – damit gewährleistet sein, dass „die Gesamtbelastung durch (menschliche) Tätigkeiten auf ein Maß beschränkt bleibt, das mit der Erreichung eines guten Umweltzustands vereinbar ist, und dass die Fähigkeit der Meeresökosysteme, auf vom Menschen verursachte Veränderungen zu reagieren, nicht beeinträchtigt wird, und der gleichzeitig die nachhaltige Nutzung von Gütern und Dienstleistungen des Meeres heute und durch die künftigen Generationen ermöglicht.“ In der MRO-RL werden diese Kriterien um einen naturräumlich regionsbezogenen Ansatz und die Beachtung des Vorsorgeprinzips ergänzt. Darüber hinaus soll den Arbeiten an regionalen Abkommen zum Schutz der Meere (z. B. im Rahmen von HELCOM und OSPAR) Rechnung getragen werden. Dieser holistische Ansatz wird vor allem bei der Umsetzung des Leitbildes einer nachhaltigen Raumentwicklung im Sinne von § 1 Abs. 2 ROG von Bedeutung sein. Weitere umweltrechtliche Wirkungen der MRO-RL sind durch die maritimen Raumordnungspläne gemäß Art. 8 MRO-RL in Verbindung mit § 7 ROG intendiert. Die maritime Raumplanung soll unter anderem zur Verwirklichung der Ziele der MSRL, der Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie beitragen (vgl. Erwägungsgrund 15 MRO-RL). So können Festlegungen der Bewirtschaftungspläne nach WHG im Meeresbereich zu Zielfestlegungen mit Rechtsverbindlichkeit ausgestattet werden (Beispiel: Vorranggebiete für wandernde bzw. ziehende Arten als Flug- bzw. Wanderkorridore zwischen ökologisch wichtigen Gebieten). Im Naturschutzrecht können Festlegungen in den Natura-2000-Managementplänen zum Gegenstand konkreter raumordnerischer Regelungen mit räumlichen Bezug zum Schutz von Biotopen der AWZ von Nord- und Ostsee (FFH-Lebensraumtypen: 1110 „Sandbänke“ und 1170 „Riffe) gemacht werden. Resümierend ist festzustellen, dass sich ein zumindest partieller Novellierungsbedarf des ROG ergibt. Die Anwendung des Ökosystemansatzes setzt das Leitbild der nachhaltigen Raumentwicklung in ein neues Licht, der sich vor allem in der Pflicht zur Beachtung von Belastungsgrenzen manifestiert. Auch die Aufstellung eines Integrierten Planungs- und Bewirtschaftungskonzepts für die Meeresgewässer fordert neben der Berücksichtigung des Integrierten Küstenzonenmanagements eine ganzheitliche Sichtweise von Landesplanung an Land und im Küstenmeer sowie AWZ-Meeresraumordnung des Bundes. 42 Naturschutzfachliche Aspekte der Raumordnung Anschrift des Vortragenden: Prof. Dr. jur. Gerold Janssen Forschungsbereich Strategische Fragen und Perspektiven Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) Weberplatz 1 01217 Dresden Email: [email protected] Naturschutzfachliche Aspekte der Raumordnung 43 Anforderungen an die transnationale Meeresraumplanung in Nord- und Ostsee im Rahmen von OSPAR und HELCOM Carla Kuhmann In den Meeresgewässern der EU-Mitgliedstaaten ist mit der Verabschiedung der Meeresraumplanungsrichtlinie 2014/89/EU eine räumliche Gesamtplanung für die Küstengewässer und die Ausschließlichen Wirtschaftszonen vorgeschrieben, die auf einem Ökosystemansatz basieren und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit fördern soll, zudem zukunftsfest und an den Klimawandel angepasst ist. Aufgrund der geopolitischen Lage sind damit aber nicht alle Meeresgewässer der Ostsee und insbesondere der Nordsee inkl. Nord-Ost-Atlantik erfasst. Ausgenommen bleiben die Meeresgewässer von Drittstaaten wie Norwegen, Island sowie der Russischen Föderation. Diese Länder verfügen über sehr große Meeresgebiete, deren Berücksichtigung für eine kohärente Raumplanung in Nordund Ostsee unabdingbar sind. Aus diesem Grund muss auf anderem Wege als durch Unionsrecht sichergestellt werden, dass eine harmonisierte, transnationale Meeresraumordnung etabliert wird, die ökologisch orientiert ist und dem Nachhaltigkeitsprinzip gerecht wird. Eine Möglichkeit hierfür stellt insbesondere die raumplanerische Abstimmung im Rahmen der regionalen völkerrechtlichen Abkommen OSPAR und HELCOM dar, auf die in der EU-Richtlinie zur Meeresraumordnung direkt Bezug genommen werden. Diese Übereinkommen umfassen auch jene Gebiete, die nicht über die europäische Richtlinie zur Meeresraumordnung erfasst werden. Einen Ansatz, Raumordnung der Meeresgewässer auf regionaler Ebene zu leiten, liefert der gemeinsame Leitfaden von HELCOM und VASAB zur Umsetzung des Ökosystemansatzes in der maritimen Raumordnung der Ostsee, sicherlich auch mit einer gewissen „Vorbildfunktion“ für entsprechende Entwicklungen bei OSPAR. Für eine transnationale, adaptive und ökosystemorientierte maritimen Raumplanung im Rahmen der regionalen Konventionen ergeben sich besondere Anforderungen an den Planungsprozess und die daraus resultierenden Raumordnungspläne. Grundsätzlich ist es notwendig, dass die erstellten Planungsvorgaben in den Rechtsregimen der jeweiligen Staaten anwendbar sind und weder nationalem Recht noch Unionsrecht entgegenstehen. Gleichzeitig sollte aber durch planungsrechtliche Vorgaben ein Rahmen sowohl für die Vorbereitung, Erstellung und Überprüfung von maritimen Raumordnungsplänen entstehen, der zum einen den Staaten Interpretationsspielraum für nationale Anforderungen an die Planung lässt, zum anderen aber Richtlinien und Grundsätze für eine kohärente transnationale Raumordnung vorgibt. Dies bedeutet auch eine Integration grundlegender Prinzipien von HELCOM und OSPAR, wie dem Ökosystemansatz, der Verwendung von „Best available technique” oder dem Vorsorgeprinzip. Ebenso sind für ein gemeinsames Verständnis des Planungsprozesses und relevanter Konzepte sowie die Nennung kompetenter Behörden zwischen EU- und Drittstaaten für eine frühzeitige Integration benachbarter Staaten in die Planung und entsprechende Kooperationsverfahren unverzichtbar. Marine Raumordnungspläne im Sinne des Ökosystemansatzes, denen eine transnationale Meeresraumordnung zugrunde liegt, sollten vor allem zur Sicherstellung der Konnexität und Konnektivität von raumplanerischen Vorrang- und Vorbehaltsgebieten in EU-Meeresgewässern und Meeresgewässern von Drittstaaten beitragen, auch um in transnationalen geschützten Meereszonen ökosystemare Prozesse und Biotopverbünde zu schützen und zu fördern. Des Weiteren sollte die Anforderung an geeignete raumplanerische Instrumente für einen gebietsunabhängigen Schutz auf regionaler Ebene erfüllt werden. 