Fachhochschule Bochum

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Fachhochschule Bochum
Prof.Dr.Martin Sternberg
Prof.Dr.Eckehard Müller
Skript zur Vorlesung Physik (Teil 2) für Mechatroniker, Elektrotechniker,
Informatiker und Maschinenbauer
Stand: 14.9.04
8.
FEHLERRECHNUNG .................................................................................................................................. 80
8.1 Systematische Abweichungen............................................................................................................. 80
8.2 Statistische Abweichungen................................................................................................................. 80
8.3 Fehlerfortpflanzung ........................................................................................................................... 83
9.
WELLEN .................................................................................................................................................. 85
9.1 Eindimensionale Wellen..................................................................................................................... 85
9.2 Transversal- und Longitudinalwellen ................................................................................................ 88
9.3 Mehrdimensionale Wellen.................................................................................................................. 88
9.4 Doppler-Effekt.................................................................................................................................... 90
9.5 Beugung und Interferenz.................................................................................................................... 93
10. OPTIK .................................................................................................................................................... 100
10.1 Reflexion und Brechung ................................................................................................................... 100
10.2 Geometrische Optik.......................................................................................................................... 102
10.3 Dispersion ........................................................................................................................................ 107
10.4 Polarisation...................................................................................................................................... 108
10.5 Holographie ..................................................................................................................................... 110
10.6 Wellenpakete .................................................................................................................................... 115
11. AKUSTIK ................................................................................................................................................ 120
11.1 Schallausbreitung ............................................................................................................................ 120
11.2 Schallstärke, Schallpegel und Lautstärke ........................................................................................ 121
12. WÄRMELEITUNG ................................................................................................................................... 123
13. STRÖMUNG ............................................................................................................................................ 126
13.1 Strömung idealer Fluide .................................................................................................................. 126
13.2 Strömung realer Fluide.................................................................................................................... 130
14. ATOM- UND KERNPHYSIK ...................................................................................................................... 132
14.1 Dualismus Welle-Teilchen ............................................................................................................... 132
14.2 Aufbau des Atoms............................................................................................................................. 134
14.3 Aufbau des Atomkerns...................................................................................................................... 141
14.4 Kernspaltung und Fusion................................................................................................................. 143
14.5 Radioaktivität................................................................................................................................... 144
14.6 Zerfallsgesetz ................................................................................................................................... 145
14.7 Dosisgrößen und biologische Wirkung von Strahlung..................................................................... 147
- 80 -
8.
Fehlerrechnung
Stand: 4.4.01
Am Beginn des Physikkurses stand der Begriff des Messens, also der Vergleich mit einer
bekannten Größe gleicher Qualität. Das Ergebnis des Vergleichs, d.h. der Wert der
physikalischen Größe, ist fast immer unvollkommen. Es werden Fehler gemacht. Das Ziel der
Fehlerrechnung ist es, Aussagen über die Genauigkeit von Messergebnissen zu machen, also
den Fehler zu quantifizieren. Dabei unterscheidet man zwischen systematischen und
statistischen Abweichungen.
8.1
Systematische Abweichungen
Diese Fehler führen zu einer Abweichung des Messwerts vom wahren Wert in einer Richtung.
Ursachen dafür können sein:
•
•
•
•
•
Falsche Kalibrierung des Messgeräts (Beispiel: ein Metermaß weist eine falsche
Länge auf, ein Voltmeter misst generell eine zu kleine Spannung)
Ungleichmäßige Skaleneinteilung (Beispiel: auf einem Zollstock ist die Strecke
zwischen 0 m und 0,1 m kleiner als die Strecke zwischen 1,0 m und 1,1 m)
Beeinflussung des Messobjekts durch das Messgerät (Beispiel: beim Ausmessen
eines Rohres mit einer Schiebelehre weitet sich das Rohr)
Beeinflussung des Messgeräts durch den Messvorgang (Beispiel: beim Ausmessen
mit der Schiebelehre verbiegen sich die Backen)
Nichtberücksichtigung von Nebenumständen (Beispiel: eine Schiebelehre misst
bei niedrigen Temperaturen anders als bei hohen)
Systematische Abweichungen müssen erkannt und klein gehalten werden. Der Einfluss
systematischer Abweichungen auf das Messergebnis muss abgeschätzt werden und das
Messergebnis entsprechend korrigiert werden. Kann die systematische Abweichung mit A
abgeschätzt werden, so ist das Messergebnis anzugeben als:
Xk = X + K
mit K = -A, X: unkorrigierter Messwert, Xk: korrigierter Messwert.
Die Gründe für diese Korrektur sind ebenfalls anzugeben. Die Unsicherheit bei der
Abschätzung der systematischen Abweichung beträgt uS und wird bei der Angabe des
Gesamtfehlers benötigt. Am Schluss des Kapitels über den statistischen Fehler wird noch
einmal auf diese Unsicherheit uS eingegangen.
8.2
Statistische Abweichungen
Selbst wenn die systematischen Abweichungen null sind, führen verschiedene Messungen
derselben Größe mit demselben Messgerät sehr häufig zu leicht verschiedenen Ergebnissen.
Die Ursachen dafür können sehr vielfältig sein, hier ein paar Beispiele: ein Längenmessgerät
wird nicht exakt angelegt, die Skala eines Messgeräts wird ungenau abgelesen, Beginn und
Ende eines Messintervalls werden nur mit einer gewissen Toleranz gestoppt,
Physik 2 für Elektrotechniker, Informatiker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 81 Kontaktwiderstände sind mal größer und mal kleiner. Allen diesen Abweichungen ist
gemeinsam, dass sie einmal zu einer Vergrößerung und einmal zu einer Verkleinerung des
Messwerts führen können. Man bezeichnet sie daher als statistische Abweichungen.
Beispiel: Längenmessung am Urmeter
Es ist sinnvoll, die Messungen in Klassen einzuteilen. Dabei wird der Bereich um den
erwarteten Messwert in gleich große , überlappungsfreie Intervalle aufgeteilt und ermittelt,
wieviele Messwerte in einem Intervall liegen. Die Verteilung der Messwerte auf die Intervalle
bezeichnet man als Häufigkeitsverteilung.
Folien:
Statistische Abweichungen mit N = 5, N = 10, N = 30, N = 101
Je mehr Messungen berücksichtigt werden, um so stärker nimmt bei vielen Messungen die
Häufigkeitsverteilung eine charakteristische Form an. Bei der Messung kontinuierlicher
Größen mit statistischen Abweichungen erhält man im Grenzfall für unendlich kleine
Intervalle und unendlich viele Messungen oft die Gauß'sche Normalverteilung oder wegen
ihrer Form auch Gauß'sche Glockenkurve genannt.
Folie:
Gauß'sche Normalverteilung
Man erhält diese Verteilung aber keineswegs immer, z.B. dann nicht, wenn man diskrete
Größen misst. Es gibt noch weitere Verteilungen, die wir hier aber nicht betrachten.
Normalverteilung (Gauß)
356,00
355,90
355,80
355,60
355,50
355,40
355,30
355,20
355,10
355,00
x
355,70
s
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
Diese Verteilung hat drei charakteristische Punkte: Das Maximum liegt bei x und die
Wendepunkte liegen bei x − s und x + s . In der Tat ist die Gauß'sche Normalverteilung
vollständig durch x und s beschrieben. Man erhält:
1 ( x− x )2
−
1
f ( x) =
e 2
2π ⋅ s
s2
x : Wert, um den die Messwerte schwanken: Mittelwert
s: Maß der Schwankung der Messwerte um den Mittelwert
(im Praktikumskript: εx)
Standardabweichung
Also noch einmal zusammengefasst: Die Gauß'sche Normalverteilung gibt an, wie bei einem
gegebenen Messverfahren die Verteilung bei unendlich kleinen Intervallen und unendlich
vielen Messungen aussehen würde. Natürlich ist es praktisch unmöglich, unendlich viele
Messungen durchzuführen. Man wird also den Mittelwert und die Standardabweichung aus
den vorhandenen endlich vielen Messwerten abschätzen müssen.
Physik 2 für Elektrotechniker, Informatiker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 82 -
Liegen insgesamt N Messungen vor, so schätzt man den Mittelwert ab durch das
arithmetische Mittel:
x≈
1
N
N
∑x
i =1
i
.
xi: der i-te Messwert von N
Die Standardabweichung der Messung wird folgendermaßen abgeschätzt:
N
s≈
∑ (x
i =1
i
− x) 2
N −1
Bei nur einer Messung (N = 1) kann natürlich keine Standardabweichung bestimmt werden.
Der wie oben bestimmte Mittelwert x ist natürlich mit einer Unsicherheit versehen, die um so
kleiner ist, je größer die Anzahl der Messungen ist.
N
m=
s
N
=
∑ (x
i =1
i
− x) 2
N ( N − 1)
m: Standardabweichung des Mittelwerts
Die Standardabweichung der Messung ist durch das Messverfahren und Messgerät gegeben,
kann also durch die Anzahl der Messungen nicht verändert werden. Dagegen ist die
Standardabweichung des Mittelwerts umgekehrt proportional zur Wurzel aus der Anzahl der
Messungen. Um die Standardabweichung des Mittelwerts zu halbieren, müssen also die
vierfache Anzahl an Messungen durchgeführt werden.
Man kann nun angegeben, dass der wahre Wert des Mittelwerts x w mit der
Wahrscheinlichkeit 1-α im Intervall
[x − τ ⋅ m, x + τ ⋅ m] liegt.
1 -α wird als Vertrauenniveau bezeichnet. Der Parameter τ hängt
vom Vertrauensniveau und von der Anzahl N der Messungen ab.
Folie: Vertrauensniveaus
Das vollständige Messergebnis muss also enthalten:
1.
2.
3.
4.
Den um die systematische Abweichung korrigierten Mittelwert x k = x + K
Die Anzahl N der Messungen
Das Vertrauensniveau 1-α
Die Messunsicherheit (Fehler) u = τ.m + us
(us war die Unsicherheit bei der Abschätzung der systematischen Abweichung)
Das Messergebnis lautet dann:
xk ± u .
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- 83 Die Unsicherheit bei der Abschätzung des systematischen Fehlers muss ebenfalls auf das
angegebene Vertrauensniveau 1 - α bezogen werden. Der wahre systematische Fehler muss
mit der Wahrscheinlichkeit 1 - α im Intervall [A − u S , A + u S ] liegen. Die Abschätzung der
Unsicherheit bei der Bestimmung des systematischen Fehlers ist häufig schwierig. Ein
Anhaltspunkt ist die vom Hersteller angegebene Messgenauigkeit eines Messgeräts, die sich
meist auf das Vertrauensniveau 68% bezieht.
Die Messunsicherheit u wird i.d.R. auf eine Dezimalstelle aufgerundet. Auf die signifikante
Dezimalstelle der Messunsicherheit wird der korrigierte Mittelwert dann gerundet.
Beispiel:
Aus x = 0,931758 ± 0,002715 wird:
x = 0,932 ± 0,003
oder aus
x = 2562,12 ± 31,259 wird:
x = 2560 ± 40
Oft ergeben relative Fehler einen besseren Eindruck von der Genauigkeit:
Standardabweichung des Mittelwerts
mr =
m/ x
=
bzw.
Mittelwert
Gesamtfehler
ur =
u/ x
=
.
Mittelwert
Der relative Fehler ist auf eine signifikante Stelle aufzurunden und wird in der Regel in %
angegeben, also z.B. 20%.
Hinweise zum Praktikum: Das Vertrauensniveau 1-α ist ca. gleich 2/3 (67%), τ wird
vereinfacht zu 1 angenommen, us wird meist vernachlässigt. Liegt überhaupt nur eine
Messung vor, muss der Fehler abgeschätzt werden.
8.3
Fehlerfortpflanzung
In den meisten Fällen werden physikalische Größen indirekt über die Messung mehrerer
Größen bestimmt.
Besipiele:
Die Geschwindigkeit wird über die Messung von Ort und Zeit bestimmt
∆x
v=
,
∆t
der spezifische Widerstand eines Leiters über
d2
ρ = Uπ
(U: Spannung, d: Durchmesser des Leiters, I: Strom, l: Länge des
4 Il
Leiters).
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Dabei werden die Einzelgrößen wiederholt gemessen, systematische Fehler und
Unsicherheiten bei der Angabe des systematischen Fehlers ermittelt, Mittelwerte sowie
Standardabweichungen der Mittelwerte berechnet, und schließlich daraus die Gesamtfehler
der einzelnen Messgrößen ermittelt. Da bei zusammengesetzten Größen die Messfehler der
einzelnen Messgrößen nur Zwischenergebnisse bei der Ermittlung des Fehlers der gesuchten
Größe sind, dürfen sie an dieser Stelle nicht gerundet werden.
Ist die zu berechnende Größe G eine Funktion der Messgrößen G1, G2, G3 etc. mit den
Mittelwerten G1 , G 2 , G3 etc. und den Gesamtfehlern u1, u2, u3 etc., dann ist der Gesamtfehler
des Mittelwerts der Größe G gegeben durch das Gauß'sche Fehlerfortpflanzungsgesetz:
2
2
2
 ∂G  2  ∂G  2  ∂G  2
 u3 + ...
 u 2 + 
 u1 + 
u = 
 ∂G2 
 ∂G1 
 ∂G3 
2
Dabei sind
∂G
die partiellen Ableitungen von G nach Gi an den Stellen Gi .
∂Gi
Man kann den Fehler nach oben hin abschätzen durch:
u≤
∂G
∂G
∂G
u3 + ...
u2 +
u1 +
∂G3
∂G2
∂G1
(Begründung:
a 2 + b 2 ≤ a + b da
( a + b ) 2 = ( a 2 + b 2 ) 2 = a 2 + b 2 + 2 a 2b 2 ≥ a 2 + b 2 )
Der Mittelwert der gesuchten Größe G berechnet sich zu:
G = G (G1 , G2 , G3 .....) .
Beispiel:
ρ = Uπ
d2
4 Il
Damit wird:
d2
ρ = Uπ
4I ⋅ l
u≤
∂ρ
∂ρ
∂ρ
∂ρ
uU +
ud +
uI +
ul
∂l
∂I
∂d
∂U
also:
d2
d
d2
d2
u≤π
uU + 2U π
ud + U π 2 u I + U π
ul .
4 Il
4Il
4I l
4 Il 2
Weitere Beispiele und Faustformeln finden sich in den Praktikumsunterlagen
Physik 2 für Elektrotechniker, Informatiker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 85 -
9.
Wellen
Stand: 14.9.04
9.1
Eindimensionale Wellen
Eine Welle ist die räumliche Ausbreitung einer zeitlichen Störung in Materie oder im
Vakuum.
Versuch: Wellenausbreitung an der Wellenmaschine
Versuch: Wellenausbreitung an der Wellenwanne
Folie: Transversalwellen
Voraussetzung für die Wellenausbreitung ist, dass es einen Kopplungsmechanismus gibt, der
bewirkt, dass die Abweichung eines physikalischen Zustands vom Gleichgewichtszustand zu
einer zeitlich verzögerten Zustandsänderung an den benachbarten Orten führt. Dieser
Kopplungsmechanismus kann ganz unterschiedlicher Natur sein:
Kopplungs von Pendeln durch Federn (Wellenmaschine)
Kopplung von Atomen im Festkörperverband (Schallausbreitung im Festkörper)
Kopplung von Molekülen in Flüssigkeiten (Wasserwellen, Schall im Wasser)
Kopplung von elektrischen und magnetischen Feldern (elektromagn. Wellen)
Folie: Einige Wellen und ihre Frequenzen
Folie: Spektrum elektromagnetischer Strahlung
Im zeitlichen Mittel erfolgt bei der Wellenausbreitung kein Materietransport, aber Energieund Impulstransport. Wellen müssen nicht periodisch oder harmonisch sein, wir beschränken
uns aber im Wesentlichen auf harmonische Wellen.
Zur Herleitung der Wellengleichung sei wiederum die Pendelkette betrachtet.
Folie: Transversalwellen
Wir betrachten zunächst ein Pendel an einem festen Ort (x = const.). Dies führt eine
harmonische Schwingung mit der Kreisfrequenz ω aus, also z.B. g = g 0 sin(ωt ) als Lösung
der Schwingungsgleichung (g ist die Auslenkung des Pendels)
d 2g
m 2 + Dg = 0 .
dt
Betrachtet man die Auslenkung zu einer festen Zeit (t = const.), so findet man ebenfalls eine
harmonische Funktion g = g 0 sin(kx) , die der Gleichung genügt:
(2)
a
d 2g
+ bg = 0 ,
dx 2
mit k =
b
.
a
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- 86 -
g=−
Aus (1) folgt:
m d 2g
, aus (2):
D dt 2
g=−
a d 2g
.
b dx 2
Da die Auslenkung g offensichtlich eine Funktion sowohl des Ortes, als auch der Zeit ist,
muss man anstatt der Ableitungen die partiellen Ableitungen verwenden.
Es sei g eine Funktion, die von mehreren Variablen x1, x2, x3, bis xn abhängt. Dann wird die
∂g
partielle Ableitung von g nach xi geschrieben als
. Wichtig in der Schreibweise sind die
∂xi
runden ∂ . Bei der partiellen Ableitung nach xi geht man so vor, dass alle anderen Variablen
als Konstanten angesehen werden. Somit ist g dann nur noch eine Funktion von xi, und man
bildet die „normale“ Ableitung nach dieser Variablen. Die partiellen Ableitungen sind in der
Regel wieder Funktionen der Variablen x1 bis xn.
Es wird somit:
1 ∂2g 1 ∂2g
a ∂2g
m ∂2g
,
bzw.
.
=
−
=
=
g
b ∂x 2
ω 2 ∂t 2 k 2 ∂x 2
D ∂t 2
t = const.
x = const.
λ = 2π/k
g
g
T = 2π/ω
x
t
In einer Periode T hat sich die Welle genau um eine Wellenlänge λ ausgebreitet. Also ist die
Geschwindigkeit, mit der sich der Schwingungszustand ausbreitet, die
Phasengeschwindigkeit:
v ph =
λ
T
=λ⋅ f =
2π ω ω
= .
k 2π k
Damit kann man die für die Welle gefundene Differentialgleichung schreiben als:
∂2g k 2 ∂2g
= 0,
−
∂x 2 ω 2 ∂t 2
1 ∂2g
∂2g
−
=0.
∂x 2 v ph 2 ∂t 2
bzw. mit vph = ω/k :
Eindimensionale Wellengleichung
Es handelt sich um eine lineare partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung.
Gesucht ist jetzt die Funktion g(x,t), die die obige Wellengleichung erfüllt.
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- 87 -
Zum Zeitpunkt t1 = 0 kennen wir eine Lösung bereits. Sie lautet:
g ( x,0) = g 0 sin(kx) .
Ein Zeitintervall t später hat sich die Welle um die Strecke ∆x weiter ausgebreitet:
Zwei Momentaufnahmen der Welle
∆x
g
t1 = 0
t
x
Man findet nun den Funktionswert der um ∆x nach rechts verschobenen Kurve, indem man
auf der x-Achse um ∆x nach links geht und dort den Wert der nicht verschobenen Kurve
nimmt:
g ( x, t ) = g ( x − ∆x,0) = g 0 sin(k ( x − ∆x)) .
