GP Physik II - Grundpraktikum Physik

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Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
Teil II
Studiengänge
Physik, Biophysik
Mikrotechnologie und Nanostrukturen
Nebenfach Physik
Wärmelehre
Optik
WS 2015/2016
Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Inhalt
• Geometrische Optik
• Emission von Licht (Spektralanalyse)
• Kohärenz von Wellen (Newtonsche Ringe)
• Optische Materialkonstanten
• Beugung und Interferenz elektromagnetischer Wellen
• Optisches Gitter und Bildentstehung im Mikroskop
• Photometrische Analyse
• Stirling-Motor / Thermodynamische Kreisprozesse
• Spez. Wärmekapazität und Phasenumwandlungen
• Peltier-Effekt
• Wärmeleitung
• Gasgesetze
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil II
Geometrische Optik
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
2H
GO 2
GEOMETRISCHE OPTIK
GEOMETRISCHE OPTIK
Stoffgebiet
Huygenssches Prinzip
Lichtstrahlen
Brechungsgesetz
Fermatsches Prinzip
Optische Abbildungen
Abbildungsgleichungen
Linsensysteme
Kardinalelemente
Abbildungsmaßstab
Subjektive Vergrößerung
Mikroskop
GEOMETRISCHE OPTIK
GO 3
Fragen:
1. Erklären Sie das Fermatsche Prinzip.
2. Erläutern Sie anhand des Fermatschen Prinzips rechnerisch das Reflexionsund Brechungsgesetz.
3. Was versteht man unter dem Huygensschen Prinzip?
4. Erklären Sie die Lichtbrechung an einer Grenzfläche mit dem Huygensschen
Prinzip.
5. Wie lautet die Abbildungsgleichung? Wie konstruiert man bei dünnen Linsen
einen Strahlengang?
6. Wie sind die Hauptebenen eines Linsensystems definiert?
7. Was bedeutet:
a) Astigmatismus
b) chromatische Aberration
c) sphärische Aberration?
8. Zeichnen Sie den abbildenden Strahlengang und den Bündelstrahlengang in
einem Mikroskop. Geben Sie die Größenordnung der üblicherweise verwendeten Brennweiten an.
9. Wie sind Gesamtvergrößerung, Auflösungsvermögen und numerische Apertur
eines Mikroskops definiert? Welche Aufgabe hat die Feldlinse im Mikroskop
zu erfüllen?
10. Zeichnen Sie den Strahlengang in einem astronomischen Fernrohr. Geben
Sie die Größenordnung der üblicherweise verwendeten Brennweiten an.
GO 4
GEOMETRISCHE OPTIK
Grundlagen
Die Aufgabe der klassischen Optik besteht darin, die Ausbreitung des Lichtes in
einem beliebig beschaffenen und begrenzten Medium vorauszusagen. Infolge
der Wellennatur des Lichtes würde die Behandlung jeder derartigen Aufgabe die
Lösung der Maxwell-Gleichungen unter Berücksichtigung der für jedes
Problem charakteristischen Randbedingungen erfordern. Dieses Verfahren stößt
sehr rasch auf außerordentliche mathematische Schwierigkeiten, so daß
vereinfachte Lösungsmethoden notwendig sind.
Besonders einfache Verhältnisse liegen dann vor, wenn sämtliche in einem
Problem auftretenden geometrischen Abmessungen groß sind verglichen mit der
Wellenlänge des Lichtes. In diesem Fall befindet man sich im Gültigkeitsbereich
der "geometrischen Optik". Sie interpretiert die Normalen auf den
elektromagnetischen Wellenflächen als "Lichtstrahlen" und stützt sich auf die
folgenden 4 Gesetze der Erfahrung:
1. Geradlinige Ausbreitung des Lichtes in homogenen Medien, d.h. gerade
Strahlen
2. Unabhängigkeit der Lichtstrahlen
3. Reflexionsgesetz
4. Brechungsgesetz
Diese Gesetze genügen, um den Weg eines Lichtstrahls in einem beliebig
vorgegebenen Medium vorauszusagen, wobei Reflexions- und Brechungsgesetz
u.U. mehrfach anzuwenden sind.
Die vorstehenden Gesetze wurden von Fermat formal in seinem "Prinzip des
kleinsten Lichtweges" zusammengefaßt. Hierbei ist der Lichtweg das Produkt
aus Brechungsindex n und geometrischem Weg s. Mathematisch lautet das
Fermatsche Prinzip:
B
∫ n( s) ds
=
Extremum
A
d.h. ein zwischen zwei festen Punkten A und B beliebig oft reflektierter bzw.
gebrochener Lichtstrahl wählt stets denjenigen geometrischen Weg von A nach
B, für den der Lichtweg ein Extremum ist. Diese Aussage ist ein Sonderfall der
Variationsprinzipien, welche die elegantesten mathematischen Formulierungen
der physikalischen Naturgesetze darstellen.
GEOMETRISCHE OPTIK
GO 5
Da die geometrische Optik die Wellennatur des Lichtes nicht berücksichtigt,
versagt sie überall dort, wo die experimentellen Bedingungen so gehalten sind,
daß ein für Wellen charakteristisches Phänomen auftritt, also:
1) Beim Zusammentreffen mehrerer Lichtwellen mit bestimmten Phasendifferenzen in einem Punkt (Interferenz).
2) Beim Durchgang einer Lichtwelle durch eine Öffnung, deren Abmessungen
mit der Wellenlänge des Lichtes vergleichbar sind (Beugung).
Reflexionsgesetz
Trifft ein Lichtstrahl auf eine Grenzfläche zweier Medien, so wird er teilweise
(oder, im Spezialfall der Totalreflexion, auch ganz) reflektiert (Fig.1).
Fig. 1
Dabei gilt das Reflexionsgesetz: der reflektierte Strahl liegt in der Ebene, die
vom einfallenden Strahl und der Normalen im Auftreffpunkt gebildet wird, und
der Reflexionswinkel ' ist gleich dem Einfallswinkel
α′ = α
Brechungsgesetz
Der Teil des Lichtes, der beim Auftreffen auf eine Grenzfläche in das zweite
Medium eindringt, wird i.a. gebrochen (Fig. 2).
GO 6
GEOMETRISCHE OPTIK
Fig. 2
Dabei gilt das Brechungsgesetz von Snellius:
sin α1
sin α 2
n2
n1
=
Ist n2 < n1, kann es dabei zur Totalreflexion kommen, d.h. das Licht kann nicht
mehr in das Medium 2 eindringen; dies ist dann der Fall, wenn α 2 ≥ 90D wird.
Beachte: Die Brechzahlen n sind i.A. abhängig von der Wellenlänge des Lichtes:
n = n (ω )
(Dispersion)
Dünne Linsen
Unter dünnen Linsen versteht man solche Linsen, deren Dicke sehr klein gegen
ihre Brennweite ist. Dann fallen die Hauptebenen (s. S. (GO 8)) praktisch
zusammen, und es gilt für die Strahlen nahe der optischen Achse die
Linsenformel:
1
f
=
1
a
+
1
b
wobei Gegenstandsweite a, Bildweite b und Brennweite f von der Linsenmitte
gerechnet werden.
GEOMETRISCHE OPTIK
GO 7
Die Brechkraft 1 f einer solchen Linse ist durch den Brechungsindex n und die
Krümmungsradien r1 und r2 der kugelförmigen Begrenzungsflächen festgelegt
nach:
1
f
=
( n − 1) ⎛⎜⎝ r1
1
+
1⎞
⎟
r2 ⎠
Für Sammellinsen gilt f > 0, für Zerstreuungslinsen entsprechend f < 0.
Zur Konstruktion eines Bildes kann man auf die Berechnung der Bildlage
verzichten, wenn man die folgenden ausgewählten Strahlen zeichnet (Fig. 3):
1) den Parallelstrahl (1), der vom Gegenstand parallel zur optischen Achse
verläuft und daher zu einem Brennpunkt hin gebrochen wird (bei der
Sammellinse ist es der hinter der Linse liegende Brennpunkt, bei der
Zerstreuungslinse zeichnet man den virtuellen Strahl zu dem Brennpunkt, der
vor der Linse liegt).
2) den Brennstrahl (3), der vom Gegenstand durch einen Brennpunkt geht und
daher so gebrochen wird, daß er danach parallel zur optischen Achse verläuft
(Bei der Sammellinse ist es der vor der Linse liegende, bei der Zerstreuungslinse der hinter der Linse liegende Brennpunkt).
3) den Mittelpunktsstrahl (2), der durch den Durchstoßpunkt der optischen
Achse in der Linsenebene verläuft und nicht gebrochen wird.
Fig. 3
GO 8
GEOMETRISCHE OPTIK
Eine alternative Möglichkeit zur Bildkonstruktion ist die graphische
Bestimmung der Bildweite mit Hilfe der folgenden Abbildung, die die
graphische Entsprechung der Abbildungsgleichung darstellt und daher alle
Abbildungs-möglichkeiten
durch
Sammelund
Zerstreuungslinsen
zusammenfaßt:
Fig. 4
Man findet die Bildweite, indem man von dem Punkt der Gegenstandsweite auf
der Abszisse eine Gerade durch den Punkt (f,f) legt. Ihr Schnittpunkt mit der
Ordinate liefert auf dieser die zugehörige Bildweite. Wegen der Beziehung
B/G = b/g (B = Bildgröße, G = Gegenstandsgröße, b = Bildweite, g = Gegenstandsweite) ergibt sich daraus direkt auch der Abbildungsmaßstab B/G der
Abbildung und damit die Größe des Bildes.
Der Punkt (f,f) liegt bei Sammellinsen im oberen rechten Quadranten, bei
Zerstreuungslinsen -da dort die Brennweite negativ gezählt wird- im unteren
linken Quadranten. Fällt die Bildweite auf den negativen Ast der
Ordinatenachse, so ist das Bild virtuell.
Linsensysteme
Zur Korrektur der Abbildungsfehler sind Systeme mehrerer Linsen erforderlich,
deren Dicke i.A. nicht mehr klein gegen die Brennweite ist. Auch das Auge ist
ein solches System mit mehreren brechenden Flächen.
GEOMETRISCHE OPTIK
GO 9
Fig. 5
Im Prinzip kann die Abbildung mittels solcher Systeme durch sukzessive
Anwendung der Abbildungsgleichung auf jede Linse des Systems ermittelt
werden. Diese Methode ist aber sehr umständlich. Man kann sie umgehen,
indem man eine gegenstandsseitige und eine bildseitige Hauptebene einführt
(Fig. 5). Mißt man die Bildweite von der bildseitigen, die Gegenstandsweite von
der gegenstandsseitigen Hauptebene aus, so gilt die Abbildungsgleichung auch
für Linsensysteme und für Linsen, deren Dicke groß gegen die Brennweite ist.
Mit den Hauptebenen führt man ein optisches Ersatzbild ein, wobei die Wege
der Lichtstrahlen und ihre Brechungen innerhalb des Linsensystems außer acht
gelassen werden. Die beiden Hauptebenen brauchen nicht innerhalb des
Linsensystems zu liegen, wie die Beispiele in Fig. 6 zeigen:
Fig. 6
Die Hauptebenen lassen sich durch Konstruktion folgender fiktiver Strahlen
(Fig. 5) finden: der achsenparallel einfallende Strahl (1) durchläuft das System
unbeeinflußt bis zur bildseitigen Hauptebene H2 und wird dort zum bildseitigen
Brennpunkt hin gebrochen; der durch den gegenstandsseitigen Brennpunkt
gehende Strahl (3) erfährt dagegen an der gegenstandsseitigen Hauptebene H1
eine einmalige Brechung und durchläuft dann als Parallelstrahl das System. Den
Mittelpunktsstrahl, den man bei dünnen Linsen zur Bildkonstruktion verwendet,
kann man in Linsensystemen nicht einzeichnen. Es gibt jedoch bei allen
GO 10
GEOMETRISCHE OPTIK
Abbildungen einen fiktiven Strahl, der in seiner Richtung durch das System
nicht abgelenkt, sondern nur parallel versetzt wird, nämlich den Strahl (2). Seine
Schnittpunkte mit der optischen Achse sind die sog. "Knotenpunkte" K1 und K2
Hauptebenen und Knotenpunkte bezeichnet man als "Kardinalelemente". Mit
ihrer Hilfe läßt sich eine Abbildung eines Linsensystems also ähnlich einfach
konstruieren wie bei dünnen Linsen. Man muß sich dabei jedoch vor Augen
halten, daß die Anordnung der Kardinalelemente zwar dieselben abbildenden
Eigenschaften hat wie das Linsensystem, wenn wir uns an die angegebenen
Vorschriften zur Konstruktion der fiktiven Strahlen halten, die wirklichen
Strahlen innerhalb des Systems aber ganz anders verlaufen.
Ein einfacher Spezialfall eines Linsensystems ist das Objektiv aus zwei dünnen
Linsen der Brennweiten f1 und f2 Die resultierende Brennweite ist gegeben
durch
1
1
f1
=
f res
1
f2
+
d.h. die Einzelbrechkräfte addieren sich zur Gesamtbrechkraft. Dies gilt
allerdings nur, wenn der Linsenabstand D klein ist gegenüber f1 und f2 Wenn
diese Bedingung nicht erfüllt ist, muß man die allgemeine Beziehung
heranziehen:
1
f res
=
1
f1
+
1
f2
−
D
f1 ⋅ f2
BÜNDELSTRAHLENGANG
Zur Darstellung der tatsächlich in einem System auftretenden, wirksamen
Strahlen zeichnet man den Bündelstrahlengang. Der Querschnitt des von einem
Gegenstandspunkt ausgehenden und durch das optische System laufenden
Bündels von Lichtstrahlen ist durch Blendenöffnungen begrenzt, beispielsweise
durch die Fassung der Linse. Da i.a. die ausgezeichneten Strahlen, die man zur
Bildkonstruktion verwendet, nicht in dem Bündel enthalten sind, muß man bei
der Konstruktion des Bündelstrahlengangs das Abbildungsgesetz zur
Berechnung der Bildweite zu Hilfe nehmen oder zusätzlich den abbildenden
Strahlengang zeichnen. Der die realen Verhältnisse eines optischen Systems
berücksichtigende Bündelstrahlengang ermöglicht Aussagen über die Helligkeit
von Bildpunkten, über das Gesichtsfeld, sowie über die auftretenden
Abbildungsfehler. Zwei Blenden begrenzen im wesentlichen die durch ein
optisches System laufenden Strahlen, die Aperturblende und die
GEOMETRISCHE OPTIK
GO 11
Gesichtsfeldblende. Die Aperturblende oder Öffnungsblende bestimmt den
Öffnungswinkel der von den Gegenstandspunkten ausgehenden Lichtbündel.
Damit ist durch sie die Helligkeit der entsprechenden Bildpunkte festgelegt, d.h.
die durch das optische System übertragene Strahlungsleistung. Die
Aperturblende bestimmt neben der Bildhelligkeit auch das Auflösungsvermögen
optischer Instrumente (z.B.: Das Auflösungsvermögen des Mikroskops hängt
vom Öffnungswinkel ab). Als Gesichtsfeld bezeichnet man diejenige Fläche in
der Gegenstandsebene, aus welcher Lichtstrahlen durch das System laufen
können. Die Blende, die das Gesichtsfeld begrenzt, nennt man
Gesichtsfeldblende. Sie bestimmt also, welche Gegenstandspunkte abgebildet
werden. In Fig. 7 ist an einem einfachen Beispiel die Wirkung der beiden
Blenden gezeigt.
Fig. 7
Die Gesichtsfeldblende beispielsweise eines Mikroskops oder Fernrohrs erkennt
man als schwarze Umrandung des beobachteten Gegenstandsfeldes. Durch
geeignete Zusatzlinsen (Kondensor- oder Feldlinsen, s.u.) gelingt es, das
Gesichtsfeld optischer Instrumente zu vergrößern. Wird das Bild mit dem Auge
betrachtet, so übernimmt oft die Augenpupille die Rolle der Gesichtsfeldblende.
Mikroskop
Das Mikroskop dient zur stark vergrößerten Betrachtung kleiner Gegenstände,
die direkt vom Auge kaum oder nicht mehr wahrgenommen werden können. Das
Auge kann Strukturen eines Gegenstandes in deutlicher Sehweite nicht mehr
auflösen, wenn ihr gegenseitiger Abstand kleiner als 0,1 mm ist. Mit dem
Lichtmikroskop kann man hingegen noch benachbarte Punkte im Abstand von
5 ⋅ 10−4 mm auflösen, d. h. getrennt erkennen. Geeignete Linsensysteme
GO 12
GEOMETRISCHE OPTIK
ermöglichen es, reelle Bilder großer Vergrößerungen mit geringen
Abbildungsfehlern zu erzeugen. Daher entwirft man im Mikroskop zuerst ein
reelles Zwischenbild und von diesem dann mit einer Lupe ein nochmals
vergrößertes virtuelles Bild, das mit dem Auge betrachtet wird. Meist fügt man
der Lupe (die auch Augenlinse genannt wird) noch eine Korrekturlinse, die sog.
Feld- oder Kollektivlinse bei und bezeichnet beide zusammen als Okular. Um
eine Ermüdung des Auges zu vermeiden, wird das virtuelle Bild normalerweise
ins Unendliche gelegt. Das objektiv meßbare Maß für die Vergrößerung bei
Betrachtung mit dem Auge ist der Sehwinkel , den die Verbindungsgeraden
zweier Gegenstandspunkte mit dem Auge bilden. Je näher ein Gegenstand dem
Auge, desto größer ist . Wenn sich der Gegenstand in der deutlichen Sehweite s0
befindet, dann bezeichnen wir den Sehwinkel mit ε0. Als Vergrößerung oder
subjektive Vergrößerung definieren wir:
Vs
=
tan ε
tan ε 0
Fig. 8
Beim Mikroskop erfolgt die Vergrößerung in zwei Schritten (Fig. 10):
a) Das kurzbrennweitige Objektiv erzeugt ein stark vergrößertes reelles Bild der
Größe B1 mit dem Abbildungsmaßstab V1 = B1 A , wobei A die Gegenstandsgröße ist.
b) Die anschließende Lupenvergrößerung durch das Okular liefert das virtuelle
Endbild B mit der subjektiven Vergrößerung Vs . In unserem Versuch soll das
Endbild nicht im Unendlichen liegen, sondern in deutlicher Sehweite s0. (Der
Grund dafür ist, daß es dann eine einfache direkte Bestimmungsmethode für
GEOMETRISCHE OPTIK
GO 13
die Gesamtvergrößerung gibt, die in Aufgabe 3 durchgeführt wird). In diesem
Fall ist das Endbild endlich groß, und wir erhalten den Abbildungsmaßstab
V2 = B B1 . Die Gesamtvergrößerung ergibt sich als Produkt der
Abbildungsmaßstäbe: Vges = V1 ⋅ V2 .
Autokollimationsmethode
Fig. 9
Die Brennweite einer Sammellinse läßt sich unter Benutzung der
Abbildungsgleichung bestimmen, indem man eine Abbildung ausmißt. Eine
einfachere Methode stellt aber die "Autokollimation" dar.
Prinzip:
Befindet sich ein Gegenstand im Brennpunkt einer Sammellinse, so sind die von
ihm ausgehenden Lichtstrahlen hinter der Linse parallel, so daß sie - wenn sie
von einem senkrecht zur optischen Achse stehenden ebenen Spiegel reflektiert
werden - von der Linse wieder im Brennpunkt vereinigt werden. D.h. genau
dann, wenn der Abstand zwischen Gegenstand und Linse gleich der Brennweite
f der Linse ist, entsteht am Ort des Gegenstandes eine 1:1-Abbildung. Dreht man
den Spiegel um einen kleinen Winkel, so kann man Objekt und Bild
nebeneinander betrachten.
Mit dieser Methode lassen sich nur Sammellinsen ausmessen. Man kann sie aber
auch auf Zerstreuungslinsen anwenden, wenn man diese mit einer
starkbrechenden Sammellinse mit bekannter Brennweite zu einem Linsensystem
mit sammelnder Wirkung zusammensetzt. Die auf Seite (GO 9) angegebene
Beziehung ermöglicht es dann, die Brennweite der Zerstreuungslinse aus der
resultierenden Brennweite zu berechnen.
GO 14
GEOMETRISCHE OPTIK
Aufgaben
1) Man bestimme mit Hilfe der Autokollimationsmethode die Brennweite von
2 dünnen Sammellinsen und einer Zerstreuungslinse.
2) Man bestimme die Brennweite und die Lage der Hauptebenen eines
Linsensystems. Dazu erzeugt man mittels einer Hilfslinse ein paralleles
Lichtbündel (Prüfen mit Autokollimation). Dieses parallele Licht wird vom
Linsensystem im Brennpunkt vereinigt. Das entstandene Bild fängt man mit
einem Schirm auf. Da die Lage der Hauptebenen nicht bekannt ist, kann man
daraus die Brennweite nicht direkt bestimmen. Man wählt sich statt dessen
eine Ablesemarke am Linsensystem und mißt die Entfernung AblesemarkeSchirm, l1 = h1 + f, wobei h1 der Abstand zwischen Ablesemarke und
Hauptebene H1 ist. Nun entfernt man die Hilfslinse und macht eine
1:1-Abbildung
mit
dem
Linsensystem
(Prüfen:
Bildgröße=Gegenstandsgröße). Diese Abbildung liegt im Abstand 2f von der
Hauptebene H1. Die Entfernung Ablesemarke-Schirm beträgt also jetzt
l 2 = 2 f + h1. Aus den beiden Meßwerten für l1 und l2 kann man die
Brennweite f und den Abstand h1, d.h. die Lage der Hauptebene H1 ,
bestimmen. Zur Bestimmung von H2 dreht man das Linsensystem um 180°
und führt die gleiche Messung durch.
Fertigen Sie dann eine Skizze des Linsensystems an (mit Lage der
Hauptebenen und der Brennpunkte).
Die Brennweite f wird noch auf eine andere Weise bestimmt, nämlich indem
man die Vergrößerung V=B/A=b/a für zwei verschiedene Bildweiten b1 und
b2 mißt. Aus der Abbildungsgleichung erhält man:
f
=
( b1 − b2 ) ( V1 − V2 )
Hierbei ist b1 - b2 gleich der Verschiebung des Schirms gegenüber dem
Objektiv. V1 und V2 werden jeweils durch Ausmessen von Bild- und
Gegenstandsgröße ermittelt.
3) Man baue ein Mikroskop auf und bestimme seine Gesamtvergrößerung.
a) Aufbau
Als Objektiv verwende man das kurzbrennweitige Linsensystem, das in
Aufg. 2 vermessen wurde. Mit einem Schirm beobachtet man, an welcher
Stelle das vom Objektiv entworfene reelle Zwischenbild entsteht. Dieses
Zwischenbild wird mit einer Lupe betrachtet (virtuelles Bild).
b) Bestimmung der Gesamtvergrößerung aus den Einzelvergrößerungen. Die
Vergrößerung V des Mikroskops ist abhängig von der Vergrößerung des
Objektivs V1 und der des Okulars V2 und ergibt sich zu V = V1 ⋅ V2. Das
vom Objektiv entworfene reelle Zwischenbild kann direkt mit einem Schirm
GEOMETRISCHE OPTIK
GO 15
mit mm-Teilung aufgefangen werden: V1 = B1/A. Das mit dem Okular
betrachtete Bild ist virtuell, kann also nicht auf einem Schirm aufgefangen
werden. Daher kann auch die Vergrößerung nicht gemessen werden, sondern
sie muß mit Hilfe der Abbildungsgleichung berechnet werden, unter
Verwendung der Bedingung, daß das Endbild in deutlicher Sehweite s0 liegen
soll. Die Vergrößerung V2 des Okulars ergibt sich dann zu
V2
=
s0
f2
+ 1
c) Direkte Bestimmung der Gesamtvergrößerung.
Eine einfache Art der direkten Vergrößerungsbestimmung besteht darin, eine
Skala in den Strahlengang einzublenden, die zugleich mit dem Endbild
betrachtet wird. Sie besteht aus einer cm-Teilung und wird über einen
halbdurchlässigen Spiegel hinter dem Okular betrachtet. Wichtig ist, daß ihr
Abstand vom Auge gleich dem Bildabstand ist (deutliche Sehweite
s0=25cm).
Fig. 10
Man kann so die vom Mikroskop vergrößerte mm-Teilung und die cmTeilung der Skala gleichzeitig beobachten, also die Vergrößerung direkt
ablesen.
d) Man baue das Okular des Mikroskopes aus einer Feldlinse und einer Lupe
auf und beschreibe qualitativ die Veränderung des Bildes gegenüber
demjenigen ohne Feldlinse.
GO 16
GEOMETRISCHE OPTIK
Teilversuch Vario-Linsensystem:
Grundlagen:
Setzt man ein System aus zwei Einzellinsen der Brennweiten f1 und f2
zusammen, so ergibt sich die resultierende Brennweite fr aus dem
"Additionstheorem"
1
fr
=
1
1
+
f1
f2
(1)
wenn der Linsenabstand d sehr klein gegen die Brennweiten ist. Andernfalls gilt
die allgemeine Beziehung
1
fr
=
d
1
1
+
−
f1
f2
f1 ⋅ f2
(2)
Variiert man d, so erhält man ein System mit variabler Brennweite, die
einfachste Form eines sog. "Zoom-Objektivs" oder "Vario-Objektivs".
Versuchsdurchführung:
Verwendet werden eine Plankonvex- und eine Plankonkavlinse, deren
Krümmungsradien betragsmäßig gleich sind, |r1| = |r2|, und die aus Material mit
gleichem Brechungsindex hergestellt sind. Direkt aufeinandergelegt (d = 0)
ergeben sie eine planparallele Glasplatte, damit ist fr = ∞. Vergrößert man nun d
mit Hilfe des roten Drehknopfes, so resultiert ein endliches fr.
Aufgabe 1:
Die Krümmungsradien der beiden Linsen L1 und L2 betragen r1 = +20mm,
r1' = ∞ und r2 = -20mm, r2' = ∞. Der Glasbrechungsindex sei n = 1.50.
Berechnen Sie die Einzelbrennweiten f1 und f2 (Die Linsen sind in guter
Näherung als dünne Linsen anzusehen.).
Aufgabe 2:
Bestimmen Sie die Systembrennweite fr in Abhängigkeit vom Linsenabstand d.
Variieren Sie d in Intervallen von 2mm zwischen d = 5mm und d = 15mm.
Hinweis:
Sie können die Brennweite entweder bestimmen, indem Sie mit dem
Linsensystem eine 1:1-Abbildung der beleuchteten mm-Skala der Lichtquelle
auf dem Schirm entwerfen, oder indem Sie mittels einer Hilfslinse, in deren
Brennebene die mm-Skala steht, parallele Lichtbündel auf das Linsensystem
treffen lassen. In beiden Fällen kann der Abstand zwischen den Hauptebenen
des Linsensystems als klein gegen die Meßgrößen vernachlässigt werden.
GEOMETRISCHE OPTIK
GO 17
Aufgabe 3:
Stellen Sie die gemessene Abhängigkeit der Brechkraft 1/fr von d graphisch dar.
Bestimmen Sie daraus die Brennweiten f1 und f2 der Einzellinsen (Dies ist
möglich, wenn Sie voraussetzen, daß wegen der gleichen KrümmungsradiusBeträge die beiden Brennweiten f1 und f2 betragsmäßig gleich sind.). Zeichnen
Sie zum Vergleich den aus Gl.(2) folgenden Verlauf mit den Zahlenwerten der
Aufgabe 1.
Frage:
Können Sie abschätzen,ob die Hauptebenen des Linsensystems
a) innerhalb der beiden Linsen
b) symmetrisch zur Mitte zwischen den beiden Linsen
liegen?
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil II
Emission von Licht
(Spektralanalyse)
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0H
Version 2 (11/2015 PF)
2
Emission von Licht
Ziel des Versuchs
Innerhalb dieses Versuchs soll mit einfachen Mitteln die Emissionspektren verschiedener
Atome und Moleküle quantitativ untersucht werden. Dabei kommen sowohl auf Prismen als
auch auf Gittern basierende Spektrometer zum Einsatz. Die theoretische Grundlage bildet das
Bohrsche Atommodell, welches trotz seines klassischen Ursprungs eine gute Vorhersage der
Spektren des Wasserstoffatoms liefert.
1.
Fragen
1. Was ist ein Spektrum? Wie kommt es zustande? Wodurch unterscheiden sich die Spektren
einer Glühlampe, einer Na-Dampf-Lampe und eines Lasers?
2. Warum widerspricht das Rutherfordsche Atommodell der klassischen Elektrodynamik?
Wie löste Bohr das Problem in seinem Atommodell? Welches Atommodell wird heute in
der Regel angewandt?
3. Welcher Zustand des Wasserstoffatoms ist energetisch höher? Geben Sie eine physikalische Begründung an.
a. Kern und Elektron getrennt,
b. Elektron in stationärem Zustand in Kernnähe.
4. Welche physikalische Bedeutung haben Haupt-, Neben- und magnetische Quantenzahl (n,
l, m)? Nennen Sie die physikalischen Größen, deren Quantisierung sie beschreiben. Welche Quantenzahl ist für die innerhalb dieses Versuchs beobachteten Spektren relevant?
5. Was versteht man unter den Begriffen Rydberg-Formel, Serie, Seriengrenze und Ionisation? Welche Serien gibt es im Wasserstoff-Atom? Was besagt das Bohrsche Korrespondenzprinzip?
6. Skizzieren Sie den Aufbau und die Wirkungsweise eines Prismen-Spektralapparates und
eines Gitter-Spektralapparates. Wodurch ist das Auflösungsvermögen dieser Spektralapparate bestimmt?
7. Was sind die Natrium-D-Linien? Wie kommen Sie zustande?
8. Machen Sie sich mit der Datenbank http://www.nist.gov/pml/data/asd.cfm für Spektrallinien vertraut.
2.
Einführende Literatur
•
W. Demtröder, Experimentalphysik 3 - Atome, Moleküle und Festkörper
4. Auflage (Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2010)
http://link.springer.com/book/10.1007%2F978-3-642-03911-9
•
I.V. Hertel, C.-P. Schulz, Atome, Moleküle und optische Physik 1
(Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2008)
http://link.springer.com/book/10.1007%2F978-3-662-46808-1
•
H. Haken, H.C. Wolf, Atom- und Quantenphysik
(Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2004)
Emission von Licht
3
3.1 Prismenspektrometer
Infolge der Wellenlängenabhängigkeit des Brechungsindex n lässt sich mit Hilfe eines Prismas eine Wellenlängenanalyse des Lichtes durchführen. Hierbei ergibt sich der Ablenkungswinkel als Funktion des Brechungsindex sowie der geometrischen Form des Prismas. Die
Fähigkeit, zwei Spektrallinien zu trennen, bezeichnet man als Auflösungsvermögen A. Wenn
S die wirksame Basislänge eines Prismas ist, dann ist A bestimmt durch:
A
=
dn
λ
= S
dλ
∆λ
(1)
Abb. 1: Lichtweg in einem symmetrischen
Prisma.
Δλ ist der Abstand der beiden Linien, die gerade noch getrennt erscheinen, dn/dλ die Dispersion des Prismenmaterials. Der im Versuch genutzte Spektrograph besitzt ein Prisma konstanter Ablenkung nach Abbe (Abb. 2). Man kann es sich zusammengesetzt denken aus zwei 30°Prismen, die mit einem 90°-Prisma kombiniert sind. Die Ablenkungen - nicht die Dispersion der 30°-Prismen heben einander auf. An der Fläche a-b wird der Strahl totalreflektiert.
Abb. 2: Prisma konstanter Ablenkung nach Abbe.
Dieses Prisma gestattet den Bau eines Spektrometers mit konstanter Ablenkung des Lichtbündels um 90° zwischen Kollimator und Fernrohr. Unterschiedliche Wellenlängen werden
einfach durch Drehung des Prismas mittels einer Stellschraube in das Gesichtsfeld des Fernrohrs gebracht.
4
Emission von Licht
3.2 Gitterspektrometer
Fällt paralleles, monochromatisches Licht (Wellenlänge λ) senkrecht auf ein Strichgitter, so
beobachtet man in der Brennebene einer Linse scharfe Intensitätsmaxima (Spektrallinien)
unter Beugungswinkeln α, die der Beziehung
d sin α = zλ
(2)
genügen. Dabei bedeuten d die Gitterkonstante und z die Ordnung des betreffenden Maximums. Wegen (2) ist bei festem d und z jeder Wellenlänge λ ein bestimmter Winkel α zugeordnet, unter dem die dieser Wellenlänge entsprechende Spektrallinie erscheint. Enthält das
Licht verschiedene Wellenlängen, so findet durch das Gitter eine Spektralzerlegung statt.
Durch Ausmessen der Winkel α, unter denen die Linien des Spektrums erscheinen, kann
dann, bei bekanntem d und z, aus (2) die zugehörige Wellenlänge errechnet werden.
Abb. 3: Prinzip eines Gitterspektrometers.
Das Auflösungsvermögen eines Gitterspektrometers mit N beleuchteten Spalten und der Ordnung des Maximums z lautet:
A
=
4.
λ
= Nz
∆λ
(3)
Versuchsdurchführung
Aufgabe 1: Eichung der Spektrometer
Zunächst wird das Spektrometer geeicht, das heißt der Zusammenhang zwischen Wellenlänge
und Prismen- bzw. Gitterdrehung gesucht. Zur Eichung wird hier ein Hg-Spektrallampe benutzt, in deren Lampenkolben die Atome des Hg-Dampfes zur Aussendung seines charakteristischen Linienspektrums angeregt werden. Die Wellenlängen dieses Spektrums sind bekannt und am Arbeitsplatz angegeben. Durch Drehen des Prismas mittels einer Stellschraube
können die einzelnen Spektrallinien, die mit einem Fernrohr beobachtet werden, über ein Fadenkreuz im Okular des Fernrohres geschoben werden. Die Eichung wird so durchgeführt,
dass die Linien nacheinander ins Fadenkreuz gedreht werden, und die dazugehörige Prismenstellung an einer Skala abgelesen wird. Man erhält so einzelne Punkte, die sich durch eine
Anpassung (Fit) zu einer Eichkurve verbinden lassen. Auch für das Gitterspektrometer muss
diese Eichung durchgeführt werden. Machen Sie sich im Vorfeld Gedanken zur Wahl der
Anpassungsfunktion.
Emission von Licht
5
Aufgabe 2: Analyse von Spektren
Mit Hilfe der Eichkurve lassen sich jetzt beliebige Spektren (deren Linien in diesen Eichbereich fallen) analysieren. Bestimmen Sie die Wellenlängen der Linienspektren der Elemente
Na, He und Ne. Diese Linienspektren werden in Spektrallampen mit Na-, He- bzw. NeFüllung angeregt. Bestimmen Sie die Spektren dieser Lampen sowohl mit dem Gitter- als
auch mit dem Prismenspektrometer.
Aufgabe 3: Analyse von Wasserstoffspektren
Im letzten Teil des Versuchs wird eine sogenannte Geißlerröhre (gefüllt mit H2) benutzt. Sie
sendet neben den charakteristischen Linienspektren des H-Atoms auch das Molekülspektrum
des H2-Moleküls aus, welches dem Atomspektrum überlagert ist und die Identifizierung des
letzteren etwas erschwert.
Zur Auswertung
1. Erstellen Sie Eichkurven für Gitter- und Prismenspektrometer durch eine physikalisch
sinnvolle Anpassung der gemessenen Linien der Hg-Dampflampe.
2. Ordnen Sie anhand der Datenbank-Einträge (http://www.nist.gov/pml/data/asd.cfm) alle
gemessenen Linien einem Übergang im jeweiligen Atom/Molekül zu. Beachten Sie dabei,
dass die Datenbank auch die relative Intensität der Spektrallinien angibt. In diesem Versuch können nur die hellsten Linien gemessen werden. Geben Sie den relativen Fehler zu
jeder Linie an.
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil II
Kohärenz von Wellen
(Newtonsche Ringe)
Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Version 4 II(10/2014 MD)
2
Kohärenz von Wellen
Ziel des Versuchs
Mit dem Versuch sollen „Interferenzen gleicher Dicke“ untersucht werden. Mit ihrer Hilfe
soll der Krümmungsradius einer plankonvexen Linse gemessen werden. Mit diesem Ergebnis
sollen Brechungsindizes, die Wellenlängendifferenz zweier Spektrallinien und die Kohärenzlängen verschiedener Lichtquellen bestimmt werden.
1.
Fragen
1. Was versteht man unter „Interferenzen gleicher Neigung“ und „Interferenzen gleicher Dicke“?
2. Wie hängt bei senkrechtem Lichteinfall das Reflexionsvermögen an einer ebenen Grenzfläche mit den (absoluten) Brechungsindizes n1 und n2 der beiden Medien zusammen?
3. Wie sind Interferenzfilter aufgebaut?
4. Wie interferieren zwei Wellenzüge, die zueinander senkrecht polarisiert sind?
5. Warum ist bei dem Versuch der Kontaktpunkt zwischen Linse und Glasplatte dunkel?
2.
Einführende Literatur
• D. Meschede, Gerthsen Physik
24. Auflage (Springer-Verlag, Heidelberg 2010)
Kap. 11.1
• L. Bergmann, C. Schaefer, Lehrbuch der Experimentalphysik - Band 3 Optik
10. Auflage (Walter de Gruyter,Berlin 2004)
Kap. 3
• W. Schenk, F. Kremer, Physikalisches Praktikum
13. Aufl. (Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2011)
S. 257
• Titelbild:
I. Newton, Opticks: Or a Treatise of the Reflexions, Refractions, Inflexions and Colours of
Light
1. Edition (Smith and Walford, London 1704) p. 177
(http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k3362k)
• Anwendungen:
Optical Techniques for Measuring Flatness
(Edmund Optics Inc., 101 East Gloucester Pike, Barrington, NJ 08007-1380, USA)
http://www.edmundoptics.com/learning-and-support/technical/learning-center/applicationnotes/optics/optical-flats/
Kohärenz von Wellen
3
3.
Grundlagen
3.1
Die statistische Lichtquelle
Schall- oder Radiowellen kann man mit entsprechenden Sendern streng periodisch über beliebig lange Zeiten erzeugen. Ist die Sendergröße sehr viel kleiner als die Wellenlänge, werden
Kugelwellen ausgesandt. In großem Abstand vom Sender kann man diese für kleine Raumwinkelbereiche durch ebene Wellen hinreichend genau nähern. Allgemein ist eine ebene monochromatische Welle gegeben durch die Gleichung
A ( x, t ) =
f1 (ωt − kx) + f 2 (ωt + kx)
(1)
wobei A die Amplitude, ω die Kreisfrequenz, t die Zeit, x die Ausbreitungsrichtung und k =
ω/c die Wellenzahl bedeuten (c ist die (Licht)geschwindigkeit).
Anders sind die Verhältnisse bei konventionellen Lichtquellen auf Grund des Entstehungsmechanismus des von ihnen ausgestrahlten Lichtes.
Die lichtaussendenden Zentren in der Lichtquelle sind Atome oder Moleküle, deren Elektronen durch Energiezufuhr in angeregte Zustände gehoben werden. Bei Rückkehr in den
Grundzustand innerhalb von 10-15 s bis 10-8 s wird Energie in Form einer gedämpften Welle
abgestrahlt. Diese kann näherungsweise als ein Wellenzug mit begrenzter Länge aufgefasst
werden. Die einzelnen Akte der Lichtemission verschiedener Atome sind voneinander statistisch unabhängige Vorgänge, daher „statistische“ Lichtquelle. Dies gilt nur für spontane
Emission, also nicht für die induzierte Emission, auf der der Laser-Effekt beruht. Die Emissionsdauer Δt bestimmt die Länge lc des ausgesandten Wellenpaketes:
lc = c∆t
(2)
Über eine Fourier-Reihe kann man sich ein Wellenpaket als eine Überlagerung von unendlich
vielen Einzelwellen mit verschiedenen Frequenzen in einem Frequenzintervall Δν (der sogenannten Bandbreite) um eine mittlere Frequenz ν0 herum vorstellen, und es gilt
∆t ∆ν ≈ 1
(3)
Mit Gl. (2) ergibt sich mit der Bandbreite Δλ des Lichtes
lc ≈
3.2
λ2
∆λ
(4)
Interferenz
Interferenzerscheinungen entstehen, wenn mehrere Wellensysteme zusammentreffen. Der
resultierende Vorgang kann näherungsweise durch ungestörte Überlagerung der einzelnen
Wellensysteme konstruiert werden. Das durch Überlagerung der Lichtwellenfelder resultierende Wellenfeld wird dadurch erhalten, dass man die primären Felder vektoriell addiert. Die
Addition der Feldstärken führt dazu, dass sich die Intensitäten, die durch die Quadrate der
Feldstärken gegeben sind, i.a. nicht einfach additiv überlagern. Man bezeichnet daher speziell
beim Licht, wo lediglich die Intensitäten beobachtet werden können, jede Abweichung von
der Additivität der Intensität bei der Überlagerung als Interferenz. Das Prinzip der ungestörten
Überlagerung gilt in der Elektrodynamik nur für kleine elektrische Feldstärken. Bei großen
Feldstärken, wie sie mit Lasern erzeugt werden können, treten sogenannte nichtlineare optische Effekte auf.
4
3.3
Kohärenz von Wellen
Kohärenz
Zwei Wellen nennt man kohärent wenn zwischen beiden Wellen eine feste Phasenbeziehung
besteht. Ändert sich diese in zusammenhangloser Weise, so nennt man die Wellen inkohärent.
Interferenz kann nur beobachtet werden, wenn die sich überlagernden Wellenzüge kohärent
sind. Kohärenz und Inkohärenz sind zwei Extremfälle für die Phasenbeziehung zweier Lichtwellen. Bei zwei Wellenfeldern, die von zwei unabhängigen Lichtquellen erzeugt werden,
hängt die Phasendifferenz im Allgemeinen vom Ort und von der Zeit ab, an denen die Wellenfelder beobachtet werden. Man spricht in diesem Fall von partieller Kohärenz. Oft bezieht
man den Kohärenzbegriff aber auch auf ein einzelnes Wellenfeld oder auf die erzeugende
Lichtquelle. Bei Interferenzexperimenten werden nämlich die interferierenden Wellen meist
von einer einzigen Lichtquelle erzeugt. Aus ihrem Wellenfeld werden an zwei verschiedenen
Orten zwei Teilwellen abgeleitet. Interferenz tritt auf, falls diese kohärent sind. Das gesamte
Wellenfeld wird als örtlich kohärent bezeichnet, falls die Schwingungen der elektrischen
Feldstärke an beliebigen Punkten eine feste Phasenbeziehung besitzen. Entsprechend ist ein
Wellenfeld bzw. eine Lichtquelle zeitlich kohärent, falls die Schwingungen an einem beliebigen Punkt zu verschiedenen Zeiten eine konstante Phase besitzen.
Aus dem Kontrast der Interferenzfiguren kann man den sogenannten Kohärenzgrad als ein
Maß für den Betrag der Kohärenz herleiten
v=
I max − I min
I max + I min
(5)
wobei Imax und Imin die zeitlichen Mittelwerte der Lichtintensitäten in benachbarten Interferenzmaxima und -minima sind.
L1
Spiegel
P
L
Spiegel
L2
Abb. 1: Erzeugung zweier interferenzfähiger Lichtwellen aus einer punktförmigen Lichtquelle.
Trotz ihrer Inkohärenz ist es mit konventionellen Lichtquellen möglich, Interferenzerscheinungen zu beobachten. Man zerlegt dazu das von einer Quelle emittierte Licht in zwei Teilwellen (Abb. 1). Von dem Punkt L wird eine Kugelwelle ausgestrahlt. Durch Blenden (nicht
dargestellt) werden aus der Welle zwei Lichtbündel ausgeblendet, die auf die beiden Spiegel
treffen. Falls die Lichtquelle hinreichend klein ist (im Idealfall nur ein Atom) und die ausgestrahlte Kugelwelle einem einzigen Emissionsakt entstammt, sind die beiden Teilbündel zueinander kohärent und zeigen nach Umlenkung durch die Spiegel im Punkt P Interferenz.
3.4
Kohärenzzeit und Kohärenzlänge
Auch Lichtwellen, die von einem einzigen Emissionszentrum ausgehen, sind nicht notwendigerweise kohärent. Die von einem Emissionszentrum zeitlich hintereinander ausgestrahlten
Wellenzüge haben eine statistische Phasenlage zueinander. Kohärent sind nur Teilwellenzüge,
Kohärenz von Wellen
5
die von einem einzigen Emissionsakt stammen. Daraus folgt, dass die Wegdifferenz zwischen
den beiden Wellen in Abb. 1 nicht größer sein darf als die Länge eines Wellenzuges, damit
Interferenz beobachtet werden kann. Die maximal zulässige Wegdifferenz, die etwa gleich der
Länge eines Wellenzuges ist, wird als Kohärenzlänge l bezeichnet und entspricht der Länge
des Wellenzugs (Gl. (2)). Die entsprechende Zeit, die das Licht braucht, um die Kohärenzlänge zurückzulegen, ist die Kohärenzzeit
τ=
l
c
(6)
Für verschiedene Lichtquellen ergeben sich stark verschiedene Werte für die Kohärenzlänge.
Für sehr scharfe Spektrallinien hat man Längen von rund 1 m gefunden; damit ergibt sich eine
Kohärenzzeit von etwa 10-8 s, eine Zeit sehr klein gegen die Beobachtungsdauer. Für weißes
Licht, das das ganze sichtbare Spektrum enthält, ist die Kohärenzlänge nur etwa 10-4 cm.
L’1
r’1
P
L’’1
x1
L’2
x2
r’’1
2φ
r’2
r’’2
L’’2
l
Abb. 2: Erzeugung interferenzfähiger Lichtwellen aus einer ausgedehnten Lichtquelle L1L2.
Das in Abb. 1 dargestellte Verfahren zur Erzeugung kohärenten Lichtes mit einem einzigen
Emissionszentrum ist stark vereinfacht. In einem realen Interferenzexperiment benutzt man
immer leuchtende Flächen mit endlicher Ausdehnung. In Abb. 2 ist die Punktquelle L durch
eine ausgedehnte Lichtquelle L1L2 ersetzt. Analog zur Abb. 1 ergeben sich dann durch Spiegelung die virtuellen Lichtquellen L‘1L‘‘1 und L‘2L‘‘2. Alle Punkte einer leuchtenden Fläche
senden statistisch untereinander völlig inkohärente Wellen aus. Wir betrachten den ungünstigsten Fall, nämlich die Endpunkte L‘1 und L‘‘1 bzw. L‘2 und L‘‘2, alle anderen Punkte können analog behandelt werden.
Die von L‘l und L‘2 bzw. von L‘‘l und L‘‘2 ausgehenden Wellen sind jeweils untereinander
kohärent und interferieren, da sie denselben Punkten der ursprünglichen, leuchtenden Fläche
entsprechen. Die von L‘l und L‘2 im Punkt P erzeugte Intensität hat z.B. ein Maximum, da r‘1
= r‘2. Die Differenz der Phasenkonstanten sei null. Um die von L‘‘l und L‘‘2 erzeugte Gesamtintensität in P bestimmen zu können, muss ihre Wegdifferenz berechnet werden
r2′′ − r1′′=
x22
x12
x + l − x + l = l 1+ 2 − l 1+ 2
l
l
2
2
2
2
1
2
Für große Abstände von P zu der Lichtquelle ( l  x1 , x2 ) gilt
6
Kohärenz von Wellen