44 Naturschutzfachliche Aspekte der Raumordnung Anschrift der Vortragenden: Carla Kuhmann, M.Sc. Bundesamt für Naturschutz Außenstelle Insel Vilm 18581 Putbus/Rügen Email: [email protected] Naturschutzfachliche Aspekte der Raumordnung 45 Beitrag des Naturschutzes zur Umsetzung des Ökosystemansatzes in der Meeres-Raumordnung Schiele K., Janßen H., Siebert U., Unger B., Garthe S., Fließbach K., Schuchardt B., Pesch R., Janssen G., Schachtner E. Eine der zentralen Herausforderungen in der Umsetzung der Meeresraumordnung ist die Implementierung eines Ökosystemansatzes, wie von der Europäischen Meeresraumordnungs-Rahmenrichtlinie (2014/89/EU) gefordert. Der Ökosystemansatz ist ein vielseitiger Ansatz, den Praktiker jedoch oftmals als zu kompliziert und theoretisch erachten und der bislang nur selten in der Meeresraumordnung umgesetzt wurde. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig und u.a. auf das Fehlen flächendeckender Daten über den Zustand mariner Ökosysteme und deren Sensitivitäten zurückzuführen. Im Rahmen zweier F+E Projekte des BfN („MSP-Int“ und „FABENA“) werden derzeit Informationsgrundlagen und wissenschaftliche Bewertungsgrundlagen für die Integration naturschutzfachlicher Belange in Meeresraumordnungsprozesse entwickelt. Raumwirksame Ansprüche sowie Lage und Empfindlichkeit gefährdeter und repräsentativer Arten und Biotope in den Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) der deutschen Nord- und Ostsee werden ermittelt, wobei der räumlich-funktionale Zusammenhang mit den angrenzenden Küstengewässern ebenfalls betrachtet wird. Der Vortrag stellt dar, wie naturschutzfachliche Schutzziele grundsätzlich in der Meeresraumordnung Berücksichtigung finden können, welche Messgrößen sich eignen und gibt für Meeressäugetiere, Avifauna und das Benthos der Nord- und Ostsee einen ersten Überblick zum Stand des aktuellen Wissens über Artenverteilung und Sensitivitäten. Deutlich wird hierbei, dass bei einer Fortschreibung der Raumordnung in Nord- und Ostsee naturschutzfachlichen Aspekten u.a. aufgrund verbesserter Datengrundlagen zukünftig stärker als bisher Rechnung getragen werden kann. Anders als noch in den Jahren 2005 bis 2009, in den die ersten deutschen Meeresraumordnungspläne entstanden sind, liegen geeignete räumliche Daten und Kenntnisse heute vielfach vor. Diese zeigen, dass Schutzerfordernisse explizit auch außerhalb der Natura 2000-Flächen bestehen, u.a. um die Vernetzung dieser Schutzgebiete, das heißt die Wanderung und Verbreitung von Arten, zu ermöglichen. Die Ausweisung von Korridoren im Rahmen der Meeresraumordnung kann hierbei ein geeignetes Konzept zur Berücksichtigung von Konnektivität sein, jedoch ist dies vom individuellen Verhalten abhängig und kann daher nicht für alle Arten gelten. 46 Naturschutzfachliche Aspekte der Raumordnung Anschrift der Vortragenden: Dr. Kerstin Schiele Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) Seestraße 15 18119 Rostock-Warnemünde Email: [email protected] MeeresstrategieRahmenrichtlinie / Wasserrahmenrichtlinie 48 Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie / Wasserrahmenrichtlinie Deutsches Maßnahmen-Programm aus Sicht der Landwirtschaft Klaus-Dieter Blanck Die Maßnahmenvorschläge der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie betreffen die Landwirtschaft vor allem in den Bereichen • Beeinträchtigung durch anthropogene Eutrophierung • Verschmutzung durch Schadstoffe • Beeinträchtigung mariner Arten / Lebensräume/Biodiversität Da die meisten Beeinträchtigungen über die Flußsysteme zugeführt werden, erfolgen die meisten landwirtschaftsrelevanten Maßnahmen des Meeresschutzes über die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Der Aspekt Biodiversität im Meer wird vor allem über indirekte Effekte der Eutrophierung ausgelöst. Beeinträchtigungen durch anthropogene Eutrophierung aus der Landwirtschaft erfolgen vor allem aus diffusen Quellen: Bei N über Sickerwasserausträge vor allem im Winterhalbjahr und N-Austräge über den Luftpfad (Ammoniak). Oberflächliche Abschwemmung durch Starkregen in Form von Bodenerosion bewirkt Einträge von P und N. Freisetzung aus Sedimenten ist eine historische Belastung. Anders als bei vielen Industrie- oder SiedlungsPunktquellen sind diffuse oder gar wetterbedingte Eutrophierungen aus der Landwirtschaft schwerer in den Griff zu bekommen. Nitrat-Richtlinie, Wasserrahmenrichtlinie und in der Umsetzung dann die DüngeVO streben an, die N-Austräge über den Sickerwasserpfad durch starke Einschränkung von HerbstDüngungen, durch Verschiebung der Ausbringung organischer Dünger vom Herbst in das Frühjahr und Transporte organischer Dünger (Gülle, Gärreste) aus intensiven Viehhaltungsregionen in viehschwache Ackerbauregionen zu vermindern. Zur Vermeidung von N-Einträgen über den Luftpfad (Ammoniak) werden die technischen Anforderungen an die