Grundlagen der Rechnungslegung nach dem HGB

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Rechnungslegung nach deutschem Handelsrecht (HGB)
Kapitel 1 – Einführung und rechtliche Grundlagen
Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse: Informationen für Aufsichtsräte und
Betriebsräte
Auf einen Blick …
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In diesem Kapitel beschreiben wir die Grundlagen der deutschen Rechnungslegung.
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Im Mittelpunkt stehen Vorschriften zur Buchführungspflicht und zum Jahresabschluss
für alle Kaufleute sowie ergänzende Regelungen für Kapital- und
Personengesellschaften sowie für Genossenschaften.

Wir erläutern die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB).

Wir zeigen den Zusammenhang von Handels- und Steuerbilanz.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis ...................................................................................................... 2
Abkürzungsverzeichnis................................................................................................. 3
1 Einführung und rechtliche Grundlagen .................................................................... 5
1.1 Bedeutung des Handelsgesetzbuches als Rechtsgrundlage für die
Rechnungslegung ........................................................................................... 5
1.1.1 Erster Abschnitt. Vorschriften für alle Kaufleute ................................... 6
1.1.2 Zweiter Abschnitt. Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften
sowie bestimmte Personenhandelsgesellschaften ............................... 6
1.1.3 Dritter Abschnitt. Ergänzende Vorschriften für eingetragene
Genossenschaften................................................................................ 7
1.1.4 Vierter Abschnitt. Ergänzende Vorschriften für Unternehmen
bestimmter Geschäftszweige ............................................................... 7
1.2 Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung .................................................. 8
1.2.1 Allgemeines.......................................................................................... 8
1.2.2 Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit (Bilanzwahrheit) ............. 9
1.2.3 Grundsatz der Klarheit........................................................................ 10
1.2.4 Grundsatz der Vollständigkeit............................................................. 10
1.2.5 Realisationsprinzip ............................................................................. 10
1.2.6 Vorsichtsprinzip .................................................................................. 10
1.2.7 Imparitätsprinzip ................................................................................. 11
1.2.8 Going-concern-Prinzip........................................................................ 11
1.2.9 Stichtagsprinzip .................................................................................. 11
1.2.10 Grundsatz der Einzelbewertung ......................................................... 11
1.2.11 Grundsatz der Stetigkeit ..................................................................... 12
1.3 Maßgeblichkeit .............................................................................................. 12
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
GoB-Übersicht................................................................................... 9
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Abkürzungsverzeichnis
a. F.
Alte Fassung
AG
Aktiengesellschaft
AktG
Aktiengesetz
AO
Abgabenordnung
BilMoG
Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz)
EGHGB
Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch
EStG
Einkommensteuergesetz
GenG
Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften
(Genossenschaftsgesetz)
GKV
Gesamtkostenverfahren
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GoB
Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
HGB
Handelsgesetzbuch
IDW
Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V.
IFRS
International Financial Reporting Standards
KapCoGes
Personenhandelsgesellschaften, bei denen nicht wenigstens ein
persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist
(insbesondere GmbH & Co. KG)
KGaA
Kommanditgesellschaft auf Aktien
PublG
Publizitätsgesetz
UKV
Umsatzkostenverfahren
US-GAAP
US-amerikanische Generally Accepted Accounting Principles
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1
Einführung und rechtliche Grundlagen
1.1
Bedeutung des Handelsgesetzbuches als Rechtsgrundlage für die Rechnungslegung
Das dritte Buch des Handelsgesetzbuches (HGB) besitzt neben der Gültigkeit für
Einzelkaufleute, Personen- und Kapitalgesellschaften auch Gültigkeit für Genossenschaften (§§ 336 ff. HGB), Unternehmen nach dem Publizitätsgesetz (§ 5 PubIG),
Kreditinstitute (§§ 340 ff. HGB) und Versicherungsunternehmen (§§ 341 ff. HGB),
soweit aufgrund der Rechtsform bzw. des Geschäftszweiges nicht ohnehin spezielle
Vorschriften anzuwenden sind.