x22  
x12  x22 − x12 ( x2 − x1 )( x2 + x1 )
=
r2′′ − r1′′≈ l 1 + 2  − l 1 + =
2 
2l
2l
 2l   2l 
x2 − x1
≈ 4a sin ϕ mit a =
2
a ist die Ausdehnung der Lichtquelle. Damit die von L‘‘1 und L‘‘2 erzeugte Intensitätsverteilung in P ebenfalls ein Maximum hat, muss deren Weglängendifferenz klein gegen λ/2 sein;
für λ/2 hätte deren Intensitätsverteilung in P ein Minimum. Damit ergibt sich eine Forderung
für die Ausdehnung a der Lichtquelle:
a
λ
4sin ϕ
≈
λ
4ϕ
(7)
Während die Kohärenzzeit eine Eigenschaft des Wellenpaketes und damit der Lichtquelle ist,
hängt die Kohärenzlänge von der Geometrie der Versuchsanordnung ab. Zur Verbesserung
der zeitlichen Kohärenz muss man die Bandbreite herabsetzen (z.B. durch Benutzung eines
Farbfilters oder eines Monochromators), zur Verbesserung der räumlichen Kohärenz kann
man den Abstand zwischen Lichtquelle und Beobachtungspunkt vergrößern. Damit können
auch sehr große Lichtquellen wie Sterne für Interferenzexperimente benutzt werden, falls sie
genügend weit entfernt sind, d.h. φ in Gl. (7)entsprechend klein ist.
3.5
Interferenz zweier Wellen gleicher Frequenz
Zwei Sinuswellen mit gleicher Frequenz und Wellenzahl sollen interferieren:
A1 =
a1 sin (ωt − kx1 ) und A2 =
a2 sin (ωt − kx2 )
Die durch Überlagerung entstehende Welle A3 ist ebenfalls sinusförmig und mit den Additionstheoremen für den Sinus erhält man für den zeitlichen Mittelwert
a32 = a12 + a22 + 2a1a2 cos ( kd )
mit der Phasendifferenz kd = k(x2 – x1) zwischen den beiden Wellen. Die Intensität i der ebenen Wellen ist proportional zu a2, damit ergibt sich
i3 = i1 + i2 + 2 cos ( kd ) i1i2
Für die Beobachtbarkeit der Interferenz ist der zeitliche Mittelwert der Intensitäten I entscheidend, da das Auge oder sonstige Nachweisgeräte sehr träge sind im Vergleich zur Schwingungsdauer des Lichtes. Ist die Phasendifferenz zeitlich konstant, so erhalten wir
I 3 = I1 + I 2 + 2 cos ( kd ) I1 I 2
(8)
Die Gesamtintensität I3 ist also i.a. nicht gleich der Summe der Einzelintensitäten, sondern
schwankt an verschiedenen Orten um den Mittelwert I1 + I2. Maximale Gesamtintensität tritt
auf, wenn der Gangunterschied zwischen den beiden Wellen im Beobachtungspunkt so groß
ist, dass die cos-Funktion den Wert 1 annimmt.
Sind die Amplituden beider Wellen gleich (a1 = a2), so ist Imax = 4I1 und Imin = 0. Die beiden
Wellen sind also vollständig kohärent zueinander, aus Gl. (5) folgt v = 1. Wechselt dagegen
die Phasendifferenz d mit der Zeit sehr rasch, so wird das Zeitmittel des Interferenzterms Null
2 I1 I 2 cos ( kd (t ) ) = 0
Kohärenz von Wellen
7
und als zeitlichen Mittelwert der resultierenden Intensität erhalten wir I3 = I1 + I2. Die beiden
Wellen sind also zueinander inkohärent, d.h. v = 0.
Es sei daran erinnert, dass unter Wegdifferenz oder Gangunterschied immer die Differenz der
optischen Wege gemeint ist, d.h. das Produkt aus Brechzahl n und der geometrischen Wegdifferenz.
3.6
Interferenz mit polychromatischem Licht
Im einfachsten Fall besteht das Licht aus zwei Spektrallinien verschiedener Frequenzen ω1
und ω2, deren Wellenpakete wir näherungsweise als monochromatisch ebene SinusWellenzüge gleicher Amplitude a beschreiben
=
A1 a sin (ω1t − k1 x + ϕ1 ( t ) ) und =
A2 a sin (ω2t − k2 x + ϕ2 ( t ) )
φ1(t) und φ2(t) sind im allgemeinen zeitabhängige Phasen: Sie werden für jeden einzelnen
Wellenzug als konstant angenommen, können aber zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zügen variieren. Bei der Überlagerung beider Wellen entsteht eine Welle, deren Amplitude sich
räumlich und zeitlich ändert. Dieses Verhalten ist die Verallgemeinerung des aus der Schwingungslehre her bekannten Begriffs der Schwebung. Die Anwendung der Additionstheoreme
ergibt
B= A1 + A2= 2a sin ( Ωt − Kx + Φ ) cos (ωt − kx + ϕ )
Ω
=
mit
(ω1 + ω2 )
2
ω
=
(ω1 − ω2 )
2
K=
(k1 + k2 ) / 2
k=
(k1 − k2 ) / 2
Φ
= (ϕ1 + ϕ 2 ) / 2
ϕ= (ϕ1 − ϕ2 ) / 2
Die Welle B werde in einem Interferenzversuch in zwei Teile B1 und B2 aufgespalten, wobei
die Welle B2 einen um d längeren optischen Weg zurücklegt, bevor die Wellen interferieren.
Der Vereinfachung halber nehmen wir an, die Aufspaltung von B erfolge in gleichintensive
Teile. Die beiden interferierenden Teilwellen sind dann
=
B1 a sin ( Ωt − Kx + Φ ) cos (ωt − kx + ϕ )
B=
a sin ( Ωt − K ( x + d ) + Φ ) cos (ωt − k ( x + d ) + ϕ )
2
Der zeitliche Mittelwert der Gesamtintensität bei Überlagerung beider Teilwellen ergibt sich
zu
=
I const ( B1 + B=
const ( B12 + B22 + 2 B1 B2 )
2)
2
= I1 + I 2 + 2const ( B1 B2 )
(9)
Wie in 3.5 ergibt sich die Gesamtintensität als Summe der Einzelintensitäten I1 und I2 zuzüglich eines Interferenzterms. Für die Entstehung von beobachtbaren Interferenzfiguren ist letzterer entscheidend. Mit Hilfe der Additionstheoreme erhält man
2 B=
const ⋅ 2a cos ( kd ) cos ( Kd )
1 B2
(10)
Abb. 3 zeigt den aus den Gln. (9) und (10) folgenden Verlauf der zeitgemittelten Gesamtintensität als Funktion des Gangunterschieds d. Berechnet man nach Gl. (5) den Betrag des Kohärenzgrades, so findet man
8
Kohärenz von Wellen
v = cos(kd )
(11)
Der Kohärenzgrad oszilliert also mit d zwischen 0 und 1, die Nullstellen liegen bei
2m + 1
2m + 1
=
d m π= π c
2k
ω1 − ω2
4I1
2I1
0
d
π/2K
0
Abb. 3: Überlagerung zweier Lichtwellen mit unterschiedlicher Frequenz als
Funktion des Gangunterschieds d.
Diese Betrachtungen kann man auch für Licht eines ausgedehnten Spektralbereichs durchführen. Dieser Spektralbereich sei rechteckig (Abb. 4). Wir unterteilen ihn in quasimonochromatische Bereiche, die wir mit 1, 1', 2, 2', 3, 3' usw. durchnummerieren. Die Überlagerung jedes
Paares (n,n') können wir mit Gl. (9) beschreiben. Den zugehörigen Kohärenzgrad vn,n' finden
wir mit Gl. (11). Man sieht, dass min(d0(n,n')) = d0(1,1'), also bestimmt das Paar der am weitesten voneinander entfernten Linien (1,1'), d.h. die spektrale Bandbreite, den Kohärenzbereich mit v ≠ 0.
I
1 2 3 ...
... 3'2'1'
ω
Abb. 4: Rechteckiger Spektralbereich unterteilt in quasimonochromatische Bereiche mit sich überlagernden Paaren n,n'.
3.7
Newtonsche Ringe
Fällt (fast) monochromatisches von oben auf eine auf einer ebenen Glasplatte aufliegende,
schwach gekrümmte Linse, so beobachtet man im reflektierten (wie auch im durchgehenden)
Licht ein System konzentrischer, abwechselnd heller und dunkler Ringe. Das Licht wird dabei
teilweise an der Linsenunterseite, teilweise auch erst an der Glasplatte reflektiert. Die beiden
Bündel sind aufgrund ihrer Entstehung aus ein und demselben auftreffenden Bündel kohärent.
Beide Teile interferieren miteinander aufgrund ihres Gangunterschiedes. Beobachten kann
man diesen Interferenzeffekt in Form von Interferenzringen (den sogenannten „Newtonschen
Interferenzringen“). Sie stellen Kurven gleichen Abstandes zwischen Linsenfläche und Planfläche dar. Sie entstehen durch Interferenz der Teilbündel, welche an den die Schicht mit Brechungsindex n zwischen Linse und Glasplatte begrenzenden Oberflächen reflektiert werden.
Kohärenz von Wellen
9
Abb. 5 zeigt den Versuchsaufbau. Die Linse wird auf eine ebene Glasplatte gelegt und von
oben mit monochromatischem Licht beleuchtet, die Interferenzringe werden in Reflexion von
oben beobachtet. Dies wird durch einen Strahlteiler realisiert, der sowohl das Licht von der
Seite nach unten lenkt, als auch die Beobachtung des reflektierten Lichts mit einer Kamera
von oben erlaubt.
Abb. 5: Aufbau des Versuchs zur Beobachtung der Newtonschen Ringe.
Im Abstand r vom Berührungspunkt der Linse mit der ebenen Platte hat die Luftschicht zwischen Linse und Platte die Dicke d0 +d. d0 berücksichtigt den Fall, dass sich Platte und Linse
nicht ideal berühren. Ein Staubkorn vergrößert den Abstand, bei Druck auf die Linse kann der
Abstand verkleinert werden. Die in Abb. 5 getrennt gezeichneten an der Unterseite der Linse
bzw. an der Glasplatte reflektierten Strahlen interferieren. Vernachlässigt man die Brechung
der Strahlen in der Linse, beträgt der Wegunterschied der beiden Wellenzüge d0 +d. Die Reflexion des zweiten Wellenzugs erfolgt am optisch dichteren Medium, was durch den Phasensprung von 180° zu einem zusätzlichen Gangunterschied von λ/2 führt. Damit ergibt sich der
gesamte Gangunterschied zu
∆=
x 2(d 0 + d )n +
λ
2
(12)
wobei n der Brechnungsindex ist (nLuft ≈ 1). Damit ergibt sich eine Phasenverschiebung von
δ= 2π
∆x 4π
=
(d 0 + d )n + π
λ
(13)
δ =2π k (k =±1, ±2,...)
(14)
λ
Ist
10
Kohärenz von Wellen
verstärken sich die interferierenden Wellenzüge und es entsteht ein heller Ring, da längs eines
Kreises um den Berührungspunkt von Linse und Platte die Phasenverschiebung konstant ist.
Ist die Phasenverschiebung
δ =π (2k − 1) (k =±1, ±2,...)
(15)
löschen sich die interferierenden Wellenzüge aus und es entsteht ein dunkler Ring.
R
M
R
Linse
d
Glasplatte
rk
Abb. 6: Zusammenhang zwischen dem Radius rk des k-ten Rings und der Dicke d.
Abb. 6 zeigt, wie man den Zusammenhang zwischen dem Radius rk des k-ten Rings und der
Dicke d ermitteln kann. Unter Berücksichtigung, dass die Dicke d sehr klein gegen den
Krümmungsradius R der Linse ist, ergibt sich mit dem Höhensatz
2
rk=
d (2 R − d ) ≈ 2 Rd
(16)
Mit Gl. (13), (15) und (16) ergibt sich dann für die dunklen Ringe
rk2,min =−
(k 1) R
λ
− 2 Rd 0
n
(17)
bzw. mit Gl. (13), (14) und (16) für die hellen Ringe
1 λ