bodennahe Ausbringung/ Einarbeitung von Gülle und Gärrest verschärft. Diese Maßnahmen erfordern deutlich höhere Lagervolumen, den Einsatz von Großtechnik und völlig andere Transportlogistik. Diese Investitionskosten werden viele landwirtschaftliche Betriebe nicht leisten können, so daß der Strukturwandel in Richtung Großbetriebe auch durch diese Vorgaben deutlich beschleunigt wird. Die Schutzziele Gewässer- , Boden- und Atmosphärenschutz sind teilweise schwer kompatibel. Die Vermeidung oberflächlicher Abschwemmung (Wassererosion) wird angestrebt durch Anlage ständig bewachsener Randstreifen an Gewässern, durch Erosionsgefährdungskataster mit CC-Auflagen, Umstellung von Pflug- auf Mulchsaat (dies ist aber abhängig von Glyphosat-Einsatz) und Grünlanderhaltungsauflagen in Hanglagen. Insbesondere der PEintrag kann hierdurch gemindert werden, während die Minderung der N-Einträge durch Randstreifen eher marginal ist. Die Auflagen sind aber teilweise mit erheblichen Einkommensnachteilen verbunden. Die Zunahme von Starkregenfällen im Zuge des Klimawandels verschärft das Problem. Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie / Wasserrahmenrichtlinie 49 Die in Umsetzung befindliche neue DüngeVO setzt schärfere Ausbringungs-Sperrfristen im Herbst, verlangt eine hohe Anrechnung organischer Düngung, setzt Höchstgrenzen für die N-Düngung jeder Kultur und verschärft die zulässigen N- und P-Bilanzüberschüsse so stark, daß eine aus pflanzenbaulicher Sicht optimale Düngung besonders auf Hochertragsstandorten oder bei Viehhaltung kaum noch möglich ist. Der Bürokratieaufwand wird erheblich zunehmen und Familienbetriebe oft überfordern. Die Verschmutzung der Meere durch Schadstoffe betrifft die Landwirtschaft bei Einträgen durch Pflanzenschutzmittel und Pharmazeutika/Reinigungsmittel/Industriechemikalien. Bei Pflanzenschutzmitteln sind Punktquellen von befestigten Flächen mit Kanalanschluß der bedeutendste Eintragspfad, daneben diffuse Austräge über Gewässer- und Drainsysteme. Bei Starkregen können auch direkte Erosionseinträge erfolgen, während direkte Abdrift in Gewässer relativ unbedeutend ist. Hier mindern Zulassungsvorschriften wie Abstands-, Bodenart- oder Witterungsauflagen, moderne Spritztechnik und Beratung die Einträge. Bei den Pharmazeutika / Reinigungsmitteln / Industriechemikalien ist die Unterscheidung zwischen Einträgen aus Landwirtschaft, Humanmedizin und Siedlung sehr oft unscharf. Insbesondere über Einträge aus Kläranlagen besteht noch erheblicher Forschungsbedarf. Beeinträchtigungen der Biodiversität mariner Systeme erfolgen vor allem über indirekte Auswirkungen von Eutrophierung durch Sauerstoffmangel, Algenblüte usw. Die Befassung mit dem Meeresschutz erfolgt für den Bereich der Landwirtschaft vor allem über die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Diese wird in den Bundesländern sehr unterschiedlich umgesetzt: Es gibt strikte Top-down-Ansätze, während Schleswig-Holstein ein sehr kooperatives Modell mit konsequenter Einbindung der regionalen Akteure von der Bestandsaufnahme, Zielformulierung bis zur Maßnahmen-Umsetzung pflegt. Die „Allianz für den Gewässerschutz“ führt Ministerien, Bauernverband, bisher stark ökonomisch ausgerichtete Betriebsberatungen Vieh und Acker, Lohnunternehmen und Wasser- und Bodenverbände bei gemeinsamer Lösungssuche und -umsetzung zusammen. Als völlig falscher Ansatz wird das Setzen von realistisch nicht erreichbaren Zielen oder zumindest Zwischenzielen angesehen, weil dies auch gutwillige Akteure demotiviert. Relevante Stakeholder müssen von Anfang an gerade auch in die sozioökonomische Bewertung eingebunden werden. 50 Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie / Wasserrahmenrichtlinie Anschrift des Vortragenden Klaus-Dieter Blanck -Bauernverband SHDorftsr. 19 23769 Bojendorf/Fehmarn Email: [email protected] Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie / Wasserrahmenrichtlinie 51 Deutsches Maßnahmenprogramm aus Sicht der Schifffahrt Matthias Plötzke Vom 31. Mai bis 01. Juni 2016 findet in Hamburg das 26. MeeresumweltSymposium statt. Zu den zentralen Themen gehört die Maßnahmendiskussion der Meeresstrategierahmenrichtlinie (MSRL). Der VDR hat im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung Beiträge in diese Debatte eingebracht und möchte mit diesem Papier Kernaspekte des Maßnahmenprogramms kommentieren. Der Verband Deutscher Reeder (VDR) unterstützt und begrüßt die Anstrengungen der EU-Mitgliedstaaten in Zuge der Umsetzung der Meeresstrategierahmenrichtlinie für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der heimischen Meere. In zahlreiche der aufgeführten Politikbereiche bzw. umweltpolitischen Debatten ist der VDR direkt oder über Reedereivertreter engagiert. Die Seeschifffahrt gehört zu den wesentlich betroffenen Sektoren im Rahmen der MSRL-Maßnahmen. Es ist für die weitere politische Entwicklung deshalb erforderlich, den engen Dialog und intensive Einbindung der Schifffahrt aufrechtzuerhalten. Oberste Prämisse muss dabei bleiben, dass die maßgebende Regulierungsinstitution für die internationale Seeschifffahrt die IMO ist. Der VDR unterstützt die Koordinierung innerhalb von HELCOM und OSPAR. Zu den zentralen Anliegen des Maßnahmenprogramms gehört die Minderung von Schadstoffeinträgen und die Luftreinhaltung. Beide Themenbereiche berühren unmittelbar die Seeschifffahrt. Der VDR begrüßt die Aufnahme der Maßnahme "Förderung von NOx-Minderungsmaßnahmen bei Schiffen" in das Maßnahmenprogramm. Es ist zunächst positiv, dass regionale oder gar nationale Auflagen für StickoxidGrenzwerte nicht in Betracht gezogen werden, sondern die MARPOL Anlage VIGrenzwerte vorrangig sind. Schiffsneubauten seit 2000 müssen den IMO-Grenzwert Tier I, seit 2011 dem Tier II genügen. Der deutlich schärfere Grenzwert Tier III liegt fast 80 % unter dem Tier II-Wert und gilt nach MARPOL in ausgewiesenen Sondergebieten (ECA). Die Einrichtung eines Förderprogramms ist grundsätzlich richtig. die Verbesserung von Finanzierungsbedingungen für innovative Projekte von Reedereien und Werften begrüßenswert. Dies gilt insbesondere für die Unterstützung für die LNG-Nutzung und den Aufbau einer ausreichenden LNG-Versorgungsinfrastruktur. Verflüssigtes Erdgas (LNG) als Alternativkraftstoff für die Schifffahrt kann einen wichtigen Beitrag leisten, Stickoxid-Emissionen spürbar zu mindern. 