Präsentation zum Referat von Dr. phil. Andrea Wyssen

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Die Schwierigkeit eines positiven Körperbilds und
gesunden Essverhaltens in unserer Gesellschaft
Einfluss von Schönheitsidealen und körperbezogenen kognitiven Verzerrungen
Andrea Wyssen
Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Universität Fribourg, Schweiz
Privatklinik Aadorf, Schweiz
31.08.2017
​UNIVERSITÄT FRIBOURG| PHILOSOPHISCHE FAKULTÄT | Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie|
Vortrag am Forum Gesundheitsförderung AG 2017: Positives Körperbild, Dr. phil. Andrea Wyssen, 31.08.2017
Welchen Einfluss haben Medien?
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Vortrag am Forum Gesundheitsförderung AG 2017: Positives Körperbild, Dr. phil. Andrea Wyssen, 31.08.2017
Die Schwierigkeit eines positiven Körperbilds und
gesunden Essverhaltens: Normativer Diskontent!?


Bis zu 72% der Frauen und 60% der Männer berichten über eine
erhöhte Unzufriedenheit mit dem Körperbild (Fiske et al., 2014)
Körperbildunzufriedenheit als bedeutsamster Prädiktor für die
Entwicklung von Essstörungssymptomen (Stice et al., 2011)




Prospektive Längsschnittstudie über 8 Jahre, 496 weibliche Jugendliche
Essstörungssymptome T2: 6 vs. 24% wenn hohe Körperbildunzufriedenheit
T1; zusätzlich erhöht, wenn zudem depressive Symptome
Schwere Störung des Körperbildes ist Risikofaktor für Rückfall
nach Remission der Essstörung (Keel et al., 2005)
Verstärkung der Unzufriedenheit mit dem Körperbild durch
Exposition mit aussehensbezogenen TV-Werbungen sagt
Körperbildunzufriedenheit und Verlangen dünn zu sein 2 Jahre
später vorher (Hargreaves & Tiggemann, 2003)
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Vortrag am Forum Gesundheitsförderung AG 2017: Positives Körperbild, Dr. phil. Andrea Wyssen, 31.08.2017
Verzerrtes Selbstbild!?
Selbsteinschätzung junger Frauen
Selbstbild
Persönliches Ideal
Ideal Gesellschaft
Tatsächlicher BMI
N=402 gesunde Frauen: Alter (Jahre): M=23.2 (SD=4.8); BMI: M=21.7 (SD=2.9)
Ergebnisse:

BMI > 25: 10.6%

Übereinstimmung zwischen Selbst- und Idealbild: 17.2%

Idealbild ist schlanker als Selbstbild: 76.6%

Überschätzen eigene Figur im Vergleich zum BMI deutlich: 27.6%

Männerstichprobe (N=123): 24% der Männer beurteilen sich selbst im Vergleich zum
Ideal als zu wenig muskulös, 42% als zu dick
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Wyssen, Munsch et al., in Vorbereitung.
Wie kommt es zu dieser «Verzerrung»?
Eine Frage des «Referenzrahmens»?
1) Mentale Repräsentation des Selbst
2) Internalisiertes Ideal
 Je „verzerrter“ beides, desto grösser
Körperbildunzufriedenheit?
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Verzerrte Körperwahrnehmung:
Erklärungsansätze
 Kultivierungshypothese (Gerbner et al., 2002)
• Internalisierung des Schlankheitsideals führt zu einem
unrealistischen inneren Referenzrahmen
 Selektive körperbezogene Wahrnehmung (z.B. Hilbert, 2000)
• Negatives Selbstbild beeinflusst Informationsverarbeitung;
körperbezogenes Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen
 Körperbezogenes Vermeidungsverhalten als Prädiktor
für Überschätzung der Körperform (Vocks et al., 2009; VossbeckElsebusch et al., 2015)
• Vermeidungsverhalten führt zu ungenügendem Feedback und
verzerrter mentaler Repräsentation des Körpers
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Schönheitsideale, Körperbildunzufriedenheit und gestörtes
Essverhalten
Zugrundeliegende Prozesse und moderierende Variablen
Emotionsregulation
„Restraint-Theory“
Druck dem Ideal
zu entsprechen
Schönheitsideale
in Medien
100%
Negativer Affekt
Internalisierung
des Ideals
Körperbildunzufriedenheit
Sozialer Vergleich
Bis zu
60/70%
Kognitive Verzerrungen
(Thought-Shape Fusion, TSF)
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Gestörtes
Essverhalten
Diäthalten
Body forming/
checking
Vermeidung
Körperbildstörung
Ca. 3-20%
„Escape-Theory“
Stice et al., 2001, 2002, 2011; Heatherton & Baumeister, 1991;
Haines et al., 2006; Fiske et al., 2014; Levine & Murnen, 2009;
López-Guimerà et al., 2010; Ferguson, 2013.
Thought-Shape Fusion
Kennen Sie das auch?
«Ich nehme schon zu, wenn ich mir die
Schokolade nur anschaue.»
«Als ich diesen muskulösen Mann sah,
fühlte ich mich schmächtig und schwach.»
«Als ich diese dünne Frau sah, fühlte ich
mich dick und unförmig.»
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Thought-Shape Fusion (1)
Körperbezogene kognitive Verzerrung
 Abgeleitet von Thought-Action Fusion (TAF)
 Kognitive Verzerrung in Bezug auf die Wahrnehmung
der Figur/ des Körpers
• Gedanke führt zum Gefühl an Gewicht zugenommen zu
haben, dicker auszusehen, etwas moralisch Falsches zu tun
 TSF erwies sich als essstörungsspezifisch, kommt
aber auch bei Gesunden vor
 TSF kann induziert werden
• Vorstellung/ Konfrontation mit Nahrungsmitteln und
Schönheitsidealen
 Verbunden mit Spannungszuständen, Gefühl des
Kontrollverlusts, Neutralisierungsverhalten
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Shafran et al., 1996; 1999; Radomsky et al., 2002;
Coelho et al., 2008, 2010, 2012; Wyssen et al., 2016.
Thought-Shape Fusion (2)
Körperbezogene kognitive Verzerrung