rk2,max =
 k −  R − 2 Rd 0
2 n

(18)
Kohärenz von Wellen
4.
11
Versuchsaufbau und Versuchsdurchführung
In dem in Abb. 5 dargestellten Versuchsaufbau wird das Bild der Beugungsringe mit einer
lichtstarken Schwarzweißkamera aufgenommen. Das Objektiv hat eine feste Brennweite und
einen festen Arbeitsabstand. Der CCD-Chip der Kamera besteht aus 768×564 Pixel, von denen aber nur 512×512 verwendet werden. Das Analogsignal der Kamera wird mit Hilfe eines
Video-Grabbers (PCI-1407) durch einen 8-bit D/A Wandler so digitalisiert, das ein weißer
Punkt durch den Zahlenwert 255 und ein schwarzer Punkt durch den Zahlenwert 0 dargestellt
wird.
Abb. 7: Einstellungsfenster des „Measurement & Automation Explorer (MAX)“
für die benutzte Kamera.
Die Bilderfassung erfolgt mit Hilfe des „Measurement & Automation Explorer (MAX)“, der
Teil des LabVIEW-Pakets ist. Dazu starten Sie MAX und wählen Sie (Abb. 7) in der Sektion
Geräte und Schnittstellen unter NI-IMAQ Devices die Grabber-Karte (PCI-1407) und die Kamera (Newton) aus. Jetzt können Sie mit Snap Einzelbilder aufnehmen oder mit Grab kontinuierlich Bilder aufnehmen. Save Image speichert die Bilder ab. Unter dem Reiter Acquisition
Parameters können Sie insbesondere den aufgenommenen Bildausschnitt (512×512) und die
Referenzwerte für Weiß und Schwarz einstellen.
Legen Sie das Blatt mit Millimeterteilung auf die plane Glasplatte und stellen Sie die Kamera
scharf. Speichern Sie ein Bild zur Kalibrierung Ihrer Messungen ab. Mit diesem Bild können
Sie den Umrechnungsfaktor „Anzahl Kamera Pixel“ in mm bestimmen.
12
Kohärenz von Wellen
Aufgabe 1: Bestimmung des Krümmungsradius der Linse
Legen Sie die Linse auf die Glasplatte und beleuchten Sie die Anordnung mit dem Licht einer
Na-Dampflampe. Diese emittiert praktisch monochromatisches Licht bei einer Wellenlänge
von 589.3 nm (Na-D Dublett bei 588.9950 nm und 589.5924 nm). Justieren Sie den Strahlteiler und die Lampe so, dass Sie eine möglichst gleichmäßige Ausleuchtung erhalten. Die
Lichtintensität können Sie über zwei Polarisationsfilter regeln. Suchen Sie zunächst durch
grobes Verschieben den Mittelpunkt der Newtonschen Ringe, mit Hilfe des Verschiebungstisches können Sie den Mittelpunkt zentrieren. Versuchen Sie möglichst viele Ringe sichtbar zu
machen, optimieren Sie Beleuchtungsstärke, Schärfe und Kontrast. Speichern Sie Ihre schönsten Bilder ab.
Aufgabe 2: Bestimmung des Brechungsindex von destilliertem Wasser
Bringen Sie einen Tropfen destilliertes Wasser auf die Glasplatte und setzen Sie die Linse auf.
Damit haben Sie den Raum zwischen Linse und Glasplatte mit Wasser statt mit Luft gefüllt.
Führen Sie eine Messung wie in Aufgabe 1 durch. Mit dem Ergebnis der Aufgabe 1 für den
Radius der Linse können Sie den Brechungsindex von Wasser bestimmen.
Aufgabe 3: Wellenlängendifferenz zweier Linien des Hg-Spektrums
Aus dem Licht einer Hg-Dampflampe werden durch ein Langpassfilter zwei Linien mit den
Wellenlängen λ1 und λ2 herausgefiltert. Zur Bestimmung der Wellenlängendifferenz misst
man die Lage der Sichtbarkeitsminima der mit den beiden Linien erzeugten dunklen
Newtonschen Ringe. Dazu zählen Sie man die Ringe bis zum ersten, zweiten, dritten und vierten Minimum der Sichtbarkeit der Newtonschen Ringe. Ein Sichtbarkeitsminimum bedeutet
einen Kohärenzgrad v = 0. Aus Gl. (11) folgt für v = 0
π
kd =
bzw.
( 2w − 1)
2
( 2w − 1)
 ∆λ 
 2 d =
2
λ 
w = 1,2,3,4 ist die Ordnung des entsprechenden Sichtbarkeitsminimums. Für den z-ten
Newtonschen Ring (z = 0,1,2,,…) gilt außerdem
=
d
( 2 z + 1)
λ
2
λ (λ1 + λ2 ) / 2 ergibt sich
Mit der mittleren Wellenlänge =
∆λ
λ
=
( 2w − 1)
( 2 z + 1)
561 nm setzen.
Da ∆λ  λ1 , λ2 ist kann man hier λ1 ≈ λ2 ≈ λ =
Aufgabe 4: Kohärenzlänge von Licht mit verschiedenen spektralen Bandbreiten.
Bestimmen Sie die Kohärenzlänge lc von Licht mit verschiedenen spektralen Bandbreiten:
a) Weißes Licht: Als mittlere Wellenlänge wähle man λ = 555 nm , dies entspricht dem Maximum der Farbempfindlichkeit des menschlichen Auges. Die Bandbreite der Augenempfindlichkeit ist etwa ∆λ ≈ 100 nm (Halbwertsbreite).
b) Blaufilter mit λ = 470 nm , ∆λ =
60 nm
c) Interferenzfilter mit λ = 581nm , ∆λ =
13nm
d) Na-Dampflampe mit λ = 589.3nm . Schätzen Sie die durch den Linsendurchmesser gegebene untere Grenze für lc ab.
Kohärenz von Wellen
13
Bestimmen Sie die maximale Zahl der dunklen Ringe zmax und berechnen Sie daraus lc. Zeigen Sie, dass lc = zmax λ gilt. Vergleichen Sie die Ergebnisse mit den aus Gl. (2) folgenden
theoretischen Werten für die Kohärenzlängen.
5.
Hinweise zur Auswertung
Die quantitative Auswertung der Bilder erfolgt am besten in dem Programm Origin, dass inzwischen (aktuelle Version ist 9.0) auch viele Werkzeuge zur Bildbearbeitung und Bildauswertung enthält. Pixel-Bilder werden in Origin als Matrix importiert (in unserem Fall als
(512×512)-Matrix mit Zellenwerten zwischen 0 (= schwarz) und 255 (= weiß). Zum Import
der Bilder erzeugen Sie in Origin eine neue leere Matrix (Abb. 8 links)
Abb. 8: Import der Bilder als Matrix in Origin 9.0.
Aktivieren Sie durch anklicken die Matrix und importieren Sie in diese über das Menü File →
Import → Image to Matrix das Bild (Abb. 8 rechts).
Die Auswertung zur Bestimmung des Radius der Linse umfasst nach dem Import des Bildes
folgende Schritte:
• Optional: Kontrast und/oder Schärfe optimieren.
• Bild invertieren, d.h. die konstruktive Interferenzen (Maxima) werden zu dunklen Ringen, die Minima (destruktive Interferenz) zu hellen. Die Minima lassen sich besser bestimmen, die Invertierung erleichtert das spätere Fitten (ist in Origin 8.5 und neuer nicht
mehr unbedingt notwendig, in diesen Versionen können genauso einfach „negative“ Lorentz-Funktionen gefittet werden).
• Die Lage der Ringe wird durch eine Profilierung des Bildes bestimmt (Menü Plot →
Image → Image Profiles). Suchen Sie das beste horizontale und/oder vertikale Profil
durch den Mittelpunkt, mitteln Sie dabei über mehrere (z.B. 3) Pixel. Plotten sie das
beste Profil in einem eigenen Graphen.
14
Kohärenz von Wellen
• Bestimmung der Lage von möglichst vielen Maxima (d.h. der dunklen Ringe) mit dem
Gadget „Quick Fit“ mit einer Lorentz-Funktion. Tragen Sie die Ordnung und die Werte
in neues Worksheet ein.
• Zeichnen Sie nun die Beugungsordnung als Funktion der Lage in Pixel oder in mm,
falls Sie bereits eine Kalibrierung durchgeführt haben. Fitten Sie die Daten mit einer Pa2
rabel der Form =
y A x − x0 zur Bestimmung des Mittelpunkts des Interferenzbildes
(s. Gl. (17)). Mit diesem Wert können Sie nun eine Zeichnung für die Ordnung als
Funktion von r2 erstellen.
• Die Steigung der an diese Werte angepassten Ausgleichsgeraden liefert dann den gesuchten Radius R der Linse.
Spätestens jetzt, optional auch bereits nach der Profilierung des Bildes benötigen Sie eine
Kalibrierung von Pixel in mm:
• Importieren Sie das Eichbild (mm-Papier) in Origin.
• Optional: Kontrast und/oder Schärfe optimieren.
• Profilieren Sie das Bild und bestimmen die Lage der Maxima in mm als Funktion der
Pixel-Nummer.
• Erzeugen Sie davon eine Zeichnung, passen Sie eine Ausgleichsgerade an die Daten an.
Mit y[mm] = a + bx[Pixel] können Sie dann alle Pixel-Werte in mm umrechnen.
Geräteliste
•
•
•
•
•
Linse und optisch plane Glasplatte auf Verschiebetisch
Mintron CCD Videokamera MS-168FP mit Video-Grabber NI PCI-1407 und PC
Strahlteiler 50/50
Weißlichtlampe, Na-Dampflampe, Hg-Dampflampe
Polarisations-, Farb-, Bandpass- und Interferenzfilter
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil II
Optische Materialkonstanten
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
2H
OM 2
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
Stoffgebiet
Ausbreitung elektromagnetischer Wellen
Brechung
Dispersion
Absorption
Reflexion
Emissions- und Absorptionsspektren
Spektralapparate
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
OM 3
Fragen:
1. Was versteht man unter einer Materialkonstanten ?
2. Nennen Sie je zwei Materialkonstanten aus den Gebieten Mechanik,
Wärmelehre, E-Lehre und Optik.
3. Was versteht man unter der Dualität des Lichtes ?
4. Was versteht man unter dem Poynting-Vektor ?
5. a) Wie ist der Brechungsindex definiert, und wie lautet das
Snelliussche Brechungsgesetz ?
b) Was bedeuten normale und anomale Dispersion ?
6. Wie unterscheiden sich die Absorptionsspektren von Festkörpern oder
Flüssigkeiten von denen gasförmiger Stoffe ?
7. Wie lautet das Reflexionsgesetz ?
Fällt ein Lichtstrahl senkrecht auf einen nichtabsorbierenden Stoff mit
2
ebener Grenzfläche, so gilt: R = [( n − 1) / ( n + 1)] .
Wieviel Prozent werden also von einer Grenzfläche mit
reflektiert?
n=1.5
8. Berechnen Sie mit Gleichung (1) die Zusammenhänge von ε 1 bzw. ε 2
mit n und k.
9. Man leite Gleichung (9) für die von einer absorbierenden Platte
durchgelassene Intensität her.
10. Was versteht man unter Phasengeschwindigkeit und Gruppengeschwindigkeit einer Welle ?
OM 4
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
Grundlagen:
Absorptionsfreie Spektralbereiche
Äußere elektrische Felder vermögen Materie zu polarisieren. Im Falle
elektrostatischer oder langsam veränderlicher Felder ist diese
Polarisierung mit dem Kondensator meßbar, und zu ihrer Beschreibung
dient als Materialkonstante die Dielektrizitätskonstante.
Auch elektromagnetische Wellen sehr hoher (optischer) Frequenzen treten
im wesentlichen über ihr elektrisches Feld in Wechselwirkung mit
Materie, und zur Beschreibung dieser Wechselwirkung werden die
Hochfrequenz-Dielektrizitätskonstante ε oder der Brechungsindex n
verwendet. Beide sind Funktionen der Kreisfrequenz ω bzw. der
Wellenlänge λ des Lichtes. Zwischen ihnen gilt die Beziehung
ε (ω ) = [n(ω )]2
(1)
Anmerkungen:
Im allgemeinen sind - analog zum Beispiel der elastischen Materialkonstanten
die
optischen
Materialkonstanten
von
der
Ausbreitungsrichtung der Welle im Material abhängig, stellen also
Tensoren dar (Beispiel: Einkristalle mit niedriger Kristall-Symmetrie).
Viele Stoffe jedoch sind isotrop, so daß sich ihre optischen
Materialkonstanten auf skalare Größen reduzieren.
Wie die elastischen Konstanten beschreiben die optischen Konstanten die
lineare Reaktion der Materie auf das Feld, also nur den Bereich, wo der
Betrag der dielektrischen Verschiebung proportional zum Betrag der
elektrischen Feldstärke ist. Manche Laser können jedoch so hohe
Feldstärken erzeugen, daß dieser Proportionalitätsbereich überschritten
wird („Nichtlineare Optik“).
Gleichung (1) gilt unter der Voraussetzung, daß die Permeabilität des
Stoffes μ=1 ist. Dies gilt im optischen Spektralbereich praktisch immer.
Im weiteren soll angenommen werden, daß ein Monochromator aus dem
von der Lichtquelle ausgesandten Gemisch von Strahlung verschiedener
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
OM 5
Wellenlängen Wellen herausgefiltert habe, die näherungsweise eben und
monochromatisch mit der Kreisfrequenz ω sind. Durchlaufen diese einen
Stoff mit dem Brechungsindex n, so läßt sich ihre elektrische Feldstärke E
folgendermaßen beschreiben:
(2)
⎧
⎫
x
E(ω) = E 0 ⋅ exp ⎨− iω ( t − n(ω) ) ⎬
⎩
⎭
c
Dabei bedeuten: E 0 = Amplitude ; i = imaginäre Einheit ; t = Zeit ;
x = Raumkoordinate in Ausbreitungsrichtung der
Welle;
c = Lichtgeschwindigkeit im Vakuum.
Spektralbereiche mit Absorption
Variiert man die Frequenz der Strahlung, so zeigt sich: In gewissen
Frequenz- bzw. Spektralbereichen werden den Stoff durchlaufende Wellen
gedämpft; der Stoff absorbiert. Diese Absorption kann durch Atome,
Moleküle, Ionen oder auch durch Anregungen von Schwingungen des
Kristallgitters oder (in Metallen) durch die Leitungselektronen erfolgen.
Die Amplitude der Welle nimmt dann beim Durchlaufen des Stoffes
exponentiell ab, und man führt zu ihrer Beschreibung die
frequenzabhängige Absorptionskonstante K( ω) ein:
(3)
⎧ − K(ω) ⎫
⎧
⎫
x
E(ω) = E 0 ⋅ exp⎨
x ⎬ ⋅ exp ⎨− iω ( t − n(ω) ) ⎬
⎩ 2
⎭
⎩
⎭
c
⎧ − K(ω ) ⎫
wobei E 0 ⋅ exp⎨
x⎬ die infolge der Absorption nun ortsabhängige
⎩ 2
⎭
Amplitude darstellt. Der Messung zugänglich ist jedoch nicht die
Feldstärke, sondern der zeitliche Mittelwert der ihrem Quadrat
proportionalen Intensität I(ω). Dieser klingt im Innern des absorbierenden
Stoffes gemäß der Beziehung
(4)
I(ω ) = I 0 ⋅ exp{ − K(ω ) ⋅ x}
OM 6
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
ab, wie man aus Gleichung (3) erkennt. I 0 ist der zeitliche Mittelwert der
Intensität am Ort x = 0, d.h. bei Eintritt in das absorbierende Medium.
Anstelle von K wird häufig auch der Absorptionskoeffizient κ = K ⋅ c 2ω
verwendet. Setzt man ihn in Gl.(3) ein, so erhält man durch eine einfache
Umformung eine der Gl.(2) ähnliche Beziehung:
⎧
⎫
x
E(ω) = E 0 ⋅ exp ⎨− iω ( t − n (ω) ) ⎬
⎩
⎭
c
(5)
wobei n eine komplexe Größe, den komplexen Brechungsindex, bedeutet,
der sich aus n und k zusammensetzt:
n(ω ) = n(ω ) + i k (ω )
(6)
Nimmt man an, Gl.(1) gelte auch für absorbierende Stoffe, so kann man
Hochfrequenzmit
dieser
Gleichung
die
komplexe
Dielektrizitätskonstante definieren:
ε(ω ) = ε1(ω ) + i ε 2 (ω)
(7)
Der Zusammenhang von ε 1 und ε 2 mit n und k ist durch Gl.(1) festgelegt.
Realteil ε 1 und Imaginärteil ε 2 haben einfache physikalische
Bedeutungen: ε 1 beschreibt die Polarisation des absorbierenden Stoffes,
ε 2 ist ein Maß für die pro Zeiteinheit absorbierte Energie.
Die optischen Konstanten ε (ω) bzw. n(ω ) bestimmen nicht nur Farbe und
Aussehen der Materie, vielmehr sind die Meßwerte der optischen
Material-konstanten auch geeignet, wesentliche Aussagen über den
atomaren Aufbau und das physikalische Verhalten kondensierter Materie
zu liefern. Dabei ist es weitgehend willkürlich, ob man den komplexen
Brechungsindex n(ω) oder die komplexe Dielektrizitätskonstante ε (ω) zur
Beschreibung der Wechsel-wirkung des Lichtes mit Materie verwendet.
Bisher wurde nur die im Innern eines Stoffes laufende Welle betrachtet.
Aber auch an den Grenzflächen zwischen Materie und Vakuum bzw.
zwischen zwei verschiedenen Stoffen wird die Welle verändert: Ein Teil
der auftreffenden Strahlung wird reflektiert.
Am einfachsten beschreibt man diesen Anteil, wenn man das
Reflexionsvermögen R( ω) einführt:
I refl = R(ω) ⋅ I e inf
(8)
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
OM 7
wobei I einf und I ref die einfallende und die reflektierte Intensität
bedeuten. R( ω) ist abhängig von den optischen Materialkonstanten und
zusätzlich vom Einfallswinkel.
Nun können wir den Weg einer Lichtwelle durch eine planparallele,
absorbierende Probe der Dicke d verfolgen:
Die einfallende Intensität I einf wird beim Auftreffen auf die erste Grenzfläche um den Anteil I ref geschwächt. Der in den Stoff eindringende Teil
der Strahlung erfährt beim Durchlaufen der Probe eine Dämpfung gemäß
Gl.(4) und trifft dann auf die zweite Grenzfläche. Wieder wird ein Teil
reflektiert. Den durchgelassenen Anteil der Strahlung wollen wir mit
I durch bezeichnen. Er kann dann hinter der Probe mit einem Photometer
gemessen werden.
Anmerkung:
Der an der zweiten Grenzfläche reflektierte Strahl wird beim Auftreffen
auf die erste Grenzfläche wieder teilweise reflektiert, durchläuft nochmals
die Probe und so fort. Meist kann man diese vielfach reflektierten Anteile
wegen ihrer geringen Intensität außer acht lassen. Dies soll auch hier
geschehen.
Mit Gl.(4) und Gl.(8) erhält man für die durchgelassene Intensität:
(9)
I durch (ω) = [1 − R(ω)]2 ⋅ exp{− K(ω) ⋅ d} ⋅ I e inf (ω)
Aus dem Energieerhaltungssatz folgt, daß die Summe aus reflektierter
Intensität, absorbierter Intensität I abs und durchgelassener Intensität
gleich der einfallenden Intensität ist:
(10)
I einf ( ω) = I refl ( ω) + I abs ( ω) + I durch ( ω)
Aufgabe 1
Man messe das Absorptionsspektrum (genauer: den spektralen Verlauf
der Größe exp{+K( λ )d}) einer wäßrigen Farbstofflösung im
Wellenlängen-bereich 450 nm ≤ λ ≤ 700 nm und stelle es graphisch dar.
OM 8
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
Meßanordnung:
Als Lichtquelle dient die Glühlampe GL, deren Strahlung zur spektralen
Zerlegung durch das Linsensystem L1 auf ein Verlauf-Interferenzfilter VF
gebündelt wird. Durch seitliche Verschiebung des Filters kann man den
spektralen Durchlassbereich verändern. Die mittlere Wellenlänge der
durchgelassenen Strahlung wird an der in nm geeichten Skala abgelesen
(Die spektrale Bandbreite des durchgelassenen Lichtes beträgt etwa 15
nm).
Die Linse L2 erzeugt ein Parallelbündel, das dann auf die mit der
Farbstofflösung gefüllte Küvette K trifft. Für Aufgabe 2 der Versuche A,B
und C kann diese um ihre vertikale Achse gedreht werden. Mit Hilfe einer
Verschiebevorrichtung kann man die Küvette gegen eine zweite Küvette
austauschen. Die durchgelassene Intensität trifft dann auf ein
Sperrschicht-Photoelement SP, dessen Photostrom durch das Galvanometer G angezeigt wird.
Versuchsdurchführung:
Aus Gl.(9) erkennt man, daß I durch von K und R abhängt. In unserem
Versuch wird durch einen Trick der Einfluß von R eliminiert, so daß man
das Absorptionsspektrum unverfälscht erhält. Da nämlich die wäßrige
Farbstofflösung stark verdünnt ist, ist die reflektierte Strahlung praktisch
gleich der an einer mit reinem Lösungsmittel gefüllten Küvette. Mißt man
nun die Intensität hinter einer mit reinem Wasser gefüllten Küvette, so
erhält man [1 − R(ω)]2 ⋅ I e inf (ω) . Schiebt man dann die mit der Lösung
gefüllte Küvette in den Strahlengang und mißt I durch , so liefert der
Quotient beider Meßwerte nach Gl.(9) direkt die Größe exp{+K( λ ) d}.
(Da die Küvettendicke d bekannt ist, kann man daraus die Funktion K( λ )
selbst ermitteln; dies ist in unserem Versuch jedoch nicht verlangt.)
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
OM 9
Zur Messung:
Zuerst werden die Küvetten mit aqua dest. gereinigt und außen getrocknet.
Dann füllt man die beiden Küvetten randvoll mit der Farbstofflösung bzw.
mit aqua dest. Es dürfen sich dabei keine Luftblasen an den Fenstern
bilden. ( Achtung: Flecken des Farbstoffes sind aus der Kleidung kaum zu
entfernen!) Achten Sie beim Aufsetzen der Küvette darauf, daß deren
Fenster auf Augenmaß-Genauigkeit senkrecht zur optischen Bank stehen.
Dann justiert man das Galvanometer mit dem Drehknopf auf der Oberseite
vorsichtig auf Null ein, indem man den Strahl vor dem Lichtschutzrohr
des Empfängers mit der Hand abdeckt. Die Wellenlängen werden am
Filter in Schritten von 10 nm eingestellt. Zuerst mißt man die
Galvanometeranzeige mit der H2 O-gefüllten Küvette im Strahlengang.
Schlägt der Lichtzeiger über die Skala hinaus, oder liegt die Anzeige
unter etwa 80 Skaleneinheiten, so muß durch Umschalten des Trafos die
Lampenspannung geeignet nachgeregelt werden. Dann wird die
Meßküvette in den Strahlengang gebracht, und man notiert wieder den
Galvanometerausschlag (Kontrollieren Sie mehrfach während der
Messung, ob sich die Nullpunkts-Justierung des Galvanometers verändert
hat !).
Achten Sie darauf, weder die Küvettenfenster noch die Linsen und Filter
zu berühren!
Zur graphischen Darstellung verwenden Sie semi-logarithmisches Papier,
das Sie von Ihrem Assistenten erhalten.
Aufgabe 2
(für die Versuche A,B,C)
Man bestimme den Brechungsindex n der Farbstofflösung im
absorptionsfreien Teil des Spektrums aus der Parallelverschiebung des
Lichtbündels.
Versuchsdurchführung:
Aus dem Snelliusschen Brechungsgesetz folgt, daß ein Lichtstrahl bei
Durchgang durch eine schrägstehende, planparallele Platte parallel zu
seiner ursprünglichen Richtung verschoben wird. Aus dieser
Verschiebung δ läßt sich der Brechungsindex des Plattenmaterials
ermitteln, wenn man den Einfallswinkel α und die Schichtdicke d kennt.
In unserem Versuch sind die Küvetten drehbar, wobei der Winkel α direkt
OM 10
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
ablesbar ist. Zur Beobachtung wird
das Photoelement durch ein Okular
mit Fadenkreuz ersetzt, das auf der
optischen Bank aufgesetzt wird.
Beobachtet wird das Bild eines nahe
an L1 angebrachten Fadens. Falls es
unscharf erscheint, muß der das
Okular tragende Reiter auf der
optischen Bank verschoben werden.
Zuerst stellt man den Winkel α =0 °
ein. Durch Verschiebung des Okulars
bringt man dann das Bild des Fadens in den Schnittpunkt des
Fadenkreuzes. Wenn die Küvette gedreht wird, wandert es im Okular. Das
Okular wird nun mit Hilfe einer Drehspindel soweit verschoben, bis das
Bild des Fadens in der Fadenkreuz-Mitte liegt. Die Verschiebung ist
gleich der Strahl-versetzung δ und läßt sich an der in Einheiten von 1/100
mm geteilten Spindel ablesen.
Vorsicht:
Wegen des toten Ganges der Spindel soll die Verschiebung stets in einer
Richtung erfolgen !
Der Zusammenhang zwischen n,d,α und δ läßt sich in folgender Weise am
einfachsten auswerten:
Es gilt:
δ
tan β = tan α −
(11)
cos α ⋅d
β ist der Brechungswinkel. Man berechne nun aus den gemessenen
Größen δ und α und der Küvettendicke d=32mm mit Gl.(11) den tan( β ),
sucht dazu mit dem Taschenrechner sin(β ) und setzt diese Größe in das
Snelliussche Brechungsgesetz ein. Dieses liefert dann den gesuchten
Brechungsindex n( λ ).
Man bestimme so den Brechungsindex der Farbstofflösung für α =20°,
30°, 40° und 50° und bilde den Mittelwert. Wie groß ist der Fehler des
Mittelwertes ?
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
OM 11
Aufgabe2
(für Versuch D)
Man bestimme den Brechungsindex eines Glases bei der Wellenlänge
λ =600 nm mit dem Goniometer aus der Brechung des Lichtes an einem
Prisma.
Versuchsdurchführung:
Beim Durchgang durch ein dreiseitiges Prisma erfährt ein Lichtstrahl eine
zweimalige Ablenkung nach dem Snelliusschen Brechungsgesetz. Die
totale Ablenkung φ ist minimal bei symmetrischem Strahlendurchgang
und das Brechungsgesetz liefert für diesen Fall:
(12)
n = sin 21 (φ + ψ) / sin( 21 ψ)
wobei ψ der Prismenwinkel ist.
Mit Hilfe dieser Beziehung kann man den Brechungsindex n bestimmen,
wenn man φ für eine bestimmte Wellenlänge mißt und den Winkel ψ
kennt.
Zur Messung von φ wird ein
Spektrometer
verwendet.
Dieses wird vor der optischen
Bank in die vorgezeichnete
Position gebracht, und der
Eintrittsspalt wird durch einen
zwischen VF und L2 auf die
optische
Bank
gestellten
konkaven Umlenkspiegel beleuchtet. Zuerst muß das Spektrometer justiert werden. Dazu wird mittels
der Autokollimationsmethode (siehe Versuch: Geometrische Optik) das
Fernrohr auf unendlich eingestellt. Erscheint dann das Spaltbild nicht
scharf im Okular des Fernrohres, so muß der Eintrittsspalt so lange
verschoben werden, bis sein Bild scharf ist. Dann liegt der Spalt in der
Brennebene der Kollimatorlinse. Danach wird die Winkeleinstellung des
Fernrohres bei Beobachtung des unabgelenkten Strahles abgelesen, wobei
das Bild der festen Spaltbacke auf den Schnittpunkt des Fadenkreuzes
eingestellt wird. Die genaue Winkelablesung erfolgt mit dem Nonius. Mit
dem 0°-Teilstrich des Nonius kann man zunächst bis auf ein Viertel Grad
OM 12
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
= 15' genau den Winkel ablesen. Mit dem Nonius selbst lassen sich die
letzten 15' auf 1/2' bzw. 1/4' genau ablesen. Machen Sie sich die
Funktionsweise des Nonius selbst klar. Die Einstellung wird fünfmal
wiederholt, damit man einen arithmetischen Mittelwert bilden kann.
Bringt man nun das Prisma in den Strahlengang, so wird der Strahl
gebrochen. Man sucht diesen mit dem Fernrohr auf und dreht dann den
Prismentisch mit dem Prisma in der Richtung, in welcher der Winkel der
Strahlablenkung kleiner wird. Im gleichen Drehsinn muß man das
Fernrohr mitbewegen, um das Spaltbild im Fadenkreuz zu behalten. Den
Winkel der minimalen Strahlablenkung hat man gefunden, wenn die
Verschiebung des Spaltbildes ihre Richtung umkehrt, obwohl der
Prismentisch im gleichen Drehsinn weiterbewegt wird. Auch diese
Einstellung wird fünfmal wieder-holt und der Mittelwert gebildet. Die
Differenz beider gemessener Winkel ergibt φ . Mit Gl.(12) wird nun der
Brechungsindex des Glases bestimmt. Der Prismenwinkel ψ beträgt 60°±
0.2°. Man bestimme den durch die Fehler von φ und ψ bedingten Fehler in
n.
Aufgabe2
(für Gruppe E)
PHYSIKER FÜHREN DEN TEILVERSUCH E DURCH!
Man bestimme den Brechungsindex einer durchsichtigen Flüssigkeit bei
der Wellenlänge λ 0 = 657 nm durch Messung der Lichtgeschwindigkeit.
Versuchsdurchführung:
Der Brechungsindex eines Stoffes ist definiert durch das Verhältnis der
Phasengeschwindigkeit des Lichtes im Vakuum und im Stoff:
n = c vak / c medium
Der genaueste Meßwert von cvak ist heute:
(13)
c vak = 299 792 458 ± 1.2 m/s
Entsprechend ist der „Gruppenbrechungsindex“ definiert als Verhältnis
der Gruppengeschwindigkeiten:
nG = c vak ,G / c medium ,G
(14)
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
OM 13
Die direkte Methode, c medium, G zu messen, ist die Laufzeitmethode: Man
mißt die Zeit t, die eine Lichtwelle zum Durchlaufen einer Strecke s
benötigt. Um eine Momentanposition der Welle zu markieren, muß die
Welle moduliert werden (z.B.: Erzeugung von Lichtimpulsen). Im
vorliegenden Versuch wird die Lichtintensität einer lichtemittierenden
Diode (LED) sinusförmig mit einer festen Frequenz von ν = 50 MHz
moduliert:
I = I 0 + I '⋅ sin(2πν ⋅ t )
(15)
Die Laufzeit τ = t 2 -t 1 (wobei t 1 und t 2 die Zeiten am Anfang und am Ende
bedeuten
soll)
ist
dann
an
der
der
Laufstrecke s = x 2 -x 1
Phasenverschiebung der Modulation der Lichtwelle abzulesen :
(6)
⎧
x ⎫
x = x1 ; t = t1: I( x1 , t1 ) = I O + I '⋅ sin⎨2π(νt1 − 1 ) ⎬
⎩
λ ⎭
⎧
x ⎫
x = x2 ; t = t 2 : I( x2 , t 2 ) = I O + I '⋅ sin⎨2π(νt 2 − 2 ) ⎬
⎩
λ ⎭
⎧
⎫
x
= I O + I '⋅ sin⎨2πνt1 + φ − (2π 1 ) − Δ ⎬
⎩
⎭
λ
mit den Verschiebungen
(16’)
φ =2 πντ ; Δ =(2 π / λ ) s
wobei λ die Modulationswellenlänge ist.
Verfolgen wir nun die Bewegung eines Maximums von I :
Trifft dieses in x 2 ein, so gilt : I( x2 , t 2 ) = I( x1, t1) und damit
φ-Δ=0
Daher ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit
(17)
c = s/ τ = λν
OM 14
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
( λ und ν beziehen sich hier auf die Modulation; zusätzlich schwingen der
elektrische und der magnetische Vektor des Lichtes mit der wesentlich
höheren Lichtfrequenz ν o = 4,56 ⋅ 10 14 Hz, die zu der Lichtwellenlänge λ 0
gehört !)
Versuchsaufbau:
(a) Messung der Lichtgeschwindigkeit :
Die Phasenverschiebung φ ist meßbar, wenn man am Ende der Laufstrecke
s eine Photodiode als Lichtempfänger anbringt und die Phase ihres Signals
mit der Phase des direkten Modulationssignals der emittierenden
Photodiode vergleicht.
In unserem Versuch läßt sich φ auf dem Schirm eines Zweikanaloszillographen direkt ablesen, wenn die beiden Signale auf die zwei
Kanäle
geschaltet
werden.
Eine
andere
einfache
Methode,
Phasenmessungen durchzuführen, ist, eine Lissajous-Figur auf dem
Oszillographenschirm
zu
erzeugen.
Dazu
legt
man
die
Modulationsspannung an die X-Ablenkung und das Empfängersignal an
die Y-Ablenkung. (X-Ablenkung des Oszillographen auf "X via B"stellen
!) Im allgemeinen erhält man dann eine Ellipse. Durch Veränderung des
Lichtweges s (Verschiebung der Umlenkspiegel S1 und S 2 ; siehe Skizze)
kann man eine Gerade mit positiver Steigung erhalten, deren Ausbildung
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
OM 15
besonders genau kontrollierbar ist. Sie entsteht, wenn die Phasendifferenz
(modulo 2 π ) Null ist. Verschiebt man nun die Spiegel so lange, bis (über
Ellipse, Kreis und wieder Ellipse) eine Gerade negativer Steigung
entsteht, so ist die dadurch bewirkte Phasenverschiebung φ = π . War dazu
eine Verschiebung um die Strecke s 1 nötig (der Lichtweg wird dabei um
s2
verändert),
so
ergibt
sich
aus
(17)
die
2s 1 =
Ausbreitungsgeschwindigkeit c. s 1 wird als Mittelwert aus 10
Einzelmessungen bestimmt. Geben Sie die Standardabweichung für c an.
(b) Messung des Brechungsindex:
Läßt man das Lichtbündel durch eine durchsichtige Flüssigkeit mit dem
Brechungsindex n laufen, so vergrößert sich die Laufzeit τ gemäß
(19)
τ Flüss. / τ Vakuum = n
Der Brechungsindex von Luft unter Normalbedingungen im sichtbaren
Spektralbereich beträgt n=1,0003, so daß wir für den Versuch setzen
können: n Luft = 1 .
Dann ist:
τ Flüss . / τ Luft = n
(19´)
Ebenso können wir setzen :
c Luft = c Vakuum
Befinden sich die Umlenkspiegel aus Teilversuch (a) in der 0°-Position
(damit ist gemeint, daß die Lissajous-Figur eine Gerade mit positiver
Steigung ist), und bringen wir eine mit der Meßflüssigkeit gefüllte
Küvette der Länge L in den Lichtweg, so wird die Ausbreitung verzögert,
und auf dem Oszillographenschirm ist eine Ellipse zu sehen.
Die Laufzeit ist nun
(20)
( s− L )
τ' = c
+ cL
vakuum
Flüss
( s− L)
=c
+ c L⋅ n =
vakuum
vakuum
( s− L+ n⋅ L)
c vakuum
OM 16
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
Wir können die 0°-Gerade als Lissajous-Figur wieder erhalten, wenn wir
die Umlenkspiegel verschieben und so den in Luft verlaufenden Teil des
Lichtweges (s-L) geeignet auf (s'-L) verkürzen.
Die dazu erforderliche Strecke läßt sich berechnen aus der Bedingung:
!
τ' = τ
Das bedeutet: cvakuum ⋅ (s'-L + L ⋅ n) = c vakuum⋅ s, und daher ist die
erforderliche Änderung des Lichtweges
(21)
s-s' = L ⋅ (n-1)
In unserem Versuch wird eine Küvette der Länge 1m verwendet; daher ist
L = 1m. Um eine Lichtwegänderung s-s' zu bewirken, müssen die
Umlenk-spiegel um (s-s')/2 = z verschoben werden. Damit folgt aus (21) :
2 z [m] = 1 [m] ⋅ (n-1)
oder
(22)
2 z ( m)
n = 1 ( m) + 1
Führen Sie 10 Einzelmessungen zur Bestimmung von n durch, und geben
Sie die Standardabweichung an. Versuchen Sie, die Flüssigkeit anhand
des Wertes von n zu identifizieren.
Anmerkungen zur Aufgabe 2 für Gruppe E :
(1) Tatsächlich mißt man in diesem Versuch den Gruppenbrechungsindex
nach Gl.(14). Wegen der geringen Dispersion der Flüssigkeit in der
Umgebung von λ 0 kann man ihn in den Grenzen der Meßgenauigkeit als
gleich dem Brechungsindex nach Gl.(13)ansehen.
(2) Die Modulationsfrequenz von ν = 50 MHz ist zu groß, um den
Meßeffekt direkt auf einem üblichen Oszillographen sichtbar zu machen.
Daher wird die Frequenz der Signale im Netzgerät um der Faktor 1000 auf
50 kHz herabgesetzt. Dies geschieht durch Mischung (Multiplikation) der
Signale mit einem Referenzsignal von ν r = 49,95 MHz. Durch die
OPTISCHE MATERIALKONSTANTEN
Mischung entstehen zwei zusätzliche
Frequenz Ω = ν - ν r = 50 kHz, denn
sin(2pn t )sin(2pn r t ) =
OM 17
Schwebungssignale
mit
der
1
{cos(2p (n −n r )t ) − cos(2p (n +n r )t )}
2
bzw.
sin(2pn t + f )sin(2pn r t ) =
1
{cos(2p (n −n r )t + f ) − cos(2p (n +n r )t + f )}
2
Diese Signale können leicht auf dem Oszillograph sichtbar gemacht
werden.
Die Phasenverschiebung φ bleibt, wie man sieht, bei der Mischung
erhalten und kann daher aus der Lissajous-Figur der Schwebungssignale
bestimmt werden. (Jedoch entspricht diese Phasenverschiebung jetzt einer
anderen Zeit als bei der ursprünglichen Welle; d.h. diese Zeit ist um den
Schwebungsfaktor ν−νν = 103 größer als die Laufzeit des Lichtes.)
r
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SAARLANDES
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Version 5 (11/2011 MD)
BI 2
Beugung und Interferenz
Stoffgebiet
• Eigenschaften von Lichtwellen
• Ausbreitung von Wellen
• Interferenz von Wellen
• Beugung an Einfachspalt, Doppelspalt und Lochblende
• Kohärenz von Licht
• Laser und thermische Lichtquellen
Literatur
•
P.A. Tipler, G. Mosca, Physik
2. Auflage (Elsevier, München 2004)
•
Bergmann-Schaefer, Lehrbuch der Experimentalphysik
Band 3 Optik, 10. Aufl. (Walter de Gruyter, Berlin 2004)
•
D. Gerschke, Physikalisches Praktikum
12. Auflage (Teubner, Stuttgart 2001)
Beugung und Interferenz
BI 3
Fragen:
1. Was versteht man unter Kohärenz?
2. Was versteht man unter Interferenz?
3. Was versteht man unter Beugung? Wie lauten die Bedingungen für Maxima und Minima
der Beugungsfigur am Einfachspalt?
4. Wie verändert sich das Bild der Einfachspaltbeugung
a. beim Übergang zu beliebig feinen Spaltbreiten bzw. zu beliebig großen Wellenlängen
(Gleichung (4.6))?
b. beim Übergang zu beliebig großen Spaltbreiten bzw. zu beliebig kleinen Wellenlängen?
5. Warum ist der Spalt als Spektrometer ungeeignet?
6. Wieso beobachtet man bei der Spaltbeugung auf dem Bildschirm in der zur x-Richtung
senkrechten Richtung keine Beugungsfigur, die der in der x-Richtung ähnlich ist?
7. Wie sieht das Fraunhofersche Beugungsdiagramm eines Doppelspaltes aus, wenn
a. die Spaltbreite sehr klein gegen den Abstand der Spalte ist?
b. Spaltbreite und Spaltabstand übereinstimmen? (Skizze)
8. Wie sieht die Beugungsfigur eines Vielfachspaltes (Strichgitters) aus?
9. In welche Bildfigur wird eine ∞-ferne Punktlichtquelle in der Brennebene eines Fotoapparates oder Fernrohres abgebildet?
10. Strahlaufweitung eines Laser-Strahles: In Abb.16 ist der optische Aufbau eines Strahlaufweiters dargestellt. Berechnen Sie, um welchen Faktor der Strahlquerschnitt eines Laser-Strahls vergrößert wird, wenn sich die Brennweiten der beiden Linsen wie f1 :f2 = 1:5
verhalten?
11. Was besagt das Babinetsche Theorem?
BI 4
Beugung und Interferenz
Grundlagen
1a) Typischer Aufbau eines Beugungsexperimentes
Im vorliegenden Versuch wird die Aufgabe gestellt, die Auswirkungen seitlicher Begrenzungen (endliche Größe der Spalte, Linsen, Lichtquellen etc.) auf das reale optische Experiment
zu untersuchen. Hierzu ist ein Strahlengang geeignet, der in abgewandelter Form in sehr vielen optischen Instrumenten (z.B. Gitter- oder Prismenspektrograph) wiederkehrt (Abb. 1a).
x
Θ
L1
LQ
S1
L2
A L3
Sp
x=0
Schirm
Abb. 1a: Typischer Aufbau eines optischen Experimentes mit Apertur
Mit Hilfe der Linse L1 wird die Lichtquelle LQ auf den Spalt S1 abgebildet. S1 dient als Sekundärlichtquelle, die in einer Richtung praktisch punktförmig ist (die Erweiterung auf zwei
Dimensionen verläuft dann analog dazu). Dies ist die notwendige Voraussetzung für die Erzeugung parallelen Lichtes durch L2 . L2 macht alle Strahlen, die von dem „punktförmigen“
Spalt S1 ausgehen, parallel. Diese werden dann nach Durchgang durch den Spalt A (der die
Apertur simulieren soll und in einem optischen Experiment durch ein Prisma oder Gitter ersetzt wird) durch die Linse L3 auf den Schirm abgebildet.
Im Idealfall ∞-großer Lichtbündel, d.h. unter Vernachlässigung der seitlichen Begrenzung in
A, erscheint auf dem Schirm ein beliebig scharfes Bild des Spaltes S1 . Da die Ausdehnung
von A jedoch immer endlich ist, wird das Licht am Spalt A gebeugt und das Bild von S1 erscheint auf dem Schirm infolge dieser Beugungsfigur unscharf. In einem realen Versuch erscheinen natürlich, bedingt durch die Begrenzungen der Linsen, immer Beugungsfiguren auf
dem Schirm, es soll nur hier der Einfachheit halber davon ausgegangen werden, dass die Größe des Spaltes A kleiner ist als die Größe der Linsen.
1b) Fraunhoferbeugung und Fresnelbeugung
Zur Beschreibung des in Abb. 1a skizzierten Experimentes machen wir folgende Voraussetzungen:
1. Die einfallende Lichtwelle ist eben, d.h. die Welle besitzt in allen Punkten der Beugungsebene die gleiche Phase.
2. Betrachten wir einen Punkt P auf dem Schirm, so überlagern sich in diesem alle Wellen,
die den Spalt (die Beugungsebene) unter dem gleichen Winkel verlassen (parallele Strahlen, Abb. 1b).
Spalt
b
P
Θ
d
Abb. 1b: Darstellung der Voraussetzungen 1. und 2.
Beugung und Interferenz
BI 5
Letzteres bedeutet, dass sich der Aufpunkt P weit entfernt vom Spalt befindet, d.h. in der sogenannten „Fernzone“. Diese ist dadurch bestimmt, dass das Produkt aus der Entfernung d
und der Wellenlänge des Lichtes sehr groß sein muss gegen die Größe des Spaltes, projiziert
auf die Beobachtungsrichtung (Beobachtungwinkel Θ):
2
1