52 Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie / Wasserrahmenrichtlinie In diesem Kontext wurde auch die Maßnahme "Einrichtung eines StickstoffEmissions-Sondergebietes in Nord- und Ostsee unterstützen" aufgenommen. In Europa ist es politisches Anliegen, zusätzlich zum Schwefel-Sondergebiet auch eine NOx-ECA einzuführen. Angesichts des o.g. deutlich strengeren Grenzwerts sind zusätzliche Abgasbehandlungssysteme oder aber die Nutzung von LNG an Bord notwendig. Ein möglicher Ausweisungszeitpunkt muss das berücksichtigen und einen angemessenen Planungs- und Investitionsvorlauf gestatten. Wichtig ist mit Blick auf eine mögliche NOx-ECA-Ausweisung, die Seegebiete Nord-und Ostsee gemeinsam auszuweisen, um einen Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen zu vermeiden. Im Bereich Luftreinhaltung und Schwefeloxidemissionen von Schiffen sieht der VDR die unverändert widersprüchlichen Vorgaben zur Einleitung von Waschwassern aus Abgasreinigungsanlagen (sog. Scrubbern) mit Sorge. Das Programm enthält dazu ebenfalls eine Maßnahme, die in zwei Komponenten geteilt ist: Die Verschärfung von Waschwassergrenzwerten und Einleitungseinschränkungen. Scrubber sind für einen Teil der Schifffahrt wichtige Alternativen, um die schärferen SchwefelGrenzwerte in der ECA zu erreichen. Auch mit Blick auf die festgelegte Einführung des 0,5 %-Grenzwerts in europäischen Gewässern ab 2020 wird die Bedeutung von Scrubber nochmals zunehmen. Der überwiegende Teil dieser Anlagen ist heute als Nasswäscher ausgelegt, d.h., es wird Seewassers für den Prozess genutzt. Dafür hat die IMO Grenzwerte für die Waschwasserqualität festgelegt, die auch in die EUSchwefelrichtlinie aufgenommen wurden. Sind diese erfüllt, ist die Einleitung von Waschwasser erlaubt. In Europa steht dem indes die Wasserrahmenrichtlinie und die Meeresstrategierahmenrichtlinie entgegen, die Einleitungen nicht gestattet. Planung und Investitionssicherheit für Scrubberbetreiber werden dadurch deutlich verschlechtert. Sollte nach Maßnahmevorschlag eine Verschärfung von Waschwasserkriterien erwogen werden, muss dem eine transparente Analyse vorausgehen und dies über die IMO gespiegelt werden, um gegensätzliche Vorgaben künftig zu vermeiden. Zudem dürfen in einem solchen Falle neue Grenzwerte auch nur für Neuanlagen gelten, so dass bestehende Investitionen nicht entwertet werden. Kritisch sieht der VDR die Komponente 2, die Einleitungsbeschränkungen. Die Maßnahme spricht von Belastungsschwerpunkten als Kriterium. Dafür sollte zunächst im Dialog mit der Industrie eine Definition festgelegt werden. Zudem werden Scrubber permanent weiter entwickelt, so dass eine höhere Reinigungsleistung zu erwarten ist. Mögliche Einleitungsbeschränkungen sollten sich daran orientieren. Mit Sorge sieht der VDR, gegebenenfalls sogar nationale Beschränkungen zu erwägen. Dies würde wiederum eine Vielfalt möglicher nationaler Regelungen in Europa hervorrufen, die unbedingt vermieden werden müssen. Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie / Wasserrahmenrichtlinie 53 Ein weiterer Maßnahmebereich fokussiert auf die Reduktion der Einträge von Kunststoffmüll. Im Mittelpunkt dessen besteht im wesentlichen der landseitige Eintrag, nicht die Hochseeschifffahrt. Der VDR unterstreicht ungeachtet dessen, dass die Seeschifffahrt strengen und weltweit gültigen Vorschriften über den Umgang mit Müll an Bord ihrer Schiffe unterliegt. MARPOL Annex V verbietet ausnahmslos, dass Plastikmüll (Tüten, Verpackungen und Plastikflaschen) sowie anderer umweltgefährdender Müll über Bord geworfen wird. Die Schifffahrt wird sich auch künftig aktiv engagieren, die Verschmutzung der Meere, vor allem durch Plastikmüll, zu verhindern. Anschrift des Vortragenden Matthias Plötzke Maritimer Umweltschutz und Klimapolitik VDR - Verband Deutscher Reeder Burchardstr. 24 20095 Hamburg Email: [email protected] 54 Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie / Wasserrahmenrichtlinie Deutsches Maßnahmen-Programm aus Sicht der NGOs Nadja Ziebarth Das Maßnahmenprogramm sowie dessen Umsetzung im Rahmen der MeeresstrategieRahmenrichtlinie (MSRL) sollen sicherstellen, dass die nationalen Umweltziele und der gute Umweltzustand der deutschen und europäischen Meeresgewässer bis 2020 erreicht werden. In der Bewertung der Nord- und Ostsee kamen der Bund und die Küstenbundesländer zu dem Schluss, dass die marinen Lebensräume und Arten in keinem guten Zustand sind. Verantwortlich sind hauptsächlich die Eutrophierung, die Fischerei sowie Schadstoffund Mülleinträge. Das im April 2016 der EU gemeldete MSRL-Maßnahmenprogramm enthält erste wichtige Schritte, weist jedoch massive Lücken auf, ohne deren Schließung Deutschland die Meeresschutzziele weit verfehlen wird. Sowohl das Maßnahmenprogramm als auch die Kennblätter sind zu unkonkret und