Nun breitet sich die Welle aber mit der Phasengeschwindigkeit vPh aus, so dass man schreiben
kann:
v Ph =
∆x
, bzw. ∆x = v Ph t .
t
Somit wird:
g ( x, t ) = g 0 sin(k ( x − v Ph t )) = g 0 sin(kx − kvPh t ) .
Aus der Beziehung:
v Ph =
ω
k
folgt aber: kvPh = ω .
Eine Lösung der eindimensionalen Wellengleichung ist also:
g = g 0 sin(kx − ωt )
harmonische, eindimensionale Welle
Es gibt aber noch sehr viel mehr Lösungen, denn jede zweimal differenzierbare Funktion
g(kx-ωt) ist Lösung der Wellengleichung, wenn vph = ω/k, z.B. also auch ein Impuls oder ein
Wellenpaket.
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- 88 Die Phasengeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der sich der physikalische Zustand
ausbreitet. Sie darf nicht mit der Geschwindigkeit verwechselt werden, mit der sich Teilchen
(z.B. Pendel einer Pendelkette oder Atome eines Gases oder Festkörpers) bewegen.
9.2
Transversal- und Longitudinalwellen
Die Auslenkung von Wellen kann senkrecht oder parallel zur Ausbreitungsrichtung erfolgen.
Folie: Transversalwellen
Transversalwellen: Die Auslenkung erfolgt senkrecht zur Ausbreitungsrichtung.
Beispiele:
Schwingendes Seil
Elastische Transversalwellen in Festkörpern
Elektromagnetische Wellen
Folie: Longitudinalwellen
Longitudinalwellen: Die Auslenkung erfolgt parallel zur Ausbreitungsrichtung.
Bespiele:
Elastische Longitudinalwellen in Festkörpern
Schallwellen in Gasen und Flüssigkeiten
Steht einer Welle nur ein begrenzter Raum zur Ausbreitung zur Verfügung, bzw. die
Ausbreitung einer elektromagnetischen Welle in einem Hohlleiter, so bilden sich keine reinen
Transversal- oder Longitudinalwellen. Dazu zählen auch die Oberflächenwellen, die eine
Kombination aus Transversal- und Longitudinalwellen darstellen (z.B. Wasserwellen).
9.3
Mehrdimensionale Wellen
Die Ausbreitung von Wellen erfolgt nicht nur entlang einer Linie, sondern kann auch entlang
einer Fläche oder im Raum erfolgen. Aus der eindimensionalen Wellengleichung wird dann:
∂2g ∂2g ∂2g
1 ∂2g
+
+
−
= 0.
∂x 2 ∂y 2 ∂z 2 v ph 2 ∂t 2
Dreidimensionale Wellengleichung
Die Lösung dieser Wellengleichung hängt nun davon ab, welche Gestalt die Orte gleicher
Phase, also die Orte gleichen physikalischen Zustands haben. Diese bezeichnet man als
Phasenflächen.
Versuch: Erzeugung von Kreiswellen und ebenen Wellen an der Wellenwanne
Sonderfälle sind die ebenen Wellen und die Kugelwellen.
Bei den ebenen Wellen sind die Phasenflächen Ebenen, also unendlich ausgedehnt. Die
Lösung der Wellengleichung lautet:
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- 89 r r
g = g 0 sin( k ⋅ x − ωt ) .
k 
r  x
ω2
2
.
Dabei ist k =  k y  der Wellenvektor mit v ph = 2
2
2
kx + ky + kz
k 
 z
r
x1
α1
α2
r
k
r
x2
r r
Die geometrische Interpretation des Skalarprodukts k ⋅ x ist die Multiplikation der Länge des
r
r
r
Vektors k mit der Länge der Projektion des Vektors x auf k . Diese Projektion ist aber für
r
r
r
alle Vektoren x auf einer Ebene durch x1 und senkrecht auf k gleich. Die Phasenflächen
sind also Ebenen.
Die Phasenflächen stehen senkrecht auf dem Wellenvektor und die Phasengeschwindigkeit
hat die Richtung des Wellenvektors.
Bei den Kugelwellen sind die Phasenflächen Kugelflächen. Dieser Lösungstyp ergibt sich,
wenn eine rotationssymmetrische Quelle in alle Raumrichtungen gleich strahlt.
Zu einem festen Zeitpunkt t darf die Wellenfunktion g also nur vom Abstand des betrachteten
r
r
Orts x vom Ursprung der Welle bei x 0 abhängen.
r r r
r = x − x0
r
x0
r
x
r
r
Der Abstand vom Ursprung der Welle bei x 0 , also r , ist gleich für alle Punkte auf einer
r
Kugelfläche um x 0 mit Radius r.
Der Abstand lässt sich berechnen zu:
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- 90 r r r
r = r = x − x0 =
( x − x 0 )2 + ( y − y 0 )2 + ( z − z 0 )2
Die Lösung der Wellengleichung in diesem Fall lautet:
g
r
g ( x ) = 0 sin( kr − ωt ) mit r = ( x − x0 ) 2 + ( y − y 0 ) 2 + ( z − z 0 ) 2
r
 x
r  
x =  y  sowie
z
 
und
 x0 
r  
x0 =  y 0  als Ursprung der Kugelwelle.
z 
 0
Man beachte, dass die Auslenkung im Gegensatz zu den ebenen Wellen mit 1/r abnimmt.
Dies ist notwendig, weil sonst die Energie der Welle mit steigender Entfernung zum Ursprung
zunehmen würde. Die Energie ist proportional zum Quadrat der Auslenkung (man vergleiche
z.B. mit der Energie des Federpendels E = ½ D x2). Die Phasenfläche der Welle, also die
Kugeloberfläche, nimmt mit dem Quadrat des Abstands von der Quelle zu. Also muss die
Energiedichte mit dem Quadrat des Abstands von der Quelle abnehmen. Dies ist aber der Fall,
wenn die Auslenkung g mit 1/r abnimmt.
9.4
Doppler-Effekt
Wenn sich die Wellen-erzeugende Quelle und der Beobachter relativ zueinander bewegen,
kommt es zu Änderungen der Frequenzen.
Bewegte Quelle: Ein Reisender wandert im 18. Jahrhundert von Köln nach Italien und
schickt jede Woche einen Brief nach Hause. Solange er nach Italien reist, werden die Briefe
Zuhause seltener als alle Woche eintreffen, auf der Rückreise häufiger.
Bewegter Beobachter: Auf der Trasse der U35 fährt alle 5 min ein Zug in Richtung Herne.
Fährt man im Auto parallel die Universitätsstraße entlang, so trifft man seltener auf einen
Zug, wenn man in die gleiche Richtung fährt (sogar nie, wenn man die gleiche
Geschwindigkeit wie die U35 hat), und häufiger, wenn man in die entgegengesetzte Richtung
fährt.
Bewegter Beobachter
v ph
v ph :
Phasengeschwindigkeit
vB :
Geschwindigkeit des Beobachters
relativ zur ruhenden Quelle
vB
Für die Frequenz, die der bewegte Beobachter wahrnimmt, gilt:
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- 91 -
f B = f (1 ±
vB
)
v ph
f: Frequenz, mit der die ruhende Quelle emittiert
fB: Frequenz, die der bewegte Beobachter wahrnimmt
+ : Beobachter bewegt sich auf die Quelle zu
- : Beobachter bewegt sich von der Quelle weg
Bewegte Quelle (mediengebundene Wellen)
Versuch: Wellenwanne mit strömendem Wasser
Die Welle breitet sich im Medium weiterhin
mit der Phasengeschwindigkeit vph aus.
v ph
vQ
Für die Frequenz, die der ruhende Beobachter wahrnimmt, gilt:
fB = f
1m
1
vQ
vQ : Geschwindigkeit, mit der sich die Quelle relativ
zum Medium bewegt
- : Quelle bewegt sich auf den Beobachter zu
+ : Quelle bewegt sich vom Beobachter weg
v ph
Diese Frequenzverschiebung tritt z.B. im Straßenverkehr bei vorbeifahrenden Fahrzeugen
deutlich in Erscheinung.
Nähert sich die Geschwindigkeit der Quelle der Phasengeschwindigkeit der Welle an, kommt
es also zu einer Verdichtung der Wellen in Vorwärtsrichtung. Ist die Quellengeschwindigkeit
gleich der Phasengeschwindigkeit, so liegen in Vorwärtsrichtung alle Wellen übereinander.
Die Auslenkungen addieren sich und ergeben eine außerordentlich große Gesamtauslenkung.
Dies wird bei Schallwellen als Überschallknall bezeichnet und tritt bei schnellen Flugzeugen
in Erscheinung. Bei noch größeren Quellengeschwindigkeiten bildet sich ein Mach-Kegel aus,
dessen halber Öffnungswinkel gegeben ist durch:
sin α =
v ph
vQ
=
1
Ma
α
vQ
Ma: Machzahl
Folie: Schallmauer und Machkegel
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- 92 Auch bei der elektromagnetischen Strahlung kommt es zu extrem großen Feldstärken, wenn
sich die Quelle mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Dies kommt vor, wenn sich strahlende
Elementarteilchen in einem Medium bewegen, dessen Lichtgeschwindigkeit
(Phasengeschwindigkeit) unter der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit liegt. Das als CerenkovEffekt bezeichnete Phänomen kann z.B. als helles Blitzen bei der Abbremsung schneller
Neutronen in Wasser beobachtet werden.
Bewegte Quelle und bewegter Beobachter
In diesem Fall müssen sowohl die Geschwindigkeit der Quelle, als auch die des Beobachters
berücksichtigt werden. Es ergibt sich für den Fall, dass die Geschwindigkeiten
unterschiedliche Richtungen haben:
fB = f
v ph ± v B
v ph m vQ
Obere Vorzeichen: Beobachter und Quelle bewegen
sich aufeinander zu
untere Vorzeichen: Beobachter und Quelle bewegen
sich voneinander weg
Haben die Geschwindigkeiten die gleiche Richtung, so gilt:
fB = f
v ph ± v B
v ph ± vQ
Obere Vorzeichen: Beobachter ist hinter der Quelle
untere Vorzeichen: Beobachter ist vor der Quelle
Doppler-Effekt für elektromagnetische Wellen
Da elektromagnetische Wellen für die Ausbreitung kein Medium benötigen, kann hier von
einer Bewegung der Quelle relativ zum ruhenden Medium nicht gesprochen werden,
ebensowenig von einem bewegten Beobachter. Quelle und Beobachter können sich aber
relativ zueinander bewegen. Weiterhin muss die Relativitätstheorie berücksichtigt werden. Es
ergibt sich der relativistische Doppler-Effekt:
fB = f
c0 ± vr
c0 m v r
vr: Relativgeschwindigkeit zwischen
Quelle und Beobachter
c0: Vakuum-Lichtgeschwindigkeit
Obere Vorzeichen: Beobachter und Quelle bewegen
sich aufeinander zu
untere Vorzeichen: Beobachter und Quelle bewegen
sich voneinander weg
Technisch wird der Doppler-Effekt bei elektromagnetischen Wellen zur RadarGeschwindigkeitsmessung im Straßenverkehr eingesetzt. Er wird auch zur
Geschwindigkeitsmessung von Sternen herangezogen. Sterne bestehen hauptsächlich aus
Wasserstoff. Daher gibt es im Spektrum der Sterne charakteristische Absorptionslinien.
Bewegt sich ein Stern relativ zur Erde, so sind diese charakteristischen Linien zu anderen
Frequenzen hin verschoben. Aus der Verschiebung lässt sich die Relativgeschwindigkeit
berechnen. Bewegen sich die Sterne von uns weg, was für weiter entfernte Sterne immer gilt,
so spricht man von einer Rotverschiebung.
Folie: Rotverschiebung bei Sternen
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- 93 -
9.5
Beugung und Interferenz
∂2g
1 ∂2g
−
= 0 führt dazu, dass die Summe zweier
Die Linearität der Wellengleichung
∂x 2 v ph 2 ∂t 2
Lösungen der Wellengleichung g1 und g2 auch Lösung der Wellengleichung ist. Wellen
können sich also überlagern. Die Auslenkungen, z.B. elektrische Feldstärken, addieren sich.
Es sei zunächst eine ebene Welle betrachtet, aus der man durch einen Spalt einen Teil
ausblendet. Man könnte die Erwartung haben, dass sich die Welle hinter dem Spalt genauso
ausbreitet, wie davor, nur dass der ausgeblendete Teil fehlt.
Tatsächlich zeigt sich aber ein ganz anderes Verhalten.
Versuch: Ebene Wellen an Wellenwanne mit Spalt
Versuch: Laserbeugung am Einzelspalt
Hinter dem Spalt zeigt sich eine Kreiswelle, also im dreidimensionalen Fall eine Kugelwelle.
Man erhält also durch Ausblenden aus einer ebenen Welle eine Kugelwelle. Nun ist es ganz
egal, an welcher Stelle der ebenen Welle die Ausblendung erfolgt. Daher schließt man, dass
von jedem Punkt der ebenen Welle eine Kugelwelle ausgeht. Das ist das
Huyghens'-Fresnel'sche Prinzip: Jeder Punkt einer Wellenfläche sendet Wellen in den Raum
hinaus, sogenannte Elementarwellen. Die Überlagerung dieser Elementarwellen ergibt die
tatsächlich beobachtete Welle.
Dieses Prinzip ermöglicht das Verständnis von Beugung, Reflexion und Brechung.
Folie: Huyghens'sches Prinzip für ebene Wellen und Kugelwellen
Hinter einem Hindernis überlagern sich wiederum die Elementarwellen. Auch in den
geometrischen Schattenraum hinein werden sich Elementarwellen ausbreiten. Dies nennt man
Beugung.
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Versuch: Wellenwanne, ebene Welle mit Hindernis
Ein sehr enger Spalt lässt nur eine Elementarwelle hindurchkommen. Es seien jetzt zwei
Spalte dicht nebeneinander angeordnet.
Versuch: Wellenwanne mit Doppelspalt
Versuch: Laserbeugung am Doppelspalt
Die beiden Elementarwellen überlagern sich offensichtlich so, dass interessante Strukturen
entstehen. Zwei Elementarwellen, die jede für sich an jedem Ort Auslenkungen hervorrufen,
rufen offensichtlich in der Summe an manchen Orten keine Auslenkung hervor. Das
widerspricht zunächst der Erwartung.
Nicht für jede Wellenauslenkung besitzt der Mensch ein Sinnesorgan. Viele
Wellenerscheinungen, insbesondere die elektromagnetischen, kann er nur über sekundäre
Effekte wahrnehmen. Dabei spielt die durch die Welle übertragene Energie pro Fläche und
Zeit eine wichtige Rolle. Diese Größe bezeichnet man als Intensität I (Beispiel: Wirkung der
elektromagnetischen Wärmestrahlung auf die menschliche Haut).
∆E
P
I = lim
= lim
∆t →0 , ∆A→0 ∆t ⋅ ∆A
∆A→0 ∆A
∆E : Energie, die pro Zeitintervall ∆t in dem
Flächenelement ∆A , senkrecht zur Phasengeschwindigkeit, auftritt
P : Leistung
Die Intensität einer Welle ist proportional zum Quadrat der Auslenkung . Dies gilt z.B. auch
für die Energie eines Federpendels, E = ½ D x2.
Bei der Überlagerung zweier Kugelwellen ist es nun nicht so, dass sich die Einzelintensitäten,
also die Quadrate der Einzelauslenkungen, addieren. Wäre es so, dann gäbe es beispielsweise
keine Erklärung für die entstehenden Bereiche mit Gesamtintensität null. Diesen Effekt, dass
es bei der Überlagerung von Wellen zu Abweichungen von der Addition der Intensitäten
kommt, nennt man Interferenz. Es gilt dann:
I ( g 1 + g 2 ) ≠ I ( g1 ) + I ( g 2 ) .
Dabei sind I(g1 + g2) die Intensität der Summe und I(g1) bzw. I(g2) die Einzelintensitäten an
einem Ort.
Wenn g1 und g2 zwei Wellen sind, dann ist die Gesamtintensität proportional zu (g1 + g2)2,
und dies kann durchaus von der Summe der Einzelintensitäten verschieden sein. Man nehme
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- 95 an, eine Welle treffe auf eine um 1800 phasenverschobene Welle der gleichen Amplitude und
Frequenz.
In diesem Fall löschen sich die Wellen aus und die Gesamtintensität ist null.
g1
g2
g1 + g2
Auslenkung g
Summe zweier Wellen an
einem Ort mit Phasendifferenz π.
Zeit t
Beträgt die Phasendifferenz hingegen 0o, so verstärken sich die Wellen.
g1
g2
g1 + g2
Auslenkung g
Summe zweier Wellen an
einem Ort mit Phasendifferenz 0.
Zeit t
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- 96 -
Natürlich kann auch eine beliebige Phasendifferenz vorliegen, z.B. 5/6.π.
g1
g2
g1 + g2
Auslenkung g
Summe zweier Wellen an
einem Ort mit Phasendifferenz 5/6.π.
Zeit t
Es kommt bei der Überlagerung von Wellen also auf die Phasendifferenz an. Bei
Phasendifferenz 0 ergibt sich eine maximale Intensität, bei Phasendiffenz π die Intensität null.
Die Phasendifferenz zwischen zwei Wellen wird aber in der Regel eine Funktion des Ortes
und der Zeit sein. Beobachten können wir Interferenzerscheinungen aber nur, wenn die
Phasendifferenz zeitlich konstant sind. Dies wird durch den Begriff Kohärenz beschrieben.
Man bezeichnet zwei oder mehr Wellen als kohärent, wenn ihre Phasenbeziehungen an jedem
Ort zeitlich konstant sind. Dann ergeben sich Interferenzeffekte, also Abweichungen von der
Addition der Intensitäten. Bei harmonischen Wellen bedeutet dies insbesondere, dass die
Wellen die gleiche Frequenz haben müssen, dies ist aber kein ausreichendes Kriterium.
Sind die sich überlagernden Wellen inkohärent (nicht kohärent), so addieren sich natürlich
auch an jedem Ort und zu jeder Zeit die Einzelauslenkungen. Da die Phasendifferenzen aber
nicht zeitlich konstant sind, mitteln sich Interferenzeffekte weg und es ergibt sich als
Gesamtintensität die Summe der Einzelintensitäten.
Zwei normale Glühbirnen stellen inkohärente Quellen dar. Die Überlagerung der von den
Birnen ausgelösten Wellen ergibt eine Intensität, die an jedem Ort der Summe der beiden
Einzelintensitäten entspricht. Selbst wenn man nur eine Farbe aus dem weißen Licht
ausfilterte, ergäbe sich keine Interferenzerscheinung. Anders ist es, wenn man das Licht aus
zwei von demselben Laser beleuchteten Spalten betrachtet. Die Wellen sind kohärent und
rufen eine beobachtbare, zeitlich konstante Interferenzerscheinung hervor.
Zum Verständnis der Interferenzerscheinung beim Doppelspalt seien zwei Folien mit
Kreiswellen betrachtet.
Versuch: Zwei Kreiswellen am Overheadprojektor
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- 97 Man sieht, dass es Bereiche gibt, bei denen die schwarzen Striche übereinander liegen
(Phasendifferenz 0), und Bereiche, bei denen die schwarzen Striche der einen Welle über den
durchsichtigen Strichen der anderen Welle liegen (Phasendifferenz π). In den ersten
Bereichen kommt es zur Verstärkung der Wellen, in den zweiten zur Auslöschung.
d
Die beiden
Elementarwellen überlagern sich. Es
wird die Intensität der Überlagerung auf
dem Schirm
beobachtet.