Das dritte Buch des HGB ist in vier Abschnitte unterteilt. Im ersten Abschnitt befinden sich sämtliche Vorschriften zur Buchführung und zum Jahresabschluss,
die für alle Kaufleute gelten. Dieser erste Abschnitt stellt quasi den allgemeinen
Teil, die „lex generalis“, dar. Für Einzelkaufleute und Personengesellschaften unterhalb der Größenmerkmale des PubIG wird hier der Jahresabschluss abschließend
geregelt.
Der zweite Abschnitt, eine Art „lex specialis“, beinhaltet ergänzende und im Vergleich zum ersten Abschnitt detailliertere Bestimmungen für Kapitalgesellschaften/KapCoGes*.
* Durch das Kapitalgesellschaften und Co-Richtlinie-Gesetz wurde die GmbH & Co-Richtlinie der
EU in deutsches Recht umgesetzt. Danach wurden auch KapCoGes dazu verpflichtet, ihren Jahresabschluss wie Kapitalgesellschaften aufzustellen, prüfen zu lassen und offen zu legen. Darunter werden alle Personenhandelsgesellschaften gefasst, bei denen keine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist (z. B. GmbH & Co. KG, GmbH & Co. OHG und die AG & Co.
KG). Bis zur Gesetzesänderung waren diese als Personenhandelsgesellschaften lediglich zur
Rechnungslegung nach dem ersten Abschnitt des dritten Buches des HGB verpflichtet, soweit sie
nicht unter das Publizitätsgesetz fielen. Nachfolgend wird vereinfachend nur von Kapitalgesellschaften gesprochen.
Der dritte Abschnitt enthält einige zusätzliche spezifische Regelungen für Genossenschaften.
Der vierte Abschnitt umfasst schließlich ergänzende Vorschriften für Unternehmen bestimmter Geschäftszweige, namentlich für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen.
Die Trennung der Abschnitte und ihrer Geltungsbereiche wird nicht nur rein gesetzestechnisch durch die Gesetzesgliederung vollzogen, sondern kommt auch in der
Begriffswahl zum Ausdruck. Während im ersten Abschnitt ausschließlich von „Kaufleuten“ gesprochen wird, werden im zweiten, dritten bzw. vierten Abschnitt nur noch
die Begriffe „Kapitalgesellschaft“, „Genossenschaft“, „Kreditinstitut“ bzw. „Versicherungsunternehmen“ verwandt.
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Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, GmbH) haben also bei der Erstellung des Jahresabschlusses die Vorschriften sowohl des ersten wie auch des zweiten Abschnittes
des HGB zu beachten, für Einzelkaufleute und Personengesellschaften dagegen sind
lediglich die Vorschriften des ersten Abschnittes relevant.
Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) ist am 29. Mai 2009 in Kraft getreten. Das Gesetz stellt die tief greifendste Reform der deutschen Rechnungslegung
seit den achtziger Jahren dar. Der handelsrechtliche Jahresabschluss bleibt Grundlage für die Ausschüttungsbemessung und für die steuerliche Gewinnermittlung. Der
überwiegende Anteil der Regelungen ist für Geschäftsjahre anzuwenden, die nach
dem 31. Dezember 2009 beginnen. Für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember
2008 beginnen, besteht ein Wahlrecht zur vorzeitigen (dann aber vollständigen) Anwendung der Änderungen.
1.1.1
Erster Abschnitt. Vorschriften für alle Kaufleute
Der erste Abschnitt (§§ 238-263 HGB) des dritten Buches des HGB wird durch die
Vorschriften über die Buchführungspflicht und die Aufstellung des Inventars eingeleitet (§§ 238-241a HGB). Die §§ 242-256a HGB beinhalten Bestimmungen, die sich
unmittelbar auf den Jahresabschluss beziehen. Demnach muss der Jahresabschluss aus den Bestandteilen Bilanz und GuV bestehen (§ 242 Abs. 3 HGB)
und nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung erstellt sein (§ 243 Abs. 1
HGB).