d ⋅ λ >>  b cos Θ  ≥
2

b2
4
(1.1)
Beugung, die unter den Voraussetzungen 1. und 2. beobachtet wird, heißt FraunhoferBeugung.
Da die Voraussetzung 2. nicht immer erfüllt ist, kann man die Superposition paralleler Strahlen durch eine weitere Sammellinse gewährleisten. Diese bildet alle Strahlen, die parallel zueinander unter einem Winkel Θ auf die Linse treffen, in einen Punkt in ihrer Brennebene ab.
Ist eine der beiden Voraussetzungen 1. oder 2. nicht erfüllt, so erhält man andere Beugungsdiagramme, man spricht dann von Fresnel-Beugung (Abb. 2). Diese Beugungsfiguren sind
mathematisch komplizierter zu behandeln.
Die erste Voraussetzung wird immer in sehr guter Näherung erfüllt, wenn Laser als Lichtquelle verwendet werden. Man muss allerdings beim Versuchsaufbau immer darauf achten, dass
auch die zweite Voraussetzung in Form obiger Ungleichung erfüllt ist.
Fraunhofer-Beugung
Fresnel-Beugung
kleine
mittlere
Abstände
große
Abb.2: Skizzenhafte Darstellung der Fraunhofer- und Fresnelbeugung für verschiedene Abstände des Beobachters von der Beugungsebene.
BI 6
Beugung und Interferenz
2. Mathematische Beschreibung einer monochromatischen ebenen Welle in einem homogenen Medium

Im Folgenden werden wir uns auf reelle Brechungsindices n, reelle Wellenvektoren k und
linear polarisiertes Licht beschränken. Reelle Brechungsindices und Wellenvektoren bedeuten
eine Vernachlässigung der Dämpfung der Welle (z.B. durch Absorption).
Vektor des elektrischen Feldes:
Vektor des magnetischen Feldes:

 
E
= E0 ⋅ ei ( kr −ωt )
  i ( kr −ωt ) c  
B=
B0 ⋅ e
=
(k × E )
ω

2π nω
k = k=
Wellenvektor und Wellenlänge:
=
λ
c
n = n(ω )
Brechungsindex des Mediums:
2π
ω 2=
πν
Kreisfrequenz, Frequenz und Periodendauer:
=
T
ck
Dispersionsrelation der Welle:
=
ω =
; n n(ω )
n

 
Wellenfläche (Ebenen gleicher Phase ⊥ k ):
const
k ⋅r =
 
Transversalität der Welle:
0
k ⋅ E0 =

Richtung von E0 fest
Lineare Polarisation:
Energiestromdichte ("Intensität") der ebenen Welle (zeitl. Mittelwert



  
k 1 
S = I = E0 × H 0 ∝ ( E0 E0∗ )k
des Poynting-Vektors):
k 2
3. Ebene Wellen und Wellenpakete

Eine (homogene) ebene Welle ist in der Richtung senkrecht zum Wellenvektor k , streng genommen, unendlich ausgedehnt. Sie beschreibt also keine reale physikalische Situation. In
jedem Strahlengang gibt es Begrenzungen, d.h. eine laterale Struktur. Beugungsexperimente
machen heißt, diejenigen Abwandlungen des idealen Zustandes hervorzuheben, zu beobachten und zu messen, die durch laterale Begrenzungen entstehen. Der ideale Ausgangszustand
ist bei diesen Experimenten eine ebene Welle mit räumlich konstanter Amplitude:
Die Welle hinter dem Spalt hat keine einheitliche Ausbreitungsrichtung und Amplitude mehr,
sie ist durch Pakete von ebenen Wellen zu beschreiben. Mathematisch bedeutet das eine Entwicklung nach ebenen Wellen:
∞
E=
( x, z )
∫ A(k ) ⋅ e
x
−∞
i ( kk x + k z z )
dk x ; k x2=
+ k z2 k 2
(3.1)
Beugung und Interferenz
BI 7
Abb. 3: Ausgangssituation einer unendlich
ausgedehnten ebenen Welle
k
x
z
Fläche konstanter Phase
Wir können uns dabei auf das ebene Problem (Koordinatensystem xz) beschränken, da die
Spalte in y-Richtung groß sind, und lassen den allen Wellen gemeinsamen Zeitfaktor exp(iωt) weg. Außerdem betrachten wir nur eine Polarisationsrichtung, z.B. die Komponente Ex .
Diese Beschreibung der Beugung nennt man „Fourier-Methode“. Die Entwicklung der Beugungswelle muss dabei aber nicht notwendigerweise nach ebenen Wellen erfolgen, ebenso ist
eine Entwicklung nach Kugelwellen möglich. Auf diesem Formalismus beruht die üblicherweise in den Lehrbüchern geschilderte Methode des Huygensschen Prinzips und der
Huygensschen „Elementarwellen“. Diese werden in Abschnitt 4.2 skizziert.
Anmerkung
Die Fourier-Optik ist ein sehr aktuelles Gebiet der Physik mit vielen technologischen Anwendungen, so dass es sinnvoll erscheint, Begriffe der Fourier-Optik schon im Grundpraktikum
einzuführen. Ihre Methoden werden auch in der Anleitung zum Versuch "Beugung am Gitter
und Bildentstehung im Mikroskop" verwendet.
4.1 Beugung am Spalt (Fourier-Methode)
x
Abb. 4: Prinzipskizze
Spalt
b/2
E(x,z)
k
Eeinf
Eeinf(x,0)
0
Θ
-b/2
z
0
Ausgangssituation sei eine ebene Welle, die von links senkrecht auf den Spalt zuläuft (Abb.
4). Der Spalt sei in y-Richtung unendlich groß ausgedehnt. Für die ebene Welle können wir
dann folgenden Ansatz machen:
Eeinf ( =
x, y, z ) E=
E0 eikz
einf ( z )
Für die Feldverteilung in der Spaltebene (z = 0) ergibt sich dann:
BI 8
Beugung und Interferenz
b

 E0 für x < 2
Eeinf ( x, =
z 0)= 
 0 für x > b

2
(4.1)
Für den Halbraum z > 0 hinter dem Spalt setzen wir ein Wellenpaket aus ebenen Wellen gleicher Frequenz, aber unterschiedlicher Richtung in der xz-Ebene (d.h. unterschiedlichen Komponenten kx ) an:
∞
dk ; k + k
∫ A(k )e=
=
E ( x, z > 0)
i ( kx x + kz z )
x
x
2
x
2
z
k2
(4.2)
−∞
Die Amplitudenfunktion ist zunächst beliebig.
Für die Spaltebene gilt dann speziell: (z = 0)
∞
E ( x, 0) =
∫ A(k )e
x
ik x x
dk x
(4.3)
−∞
Die Integralgleichung (4.3) stellt ein Fourier-Integral dar, die Amplituden-funktion der ebenen Wellen hinter dem Spalt ergibt sich also in Abhängigkeit von der Impulskomponente kx
als Fourier-Transformierte der Feldverteilung in der Spaltebene. Dieser Zusammenhang gilt
ganz allgemein, ist also unabhängig von der Geometrie des Experimentes:
∞
A(k x )
=
1
1
E ( x, 0) e − ikx x dx
=
∫
2π −∞
2π
∞
∫E
einf
( x, 0) e − ik x x dx
(4.4).
-∞
Das Wellenpaket (4.3) muss die Randbedingung (4.1) erfüllen, d.h. stetig an die ebene Welle
vor dem Spalt anschließen. Daraus folgt zum einen, dass die Welle an allen Punkten in der
Beugungsebene die gleiche Phase besitzt, und zum anderen, dass das Feld außerhalb der
Spaltebene identisch Null verschwindet. Die Integration in (4.4) muss sich daher nur über die
Spaltbreite erstrecken:
1
A(k=
x)
2π
b /2
∫
E0 eik x x=
dx
− b /2
Nach Abb. 4 gilt=
k x k sin=
Θ
2π
ASpalt (Θ) =A0
λ
E0b sin(k x b / 2)
⋅
2π
k xb / 2
(4.4')
sin Θ . Daraus folgt dann mit (4.4’):
sin (π b / λ sin Θ )
π b sin Θ
(4.5)
(4.5) ist die bekannte Formel für das Fraunhofersche Beugungsdiagramm eines Spaltes. Man
kann es sichtbar machen durch eine hinter dem Spalt angebrachte Sammellinse, die alle zu
einem Winkel Θ (bzw. zu einem kx ) gehörenden ebenen Wellen in einem Punkt auf der
Brennlinie (x-Achse in Abb. 6) sammelt.
Beugung und Interferenz
BI 9
Amplitudenfunktion hinter
dem Spalt (Θ=Beob.winkel):
Fourier-Tr.
Amplitudenfunktion
Amplitude des elektrischen Feldes
Feldverteilung in
der Spaltebene (z=0):
E0
-b/2
0
-6
b/2
-4
-2
0
2
4
6
kxb/2π = b/λ*sin(Θ)
x-Richtung
Abb. 5: Darstellung der Feldverteilung in der Spaltebene (links) und der Amplituden-funktion, die sich durch Fourier-Transformation aus der Feldverteilung im
Spalt ergibt (rechts).
Abb. 6: Aufbau zur Beobachtung
des Fraunhoferschen Beugungsdiagrammes
x
Spalt
Linse
Θ
Amplitude
f
z
z=0
Grenzen der Beschreibung
Als Integrationsgrenzen für kx haben wir bei dem Wellenpaket (4.3) ±∞ zu wählen. Nur dann
ist das Fourier-Theorem exakt anwendbar. In unserem Fall kann aber kx wegen kx = k sinΘ
nicht größer als k werden. Die Beschreibung ist also nur gut, wenn bei dieser Grenze die
Amplitudenfunktion schon sehr klein ist, so dass man die Integration schon bei ±k abbrechen
kann, ohne einen großen Fehler zu machen.
Wir können A(kx = k) leicht abschätzen. Es gilt:
sin(k ⋅ b / 2)
1
1 λ
≤
=
⋅ .
k ⋅b / 2
k ⋅b / 2 π b
Der maximale Wert von A(kx ) ergibt sich andererseits nach (4.4') zu A(kx =0), so dass unsere
Beschreibung also nur gut ist, wenn folgende Bedingung erfüllt ist:
BI 10
Beugung und Interferenz
A(k x = k ) 1 λ
=
1 → b  λ
A(k x = 0) π b
und nicht, wie bisweilen zu lesen, b ≥ λ .
4.2 Beugung am Spalt (Huygenssches Prinzip)
Nach dem Huygensschen Prinzip stellt jeder von einer beliebigen Welle getroffene Raumpunkt selbst eine Quelle einer sekundären Kugelwelle („Elementarwelle“) dar, die solange
emittiert wird, wie die Primärwelle einfällt. Die weiterlaufende Welle ergibt sich als Überlagerung solcher Kugelwellen (s. Abb. 6a). Dem entspricht eine mathematische Entwicklung
einer Welle nach Kugelwellen. Betrachten wir eine ebene Welle: Wegen der auslöschenden
Interferenzen in allen Richtungen, die von der Ausbreitungsrichtung der ebenen Welle abweichen, bleibt diese Wellenform bei der Ausbreitung erhalten.
Abb. 6a: Huygensches Prinzip
Ausbreitungsrichtung der
Wellenfront
ebene Wellenfront
(Wellenfläche)
Anders ist dies, wenn durch einen Spalt ein eng begrenzter Bereich der ebenen Welle ausgeblendet wird. Denkt man sich den mit einer ebenen Welle beleuchteten Spalt in Abb. 2 mit
unendlich vielen Ausgangspunkten Huygensscher Elementarwellen belegt, die kohärent auslaufen, so löschen sich die Anteile der Kugelwellen, deren Ausbreitungsrichtung nicht mit der
Fortpflanzungsrichtung der Primärwelle zusammenfällt, nicht mehr alle durch Interferenz aus.
Die aus der Überlagerung der Kugelwellen folgende Amplitudenverteilung in der Brennebene
der Linse (Abb. 6) ist auch in dieser Beschreibungsweise gegeben durch Gl. (4.5).
Beugung und Interferenz
BI 11
4.3 Intensitätsverteilung hinter dem Spalt
In unserem Experiment wird die Intensität I, d.h. das Quadrat der Amplitudenfunktion, gemessen. Die Intensitätsverteilung in der Brennebene der Linse L (Abb. 6) in x-Richtung ist
aus der Amplitudenverteilung nach Gl. (4.5) zu berechnen.
Sie wird in guter Näherung wie folgt beschrieben:
I ( x) =
(A⋅b ) ⋅
2
sin 2 (π bx / (λ f ))
(π bx / (λ f ) )
2
(4.6)
Hierbei ist A eine Konstante, b die Breite des Spaltes und f die Brennweite der Linse. Die
Näherung liegt darin, dass sinΘ = x/f gesetzt wurde (Abb. 6). Die Herleitung obiger Gleichung findet man z.B. in Bergmann-Schäfer, Bd.3.
rel. Intensität (zur Intensität des Hauptmaximums)
Abb.7: Intensitätsverteilung hinter
dem Spalt.
1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
Nebenmaxima
-4.
-3. -2.
-1.
0,0
1.
2.
3.
4.
bx / (λf)
Die periodische Funktion (4.6) hat an verschiedenen Orten x Maxima und Minima. Die Minima liegen an den Stellen bx/(λf) = n, wobei n eine ganze Zahl (außer der Null) ist. Die Intensität ist an diesen Stellen Null (Abb. 7).
Die Maxima liegen an den Orten x, für die gilt: bx/(λf) = 0 oder bx/(λf) = (2m+1)/2, wenn m
ebenfalls eine ganze Zahl ist. Die Zahlen n bzw. m bezeichnet man als Ordnung der Minima
respektive Maxima. Der zusätzliche Fall x = 0 (d.h. Θ = 0, ungebeugter Strahl) heißt das Maximum 0-ter Ordnung.
Interessiert man sich nicht für die Intensitäten, sondern nur für die Lage der Extrema, so ist
eine einfache Berechnung möglich. Man benötigt nur die Kenntnis der Gangdifferenzen zwischen den einzelnen Bündeln, die von verschiedenen Orten der Spaltöffnung ausgehen. Aus-
BI 12
Beugung und Interferenz
löschung tritt in den Richtungen ein, in denen die Rand-strahlen die Phasendifferenz nλ haben, Maxima bei Phasendifferenzen (2m+1)λ/2. Dies kann man sich einfach geometrisch oder
anhand der Intensitätsverteilung klarmachen: Da der Sinusterm im Zähler die Extrema bestimmt, geben seine Nullstellen die Lage der Minima und seine Maxima die Lage der entsprechenden Maxima an.
Somit ergibt sich für die Beugungswinkel, unter denen man Minima beobachten kann
nλ =
b ⋅ sin Θ
(4.7a)
und für die Orte auf dem Schirm in der Näherung sinΘ = x/f:
n=
λ
b⋅
x
f
(4.7b)
Entsprechend gilt für die Beugungswinkel der Maxima:
(2m + 1)
λ=
2
b ⋅ sin Θ
(4.8a)
und für die Orte auf dem Schirm:
(2m + 1)
=
λ
2
b⋅
x
f
(4.8b)
Hinweis
Die Beschreibung der Beugung am Einfachspalt und Doppelspalt (Kap. 5) mit Hilfe des
Huygensschen Prinzips sollten Sie unbedingt beherrschen, insbesondere die Gleichungen
(4.7) und (4.8) herleiten können.
Das Huygenssche Prinzip bei der Ausbreitung von Wellen wird Ihnen noch häufig in der Physik begegnen (z.B. bei der Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallen / Kristallstrukturanalyse oder der Beugung von Elektronen an Kristallen / elektronische Eigenschaften von Festkörpern). Auch zur Heisenbergschen Unschärferelation bietet das Experiment der Beugung am
Spalt einen anschaulichen Zugang. Letzteres kann Ihnen der Assistent genauer erläutern.
5. Beugung am Doppelspalt
paralleles
Licht
a
x
b
Θ
Vorderansicht
Θ
z
Querschnitt
Abb. 8: Geometrie eines Doppelspaltes.
Die Feldverteilung in der Spaltebene hat bei Beleuchtung mit einer ebenen Welle folgendes
Aussehen:
Beugung und Interferenz
BI 13
Amplitude des el. Feldes
Abb. 9: Feldverteilung in einem Doppelspalt
a
b
E0
0
x-Richtung
Das nun entstehende Fraunhofersche Beugungsdiagramm ist wieder durch die FourierTransformierte der Feldverteilung gegeben. (Es ergibt sich natürlich ebenfalls im Rahmen der
Huygensschen Betrachtungsweise - machen Sie sich bitte damit vertraut.)
Der Doppelspalt verdeutlicht besonders gut das Zusammenspiel von Beugung und Interferenz: Bringt man wieder, wie in Abb. 6, eine Sammellinse hinter den Spalten an, so setzt sich
die resultierende Feldamplitude in ihrer Brennebene (das Fraunhofersche Beugungsdiagramm) zusammen aus den resultierenden Amplituden eines jeden Einzelspaltes (Gl.(4.5)).
Da Kohärenz zwischen den beiden Teilwellen vorausgesetzt wird, addieren sich die Amplituden, nicht die Intensitäten.
Da für Winkel Θ ≠ 0 die beiden Teilwellen wegen der unterschiedlichen geometrischen Weglängen eine Phasendifferenz besitzen, kommt es zusätzlich zur Einzelspaltbeugung zu einer
weiteren Interferenzerscheinung, die das Beugungsdiagramm gegenüber dem des Einzelspaltes wesentlich verändert. Wir geben hier nur die Intensitätsverteilung an, sie ergibt sich zu:
2
I (Θ)
 sin((π b / λ ) sin Θ) 
2
I0 
 cos ( (π a / λ ) sin Θ )
Θ
(
b
/
)
sin
π
λ