ϑ
Ist der Abstand zwischen Schirm und Doppelspalt groß gegenüber dem Abstand der beiden
Spalte, so sind die Verbindungslinien zwischen einem auf dem Schirm betrachteten Punkt und
den Mittelpunkten der Spalte nahezu parallel. Dann kann man schematisch zeichnen:
ϑ
d
ϑ
∆l
Am Spalt haben beide Elementarwellen die gleiche Phasenlage. Betrachtet man eine um den
Winkel ϑ gegenüber der Normalen auf dem Spalt verkippte Richtung, findet man einen um
die Strecke ∆l vergrößerten Weg für die untere Welle. Beträgt dieses ∆l ein Vielfaches der
Wellenlänge λ, so beträgt die Phasendifferenz ein Vielfaches von 360o, und damit tritt
Verstärkung ein. Ist die Weglängendifferenz ∆l ein ungerades Vielfaches der halben
Wellenlänge, so beträgt die Phasendifferenz ein ungerades Vielfaches von 180o, und es tritt
Auslöschung ein.
Maximale Intensität ergibt sich also für:
∆l = nλ
(n = 0,1,2,3, ...)
Ist der Abstand zwischen Schirm und Doppelspalt groß gegenüber dem Abstand der Spalte,
kann man schreiben:
sin ϑ max =
∆l
,
d
also
∆l = d sin ϑ max = nλ
und damit:
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- 98 -
sin ϑ max = n
λ
(n = 0,1,2,3,...)
d
Auslöschung ergibt sich für ein ungerades Vielfaches der halben Wellenlänge, also:
1
∆l = (n + )λ
2
(n = 0,1,2,3, ...).
1
∆l = d sin ϑ min = (n + )λ ,
2
1 λ
sin ϑ min = (n + )
2 d
Damit wird:
also:
(n = 0,1,2,3, ...)
Die Richtungen der Maxima und Minima hängen also vom Abstand der Spalte und von der
Wellenlänge ab. Man kann einen Doppelspalt also z.B. auch zur Spektralanalyse verwenden.
Ordnet man anstatt zweier Spalte drei, vier oder N Spalte jeweils im Abstand d an, so erhält
man ein Gitter.
N=4
d
Die Bedingungen für ϑmax bleiben gleich, aber die
Maxima werden schärfer. Je mehr Spalte man verwendet,
um so schärfer werden die Interferenzmaxima.
Folie: Beugung am Gitter
Versuch: Laserbeugung am Gitter (10 l/mm, 50 l/mm, 570 l/mm)
Bei Gittern gibt man meist die Anzahl der Linien pro Millimeter an (z.B. 570 Linien/mm).
Der Spaltabstand ist der Kehrwert davon.
Verwendet man als Wellen Röntgenstrahlung einer Wellenlänge von 10-10 m, so erhält man
für einen Winkel von ϑmax = 5o einen Spaltabstand von ca. 10-9 m, was ungefähr dem Abstand
von Atomen in Festkörpern entspricht. Solche Spalte sind technisch nicht herstellbar. Man
kann sich aber die regelmäßige Anordnung der Atome in Kristallen zunutze machen, um
Interferenzeffekte mit Röntgenstrahlen sichtbar zu machen. Die darauf basierende Methode
der Festkörper-Strukturuntersuchung mittels Röntgenstrahlen ist heute weit verbreitet.
Folie: Röntgenbeugung an Kristallen
Beleuchtet man einen einzelnen Spalt mit Laserlicht, so findet man in Abhängigkeit der
Spaltöffnung auch hier Maxima und Minima. Dies liegt daran, dass innerhalb eines Spaltes
nicht nur eine, sondern eine Vielzahl von Elementarwellen ausgelöst werden, deren
Interferenz man beobachtet. Deshalb kommt es auch am Einzelspalt zu Beugungs- und
Interferenzerscheinungen.
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- 99 -
Versuch: Laserbeugung am Einzelspalt
Eine genaue Betrachtung führt zu der folgenden Abhängigkeit der Amplitude und Intensität
vom Winkel ϑ:
A( X ) = A0
sin X
X
mit X =
sin 2 X
I(X ) = I0
X2
πs
sin ϑ
λ
A, I:
Amplitude, bzw. Intensität unter dem
Winkel ϑ
A0, I0: Amplitude, bzw. Intensität unter dem
Winkel 0o im betrachteten Abstand
s:
Spaltbreite
λ:
Wellenlänge
Folie: Spaltfunktion
Bei kreisrunden Blenden, mit denen man es in der Optik meist zu tun hat, wird aus der
Spaltfunktion sin2X/X2 die Bessel-Funktion.
Bei Beugung und Interferenz an realen Spalten oder Gittern steht für die Überlagerung
zwischen Wellen verschiedener Spalte nur jeweils die Amplitude A(X) zur Verfügung, die
sich hinter jedem Spalt ergibt. Die Amplitude hinter einem Doppelspalt oder Gitter ergibt sich
also als Produkt der Amplitude hinter einem Einzelspalt und der Funktion des Doppelspalts
oder Gitters.
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- 100 -
10. Optik
Stand: 27.6.02
Die Optik ist ein Teil der Wellenlehre und befasst sich mit dem für den Menschen sichtbaren
Bereich der elektromagnetischen Strahlung und den angrenzenden Bereichen. Der
Wellenlängenbereich reicht etwa von 800 nm (Infrarot) bis 200 m (Ultraviolett). Für den
Menschen sichtbar ist dabei der Bereich von 700 nm (Rot) bis 380 nm (Blau).
10.1
Reflexion und Brechung
Die Wechselwirkung zwischen Lichtwelle und Medium führt nicht nur zu einer Abnahme der
Intensität, sondern auch zu einer Änderung der Phasengeschwindigkeit. Dies ist so zu
verstehen, dass von den angeregten Oszillatoren im Medium wiederum Lichtwellen der
gleichen Frequenz ausgesandt werden, die sich mit der ursprünglichen Welle überlagern. Das
Ergebnis der Überlagerung ist eine sich i.d.R. langsamer als im Vakuum ausbreitende Welle.
Die Phasengeschwindigkeit (Lichtgeschwindigkeit) hängt also vom Medium ab!
Man charakterisiert ein Medium i durch seine Brechzahl ni:
ni =
c0: Vakuumlichtgeschwindigkeit
ci: Lichtgeschwindigkeit im Medium i
c0
.
ci
In der Regel wird die Brechzahl eines Mediums also größer als 1 sein.
Es sei jetzt eine Grenzfläche zwischen zwei Medien mit den Brechzahlen n1 und n2 betrachtet,
wobei gelten soll: c1 > c2, bzw. n1 < n2. Eine ebene Welle falle unter dem Winkel α zum Lot
aus dem Medium 1 auf die Grenzfläche.
B
α
α
A
A''
β
A'
α' α'
β
B'
c1, n1
c2, n2
Die Wellenfläche AB löst beim Fortschreiten auf der Grenzfläche Elementarwellen aus, die
sich im Medium 1 mit c1 und im Medium 2 mit c2 ausbreiten. Die Elementarwellen
Physik 2 für Mechatroniker, Elektrotechniker, Informatiker und Maschinenbauer, FH Bochum
- 101 überlagern sich wieder zu ebenen Wellenflächen. Die Zeit, die die Welle von B nach B'
braucht, sei τ. Es gilt nun:
BB ' = c1τ ,
AA' = c1τ und
AA' ' = c 2τ .
AA'
= sin α ' und
AB'
AA' '
= sin β .
AB'
Außerdem gilt:
BB'
= sin α ,
AB'
Nun kann man schreiben:
BB ' = c1τ = sin α ⋅ AB ' = AA' = AB '⋅ sin α ' .
Daraus folgt: sin α = sin α ' , bzw.:
α = α'
Reflexionsgesetz (Einfallswinkel ist gleich Ausfallswinkel)
Aus:
BB ' = c1τ = AB ' sin α
und
AA' ' = c 2τ = AB ' sin β
folgt durch Division:
c1 sin α
=
,
c 2 sin β
bzw. unter Berücksichtigung der Brechzahlen
sin α n 2
=
.
sin β n1
Snellius'sches Brechungsgesetz
c1 n 2
=
:
c 2 n1
Da man in der Praxis leicht mit den α, β, n1 und n2 durcheinander kommt, empfiehlt es sich,
den Satz in folgender Weise zu merken: Die Sinus der Winkel zum Lot verhalten sich
umgekehrt wie die entsprechenden Brechzahlen.
Das Medium mit der kleineren Lichtgeschwindigkeit, also der größeren Brechzahl, wird
optisch dichteres Medium genannt, das Medium mit der größeren Lichtgeschwindigkeit, also
der kleineren Brechzahl, optisch dünneres Medium.
Versuch: Reflexion und Brechung am Plexiglasquader.
Beim Übergang vom optisch dünneren zum optisch dichteren Medium, z.B. von Luft zu Glas,
ergibt sich:
sin β = sin α ⋅
n1
<1.
n2
Physik 2 für Mechatroniker, Elektrotechniker, Informatiker und Maschinenbauer, Sternberg, FH Bochum
- 102 Somit findet man zu jedem Einfallswinkel α einen Winkel β des gebrochenen Strahls.
Allerdings nimmt bei größer werdendem Einfallswinkel die Intensität des gebrochenen
Strahls ab und die Intensität des reflektierten Strahls zu.
Beim Übergang vom optisch dichteren zum optisch dünneren Medium, z.B. von Wasser zu
Luft, gilt:
sin β = sin α ⋅
n1
n2
mit
n1
> 1.
n2
Damit existiert nicht für jeden Einfallswinkel ein Winkel des gebrochenen Strahls. Für
Einfallswinkel größer als ein Grenzwinkel αGrenz wird das Licht vollständig reflektiert. Dies
bezeichnet man als Totalreflexion.
Der Grenzwinkel der Totalreflexion ergibt sich aus:
sin α Grenz ⋅
n1
=1.
n2
sin α Grenz =
Daraus folgt:
n2
.
n1
Versuch: Totalreflexion am Plexiglasdreieck und Glasstab
Die Totalreflexion wird bei den Lichtleitfasern ausgenutzt, die bei Durchmessern von 10 bis
50 µm flexibel sind (vielfache Totalreflexion).
Folie: Totalreflexion
Geordnete Bündel von Lichtleitfasern (Faserbündel) leiten ein auf die Stirnfläche projiziertes
Bild zur anderen Stirnfläche weiter. Das ist die Grundlage der Glasfaseroptik, die z.B. in der
Endoskopie Anwendung findet.
Bei großer Hitze bildet sich über Straßen eine Luftschicht erhöhter Temperatur, verringerter
Dichte und damit kleineren Brechungsindex im Vergleich zur übrigen Luft. Somit kann es an
dieser Grenzschicht zu Totalreflexion kommen. Das macht sich als silbrig reflektierender
Streifen bemerkbar, der manchmal wie eine Wasserschicht auf der Straße aussieht. Bei
bestimmten Wetterlagen kommt es zur Bildung einer wärmeren Luftschicht in größeren
Höhen. Auch hier kann es zu Totalreflexion kommen. Die bekannteste Erscheinung dazu ist
die „Fata Morgana“ in der Wüste.
10.2
Geometrische Optik
Bei der geometrischen Optik handelt es sich um ein Näherungsverfahren zur Berechnung
optischer Abbildung mit folgenden Annahmen:
•
•
Es wird das Strahlenkonzept verwendet, d.h., Licht breitet sich geradlinig aus.
Strahlen überlagern sich ohne Wechselwirkung.
Physik 2 für Mechatroniker, Elektrotechniker, Informatiker und Maschinenbauer, Sternberg, FH Bochum
- 103 •
•
Es wird Reflexion und Brechung berücksichtigt.
Beugung und Interferenz werden vernachlässigt.
Für die Abbildung eines Objekts müssen zwei Bedingungen gegeben sein:
1. Alle Strahlen, die von einem Objekt ausgehen (und vom abbildenden System erfasst
werden), werden wieder in einem Bildpunkt vereinigt.
2. Bild und Objekt sind sich geometrisch ähnlich.
Zur Veranschaulichung sei die Abbildung eines punktförmigen Objekts betrachtet:
δ2
α2
α1
r1
δ1
r2
β2
β1
Gegenstand
Optische Achse
Bild
g (Gegenstandsweite)
b (Bildweite)
abbildendes System
Das abbildende System ist durch eine Ebene angenähert. Daher gelten die im Folgenden
gemachten Ableitungen für dünne Linsen. Ein Strahl wird vom abbildenden System um einen
Winkel δ abgelenkt. Für diesen Winkel gilt:
δ = α + β.
Für die Winkel α und β lässt sich schreiben:
tan α =
r
g
und
tan β =
r
.
b
Wir betrachten jetzt nur Strahlen, die unter kleinen Winkeln zur optischen Achse verlaufen
(Näherung für kleine Winkel). Dies vereinfacht die Berechnung sehr und ist für viele
Anwendungen zulässig. Für kleine Winkel ist aber der Tangens eines Winkels ungefähr gleich
dem Winkel selber (im Bogenmaß!):
tan α ≈ α
bzw.
tan β ≈ β
Damit ergibt sich für den Ablenkwinkel δ:
1
g
1
b
δ = α + β ≈ r( + ) .
Die vom Objekt ausgehenden Strahlen werden also genau dann alle wieder in einem Punkt
vereinigt, wenn der Ablenkwinkel δ proportional zum Abstand r von der optischen Achse ist.
Anders gesprochen: Ein System, bei dem der Ablenkwinkel δ proportional zum Abstand r von
der optischen Achse ist, liefert eine Abbildung! Diese Systeme können sein:
Physik 2 für Mechatroniker, Elektrotechniker, Informatiker und Maschinenbauer, Sternberg, FH Bochum
- 104 -
•
•
•
•
•
Sphärische Linsen
Parabolische Spiegel
Holographische Gitter
Homogene magnetische Felder (für Teilchenstrahlen)
Spezielle elektrische Felder (für Teilchenstrahlen)
Für eine bikonvexe sphärische Linse (Flächen sind Ausschnitte aus Kugelflächen) gilt:
δ =2
r: Abstand von der optischen Achse
R: Krümmungsradius der Linse
n: Brechungsindex des Linsenmaterials
r
(n − 1)
R
R
Damit wird:
1
g
1
b
δ = r( + ) = 2
r
(n − 1)
R
und daraus folgt:
1 1 2
+ = (n − 1) .
g b R
Man führt nun die Brennweite f als die Bildweite für ein unendlich weit entferntes Objekt ein.
Wenn g sehr groß ist, wird der Kehrwert 1/g ungefähr gleich null. Dann gilt für die Bildweite:
1
2
1
= (n − 1) = .
b∞ R
f
Damit lässt sich der Zusammenhang so schreiben:
1 1 1
+ =
g b f
Das ist die Linsenformel (für dünne Linsen).
Die Linsenformel stellt also den Zusammenhang zwischen Gegenstands- und Bildweite, bzw.
der Brennweite her. Sie gilt auch dann, wenn der abgebildete Objektpunkt nicht auf der
optischen Achse liegt. Die Eigenschaften des abbildenden Systems stecken in der Brennweite.
Der Kehrwert der Brennweite wird Brechkraft genannt:
D=
1
.
f
Die Einheit ist die Dioptrie. (1 dpt = 1/m)
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- 105 Geometrische Konstruktion der optischen Abbildung
Zur Konstruktion muss der Brennpunkt eingeführt werden. Dies ist ein Punkt auf der
optischen Achse im Abstand der Brennweite vom abbildenden System. Zu jedem solchen
System gehören also zwei Brennpunkte, ein objektseitiger und ein bildseitiger.
Man kann nun einige Strahlen besonders leicht konstruieren:
•
•
Die Strahlen, die durch den Mittelpunkt des abbildenden Systems auf der optischen Achse
gehen, werden nicht abgelenkt (r = 0).
Die Strahlen, die parallel zur optischen Achse verlaufen, kann man sich denken als von
einem unendlich weit entfernten Objekt herkommend. Daher werden sie so abgelenkt,
dass sie durch den bildseitigen Brennpunkt gehen.
Versuch: Abbildung mit Sammellinsen
g
b
G
f
f
B
Man erhält also ein auf dem Kopf stehendes, in diesem Fall leicht vergrößertes Bild.
Die Bildweite erhält man aus der Linsenformel:
1 1 1
+ = ,
g b f
also:
f ⋅g
1 1 1 g− f
, daraus folgt: b =
= − =
b f g
f ⋅g
g− f
Die Vergrößerung, d.h. das Verhältnis aus Bildgröße zu Gegenstandsgröße, erhält man aus
dem Strahlensatz:
V=
f
B b
1
.
= =
=
g
G g g− f
−1
f
Vergrößerung
Vergrößerung über Gegenstandsweite
10
5
0
-5
f
-10
Gegenstandsweite
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- 106 -
Man sieht, dass die Vergrößerung für Gegenstandsweiten kleiner als die Brennweite negativ
wird. Um das zu deuten, sei für diesen Fall die Abbildung betrachtet:
B
G
f
f
Die Strahlen scheinen von einem aufrecht stehenden Bild auf der Objektseite des abbildenden
Systems herzukommen. Dies bezeichnet man als virtuelles Bild, im Gegensatz zum reellen
Bild das durch einen Schirm aufgefangen werden kann.
Versuch: Erzeugung eines virtuellen Bildes mit einer Sammellinse
Beispiele für reelle Bilder sind die projizierten Overhead-Folien, oder das Bild auf dem Film
des Fotoapparates. Beispiele für virtuelle Bilder sind die Bilder hinter einer Lupe oder hinter
dem Okular eines Mikroskops oder Fernrohrs.
Rechnerisch ergibt sich aus der Linsenformel bei virtuellen Bildern eine negative Bildweite.
Die Vergrößerung wird ebenfalls negativ. Wie man dem Diagramm der Vergrößerung über
der Gegenstandsweite, bzw. der entsprechenden Gleichung, entnimmt, ergibt sich ein
virtuelles Bild bei Gegenstandsweiten kleiner als die Brennweite. Für Gegenstandsweiten
größer als die Brennweite und kleiner als die doppelte Brennweite ergibt sich eine
Vergrößerung größer als 1. Bei noch größeren Gegenstandsweiten ist die Vergrößerung
kleiner als 1.
Die bisher behandelte Typ der Bikonvexlinse ist ein Vertreter der Konvexlinsen. (Auch die
Plankonvexlinsen sind Konvexlinsen, nur dass eine Fläche plan ist.) Alle Konvexlinsen haben
die Eigenschaften, dass sie Strahlen in einem Punkt bündeln können. Man bezeichnet sie
daher auch als Sammellinsen. Daneben gibt es die Konkavlinsen oder Zerstreuungslinsen.
Diese Konkavlinsen sind nicht in der Lage, Strahlen in einem Punkt zusammenzuführen.
Daher sind mit ihnen keine reellen Bilder möglich. Mit Zerstreuungslinsen können nur
virtuelle Bilder erzeugt werden.