In den Ansatzvorschriften der §§ 246-251 HGB wird der Inhalt einer Bilanz definiert,
d. h. es wird bestimmt, was in eine Bilanz aufzunehmen ist bzw. was nicht aufgenommen werden darf (Bilanzierungsverbote: vgl. § 248 HGB). Die Bewertungsvorschriften (§§ 252-256a HGB) beinhalten zum einen die Wertbegriffe, die für den Ansatz der in die Bilanz aufzunehmenden Positionen relevant sind, zum anderen werden in ihnen Bewertungsmethoden (§ 256 HGB) und Möglichkeiten bilanzieller
Wertminderungen (§§ 253 Abs. 3 und 4 HGB) aufgezeigt. Hier sind Bewertungsgrundsätze kodifiziert (§ 252 Abs. 1 HGB). Darüber hinaus bestehen Regelungen zur
Bildung von Bewertungseinheiten (§ 254 HGB) und zur Währungsumrechnung
(§ 256a HGB).
1.1.2
Zweiter Abschnitt. Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften
sowie bestimmte Personenhandelsgesellschaften
Der zweite Abschnitt des dritten Buches des HGB (§§ 264-335b HGB) enthält über
die für alle Kaufleute geltenden Normen des ersten Abschnittes hinausgehende Vorschriften, die sich lediglich auf Kapitalgesellschaften, also Aktiengesellschaften (AG),
Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) und Gesellschaften mit beschränkter
Haftung (GmbH) sowie ihnen gesetzlich gleichgestellte Unternehmen (KapCoGes)
beziehen.
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Der zweite Abschnitt umfasst nicht nur
-
Regelungen bezüglich des Jahresabschlusses und Lageberichts einer Kapitalgesellschaft (erster Unterabschnitt),
-
sondern darüber hinaus auch Bestimmungen zum Konzernabschluss und Konzernlagebericht (zweiter Unterabschnitt)
-
sowie zur Prüfung (dritter Unterabschnitt) und Offenlegung (vierter Unterabschnitt) der Abschlüsse.
Der Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften wird durch den zweiten Abschnitt des
dritten Buches des HGB strikter geregelt als der Jahresabschluss von Einzelkaufleuten und Personengesellschaften. Dies begründet sich aus dem bei Kapitalgesellschaften aufgrund der Haftungsbeschränkung und der häufigen Trennung zwischen
Eigentümern und den Geschäftsführungsorganen bestehenden verstärkten Interesse
von außen stehenden Personen am Unternehmen und deren Schutzbedürfnis.
1.1.3
Dritter Abschnitt. Ergänzende Vorschriften für eingetragene Genossenschaften
Genossenschaften gelten nach § 17 Abs. 2 Genossenschaftsgesetz (GenG) als
Kaufleute i. S. d. HGB. Für den Jahresabschluss von Genossenschaften sind ebenso
neben den Vorschriften des ersten auch jene des zweiten Abschnittes des dritten
Buches des HGB maßgeblich. Ausnahmen von dieser Regel ergeben sich aus dem
dritten Abschnitt des dritten Buches des HGB, in dem ergänzende genossenschaftsspezifische Vorschriften verankert wurden (§§ 336-339 HGB). Es bestehen Abweichungen insbesondere im Bereich des Eigenkapitals (Geschäftsguthaben, Ergebnisrücklagen, § 337 HGB) und des Anhangs (weitere Pflichtangaben und Einschränkungen hinsichtlich der Bezüge der Verwaltungsorgane, § 338 HGB). Der §
339 HGB enthält eine eigenständige Regelung zur Offenlegung bei Genossenschaften.
Für die Prüfung des Jahresabschlusses durch den jeweils zuständigen Prüfungsverband, die Feststellung und die Ergebnisverwendung ist das Genossenschaftsgesetz
maßgebend, welches jeweils dem Bilanzrecht für Kapitalgesellschaften angenähert
ist.