unverbindlich. Schon im Vorwort wird darauf hingewiesen, dass dieser Entwurf weiteren Abstimmungen unterworfen sein wird. Auch die allgegenwärtige Frage der Finanzierung von Maßnahmen wird nicht zufriedenstellend beantwortet. Umweltziel 1: Meere ohne Beeinträchtigung durch Eutrophierung Die Eutrophierung wird als eine der Hauptbelastungen anerkannt. Bezogen auf die Haupteintragspfade durch die Landwirtschaft befinden sich jedoch keine Vorschläge im Programm. Es wird lediglich auf die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) sowie die Düngeverordnung (DüV) verwiesen, die beide massive Umsetzungsdefizite aufweisen. Ist es im Grundsatz zwar wünschenswert, Synergien zwischen bestehenden Rechtsinstrumenten zu suchen, geben die eklatanten Umsetzungsdefizite der WRRL in Deutschland doch Grund zur Sorge. Die WRRL benötigt dringend einen Schub, um die Umweltziele erreichen zu können. Deren Bewirtschaftungspläne müssen um die zentralen Aufgaben und notwendigen Maßnahmen der MSRL ergänzt werden. Auch die aktuelle Novellierung der DüV wird den Mindestanforderungen zum Gewässerschutz nicht gerecht. Weiterhin finden sich keine Maßnahmen zur Regelung offener Aquakulturen, obwohl sie zu einem weiteren Nährstoffeintrag in die Meere beitragen. Die beiden Maßnahmen zur Reduktion von StickstoffEinträgen aus der Schifffahrt, die Einführung eines Stickstoff-Emissions-Sondergebietes in der Nord- und Ostsee (NECA) und die Förderung von Stickstoff-Minderungsmaßnahmen bei Schiffen sind begrüßenswert. Umweltziel 2: Meere ohne Beeinträchtigung durch Schadstoffe Für den landseitigen Eintrag von Schadstoffen über die Flüsse ins Meer, wird – ebenso wie beim Umweltziel 1 - auf die WRRL verwiesen. Wie dargestellt, können die Ziele der MSRL nicht erreicht werden, solange sie sich bei wichtigen Eintragspfaden auf Richtlinien stützen, die massive Umsetzungsdefizite aufweisen. Weiterhin werden in der WRRL nicht alle meeresumweltrelevanten Schadstoffe berücksichtigt. Zudem werden Schadstoffe, die nicht über die Flüsse in die Meere eingetragen werden, wie z.B. Schadstoffe von der WRRL nicht abgedeckt, die als Korrosionsschutz für Schiffe oder Offshore-Bauwerke verwendet und müssen somit im Rahmen der MSRL gesondert berücksichtigt werden. Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie / Wasserrahmenrichtlinie 55 Die wenigen vorgeschlagenen Maßnahmen, Kriterien und Anreize für umweltfreundliche Schiffe, Vorgaben zur Entsorgung von Waschwassern aus der Abgasreinigung, Verhütung und Bekämpfung von Meeresverschmutzungen und der Umgang mit Munitionsaltlasten sind begrüßenswert und sollten ambitioniert umgesetzt werden. Umweltziel 3: Meere ohne Beeinträchtigung der marinen Arten und Lebensräume durch die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten Obwohl die Anfangsbewertung ergeben hat, dass die marinen Arten und Lebensräume stark durch menschliche Aktivitäten belastet sind, fehlen hier ausreichend effektive Maßnahmen. Die Maßnahmen zur Aufnahme von zusätzlichen wertbestimmenden Arten und Biotoptypen in die Schutzgebietsverordnungen sowie zum Schutz wandernder Arten wird ausdrücklich begrüßt. Sie werden jedoch nicht ausreichen, um die vorgegebenen Ziele zu realisieren. Eine Vielzahl von menschlichen Aktivitäten führt zu teilweise gravierenden Belastungen der Meeresumwelt. Das hätte sich gerade unter diesem Umweltziel in einer Auflistung ambitionierte Maßnahmen widerspiegeln müssen. Doch weder die Fischerei, noch Rohstoffabbau oder Aquakultur wurden in den Maßnahmen adressiert. Umweltziel 4: Meere mit nachhaltig und schonend genutzten Ressourcen Auch hier zeigen sich Defizite bei den gemeldeten Maßnahmenprogrammen. Es werden fünf neue Maßnahmen vorgeschlagen, von denen zwei lediglich Nutzungsbeschreibungen von Sand- und Kies-Entnahme sind. Auch die Bewirtschaftung der Miesmuschelbestände im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer wird von Umweltverbänden stark kritisiert. Die Fischereimaßnahme enthält zu weiten Teilen Vorhaben, die bereits im Rahmen der Schutzmaßnahmen der Natura-2000-Gebiete sowie der EU-Fischereipolitik aufgeführt und selbst dort noch nicht umfänglich umgesetzt wurden. Um die formulierten Umweltziele der MSRL zu erfüllen, reichen diese nicht aus. Eine zentrale Forderung von Wissenschaft und Umweltverbänden ist die Einrichtung von Ausschlussgebieten für extraktive Nutzungen von Sand, Kies, Öl oder Gas zum Schutz von Arten und Habitaten. Umweltziel 5: Meere ohne Belastung durch Abfall Die vorgeschlagenen Maßnahmen, die über Umweltbildungsmaßnahmen, nachsorgende Reinigungsaktionen bis zur Reduktion von Plastikverpackungen und Substitution von schädlichen Produkten reichen, sind begrüßenswert. Allerdings entsprechen diese zwar dem heutigen Verständnis der Problematik zu (Plastik)Abfällen im Meer, sind jedoch zu allgemein und schwammig formuliert und sollten mit konkreten Inhalten hinterlegt werden. Zudem bedarf es zur Umsetzung ausreichend finanzielle und personelle Kapazitäten in Bund und Ländern. Umweltziel 6: Meere ohne Beeinträchtigung durch anthropogene Energieeinträge Bei den meisten vorgeschlagenen Maßnahmen handelt es sich vielmehr um innovative Denkprozesse und Forschungsansätze als um lärmvermeidende Maßnahmen. Letztere fehlen fast vollständig, obwohl diese nach dem Vorsorgeansatz grundsätzlich mit höchster Priorität umgesetzt werden müssten. Für die Ostsee fehlt eine Lärmschutzstrategie gänzlich. Weiterhin weisen die Maßnahmen eine Leerstelle bezogen auf Umweltauswirkungen der seismischen Untersuchungen mit Schallkanonen auf. 56 Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie / Wasserrahmenrichtlinie Seismische Explorationen zur Erkundung von Öl- und Gas-Lagerstätten in europäischen Gewässern müssen durch alternative Techniken ersetzt werden, die schon seit Jahren vorliegen. Diese müssen gezielt gefördert und vorangetrieben werden. Mehr dazu unter www.bund.net/MSRL Anschrift der Vortragenden Nadja Ziebarth BUND Meeresschutzbüro Am Dobben 44 28203 Bremen Email: [email protected] Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie / Wasserrahmenrichtlinie 57 Das Verhältnis von WRRL und MSRL aus Sicht der LAWA Britta Knefelkamp Die LAWA - Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) wurde 1956 als Zusammenschluss der für die Wasserwirtschaft und das Wasserrecht zuständigen Ministerien der Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland gebildet. Seit 2005 ist auch der Bund, vertreten durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, ständiges Mitglied der LAWA. Ziel der LAWA ist es, auftauchende wasserwirtschaftliche und wasserrechtliche Fragestellungen gemeinsam zu erörtern, Lösungen zu erarbeiten und Empfehlungen zur Umsetzung zu initiieren. Kernaufgaben sind dabei die Umsetzung des Wasserhaushaltsgesetzes und der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), der EUHochwasserrisikomanagement-Richtlinie (HWRL) und der EU-MeeresstrategieRahmenrichtlinie (MSRL). Das Themenfeld Meeresschutz und insbesondere die Umsetzung der MSRL wird dabei über den Bund/Länder-Ausschuss Nord- und Ostsee (BLANO) bearbeitet. Für diese spezifische Zusammenarbeit der Wasserwirtschaften von Bund und Ländern, dem Bundesverkehrs- und dem Bundeslandwirtschaftsministerium wurde 2012 das Verwaltungsabkommen Meeresschutz geschlossen. WRRL und MSRL - Während die WRRL neben dem Grundwasser und den Binnengewässern auch die Übergangs- und Küstengewässer betrachtet, gilt die MSRL nur für die Küsten- und Meeresgewässer. Beide Richtlinien formulieren demnach Ziele und Anforderungen für den Schutz der Küstengewässer: die WRRL möchte den guten ökologischen und chemischen Zustand, die MSRL den guten Umweltzustand erreichen. Beide Richtlinien betrachten dabei verschiedene Qualitätskomponenten bzw. Merkmale und Belastungen, deren Zustand regelmäßig überprüft werden muss und für dessen Verbesserung Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Die z.T. inhaltlichen und auch zeitlichen Unterschiede in der Umsetzung beider Richtlinien (die WRRL trat bereits 2000 in Kraft, die MSRL erst 2008) erfordern ein hohes Maß an Feingefühl bei der Abstimmung von Überwachungsprogrammen und Zustandsbewertungen im Küstenbereich - der Aufwand und damit die Kosten für den Steuerzahler sollen möglichst effizient gehalten werden, die Bewertungen nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Auch zwischen den nach WRRL und MSRL aufzustellenden Bewirtschaftungsplänen bzw. Maßnahmenprogrammen bestehen inhaltliche Gemeinsamkeiten. Die notwendige Verzahnung der Maßnahmen beider Richtlinien wird über die LAWA sichergestellt, um ein stimmiges und damit effizientes Management für den Schutz der Küstengewässer sicherzustellen und um Doppelarbeiten zu vermeiden. Dies gilt insbesondere für die unter beiden Richtlinien zu betrachtenden und unter der WRRL bereits adressierten landseitigen Belastungen durch Nähr- und Schadstoffeinträge. 58 Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie / Wasserrahmenrichtlinie Der Vortrag stellt anhand von einzelnen Beispielen die Parallelen und Unterschiede der beiden im Küstengewässer geltenden Schutzrichtlinien dar. Das von BLANO und LAWA verabschiedete Papier „Empfehlungen zur koordinierten Anwendung der EG-MSRL und EG-WRRL - Parallelen und Unterschiede in der Umsetzung“ von 2014 liegt dem Vortrag zugrunde. Anschrift der Vortragenden Dr. Britta Knefelkamp Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein Referat Meeresschutz und Nationalpark Mercatorstraße 3 D-24106 Kiel Email: [email protected] Mehr vom Meer 60 Mehr vom Meer Anstrandungen von Pottwalen Ursula Siebert Am 08. Januar 2016 begann mit dem Fund von zwei Pottwalen auf Wangerooge (Niedersachsen) eine Serie von Pottwalstrandungen an verschiedenen Küsten der Nordsee. 30 Pottwale strandeten lebend oder bereits tot in den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich, Dänemark und Deutschland. Pottwale (Physeter macrocephalu) sind die größten Zahnwale. Männchen werden bis 16 18 m und Weibchen bis 11 m lang. Charakteristisch für Pottwale ist der kastenförmige große Kopf, der das Spermacetiorgan (Walrat) enthält. Der Walfang von Pottwalen wurde erst in den 1980er Jahren komplett eingestellt. Die Bestände haben sich bis heute nicht erholt. Sie tauchen zur Nahrungsaufnahme bis zu 3.000 m und kommen in der Nordsee normalerweise nicht vor. Strandungen in der Nordsee sind jedoch seit dem 16. Jahrhundert dokumentiert. Die in der Nordsee strandenden Pottwale gehören zu der Azorenpopulation. Männchen wandern zum Aufsuchen von tintenfischreichen Nahrungsgründen im Herbst in den Nordatlantik. In der Regel auf dem Rückweg aus den Nahrungsgründen zu den Azoren können Gruppen in die flache Nordsee gelangen. An den deutschen Küsten wurden 16 Pottwale gefunden (13 in Schleswig-Holstein und 3 in Niedersachsen). 