Versuch: Zerstreuungslinse im Strahlengang
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- 107 In der Praxis verwendet man für die optische Abbildung meist nicht einzelne Linsen, sondern
Kombinationen aus mehreren Linsen, sog. Objektive. Dabei werden mehrere Linsen
(Sammellinsen und Zerstreuungslinsen) so zusammengesetzt, dass Abbildungsfehler
weitestgehend kompensiert werden. Die wichtigsten Abbildungsfehler sind:
•
•
•
Sphärische Aberration (Öffnungsfehler): Abweichung von der idealen Abbildung für
achsferne Strahlen. Die Herleitung der Linsenformel erfolgte ja nur für achsnahe Strahlen
(α und β klein).
Chromatische Aberration (Farbfehler): Aufgrund der Dispersion hängt der
Brechungsindex n, und damit die Brennweite, von der Frequenz des Lichts ab. Es kommt
zu Farbsäumen.
Astigmatismus schiefer Bündel: Für achsferne Strahlen liegt der Brennpunkt nicht in der
Ebene senkrecht zur optischen Achse durch den Brennpunkt achsnaher Strahlen, sondern
auf einer gewölbten Fläche. Die Ränder eines Bildes werden also unscharf und verzerrt.
Ein weiterer Abbildungsfehler, der sich aber nicht kompensieren lässt, ist der
•
Beugungsfehler: Aufgrund von Beugungs- und Interferenzerscheinungen an den
Begrenzungen der Abbildungsoptik ist die Auflösung begrenzt.
Oft verwendet man in der Praxis auch mehrstufige optische Systeme, um z.B. möglichst große
Vergrößerungen, oder möglichst helle Bilder zu erzielen.
Folie: Projektor
Folie: Mikroskop
10.3
Dispersion
Die geringere Lichtgeschwindigkeit in Materie im Vergleich zur Ausbreitung im Vakuum
ergibt sich aus der Überlagerung der ursprünglichen Welle mit Sekundärwellen angeregter
Oszillatoren. Die Anregung der atomaren Oszillatoren hängt aber von der Frequenz der Welle
ab (Resonanz). Daher hängt auch die Phasengeschwindigkeit des Lichts, also die
Lichtgeschwindigkeit, von der Frequenz ab. Dies bezeichnet man als Dispersion. Man muss
also eigentlich für ein Medium die Lichtgeschwindigkeit, bzw. die Brechzahl, in
Abhängigkeit der Frequenz angeben: ci(f), bzw. ni(f).
Folie: Brechzahl und Absorptionsverlauf
Für Licht ist n ≈ ε r
εr: relative Dielektrizitätszahl
εr ist aber ein Maß für die Polarisierbarkeit des Mediums, d.h. das Vermögen, elektrische
Dipole zu induzieren. Dies ist frequenzabhängig. Für Luft unter Normalbedingungen ist n ≈ 1
und die Frequenzabhängigkeit ist zu vernachlässigen.
Die Dispersion hat folgende Konsequenzen:
•
Licht unterschiedlicher Frequenz wird unterschiedlich gebrochen (n(f)).
Versuch: Lichtbrechung und Dispersion am Prisma
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- 108 -
•
•
•
Der Grenzwinkel der Totalreflexion hängt von der Frequenz ab.
Bei einem Gemisch aus Wellen verschiedener Frequenzen geht die feste Phasenbeziehung
zwischen den Wellen verloren, da sie sich unterschiedlich schnell ausbreiten. Dies führt
z.B. zu einer Verbreiterung von Lichtpulsen und damit zu einer Begrenzung der Datenrate
in der optischen Nachrichtentechnik
Für sehr hohe Frequenzen (Röntgenlicht) wird n < 1 (c > c0), damit ist Totalreflexion beim
Übergang von Luft zu einem Medium möglich.
10.4
Polarisation
Licht ist als elektromagnetische Welle eine Transversalwelle. Die elektrischen und
magnetischen Feldstärken stehen also senkrecht zur Ausbreitungsrichtung und senkrecht
aufeinander. Betrachtet man beispielsweise die elektrische Feldstärke, so kann diese aber
noch ganz verschiedene Orientierungen zur Ausbreitungsrichtung einnehmen.
Elektrische Feldstärke senkrecht zur Ausbreitungsrichtung
Ausbreitungsrichtung
Ist die elektrische Feldstärke (oder auch die magnetische) in bestimmter Weise zur
Ausbreitungsrichtung ausgerichtet, so bezeichnet man die Welle als polarisiert.
Linear polarisiertes Licht: Die elektrische Feldstärke hat genau eine Richtung senkrecht zur
Ausbreitungsrichtung.
Glühlampen oder Gasentladungslampen liefern in der Regel unpolarisiertes Licht, also Licht,
bei dem die elektrische Feldstärke eine beliebige, laufend sich ändernde Orientierung zur
Ausbreitungsrichtung hat. Man kann nun durch geeignete Filter, sogenannte
Polarisationsfilter, aus unpolarisiertem Licht polarisiertes machen, indem man nur eine
Richtung der Feldstärke durchlässt, und Anteile senkrecht dazu herausfiltert:
Durchlassrichtung
Vektor der elektrischen Feldstärke
Anteil der elektrischen Feldstärke in Durchlassrichtung
Unter idealen Bedingungen, also ohne Absorption, macht ein Polarisationsfilter aus einer
Intensität I0 an unpolarisiertem Licht die Intensität I0/2 an linear polarisiertem Licht.
Folie und Versuch: Polarisation von Mikrowellen
Versuch: Polarisationsfilter auf Overhead-Projektor
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- 109 In einer Anordnung aus zwei hintereinander angeordneten Polarisationsfiltern nennt man den
ersten Filter Polarisator, den zweiten Analysator.
Trifft linear polarisiertes Licht auf ein Polarisationsfilter, so hängt die Intensität des
durchgelassenen Lichts von der Orientierung der Durchlassrichtung des Filters zur
Polarisationsrichtung des Lichts ab. Ist die Durchlassrichtung parallel zur
Polarisationsrichtung, bleibt die Intensität unverändert:
Durchlassrichtung
Vektor der elektrischen Feldstärke
Anteil der elektrischen Feldstärke in Durchlassrichtung
I = I 0 mit
I: Intensität des Lichts hinter dem Polarisationsfilter
I0: Intensität des Lichts vor dem Polarisationsfilter
Ist die Durchlassrichtung senkrecht zur Polarisationsrichtung, so ist die durchgelassene
Intensität null:
Durchlassrichtung
Vektor der elektrischen Feldstärke
I=0
Im allgemeinen Fall bilden Polarisationsrichtung und Durchlassrichtung einen Winkel θ:
Durchlassrichtung
θ
Vektor der elektrischen Feldstärke
Anteil der elektrischen Feldstärke in Durchlassrichtung
Dann gilt für die Amplitude des durchgelassenen Lichts:
A = A0 cos(θ ) ,
A: Amplitude der elektrischen Feldstärke hinter dem Polarisationsfilter
A0: Amplitude der elektrischen Feldstärke vor dem Polarisationsfilter
und für die Intensität:
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- 110 -
I = I 0 cos 2 θ .
Versuch: Zwei Polarisationsfilter auf dem Overhead-Projektor
Die Polarisation kann zum Nachweis physikalischer Effekte dienen, die die
Polarisationsrichtung des Lichts drehen, z.B. der Kerr-Effekt und der Faraday-Effekt. Man
kann auch über Drehung der Polarisationsrichtung eine schnelle Modulation der
Lichtintensität erreichen.
Außer durch Absorption kann eine Polarisation auch durch Reflexion an einer nicht
metallischen Oberfläche erfolgen. Man erhält vollständige Polarisation unter dem BrewsterWinkel αBr mit:
n1
n
unpolarisiert
αBr
tan α Br = 2 .
polarisiert
n1
n2 > n1
Die Reflexion erfolgt an dem Medium mit dem größeren Brechungsindex n2, n1 ist der
Brechungsindex des Mediums, in dem sich das Licht ursprünglich ausbreitet.
Auf der Polarisation durch Reflexion beruht die Ausblendung störender Reflexe durch
Polarisationsfilter in der Fotografie.
10.5
Holographie
Der Holographie liegt der Wunsch zugrunde, ein Objekt so aufzunehmen, dass man das
rekonstruierte Bild genauso betrachten kann wie das ursprüngliche Objekt, also
dreidimensional, aus verschiedenen Perspektiven und in verschiedenen Schärfeebenen. Die
konventionelle fotografische Aufzeichnung leistet das offensichtlich nicht, denn das Bild ist
lediglich zweidimensional. Auch die übrigen existierenden Verfahren zur dreidimensionalen
Bildwiedergabe, etwa mit Rot-/Grünbrille, Polarisationsbrille, Prismen oder Bildschirm und
Shutter, leisten das nicht, denn das Bild ist nur aus der Perspektive zu betrachten, aus der
heraus es mit zwei Kameras aufgezeichnet wurde, und ein Scharfstellen auf unterschiedliche
Schärfeebenen ist nicht möglich.
Es sei nun ein mit einfarbigem Licht beleuchteter Gegenstand betrachtet. Von jedem
reflektierenden Punkt der Oberfläche des Gegenstands gehen Wellen aus, die sich zu
spezifisch geformten Phasenflächen überlagern. Dieses Wellenfeld wird als Gegenstandsoder Objektwelle bezeichnet. Die Objektwelle enthält die vollständige Information über die
sichtbare Oberfläche des beleuchteten Gegenstands.
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- 111 -
Referenzwelle
Beobachter
y
x
Objektwelle
Objekt
Glasplatte / Fotoplatte
Stellt man nun zwischen Objekt und Beobachter eine Glasplatte, so ändert sich nichts an den
Betrachtungsmöglichkeiten für den Beobachter. Es sei nun angenommen, dass die
Objektwelle eindeutig durch ihre Eigenschaften in der Ebene der Glasplatte bestimmt sei.
Wäre das nicht so, so müssten zwei verschiedene Objektwellen zu der gleichen
Feldstärkeverteilung in dieser Ebene führen. Da Wellen aber kein "Gedächtnis" haben, könnte
ein Beobachter auf der rechten Seite nicht mehr zwischen den beiden Objektwellen
unterscheiden. Damit können sich die Objektwellen aber auch nicht links von der Glasplatte
unterschieden haben, da die Ausbreitung von Wellen umkehrbar ist. In der Ebene der
Glasplatte lässt sich die Objektwelle beschreiben als harmonische Schwingung der
elektrischen Feldstärke, deren Amplitude und Phase vom Ort (x,y) auf der Glasplatte
abhängen.
A(x,y): ortsabhängige Amplitude
E Objekt ( x, y, t ) = A( x, y ) cos(ωt + ϕ ( x, y )) .
ϕ(x,y): ortsabhängige Phase
ω:
Kreisfrequenz des Beleuchtungslicht
Wenn es also gelingt, in der Ebene der Glasplatte Amplitude und Phase in Abhängigkeit vom
Ort zu erfassen, so hat man die vollständige Information über die Objektwelle gespeichert und
kann sie möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt wieder rekonstruieren.
Es ist kein technisches Mittel bekannt, um unmittelbar mit hoher Ortsauflösung Amplituden
und Phasen von Licht zu messen. Fotografische Methoden scheitern, weil die
Belichtungszeiten im Vergleich zur Periodendauer der Lichtschwingung (etwa 10-14 s) sehr
lang sind. Auf einer Fotoplatte wird die über die Belichtungszeit gemittelte Intensität
registriert. Diese ist proportional zum Quadrat der Schwingungsamplitude der elektrischen
Feldstärke. Die Information über die Phase ist verloren.
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- 112 Es gibt aber einen Effekt, der bei Wellen eine phasenabhängige Intensität liefert: die
Interferenz. Dazu ist kohärentes Licht notwendig. Man bestrahlt also den Gegenstand mit
kohärentem Licht und überlagert der Objektwelle eine ebene, kohärente Referenzwelle. Die
Referenzwelle führt in der Ebene der Glasplatte zu einer elektrischen Feldstärke der Form:
E Re ferenz ( x, y, t ) = E 0 cos(ωt ) .
ω: Kreisfrequenz des Beleuchtungslicht
Die Feldstärken von Objekt- und Referenzwelle addieren sich nun. Es ergibt sich eine
Gesamtfeldstärke von:
E O´bjekt + Re ferenz = A( x, y ) cos(ωt + ϕ ( x, y )) + E 0 cos(ωt ) .
Stellt man an die Stelle der Glasplatte eine Fotoplatte, so ist deren Schwärzung proportional
zum zeitlichen Mittel der Intensität, also zu dem Signal:
I Objekt + Re ferenz ∝ ( A( x, y ) cos(ωt + ϕ ( x, y )) + E 0 cos(ωt )) .
2
Als Beispiel seien zwei Orte auf der Phasenplatte betrachtet, bei denen sich die Objektwellen
nur durch die Phase unterscheiden. An beiden Orten würde sich ohne Referenzwelle die
gleiche Schwärzung der Fotoplatte ergeben, weil die zeitlich gemittelten Intensitäten gleich
sind. Durch die Addition der Referenzwelle ändert sich das.
Feldstärke/Intensität
Objektwelle
Referenzwelle
Summe
Intensität
Zeit
gemittelte
Intens.
Phase der Objektwelle ϕ = 0
Überlagerung Objekt- und
Referenzwelle
Objektwelle
Feldstärke/Intensität
Überlagerung Objekt- und
Referenzwelle
Referenzwelle
Summe
Intensität
Zeit
gemittelte
Intens.
Phase der Objektwelle ϕ = π/2
Überlagerung Objekt- und
Referenzwelle
Feldstärke/Intensität
Objektwelle
Referenzwelle
Summe
Intensität
Zeit
gemittelte
Intens.
Phase der Objektwelle ϕ = π
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- 113 Durch die Überlagerung von Objekt- und Referenzwelle hängt die zeitlich gemittelte
Intensität in der Ebene der Fotoplatte nicht nur von den Amplituden von Objekt- und
Referenzwelle ab, sondern auch von der Phase der Objektwelle (natürlich auch von der Phase
der Referenzwelle, aber die wird konstant gehalten).
Nach einigen Umrechnungen ergibt sich für die gemittelte Intensität in der Ebene der
Fotoplatte:
I Objekt + Re ferenz ∝
(
)
1
2
2
E 0 + A( x, y ) + E 0 A( x, y ) cos(ϕ ( x, y )) .
2
Die gemittelte Intensität hängt also tatsächlich von den Amplituden von Objekt- und
Referenzwelle ab, aber auch von der Phase der Objektwelle.
Um die Information über die Objektwelle möglichst genau zu speichern, muss die Fotoplatte
eine möglichst hohe Auflösung haben, also möglichst feinkörnig sein. Dadurch ergeben sich
oft erheblich lange Belichtungszeiten in der Größenordnung von einer Minute. Nach der
Belichtung wird die Fotoplatte entwickelt. Sie enthält nun ein Muster von undurchlässigen
und durchlässigen Bereichen. Vom ursprünglichen Gegenstand ist darauf nichts zu erkennen.
Diese entwickelte Fotoplatte durchstrahlt man nun mit exakt der gleichen Referenzwelle, mit
der die Aufnahme erfolgt ist. Es müssen also nicht nur die Frequenz, sondern auch die
Richtung der Referenzwelle mit der der Aufnahme übereinstimmen. Dort, wo die Fotoplatte
geschwärzt wurde, wird kein Licht durchgelassen, an den nicht geschwärzten Bereichen kann
das Licht durch die Fotoplatte hindurch gehen. Durch Beugung und Interferenz bildet sich
hinter der Fotoplatte, auf der Beobachterseite, ein Wellenfeld. Für die elektrische Feldstärke
in der Ebene der Fotoplatte ergibt sich:
E Re konstruktion = K 1 E 0 cos(ωt ) + K 2 A( x, y ) cos(−ωt + ϕ ( x, y )) + K 2 A( x, y ) cos(ωt + ϕ ( x, y ))
Referenzwelle
ähnlich Objektwelle
Objektwelle
K1 und K2 sind Konstanten.
Der erste Term entspricht dem Referenzstrahl. Man sieht also auf der Beobachterseite die
Lichtquelle des Referenzstrahls, eine unendlich weit entfernte Punktlichtquelle. Der zweite
Term sieht ähnlich wie die Objektwelle aus, unterscheidet sich aber durch ein Vorzeichen im
Kosinus. Er gehört zu einem reellen Bild, das sich auf der Beobachterseite ergibt. Der dritte
Term beschreibt bis auf eine Konstante die Objektwelle. Es ergibt sich also auf der
Beobachterseite die gleiche Objektwelle wie bei der Aufnahme. Man sieht den Gegenstand an
derselben Stelle, an der er bei der Aufnahme gestanden hatte. Es handelt sich um ein virtuelles
Bild. Im Unterschied zu allen anderen abbildenden Verfahren kann man sich dieses Bild aus
unterschiedlichen Perspektiven und in unterschiedlichen Schärfeebenen anschauen.
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- 114 -
Referenzwelle
Beobachter
y
x
Räumliches virtuelles Bild
Rekonstruierte Objektwelle
Belichtete und
entwickelte Fotoplatte
Folie: Holographie
Als Lichtquelle verwendet man für die Aufnahme von Hologrammen zweckmäßigerweise
einen Laser, da man kohärentes Licht benötigt (Interferenz). Der Laserstrahl wird bei der
Aufnahme geteilt in einen Strahl, mit dem der Gegenstand beleuchtet wird, und einen Strahl,
mit dem die Referenzwelle erzeugt wird. Die Holographie kommt prinzipiell ohne Linsen aus.
Sie werden lediglich im praktischen Aufbau für die Strahlaufweitung eingesetzt. Bei der
Sichtbarmachung des Bildes (Rekonstruktion) wird der Referenzstrahl am Hologramm
gebeugt. Kohärentes Licht ist nicht erforderlich, aber Frequenz und Richtung müssen mit dem
Referenzstrahl der Aufnahme übereinstimmen.
Eine Sonderform der Hologramme sind die Weißlichthologramme, die zu Dekorations- und
Kontrollzwecken eingesetzt werden. Dabei verwendet man dicke Fotoschichten, also
dreidimensionale Fotoplatten. Bei der Aufnahme kommt der Referenzstrahl von der
Beobachterseite. In der Fotoschicht bildet sich ein räumliches Interferenzmuster aus. Nach der
Entwicklung können diese Weißlichthologramme mit weißem Licht bestrahlt werden. Durch
die räumliche Struktur der entwickelten Fotoplatte wird das für die Rekonstruktion
notwendige monochromatische (einfarbige) Licht herausgefiltert. Man muss allerdings eine
punktförmige Quelle einsetzen, um einen ebenen Referenzstrahl zu erhalten, und der Winkel
muss dem der Aufnahme entsprechen. Führt man die Aufnahme des Weißlichthologramms
nacheinander mit drei unterschiedlich farbigen Lasern durch, so erhält man bei der
Rekonstruktion durch additive Farbmischung sogar ein farbiges virtuelles Bild.
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- 115 10.6
Wellenpakete
Mit einem unendlich ausgedehnten Wellenzug lässt sich keine Information übertragen.
Informationsübertragung wird erst durch Modulation möglich. Eine wichtige Form der
Modulation ist die Erzeugung endlich ausgedehnter Wellenpakete. Damit lassen sich digitale
Daten übertragen, wobei ein Wellenpaket für ein Bit steht. Die Feldstärke in Abhängigkeit
vom Ort sieht für eine feste Zeit so aus:
t = const.