1.1.4
Vierter Abschnitt. Ergänzende Vorschriften für Unternehmen bestimmter Geschäftszweige
Der erste Unterabschnitt (§§ 340-340o HGB) enthält spezielle Rechnungslegungsvorschriften für Kreditinstitute. Er regelt unabhängig von der jeweiligen Rechtsform
des Kreditinstituts die Rechnungslegungsvorschriften umfassend. Danach haben
Kreditinstitute für ihren Jahresabschluss und Lagebericht grundsätzlich die Vorschriften für große Kapitalgesellschaften zu beachten, sofern im vierten Abschnitt nichts
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anderes bestimmt ist. Auch hinsichtlich des Konzernabschlusses bzw. des Konzernlageberichts sind bei Ermangelung anderslautender Regelungen die entsprechenden
Vorschriften des zweiten Abschnitts des dritten Buches zu beachten. Durch das Bilanzrechtsreformgesetz wurde in § 340i HGB zur Klarstellung der Hinweis aufgenommen, dass Kreditinstitute ebenfalls je nach Kapitalmarktorientierung verpflichtend bzw. wahlweise der IFRS-Bilanzierung unterliegen (§ 315a HGB).
Es ergeben sich große Auswirkungen für die Bilanzierung von Kreditinstituten aufgrund der Änderungen bei den allgemeinen Vorschriften des HGB durch das BilMoG,
z. B.:
-
§ 254 HGB (Bewertungseinheiten): Es erfolgte eine Kodifizierung der bisher als
Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung in der Praxis der Kreditinstitute etablierten Sicherungsbeziehungen (Mikro-Hedge, Portfolio-Hedge und MakroHedge) als Bewertungseinheiten.
-
§ 274 HGB (Latente Steuern): Es bestehen kreditinstitutsspezifische Besonderheiten für die Bildung latenter Steuern auf §§ 340f, 340g HGB-Reserven sowie
hinsichtlich des Fonds zur bauspartechnischen Absicherung.
Der zweite Unterabschnitt (§§ 341-341p HGB) beinhaltet ergänzende Regelungen für
Versicherungsunternehmen. Versicherungsunternehmen sind rechtsformunabhängig zur Aufstellung eines Jahresabschlusses und Lageberichts bzw. eines
Konzernabschlusses und Konzernlageberichts verpflichtet. Die von den allgemeinen
Vorschriften für Kapitalgesellschaften abweichenden Regelungen ergeben sich
neben dem zweiten Unterabschnitt insbesondere aus der Verordnung über die
Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen und Art. 32 EGHGB. Erstellt ein
Versicherungsunternehmen einen IFRS-Abschluss nach § 315a HGB, so regelt
§ 341j Abs. 1 Satz 4 HGB, welche Vorschriften des HGB sowie sonstige Verordnungen in diesem Fall keine Anwendung finden.
1.2
1.2.1
Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung
Allgemeines
Der Jahresabschluss ist den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechend zu erstellen. Der Terminus Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)
wird in verschiedenen Vorschriften erwähnt:
-
Jeder Kaufmann ist verpflichtet, ... seine Handelsgeschäfte und die Lage seines
Vermögens nach den GoB ersichtlich zu machen (§ 238 Abs. 1 Satz 1 HGB).
-
Der Jahresabschluss ist nach den GoB aufzustellen (§ 243 Abs. 1 HGB).
-
Der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft hat unter Beachtung der GoB ein
den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz-
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und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln (§ 264 Abs. 2 Satz 1
HGB).
-
Zulässige Inventurvereinfachungsverfahren müssen den GoB entsprechen
(§ 241 Abs. 2 HGB).
An keiner Stelle des Gesetzes werden die GoB jedoch definiert. Es handelt sich
daher um einen so genannten unbestimmten Rechtsbegriff. Die GoB werden im konkreten Einzelfall durch die praktische Übung und Ansicht ordentlicher Kaufleute ausgefüllt, sofern nicht Gesetze, Verordnungen, Richtlinien sowie Gutachten und Stellungnahmen bereits eine fachgerechte Konkretisierung herbeiführen. Die nähere
Ausgestaltung und Interpretation der GoB orientiert sich dabei immer an dem Ziel
und Zweck des Jahresabschlusses. Dies ist zuerst die Dokumentation der Geschäftsvorfälle und die Rechenschaft des Kaufmanns (über Vermögen und Gewinnlage) vor sich selbst. Hierzu haben sich folgende GoB entwickelt:
Allgemeine
Grundsätze
Bewertungsgrundsätze
Grundsatz der
Richtigkeit und
Willkürfreiheit
Realisationsprinzip
Grundsatz der
Klarheit
Imparitätsprinzip
Grundsatz der
Vollständigkeit
Sonstige Grundsätze
Vorsichtsprinzip
Going-concern-Prinzip
Grundsatz der Stetigkeit
Stichtagsprinzip
Grundsatz der Einzelbewertung
Tabelle 1: GoB-Übersicht
1.2.2
Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit (Bilanzwahrheit)
Nach dem Grundsatz der Bilanzwahrheit muss der Jahresabschluss
-
bezogen auf die Sache richtig sein (Grundsatz der Richtigkeit) und
-
bezogen auf die Person des Bilanzierenden willkürfrei sein (Grundsatz der
Willkürfreiheit).