Allein der Gedanke an a) fettreiche Nahrungsmittel, b)
Schönheitsideale führt zum Gefühl an Gewicht zugenommen
zu haben und dicker auszusehen
TSF
• Gewicht 
• Gefühl des Dickseins 
• Moralisch falsch 
TSF-B
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Shafran et al., 1999, 2004;
Coelho et al., 2008, 2010, 2012.
Wyssen, Coelho, Zimmermann, Wilhelm & Munsch, 2016.
Querschnittsstudie: Kognitive Verzerrungen als
Mediator
BMI
.380***
.559***
Körperbildunzufriedenheit
Sozialer
Druck
.342***
.508***
Kognitive
Verzerrungen (TSF)
.409***
TSF erklärt 1/3 des Zusammenhangs
Nicht-Akzeptanz
emotionaler
Reaktionen
.338***
Gestörtes Ess- und
Kompensationsverhalten
-.048
N = 123 Männer; standardisierte Koeffizienten; ***p<.001
 Tendenz zu kognitiven Verzerrungen mediiert partiell den
Zusammenhang zwischen Körperbildunzufriedenheit und gestörtem
Essverhalten
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Wyssen, Bryjova, Meyer & Munsch, 2016.
Experimentelle Studien zu TSF (1)
Experimentelle Manipulation
Stimmung, Körperbild, kognitive Verzerrungen,
Stressreaktion?
 Durch die Konfrontation mit Modezeitschriften sind
körperbezogene kognitive Verzerrungen bei jungen Frauen und
Männern induzierbar (Wyssen et al., 2016)
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Experimentelle Studien zu TSF (2)
TSF-B state
35
**
30
25
d = .93
20
15
*
**
**
**
**
KG
EG
10
5
0
Gewichtszunahme
Gefühl dick sein
Bewertung Moral
Drang Reduktion
Drang Restriktion
Total
KG, n = 45, EG, n = 46; T4 = nach Imagination, *p < .05; **p < .01 (Frauenstichprobe)
TSF ist experimentell induzierbar 
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Wyssen, Coelho, Wilhelm, Zimmermann & Munsch, 2016.
Experimentelle Studien zu TSF (3)
Veränderung der Stimmung von T1 zu T4:
Frauenstichprobe
85
• Mittlerer Effekt der
Interaktion Zeit x
Bedingung: F(2.67, 238.93) =
KG
9.19, p < .001, ɳp2 = .092
EG
Stimmung
80
75
70
65
60
T1
T2
T3
T4
• 10% zusätzliche
Varianzaufklärung durch
experimentelle Bedingung
KG, n = 45, EG, n = 46; T2 = nach Medienexposition, T4 = nach
Imagination
TSF ist assoziiert mit einer Verschlechterung der Stimmung und der
Körperbildzufriedenheit 
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Wyssen, Coelho, Wilhelm, Zimmermann & Munsch, 2016.
Experimentelle Studien zu TSF (4)
Moderator Essstörungspathologie
Moderator EDE-Q
60
TSF-B state
50
40
30
20
10
0
0.00 0.50 1.00 1.50 2.00 2.50 3.00
KG n = 45, EG n = 46; X-Achse = EDE-Q
Rohwerte
• EDE-Q Werte erklären
zusätzlich zur exp.
Bedingung 12.9% der
Varianz in TSF-B (R2Change =
KG
.129, F(1, 88) = 17.52, p <
EG
.001)
• Weitere 6.7%
Varianzaufklärung durch die
Interaktion EDE-Q x exp.
Bedingung (R2Change = .067,
F(1, 87) = 10.09, p = .002)
Es besteht eine Vulnerabilität 
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Wyssen, Coelho, Wilhelm, Zimmermann & Munsch, 2016.
Zwischenfazit
1) Zahlreiche „Risikosituationen“ zum Erleben von
Selbst-Ideal-Diskrepanz (u.a. alltägliche
Medienexposition)
2) „Normativ“ hohe Körperbildunzufriedenheit auch
bei Gesunden
3) Wichtige Faktoren scheinen verzerrte
Selbstwahrnehmung und Tendenz zu
körperbezogenen kognitiven Verzerrungen zu sein
4) Körperbezogene kognitive Verzerrungen (TSF)
sind experimentell induzierbar
5) Ansatzpunkte für präventive und therapeutische
Interventionen
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Therapeutische Implikationen (1)
Auslösende Situation
Grundannahmen
Automatischer
Gedanke
z.B. «Ich bin unförmig
und dick.»
Gefühle
z.B. des DickSeins, Ekel
Verhalten
z.B. restriktives
Essverhalten
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Therapeutische Implikationen (2)
 Körperbildtherapie als wichtiger Bestandteil der
Behandlung von Essstörungen
• Körperexposition erhöht Wirksamkeit der Therapie von
Essstörungen; Reduktion negativer Emotionen und Kognitionen
bezüglich Körper (z.B. Vocks et al., 2007)
 Therapeutische Interventionen (KVT)
• Behavioral  Vermeidung, Kontrolle und Rituale reduzieren,
positive Aktivitäten aufbauen, Realitätscheck
• Kognitiv  Identifikation und Umstrukturierung dysfunktionaler
Kognitionen, Etablierung neuer Denkmuster in kritischen
Situationen
• Kognitive Defusion (Acceptance and Commitment Therapy)
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Vocks & Legenbauer, 2010; Cash, 2008.
ACT-basierte therapeutische Interventionen (1)
Fokus auf Defusion und Akzeptanz von Gedanken
Kernaspekte der kognitiven Defusion
 Essstörungspatienten tendieren dazu, mit Gedanken rund um
den Körper/ das Gewicht verschmolzen zu sein (Fusion);
diese diktieren das Verhalten
 Ziel: im Hier und Jetzt präsent sein mit möglichst hoher
psychischer Flexibilität
 Prozess des Denkens wahrnehmen, nicht am Inhalt der
Gedanken haften bleiben
 Fusion-Defusion-Diskriminationstraining
• Qualitativen Unterschied zwischen kognitiver Fusion und
Defusion erlebbar machen
• Distanz zum nicht-hilfreichen Gedanken herstellen, Einfluss und
Belastung reduzieren
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Vortrag am Forum Gesundheitsförderung AG 2017: Positives Körperbild, Dr. phil. Andrea Wyssen, 31.08.2017
Hayes, 2005; Gradwohl, 2014.
Beispiel
„Ich bin unförmig und dick.“
Wird dieser Gedanke wörtlich genommen, dann
muss Patient etwas dagegen tun.
 Was, wenn eine Umformulierung stattfindet mit
Fokus auf Prozess des Denkens statt Inhalt des
Gedankens?
«Ich habe den Gedanken, dass ich unförmig und dick
bin.»
Auslösende
Situation
Grundannahmen
Automatischer
Gedanke
Gefühle
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Verhalten
ACT-basierte therapeutische Interventionen (2)
Fokus auf Defusion und Akzeptanz von Gedanken
Techniken zur kognitiven Defusion
 «Ich habe den Gedanken, dass…»
 Sich die eigene Person mit dem belastenden Gedanken im
Kopf aus der Vogelperspektive (also mit Distanz) vorstellen
 Sich den Gedanken als Kino- oder Radioprogramm
vorstellen
 Variation in der Vokalisierung, z.B. sehr langsam sprechen,
andere Stimme, Song kreieren, mit einer lustigen Melodie
singen
 Gedanken in ein Wort fassen und 20-45 Sekunden lang
wiederholen
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Vortrag am Forum Gesundheitsförderung AG 2017: Positives Körperbild, Dr. phil. Andrea Wyssen, 31.08.2017
Hayes, 2005; Timko, Eifert & Harres, 2013.
ACT: Aktuelle Studienergebnisse