Feldstärke
Amplitudenhüllkurve
λ0
Trägerwelle
Das Wellenpaket besteht aus einer Trägerwelle der Wellenlänge λ0 und einer AmplitudenHüllkurve. Es handelt sich um eine nicht harmonische, nicht periodische Welle, denn fast
überall ist das Wellenpaket ja ungefähr gleich null, nur in einem kleinen Ausschnitt ist es
näherungsweise periodisch.
Fasst man die Auslenkung der Welle als Funktion des Ortes als Schwingung auf, so kann man
eine Fourier-Analyse durchführen und die Anteile der harmonischen Schwingungen ermitteln.
Wie im Abschnitt über Fourier-Analyse dargestellt, ergibt sich eine nicht periodische
Schwingung als Überlagerung unendlich vieler, beliebig dicht nebeneinander liegender
harmonischer Schwingungen. Genau so lässt sich eine nicht periodische Welle, wie das
Wellenpaket, als Überlagerung unendlich vieler harmonischer Wellen mit kontinuierlicher
Frequenzverteilung darstellen. Das örtlich begrenzte Wellenpaket lässt sich also aus unendlich
vielen, örtlich unbegrenzten harmonischen Wellen zusammensetzen.
Amplitude
ω0
Kreisfrequenz ω
Das Maximum der Amplitude ergibt sich bei der Kreisfrequenz der Trägerwelle, also bei
ω0 = 2πf0 = 2πc/λ0 , wobei c die Lichtgeschwindigkeit für Strahlung der Wellenlänge λ0 ist.
Sucht man die Geschwindigkeit, mit der sich ein Wellenpaket ausbreitet, so muss man die
Ausbreitung des Maximums der Amplituden-Hüllkurve betrachtet. Diese Geschwindigkeit
wird als Gruppengeschwindigkeit bezeichnet (das Wellenpaket wird als Gruppe harmonischer
Wellen aufgefasst). Da aber auch die Signale mit dieser Geschwindigkeit übertragen werden,
bezeichnet man die Gruppengeschwindigkeit auch als Signalgeschwindigkeit. Es wäre
zunächst naheliegend, als Gruppengeschwindigkeit die Phasengeschwindigkeit anzunehmen.
Dies ist aber in den meisten Fällen falsch! Bei Vorliegen von Dispersion bewegt sich ja auch
jede harmonische Welle mit einer anderen Phasengeschwindigkeit.
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- 116 Der Einfachheit halber sei nicht die Überlagerung unendlich vieler harmonischer Wellen,
sondern nur die Überlagerung zweier Wellen mit dicht benachbarten Kreisfrequenzen ω1 und
ω2 betrachtet.
Aus den beiden Einzelwellen der gleichen Amplitude:
y1 = y0 sin (k1x - ω1t)
y1 + y 2 = 2 y 0 sin(
und
y2 = y0 sin (k2x - ω2t)
wird in der Summe:
ω + ω2
ω − ω2
k1 + k 2
k − k2
x− 1
t ) cos( 1
x− 1
t) .
2
2
2
2
Trägerwelle
Amplituden-Hüllkurve
Dabei wurde Gebrauch gemacht von dem trigonometrischen Additionstheorem:
sin( X ) + sin(Y ) = 2 sin(
X +Y
X −Y
) cos(
).
2
2
Die Überlagerung der beiden Wellen mit dicht benachbarten Frequenzen führt zu einer Welle
mit einer "Trägerwelle" der mittleren Kreisfrequenz (ω1 + ω2)/2 und der mittleren Wellenzahl
(k1 + k2)/2 und einer periodischen Amplituden-Hüllkurve der halben Differenz-Kreisfrequenz
(ω1 - ω2)/2 und halben Differenz-Wellenzahl (k1 - k2)/2.
Zur Zeit t = 0 befindet sich das Maximum der Amplituden-Hüllkurve bei x = 0. Nach dem
kleinen Zeitintervall ∆t hat sich das Maximum um die Strecke ∆x weiterbewegt, so dass dann
gilt:
cos(
k1 − k 2
ω − ω2
∆x − 1
∆t ) = 1 ,
2
2
∆k
∆ω
∆x −
∆t = 0 ,
2
2
woraus folgt, dass
mit ∆k = k1 − k 2 und ∆ω = ω 1 − ω 2 .
Daraus folgt aber für die mittlere Geschwindigkeit, mit der sich das Maximum der
Amplituden-Hüllkurve bewegt:
∆x ∆ω
=
.
Die Gruppengeschwindigkeit eines Wellenpakets ergibt sich aus ähnlichen
∆t ∆k
Betrachtungen zu:
v gr =
dx dω
=
dt dk
.
Dabei ist k0 der Wellenvektor der harmonischen Welle mit der
k0
größten Amplitude, entsprechend also dem Maximum der Frequenzverteilung. Die
Gruppengeschwindigkeit ergibt sich also als Ableitung der Kreisfrequenz nach der
Wellenzahl an der Stelle k0. Man beachte, dass sich die Phasengeschwindigkeit als Quotient
aus Kreisfrequenz und Wellenzahl ergab:
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- 117 -
v ph =
ω
.
Daraus folgt also:
k
berechnen zu:
v gr =
dω
dk
k0
ω = v ph k . Damit lässt sich die Gruppengeschwindigkeit
dv ph 

dk
 .
=  v ph
+k
dk
dk
 k0

Die Wellenzahl k hängt mit der Wellenlänge λ zusammen gemäß λ = 2π/k. Somit kann man
die Phasengeschwindigkeit als Funktion der Wellenzahl k auch auffassen als Funktion der
Wellenlänge λ, die ihrerseits wieder von der Wellenzahl k abhängt. Für vph(λ) kann man also
auch schreiben: vph(λ(k)). Leitet man nun vph nach k ab, so muss die Kettenregel
berücksichtigt werden, also:
dv ph
dk
=
dv ph dλ
.
dλ dk
Die Ableitung von λ nach k ist aber :
dλ
2π
=− 2 .
dk
k
Eingesetzt in die Gleichung für die Gruppengeschwindigkeit ergibt das:
 dv ph dλ 
2π
 = v ph (k 0 ) − 
v gr = v ph (k 0 ) +  k

 k
 dλ dk  k 0
 dv ph

 dλ
.
k0
Führt man λ0 als diejenige Wellenlänge ein, bei der das Frequenzspektrum des Wellenpakets
sein Maximum hat, also die Wellenlänge der Trägerwelle, so erhält man für die
Gruppengeschwindigkeit:
v gr = v ph (λ 0 ) − λ 0
dv ph
dλ
λ0
Durch eine vergleichbare Rechnung ergibt sich auch:
v gr = v ph (ω 0 ) + ω 0
dv ph
dω
.
Dabei ist ω0 die Kreisfrequenz der Trägerwelle.
ω0
Hängt die Phasengeschwindigkeit gar nicht von der Frequenz, der Wellenlänge oder der
Wellenzahl ab, so sind die Ableitungen der Phasengeschwindigkeit nach diesen Größen null
und die Gruppengeschwindigkeit ist identisch mit der Phasengeschwindigkeit.
Ohne Dispersion sind Phasengeschwindigkeit und Gruppengeschwindigkeit gleich! Z.B. sind
im Vakuum für elektromagnetische Wellen Phasen- und Gruppengeschwindigkeit gleich der
Vakuumlichtgeschwindigkeit!
Liegt Dispersion vor, so ist die Gruppengeschwindigkeit meist kleiner als die
Phasengeschwindigkeit.
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- 118 Die Breite der Frequenzverteilung eines Wellenpakets, etwa die Halbwertsbreite, hängt von
der räumlichen Ausdehnung des Wellenpakets ab. Je größer die Ausdehnung
(Halbwertsbreite) ∆x des Wellenpakets ist, um so schmaler ist die Frequenzverteilung, also
um so kleiner ist die Halbwertsbreite ∆ω der Frequenzverteilung.
Feldstärke
∆x
Ort
Ort ungenau,
Ortsunschärfe groß
Frequenz genau
Frequenzunschärfe klein
Amplitude
∆ω
Kreisfrequenz
∆x
Feldstärke
Ort
Ort genau,
Ortsunschärfe klein
Frequenz ungenau
Frequenzunschärfe groß
Amplitude
∆ω
Kreisfrequenz
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- 119 Je genauer der Ort eines Wellenpakets bestimmt ist, um so ungenauer ist die Frequenz
bestimmt. Je ungenauer der Ort eines Wellenpakets bestimmt ist, um so genauer ist die
Frequenz bestimmt.
Für alle Wellenpakete gilt:
∆x . ∆k = const
Dies ist die "Unschärferelation" für Wellenpakete.
∆t .∆ω = const
∆x, ∆k, ∆t und ∆ω sind die Unschärfen von Ort,
Wellenzahl, Zeit und Kreisfrequenz
In der Wellenmechanik, bzw. der Quantenmechanik, entwickelt man ähnliche
Unschärferelationen, z.B. die Heisenberg’sche:
∆x . ∆p ≥ h , mit der Ortsunschärfe ∆x, der Impulsunschärfe ∆p und der Konstanten h .
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- 120 -
11. Akustik
Stand: 20.8.02
Die Akustik beschäftigt sich mit dem vom Menschen hörbaren Schall im Frequenzbereich
zwischen 16 Hz und 20000 Hz. Die oberer Frequenzgrenze nimmt mit zunehmendem Alter
und bei starker Belastung des Ohrs durch laute Geräusche ab.
Versuch:
Hörbarer Schall im Bereich zwischen 16 Hz und 20000 Hz
Man kann bei einem Geräusch oder Ton verschiedene "Qualitäten" unterscheiden:
•
•
•
Versuch:
11.1
Tonhöhe oder Grundfrequenz
Lautstärke und
Klang, also das Frequenzspektrum
Akustischer Eindruck von Sinus-, Dreieck- und Rechteckschwingung
Schallausbreitung
Schallwellen sind Longitudinalwellen. Sie entstehen durch elastische Wechselwirkung von
Molekülen, Ionen oder Atomen. Der statistischen, ungeordneten Bewegung überlagert sich
also eine gerichtete Bewegung in Richtung der Ausbreitungsgeschwindigkeit. Die
Auslenkungsgeschwindigkeit bezeichnet man als Schnelle. In Gasen kann diese Bewegung
sichtbar gemacht werden, indem man in einem Glasrohr stehende Wellen erzeugt, also
Wellen, bei denen an einigen Stellen die Amplitude maximal, an anderen null ist. Bringt man
nun ein feines Pulver in das Rohr, so wird dort, wo die Schallamplitude maximal ist, das
Pulver aufgewirbelt, dort, wo die Amplitude null ist, bleibt das Pulver liegen.
Versuch:
Kundt'sches Rohr
Für die Phasengeschwindigkeit (Schallgeschwindigkeit) von Schallwellen in Gasen und
Flüssigkeiten erhält man:
v ph =
K
ρ
Dabei ist ρ die Massendichte und K der Kompressionsmodul.
∆p
mit der Druckänderung ∆p, der
∆V
V
Volumenänderung ∆V und dem Volumen V. Das negative Vorzeichen drückt aus, dass sich
bei abnehmendem Volumen (∆V negativ) der Druck ∆p erhöht. K ist also positiv. Bei
gegebener relativer Volumenänderung ∆V/V ist der Kompressionsmodul um so größer, je
größer die dafür notwendige Druckänderung ∆p ist. Bei Gasen benötigt man eine kleinere
Druckänderung als bei Flüssigkeiten, daher ist auch der Kompressionsmodul von Gasen
Der Kompressionsmodul ist definiert als
K =−
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- 121 kleiner. Die Massendichte im Nenner unter der Wurzel drückt aus, dass schwere Teilchen
langsamer in Bewegung zu setzen sind, als leichte.
Kurz gesagt, die Schallgeschwindigkeit ist um so größer, je schwerer sich das Medium
komprimieren lässt, und um so leichter die beteiligten Teilchen sind.
Folie: einige Schallgeschwindigkeiten
Da Kompressionsmodul und Massendichte von der Temperatur abhängen, ist auch die
Schallgeschwindigkeit temperaturabhängig.
Für die Schallgeschwindigkeit von Luft bei Normaldruck gibt es eine Näherungsformel:
v ph , Luft = (331,3 + 0,6
1
m
t)
C s
o
t: Temperatur in oC
Für die Schallgeschwindigkeit in Festkörpern erhält man:
v ph =
E
ρ
.
definiert als
Dabei ist ρ die Massendichte und E der Elastizitätsmodul. Er ist
F
( )
E= A
∆l
( )
l
F: Kraft, die am Körper angreift
A: Fläche des Körpers, an der die Kraft angreift
∆l: Längenänderung des Körpers
l: Länge des Körpers
Bei gegebener relativer Längenänderung ∆l/l ist der Elastizitätsmodul also um so größer, je
größer die dazu erforderliche Spannung (Kraft pro Fläche) ist. Ein "weiches" Material hat also
einen kleineren Elastizitätsmodul als ein "hartes" Material.
Die Schallgeschwindigkeit von Festkörpern ist in der Regel größer als die von Gasen und
Flüssigkeiten.
11.2
Schallstärke, Schallpegel und Lautstärke
Als Schallstärke oder Schallintensität bezeichnet man die Leistung pro Fläche in einem
Flächenelement senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Schallwelle.
∆A
In der Zeit ∆t tritt die Energie ∆E durch das
Flächenelement der Fläche ∆A, das senkrecht zur
Ausbreitungsrichtung ist.
Die Schallintensität ergibt sich dann als Grenzwert, wenn ∆A und ∆t gegen null gehen.
I=
dE
∆E
=
.
∆t →0 , ∆A→ 0 ∆t∆A
dt ⋅ dA
lim
Physik 2 für Elektrotechniker, Informatiker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 122 -
Durch die Bewegung der Atome oder Moleküle in Gasen werden bei akustischen Wellen
Druckschwankungen hervorgerufen. Der Zusammenhang zwischen der Schallintensität und
der Amplitude der Druckschwankung ∆p lautet:
I=
1 ∆p 2
2 ρv ph
ρ: Massendichte
Die Schallintensität ist keine angemessene Größe, wenn der Schalleindruck auf das
menschliche Ohr beschrieben werden soll. Das Ohr hat ein logarithmisches
Lautstärkeempfinden. Menschen empfinden Schallintensitätsdifferenzen bei kleinen
Intensitäten viel stärker als die gleichen Differenzen bei großen Intensitäten. Berücksichtigt
man ferner die Hörschwelle des menschlichen Ohrs, die nach statistischen Untersuchungen
auf I0 = 10-12 W/m2 festgelegt wurde, so kann man eine Größe festlegen, die der Empfindung
des Ohrs nahe kommt: den Schallintensitätspegel.
 I
L I = 10 lg
 I0



I: Schallstärke oder Schallintensität
Die Einheit des Schallintensitätspegels ist Dezibel (dB).
Verwendet man anstatt der Intensität die Druckschwankung als Bezugsgröße, so erhält man
den Schalldruckpegel.
 p eff
L p = 20 lg
p
 eff , 0




peff: Effektivwert der Druckschwankung, für
∆p
Sinusschwingungen ist p eff =
2
Peff,0: Effektivwert der Druckschwankung an der
Hörschwelle, festgelegt auf peff,0 = 2.10-5 Pa
Die Einheit des Schalldruckpegels ist ebenfalls Dezibel (dB). In der Regel sind
Schallintensitätspegel und Schalldruckpegel verschieden.
Folie:
einige Schallintensitätspegel
Das menschliche Ohr kann also akustische Wellen in einem Dynamikumfang von 6
Zehnerpotenzen Druckdifferenz oder 12 Zehnerpotenzen Intensität wahrnehmen. Das deutet
darauf hin, dass das gute Funktionieren des Gehörs eine große Rolle bei der Evolution
gespielt hat. Man beachte auch, dass man das Ohr im Gegensatz zum Auge nicht schließen
kann.
Die Schallpegel berücksichtigen nicht die Frequenzabhängigkeit des Lautstärkeempfindens
des menschlichen Ohrs. Daher hat man die Lautstärke eingeführt, deren Einheit das Phon
(phon) ist.
Die Lautstärke ist gleich dem Schalldruckpegel eines als gleich laut empfundenen Tons der
Frequenz 1 kHz.
Physik 2 für Elektrotechniker, Informatiker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 123 Die Hörschwelle liegt bei 4 phon aufgrund der gerundeten Angabe von peff,0. Die
Schmerzgrenze liegt bei 120 phon. Lautstärkeunterschiede von 1 phon sind gerade noch
wahrnehmbar.
Folie:
Schallpegel und Lautstärke
Grundsätzlich kann man mit der oben beschriebenen Methode die Lautstärke jedes
Geräusches bestimmen. Für die messtechnische Anwendung ist das Verfahren aber
unpraktisch. Daher wendet man ein Näherungsverfahren an. Man kann durch Versuche mit
vielen verschiedenen Menschen den Zusammenhang zwischen Frequenz, Schalldruckpegel
und Lautstärke auf statistischer Basis, wie in der Folie gezeigt, ermitteln. Dies nimmt man zur
Grundlage der Bestimmung eines bewerteten Schalldruckpegels. Das gesamte hörbare
Frequenzband wird in Intervalle ∆fi aufgeteilt, und die jeweiligen Schalldruckpegel Lp,i
werden gemessen. Je nach Frequenzintervall werden diese Schalldruckpegel nun als
unterschiedlich laut empfunden. Wie man dem Verlauf der Kurven gleicher Lautstärke
entnehmen kann, hängt das Verhältnis zwischen Lautstärke und Schalldruckpegel aber nicht
nur von der Frequenz, sondern auch noch von der Lautstärke ab. Daher führt man
unterschiedliche Klassen von Bewertungsfaktoren je nach Lautstärke ein.
Zu den in gewissen Frequenzintervallen ∆fi gemessenen Schalldruckpegeln Lp,i wird ein
frequenzabhängiger Bewertungsfaktor ∆i addiert gemäß:
L p , i + ∆i
 n

L X = 10 lg ∑ 10 10 dB
 i =1


dB( X )


n: Anzahl der Frequenzintervalle
Das X steht dabei für den Satz der verwendeten Bewertungsfaktoren ∆i. Diese sind in einer
Norm festgelegt. Man verwendet für Lautstärken unter 90 phon die Bewertungskurve A, für
Lautstärken über 100 phon die Kurve C. Die Bewertungskurve B wird nicht mehr verwendet.
Dieses Verfahren erlaubt es also, mit Messgeräten einen bewerteten Schallpegel zu ermitteln,
der der Lautstärke nahe kommt, z.B. LA = 87 dB(A).
12. Wärmeleitung
Stand: 16.7.01
Der Wärmeleitung liegt die Erfahrung zugrunde, dass bei zwei Körpern in thermischem
Kontakt, die unterschiedliche Temperaturen haben, Wärme von dem wärmeren zum kälteren
Körper fließt, bis die Temperaturdifferenz ausgeglichen ist. Dabei ist Wärme die Form der
Energie, die aufgrund von Temperaturunterschieden ausgetauscht wird.
Die Einheit der Wärme ist das Joule:
[Q] = J .
Früher war für die Wärme auch die Einheit Kalorie gebräuchlich mit 1 cal = 4,184 J.