Nach dem Grundsatz der Richtigkeit müssen die faktischen und rechtlichen Vorgänge zutreffend in der Buchhaltung und dem Jahresabschluss abgebildet sein. Dies
ist nur dann gegeben, wenn ein sachverständiger Dritter (z. B. Wirtschaftsprüfer) in
vertretbarer Zeit die objektive Übereinstimmung der Buchhaltung und des Jahresabschlusses mit den zugrunde liegenden Sachverhalten überprüfen kann und zu
dem Ergebnis gelangt, dass keine nennenswerten Fehler vorliegen.
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Der Grundsatz der Willkürfreiheit verlangt, dass der Bilanzierende insbesondere
Ansatz- und Bewertungsentscheidungen innerhalb der gesetzlichen Vorschriften treffen muss.
1.2.3
Grundsatz der Klarheit
Der Jahresabschluss muss klar und übersichtlich sein. Dies bedeutet insbesondere
die Erfüllung bestimmter Formalien. So sind die Bücher und Aufzeichnungen klar und
übersichtlich zu führen, die Bilanz und die GuV ist in verschiedene Positionen zu
gliedern.
Während der Grundsatz der Richtigkeit die sachliche Richtigkeit beinhaltet, verweist
der Grundsatz der Klarheit auf die Verständlichkeit.
Die Zusammenfassung aller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens zu einem Posten „Anlagevermögen" ist zwar sachlich richtig, ermöglicht dem Bilanzleser
aber keine weitere Information, ob und inwieweit Sachanlagen oder Finanzanlagen
vorliegen. Da eine derartige Information aber allgemein als erforderlich angesehen
wird, ist der Jahresabschluss in der Sache (d. h. in Ansatz, Bewertung und Ausweis)
zwar richtig, insoweit aber unklar (d. h. weist einen zu geringen Informationsstand
auf).
1.2.4
Grundsatz der Vollständigkeit
Nach dem Grundsatz der Vollständigkeit müssen in der Buchführung alle buchungspflichtigen Geschäftsvorfälle erfasst werden. Darüber hinaus muss die Bilanz alle
Vermögensgegenstände und Schulden eines Unternehmens und die GuV alle Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahres beinhalten.
1.2.5
Realisationsprinzip
Das Realisationsprinzip dient der zeitlichen Zuordnung der Erfolgsgrößen. Es ist
erforderlich, weil durch die Erstellung von Jahresabschlüssen der während der Lebensdauer eines Unternehmens erzielte Gewinn auf die einzelnen Abrechnungsperioden verteilt wird. Gewinne oder Verluste werden dabei der Periode zugewiesen,
in der sie realisiert sind. Das Realisationsprinzip wird teilweise durch andere Prinzipien (Vorsichtsprinzip, Imparitätsprinzip) durchbrochen. Das Realisationsprinzip besagt im Grundsatz, dass Aufwendungen und Erträge dann anzusetzen sind, wenn
die Leistung in Anspruch genommen bzw. erbracht wurde (Zeitpunkt der Vertragserfüllung).
1.2.6
Vorsichtsprinzip
Das Vorsichtsprinzip ist eines der wichtigsten und wohl auch ältesten Grundsätze.
Einer der wesentlichsten Gründe für die Aufstellung der Bilanz ist, dass der Kauf© Hans-Böckler-Stiftung, September 2010
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mann sich einen Überblick über sein Vermögen und seine Schulden verschaffen soll
und damit über seine Fähigkeit, die Verbindlichkeiten zu begleichen. Um diese
Aufgabe zu erfüllen, darf sich der Kaufmann nicht reich rechnen, d. h. überhöhte
Wertansätze für die vorhandenen Vermögensgegenstände aktivieren bzw. zu geringe Beträge als Schuldposten (z. B. Rückstellungen) passivieren.