(5.1)
Die aus Gl.(5.1) resultierenden Maxima sind gegeben durch die Maxima des Interferenzterms
=
λ a sin Θ ≅ a
m
x
; =
m 0,1, 2,...
f
(5.2a)
und die Minima der Einhüllenden durch die Beugung am Einfachspalt
=
nλ b sin Θ ≅ b
x
;=
n 1, 2,...
f
(5.2b)
Hierbei wurde wieder von der Näherung sinΘ ≈ x/f Gebrauch gemacht. Die Herleitung der
Gleichungen (5.2a) und (5.2b) mit Hilfe des Huygensschen Prinzips müssen Sie beherrschen.
BI 14
Beugung und Interferenz
1,0
Einzelspalt-Beugung
(Einhüllende)
0,8
Intensität
0,6
0,4
Doppelspaltinterferenz
0,2
0,0
-0,2
-3
-2
-1
0
1
2
(b/λ*sin(Θ)
-9
-6
-3
0
3
6
9 (a/λ)*sinΘ
Abb. 10: Intensitätsverteilung hinter einem Doppelspalt (Fraunhofer-Beugung)
für den Fall a=3b.
6. Beugung an einer kreisförmigen Öffnung
Das Beugungsdiagramm einer kreisförmigen Öffnung ist qualitativ dem eines Spaltes ähnlich,
jedoch besteht es aufgrund der Zylindersymmetrie der Öffnung aus einer zentralen Scheibe
und konzentrischen, alternierend dunklen und hellen Ringen. Die Berechnung des Beugungsdiagrammes ist mathematisch komplizierter, da Beugung in alle Richtungen senkrecht zur zAchse betrachtet werden muss. Dieses 2-dimensionale zylindersymmetrische Problem wird
mittels Zylinderfunktionen, den sogenannten Bessel-Funktionen, gelöst.
Aufeinanderfolgende Maxima und Minima sind nicht äquidistant, wie es beim Einzel- oder
Doppelspalt der Fall ist. Für das erste Minimum gilt
sin Θ = χ
λ
D
(6.1)
wobei D der Durchmesser der kreisförmigen Öffnung und χ ein Zahlenfaktor ist, der hier
nicht angegeben werden soll (diese Faktoren sind als erste Nullstellen der Besselfunktionen
tabelliert). Sie sollen ihn in der ersten Aufgabe selbst messen.
Beugung an kreisförmigen Öffnungen tritt bei allen optischen Abbildungssystemen mit kreisförmigen Linsen und Blenden auf und führt dazu, dass die nach der Geometrischen Optik
mögliche exakte Abbildung prinzipiell unscharf wird („Beugungsunschärfe“).
Beugung und Interferenz
BI 15
Aufgabe 1
Man zeige, dass Gl. (4.6) für x = 0 ein Maximum annimmt.
Aufgabe 2:
Man berechne die relativen Intensitäten der Maxima 1., 2. und 3. Ordnung, bezogen auf die
des Hauptmaximums I (x = 0) nach Gl. (4.6). Hierzu setze man
π bx
3 5 7
mit α
, ,
= απ
=
λf
2 2 2
Gleichung (4.6) erhält dann die Form
I ( x)
sin 2 (απ )
=
I ( x = 0)
(απ ) 2
Die Aufgaben 1. und 2. sind Hausaufgaben, die bei der Versuchsvorbereitung zu lösen sind.
Aufgabe 3: Einfachspalt
Man prüfe experimentell:
1) Gl. (4.6):
I ( x) = I 0
sin 2 (απ )
(απ ) 2
=
n α=
für n 1, 2,3
2) Gl. (4.7b):
3) Gl. (4.8):
2m + 1
für m 1, 2,3
= α=
2
bx
, n und m sind die Ordnungszahlen der Minima bzw. Maxima, I0 =Ab2 ist die
λf
Intensität des Hauptmaximums.
mit α =
Versuchsdurchführung
Verwendet man als Lichtquelle LQ eine räumlich ausgedehnte thermische Lichtquelle, so
wird der Spalt S1 in Abb. 1 von verschiedenen Punkten von LQ aus beleuchtet. Als Effekt
hiervon tritt durch ihn kein völlig kohärentes Licht mehr hindurch, wodurch Gl. (4.6) nicht
mehr exakt gilt, und der Kontrast der Beugungsfigur herabgesetzt wird. Man überschreitet in
solch einem Fall die Kohärenzlänge des verwendeten Lichtes. Als Folge dieser Überschreitung addieren sich nicht mehr die Amplituden der superponierenden Wellen (da sie keine feste Phasenbeziehung zueinander besitzen), sondern ihre Intensitäten. Das Auftauchen von Interferenzerscheinungen setzt aber eine feste Phasenbeziehung der Teilwellen voraus, so dass
thermische Lichtquellen im allgemeinen für Interferenzexperimente in dieser geometrischen
Größenordnung, d.h. mit Gangunterschieden im cm-Bereich, ungeeignet sind. Hinzu kommt,
dass die Linse L1 aufgrund der endlichen Breite des Spaltes S1 kein exakt paralleles Licht erzeugt.
Diese Schwierigkeiten kann man vermeiden, wenn man bei der Durchführung solcher Experimente Laser als Lichtquellen verwendet. Laser-Licht erzeugt man in einem optischen Resonantor hoher Güte. Es ist zu einem hohen Grade parallel und besitzt große Kohärenzlängen
(bis zu mehreren Metern). Da sich dadurch zusätzlich noch die Verwendung des Spaltes S1
BI 16
Beugung und Interferenz
erübrigt, vereinfacht sich der Strahlengang der Abb. 1. Die Wellenlänge des hier verwendeten
Lichtes (aus einem He-Ne-Laser) beträgt λ = 632.8nm.
x
x=0
LASER
Sp
L3
Schirm
Abb. 11: Strahlengang bei der Durchführung des Beugungsexperimentes
Noch weiter vereinfachen lässt sich der Aufbau von Abb. 11, wenn der Schirm sehr weit vom
Spalt entfernt ist. Dann treten auch ohne Fokussierung durch L3 einzelne voneinander getrennte Teilbündel auf (Fernfeld). Die Brennweite f muss dann in den Formeln durch den Abstand d zwischen Spalt und Schirm ersetzt werden (Abb. 12).
Ihre Aufgabe ist es nun, das Fraunhofersche Beugungsdiagramm eines Spaltes der Breite b
(bitte beim Betreuer erfragen) aufzunehmen. Die folgende Skizze der Versuchsanordnung
dient der Definition der Messgrößen:
Abb. 12: Skizze der Versuchsanordnung.
Laserlicht (λ)
Spalt (b)
d
gebeugtes Licht
(schematisch)
Detektor
x=0
x
Die Intensität wird mit einem Photowiderstand in Abhängigkeit von dessen Position (x) gemessen. Er befindet sich in einem Gehäuse, das mittels einer Drehspindel in x-Richtung bewegt werden kann. Optional kann vor dem Detektorgehäuse ein weißer Schirm angebracht
werden, damit die Intensitätsverteilung direkt beobachtet werden kann. Der Abstand der Detektor- bzw. Schirmebene d ist so groß zu wählen, dass auf eine Linse verzichtet werden kann.
Der Ort x des Detektors ist an einer mm-Skala und (für die mm-Bruchteile) an der Mikrometerschraube abzulesen.
Beugung und Interferenz
BI 17
Justieren Sie zunächst den Spalt so, dass er vom Laser-Licht symmetrisch beleuchtet wird.
Beobachten Sie dann das Beugungsbild auf dem Schirm und justieren Sie das Detektorgehäuse in der Höhe so, dass bei Verschiebung über die ganze x-Skala das gebeugte Licht stets
durch das Loch im Schirm auf den Photowiderstand fallen kann (Abb. 13).
Der Photowiderstand darf nie in den direkten Laser-Strahl gebracht werden, da er sonst
zerstört werden kann.
Abb. 13: Justage des Detektors.
Photowiderstand
Gehäuse
Beugungsdiagramm
0
x
Sowohl Intensität als auch die Position des Detektors auf der x-Skala werden elektrisch gemessen und mit einen Sensor-CASSY auf einem PC aufgezeichnet: Zur elektrischen Erfassung der x-Position ist am Detektor ein Linearpotentiometer angebracht, an dem eine zur Verschiebung proportionale Spannung abgegriffen wird (Abb. 14a).
Abb. 14a: Prinzip des Versuchsaufbaus.
Über das CASSY wird als „x-Position“ die Spannung über den Mittelabgriff des Linearpotentiometers erfasst, die proportional zur Position des Detektors ist. Über den 2. Eingang des
CASSY wird der Spannungsabfall über den Photowiderstand erfasst, der ein Maß der gemessenen Lichtintensität ist. Abb. 14b zeigt die Verdrahtung des Messaufbaus. Eine vom CASSY
ausgegebene Spannung (maximal 16 V) versorgt sowohl den Schiebewiderstand als auch
(über einen Vorwiderstand von 500 Ω) den Photowiderstand.
BI 18
Beugung und Interferenz
Sensor-CASSY
Abb. 14b: Elektrischer Schaltplan des Versuchsaufbaus.
Nach Justage des Aufbaus sollen mit dem Programm „CASSY LAB 2“ die ersten 10 Maxima
und Minima auf beiden Seiten des Hauptmaximums gemessen werden. Dazu muss der Detektor in die Position des Hauptmaximums gefahren und der Messbereich des CASSY in yRichtung so angepasst werden, dass der Ausschlag im Hauptmaximum gerade dem Vollausschlag entspricht. Zur Optimierung kann auch die vom CASSY ausgegebene Spannung verändert werden.
Abb. 15: Messergebnis dargestellt mit verschiedenen Verstärkungsfaktoren.
Zur Umrechnung der Spannung am Schiebewiderstand in eine x-Position müssen Sie zunächst eine Eichung der Detektorposition durchführen. Messen Sie dazu in 5 mm Schritten
über den gesamten Bereich des Schiebewiderstands den entsprechenden Spannungsabfall. Mit
diesen Wertepaaren können Sie im Programm „Origin“ eine Ausgleichgerade berechnen, die
Beugung und Interferenz
BI 19
Sie später für die Umrechnung der gemessenen Spannungen in Positionen benutzen können.
Vorsicht: Da der Schiebewiderstand und der Photowiderstand über eine gemeinsame Spannungsversorgung angeschlossen sind, erfordert jede Änderung dieser Spannung eine erneute
Kalibrierung der x-Position. Das „ideale“ Messergebnis ist in Abb.15 dargestellt.
Auswertung
Prüfen Sie den Intensitätsverlauf der Gleichung (4.6). Die Intensitäten Im (xm ) der Maxima
werden, wie in Abb. 15 gezeigt, bestimmt. Der inkohärente Untergrund muss vor der Bestimmung der einzelnen Intensitäten durch lineare Interpolation abgezogen werden (gestrichelte Kurve bei I3 rechts in Abb. 15). Führen Sie dies für alle Ordnungen von -10 bis +10
durch und bilden Sie für jedes |m| den Mittelwert
Im =
 I
Stellen Sie dann graphisch ln  0
 Im

I+ m + I− m
2

 2 m +1 
 als Funktion von ln 
 für 1 ≤ m ≤ 10 dar.

2



Zeichnen Sie gestrichelt die theoretisch zu erwartende Kurve nach Gl. (4.6) für die Maxima in
das Diagramm. Vergleichen Sie Messung und Theorie und diskutieren Sie das Ergebnis. Ist
die gemessene Spannung am Photowiderstand tatsächlich proportional zur einfallenden
Lichtintensität?
Prüfen Sie die Positionen der Minima und Maxima. Dazu bestimmen Sie die Orte der Minima
und Maxima für |m| = 1..10 als Mittelwerte der Positionen der Extrema positiver und negativer Ordnung:
(=
x 0)
=
Position des Hauptmaximums
Minima: x n =
Maxima: x m =
x+ n − x− n
2
x+ m − x− m
2
Fertigen Sie eine Tabelle an und stellen Sie dann die Orte als Funktion der Ordnungszahlen |n|
bzw. |m| graphisch dar. Bestimmen Sie die Steigungen und Achsenabschnitte der Geraden
durch die Messpunkte. Berechnen Sie die theoretischen Steigungen und Achsenabschnitte
(Gln. (4.7b) und (4.8b)) und vergleichen Sie diese mit den experimentell erhaltenen Messpunkten.
BI 20
Beugung und Interferenz
Aufgabe 4: Doppelspalt
Bestimmen Sie Spaltbreite b und Spaltabstand a eines Doppelspaltes. Hierzu wird der Versuchsaufbau etwas abgeändert, da der Laser-Strahl aufgeweitet werden muss, um den Doppelspalt gleichmäßig zu beleuchten.
Der Strahlaufweiter besteht aus einem kurzbrennweitigen Objektiv L1 (f1 = 30 mm) und einer
längerbrennweitigen Linse L2 (f= 140 mm). Die Justierung der Linsen und die gleichmäßige
Beleuchtung des Doppelspaltes ist etwas schwierig, lassen Sie sich vom Betreuer helfen. Bevor Sie den Detektor D in den Strahlengang einsetzen, beobachten Sie die BeugungsInterferenz-Figur auf dem Schirm S. Die Messung erfolgt wie in Aufgabe 3.
S
DSp
D
L2 L 1
LASER
70 cm
d5
d4
d3
d2 0
Abb. 16: Aufbau des Strahlaufweiters.
Überlegen Sie sich selbst, wie man die gesuchten Größen a und b aus der Messkurve ermitteln kann.
Aufgabe 5: Beugung an einer kreisförmigen Öffnung
Nehmen Sie photoelektrisch das Fraunhofersche Beugungsdiagramm einer kreisförmigen
Öffnung (Durchmesser ∆ = 0.12 mm) auf und bestimmen Sie den Zahlenfaktor χ in der Gleichung für das erste Minimum:
χλ
sin Θ Min =
∆
Hinweis:
Der Abstand zwischen beugender Öffnung und Photodetektor muss groß sein, damit der mit
einer schlitzförmigen Blende versehene Detektor die Beugungsringe einzeln registrieren kann.
Anmerkungen zum realen Beugungsexperiment:
Bisher haben wir nur die ideale Feldverteilung in der Ebene der beugenden Objekte betrachtet, d.h. eine unstetige Hell-Dunkel-Grenze am Rande der Öffnung und eine konstante Helligkeit in der Öffnung. Eine „Verschmierung“ der Hell-Dunkel-Grenze, z.B. durch allmählich
zunehmende Schwärzung des Randes, bedingt durch mechanische Fehler oder durch Verschmutzung des Öffnungsrandes, ändert die Beugungsfigur.
Das zentrale Maximum wird breiter, die Nebenmaxima werden schwächer (Stichwort Apodisation). In unserem Experiment haben diese Effekte nur geringen Einfluss; wesentlicher ist
die nicht konstante Feldamplitude des Lasers senkrecht zum Strahl. Diese hat im Fall der Ein-
Beugung und Interferenz
BI 21
Moden-Anregung (d.h. der Anregung der ersten stehenden Welle im optischen Resonator) den
in Abb. 17 gezeigten Verlauf.
Querschnitt des LASER-Strahls
(Anregung der ersten Mode)
realistische Felverteilung
in der Spaltebene
Feldamplitude im Spalt E
Feldamplitude im Primärstrahl E0
1,0
Abb. 17: Realistische
Feldverteilung im Querschnitt des Laser-Strahls
und in der Spaltebene
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
Strahlquerschnitt
-b/2
0
b/2
Die Feldverteilung in der Spaltöffnung wird daher sehr ungleichmäßig, wenn der Strahl nicht
genau symmetrisch auf den Spalt justiert ist. Als Folge davon unterscheiden sich die Intensitäten der -|m|-ten und +|m|-ten Ordnung. Sie können diesen Effekt sehr leicht selbst beobachten.
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil II
Optisches Gitter und
Bildentstehung im Mikroskop
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0 H
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
PD Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1 H
PD Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
2 H
Version 4 (11/2011)
BM 2
Optisches Gitter
Stoffgebiet
•
Geometrische Optik
•
Beugung und Interferenz
Literatur
•
P.A. Tipler, G. Mosca, Physik
2. Auflage (Elsevier, München 2004)
•
Bergmann-Schaefer, Lehrbuch der Experimentalphysik
Band 3 Optik, 10. Aufl. (Walter de Gruyter, Berlin 2004)
•
D. Gerschke, Physikalisches Praktikum
12. Auflage (Teubner, Stuttgart 2001)
Vorbemerkung:
Die Entstehung eines optischen Bildes wird durch das vereinfachte Modell der „geometrischen Optik“ nur in groben Zügen beschrieben. Im vorliegenden Versuch soll am Beispiel des
Mikroskops, das im Versuch „Geometrische Optik“ mit geometrisch-optischen Mitteln aufgebaut wird, der Einfluss der Wellennatur des Lichtes untersucht werden. Zugleich soll er die
Verbindung zwischen den Versuchen „Geometrische Optik“ und „Beugung und Interferenz
elektromagnetischer Wellen“ aufzeigen.
Der für eine quantitative Beschreibung der Bildentstehung erforderliche mathematische
Formelapparat ist so kompliziert, dass nur qualitative Untersuchungen vorgenommen werden,
die Ihnen einen ersten Einblick in die Vorgänge bei der Bildentstehung geben sollen. Ausführlicher werden diese Probleme in einem Versuch des Fortgeschrittenen-Praktikums behandelt werden.
Grundlage der Beschreibung der Bildentstehung ist die Beugung von Licht an periodischen
Strukturen. Deshalb werden Sie zunächst die Beugung von Laserlicht am Gitter experimentell
untersuchen. Die Durchführung dieses Versuches setzt die Kenntnis der Anleitung zum Versuch „Beugung und Interferenz“ voraus. Sollten Sie diesen Versuch vor dem Versuch „Beugung“ durchführen, so arbeiten Sie letztere Anleitung vollständig (auch den experimentellen
Teil) durch.
Bildentstehung im Mikroskop
BM 3
Fragen zum Versuchsteil Phasenmodulator
1. Weshalb kommen all die parallelen Teilstrahlen, die mittels der Linse SL zu einem punktartigen Beugungsreflex in der Brennebene B vereinigt werden, mit der Phasenbeziehung
der Modellrechnung an? Haben sie nicht zwischen Linse und Brennpunkt verschieden
lange Wege zurückgelegt (was in der Rechnung nicht enthalten ist)?
2. Weshalb spricht man vom reziproken Raum? In welchem Raum filtert man bei der Raumfilterung?
3. In die gemeinsame Brennebene zwischen den beiden Sammellinsen eines Strahlaufweiters
setzt man häufig eine kleine Lochblende. Wozu? Wie groß sollte man den Lochdurchmesser wählen?
4. Was ist ein Flüssigkristall? Was ist die nematische Phase? Welche optischen Eigenschaften hat sie? Wie funktioniert ein LCD, der auf einem „twisted nematic“ Feldeffekt basiert?
(Da hilft Wikipedia)
5. Wozu dient der Polarisator hinter dem LCD?
BM 4
Optisches Gitter
Theoretische Grundlagen
In der Optik entsteht das Bild eines Gegenstands durch zwei hintereinander stattfindende
Beugungsvorgänge. Formal gesehen stellt ein Beugungsvorgang eine Fouriertransformation
zwischen dem Ortsraum und dem reziproken Raum der Wellenvektoren dar. Bei der Bildentstehung liegt also eine erste Fouriertransformation vom Ortsraum (des Gegenstands) in den
reziproken Raum (des Beugungsbildes) und eine zweite zurück in den Ortsraum (des Bildes)
vor. Das gilt natürlich auch für eine Abbildung mit anderen Wellen als Lichtwellen.
Die Beugungsbilder des Einzelspalts und des Strichgitters werden in der Vorlesung in der
Regel über die phasengerechte Addition der Amplituden der von den Punkten des Gegenstands ausgehenden Teilwellen in der komplexen Ebene („Zeigerdiagramm“) abgeleitet. Die
Fouriertransformation ist eine äquivalente Beschreibung.
Wir betrachten zunächst einen „Gegenstand“ der aus zwei „Streuern“ in den Punkten P0 und
P1 besteht. Der Gegenstand wird von einer monochromatischen ebenen Welle (mit dem Wellenvektor ki ) getroffen. Die Streuer senden Kugelwellen mit der Amplitude E0 bzw. E1 aus,
die eine feste Phasenbeziehung zur einlaufenden Welle haben („kohärente elastische sWellen-Streuung“). Die Streurichtung ist durch den Wellenvektor k f festgelegt, der den
q k f − ki ist der
Streuwinkel θ mit der Einfallsrichtung bildet. Es gilt: =
ki k=
2π / λ . =
f
„Streuvektor“, q die Impulsänderung der Strahlung und − q der Rückstoßimpuls des Gegenstands.
Im Fernfeld, weit entfernt von den Steuern, sind die Fronten der beiden auslaufenden Kugelwellen kaum noch gekrümmt sondern praktisch eben. Allerdings liegt der Gangunterschied
l0 − l1 vor, der sich in den Phasendifferenzwinkel k f ⋅ r − ki ⋅ r = q ⋅ r übersetzt. Die Teilwelle 1
hat also gegenüber der Teilwelle 0 den Phasenfaktor e i⋅q⋅r , der bei der Addition der Teilamplituden Ej zur Gesamtstreuamplitude E zu berücksichtigen ist. Für mehrere Punktstreuer j
gilt also
E (q) = ∑ E j e
iqr j
(1)
j
bzw. für eine kontinuierliche Verteilung von Streuern
E (q) = ∫
Gegenstand
e(r )eiqr dV
(2)
wobei e(r) eine Dichte ist, die angibt wie groß die Amplitude der Streustrahlung des Volumenelements dV im Punkt r ist. E(q) ist also demnach die Fouriertransformierte von e(r).
Im Folgenden sind zwei eindimensionale Beispiele mit reellwertigen e(x) skizziert. (Was bedeuten komplexwertige e(x)?) Außerdem sei der Streuwinkel θ auf kleine Werte beschränkt.
Einzelspalt
Die Spaltbreite sei e( x) = 1 für x < s / 2 und e( x) = 0 sonst. Der Spalt ist gleichmäßig dicht
mit Streuern belegt. Das entspricht in der Optik dem Huygens’schen Prinzip, dass jeder Punkt
im Spalt der Ausgangspunkt einer Kugelwelle ist.
Für kleine θ liegt der Streuvektor annähernd in x-Richtung und es gilt =
2π sin(θ ) / λ .
q q=
x
Bildentstehung im Mikroskop
BM 5
+
s
2
ESp (q ) = ∫ eiqx dx =e
iqs
2
s
−
2
−e
iqs
−
2
 qs 
sin  
2
=  
qs
2
(3)
Das ist gerade das Fraunhofer-Muster des Einzelspalts, die Intensität (als Funktion von q und
damit als Funktion des Ablenkwinkels θ ) ergibt sich als Betragsquadrat der Gesamtstreuamplitude. Es liegt eine kontinuierliche Verteilung E(q) (das Fourierspektrum) vor.
Strichgitter
Abb.1 zeigt ein Strichgitter in der x-y-Ebene. Es besteht aus langen lichtdurchlässigen Spalten
der Breite b in y-Richtung. Die Spalte sind äquidistant mit dem Abstand a ( a = Gitterkonstante), d.h. e(x) ist durch Aneinanderreihung von Elementarzellen der Größe a streng periodisch
aufgebaut.
Abb. 1: Vorderansicht (a) und Querschnitt (b) eines Strichgitters.
Wir gehen von idealen Beleuchtungsbedingungen aus: Die senkrecht (z-Richtung) auf das
Gitter fallende Welle sei eben, monochromatisch und vollständig kohärent. Die Verteilung der
Amplitude des elektrischen Feldes (Feldverteilung) in der Gitterebene zeigt Abb. 2. Eine solche Verteilung nennt man häufig „periodische Kastenverteilung“, bei sehr dünnen Spaltbreiten auch „Dirac-Kamm“. Das Fraunhofersche Beugungsdiagramm eines Gitters, d.h. die
Amplituden- oder Intensitätsverteilung des E-Feldes können wir (wie beim Spalt)
a) in der Brennebene einer hinter dem Gitter befindlichen Sammellinse oder
b) ohne Linse in sehr großer Entfernung (Fernfeld) vom Gitter beobachten.
Wie beim Spalt lässt sich das Fraunhofersche Beugungsdiagramm mittels der FourierMethode oder auch mit Hilfe des Huygens'schen Prinzips berechnen. Wie beim Doppelspalt
wird auch beim Gitter die Beugungsfigur zu einem Teil durch die Beugung am Einzelspalt
bestimmt. Nun kommt hinzu, dass man die Teilwellen aus jedem der N Einzelspalte aufsummieren muss
N −1 − ina 2π sin θ
( )
E2 =
ESp ( Θ ) ∑ e
n =0
λ
− iNa
2π
sin (θ )
λ
1− e
=
ESp ( Θ )
2π
− ia
sin (θ )
1− e λ
(4)
BM 6
Optisches Gitter
Abb. 2: Feldverteilung in der Gitterebene.
(Zur Umformung ist hier die Summenformel für die endliche geometrische Reihe benutzt
worden.)
2
Die zugehörige Intensität I∝ E2 ergibt sich nach einiger Umformung zu:
 π

 sin  λ b sin (θ )  

I = I0  
π

b sin (θ ) 
 λ

2
  π

 sin  N λ a sin (θ )  

 
π


 sin

 a sin (θ )  