Bei der Wärmeleitung wird Energie in Form von Wärme ohne Massenaustausch transportiert.
Nicht gemeint ist also der Wärmetransport durch Diffusion, Strömung oder Strahlung.
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- 124 -
Wärme entsteht z.B. durch chemische Prozesse (Verbrennung), Stromfluss oder mechanische
Reibung. In der Mikroelektronik ist das Abführen der im Chip entstehenden Wärme heute
eines der größten Probleme geworden. Leistungsstarke Motoren müssen gekühlt werden.
Beim Wiedereintritt in die Athmosphäre erhitzen sich die Kacheln des Space Shuttle durch
Gasreibung auf über 1000o C.
Die Probleme lassen sich lösen, wenn man die Gesetze der Wärmeleitung beachtet.
Es sei ein Körper betrachtet, dessen eines Ende die Temperatur T1 und dessen anderes Ende
die Temperatur T2 hat. Entlang des Körpers verlaufe die Raumachse z.
z
Querschnittsfläche A
T1
T2
Wenn T1 und T2 unterschiedlich sind, wird sich entlang der Koordinate z ein
Temperaturgefälle einstellen. Die Temperatur T(z) wird also eine Funktion des Orts z. Besteht
der Körper aus einem einheitlichen (homogenen) Material und ist die Querschnittsfläche
überall gleich, so wird sich ein linearer Temperaturverlauf einstellen. Im Allgemeinen ist das
aber nicht so.
Temperatur T
T1
T2
Ort z
Da eine Temperaturdifferenz vorliegt, wird eine gewisse Wärmemenge pro Zeit durch den
Querschnitt A fließen. Dies bezeichnet man als Wärmestrom φ.
φ=
dQ
, bei konstantem Wärmestrom auch:
dt
φ=
∆Q
. (Einheit: J/s = W)
∆t
Man beachte die Analogie zwischen der Definition des Wärmestroms und des elektrischen
Stroms. Diese Analogie wird sich noch weiter fortsetzen.
Bezieht man den Wärmestrom auf die Querschnittsfläche, so erhält man die
Wärmestromdichte q:
q=
φ
d 2Q
. Bei konstanter Wärmestromdichte wird daraus: q = .
dAdt
A
Die Einheit der Wärmestromdichte ist W/m2.
Versuch:
Wärmeleitung bei verschiedenen Materialien
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- 125 -
Man beobachtet nun, dass die Wärmestromdichte um so größer ist, je größer das
Temperaturgefälle an diesem Ort ist. Weiterhin hängt die Wärmestromdichte vom Material an
der betreffenden Stelle ab. Man erhält als Zusammenhang:
q = −λ
dT
dz
Gesetz von Fourier
Das Minuszeichen bringt zum Ausdruck, dass die Wärmestromdichte das umgekehrte
Vorzeichen wie das Temperaturgefälle hat. Im obigen Beispiel nimmt die Temperatur in
positiver z-Richtung ab, die Steigung ist also negativ. Der Wärmestrom, und damit die
Wärmestromdichte, verlaufen aber in positiver z-Richtung, und sind positiv.
Die Konstante λ ist die Wärmeleitfähigkeit, eine Materialkonstante der Einheit W/(mK).
Folie: Wärmeleitfähigkeiten einiger Stoffe
Wir betrachten nun einen homogenen Stab der Länge l, Wärmeleitfähigkeit λ und konstantem
Querschnitt A, der zwei Wärmereservoirs der Temperaturen T1 und T2 verbindet.
A
T1
T2
λ
l
Es wird sich ein gleichmäßiger Temperaturabfall entlang des Stabes einstellen:
Temperatur T
T1
T2
Ort z
l
Also wird:
dT ∆T T2 − T1
∆T '
=
=
=−
l
l
dz ∆z
mit ∆T' = T1 - T2.
Der Wärmestrom ergibt sich zu:
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- 126 -
φ = qA = −λ
∆T '
dT
A=λ
A.
dz
l
Die Länge l, der Querschnitt A und die Wärmeleitfähigkeit λ hängen nur von dem Stab ab.
Man fasst diese Größen zusammen zu einem thermischen Widerstand Rth mit:
Rth =
l
. Die Einheit des thermischen Widerstands ist K/W.
λA
Damit ergibt sich für den Wärmestrom:
φ=
∆T '
.
Rth
Wegen seiner formalen Ähnlichkeit mit dem Ohm'schen Gesetz heißt dieser
Zusammenhang das Ohm'sche Gesetz der Wärmeleitung. Dem elektrischen Strom entspricht
der Wärmestrom, dem elektrischen Widerstand der thermische Widerstand
(Wärmewiderstand) und der elektrischen Spannung die Temperaturdifferenz.
Ganz analog zur Elektrotechnik lassen sich auch die Wärmeströme bei Netzwerken von
Wärmewiderständen berechnen, also etwa bei der Reihen- oder Parallelschaltung thermischer
Widerstände. Es gilt, wiederum in Analogie zur Elektrotechnik, dass in einem Knoten die
Summe der Wärmeströme null ergeben muss, und dass auf einem geschlossenen Weg die
Summe aller Temperaturdifferenzen null ergeben muss.
13. Strömung
Stand: 16.7.01
Unter Strömung versteht man die Bewegung von Fluiden, also von Flüssigkeiten und Gasen.
In diesem Kapitel werden einige der Bewegungsgesetze behandelt, insbesondere für die
Strömung durch Rohre und die Wechselwirkung mit festen Körpern. Hinsichtlich der
Strömung ist der wesentliche Unterschied von Flüssigkeiten und Gasen die
Druckabhängigkeit der Massendichte. Für Flüssigkeiten ist die Dichte nahezu unabhängig
vom Druck, die Dichte also nahezu konstant. Das bedeutet, dass man Flüssigkeiten kaum
komprimieren kann. Bei Gasen ist die Druckabhängigkeit der Dichte groß. Verändert sich der
Druck, so verändert sich auch die Dichte. Kurz gesagt: Flüssigkeiten kann man kaum
zusammendrücken, Gase schon.
13.1
Strömung idealer Fluide
Ideale Fluide sind solche, bei denen man die Reibung nicht zu betrachten braucht, weder die
von Fluidschichten untereinander, noch die zwischen Fluid und festen Körpern. Ein ideales
Fluid strömt z.B. überall im Querschnitt eines Rohrs gleich schnell, während ein reales Fluid
an den Rändern langsamer strömt. Weiterhin gibt es bei idealen Fluiden keine Wirbel, die
Fluidschichten gleiten aneinander, die Strömung ist laminar.
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- 127 Wir betrachten die Strömung eines idealen Fluids durch ein sich verengendes Rohr:
A1 ρ1 v
1
A2
ρ2
v2
∆m2
∆m1
A1, A2: Querschnittsflächen
v1, v2: Strömungsgeschwindigkeiten
∆m
dm
ρ1, ρ2: Massendichten ( ρ =
, bei konstante Dichte auch: ρ =
)
dV
∆V
In der Zeit ∆t strömt durch die Querschnittsfläche A1 die Masse
∆m1 = A1 v1 ρ 1
∆m 2 = A2 v 2 ρ 2 .
und durch die Querschnittsfläche A2 die Masse
Wenn man annimmt, dass in dem Rohr weder vernichtet, noch erzeugt wird, müssen die
beiden Massen gleich sein. Aus ∆m1 = ∆m2 folgt:
A1 v1 ρ 1 = A2 v 2 ρ 2
Dies ist die Kontinuitätsgleichung, ein Ausdruck für die
Erhaltung der Masse.
Für Flüssigkeiten gilt in guter Näherung, dass die Dichte konstant ist, also wird aus der
Kontinuitätsgleichung:
A1 v1 = A2 v 2 .
In engen Querschnitte ist also die Strömungsgeschwindigkeit größer, denn es muss ja das
gleiche Volumen pro Zeit durch den engeren Querschnitt fließen.
Man betrachte als Beispiel für ein näherungsweise inkompressibles Fluid eine
Menschenmenge vor einer Kinokasse:
Kasse
kleiner Querschnitt
große Strömungsgeschwindigkeit
großer Querschnitt
kleine Strömungsgeschwindigkeit
Wir betrachten jetzt die Strömung eines idealen inkompressiblen Fluids (konstante Dichte)
durch ein speziell geformtes Rohr.
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- 128 -
p2
A1
p1
v2
A2
v1
∆l2
y2
y1
∆l1
Das linke schraffierte Fluidelement wird um die Strecke ∆l1 nach rechts bewegt, das rechte
schraffierte Element um die Strecke ∆l2 nach rechts. Die Änderung des Systems ist also, dass
ein Fluidelement der Strömungsgeschwindigkeit v1 von der Höhe y1 auf die
Strömungsgeschwindigkeit v2 bei der Höhe y2 gebracht wird. Dabei wird es gegen den Druck
p2 um die Strecke l2 verschoben. Die dazu notwendige Energie ist:
∆E = ρ∆Vg ( y 2 − y1 ) +
(
)
1
ρ∆V v 22 − v12 + p 2 A2 ∆l 2 .
2
(g: Erdbeschleunigung)
∆V ist dabei das Volumen des betrachteten Fluidelements mit ∆V = A1∆l1 = A2∆l2. Der erste
Term auf der rechten Seite beschreibt die Änderung der potentiellen Energie, der zweite die
Änderung der kinetischen Energie, der dritte die Verschiebung gegen den Druck p2.
Die oben beschriebene Energie ∆E muss als Arbeit durch Verschiebung des Fluidelements auf
der linken Seite gegen den Druck p1 um die Strecke l1 aufgebracht werden. Es gilt also:
p1 A1l1 = ρ∆Vg ( y 2 − y1 ) +
1
ρ∆V (v 22 − v12 ) + p 2 A2 ∆l 2 .
2
Durch Umstellen und Division durch das Volumenelement ∆V wird daraus:
p1 +
p+
1 2
1
ρv1 + ρgy1 = p 2 + ρv 22 + ρgy 2 .
2
2
1 2
ρv + ρgy = p ges = const.
2
Da dies an allen Stellen gilt, kann man schreiben:
Bernoulli-Gleichung
Die konstante Summe wird als Gesamtdruck pges bezeichnet. Der statische Druck ist p. Er
kann mit einem Druckmessgerät gemessen werden. Der Term 1/2 ρv2 wird als dynamischer
Druck bezeichnet, ρgy als Schweredruck. Gesamtdruck, dynamischer Druck und
Schweredruck können aber nicht ohne weiteres mit einem Druckmessgerät gemessen werden.
In Worten lautet also die Bernoulli-Gleichung:
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- 129 In einem strömenden Fluid konstanter Dichte ist die Summe aus statischem Druck,
dynamischem Druck und Schweredruck konstant.
Liegt keine Höhenänderung vor (y = const.), so vereinfacht sich die Bernoulli-Gleichung zu:
p+
1 2
ρv = const.
2
Das heißt, dort, wo die Strömungsgeschwindigkeit groß ist, ist
der statische Druck klein, und wo die Strömungsgeschwindigkeit klein ist, ist der Druck groß.
Zur Veranschauung sei wiederum die Menschenmenge vor der Kinokasse betrachtet. Vor der
Kasse bewegt man sich langsam vorwärts (kleine Strömungsgeschwindigkeit), man wird aber
von allen Seiten gedrückt (großer Druck). Hinter der Kasse kann man schnell weitergehen
(große Strömungsgeschwindigkeit) und man wird nicht mehr gedrängt (kleiner Druck).
Obwohl die Bernoulli-Gleichung für ideale, inkompressible Fluide hergeleitet wurde, gilt sie
näherungsweise auch für reale Flüssigkeiten und auch für Gase, da die Dichte sich erst für
sehr große Geschwindigkeiten deutlich ändert.
Betrachtet man ein strömendes Fluid, so versuche man, zunächst die
Strömungsgeschwindigkeiten an verschiedenen Punkten zu ermitteln. Anschließend lassen
sich daraus mit Hilfe der Bernoulli-Gleichung die statischen Drücke ermitteln. Daraus
ergeben sich dann die Kräfte.
Beispiel: Ideale Umströmung einer schrägen Platte
r
M
r
M =0
Staupunkte, also Punkte der kleinsten Strömungsgeschwindigkeit und des größten Drucks
Die Fluidelemente strömen entlang sog. Stromlinien. Im Fall der schräg angeströmten Platte
geht ein Teil der Stromlinien oben über die Platte hinweg, ein anderer Teil unten. An den
Kanten stellt sich also eine erhöhte Strömungsgeschwindigkeit, und damit ein geringerer
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- 130 Druck ein. Es muss nun aber einen Bereich geben, in dem die Stromlinien senkrecht in Bezug
auf die Platte auftreffen (links), bzw. senkrecht starten (rechts). An diesen Stellen ist die
Strömungsgeschwindigkeit null und es stellt sich nach der Bernoulli-Gleichung der maximale
statische Druck ein. Diese Punkte werden als Staupunkte bezeichnet, da sich hier das Fluid
"staut". Damit wirkt an diesen Punkten eine maximale Kraft auf die Platte.
Da wegen der schrägen Anströmung die beiden Staupunkte nicht gegenüber liegen, ergibt sich
ein Kräftepaar, also ein Drehmoment, das versucht, die Platte senkrecht zur Strömung zu
stellen. Es wirkt also bei der idealen Strömung auf den Körper keine Gesamtkraft, aber ein
Drehmoment. Die Strömung dreht die Platte so lange, bis sie senkrecht zur Strömung steht.
Dann liegen die beiden Staupunkte genau gegenüber, und das Drehmoment ist null.
Man kann dies leicht nachvollziehen, indem man ein Blatt Papier zu Boden fallen lässt. Es
stellt sich nach kurzer Zeit aufgrund des oben geschilderten Effekts senkrecht zur Strömung.
Dann wird es abgebremst, da anders als in der idealen Strömung bei der realen Strömung auch
eine Kraft auf den Körper wirkt. Dann rutscht das Blatt nach einer Seite weg, wird wieder
beschleunigt, und von der Strömung wieder senkrecht gestellt u.s.w.. Dies ergibt den
typischen Eindruck der vom Baum fallenden Blätter.
13.2
Strömung realer Fluide
Auch schon bei der idealen, also reibungsfreien Strömung kann es zur Ausbildung von
Wirbeln kommen. Bei realen Fluiden tritt noch die Reibung zwischen Fluidschichten und
zwischen Fluid und der Oberfläche der umströmten Körper hinzu. Die Größe der
Reibungskräfte hängt von dem Fluid ab und wird durch die Größe der Viskosität beschrieben.
Wir betrachten hier die Umströmung eines Körpers durch ein reales Fluid:
Versuch: Reale Umströmung eines Körpers in der Wasserwanne
A
p0
p0
ps
r
v
Zur Berechnung der Reibungskraft seien folgende Annahmen gemacht: An der angeströmten
Seite des Körpers werde das Fluid überall auf die Geschwindigkeit null abgebremst. Es liegen
also überall Staupunkte vor. Weiterhin sei angenommen, dass hinter dem Körper das Fluid
mit der gleichen Strömungsgeschwindigkeit wie vor dem Körper ströme. Der Gesamtdruck
der Strömung beträgt nach Bernoulli:
p ges = p 0 +
1 r2
ρv .
2
Der Staudruck ps an der angeströmten Seite beträgt dann:
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- 131 -
p s = p ges = p 0 +
1 r2
ρv
2
, und ist damit größer als p0. Der statische Druck auf der
strömungsabgewandten Seite des Körpers beträgt p0, da hier die gleiche
Strömungsgeschwindigkeit v vorliegt. Somit gibt es eine Druckdifferenz zwischen der
strömungszugewandten und der strömungsabgewandten Seite des Körpers, und damit auch
eine resultierende Kraft. Diese Kraft, die auf den Körper in der Strömung wirkt, berechnet
sich dann zu:
A: angeströmte Fläche
ρ: Dichte des Fluids
1
FW = A∆p = A( p s − p 0 ) = Aρv 2 .
v: Strömungsgeschwindigkeit
2
Nun sind in der Realität die Verhältnisse nicht genau so, wie oben dargestellt. Nicht jeder
Punkt der angeströmten Seite ist ein Staupunkt, weiterhin kann die Fluidgeschwindigkeit
hinter dem Körper in den Wirbeln auch größer als die Strömungsgeschwindigkeit v sein. All
dies wird für einen konkreten Körper in einer dimensionslosen Zahl, dem Widerstandsbeiwert
cW berücksichtigt. Die Kraft auf den Körper in der Strömung wird damit:
FW = cW A∆p =
1
cW Aρv 2 .
2
Der Widerstandsbeiwert (cW-Wert) hängt von der Geometrie und der
Oberflächenbeschaffenheit des Körpers ab.
Folie: Widerstandsbeiwerte verschiedener Körper
Die Widerstandskraft in der Strömung hängt aber weiterhin noch von der angeströmten
Fläche, der Dichte des Fluids und vom Quadrat der Strömungsgeschwindigkeit ab!
Physik 2 für Elektrotechniker, Informatiker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 132 -
14. Atom- und Kernphysik
Stand: 2.9.04
14.1
Dualismus Welle-Teilchen
Bislang wurden in der Vorlesung Mechanik und Wellenlehre als getrennte Gebiete betrachtet.
So war es in der gesamten Physik bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Entweder es bewegt
sich ein Körper mit Masse und Impuls, oder eine Welle mit Wellenlänge und Amplitude. Es
zeigte sich aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dass diese Unterscheidung nicht zu halten ist.
Einer der ersten Versuche, die dies verdeutlichten, war der Photoeffekt:
Licht (Intensität L, Frequenz f)
e
e-
-
A
U
Eine Metallplatte wird mit Licht der
Intensität L und Frequenz f bestrahlt. Das
Licht überträgt Energie auf Elektronen
der Metallplatte, so dass diese die
Austrittsarbeit WA aufbringen und die
Metallplatte verlassen können. Sie
werden von einer Spannung U
abgesaugt, so dass ein Strom fließt. Die
Austrittsarbeit ist die Arbeit, die die
Elektronen gegen die elektrostatische
Anziehung der positiven Rumpfionen im
Metall leisten müssen.
Versuch: Photoeffekt
Nun misst man den Strom in Abhängigkeit von der angelegten Spannung, der Frequenz des
Lichts und der Intensität.
I
Intensität L4 > L3, Frequenz f2
Intensität L2 > L1, Frequenz f1
Intensität L1, Frequenz f1
Intensität L3, Frequenz f2 > f1
-U0,2
-U0,1
U
Die Sättigung des fließenden Stroms bei großen Spannungen zeigt an, dass alle durch das
Licht erzeugten Elektronen durch die Spannung U abgesaugt werden. Das Verschwinden des
Stroms bei der Spannung -U0 liegt daran, dass die Elektronen nicht mehr genügend
kinetische Energie haben, um gegen das elektrische Feld die gegenüber liegende Platte zu
erreichen. Erhöht man bei konstanter Frequenz f des Lichts die Intensität L, so erhöht sich
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- 133 zwar der Sättigungsstrom, aber der Strom verschwindet bei der gleichen Gegenspannung -U0.