13 Pottwale konnten genauer untersucht werden. Daran waren neben dem Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung auch das Institut der Pathologie der Stiftung Tierärztlichen Hochschule Hannover und das Institut für Hygiene und Infektionskrankheiten der Tiere der Justus-Liebig-Universität Gießen, sowie das GEOMAR, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel beteiligt. Wie in den vergangenen Jahrzehnten waren unter den gestrandeten Tieren nur Männchen. Sie waren zwischen 10 und 15 Jahren alt. Sie zeigten keine Anzeichen eines schweren Traumas. Hinweise auf gesundheitsrelevante Infektionskrankheiten ergaben sich nicht. Die Pottwale waren in einem guten Ernährungszustand und hatten größtenteils noch Nahrungsreste, zum Teil in größeren Mengen in den Mägen. Bei den Nahrungsanalysen wurden mehr als 110.000 Tintenfischschnäbel bestimmt und ausgezählt. 95% der Tintenfische waren Köderkalmare (Gonatus fabricii), die normalerweise in tiefen Gewässern des Nordatlantiks und nicht in der Nordsee gefunden werden. Neben den Nahrungsresten fand sich bei mehreren Tieren Meeresmüll in teilweise großen Mengen. Dazu gehörten Fischereimüll, industrieller und „alltäglicher“ Müll. Bei wandernden Arten kann es immer wieder zu Abweichungen von der eigentlichen Wanderroute kommen. Um die Gründe hierfür zu verstehen, müssen umfassende Untersuchungen an den Pottwalen selbst, aber zur Abklärung der ätiologischen Ursachen auch Umgebungsdaten auf internationaler Ebene gesammelt werden. So kann beispielsweise Lärmverschmutzung durch militärische oder seismische Aktivitäten oder auch die Arbeiten um Ölplattformen zu negativen Einflüssen auf das Ortungssytem der Pottwale führen. Ebenso können chemische Belastungen die Gesundheit der Tiere beeinträchtigen. Aber auch natürliche Phänomen können zu Veränderungen des Wanderverhaltens führen. Mehr vom Meer 61 Derzeit wird auf internationaler Ebene diskutiert, ob starke Stürme im Nordatlantik und der Nordsee sowie besondere Witterungsbedingungen während des letzten Winters zu Veränderung der Wassermassen- und damit der Nahrungsverbreitung geführt haben. Neben den Pottwalen hat es eine Vielzahl von besonderen Strandungen und Sichtungen in der Nordund Ostsee im Winter und Frühjahr gegeben, hierzu gehören, Blau-weiße Delfine (Stenella coeruleoalba), Orcas (Orcinus orca), ein Finnwal (Balaenoptera physalus), Große Tümmler (Tursiops truncatus) und ein Zwergwal (Balaenoptera acutorostrata) in der Ostsee und zuletzt ein Narwal (Monodon monoceros) an der belgischen Küste. Anschrift der Vortragenden Prof. Prof. h. c. Dr. Ursula Siebert Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover Werftstr. 6 25761 Büsum Email: [email protected] 62 Mehr vom Meer Meeresmüll: Vom Wissen hin zu effektiven Maßnahmen Stefanie Werner Bei dem Thema Müll handelt es sich um ein die Meeresökosysteme massiv bedrohendes Phänomen. Auch die deutschen Meeresgewässer bilden hier keine Ausnahme. Das UBA hat die Belastung von Nord- und Ostsee mit Meeresmüll und daraus resultierende ökologische Auswirkungen in der jüngeren Vergangenheit eingehender untersuchen lassen. So ergab beispielsweise eine Auswertung von Müll am Meeresboden der südlichen Nordsee eine Verschmutzung von elf Kilogramm Abfällen pro Quadratkilometer. Circa 96 Prozent der Mägen hier gestrandeter toter Eissturmvögel enthalten Kunststoffe, im Durchschnitt 25 Teile. Beobachtete Folgen sind u.a. Verletzungen des Magen-Darm-Traktes, eine geringe Körperfetteinlagerung sowie das Verhungern infolge gefüllten Magens. Über das Wissen zu den Befunden in der Meeresumwelt erhöht sich gleichzeitig unsere Kenntnis zu den relevanten land- und seeseitigen Quellen und Eintragswegen. Nur so ist die Ableitung wirksamer und effizienter Minderungs- und Vermeidungsmaßnahmen möglich. Auswertungen für die Nordsee zeigen, dass seeseitige Aktivitäten, darunter die Fischerei, Aquakulturanlagen, kommerzielle sowie Kreuzfahrtschifffahrt und Offshore-Installationen gemeinsam mit Freizeit- und Tourismusaktivitäten an Land und auf See für das Gros der Einträge verantwortlich sind. Letztere spielen in der Ostsee eine herausragende Rolle, wobei auch hier die Fischerei als seeseitige Quelle nicht zu vernachlässigen ist. Der Vortrag wird auf die Resultate des Pilot-Monitorings der vergangenen Jahre weiterführend eingehen. Das deutsche Maßnahmenprogramm gemäß Artikel 13 EU-Meeresstrategie Rahmenrichtlinie (2008/56/EG) enthält konkrete Vorschläge zur Bekämpfung der Verschmutzung der Meere durch Müll. Für die anstehende Umsetzung dieser Maßnahmen wurde nun ein Runder Tisch etabliert, um die relevanten Interessengruppen, d.h. zusätzlich zu den Bundesund Länderverwaltungen u.a. Umweltverbände, Industrie, Politik und Wissenschaft von Anfang an eng einzubinden. Die Umsetzung der deutschen Maßnahmen unterstützen weiterhin Regionale Aktionspläne gegen Meeresmüll für den Nordostatlantik (inkl. Nordsee) und die Ostsee, die im Rahmen von OSPAR und HELCOM, den zuständigen Regionalkooperationen für diese Meere, unter deutscher Federführung entwickelt, 2014 bzw. 2015 beschlossen wurden und sich nun im Umsetzungsprozess befinden. Last but not least ist unter deutscher G7-Präsidentschaft ein G7-Aktionsplan zur Bekämpfung von Meeresmüll entwickelt und auf dem G7-Gipfel in Elmau verabschiedet worden, der eng mit den regionalen Vorgaben verzahnt ist. Der Vortrag wird in das das komplexe Geflecht der Handlungsnotwendigkeiten einführen und dabei auch laufende Aktivitäten betrachten. Mehr vom Meer Anschrift der Vortragenden: Stefanie Werner Umweltbundesamt Wörlitzer Platz 1 06844 Dessau-Roßlau Email: [email protected] 63 64 Mehr vom Meer Umweltuntersuchungen im Manganknollen Lizenzgebiet (Zentralpazifik) – Regularien, Bestandsaufnahme und mögliche Auswirkungen eines Tiefseebergbaus Annemiek Vink Um den global wachsenden Rohstoffbedarf zu decken sind in den letzten Jahren auch die neuen und 