λ

 
2
(5)
Der erste Faktor stellt die Beugungsfigur des Einzelspaltes dar und enthält dementsprechend
als Objekteigenschaft nur die Spaltbreite. Der zweite Faktor beschreibt die Interferenz der aus
den N verschiedenen Spalten kommenden Teilbündel. Daher gehen hier als Objektgrößen die
Gitterkonstante und die Zahl der beleuchteten Spalte ein. In Abb. 3a,b sind diese beiden Terme in Gl. (5) getrennt dargestellt und zusätzlich die resultierende Intensitätsverteilung (Abb.
3c, die Ordinate ist nicht maßstabsgetreu).
Die Hauptmaxima der Vielfachinterferenzen sind gegeben durch
a sin (θ ) = nλ
n = 0, ± 1, ± 2,...
(6)
während die Nullstellen der Einhüllenden (Beugung am Einfachspalt) gegeben sind durch
b sin (θ ) = n′λ
n′ = 0, ± 1, ± 2,...
(7)
Bildentstehung im Mikroskop
BM 7
Abb. 3: 1. Term (a) und 2. Term (b) aus Gl. (5) und daraus resultierende
Gesamtintensität (c).
Das Beugungsbild eines Gitters zeigt wieder gut das Zusammenspiel von Einzelspaltbeugung
und Vielfachinterferenz: Der erste Faktor der Gl. (5) stellt die Beugung des Einzelspaltes der
Breite b dar, während der zweite Faktor die Interferenz der aus den verschiedenen Spalten
kommenden parallelen Teilbündel beschreibt. Wir betonen hier, dass das Diagramm in Abb. 3
nur entsteht, wenn auch viele Gitterstriche beleuchtet werden (wie viele sind es in Abb. 3?).
BM 8
Optisches Gitter
Die Zahl N der beleuchteten Gitterspalte geht unmittelbar in die Breite der Hauptmaxima ein:
die Breite ist umgekehrt proportional zu N. Abb. 4 verdeutlicht dies am Beispiel von N = 2, 4
und 8 Spalten.
Abb. 4: Beugungsbilder von Gittern mit N = 2, 4 und 8 Spalten (maßstabsgetreu).
Bildentstehung im Mikroskop
Die Bildentstehung im Mikroskop ist von Ernst Abbé in drei Teilschritte zerlegt worden, die
einzeln mathematisch beschreibbar sind und einen Einblick in die erreichbare Qualität der
Abbildung geben:
1) Die Wechselwirkung einer einfallenden Lichtwelle mit dem Objekt,
2) die Entstehung des Beugungsbildes oder „primären Bildes“ und
3) die Entstehung des Bildes oder „sekundären Bildes“.
Mit dem letzteren ist das durch das Objektiv erzeugte (reelle) Zwischenbild gemeint. Seine
Eigenschaften bestimmen nämlich im Wesentlichen die Qualität der Abbildung. Die Betrachtung des Zwischenbildes mit dem Okular bringt praktisch keine zusätzlichen Probleme.
zu 1): Eine Objektstruktur wird dadurch sichtbar, dass auffallendes Licht an ihr gebeugt, gestreut, reflektiert oder auch absorbiert werden kann, die durchlaufende Lichtwelle also verändert wird. Bei direkter Betrachtung entwirft das Abbildungssystem des Auges daraus ein Bild,
beim Mikroskop geschieht das durch ein Objektiv. Für das Folgende wollen wir einige Vereinfachungen machen:
a) Das beleuchtende Licht sei eine ebene monochromatische Welle, die sich in z-Richtung
eines rechtwinkligen Koordinatensystems ausbreite; das Licht sei vollständig kohärent, so
dass bei Überlagerung von Teilwellen die Amplituden zu addieren sind.
b) Als Objekt wählen wir ein Strichgitter in der x-y-Ebene aus lichtundurchlässigen Spalten
in y-Richtung. Der Grund: Strichgitter lassen sich am einfachsten behandeln und sind zudem die elementarsten Objektstrukturen, denn beliebige Objekte lassen sich nach Fourier
Bildentstehung im Mikroskop
BM 9
im Prinzip immer als Superposition einfacher periodischer Strukturen darstellen. Unser
Gitter ist also quasi eine Fourierkomponente eines beliebigen Objektes (allerdings dadurch
ein Spezialfall, dass die Stege völlig lichtundurchlässig sind). Die Amplitude der Welle
vor dem Objekt sei E0 ( x, y ) ; wir schreiben sie komplex, um zugleich die reelle Amplitude
und die Phase der Welle zu erfassen. Direkt hinter dem Objekt sei die durch die Wechselwirkung mit den Strukturen des Objektes veränderte komplexe Amplitude E1 ( x, y ) . Man
kann durch Einführung einer Objektfunktion F ( x, y ) formal schreiben
E1 ( x, y ) = E0 ( x, y ) F ( x, y )
(8)
F ist ebenfalls komplexwertig, da das Objekt i.A. sowohl Amplitude als auch Phase der Welle
ändert.
Wird nun die (reelle) Amplitude beeinflusst (z.B. bei einer Lochblende als Objekt), so sprechen wir von einem „Amplitudenobjekt“, ändert sich nur die Phase (z.B. bei einem durchsichtigen Objekt mit Brechungsindex n≠1), so ist das Objekt ein „Phasenobjekt“. Hologramme
sind beispielsweise zumeist reine Phasenobjekte.
Das Gitter mit durchlässigen Spalten ist ein Amplitudenobjekt; die Objektfunktion hat eine
besonders einfache Form
=
F ( x + ka ) F ( x )=
a: Gitterkonstante, k 0,1, 2,..
(9)
und
1 (Spalt)
F ( x) = 
0 (Steg)
Die Spalte sollen die Breite b haben.
zu 2): Die Gesamtheit aller hinter dem Objekt in gleicher Richtung verlaufenden Lichtstrahlen (d.h. Parallelbündel, siehe Abb. 7a) wird durch das Objektiv in dessen Brennebene gesammelt (fokussiert), und zwar in einem Punkt, wenn die Lichtquelle punktförmig ist oder in
einem Strich, wenn - wie bei unserem Versuch - als Lichtquelle eine Spaltblende dient. Das
Licht hinter dem Objekt enthält solche Parallelbündel mit unterschiedlichen Richtungen; es
sind dies die vom Gitter in die unterschiedlichen Ordnungen gebeugten Teilbündel. In der
Brennebene erhalten wir das Beugungsbild, dessen Amplitudenverteilung E2 die FraunhoferBeugung ist. Die daraus folgende Intensitätsverteilung ist bereits in Gl. (5) angegeben worden.
zu 3): Während im Beugungsbild alle Lichtstrahlen gleicher Richtung in einem Punkt fokussiert werden, interferieren in einem Punkt des Zwischenbildes alle von einem Objektpunkt
ausgehenden Strahlen (Abb. 7b). Eben das nennen wir eine fehlerfreie, optische Abbildung.
Würden alle vom Objektpunkt ausgehenden Strahlen im Bildpunkt mit einem Abbildungsmaßstab Eins vereinigt, so würden Objekt- und Bildfunktion folgendermaßen zusammenhängen:
E3 ( x ) = E1 ( x ) F ( x )
Das (sekundäre) Bild ergibt sich als Fouriertransformierte des Beugungsbildes (Abb. 7c):
E3 ∝ ∫ E2 (k x2 )e
ik x2 x3
2π x2
x
λ f 3
 2π x2 
dk x2 =
d

∫ E2 ( x2 )e
 λf 
i
(10)
BM 10
Optisches Gitter
Abb. 7: (a) Hinter dem Objekt in gleiche Richtung verlaufenden Lichtstrahlen werden durch das Objektiv in dessen Brennebene gesammelt; (b) In einem Punkt des Zwischenbildes interferieren alle von einem Objektpunkt
ausgehenden Strahlen; (c) sekundäres Bild (Fouriertransformierte) des
Beugungsbildes.
(Die Umformung von kx auf die Ortskoordinate in der Brennebene x2 erfolgt nach
=
k x2 k sin (=
Θ ) 2π x2 ( f λ ) , wobei f die Brennweite der direkt hinter dem Gitter befindli-
Bildentstehung im Mikroskop
BM 11
chen Sammellinse ist.) Dieser einfache Zusammenhang gilt allerdings nur für die Abbildung
mit kohärentem Licht und nur für die ideale Abbildung. Tatsächlich wird aber das zum Bild
beitragende Licht durch Blenden (hier die Austrittspupille des Objektivs) begrenzt. Das können Sie im vorliegenden Versuch direkt sehen. Zu Ihren Aufgaben gehört es, abzuzählen, wie
viele Beugungsordnungen des Objektgitters durch die Blende durchgelassen werden.
Auflösungsgrenze
Es zeigt sich nun, dass die Qualität der Abbildung direkt mit dieser Zahl der durch die Blende
gelassenen Beugungsordnungen zusammenhängt. Dies experimentell zu überprüfen, ist der
wesentliche Inhalt des vorliegenden Versuchs. Wir können anhand der Gl. (10) sehen, was
eine Einengung der Öffnung des Objektivs, d.h. der Integrationsgrenzen bewirkt, die nun statt
bei −∞ und +∞ bei −ε und +ε liegen sollen.
Für die weitere Diskussion wollen wir Gl. (5) vereinfachen:
a) Die Veränderung des Einzelspaltterms ist im Bereich jedes Maximums des Interferenzterms (Abb. 4) gering, wenn b << a und wenn die Strichzahl N groß ist. Wir können dann
die Variable sin(θ ) im Bereich jedes dieser Maxima durch den Wert am jeweiligen Maximum ersetzen. Diese Maxima liegen bei n(λ/a) mit n = 0, ±1, ±2, ±3, ...
b) Dann wird aus Gl. (4) für den Bereich des n-ten Maximums:
b
sin(π n )
a 1 − ....
E2 = E0
b 1 − ....
(π n )
a
(4‘)
Abb. 4 zeigt, dass zwischen den Hauptmaxima des Interferenzterms jeweils N − 1 kleine Nebenmaxima liegen. Vernachlässigen wir diese, so besteht das resultierende Beugungsbild aus
einer Reihe von nebeneinander liegenden schmalen gleichartigen Beugungsfiguren. Die Bildfunktion der Gl. (10) als Fouriertransformierte der Beugungsfunktion Gl. (4’) nimmt dann
folgende Form an (wobei auch in der Exponentialfunktion die Werte für die jeweiligen Maxima eingesetzt sind):
b
sin(π n ) i 2π x n
1 − ....
a e 3a
E3 ( x3 ) = const.∑
∫
b
1 − ....
n
Max ( n )
πn
a
(11)
Wichtig ist, dass das Integral unabhängig von der Variablen x ist und für die Hauptmaxima
für jedes n denselben Wert besitzt (es wird nur über ein solches Maximum erstreckt), es stellt
also nur einen konstanten Faktor dar, den wir zur Konstanten „const.“ zuschlagen können.
Und nun sehen wir in Gl. (11), was geschieht, wenn durch die Öffnungsbegrenzung in der
Beugungsebene die Zahl n der zum sekundären Bild beitragenden Beugungsfiguren eingeschränkt wird (die Einschränkung der Integrationsgrenzen in Gl. (10) entspricht nun einer
Begrenzung der Zahl der Summenglieder). Ist die Öffnungsbegrenzung so klein bzw. die Gitterkonstante des Objektes so klein, dass nur noch Wellenzüge vom Beugungsmaximum nullter Ordnung die Bildebene erreichen - die Summe reduziert sich also auf den Term n = 0 - so
erhalten wir
BM 12
Optisches Gitter
sin ( 0 ) i 0
.
=
E3 const
=
e
const.
( 0)
(11‘)
Die Amplitudenfunktion in der Bildebene ist also bezüglich der Koordinate x konstant; dies
bedeutet konstante Helligkeit ohne jede Strukturierung, wie man sie als Bild des Strichgitters
hätte erwarten können. Das heißt aber, dass man das Gitter nicht mehr erkennen kann. Es ist
nun anschaulich klar, dass eine Strukturierung (d.h. eine x3-Abhängigkeit von E3) erst auftreten wird, wenn mehrere Beugungsmaxima zum Bild beitragen, d.h. zur Interferenz gelangen.
Um dies zu erreichen, gibt es im Prinzip - wenn auch häufig nicht in der Praxis - zwei Möglichkeiten: man vergrößere den Blendenquerschnitt, der durch die Öffnung des Objektivs gegeben ist, oder aber man vergrößere die Gitterkonstante. Im letzteren Fall rücken die Beugungsmaxima enger zusammen, sodass man erreicht, dass Wellenzüge von mehreren Maxima
durch die vorgegebene Blendenöffnung auf die Bildebene treffen. Enger liegende Beugungsmaxima bedeuten aber gröbere Bildstruktur. Hier wird anschaulich, wieso es eine untere Auflösungsgrenze für die Beobachtbarkeit von Bildstrukturen gibt.
Wie gesagt: Die ersten Bildstrukturen tauchen auf, wenn zumindest neben dem Maximum
nullter Ordnung eines der beiden ersten Nebenmaxima zum Bild beiträgt. Dieses Bild ist natürlich noch lange kein echtes Abbild des Objektes; das erhält man erst, wenn eine große Zahl
von Beugungsmaxima an der Bildentstehung beteiligt sind. Mit den Maxima n = 0 und
n = ±1 findet man zwar die Periodizität, die durch die Gitterkonstante a gegeben ist