Erhöht man hingegen die Frequenz des eingestrahlten Lichts, so erhöht sich auch der Betrag
der Spannung -U0, bei der der Strom null wird. Es zeigt sich also, dass die maximale
Gegenspannung U0 nur von der Frequenz des eingestrahlten Lichts abhängt, nicht von der
Intensität. Dies ist nach der klassischen Vorstellung nicht zu erklären, denn Licht größerer
Intensität müsste einem kleinen Anteil von Elektronen eine größere kinetische Energie
übertragen, so dass diese Elektronen gegen eine größere Spannung die gegenüberliegende
Elektrode erreichen müssten, es müsste also -U0 auch von der Intensität abhängen.
Die Deutung des Photoeffekts erfolgte 1905 durch Einstein, wofür er 1921 den PhysikNobelpreis bekam. Seine Erklärung lautete: Licht besteht aus einzelnen Teilchen (Quanten),
den Photonen. Die Energie der Photonen ist proportional der Frequenz:
h: Planck'sches Wirkungsquantum (h = 6,626.10-34 Js)
E Ph = hf
Die Elektronen erhalten ihre Energie durch Stoß mit einem einzelnen Photon. Daher ist die
maximale Energie, die ein Elektron erhalten kann, proportional zur Energie eines Photons,
und damit zur Frequenz des eingestrahlten Lichts.
Für die maximale kinetische Energie eines ausgelösten Elektrons gilt also:
Ek =
1
2
mv max
= eU 0 = hf − W A
2
Einstein'sche Gleichung des Photoeffekts
WA: Austrittsarbeit
Folie: Photoeffekt
Aus den Maxwell'schen Gleichungen ergibt sich ein Zusammenhang zwischen der Energie
einer elektromagnetischen Welle und dem auf ein geladenes Teilchen übertragenen Impuls:
p=
E
.
c
Mit E = h.f
p=
hf
c
und mit λ.f = c daraus:
folgt daraus:
p=
h
λ
.
Diesen Impuls hat also ein Lichtquant auf ein geladenes Teilchen übertragen. Ein Photon hat
also Energie und Impuls gemäß
E = hf
und
p=
h
λ
.
De-Broglie-Gleichungen
Diese Gleichungen verknüpfen die Welleneigenschaften des Lichts, Frequenz und
Wellenlänge, mit den Teilcheneigenschaften Energie und Impuls.
1923 stellte Louis de Broglie in seiner Dissertation die Vermutung auf, dass auch umgekehrt
Teilchen Welleneigenschaften haben, und dass auch für Teilchen die obigen Gleichungen
gelten. Als Energie der Teilchen muss man die relativistische Gesamtenergie nehmen:
Physik 2 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 134 -
E = mc 2 =
m0
v
1−  
c
2
c2
v: Geschwindigkeit des Teilchens
m0: Ruhemasse des Teilchens (bei v = 0)
c: Vakuum-Lichtgeschwindigkeit
Wenn es richtig ist, dass sich auch Teilchen als Wellen beschreiben lassen, müssten sich z.B.
Beugungs- und Interferenzeffekte nachweisen lassen. Dies ist auch tatsächlich so.
Folie: Beugung und Interferenz bei Photonen, Elektronen und Neutronen
Die Vermutung von de Broglie wurde experimentell glänzend bestätigt. Also gilt:
Teilchen und Wellen haben sowohl Teilchen-, als auch Welleneigenschaften (Dualismus
Welle-Korpuskel). Der Zusammenhang wird durch die De-Broglie-Gleichungen hergestellt.
Je nach Experiment treten mal die einen, mal die anderen Eigenschaften stärker in
Erscheinung.
Bei Emission und Absorption, Entstehung und Vernichtung, muss der Teilchencharakter
berücksichtigt werden, bei der Ausbreitung der Wellencharakter. Der Zusammenhang
zwischen Wellen- und Teilchenbild ergibt sich auch aus der Interpretation der
Wellenfunktion: Das Quadrat des Betrags der Wellenfunktion ist gleich der
Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens. Man muss also das Quadrat des Betrags der
Wellenfunktion über einem Volumen integrieren, um die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des
Teilchens in diesem Volumen zu erhalten. Die Gruppengeschwindigkeit des Wellenpakets
ergibt die Teilchengeschwindigkeit. Die Phasengeschwindgkeit ist bei Ruhemasse-behafteten
Teilchen größer als die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit. Sonst gäbe es ein Bezugssystem, in
dem die Frequenz gleich null wäre. Das wäre gleichbedeutend mit einer Gesamtenergie null,
was nicht sein kann.
Nur über die Welleneigenschaften von Teilchen sind viele moderne Effekte der Elektronik
heute zu verstehen, beispielsweise der Tunneleffekt oder das Verhalten von Elektronen in sehr
dünnen Schichten.
Bei makroskopischen Körpern ist aber die Wellenlänge so klein, dass die
Welleneigenschaften nicht nachweisbar sind. Bei elektromagnetischen Wellen großer
Wellenlänge hingegen sind Impuls und Energie so klein, dass die Teilcheneigenschaften nicht
nachgewiesen werden können.
14.2
Aufbau des Atoms
Die Vorstellung eines Elektrons als Satellit, der um den Atomkern kreist, ist falsch. Man muss
sich vielmehr eine stehende Welle um den Atomkern vorstellen.
Folie: Materiewellen um den Atomkern
Wenn der Umfang der Elektronenbahn nicht ein Vielfaches der Wellenlänge ist, löscht sich
die Welle durch Interferenz selbst aus. Stationär (zeitlich konstant) sind also nur solche
Wellen, bei denen die Bedingung erfüllt ist:
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- 135 2π rn = nλ.
n = 1,2,3,...
h
und L = r.p
p
Wird daraus:
Mit λ =
L n = rn p =
nλ h
h
=n
= nh
2π λ
2π
rn: Radius der Elektronenbahn
L: Drehimpuls des Elektrons
Quantisierung des Drehimpuls für Kreisbahnen.
(exakte Behandlung liefert ein anderes Ergebnis)
Einem Drehimpuls Ln entspricht bei der Kreisbahn aber auch genau eine Energie En. Also ist
auch die Energie des Elektrons quantisiert. Es ergibt sich:
En ∝ −
1
.
n2
Wenn das Elektron als stehende Welle um den Atomkern "verschmiert" ist, stellt es auch
keinen schwingenden elektrischen Dipol dar, der Strahlung aussendet. Damit erklärt sich
durch die Wellennatur des Elektrons das 1. Bohr'sche Postulat:
Das Elektron umkreist den Atomkern auf Bahnen so, dass der Drehimpuls ein Vielfaches des
h
elementaren Drehimpulses h =
ist. Auf diesen Bahnen verlieren die Elektronen keine
2π
Energie.
Der Parameter n, der die Größe der Energie angibt, heißt Hauptquantenzahl.
Das 2. Bohr'sche Postulat sagt aus:
Beim Übergang eines Elektrons von einer stationären Bahn zu einer anderen wird Strahlung
der Frequenz f emittiert, bzw. absorbiert, mit ∆E = h.f (∆E: Energiedifferenz zwischen zwei
Bahnen.
Nach dem 2. Bohr'sche Postulat beobachtet man in der Tat Strahlung, die den Differenzen der
einzelnen Energiestufen En1-En2 entspricht. Bei genauer Betrachtung des Spektrums findet
man aber oft, dass die Spektrallinien tatsächlich aus zwei oder mehr sehr dicht benachbarten
Linien bestehen. Somit muss es also kleine Energieunterschiede beim Übergang zwischen
stationären Bahnen geben. Die Erklärung dafür ist, dass (im klassischen Bild) die
Umlaufbahnen nicht nur Kreisbahnen, sondern auch Ellipsenbahnen sein können. Die
Hauptquantenzahl n legt die große Halbachse a der Ellipse fest. Die kleine Halbachse b ist
auch quantisiert und wird durch die Nebenquantenzahl l festgelegt, die ganzzahlige Werte
zwischen 0 und n-1 annehmen kann. Der Zusammenhang zwischen großer und kleiner
Halbachse ist:
l +1
bn = a n
.
n
Kleine Halbachse b
Große Halbachse a
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- 136 l = n – 1 bedeutet also immer eine Kreisbahn. Der Drehimpuls beträgt:
L = l (l + 1)h ,
bzw. in einer ausgezeichneten Richtung z:
L z = lh .
Die Nebenquantenzahl bestimmt also den Drehimpuls. Daher bezeichnet sie auch als
Drehimpuls-Quantenzahl. Die Energieunterschiede zwischen Zuständen mit gleicher
Hauptquantenzahl n und verschiedener Drehimpulsquantenzahl l lassen sich klassisch so
erklären, dass bei Abweichung von der Kreisbahn aufgrund der Drehimpulserhaltung in
Kernnähe die Geschwindigkeit und damit die relativistische Masse des Elektrons größer sein
müssen. Dies führt zu einer leichten Absenkung der Energie.
Die folgende Tabelle gibt Haupt- und Nebenquantenzahlen einiger Elektronenzustände
wieder. Dabei ist zu beachten, dass bei der Konfigurationsbezeichnung die erste Zahl für die
Hauptquantenzahl n steht, und der Buchstabe die Drehimpuls-Quantenzahl beschreibt (s:
l = 0, p: l = 1, d: l = 2, f: l = 3 u.s.w.):
Quantenzahlen
n=1
l=0
n=2
l=0
l=1
n=3
l=0
l=1
l=2
n=4
l=0
l=1
l=2
l=3
Bahnart
Konfigurationsbezeichnung
Kreisbahn
1s
Ellipsenbahn
2s
Kreisbahn
2p
Ellipsenbahn (stark elliptisch)
3s
Ellipsenbahn (schwach elliptisch)
3p
Kreisbahn
3d
Ellipsenbahn (stark elliptisch)
4s
Ellipsenbahn (mittelmäßig elliptisch)
4p
Ellipsenbahn (schwach elliptisch)
4d
Kreisbahn
4f
Durch Einführung der Bahndrehimpuls-Quantenzahl können die emittierten
Strahlungsspektren erklärt werden. Untersucht man allerdings Spektren von Atomen, die sich
in einem Magnetfeld befinden, so sieht man eine weitere Aufspaltung der einzelnen Linien
(Zeemann-Effekt). Die genaue Analyse ergibt 2l+1 Möglichkeiten. Um diesem Umstand
Rechnung zu tragen führt man eine weitere Quantenzahl ein, die magnetische Quantenzahl m
genannt wird, und die Werte m = -l, -l+1,...., -1, 0, 1,.......l-1, l annehmen kann. Die
magnetische Quantenzahl beschreibt die verschiedenen Möglichkeiten für den Drehimpuls,
sich relativ zu einer von einem Magnetfeld vorgegebenen Richtung auszurichten. Da die
Wechselwirkung zwischen Magnetfeld und Elektron von dem Winkel zwischen der
Magnetfeldrichtung und dem Drehimpuls abhängt, ergeben sich für die Werte von m
unterschiedliche Energien.
Bei ganz genauer Betrachtung spalten sich auch die durch Haupt-, Drehimpuls- und
magnetische Quantenzahl beschriebenen Übergangslinien zwischen Elektronenzuständen
noch in zwei Spektrallinien auf (Feinstruktur). Es gibt also eine Eigenschaft der Elektronen,
die diese in zwei Gruppen aufteilt. Das ist der Eigendrehimpuls, auch kurz Spin genannt. Man
kann sich ein Elektron mit Spin wie einen Ball vorstellen, der um die eigene Achse (links
oder rechts herum) rotiert. Zur Beschreibung führt man eine weitere Quantenzahl s ein, die
sogenannte Spinquantenzahl, die die Werte s = +1/2, oder s = -1/2 annehmen kann.
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- 137 -
Durch insgesamt vier Quantenzahlen lässt sich das von Atomen emittierte oder absorbierte
Spektrum, welches die Energiezustände charakterisiert, beschreiben:
Hauptquantenzahl
Nebenquantenzahl
Magnetische Quantenzahl
Spinquantenzahl
n
l
m
s
n = 1, 2, 3,...
l = 0, 1, 2, ..., n-1
m = -l, ...0, ...., l
s = +1/2, -1/2
Somit kann ein Elektron sehr viele verschiedene Zustände einnehmen.
Folie: Besetzungsmöglichkeiten der Elektronenzustände
Besteht ein Atomkern aus mehr als einem Proton, so können mehrere Elektronen die Zustände
besetzen. Die Besetzung der Zustände erfolgt nach folgenden Regeln:
Pauli-Prinzip: In einem Atom können niemals zwei oder mehr Elektronen in allen vier
Quantenzahlen übereinstimmen.
Energieregel: Die Besetzung erfolgt in der Reihenfolge zunehmender Energie.
Hundsche Regel: Bei nicht vollständig besetzten Konfigurationen erfolgt zunächst eine
parallele Ausrichtung der Spins.
Aus diesen Regeln ergibt sich der Aufbau des Periodensystems der Elemente.
In den einzelnen Energiestufen sind nach dem Pauli-Prinzip folgende Elektronenzustände
möglich:
1s
2s
2p
3s
3p
3d
n=1 l=0
m=0
s=+½
n=1 l=0
m=0
s=-½
2 Elektronen
n=2 l=0
m=0
s=+½
n=2 l=0
m=0
s=-½
2 Elektronen
n=2 l=1
m = -1
s=+½
n=2 l=1
m = -1
s=-½
n=2 l=1
m=0
s=+½
n=2 l=1
m=0
s=-½
n=2 l=1
m = +1
s=+½
n=2 l=1
m = +1
s=-½
6 Elektronen
n=3 l=0
m=0
s=+½
n=3 l=0
m=0
s=-½
2 Elektronen
n=3 l=1
m = -1
s=+½
n=3 l=1
m = -1
s=-½
n=3 l=1
m=0
s=+½
n=3 l=1
m=0
s=-½
n=3 l=1
m = +1
s=+½
n=3 l=1
m = +1
s=-½
6 Elektronen
n=3 l=2
m = -2
s=+½
n=3 l=2
m = -2
s=-½
n=3 l=2
m = -1
s=+½
n=3 l=2
m = -1
s=-½
n=3 l=2
m=0
s=+½
n=3 l=2
m=0
s=-½
n=3 l=2
m = +1
s=+½
n=3 l=2
m = +1
s=-½
n=3 l=2
m = +2
s=+½
Physik 2 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 138 n=3
4s
4p
4d
4f
l=2
m = +2
s=-½
10 Elektronen
2 Elektronen
6 Elektronen
10 Elektronen
14 Elektronen
usw.
Mit Hilfe dieser Vorüberlegungen können jetzt die Atomhüllen der einzelnen Elemente
aufgebaut werden. Dabei ist zu beachten, dass die Spins sich bei nicht voll besetzten
Konfigurationen immer erst in einer Richtung ausrichten (Hundsche Regel):
(Die Pfeile symbolisieren die Elektronen mit den Spinquantenzahlen + ½ ( )und - ½ ( )
Element
Schale
Besetzungszustand
Wasserstoff (H)
1s
Helium (He)
1s
Lithium (Li)
1s
2s
Beryllium (Be)
1s
2s
Bor (B)
1s
2s
2p
Kohlenstoff (C)
1s
2s
2p
Stickstoff (N)
1s
2s
2p
Sauerstoff (O)
1s
2s
2p
Fluor (F)
1s
2s
2p
Neon (N)
1s
2s
2p
Natrium (Na)
1s
2s
2p
3s
Magnesium (Mg)
1s
2s
2p
3s
Aluminium (Al)
1s
2s
2p
3s
3p
Silizium (Si)
1s
2s
2p
3s
3p
Phosphor (P)
1s
2s
2p
3s
Physik 2 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 139 -
Schwefel (S)
Chlor (Cl))
Argon (Ar)
3p
1s
2s
2p
3s
3p
1s
2s
2p
3s
3p
1s
2s
2p
3s
3p
Jetzt müsste nach dem logischen Aufbau die 3d-Konfiguration als nächst höhere Energiestufe
kommen. Aber es zeigt sich, dass die 4s-Konfiguration energetisch niedriger liegt als die 3dKonfiguration, da sich die Elektronen durch gegenseitige Kopplung beeinflussen. Das heißt
nicht, dass die 3d-Elektronen weiter von Kern entfernt sind als die 4s-Elektronen. Die äußeren
Elektronen sind verantwortlich für die Eigenschaften der einzelnen Elemente. Dieses wird
weiter unten noch erläutert.
Kalium (K)
Calcium (Ca)
1s
2s
2p
3s
3p
4s
1s
2s
2p
3s
3p
4s
Jetzt werden die 3d-Elektronenzustände besetzt. Dabei kann es passieren, dass ein 4s-Elektron
in die 3d-Konfiguration rutscht, da die beiden Konfigurationen energetisch sehr eng
zusammen liegen.
Scandium (Sc)
Titan (Ti)
Vanadium (V)
Chrom (Cr)
Mangan (Mn)
Eisen (Fe)
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
Physik 2 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 140 -
Kobalt (Co)
Nickel (Ni)
Kupfer (Cu)
Zink (Zn)
Galium (Ga)
Germanium (Ge)
Arsen (As)
Selen (Se)
Brom (Br)
Krypton (Kr)
4s
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
4p
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
4p
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
4p
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
4p
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
4p
1s bis 3p Konfiguration wie bei Calcium
3d
4s
4p
Bei der Besetzung der weiteren Konfigurationen geht es nach folgender Reihenfolge 4p, 4d,
5s, 5p, 6s, 4f, 5d, 6p, 7s und 5f. Dabei liegen die Konfiguration energetisch teilweise so eng
zusammen, dass ähnlich wie bei der 4s-Konfiguration die Besetzungszahl schwankt.
Die Elemente, die durch Auffüllen unterer Konfigurationen entstehen, werden Nebengruppenelemente genannt. Diese haben alle ähnliche chemische Eigenschaften, da sie ein oder zwei
Elektronen auf der Außenschale haben. Titan, Vanadium, Chrom, Eisen, etc. sind alles
Metalle, d.h. sie leiten elektrischen Strom, haben meistens eine glänzende Oberfläche und es
lassen sich Legierungen herstellen.
So haben alle Elemente mit der gleichen Anzahl von Elektronen auf der Außenschale ähnliche
bzw. gleiche Eigenschaften. Bis auf Helium haben die Edelgase alle 6 Elektronen auf der pKonfiguration. Es ist eine gesättigte Konfiguration, und deshalb sind Edelgase so
reaktionsträge, dass sie überwiegend als isolierte Atome existieren. Elemente mit nur einem
äußeren Elektron haben hingegen das Bestreben, sich mit Elementen zu verbinden, die sieben
äußere Elektronen besitzen, um eine gesättigte 8er-Konfiguration zu erhalten. Bekannteste
Vertreter sind Natrium und Chlor und ihre Verbindung Kochsalz (NaCl).
Physik 2 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 141 -
14.3
Aufbau des Atomkerns
Verschiedene Versuche (Streuversuche, massenspektroskopische Untersuchungen) zeigten in
den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, dass Atomkerne aus zwei Teilchenarten
bestehen, den Nukleonen. Das sind
Protonen mit einer Masse von 1,672.10-27 kg und einer Ladung von +1,602.10-19 C und
Neutronen mit einer Masse von 1,674.10-27kg und der Ladung null.
Die Massenzahl A eines Kerns ist gleich der Summe der Anzahl Protonen und Neutronen, die
Kernladungszahl Z ist gleich der Anzahl der Protonen. Ein Atomkern des Elements X wird
gekennzeichnet durch die Angabe von Massenzahl und Kernladungszahl gemäß ZA X , z.B.