Übung mit rascher Wiederholung von negativen körperbezogenen
Gedanken erwiesen sich als förderlich für die Defusion:
 geringeres Unwohlsein assoziiert mit dem Gedanken sowie
Reduktion der Glaubwürdigkeit der Gedanken (Mandavia et al., 2015)
ACT-Workshop bei gesunden Frauen:
 Signifikanter Rückgang körperbezogener Ängste und
signifikante Steigerung der Körperakzeptanz (Pearson et al., 2012)
ACT-Gruppentherapie für Essstörungspatienten:
 stärkeren Rückgang der Essstörungspathologie in Gruppe
die ACT-Zusatz erhielt, zudem geringere Rehospitalisationsrate
(Juarascio et al., 2013)
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Zusammenfassung und Ausblick
 Kognitive Verzerrungen…
• …erklären einen Teil des Zusammenhangs zwischen
Körperbildunzufriedenheit und Essstörungspathologie.
• …sind experimentell induzierbar.
• …sind emotionsaktivierend und handlungsrelevant.
• …können psychotherapeutisch bearbeitet werden.
 Was braucht es?
• Alltagsnahe Forschung: Z.B. Wo passiert TSF-Induktion?
• Screenings und frühe Identifikation von Risikogruppen
• Untersuchung von moderierenden/mediierenden Faktoren: Was
verstärkt/ vermittelt den negativen Einfluss der Medien?
• Prospektive Längsschnittstudien: Welche Bedeutung hat der kognitive
Stil bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Essstörungen?
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Vortrag am Forum Gesundheitsförderung AG 2017: Positives Körperbild, Dr. phil. Andrea Wyssen, 31.08.2017
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
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Kontakt
Dr. phil. Andrea Wyssen
Universität Fribourg
Lehrstuhl für Klinische Psychologie
und Psychotherapie
Rue de Faucigny 2
1700 Fribourg
[email protected]
http://www.unifr.ch/psycho/staff/wyssen-andrea
Klinik Aadorf AG
Fohrenbergstrasse 23
8355 Aadorf
[email protected]
www.klinik-aadorf.ch
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