 b
 sin  π a 
 2π x  



E3 ( x) const. 1 +
2 cos 
=

a 
 b


π 


 a


(11‘‘)
(wobei die n = 0, ±1- Terme mitgenommen wurden; der cos( z ) entsteht dabei aus ei⋅ z + e − i⋅ z ).
Jedoch sind die Strukturen nicht scharf begrenzt (wie die Gitterstriche durch die Spaltkanten),
sondern lediglich cosinus-förmig moduliert. Die Bildstruktur wird immer objektähnlicher, je
mehr aufeinanderfolgende Beugungsordnungen zum Bild beitragen. Um beide Nebenmaxima
erster Ordnung mitzunehmen, muss gelten
2ε = 2
λ
a
(12)
Rechnen wir auf den Öffnungswinkel ω des Bündels vor dem Objektiv um - diese Rechnung
ist etwas umständliche Geometrie - so erhalten wir, aufgelöst nach a
a≥2
λ
n sin (ω )
(13)
Der Zahlenfaktor ergibt sich mathematisch als erste Nullstelle der Zylinderfunktionen (sog.
Besselfunktionen). Der mit 2 genäherte Wert von 2,04... hat also nichts mit der eben gemachten Einschränkung auf die beiden ersten Ordnungen zu tun. Die hergeleitete Formel gilt allerdings für diese Einschränkung, und der Vorfaktor verschwindet, wenn man noch die jeweils
zweiten Ordnungen mitberücksichtigt.
Als Auflösungsvermögen bezeichnet man den Kehrwert von a. Das kleinste a, also die minimale auflösbare Gitterkonstante, nennen wir die „Auflösungsgrenze“ der Abbildung. Wie Sie
sehen, ist sie durch die Beugungseffekte am Objekt bedingt. Den Nenner nsin(ω ) nennt man
Bildentstehung im Mikroskop
BM 13
übrigens die „numerische Apertur“ des Objektivs. Sie ist meistens zusammen mit dem Abbildungsmaßstab auf den Mikroskopobjektiven angegeben.
Versuchsteil Optisches Gitter
Aufgabe 1:
Bestimmen Sie die Gitterkonstante a und die Breite des Elementarspaltes b eines Gitters aus
dem Intensitäts-Beugungsdiagramm (Abb. 5, Gitter mit 5 - 20 Strichen pro Millimeter verwenden).
Abb. 5: Bestimmung der Gitterkonstante a und der Breite des Elementarspaltes b eines Gitters.
Das Beugungsdiagramm wird mit einem Photowiderstand D, der entlang einer Achse senkrecht zur optischen Achse bewegt werden kann, elektrisch gemessen. Einzelheiten sind dem
Versuch „Beugung und Interferenz“ zu entnehmen. Bestimmen Sie die Gitterkonstante a aus
den Maxima des Beugungsdiagramms und die Breite b des Elementarspaltes aus den Lagen
der 2. Minima der Einhüllenden der Hauptmaxima (Die 2. Minima sind bei unserer Anordnung besonders deutlich zu erkennen).
Aufgabe 2:
Abbildung des Gitters mit Laserlicht. Dies ist ein Vorversuch zum Teil „Bildentstehung im
Mikroskop“. Bauen Sie für diese Aufgabe folgende optische Anordnung (Abb. 6) auf: Justieren Sie zunächst den Strahlaufweiter (L1 = kurzbrennweitiges Objektiv, L2 = Sammellinse).
Setzen Sie das Gitter G in den Strahlengang und bilden Sie das Gitter mit dem Linsensystem
L3/L4 (L3 : Objektiv mit eingebauter Irisblende, L4 : Sammellinse) auf dem Schirm S ab. Benutzt wird ein Gitter mit 100 Strichen/mm. Die Abbildung muss also stark vergrößernd sein
(50 - 100-fach), damit das Bild des Gitters mit dem Auge direkt erkennbar ist (s. Abb. 6).
Für den von Ihnen gewählten Strahlengang zeichnen Sie den Abbildungsstrahlengang und
berechnen Sie Bild- und Gegenstandsweiten und den Abbildungsmaßstab. Mit einem Blatt
Papier direkt hinter L3 können Sie die Beugungsordnungen beobachten, die zur Abbildung
beitragen. Verkleinern Sie nun die Blende in L3 und beobachten Sie das Bild des Gitters auf
dem Schirm. Wenn Sie kein Bild mehr erkennen, prüfen Sie wieder nach, wie viele Beugungsordnungen zur Abbildung kommen.
BM 14
Optisches Gitter
Abb. .6: Abbildung eines Gitters mit Laserlicht.
Versuchsteil Bildentstehung im Mikroskop
Versuchsaufbau:
Um Sie mit der Handhabung kommerzieller Mikroskope vertraut zu machen, wird für den
vorliegenden Versuch nicht der zuvor hergestellte Prinzipaufbau verwendet, sondern ein
Leitz-Mikroskop mit (wahlweise) 10-facher bzw. 45-facher Objektivvergrößerung und einem
25-fachen Okular mit Okularmikrometer. Als Lichtquelle dient ein von einer Glühlampe beleuchteter Spalt, dessen Lage (horizontal oder vertikal) und Breite veränderbar sind. Der
Kondensor ist durch die Rändelschraube rechts unten einzujustieren. Als Umlenkspiegel dient
entweder ein Planspiegel oder (nach Verdrehen um 180°) ein Konkavspiegel. Zu Beginn des
Versuchs ist der Planspiegel einzusetzen. Durch ein Interferenzfilter vor dem Beleuchtungsspalt kann die Beleuchtung monochromatisiert werden. Objekt ist ein Strichgitter mit unbekannter Zahl von Strichen pro Millimeter. Das Okular ist samt Tubus durch den links angebrachten kleinen Hebel abzulösen. Setzt man dann die beigegebene Hilfslinse auf, so kann
man die Brennebene des Objektivs betrachten, d.h. das Beugungsbild des Objektes. Justieren
Sie den Kondensor so ein, dass ein scharfes Bild des Beleuchtungsspaltes in der Beugungsebene entsteht, bevor Sie das Objekt in den Strahlengang bringen. Für die Versuchsdurchführung kann man nun in die Brennebene eingreifen, indem man dort Schlitzblenden einführt, die
Teile des Beugungsbildes willkürlich abdecken. Zu diesem Zweck ist in das 10-fach-Objektiv
eine Öffnung eingefräst, durch die die Schlitzblenden geschoben werden können.
Vorbemerkung zu den Aufgaben:
Aufgabe 3 und 4 liefern zum Teil qualitative Resultate. Schildern Sie diese mit einigen Sätzen
im Protokollheft.
Aufgabe 3:
Bestimmen Sie die Gitterkonstante des Gitters. Verwenden Sie dazu das 10-fach-Objektiv.
Die Eichung erfolgt mit dem beigegebenen Objektmikrometer.
Aufgabe 4:
Beobachten Sie das Beugungsbild („primäres Bild“) des Objekts. Dazu wird der Okulartubus
durch eine Hilfslinse ersetzt. Geben Sie an, bis zu welcher Beugungsordnung Beugungsmaxima zum sekundären Bild beitragen. Setzen Sie dann den Interferenzfilter vor den Beleuchtungsspalt. Wie sieht nun das Beugungsbild aus?
Wie ändert sich das Beugungsbild, wenn Sie das 10-fach-Objektiv durch das 45-fachObjektiv ersetzen? Dazu ist eine erneute Scharfeinstellung des sekundären Bildes (wozu die
Bildentstehung im Mikroskop
BM 15
Hilfslinse wieder durch den Okulartubus ersetzt wird) und des primären Bildes (mit Hilfe der
Kondensorverschiebung) erforderlich.
Aufgabe 5:
Entfernen Sie den Interferenzfilter und benutzen Sie das 10-fach-Objektiv. Stellen Sie das
sekundäre Bild scharf und verändern Sie die Scharfeinstellung danach nicht mehr. Beobachten Sie dann das primäre Bild.
a) Schieben Sie nun die Einfach-Schlitzblende so in den Objektivschlitz, dass nur das Maximum nullter Ordnung durchgelassen wird (Kontrolle im Beugungsbild). Falls nötig, kann
durch Verschieben der Schlitzblende und durch geringfügige Verkippung des Beleuchtungsspiegels nachjustiert werden. Wie sieht nun das sekundäre Bild aus?
b) Blenden Sie entsprechend mit der Doppelschlitzblende Nr. 1 die Maxima ± erster Ordnung aus (Kontrolle im Beugungsbild). Wie sieht nun das sekundäre Bild aus? Bestimmen
Sie mit Hilfe des Okularmikrometers den Streifenabstand. Machen Sie sich klar, wieso er
sich gegenüber dem im Bild in Aufgabe 3 verändert hat.
c) Schieben Sie nun die Doppelschlitzblenden Nr. 2 und 3 nacheinander in das Beugungsbild
(Die besten Resultate erhält man, wenn man den planaren Beleuchtungsspiegel durch den
Konkavspiegel ersetzt.). Wie ändert sich nun das sekundäre Bild? Bestimmen Sie wieder
den Strichabstand. Wieso erscheint das sekundäre Bild (zumeist) farbig?
Aufgabe 6:
Nachdem Sie die Aufgaben 3 bis 5 durchgeführt haben, überlegen Sie sich die Antworten auf
folgende Fragen:
a) Wieso enthält das aus dem Beugungsmaximum nullter Ordnung entstehende sekundäre
Bild keine Information über das Objekt?
b) Schätzen Sie die numerische Apertur des 10-fach-Objektivs ab.
c) Die Beugungswinkel sind nur durch die Objektstruktur bestimmt. Wieso steigt dann das
Auflösungsvermögen kommerzieller Objektive i.A. mit deren Abbildungsmaßstab?
d) Schätzen Sie die durch die Beugung bedingte prinzipielle Auflösungsgrenze des Lichtmikroskops ab.
e) Welche Möglichkeiten sehen Sie, das Auflösungsvermögen zu steigern?
Versuchsteil Phasenmodulator
Experimenteller Aufbau:
Die optischen Komponenten werden mittels Reitern längs einer Schiene (optische Bank) aufgebaut. Das (monochromatische, kohärente, parallele) Licht kommt von einer Laserdiode mit
aufgesetztem Strahlaufweiter. Es durchdringt den LCD (liquid crystal display). Auf dem
LCD, der als 2.Monitor geschaltet ist, werden vom Computer zweidimensionale Muster in der
x-y-Ebene (x und y senkrecht zum Laserstrahl, x horizontal, y vertikal) dargestellt. Solch ein
Muster ist der abzubildende Gegenstand. (Setzen Sie noch einen Polarisationsfilter direkt hinter den LCD). Der Gegenstand wird mittels einer Sammellinse (f = 20 cm) auf den Schirm am
Ende der Schiene abgebildet. Dort soll ein reelles, vergrößertes und scharfes Bild entstehen.
Der Aufbau ist in Abb. 7 dargestellt (nutzen Sie die volle Länge der optischen Bank).
BM 16
Optisches Gitter
Abb. 7: Aufbau zur Beobachtung des Beugungs- und des Gegenstandbildes.
In der bildseitigen Brennebene kann man dann das Beugungsbild des Gegenstands mit einem
Hilfsschirm, wie etwa einem Blatt Papier auffangen. In diese Position bringt man später dann
auch eine variable und in x-Richtung verschiebbare Kreuzblende. In der Brennebene liegt also
das Beugungsbild, auf dem Schirm das Bild des Gegenstands vor.
Da nun das Beugungsbild recht klein ist, sollte man mittels einer weiterer Sammellinse (f = 15
cm) ein vergrößertes Bild des Beugungsbild auf den Schirm werfen, wodurch allerdings das
Bild des Gegenstands zerstört wird. Wenn man also jeweils das Bild oder das Beugungsbild
auf einem Schirm beobachten wollte, müsste man die zweite Linse aus- und wieder einbauen.
Beide Bilder, also das des Gegenstands und das vergrößerte Bild der Beugungsfigur, kann
man simultan betrachten, wenn einen Teil des Strahls mittels eines Strahlteilerwürfels (zwischen der Brennebene der ersten Linse und der zweiten Linse) nach der Seite auslenkt und
unter der Benutzung eines Spiegels ebenfalls auf den Schirm wirft. Dabei wird das Bild wegen des verlängerten Wegs leicht unscharf. Wen das stört, der möge mit einem zweiten
Schirm arbeiten. Die endgültige Anordnung sieht dann wie in Abb. 8 aus:
Abb. 8: Anordnung zur gleichzeitigen Beobachtung des vergrößerten Beugungs- und des Gegenstandbildes.
Machen Sie sich klar, dass sich das Bild des Gegenstands auf dem Schirm aus der Interferenz
der Teilwellen ergibt, die von den Beugungsmaxima der Brennebene ausgehen, und dass diese Überlagerung ganz analog zur Überlagerung der Teilwellen ist, die vom Gegenstand ausgehen und mittels der ersten Linse in Punkten der Brennebene vereinigt werden.
Bildentstehung im Mikroskop
BM 17
Versuchsdurchführung:
Im ersten Teil des Versuchs sollen Sie sich die Reziprozität von Bild und Beugungsbild nahe
bringen. Geben Sie also eine möglichst einfache Struktur wie etwa das Logo des Herstellers
des LCD (Schriftzug „HOLOEYE“ umrahmt von zwei Bögen) auf den LCD.
Dazu starten Sie das Programm OptiXplorer, das auf dem Desktop liegt. Im Pull Down Menu
„File“ klicken Sie auf „Open Image File“. Im Ordner „SampleSignals“ finden Sie das
HOLOEYE-Logo. Lassen Sie auch gleich die Fouriertransformierte berechnen. Schieben Sie
auf dem Bildschirm des Computers das Logo bzw. seine Fouriertransformierte so zurecht,
dass die Abbilder auf dem zweiten Schirm erscheinen. Benutzen Sie die Zoom-Funktion. Mit
dem Polarisationsfilter können Sie den Kontrast des Bildes erhöhen. Vergleichen Sie mit dem
jeweiligen Beugungsbild auf den ersten Schirm.
Dazu zwei Bemerkungen:
Da mit monochromatischem Licht gearbeitet wird, erstrahlen natürlich alle Bilder in der Farbe
des Laserlichts (λ = 650 nm). Sie sind also nicht bunt sondern einfarbig. Es steht Ihnen frei,
eigene Strukturen zu entwerfen, z.B. mit dem Zeichenprogramm „Paint“. Verzichten Sie hier
auf bunte Strukturen und vermeiden Sie Helligkeitsstufen. Arbeiten Sie am besten nur mit
Schwarz und Weiß. Die Berechnung der Fouriertransformierten klappt allerdings nur für
Strukturen kleiner als 200 x 200 Pixel. Besonders instruktiv sind hierbei zweidimensionale
periodische Anordnungen von Kreisen oder Strichen wie z.B. das Bienenwabengitter.
Bereits ohne aufgeprägte Struktur liefert der LCD das Beugungsbild der Pixelstruktur, aus der
der LCD aufgebaut ist. Die Pixel sind auf einem Rechteckgitter angeordnet. Das Beugungsbild besteht aus Beugungsreflexen, die man mit den Ordnungen h und k in den beiden Raumrichtungen x und y durchzählt, h,k =…-2,-1,01,2,… (Bei einem 3D-Gitter kommt noch ein
dritter Index dazu. In der Kristallographie, die sich ja mit 3D-Kristallgittern beschäftigt,
spricht man von den Miller-Indizes (hkl).)
Schätzen Sie aus den Beugungswinkeln der Reflexe (hk) die Gitterkonstanten dx und dy des
Pixelgitters ab. Dazu müssen Sie Abstände im Beugungsbild bzw. Beugungswinkel auswerten, sei es direkt in der Brennebene der ersten Linse mit Hilfe einer verschiebbaren Blende
oder vergrößert auf dem Schirm mit Millimeterpapier.
Im Hauptteil des Versuchs wird nun mit einem (vertikalen) Strichgitter gearbeitet (Pull Down
Menu „Elementary Optical Functions“ → Show Binary Linear Grating). Wählen Sie eine Gitterkonstante d = d x von z.B. 6 Pixel und wählen Sie Spaltbreite s und Stegbreite (d-s) etwa
gleich, also z.B. jeweils 3. Das Fourierbild enthält dann (näherungsweise) nur die diskreten
Raumfrequenzen ( = Wellenvektoren in x-Richtung) 2π h / d x .
Frage: Wie liegen die Reflexe h des Strichgitters relativ zu den Reflexen (hpkp) des Pixelgitters? Was meint man, wenn man von der Inkommensurabilität (bzw. Kommensurabilität)
zweier Gitter spricht?
Variieren Sie (in Grenzen) die Gitterkonstante und die Spaltbreite des Strichgitters. Betrachten Sie dabei die Lage und Intensität der Reflexe h des Strichgitters, am besten der „Satelliten“ des (00) Reflexes des Pixelgitters, denn diese haben die höchste Intensität. Stellen Sie
zur Betrachtung der Einzelreflexe des Strichgitters die Horizontalblende so schmal ein, dass
nur noch eine Beugungsordnung durchgelassen wird und „scannen“ Sie die Blende in xRichtung.
Im Folgenden soll nun das Beugungsbild in der Brennebene mit Hilfe einer Blende manipuliert werden und die Auswirkung auf das Bild betrachtet werden. Man spricht von „Raumfilte-
BM 18
Optisches Gitter
rung“. Stellen Sie die x-Breite der Blende so ein, dass nur eine, zwei,…usw. benachbarte
Beugungsordnungen des Strichgitters durchgelassen werden. Um Kombinationen von nichtbenachbarte Ordnungen durchzulassen, also z.B. h = 0 und h = 2 , deckt man den zentralen
Teil der Blendenöffnung noch mit einem schmalen Blech- oder Papierstreifen ab. Der Spielerei sind hier allerdings Grenzen gesetzt, da das Bild sehr lichtschwach wird, wenn nur wenige
und auch noch schwache Ordnungen die Blende passieren. Wie hängt die Struktur des Bildes
von der Kombination ab? Machen Sie Aussagen zur „Auflösung“ und zur Auswirkung der
Raumfilterung auf das Bild.
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
Photometrische Analyse
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
PD Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
PD Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
2H
Version 8 (11/2009)
PA 2
Photometrische Analyse
1. Stoffgebiet
•
Ausbreitung elektromagnetischer Wellen
•
Optische Spektroskopie
•
Absorption
•
Lambert-Beersche Gesetz
•
Reflexion
•
Emissions- und Absorptionsspektren
2. Fragen
1.
Was versteht man unter der Stoffmengenkonzentration? Wie hängt sie mit der Molmasse und der Masse zusammen? Überlegen Sie sich, wie man eine Lösung einer gewünschten Konzentration herstellt.
2.
Was ist eine gesättigte, eine ungesättigte und eine echte Lösung?
3.
Was ist ein kolloidales System?
4.
Was ist ein Spektrum?
5.
Was versteht man unter einem Emissionsspektrum und einem Absorptionsspektrum?
6.
Wie unterscheiden sich Atom-, Molekül- und Festkörperspektren?
7.
Was versteht man unter der spektralen Bandbreite des Lichts?
8.
Im Innern eines absorbierenden Stoffes ist die relative Abnahme der Intensität
dI / I = − Kdx , wenn sich das Licht in x-Richtung ausbreitet. Man leite daraus das Absorptionsgesetz Gl. (1) her.
9.
Beschreiben Sie den Entfärbungsprozess von Kristallviolettlösung bei Zugabe von Natronlauge.
Photometrische Analyse
PA 3
3. Grundlagen
Bei der Untersuchung von Stoffen sind zwei Fragestellungen wichtig:
•
Welche Substanzen sind enthalten? (qualitative Analyse)
•
In welcher Konzentration sind sie enthalten? (quantitative Analyse)
Die zahlreichen Analysemethoden kann man in überwiegend chemische (Fällungs-, Färbungsreaktionen, Titrationen etc.) und überwiegend physikalische (Absorptions- und Emissionsspektralanalyse, Chromatographie, Massenspektrometrie, Spinresonanzspektroskopie, Mößbauer-Spektrometrie usw.) einteilen, wenngleich eine solche Einteilung keine scharfe Abgrenzung liefert. Dabei ist beispielsweise von Interesse, welche Elemente in einer Verbindung, welche Verbindungen in einer Lösung enthalten sind, oder welche Substanzen bei chemischen Reaktionen entstehen.
In der medizinischen Diagnostik beschränkt man sich meist auf den quantitativen Nachweis
von organischen Verbindungen in Lösungen (z.B. Blut). In vielen Fällen eignet sich hierzu
die Absorptionsspektralanalyse, die nur eine geringe Messzeit beansprucht. Diese Tatsache ist
für instabile Lösungen wichtig. Da diese Methode ohne chemische Umwandlungen auskommt, stehen die Messproben für weitere Untersuchungen zur Verfügung. Heutzutage gibt
es auf dem Markt spezielle Messgeräte, mit deren Hilfe komplette Messspektren in Bruchteilen von Sekunden aufgezeichnet werden, so dass man auch den Verlauf chemischer Reaktionen schrittweise verfolgen kann.
3.1 Die Spektralanalyse
Der Spektralanalyse liegt die von dem Chemiker Bunsen und dem Physiker Kirchhoff gewonnene Erkenntnis zugrunde, dass jedes chemische Element durch sein Absorptions- und
Emissionsspektrum (Atomspektrum) eindeutig charakterisiert ist. Dies gilt nicht in gleicher
Allgemeinheit für chemische Verbindungen oder Zusammenlagerungen gleichartiger Atome
(Festkörper, Flüssigkeiten), jedoch lassen sich auch viele Verbindungen, Flüssigkeiten und
Festkörper durch ihre Spektren analysieren. Grund für diese Einschränkung ist, dass die Spektren umso komplizierter werden, je mehr Atome sich im engen Verband befinden (Moleküle,
Festkörper) und sich gegenseitig beeinflussen. Die gegenseitige Beeinflussung benachbarter
Atome bewirkt, dass deren Elektronenspektren verändert werden und zusätzliche Absorptions- und Emissionsprozesse entstehen (beim Molekül etwa die Anregung von Schwingungen
und Rotationen). An die Stelle der Atomlinien tritt beim isolierten Molekül eine Vielzahl von
Liniengruppen (Molekülbanden). Bringt man Moleküle in Lösung, so findet man ähnlich wie
bei den Festkörpern breite Absorptionsbereiche, die oft unterbrochen sind durch Bereiche
ohne Absorption. Je größer die Zahl der miteinander in Wechselwirkung stehenden Atome ist,
desto verwaschener und uncharakteristischer werden die Strukturen ihrer Spektren. Infolge
solcher Wechselwirkungen hat z.B. das Spektrum metallischen Natriums keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem des Gases. Atomares Natrium kann durch das Liniendublett im Gelben
leicht identifiziert werden. Im gesamten sichtbaren Spektralbereich ist das Spektrum metallischen Natriums dagegen so uncharakteristisch, dass es sich z.B. von dem des metallischen
Aluminiums kaum unterscheidet. Auch die Moleküle eines Lösungsmittels stellen eine solche
störende Umgebung dar, sodass die Spektren gelöster Atome und Moleküle auch von der
chemischen Natur des Lösungsmittels beeinflusst werden. Dies muss bei der Analyse von
Spektren gelöster Stoffe beachtet werden.
An sich sind Absorptions- und Emissionsspektren zur Analyse gleich brauchbar; bei Atomen
im Gas wird meist letztere angewendet (z.B. Flammenfärbung in der chemischen Analyse).
Moleküle untersucht man dagegen meist in Absorption, da sie sich oft bei der für Emission
PA 4
Photometrische Analyse
notwendigen Erwärmung zersetzen. Auch bei flüssigen Lösungen kommt nur die erste Methode in Betracht.
Absorptionsspektren von Lösungen bestehen aus Absorptionsbereichen (Absorptionsbanden)
und Bereichen, in denen die Lösung durchsichtig ist. Liegt keine Absorptionsbande im sichtbaren Spektralbereich, so erscheint die Lösung farblos. Dann muss man zur Analyse die im
Ultravioletten (UV) und Infraroten (IR) liegenden Absorptionsbereiche ausmessen.
Die Absorptionsspektren von Lösungen setzen sich zusammen aus der Absorption der gelösten Stoffe und der Absorption des Lösungsmittels. Angenehmerweise liegen bei üblichen Lösungsmitteln wie Wasser oder Alkohol, die Eigenabsorptionen weit entfernt vom sichtbaren
Spektralbereich im Ultravioletten und Infraroten, so dass sie im Sichtbaren farblos sind. Ist
man aber z.B. bei gelösten Substanzen, die im Sichtbaren selbst nicht oder nur
uncharakteristisch absorbieren, auf Messungen im UV oder im IR angewiesen, so muss man
gesondert eine evtl. Eigenabsorption des Lösungsmittels prüfen. Wir werden darauf im Folgenden näher eingehen.
Mit kommerziellen Absorptionsgeräten (Photometer) kann man heute üblicherweise den
Spektralbereich vom nahen Ultravioletten bis zum nahen Ultraroten (Wellenlängen von 280
nm bis etwa 1,5 µm) überstreichen. Zur qualitativen Spektralanalyse muss man also das Absorptionsspektrum messen. Meist genügt dazu bereits ein kleiner Ausschnitt des Spektrums,
wenn dieser Absorptionsbereiche enthält. Je größer man jedoch den zu messenden Spektralbereich wählt, je mehr typische Absorptionsstellen man also erfasst, desto sicherer ist die Analyse. Aus der spektralen Lage der Maxima der Absorption ist dann auf die gelöste Substanz zu
schließen.
3.2 Das Absorptionsgesetz
Zur quantitativen Analyse eines Stoffes genügt, falls bereits bekannt ist, dass er in der Lösung
enthalten ist, die Messung seiner Absorption an einer Stelle im Spektrum, bei der das Lösungsmittel und sonstige gelöste Stoffe nicht absorbieren. Besonders geeignet sind die Maxima von Absorptionsbereichen des zu untersuchenden Stoffes. Die Absorption von Licht in
einer ebenen Schicht einer absorbierenden Substanz wird durch das Absorptionsgesetz beschrieben. Die Konzentrationsbestimmung erfolgt mit dem Beerschen Gesetz, das eine Erweiterung des Absorptionsgesetzes darstellt.
Die von einer absorbierenden Substanz durchgelassene Lichtintensität Idurch bezogen auf die
eindringende Intensität Iein nimmt exponentiell mit der Schichtdicke d ab. Die stoffspezifische
Stärke der Absorption wird durch eine Materialkonstante, die Absorptionskonstante K erfasst.
Ihre Größe hängt von der Wellenlänge λ des Lichtes ab. Das Absorptionsgesetz lautet:
I durch
= e− K (λ ) d
I ein
(1)
Abb. 1 zeigt den Verlauf von Gl. (1) als Funktion der Schichtdicke. Eine wesentliche Erweiterung des Gesetzes auf Lösungen stammt von Beer. Ist c die Konzentration des gelösten Stoffes und ist das Lösungsmittel im betrachteten Spektralbereich durchsichtig, so gilt:
K (λ ) = α (λ ) c
(2)
Dabei ist α (λ) eine von der Wellenlänge abhängige Konstante, die spezifische Absorptionskonstante. Setzt man diese Formel in Gl. (1) ein, so erhält man das Beersche Gesetz (oft auch
Lambert-Beersches Gesetz genannt) für die Transmission T:
Photometrische Analyse
PA 5
=
T
I durch
= e −α ( λ )cd
I ein
(3)
Aus der Messung der Intensitäten Idurch und Iein bei einer Wellenlänge λ erhält man nur dann
eine eindeutige Aussage über die Konzentration c des gelösten Stoffes, wenn man dessen
Konstante α bei dieser Wellenlänge kennt und weiß, dass keine weiteren Bestandteile der
Lösung zur Absorption bei dieser Messwellenlänge beitragen.
Abb. 1: Die von einer absorbierenden Substanz durchgelassene Lichtintensität Idurch
bezogen auf die eindringende Intensität Iein nimmt exponentiell mit der Schichtdicke d
ab (Gl. (1)).
In der Photometrie wird statt der Transmission T oft die Extinktion E benutzt:
I ein
1
log
=
= α (λ )cd log e
E log =
I durch
T
(4)
Führt man den molaren dekadischen Extinktionkoeffizienten ε(λ) = α(λ)loge ein, ist
E = ε (λ )cd
(5)
ε ist die Extinktion E, die eine Lösung mit der Konzentration 1 mol/l bei einer Schichtdicke
von 1 cm haben würde.
An die Stelle der expliziten Kenntnis der Konstanten α οder ε kann auch eine Vergleichsmessung an einer gleichartigen Lösung mit bekannter Konzentration c0 (Normal- oder Eichlösung) treten. Dann verhalten sich die Absorptionskonstanten der Lösungen zueinander wie
ihre Konzentrationen:
K (λ ) : K 0 (λ ) = c : c0
(6)
PA 6
Photometrische Analyse
Für Lösungen mit mehreren absorbierenden Bestandteilen setzt sich die Gesamtabsorption aus
den Einzelabsorptionen zusammen:
K gesamt (λ ) =α1 (λ ) c1 + α 2 (λ ) c2 + ...
(7)
Für die gesamte Extinktion gilt
Egesamt = E1 + E2 + ... = d (ε1c1 + ε 2 c2 + ...)
(8)
Die Indizes 1,2,... sollen auf die verschiedenen absorbierenden Bestandteile der Lösung hinweisen. Hier ergibt sich nun eine Schwierigkeit: Selbst, wenn man weiß, dass zwei Substanzen mit den spezifischen Absorptionskonstanten α1(λ) und α2(λ) in einer Lösung enthalten
sind, so sind Gl. (7) bzw. (8) nicht eindeutig, da sie zwei Variablen enthalten. So kann derselbe Zahlenwert von Kgesamt durch völlig unterschiedliche Kombinationen von c1 und c2 erhalten
werden, wodurch eine eindeutige Konzentrationsbestimmung unmöglich wird.
Der Ausweg ist, bei zwei oder mehreren Wellenlängen zu messen, und zwar, falls dies möglich ist, am besten bei einer Wellenlänge λ1, bei der nur die eine, und dann bei einer weiteren
Wellenlänge λ2, bei der nur die andere Substanz absorbiert. Aber auch , wenn es solche Gebiete im Messbereich des Spektrums nicht gibt, in denen der eine Stoff durchsichtig, der andere aber absorbierend ist, so erhält man aus zwei Messungen bei verschiedenen Wellenlängen
im allgemeinen eine eindeutige Aussage über die beiden Einzelkonzentrationen, wenn die
spezifischen Absorptionskonstanten bekannt sind. Allerdings ist dann die Auswertung komplizierter, da man ein System von zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten lösen muss.
Für die Auswertung ist zudem nötig, dass die Absorptionen der Bestandteile in der gleichen
Größenordnung liegen. Dies ist meist nicht der Fall, wenn das Lösungsmittel selbst ein absorbierender Bestandteil ist. Ist die Konzentration des gelösten Stoffes gering, kann seine Absorption so sehr von der des mengenmäßig überwiegenden Lösungsmittels überdeckt werden,
dass die Messgenauigkeit nicht ausreicht, den gelösten Stoff überhaupt noch nachzuweisen.
Das Lambert-Beersche Gesetz gilt bei den meisten Lösungen, keineswegs aber allgemein.
Eine Voraussetzung für seine Gültigkeit ist, dass keine Wechselwirkung zwischen den gelösten Molekülen auftritt. Bei niedrigen Konzentrationen ist dies wegen des großen mittleren
Abstandes der Moleküle sicher der Fall, bei hohen Konzentrationen aber kann die Wechselwirkung der Moleküle untereinander bewirken, dass sich die Konstante α(λ) ändert, d.h.
selbst von der Konzentration abhängig wird.
3.3 Das Spektrometer (Photometer)
Das hier benutzte Spektrometer Red Tide USB650 analysiert Licht in einem Wellenlängenbereich von 350 nm – 1000 nm mit einer Auflösung von etwa 2 nm. Es besitzt keine beweglichen Teile, alle optischen Komponenten sind fest montiert und wurden einmal eingestellt und
geeicht. Abb. 2 zeigt den inneren Aufbau des Spektrometers.
Das zu analysierende Licht wird über einen Lichtleiter (1) und einen Spalt (2) in das Spektrometer geführt. Ein Eintrittsfilter (3) beschränkt den Wellenlängenbereich des eintretenden
Lichts auf den Wellenlängenbereich 350 nm – 1000 nm. Ein Hohlspiegel (4) fokussiert das
Licht auf ein Gitter (5) mit 600 Linien pro mm. Das Gitter zerlegt durch Beugung das Licht
spektral. Die 1. Beugungsordnung dieses Lichts wird von einem weiteren Spiegel (6) über
viele kleine Sammellinsen (7) auf einen CCD-Detektor (8) mit 2048 Elementen („Pixel“) abgebildet. Zusätzliche Filter (9,10) dienen der Unterdrückung von Streulicht und Licht aus
Beugungen höherer Ordnung. Die Position jedes Pixels des CCD-Detektors entspricht einer
bestimmten Wellenlänge und jeder Pixel erzeugt ein elektrisches Signal, das proportional zu
Photometrische Analyse
PA 7
der Intensität des von ihm absorbierten Lichts ist. Diese Signale werden digitalisiert und an
einen PC übertragen.
Abb. 2: Aufbau des Spektrometers Red Tide USB650.
Allerdings haben sowohl das Gitter als auch der CCD-Detektor abhängig von der Wellenlänge unterschiedliche Empfindlichkeiten. Dies ist einer der Gründe, warum photometrische
Messungen immer im „2-Küvetten-Verfahren“ durchgeführt werden. Durch den Bezug auf
eine Referenzmessung (Küvette mit reinem Lösungsmittel) ist die eigentliche Messung unabhängig von der Ansprechwahrscheinlichkeit des Spektrometers.
Als Lichtquelle für die Messungen dient eine Wolfram-Halogen-Lampe, die ein kontinuierliches Lichtspektrum im Bereich 360 nm – 2000 nm liefert. Abb. 3 zeigt das Lichtspektrum für
den Bereich, für den das Spektrometer empfindlich ist.
Abb. 3: Aufbau des Spektrometers Red Tide USB650.
Durch Einsatz von Neutral-Filtern kann die Lichtintensität angepasst werden. Die Lichtquelle
wird mit einem Lichtleiter mit dem Küvettenhalter verbunden, mit einem weiteren Lichtleiter
wird das nicht absorbierte Licht zum Spektrometer geleitet.
PA 8
Photometrische Analyse
4. Versuche
Hinweis: Eine Anleitung zur Aufnahme der Messungen mit dem Programm SpectraLab finden Sie in den Anhängen I und II.
Vorsicht: Vermeiden Sie es, die verwendeten Chemikalien in die Augen zu reiben. Verwenden Sie Handschuhe.
Aufgabe 1
Prüfen Sie experimentell die im Lambert-Beerschen Gesetz geforderte Abhängigkeit der Absorption von der Konzentration c. Dazu wird das Extinktionsspektrum einer Kaliumpermanganatlösung (KMnO4) aufgenommen. Der Transmissionskoeffizient wird aus der
Extinktion berechnet. Bestimmen Sie mit Hilfe des Lambert-Beerschen Gesetzes den Absorptionskoeffizienten einer KMnO4 Lösung für drei verschiedenen, geeigneten Wellenlängen.
Stellen Sie 200 ml einer 0,001 molaren Kaliumpermanganatlösung (KMnO4) her (Molmasse:
158,03 g/mol). Von dieser Stammlösung des Farbstoffes stellen Sie folgende Verdünnungen
her: 100%, 50%, 25%, 10%, 5% und 2%. Benutzen Sie dazu die Saugpipette.
Vorsicht: Die Küvetten nicht im transparenten Bereich berühren, sondern an den aufgerauten
Flächen. Fingerabdrücke verfälschen die Messung.
Theoretische Grundlagen der Durchführung:
In der photometrischen Messung wird die durch die Probe dringende Lichtintensität aufgenommen. Nach Gl. (1) hängt der Messwert von der Intensität des Lichtes vor Durchgang
durch die Probe ab. Zusätzlich zur Messung der einfallenden Intensität ist die Reflexion des
Lichtes, die an jeder Grenzfläche (Luft/Glas und Glas/Lösung) zwischen zwei verschiedenen
durchsichtigen oder absorbierenden Stoffen auftritt, zu berücksichtigen (Abb. 4). Dadurch
wird die Intensität Idurch zusätzlich geschwächt. Der reflektierte Anteil an einer Grenzfläche ist
R ⋅ I (R = Reflexionsvermögen der Grenzfläche, I = einfallende Intensität), der durchgelassene
Anteil beträgt hinter einer Grenzfläche (1 − R) ⋅ I .
Abb. 4: Zwei-Küvetten-Messverfahren in der photometrischen Analyse.
Photometrische Analyse
PA 9
Das Messsignal Idurch ist also nicht nur eine Funktion von K, sondern auch von Iein und dem
Reflexionsvermögen der verschiedenen Grenzflächen. Durch das Zwei-Küvetten-Messverfahren wird der Einfluss der unerwünschten Größen eliminiert, und man erhält das unverfälschte Absorptionsspektrum.
Für eine stark verdünnte, wässrige Lösung ist die reflektierte Intensität praktisch gleich der
einer mit reinem Lösungsmittel gefüllten Referenzküvette. Wird Idurch, die Intensität hinter
einer mit Lösungsmittel gefüllten Küvette gemessen, so enthält dieser Wert nahezu dieselben
Lösung
Lösungsmittel
) durch den Messwert ( I durch
) ergibt
Reflexionsverluste. Division dieses Wertes ( I durch
die gesuchte Funktion e − K ( λ )⋅d .
Voraussetzung für diese Methode sind identische optische Eigenschaften der verwendeten
Küvetten.
Durchführung:
a) Stellen Sie die Stammlösung und die beschriebenen Verdünnungen her. Befüllen Sie jeweils eine Küvette zu ca. ¾ mit der Stammlösung sowie den Verdünnungen. Befüllen Sie
außerdem eine Küvette mit destilliertem Wasser als Referenz.
b) Messen Sie das Absorptionsspektrum von destilliertem Wasser.
c) Messen sie die Absorptionsspektren der Stammlösung und ihrer Verdünnungen.
Auswertung:
a) Übertragen Sie die Messwerte der Extinktion samt Wellenlängen nach Origin.
b) Suchen sie eine geeignete Wellenlänge heraus und tragen sie die zugehörigen Werte der
Extinktion gegen die Konzentration auf. Mit Hilfe des Graphen können sie anhand des
Lambert-Beerschen Gesetzes die Absorptionskonstante für diese Wellenlänge berechnen.
c) Berechnen sie die Absorptionskonstanten für zwei weitere Wellenlängen.
Aufgabe 2:
Untersuchen sie die Reaktionskinetik beim Entfärben einer Kristallviolettlösung der Konzentration c= 5 ⋅10−6 mol/l mit Natronlauge (0,01 mol/l). Bestimmen sie die Reaktionskonstante.
Durchführung:
a) Stellen Sie 400 ml einer 5 ⋅10−6 molaren Kristallviolettlösung (C25H30ClN3) her. Die molare Masse von Kristallviolett beträgt 407,99 g/mol.