4
235
2 He oder 92 U . Das Element wird immer eindeutig durch die Angabe der Kernladungszahl
bestimmt, daher lässt man die Kernladungszahl auch manchmal weg. Atomkerne werden auch
1
als Nuklide bezeichnet. 235
92 U und 1 H sind also zwei verschiedene Nuklide. Atome gleicher
Kernladungszahl Z, aber verschiedener Neutronenzahlen, also verschiedener Massenzahl A,
236
nennt man Isotope eines Elements. 235
92 U und 92 U sind also zwei Uran-Isotope.
Zwischen Protonen und Protonen wirkt eine abstoßende elektrische Kraft, zwischen Protonen
und Neutronen sowie zwischen Neutronen und Neutronen wirken keine elektrischen Kräfte.
Es muss also eine anziehende Kraft zwischen den Nukleonen geben, die den Kern
zusammenhält. Diese Kraft wird Kernkraft oder starke Wechselwirkung genannt (denn sie ist
stärker als die abstoßende elektrische Kraft). Die Kernkraft wirkt für kleine Abstände stark
anziehend, und ist für Abstände r > 2.10-15m null. Daher merkt man außerhalb des Atomkerns
unmittelbar nichts von ihr.
Für den Atomkern existieren zwei Modelle:
Das Tröpfchenmodell
Hierbei wird der Atomkern mit einem makroskopischen Flüssigkeitstropfen verglichen. Die
Oberflächenspannung, hervorgerufen durch fehlende Wechselwirkungspartner der an der
Oberfläche sitztenden Nukleonen, bewirkt in der Regel eine kugelförmige Gestalt des Kerns.
In der Tat findet man durch Streuversuche (Stöße zwischen schnellen Heliumkernen und
Atomkernen) die folgende Abhängigkeit des Kernradius von der Massenzahl:
rN ≈ rN 0 3 A
mit
rN 0 ≈ 1,2 ⋅ 10 −15 m
als Nukleonenradius.
Das Volumen des Kerns ist aber proportional zu rN3 (Kugelvolumen: VK = 4/3.π.r3), und damit
proportional zur Massenzahl. Die Dichte (Masse pro Volumen) ist also für alle Kerne
näherungsweise gleich, wie man es bei einer Flüssigkeit auch erwartet. Die Dichte beträgt
etwa 2.1014 g/cm3 (2.1017 kg/m3) und ist damit um den Faktor 1014 größer als die von
Festkörpern oder Flüssigkeiten.
Wird ein Atomkern in einzelne Nukleonen zerlegt, ist dazu Energie erforderlich, die
Kernbindungsenergie, denn es muss ja gegen die Kernkräfte Arbeit geleistet werden. Wird ein
Physik 2 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 142 Kern aus einzelnen Nukleonen zusammengesetzt, wird genau diese Energie wieder frei. Sie
hat verschiedene Anteile, die in der Weizsäcker-Formel berücksichtigt sind:
•
•
•
•
•
Zunahme der Energie mit der Anzahl der Nukleonen
Berücksichtigung der geringeren Bindung der Oberflächen-Nukleonen
Berücksichtigung der Coulomb-Abstoßung der Protonen
Berücksichtigung der Bevorzugung von Kernen mit gleicher Protonen- und
Neutronenzahl (A = Z)
Berücksichtigung der Bevorzugung von Proton- bzw- Neutronpaaren mit
Drehimpuls null.
Bei gegebener Anzahl Nukleonen, also gegebener Massenzahl A, hängt die
Kernbindungsenergie von der Anzahl Z der Protonen ab. Der Kern mit der größten
Kernbindungsenergie ist am schwersten zu verändern, also am stabilsten. Aus der
Weizsäcker-Formel lassen sich somit die stabilsten Kerne berechnen. Es zeigt sich, dass bei
leichten Kernen Protonen und Neutronen nahezu gleich verteilt sind (N = Z), bei schwereren
Kernen aber zunehmend mehr Neutronen als Protonen im Kern enthalten sind (Z < A/2).
Betrachtet man nun die stabilen Kerne und bezieht dafür die Kernbindungsenergie auf ein
Nukleon erhält man das folgende Diagramm:
Folie: Kernbindungsenergie je Nukleon als Funktion der Massenzahl
Es zeigt sich in Experimenten aber auch, dass es bei Kernen Anregungszustände gibt wie bei
Atomen. Daher liegt es nahe, ein zum Atom vergleichbares Modell zu wählen.
Das Schalenmodell
Ähnlich wie die Elektronenhülle ist der Atomkern in Schalen unterteilt, innerhalb derer die
Nukleonen sich bewegen. Neben ihrem Eigendrehimpuls oder Spin haben die Nukleonen
auch einen Bahndrehimpuls. Der Gesamtdrehimpuls des Kerns, der Kernspin, ergibt sich als
Summe der Drehimpulse der Nukleonen. Dabei ordnen sich die Nukleonen so an, dass sich
die Drehimpulse je zweier Protonen oder Neutronen zu null addieren. Der Atomkern kann
angeregte Zustände annehmen. Kehrt er in den Grundzustand zurück, sendet er wie ein Atom
ein Photon aus.
Physik 2 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 143 14.4
Kernspaltung und Fusion
Bezieht man sich wieder auf das Tröpfchenmodell, so sieht man, dass die
Kernbindungsenergie pro Nukleon ein Maximum bei ca. A = 60 hat, also etwa bei den
Elementen Eisen, Cobalt, Nickel oder Kupfer. Damit wird es möglich, durch Spaltung oder
Fusion von Atomkernen Energie zu gewinnen.
Kernspaltung
Man mache das folgende Gedankenexperiment. Ein Kern der Massenzahl A = 200 werde in
seine Nukleonen getrennt. Dabei muss die Arbeit 200.Eb,200 aufgebracht werden (Eb,200:
Kernbindungsenergie pro Nukleon für einen Kern mit Massenzahl 200). Aus den nun freien
Nukleonen werden zwei Kerne der Massenzahl 100 gebildet. Dabei wird die Arbeit
2.100.Eb,100 frei (Eb,100: Kernbindungsenergie pro Nukleon für einen Kern mit Massenzahl
100. Man gewinnt also insgesamt die Energie:
∆E = 2 ⋅ 100 ⋅ E b ,100 − 200 ⋅ E b , 200 = 200( E b,100 − E b , 200 ) .
Da aber die Kernbindungsenergie pro Nukleon für einen Kern mit Massenzahl 100 größer ist
als für einen Kern mit Massenzahl 200, ist die dabei frei werdende Energie positiv: Man
gewinnt also Energie!
Tatsächlich verläuft der Prozess komplizierter, da für die Spaltung zunächst Energie
aufgebracht werden muss. Dies erfolgt i.d.R. durch Einfangen eines Neutrons, z.B.
U + 01n→ 236
92 U .
235
92
Dieses Uran-Isotop mit Massenzahl 236 ist dann angeregt und zerfällt in ein Kryptonatom, ein
Bariumatom und drei Neutronen.
1
U → 3690 Kr + 143
56 Ba +3 0 n
236
92
Folie: Kernspaltung
Die schweren Spaltprodukte sind aber nicht stabil und zerfallen durch radioaktive Prozesse in
90
mehreren Stufen in die stabilen Kerne 40
Zr (Zirkon) und 143
60 Nd (Neodym). Bei dieser
Kernspaltung wird pro Kern eine Energie von 200 MeV (3,2.10-11 J) frei, die in der
kinetischen Energie der Spaltprodukte und in der ausgesandten elektromagnetischen
Strahlung steckt. Diese Energie kann z.B. zur Erhitzung von Wasser und zum Betrieb einer
Dampfturbine genutzt werden. Die drei freiwerdenden Neutronen regen wiederum Kerne zum
Zerfall an und verursachen die erforderliche Kettenreaktion.
Der am weitesten verbreitete Kernreaktortyp ist der Druckwasserreaktor.
Folie: Druckwasserreaktor
Physik 2 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 144 Kernfusion
Wie man dem Diagramm der Kernbindungsenergie pro Nukleon entnimmt, kann man auch
durch Verschmelzung leichter Kerne Energie gewinnen. Dieser Prozess läuft ständig in
unserer Sonne und den anderen Sternen ab. Für technische Zwecke kommt etwa folgende
Reaktionsgleichung in Betracht:
2
1
H + 13H → 24 He+ 01n .
Dabei wird etwa 18 MeV Energie (2,8.10-12 J) frei.
Der Wasserstoffkern mit Massenzahl 2 wird Deuterium, der mit Massenzahl 3 Tritium
genannt. Sowohl Deuterium als auch Tritium sind zu einem gewissen Anteil im natürlichen
Wasser enthalten.
Damit zwei Wasserstoffkerne verschmelzen, muss man sie sehr eng zusammenbringen, um
die elektrische Abstoßung zu überwinden. Man braucht also hohe Dichten und hohe
Temperaturen. Dafür gibt es zwei Ansätze: Magnetischer Plasmaeinschluss (Tokamak,
Stellarator) und Trägheitseinschluss (Laserfusion).
Für den Fusionsreaktor sprechen die praktische Unerschöpflichkeit des Brennstoffs
Deuterium und Tritium und das stabile Spaltprodukt Helium. Allerdings gibt es auch schnelle
Neutronen, die gefährliche Sekundärprozesse auslösen können.
14.5
Radioaktivität
Aufgrund der Abhängigkeit der Kernbindungsenergie von der Massenzahl und der
Kernladungszahl können Kerne durch die Abgabe von Nukleonen oder Elektronen in einen
energetisch günstigeren Zustand übergehen. Solche Kerne nennt man instabil oder radioaktiv.
Die Kerne emittieren Helium-Kerne als α-Strahlung (zwei Neutronen und zwei Protonen),
oder Elektronen als β-Strahlung. Weiterhin können angeregte Kerne elektromagnetische
Strahlung als γ-Strahlung emittieren.
Alpha-Zerfall
Dieser Zerfall wird hauptsächlich bei schweren Kernen mit Massenzahl A größer als 208
beobachtet. Bei der Emission eines α-Teilchens wird die Massenzahl des Kerns um vier und
die Kernladungszahl um zwei reduziert. Das Endprodukt ist also ein anderes chemisches
Element, es hat eine Elementumwandlung stattgefunden. Außerdem wird dabei Energie frei,
die z.T. in der kinetischen Energie der beteiligten Teilchen steckt. Die Reaktionsgleichung hat
also die Gestalt:
A
Z
X → ZA−−42 Y + 24 He + ∆E , z.B.
4
U → 234
90 Th + 2 He + ∆E .
238
92
α-Teilchen haben wegen ihrer großen Masse und stark ionisierenden Wirkung oft nur eine
relativ kleine Reichweite. Sie werden für Messzwecke, für therapeutische Zwecke und zur
Beseitigung statischer Elektrizität eingesetzt.
Physik 2 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 145 Beta-Zerfall
Nuklide mit Neutronenüberschuss können durch Emission eines Elektrons in einen
energetisch günstigeren Zustand übergehen. Dabei erfolgt also die Umwandlung eines
Neutrons in ein Proton und ein Elektron. Es zeigt sich allerdings, dass dabei immer noch ein
weiteres Teilchen beteiligt ist, das Antineutrino ν e . Die Massenzahl A bleibt ungeändert, die
Kernladungszahl Z vergrößert sich um 1, es findet also ebenfalls eine Elementumwandlung
statt. Die Gleichung dafür lautet:
A
Z
X → Z +A1Y + e − + ν e + ∆E , z.B.
−
Th→ 234
91 Pa + e + ν e + ∆E .
234
90
Nuklide mit Protonenüberschuss können durch Emission eines Positrons (Elektrons mit
positiver Ladung) in einen energetisch günstigeren Zustand übergehen. Auch dabei ist ein
Neutrino ν e beteiligt. Es findet eine Elementumwandlung statt. Die Reaktionsgleichung
lautet:
A
Z
X → Z −A1Y + e + + ν e + ∆E , z.B.
10
6
C →105 Be + e + + ν e + ∆E .
Anstatt der Aussendung eines Positrons kann der Kern auch ein Elektron aus der Hülle
einfangen (Elektroneneinfang oder K-Einfang).
β-Teilchen haben eine erheblich größere Eindringtiefe als α-Teilchen und ebenfalls
ionisierende Wirkung. Sie werden zu Messzwecken und für therapeutische Zwecke
eingesetzt.
Gamma-Emission
Angeregte Kerne gehen durch Emission von γ-Teilchen, also Photonen, in einen Zustand
niedrigerer Energie über. Dabei werden die Massenzahl und die Kernladungszahl nicht
verändert, es findet also auch keine Elementumwandlung statt. Die elektromagnetische
Strahlung der γ-Teilchen ist hochenergetisch, bei Wellenlängen ab ca. 10-12 m. Sie hat ein
außerordentlich hohes Durchdringungsvermögen. Technisch wird sie für Messzwecke
verwendet.
14.6
Zerfallsgesetz
Die Anzahl der radioaktiven Emissionsakte pro Sekunde wird als Aktivität bezeichnet. Die
Einheit der Aktivität ist das Becquerel (Bq = 1/s). 1 Bq entspricht einem Zerfall pro Sekunde.
Für einen einzelnen Kern kann nicht gesagt werden, wann er zerfällt, es kann lediglich eine
statistische Aussage gemacht werden. Die Zerfallswahrscheinlichkeit ist für alle gleichartigen
Kerne gleich groß und hängt nicht davon ab, wieviele Kerne vorhanden sind.
Versuch:
Radioaktives Präparat und Geiger-Müller-Zähler
Physik 2 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 146 -
Daher ist die Aktivität proportional zur Anzahl der noch vorhandenen, nicht umgewandelten
radioaktiven Kerne:
A=−
dN
= λN
dt
(A: Aktivität, N: Anzahl der radioaktiven Kerne, λ:Zerfallskonstante).
Die Zerfallskonstante ist charakteristisch für ein radioaktives Nuklid. Ihre Einheit ist 1/s. Das
Minuszeichen vor dN/dt bedeutet, dass durch die Aktivität die Anzahl unveränderter Kerne
abnimmt.
Durch Integration folgt das Zerfallsgesetz:
N = N 0 e − λt .
(N0: Anzahl der zur Zeit t = 0 vorhandenen unveränderten Kerne)
Der Zusammenhang zwischen der Anzahl Kerne und der Masse lautet:
N=
m
NA
m mol
(mmol: Molmasse, NA = 6,022.1023 1/mol : Avogadro-Konstante)
Da die Anzahl der Kerne also proportional zur Masse ist, kann man auch schreiben:
m = m 0 e − λt .
(m: Masse des zur Zeit t vorhandenen radioaktiven Materials der
Ausgangssubstanz, m0: Masse des zur Zeit t = 0 vorhandenen Materials
der Ausgangssubstanz)
Die Zeit T1/2, in der die Hälfte des Ausgangsmaterials zerfällt, wird Halbwertszeit genannt.
Sie ergibt sich für N = N0/2 zu:
− λT 1
− λT 1
N0
1
2
= N0e
, also e 2 =
2
2
T1 =
2
ln 2
λ
,
bzw.
λ=
bzw.
ln 2
.
T1
1
− λT 1 = ln( ) = − ln 2 . Damit ergibt sich:
2
2
Damit wird das Zerfallsgesetz:
2
−
N = N 0e
ln 2
t
T1
2
.
Das Kohlenstoffnuklid 146 C , das zur Altersbestimmung verwendet wird, hat eine
Halbwertszeit von 5736 Jahren.
Physik 2 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 147 14.7
Dosisgrößen und biologische Wirkung von Strahlung
Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten der Wechselwirkung von α-, β- und γ-Strahlung mit
Materie. Dazu gehören die Ionisation und die Anregung von Atomen und Molekülen. Dabei
können sich in biologischem Gewebe chemisch sehr aktive Moleküle oder
Molekülbruchstücke bilden (Radikale). Diese beeinflussen die Vorgänge in den Zellen. Man
unterscheidet dabei die somatischen Strahlenschäden, die am bestrahlten Organismus
auftreten (z.B. Krebs), und die genetischen Strahlenschäden, Schädigung der Erbanlagen, die
erst in folgenden Generationen in Erscheinung treten. Daher ist es wichtig, Strahlung im
Hinblick auf ihre biologische Schädigung zu messen.
Betrachtet man die durch die Strahlung erzeugten Ionen, so erhält man die Ionendosis (I).
I=
dQ
ρdV
dQ: erzeugte Ladung,
wurde,
dV: Volumenelement, in dem die Ladung erzeugt
ρ: Massendichte
Die Einheit der Ionendosis ist C/kg. Da die Wechselwirkung zwischen Strahlung und Materie
von der Art der Materie abhängt, hängt die Ionendosis neben der Strahlung auch vom
bestrahlten Material ab. Eine ältere, teilweise noch gebräuchliche Einheit der Ionendosis ist
das Röntgen (R) mit 1 R = 2,580.10-4 C/kg.
Bezieht man die Ionendosis auf die Zeit, so erhält man die Ionendosisleistung der Einheit
C/(kg.s).
Ionendosis und Ionendosisleistung sind ungeeignet zur Bestimmung der biologischen
Schädigung durch Strahlung.
Betrachtet man die durch Strahlung in einem Volumen deponierte Energie, erhält man die
Energiedosis (D).
D=
dE
ρdV
dE: die im Volumenelement dV deponierte Energie.
Die Einheit der Energiedosis ist J/kg = Gy (Gray).
Bezieht man die Energiedosis auf die Zeit, so erhält man die Energiedosisleistung der Einheit
Gy/s.
Auch Energiedosis und Energiedosisleistung sind von dem bestrahlten Material abhängig.
Beide Größen sind aber ungeeignet zur Beschreibung der biologischen Schädigung durch
Strahlung. Diese hängt sehr von der Art der Strahlung ab.
Man führt daher einen dimensionslosen, strahlungsabhängigen Bewertungsfaktor q ein, der
die biologische Wirksamkeit der jeweiligen Strahlung berücksichtigt und multipliziert ihn mit
der Energiedosis. Damit erhält man die Äquivalentdosis (H):
H = qD .
Physik 2 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
- 148 Die Einheit der Äquivalentdosis ist J/kg = Sv (Sievert). Gebräuchlich war früher auch die
Einheit Rem, abgekürzt rem (roentgen equivalent man) mit 1 rem = 0,01 Sv).
Für q ergeben sich folgende Werte:
q
1
1
5....10
10...20
Strahlung
γ-Strahlung
β-Strahlung
Neutronen
α-Strahlung
Der Mensch ist ständig Strahlung ausgesetzt, die aus natürlicher Radioaktivität und
Höhenstrahlung herrührt. Weiterhin gibt es Strahlenbelastung durch medizinische
Untersuchungen, Umgang mit radioaktiven Materialien, Kernkraftwerke u.s.w.. Die
folgenden beiden Folien zeigen verschiedene Strahlenbelastungen sowie mögliche
gesundheitliche Folgen.
Folie: Verschiedene Strahlenbelastungen
Folie: Gesundheitliche Schäden durch Strahlenbelastung
Es ist die Aufgabe jeder Ingenieurin und jedes Ingenieurs, die Schäden für Menschen
möglichst gering zu halten. Das gilt insbesondere beim Umgang mit strahlenschädigenden
Geräten oder Präparaten.
* Ende des Physikkurses *
Physik 2 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Mechatroniker, FH Bochum, 14.09.04
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