1.2.7
Imparitätsprinzip
Das Imparitätsprinzip besagt im Grundsatz, dass Gewinne erst im Zeitpunkt ihrer
Realisierung (siehe Realisationsprinzip) ausgewiesen werden dürfen. Dagegen
müssen Verluste schon vor ihrer Realisierung berücksichtigt werden, wenn sie in der
Vergangenheit verursacht wurden (imparitätische Ungleichbehandlung von Gewinnen und Verlusten).
1.2.8
Going-concern-Prinzip
Bei der Bewertung ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen,
sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Es ist
eine Abkehr vom Grundsatz der Unternehmensfortführung notwendig, wenn aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten ein Insolvenzverfahren eingeleitet und aufgrund dessen mit der Zerschlagung des Unternehmens gerechnet werden muss.
Das Prinzip des going-concern führt dazu, dass die Vermögensgegenstände im Allgemeinen zu einem höheren Wert angesetzt werden, als dies bei Zerschlagung der
Fall wäre.
1.2.9
Stichtagsprinzip
Das Stichtagsprinzip besagt im Grundsatz, dass für die Frage des Ansatzes und der
Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden die Verhältnisse zum Abschlusszeitpunkt maßgebend sind.
Tatsächliche Vorgänge nach dem Bilanzstichtag sind für Ansatz und Bewertung
in der Bilanz unbeachtlich. Die nach dem Bilanzstichtag bis zur Bilanzerstellung erlangte bessere Erkenntnis über Verhältnisse am Bilanzstichtag muss aber bei
der Bilanzierung berücksichtigt werden.
1.2.10 Grundsatz der Einzelbewertung
Nach dem Grundsatz der Einzelbewertung ist jeder Vermögensgegenstand und jede
Verbindlichkeit einzeln, d. h. voneinander getrennt, zu bewerten. Was als Einzelheit
in diesem Sinne anzusehen ist, bestimmt sich im Wesentlichen nach der Verkehrsanschauung. Ein Gesamtkaufpreis ist auf die einzelnen Güter aufzuteilen.
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1.2.11 Grundsatz der Stetigkeit
Der Jahresabschluss stellt nicht nur eine Stichtagsbetrachtung dar, sondern auch
eine Zeitrechnung. Durch Vergleich der Jahresabschlüsse sollen Entwicklungen
der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens im Zeitablauf verfolgt
werden können.
1.3
Maßgeblichkeit
Nach geltendem Recht baut die Steuerbilanz auf den handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften auf. Die Ansätze in der Steuerbilanz richten sich nach den
handelsrechtlichen GoB, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen
Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt. Dieser Sachverhalt, der
sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ergibt, wird als Maßgeblichkeitsprinzip der Handelsbilanz für die Steuerbilanz bezeichnet.
Der Maßgeblichkeitsgrundsatz ist aber in vielfacher Weise eingeschränkt. Denn
wenn das Steuerrecht eigene Bestimmungen enthält, gehen die speziellen steuerrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften für Zwecke der Besteuerung den
Regelungen des HGB und den nicht kodifizierten GoB vor. Außerdem werden nicht
alle handelsrechtlichen Wahlrechte steuerrechtlich anerkannt.
Im Zuge der Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit im Rahmen des
BilMoG ist die bisherige formelle Maßgeblichkeit, wonach steuerrechtliche Wahlrechte in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Behandlung auszuüben
waren, weitgehend weggefallen. Dem neuen Gesetzeswortlaut entsprechend sind
nunmehr jedwede steuerrechtliche Wahlrechte autonom ausübbar. Besteht sowohl
nach Handels- als auch Steuerrecht ein Wahlrecht, kann das steuerrechtliche Wahlrecht demnach unabhängig von der Entscheidung für die Handelsbilanz ausgeübt
werden. Materielle Bedeutung entfaltet der Maßgeblichkeitsgrundsatz somit nur noch
in den Fällen, in denen eine steuerrechtliche Norm gänzlich fehlt.
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