'unkonventionellen' Mineralvorkommen der Tiefsee in das Blickfeld von Politik und Wirtschaft gerückt. Manganknollen (polymetallische Knollen) sind schwarzbraune rundliche Konkretionen mit Durchmessern zwischen 1 und 15 cm, die sich vor allem in den sedimentbedeckten Tiefseeebenen der Ozeane in 4000 bis 6000 m Wassertiefe durch die Ausfällung von Mangan- und Eisenoxiden sowie zahlreichen Neben- und Spurenmetallen aus dem Meerwasser und dem Porenwasser des Sediments bilden. Das größte und wirtschaftlich wichtigste Vorkommen befindet sich im äquatornahen Nordpazifik im sogenannten Manganknollengürtel zwischen Hawaii und Mexiko. Die Gesamtmenge der Knollen im Manganknollengürtel wird auf 25 bis 40 Mrd. t geschätzt (ISA, 2010). Anders als an Land unterliegen Rohstoffe und ihre Gewinnung auf See außerhalb der nationalen Hoheitsgebiete sehr viel stärker internationalem Recht und der Kontrolle der Weltgemeinschaft. Den notwendigen internationalen rechtlichen Rahmen für Exploration und Abbau liefert das 1994 in Kraft getretene UN Seerechtsübereinkommen (SRÜ, engl. UNCLOS) und die für die Bodenschätze wichtige Ergänzung des 'Durchführungsabkommens', dem nach heutigem Stand 167 Staaten und die EU beigetreten sind. Es regelt Zugang, Beantragung, zukünftige Gewinnung und den Schutz der Rohstoffe. Wichtigstes Organ ist die 1994 geschaffene Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) mit Sitz in Kingston (Jamaika), die das gemeinsame Erbe der Weltmeere für die Menschheit verwaltet, Rohstoffspezifische Regelungen entwickelt und einen verantwortungsbewussten Umgang gewährleistet. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) exploriert im Auftrag der Bundesregierung seit Juli 2006 ein Lizenzgebiet für die Erkundung von Manganknollen im Pazifik. Der Vertrag gilt für 15 Jahre bis 2021 mit der Möglichkeit einer Verlängerung um 5 Jahre. Diese Explorationsarbeiten können einen wichtigen Beitrag zur zukünftigen Rohstoffversorgung Deutschlands leisten. Für die deutsche Industrie bieten sie weiterhin die Chance, die Technologieführerschaft im Tiefseebergbau zu erlangen und internationale Maßstäbe bei der umweltverträglichen Gewinnung mariner Rohstoffe zu setzen. Gleichzeitig steigt aber auch unser Bewusstsein für die Verletzlichkeit der marinen Umwelt. Die potentiellen Auswirkungen eines Eingriffs in das Ökosystem der Tiefsee und die Wirksamkeit von Maßnahmen die zu einer deutlichen Minderung dieser Auswirkungen führen können müssen zuvor detailliert untersucht werden. Die Lizenzarbeiten umfassen deswegen neben der Abschätzung der Manganknollen-Vorräte auch Detailuntersuchungen der Biodiversität und der Umwelt des Gebietes (Sammlung von Umweltreferenzdaten). Mehr vom Meer 65 Die Folgen eines möglichen zukünftigen Abbaus von Manganknollen für die Meeresumwelt und insbesondere die Bodenfauna sind bisher nur ansatzweise erforscht. Sicher ist aber dass Tiefseebergbau zu einer Veränderung der vom Eingriff direkt und indirekt betroffenen Ökosysteme am Meeresboden und der darüber liegenden Wassersäule führen würde. Dazu zählen Trübewolken am Meeresboden und Beeinträchtigungen der Nahrungskette durch die Einleitung von Reststoffen sowie unter Umständen die Freisetzung von Schadstoffen aus dem Meeresboden und von den Förderplattformen. Je nach Skala und Methode des Abbaus könnten davon einzigartige Habitate von bodenlebenden und pelagischen Gemeinschaften betroffen und Tierarten gefährdet werden. Bei den Manganknollen ist die Abbaufläche mit geschätzten 100-200 km2 pro Jahr vergleichsweise groß. Versuche am Meeresboden zur Beeinträchtigung des Ökosystems im experimentellen Maßstab haben gezeigt, dass sich eine funktionstüchtige Lebensgemeinschaft auf den gestörten Flächen mit annähernd der gleichen Diversität wie zuvor nach etwa 5 bis 10 Jahren progressiv entwickeln kann (Thiel et al., 2005). Jedoch ist grundsätzlich mit einer sehr langsamen Erholung und einer angepassten Artenzusammensetzung und verteilung zu rechnen, u.a. weil Organismen, die auf dem Hartsubstrat der Knollen leben oder dessen Lebensweise durch das Hartsubstrat beeinflusst wird, sich in den gestörten Feldern nicht wieder ansiedeln können (z.B. SZ, 2016). Feine Sedimentpartikel, die durch Abbaugeräte aufgewirbelt werden und als Trübewolke in Bodennähe verdriften, würden voraussichtlich sowohl die Funktionstüchtigkeit der Filtrierer als auch generell die Nährstoffkreisläufe für Bodenorganismen beeinträchtigen. Experimente in der Tiefsee und Modellierungsarbeiten haben gezeigt, dass sich diese Trübe im Umkreis von ca. 2 km großenteils wieder absetzt (z.B. Jankowski und Zielke, 2001). Ob diese Ergebnisse sich auf industriellen Abbau übertragen lassen ist jedoch unwahrscheinlich und muss noch, u.a. im Rahmen von laufenden EU-Projekten wie MIDAS und JPI-O MiningImpact, ausreichend untersucht werden. Zitate: Jankowski, J.A., Zielke, W. (2001). The mesoscale sediment transport due to technical activities in the deep sea. Deep-Sea Research II 48, 3487-3521. International Seabed Authority (2010). Development of geological models for the ClarionClipperton Zone polymetallic nodule deposits. ISA technical Study No. 6. Kingston (Jamaica). 105 pp. Süddeutsche Zeitung (2016). Narben am Grund, Ausgabe 23.03.2016. Thiel, H., Schriever, G., Foell, E. (2005). Polymetallic Nodule Mining, Waste Disposal, and Species Extinction at the Abyssal Seafloor. Marine Georesources and Geotechnology 23, 209-220 66 Mehr vom Meer Anschrift der Vortragenden: Dr. Annemiek Vink Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Stilleweg 2 30655 Hannover Email: [email protected]