b) Nehmen Sie als Referenzmessung das Absorptionsspektrum von destilliertem Wasser auf.
c) Das Messprogramm muss vor dem Aufnehmen der Reaktionskinetik kalibriert werden.
Nehmen Sie das Absorptionsspektrum der Stammlösung auf und wählen Sie den Wellenlängenbereich aus, in dem die Kinetik untersucht werden soll. Stellen Sie dann durch Verdünnen der Stammlösung Kristallviolettlösungen der Konzentrationen c= 4 ⋅10−6 mol/l,
c= 3 ⋅10−6 mol/l, c= 2 ⋅10−6 mol/l, c = 1 ⋅10−6 mol/l her und nehmen Sie ihr Absorptionsspektrum auf.
d) Geben Sie mit einer Pipette einige Tropfen Natronlauge in eine Küvette mit der Stammlösung und stellen sie diese in die Messvorrichtung. Die Anfangskonzentration der Lösung
sollte zwischen 4 ⋅10−6 mol/l und 4,5 ⋅10−6 mol/l liegen. Die Kristallviolettlösung wird
sich innerhalb von etwa 20 Minuten langsam entfärben.
e) Nehmen Sie den Konzentrationsverlauf auf und bestimmen Sie daraus die Reaktionskonstante.
PA 10
Photometrische Analyse
Aufgabe 3:
Vergleichen Sie experimentell und rechnerisch die Additivität von Absorptionskonstanten
nach Gleichung (6).
Durchführung:
Sie benötigen folgende Lösungen bekannter Konzentration: Kupfersulfatlösung ( c = 0, 22
mol/l), Kristallviolettlösung ( c= 5 ⋅10−6 mol/l) und Kaliumpermanganatlösung ( c = 0, 001
mol/l).
a) Nehmen Sie als Referenz das Absorptionsspektrum von destilliertem Wasser auf.
b) Nehmen Sie jeweils das Absorptionsspektrum der drei Lösungen auf und bestimmen sie
wie in Aufgabe 1 die Absorptionskonstanten der Lösungen mit Hilfe des LambertBeerschen Gesetzes.
c) Stellen Sie eine Mischung (Verhältnis 1:1) aus Kupfersulfat- und Kristallviolettlösung
sowie Kupfersulfat- und Kaliumpermanganatlösung her und bestimmen Sie die Absorptionskonstanten der Mischungen. Beachten Sie, dass sich die Konzentrationen ändern, wenn
Sie zwei Lösungen mischen.
d) Vergleichen Sie die experimentell und rechnerisch erhaltenen Ergebnisse.
Photometrische Analyse
PA 11
Anhang I
Durchführung einer Messung zur Bestimmung der Absorptionskonstanten mit SpectraLab
(das Handbuch zu dem Programm liegt bei dem Versuch aus bzw. kann von der Web-Seite
des Praktikums runtergeladen werden):
A Messung der Referenz:
1. Klicken Sie auf den Reiter „Referenz I2 = I-I0“.
2. Setzen Sie die Referenz-Küvette in den Halter ein.
3. Passen Sie die Integrationszeit an:
a. Stellen Sie die Integrationszeit auf 100 ms (
und
-Button),
b. Probieren Sie verschiedene Kombinationen aus Neutralgläsern und verschiedenen Integrationszeiten aus, um in Transmission maximal etwa 75% Intensität zu erreichen.
4. Warten Sie einige Sekunden, bis sich die Anzeige nur noch schwach verändert.
5. Bilden Sie den Mittelwert (∑-Button) über etwa 100 Messungen mit der Referenz.
6. Beenden Sie die Messung ( -Button).
B Messung der Probe
1.
2.
3.
4.
5.
Klicken Sie auf den Reiter „Extinktion E = -log(I1/I2)“.
Setzen Sie die Proben-Küvette in den Halter ein.
Warten Sie einige Sekunden, bis sich die Anzeige nur noch schwach verändert.
Bilden Sie den Mittelwert (∑-Button) über etwa 50 Messungen mit der Probe.
Beenden Sie die Messung ( -Button).
Hinweis: Zum Messen von Probenvariationen (beispielsweise unterschiedliche Konzentrationen) erstellen Sie nach Schritt B5 eine neue Datenspalte (
-Button) und beginnen Sie wieder bei Schritt B2. Stoppen Sie beim Wechsel die Bildung des Mittelwerts.
C Speichern der Daten
• Legen Sie in dem dafür vorgesehenen Verzeichnis ein Unterverzeichnis an, welches Sie
nach dem aktuellen Datum benennen.
• Speichern Sie alle Daten (
-Button).
• Benennen Sie ihre Daten nach der vermessenen Substanz (z.B. C:\Dokumente und Einstellungen\Betreuer\Eigene Dateien\PA-Messungen\2009\13-10-09\KMnO4).
D Exportieren der Daten nach Origin
1. Rechtsklicken Sie die zu exportierende Tabelle und wählen Sie „Tabelle kopieren“ aus
dem Menü aus.
2. Starten Sie Origin.
3. Rechtsklicken Sie auf Feld A-1 im Origin-Worksheet und drücken Sie „STRG+V“ zum
Einfügen der Daten.
PA 12
Photometrische Analyse
Anhang II
Durchführung einer Messung zur Bestimmung der Reaktionskinetik mit SpectraLab:
A Messung der Referenz:
1. Klicken Sie auf den Reiter „Referenz I2 = I-I0“.
2. Setzen Sie die Referenz-Küvette in den Halter ein.
3. Passen Sie die Integrationszeit an:
a. Stellen Sie die Integrationszeit auf 100 ms (
und
-Button),
b. Probieren Sie verschiedene Kombinationen aus Neutralgläsern und verschiedenen Integrationszeiten aus, um in Transmission bei λ = 600 nm etwa 75% Intensität zu erreichen.
4. Warten Sie einige Sekunden, bis sich die Anzeige nur noch schwach verändert.
5. Bilden Sie den Mittelwert (∑-Button) über etwa 100 Messungen mit der Referenz.
6. Beenden Sie die Messung ( -Button).
B Eichung der Probe
1.
2.
3.
4.
5.
Klicken Sie auf den Reiter „Extinktion E = -log(I1/I2)“.
Setzen Sie die Proben-Küvette in den Halter ein.
Warten Sie einige Sekunden, bis sich die Anzeige nur noch schwach verändert.
Bilden Sie den Mittelwert (∑-Button) über etwa 50 Messungen mit der Probe.
Beenden Sie die Messung ( -Button).
6. Suchen Sie den Bereich des Absorptionsmaximums.
7. Rechtsklicken Sie auf den Extinktions-Graphen und wählen Sie „Bereich für Kinetik definieren“.
8. Markieren Sie einen Bereich von ± 20nm um die Wellenlänge maximaler Extinktion.
9. Rufen Sie mit einem Linksklick auf das „E“ in der oberen Leiste das Anzeigegerät für die
Extinktion auf.
10. Klicken Sie auf den Reiter „Kalibrierung“.
11. Ziehen Sie den Wert aus der Anzeige mit der Maus in die erste Zeile der Spalte „E“ und
tragen Sie in der Spalte „c“ die zugehörige Konzentration ein.
12. Wechseln Sie zum Reiter „Extinktion E = -log(I1/I2)“.
13. Erstellen Sie eine neue Spalte ( -Button).
Wiederholen Sie Schritt B2-B5 und B10-B13 für die anderen Konzentrationen, dann fahren
Sie mit B14 fort.
14. Wechseln Sie zum Reiter „Kalibrierung“.
15. Rechtsklicken Sie den Graphen in der Kalibrierung und wählen Sie „Anpassung durchführen“ → „Ausgleichsgerade“ aus.
16. Markieren Sie die Messdaten.
17. Lesen Sie den Wert für E/c = A ab und notieren Sie ihn.
C Messung der Reaktionskinetik
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Klicken Sie auf den Reiter „Kinetik“.
Ziehen Sie den Button „c“ aus der oberen Leiste in den Kinetik-Graphen.
Setzen Sie die Proben-Küvette in den Halter ein.
Vergewissern Sie sich, dass der (
-Button) und der (∑-Button) nicht mehr aktiv sind.
Starten Sie die Kinematik-Messung (►-Button, rechts).
Beenden Sie die Kinematik-Messung (■-Button, rechts).
Photometrische Analyse
PA 13
D Speichern der Daten
• Legen Sie in dem dafür vorgesehenen Verzeichnis ein Unterverzeichnis an, welches Sie
nach dem aktuellen Datum benennen.
• Speichern Sie alle Daten (
-Button).
• Benennen Sie ihre Daten nach der vermessenen Substanz (z.B. C:\Dokumente und Einstellungen\Betreuer\Eigene Dateien\PA-Messungen\2009\13-10-09\Kinetik).
E Exportieren der Daten nach Origin
1. Rechtsklicken Sie die zu exportierende Tabelle und wählen Sie „Tabelle kopieren“ aus
dem Menü aus.
2. Starten Sie Origin.
3. Rechtsklicken Sie auf Feld A-1 im Origin-Worksheet und drücken Sie „STRG+V“ zum
Einfügen der Daten
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil II
Stirling-Motor
Thermodynamische Kreisprozesse
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
PD Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
PD Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
2H
Version 4 (8/2009)
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 2
1 Stoffgebiet
Thermodynamische Zustandsänderungen, Zustandsgrößen, Kreisprozesse, Energie, Entropie, ideales Gas, Wärme-Kraft-Maschine, Kraft-Wärme-Maschine,
Wirkungsgrade
2 Literatur
• Bergmann-Schäfer,Lehrbuch der Experimentalphysik Bd.1, de Gruyter, Berlin
• Gerthsen, Kneser, Vogel, Physik, Springer, Berlin
• Eichler, Kronfeld, Sahn, Das Neue Physikalische Grundpraktikum, Springer, Berlin
• Falk, Ruppel, Energie und Entropie, Springer, Berlin
• Stephan, Mayinger, Thermodynamik Bd.1, Springer, Berlin
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 3
3 Fragen zur Vorbereitung
1. Geben Sie die Zustandsgleichung für ein ideales“ Gas und reales“ Gas
”
”
an. Begründen Sie die Unterschiede!
2. Was ist Entropie? Wovon hängen die Entropie und die innere Energie eines
idealen Gases ab?
3. Beschreiben Sie den 1. Hauptsatz der Wärmelehre und wenden Sie ihn auf
eine isotherme, isochore und adiabatische Zustandsänderung beim idealen
Gas an.
4. Welche Zustandsänderungen laufen in der Natur von selbst ab? Erläutern
Sie den 2. Hauptsatz der Wärmelehre!
5. Was ist ein reversibler Kreisprozess? Warum durchlaufen thermodynamische Maschinen Kreisprozesse?
6. Skizzieren Sie die p-V - und T -S-Diagramme einer Carnot- und einer Stirling-Maschine. Was ist ein Regenerator? Erläutern Sie seine Funktion und
Auswirkung auf den Wirkungsgrad!
7. Was versteht man unter einem Indikatordiagramm? Ergänzen Sie das p-V Diagramm aus der vorangegangenen Frage um das dazugeh örige Indikatordiagramm. Nennen Sie Gründe für Abweichungen vom idealen Prozess!
8. Welche Energieumwandlungen treten beim Stirling-Motor auf?
9. Wie ist allgemein der Wirkungsgrad einer Maschine (sinnvoll) definiert?
Was ist der Unterschied zwischen dem thermodynamischen“ und effek”
”
tiven“ Wirkungsgrad einer Maschine?
10. Welche Vor- und Nachteile hat der Stirling-Motor gegenüber anderen Motoren?
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 4
4 Grundlagen
Die Thermodynamik ist eine allgemeine Lehre von der Energie. Sie befasst sich
mit den verschiedenen Erscheinungsformen der Energie und mit der Umwandlung einer Energieart in eine andere. Die Thermodynamik ist eines der grundlegenden Gebiete der Physik, denn es gibt kaum einen physikalischen Vorgang
ohne Energieumwandlung. Beim Stirling-Prozess betrachten wir Energieänderungen eines gasförmigen Mediums. Der Energieinhalt eines Gases wird bestimmt durch die messbaren physikalischen Größen Volumen V , Druck p und
Temperatur T . Um sich nicht auf den Begriff Energie beschränken zu müssen,
kann man auch den Zustand eines Gases betrachten, der durch die Zustandsgrößen p, V und T bestimmt wird. Beim idealen Gas sind diese verknüpft durch
die Zustandsgleichung
pV = nRT
(1)
J
Hier bedeuten n die Anzahl der Mole des Gases im Volumen V und R = 8, 314 molK
die Gaskonstante.
Abbildung 1: Einfaches Modell einer Kolbenmaschine. Quelle: http://mitglied.lycos.de/PeterFette/howdo.htm
Befindet sich das Gas in einem Zylinder, der auf einer Seite von einem beweglichen Kolben abgeschlossen ist (Abb. 1), dann wird die Größe des Volumens V durch die Stellung des Kolbens bestimmt. Eine Vorrichtung, die Kolbenbewegung bei periodischer Änderung des Gasvolumens über einen Exzenter in Drehbewegung verwandelt, bezeichnet man als Kolbenmaschine. Da-
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 5
Abbildung 2: Geschlossene Systeme und Vorzeichenkonvention für Wärme- und Arbeitsumsatz.
bei können die Volumenänderungen durch verschiedene physikalische Prozesse
hervorgerufen werden (z. B. Verbrennung, Zuf ührung von Dampf oder Wärme,
mech. Antrieb des Schwungrades). Das Gas im Zylinder erfährt während eines Zyklus verschiedene Zustandsänderungen und gelangt schließlich wieder
in den Ausgangszustand zurück. Man bezeichnet einen derartigen Vorgang als
thermodynamischen Kreisprozess. Ein Ziel dieses Praktikumsversuchs besteht
darin, sich im Umgang mit der Stirling-Maschine die Begriffe thermodynamisches System, Zustandsänderung und Kreisprozess zu erarbeiten. Dabei soll die
Maschine als Wärmekraftmaschine betrieben werden.
4.1 Thermodynamisches System, Zustandsänderung
Als thermodynamisches System, kurz auch System genannt, bezeichnet man
einen mit Materie angefüllten Bereich, dessen thermodynamische Größen man
betrachten will. Bei der Stirling-Maschine ist es das Gasvolumen im Zylinder,
das vom Kolben begrenzt wird. Die Systemgrenze ist in Abb. 2 angedeutet. Über
diese Grenze kann dem System von außen Wärme (+Q) zugeführt oder nach
außen Wärme (−Q) abgeführt werden. Dabei wird nach Vereinbarung jede dem
System zugeführte Energie positiv, die abgeführte Energie negativ gezählt.
Verändert das Gas sein Volumen gegen den äußeren Druck p, so wird Arbeit
verrichtet. Dabei gilt folgende Definition bezüglich der Vorzeichen: Die Arbeit,
die das Gas verrichtet (bei Volumenvergrößerung), ist negativ, also (−W ). Die
Arbeit, die in das Gas hineingesteckt wird (Volumenverringerung), ist positiv,
also (+W ). Für die Arbeit dW bei Volumenveränderung um dV gilt:
dW = −pdV
(2)
Um die Arbeit als Funktion von Temperatur und Volumen auszudrücken,
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 6
wird p mit Hilfe von Gl. 1 aus Gl. 2 eliminiert. Damit gilt
dW = −nRT
dV
V
(3)
Durch Wärmeaustausch mit der Umgebung und durch die Bewegung des
Kolbens ändert sich der Zustand eines Systems mit der Zeit. Die Beschreibung
der Zustandsänderung lässt sich beträchtlich vereinfachen, wenn man die Energieänderung beim Übergang von einem Gleichgewichtszustand in einen anderen betrachtet. Vom Anfangs- in den Endzustand kann man auch schrittweise
über Zwischenzustände gelangen. Mit dieser Methode werden im Folgenden
die thermodynamischen Vorgänge beim Stirling-Motor beschrieben.
4.2 Der Kreisprozess der Stirling-Maschine
Wir machen uns nun das Zustandsdiagramm des Kreisprozesses beim Betrieb
der Stirling-Maschine als Wärmekraftmaschine (Heißluftmotor) anhand der Abbildungen 3 und 4 klar.
Das gasförmige Arbeitsmedium Luft bewegt sich in einem abgeschlossenen
Volumen, das durch den Arbeitskolben beschränkt wird. Der Verdrängerkolben
teilt das Arbeitsvolumen in zwei Bereiche. Befindet sich das Gas im oberen
Teil des Zylinders, wird es mit Hilfe eines Kältereservoirs gekühlt; befindet es
sich im unteren Teil, wird es mit einem Wärmereservoir erhitzt. Der Verdränger
schiebt das Gas zwischen den beiden Bereichen hin und her. Dabei str ömt das
Arbeitsgas durch den Regenerator im Verdrängerkolben, mit dem es Wärme
austauschen kann.
Die Änderung des Arbeitsvolumens zwischen den Extremwerten Vmin und
Vmax wird über einen Exzenter in eine Drehbewegung umgesetzt.
Während einer Motordrehung läuft idealisiert folgender, in Abb. 4 dargestellter thermodynamischer Prozess ab. Beginnen wir bei Phase l des Prozesses,
wenn sich der Arbeitskolben am oberen Umkehrpunkt befindet (V = V1 ). Der
Verdränger sei so nahe am Kolben, dass sich das gesamte Gas im warmen“
”
Zylinderteil mit der Temperatur T1 befindet.
1. Isotherme Expansion (1 → 2):
Unter Zuführung der Wärmemenge Q12 expandiert das Gas isotherm vom
Volumen V1 nach V2 (Abb. 3a). Der Druck im Zylinder fällt entsprechend
der idealen Gasgleichung ab. Da sich bei isothermen Zustandsänderungen
die innere Energie U des Systems nicht ändert (dU = 0), folgt aus dem
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 7
Abbildung 3: Kolbenstellungen bei 1) isothermer Expansion, 2) isochorer Abkühlung, 3) isothermer Kompression und 4) isochorer Erwärmung des Arbeitsgases. Quelle: www.pit.physik.uni-tuebingen.de
Abbildung 4: p-V -Diagramm des Stirlingmotors. Quelle: commons.wikimedia.org
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 8
1. Hauptsatz der Thermodynamik dW = −dQ, d. h. die zugeführte Wärme
wird restlos in mechanische Arbeit umwandelt. Aus Gleichung 3 folgt
V2
V2
W12 =
dW = −nRT1 ln
(4)
= −Q12
V1
V1
2. Isochore Abkühlung (2 → 3):
Der Arbeitskolben befindet sich am oberen Umkehrpunkt (V = V2 = V3 ).
Nun wird der Verdränger nach unten bewegt (Abb. 3b), und das warme Gas
strömt durch den kalten“ Regenerator in den oberen gekühlten Bereich
”
des Zylinders. Dabei wird es (vom Regenerator) von der Temperatur T1 auf
T2 abgekühlt und verringert seine innere Energie um dU23 = CV (T2 − T1 ).
Da bei isochoren Zustandsänderungen keine mechanische Arbeit verrichtet wird (W23 = 0), folgt aus dem 1. Hauptsatz, dass die Wärme Q23 =
dU23 < 0 an den Regenerator abgegeben wird, diesen erwärmt und dort
später wieder zur isochoren Erwärmung des Gases zur Verfügung steht.
(Ohne Regenerator würde Q23 sozusagen an das Kühlwasser verschwen”
det“ werden!)
3. Isotherme Kompression (3 → 4):
Durch das Schwungrad wird der Arbeitskolben zum unteren Umkehrpunkt
zurück bewegt (Abb. 3c). Dabei wird das Gas im kalten“ Zylinderteil bei
”
der Temperatur T2 vom Volumen V3 nach V4 komprimiert. Dabei steigt
der Gasdruck gemäß der idealen Gasgleichung an. Die vom Schwungrad
verrichtete mechanische Arbeit
V4 =V1
V2
= Q34
dW = nRT2 ln
(5)
W34 =
V1
V3 =V2
wird bei diesem Vorgang als Wärme Q34 an den Kühler abgegeben.
4. Isochore Erwärmung (4 → 1):
Der Arbeitskolben befindet sich am unteren Umkehrpunkt (V = V4 = V1).
Nun wird der Verdränger nach oben bewegt (Abb. 3d), und das kalte Gas
strömt durch den warmen“ Regenerator in den unteren beheizten Bereich
”
des Zylinders. Dabei wird es (vom Regenerator) von der Temperatur T2 auf
T1 erwärmt und erhöht seine innere Energie um dU41 = CV (T1 − T2 ). Die
dazu benötigte Wärme Q41 = dU41 = −Q23 wird vom Regenerator entnommenen, wobei sich dieser wieder abkühlt. (Ohne Regenerator müßte
Q41 zusätzlich von der Heizung zur Verfügung gestellt werden!)
Am Ende ist folgende Nettoarbeit verrichtet worden:
V2
W = W12 +W34 = −nR(T1 − T2 ) ln = − pdV
V1
(6)
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 9
Tabelle 1: Tabellarische Zusammenfassung des Stirlingprozesses.
Takt
1→2
Zustandsänderung
isochore Erwärmung
Konstante
V = konstant
2→3
isotherme Expansion
T = konstant
Konsequenz
dW = pdV = 0 → dU = dQ
dQ = cv mdT = cv m(T2 − T1 )
dQ = 0 → dU = dW =pdV
⇒ W = nRT2 ln
3→4
4→1
isochore Abkühlung
V = konstant
isotherme Kompression T = konstant
V3
V2
dW = pdV = 0 → dU = dQ
dQ = cv mdT = cv m(T2 − T1 )
dQ = 0 → dU = dW =pdV
⇒ W = nRT2 ln
V3
V2
Grafisch entspricht diese Arbeit der Fläche, die von den beiden Isochoren und
Isothermen in Abb. 4 eingeschlossen wird. Der ideale thermische Wirkungsgrad
dieses Stirlingprozesses ist definiert durch das Verhältnis der bei einem Umlauf
in mechanische Arbeit umgesetzten Energie pdV zur insgesamt zugeführten
Wärmeenergie, hier also Q12 . Berücksichtigt man die Gleichungen 4 und 6,
ergibt sich
pdV
T1 − T2
T2
ηth =
=
= 1 − < 1.
(7)
Q12
T1
T1
Ganz allgemein gilt für die Nettoarbeit von Kreisprozessen: Wird die Kurve rechtsherum durchlaufen (Wärmekraftmaschine), wird vom System Arbeit
abgegeben (W < 0), bei entgegengesetztem Durchlauf (Kältemaschine bzw.
Wärmepumpe) wird dagegen Arbeit aufgenommen (W > 0).
Allgemein gilt:
Rechtsprozesse: Umwandlung von Wärmeenergie in mechanische Energie
Linksprozesse: Umwandlung von mechanischer Energie in Wärmeenergie.
4.3 Energieumwandung und effektiver Wirkungsgrad beim Heißluftmotor
Durch folgende Gründe treten Verluste im realen“ Stirling-Motor auf, die den
”
idealen thermodynamischen Wirkungsgrad ηth verkleinern:
• Diskontinuierliche Kolbensteuerung nur begrenzt möglich.
• Isotherme Zustandsänderung ist aufgrund zu schneller Gasbewegung kaum
möglich; es findet eher eine nahezu adiabatische Zustandsänderung statt,
d. h. eine Wärmeübertragung findet kaum statt.
• Wärmeverluste durch das Material.
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 10
Abbildung 5: Realer“ Stirling-Motor, Modell KF1-T180 von Walter Kufner, der im Versuch
”
benutzt wird.
Abbildung 6: Energieflussdiagramm mit Verlusten im realen“ Stirling-Motor
”
• Leistungsverringerung aufgrund mechanischer Reibung.
• Arbeitsgas- und Druckverluste wegen Lecks.
• Strömungsverluste (z. B. durch Verwirbelungen), innere Reibung des Arbeitsgases (da reales Gas!).
Für den technischen Einsatz des Motors ist von eigentlicher Bedeutung wieviel der eingesetzten elektrischen Heizleistung Pth letztlich in mechanisch abnehmbare Leistung Pel umgewandelt werden kann. Der effektive Wirkungsgrad
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 11
des Heißluftmotors ergibt sich damit zu
ηeff =
Pel
= ηmech ηth ηwv .
Pth
(8)
Für die Ermittlung der Teilwirkungsgrade können im Experiment die elektrische Heizleistung Pth und die Temperaturen der Heizplatte und des Kühlwassers
gemessen werden. Die vom Gas verrichtete Arbeit lässt sich durch Integration
des entsprechenden Indikatordiagramms bestimmen.
4.4 Stirlingmotor als Kältemaschine und Wärmepumpe
Da die im Praktikum benutzte Stirling-Maschine des Modells KF1-T180 im
Versuch nicht als Kältemaschine betrieben wird dient der folgende Abschnitt
als theoretischer Ausblick, auf welche Weise Stirlingmotoren außerdem noch
genutzt werden können.
Bisher wurde der Stirlingmotor als Wärmekraftmaschine dargestellt: Durch den
Fluss von Wärmeenergie von einem warmen zu einem kalten Reservoir wird
mechanische Arbeit erzeugt. Bringt man hingegen mechanische Arbeit in das
System, indem man die Maschine von außen antreibt, so wird dadurch umgekehrt ein Wärmestrom vom kälteren zum wärmeren Reservoir erzeugt. Wird
nun der wärmere Behälter auf Zimmertemperatur gehalten lässt sich das andere Reservoir dadurch abkühlen: man erhält eine Kältemaschine. Befindet sich
dagegen der kältere Behälter auf Zimmertemperatur, wird das andere Reservoir
geheizt: es liegt eine sogenannte Wärmepumpe vor.
In beiden Fällen wird das p-V -Diagramm - anders als im Fall des Heißluftmotors - entgegen dem Uhrzeigersinn durchlaufen, d. h. die isotherme Expansion erfolgt bei der tieferen Temperatur T2 . Die dafür notwendige Wärmeenergie wird dem kälteren Reservoir entnommen und bei der Kompression bei der
höheren Temperatur T1 wieder freigesetzt.
Auch für diese Betriebsarten lassen sich thermodynamische Wirkungsgrade
definieren. In beiden Fällen vergleicht man die Nutzenergie mit der in den Pro
zess hinein gesteckten mechanischen Arbeit W = pdV . So erhält man für die
Kältemaschine einen Wirkungsgrad
K
ηth
=
T2
Q34
=
<1
pdV
T1 − T2
(9)
und für die Wärmepumpe einen Wirkungsgrad
W
ηth
=
T1
Q12
=
<1
pdV
T1 − T2
(10)
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 12
Die effektiven Wirkungsgrade dieser Maschinen ergeben sich analog zum
Heißluftmotor aus der messbaren Kühl- bzw. Wärmeleistung PK/W bezogen auf
die zum Antrieb der Maschine vom Elektromotor aufgenommenen Leistung
PMotor = UI zu
PK/W
K/W
ηeff =
.
(11)
PMotor
5 Versuchsausstattung
5.1 Die Stirling-Maschine
Dieser Versuch wird mit der Stirling-Maschine KF1-T180 von W. Kufner durchgeführt. Um einen Temperaturunterschied zu erzeugen wird der Boden des Zylinders durch eine Heizplatte erhitzt und die Oberseite durch Wasser in einem
Reservoir gekühlt. Zur Bestimmung der Temperaturen T1 und T2 sind sowohl
an der Heizplatte als auch an dem Reservoir Temperaturfühler angebracht. Der
Hub des Verdrängerkolbens beträgt 2, 64 cm, das minimale Volumen beträgt
Vmin = 437 cm3, das maximale Volumen Vmax = 820 cm3 ; es ergibt sich ein mittleres Volumen Vmittel von 628 cm3.
Abbildung 7: Stirling-Maschine Modell KF1-T180 von Walter Kufner
Am Cassy-Interface sind ein Potentiometer und ein Druckmessgerät, welches den Druckunterschied im Zylinder in Bezug auf den Atmosphärendruck
misst, angeschlossen. Das Potentiometer ist über eine Schnur mit dem Arbeitskolben verbunden, wobei durch eine Feder die Spannung der Schnur aufrecht-
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 13
erhalten wird (siehe Abb. 8). Durch geeignete Eichung des Potentiometers kann
somit die Volumenänderung des Zylinders bestimmt werden. Der Druck kann
nun in Abhängigkeit der Volumenänderung mit Hilfe des Cassy-Interface am
Computer graphisch dargestellt werden (Indikatordiagramm).
Abbildung 8: Mittels dieser Feder bleibt der Faden auf der Potentiometer-Rolle gespannt.
5.2
Die computererfasste p-V -Messung mit dem CASSY-Adapter
Der in Abb. 4 dargestellte idealisierte Stirling-Kreisprozess wird nur annährend
mit der hier verwendeten Stirlingmaschine verwirklicht. Der Arbeitskolben steht
während der isochoren Prozesse 2–3 bzw. 4–1 nicht still sondern f ührt eine zeitlich harmonische Bewegung aus. Läuft der Motor mit f Umdrehungen pro Sekunde, so ändert sich das Volumen periodisch zwischen den Extremwerten V1
und V2 (siehe Abb. 9, rechts). Die Bewegung des Verdrängers ist ebenfalls harmonisch. Man kann zeigen, dass der Kreisprozess am g ünstigsten abläuft, wenn
die Position des Verdrängers gegenüber dem Kolben um 90◦ phasenverschoben
ist. Ein tatsächlich gemessenes pV -Diagramm ist in Abb. 9 (links) abgebildet.
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 14
Abbildung 9: CASSY-Auschnitte: pV -Diagramm (links), V (t)-Diagramm (rechts)
Die Position des Arbeitskolbens wird über einen Schnurzug auf einen Wegmesser übertragen (siehe Abb. 8). Bei der Bewegung des Kolbens ändert sich
das Zylindervolumen insgesamt um (140 ± 0.5) cm3 . Der Zylinderinnenraum
ist über einen Schlauch mit dem Manometer verbunden. Der Druck p und das
Volumen V können mit dem CASSY-Adapter und der dazugehörigen Software
in Millisekundenintervallen im Computer erfasst werden. Die Software ist so
eingerichtet, dass während der Versuchsdurchführung wahlweise p(t)-, V (t)und p(V )-Diagramme angezeigt werden können (siehe Abb. 9). Zusätzlich kann
über die Anzeige des Frequenzspektrums von V (t) die ungefähre Drehzahl des
Motors im Betrieb abgelesen werden (ohne Abbildung). Der komplette Datensatz (p, V , t) einer Messung kann zur späteren Auswertung ins ASCII-Format
konvertiert und gespeichert werden. Zur Integration der pV -Diagramme steht
auf dem Messrechner geeignete Software (ORIGIN) zu Verfügung.
5.3 Sonstiges Zubehör
• Destilliertes Wasser zum Kühlen.
• Talkumpuder zur Pflege der Membran.
• Temperaturfühler der Firma Voltcraft zum Überprüfen der Kühlwassertemperatur.
5.4 Allgemeine Sicherheitshinweise
Das Gerät ist bei sachgerechter Handhabung zwar völlig ungefährlich, dennoch
müssen einige Dinge beachtet werden. Um die Funktionen richtig zeigen und
um Versuche durchführen zu können, ist eine völlig offene Bauweise zwingend
erforderlich. Es kann also kein Berührungsschutz unmittelbar am Gerät vorhanden sein. Obwohl es sich eigentlich von selber versteht, wird also nochmals auf
folgendes hingewiesen:
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 15
• Heiße Teile nicht anfassen (Heizplatte!).
• Nicht in das Kühlwasser greifen, wenn es heiß ist.
• Nicht in das laufende Gerät hineingreifen (Schwungrad, etc.).
• Vor jeder Inbetriebnahme des Motors das Schwungrad mit der Hand drehen und prüfen, ob Kolben und Verdränger frei beweglich sind.
• Nach Ausschalten der Heizplatte Motor NICHT sofort mit der Hand abbremsen, sondern einige Minuten auslaufen lassen.
6 Versuchsdurchführung
Um Beschädigungen oder Verletzungen zu vermeiden setzt die Durchf ührung
des Versuchs unbedingt voraus, dass Sie sich vorab gr ündlich mit dieser Anleitung insbesondere mit den allgemeinen Sicherheitshinweisen (Kap.5.4) vertraut
gemacht haben. Bei Unklarheiten oder offenen Fragen wenden Sie sich stets an
den Betreuer. Gehen Sie vorsichtig mit der Maschine um!
6.1 Vorbereitungen
1. Machen Sie sich mit den wichtigsten Bauteilen des Motors vertraut!
Wichtige Bauteile sind Verdränger- sowie Arbeitskolben (Membran), Zylinder, Schwungrad, Kurbelwelle, Temperaturfühler, Potentiometer, Barometer und das CASSY-Interface.
2. Überprüfen Sie:
• die Membran auf defekte Stellen:
Vor jeder Inbetriebnahme ist unbedingt die Funktionstüchtigkeit der
Membran zu überprüfen. Kontrollieren Sie sie auf Risse und poröse
Stellen, damit die Funktion des Stirling-Motors gewährleistet ist.
• die Feder und die Spannung des Fadens:
Ist die Fadenspannung zu hoch ergeben sich Messfehler. Der Faden
sollte durch die Feder gerade so unter Spannung gehalten werden, dass
er weder durchhängt und von der Rolle rutscht, noch zu fest gespannt
ist und durch die Rückstellkraft der Feder die Haftung auf der Rolle
verliert und durchrutscht.
• den korrekten Anschluss aller Messgeräte
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 16
3. Füllen Sie das Reservoir in der Membran mit destilliertem Wasser
4. Passen Sie das Stativ so an, dass die Heizplatte den Zylinderboden ber ührt
und schalten Sie sie an.
5. Starten Sie den Motor, indem Sie das Schwungrad drehen. Sobald das
Kühlwasser eine konstante Temperatur besitzt, k önnen die Messungen gestartet werden.
6. Anschluss und Funktionspr üfung des CASSY-Adapters zur pV -Messung
• Schalten Sie den CASSY-Adapter ein und starten die zugehörige Software.
• Machen Sie sich zusammen mit dem Betreuer mit der Software vertraut und testen diese auf Funktion.
• Achtung: Eichen Sie unbedingt das Potentiometer, damit die gemessene Wegstrecke korrekt in die Volumenberechnung eingeht!
6.2 Aufgaben
Aufgabe 1: Messen Sie die Temperaturen T1 und T2 des laufenden Motors
und bestimmen Sie rechnerisch den thermischen Wirkungsgrad ηth der StirlingMaschine!
Aufgabe 2: Nehmen Sie gleichzeitig das Indikatordiagramm auf und bestimmen Sie durch Integration der Indikatorkurve den mechanischen Wirkungsgrad
ηmech der Stirling-Maschine! Vergleichen Sie diesen Wert mit dem in Aufgabe
1 berechneten Wirkungsgrad und nennen Sie Ursachen f ür die Abweichung!
Aufgabe 3: Nehmen Sie ein V (t)-Diagramm des laufenden Motors auf und bestimmen Sie aus dem Verlauf der Funktion die Drehzahl des Motors!
Aufgabe 4: Bestimmen Sie den elektrischen Wirkungsgrad ηel der StirlingMaschine. Vergleichen Sie diesen Wert wieder mit den Ergebnissen aus Aufgabe 1 und 2 und erklären Sie das Ergebnis!
Aufgabe 5: Schalten Sie den Motor aus (auslaufen lassen, nicht am Schwungrad
abbremsen), entfernen Sie das Wasser aus dem Reservoir, schließen Sie alle
Programme, schalten Sie alle benutzten Geräte ab und verlassen Sie Ihren Arbeitsplatz so, wie Sie ihn gerne aufgefunden hätten! Vielen Dank!
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil II
Stirling-Motor
Thermodynamische Kreisprozesse
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
PD Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
PD Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
2H
Version 4 (8/2009)
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
1
SM 2
Stoffgebiet
Thermodynamische Zustandsänderungen, Zustandsgrößen, Kreisprozesse, Energie, Entropie, ideales Gas, Wärme-Kraft-Maschine, Kraft-Wärme-Maschine, Wirkungsgrade
2
Literatur
• Bergmann-Schäfer,Lehrbuch der Experimentalphysik Bd.1, de Gruyter, Berlin
• Gerthsen, Kneser, Vogel, Physik, Springer, Berlin
• Eichler, Kronfeld, Sahn, Das Neue Physikalische Grundpraktikum, Springer, Berlin
• Falk, Ruppel, Energie und Entropie, Springer, Berlin
• Stephan, Mayinger, Thermodynamik Bd.1, Springer, Berlin
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
3
SM 3
Fragen zur Vorbereitung
1. Geben Sie die Zustandsgleichung für ein ”ideales Gas” und ”reales Gas” an.
Begründen Sie die Unterschiede!
2. Was ist Entropie? Wovon hängen die Entropie und die innere Energie eines
idealen Gases ab?
3. Beschreiben Sie den 1.Hauptsatz der Wärmelehre und wenden Sie ihn auf
eine isotherme, isochore und adiabatische Expansion beim idealen Gas an.
4. Welche Zustandsänderungen laufen in der Natur von selbst ab? Formulieren Sie den 2. Hauptsatz der Wärmelehre?
5. Welche Energieformen treten beim Versuch Stirlingmotor auf? Wie werden
Sie gemessen?
6. Was ist ein reversibler Kreisprozess? Warum durchlaufen thermodynamische Maschinen Kreisprozesse?
7. Skizzieren Sie das T -S-Diagramm einer Carnot und einer Stirling Maschine. Welche Bedeutung hat in diesem Bild der Regenerator im StirlingMotor?
8. Wie ist allgemein der Wirkungsgrad einer Maschine (sinnvoll) definiert?
Was ist der Unterschied zwischen dem ”thermodynamischen” und ”effektiven” Wirkungsgrad einer Maschine?
9. Skizzieren Sie die p-V -Diagramme für einen Heißluftmotor, die Wärmepumpe sowie die Kältemaschine. Erläutern Sie wie man daraus graphisch
die entsprechenden thermodynamischen Wirkungsgrade ermittelt.
10. Welche Vor- und Nachteile hat der Stirling Motor gegenüber anderen Motoren?
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
4
SM 4
Grundlagen
Die Thermodynamik ist eine allgemeine Lehre von der Energie. Sie befasst
sich mit den verschiedenen Erscheinungsformen der Energie und mit der Umwandlung einer Energieart in eine andere. Die Thermodynamik ist eines der
grundlegenden Gebiete der Physik, denn es gibt kaum einen physikalischen
Vorgang ohne Energieumwandlung. Beim Stirling-Prozess betrachten wir Energieänderungen eines gasförmigen Mediums. Der Energieinhalt eines Gases wird
bestimmt durch die messbaren physikalischen Größen Volumen V , Druck p, und
Temperatur T . Um sich nicht auf den Begriff Energie beschränken zu müssen,
kann man auch den Zustand eines Gases betrachten, der durch die Zustandsgrößen p, V und T bestimmt wird. Beim idealen Gas sind diese verknüpft durch
die Zustandsgleichung
pV =nRT
(1)
Hier bedeuten n die Anzahl der Mole des Gases im Volumen V und R =
8, 314J/(mol K) die Gaskonstante.
Befindet sich das Gas in einem Zylinder, der auf einer Seite von einem beweglichen Kolben abgeschlossen ist (Abb.1),
dann wird die Größe des Volumens V durch
die Stellung des Kolbens bestimmt. Eine
Vorrichtung, die Kolbenbewegung bei periodischer Änderung des Gasvolumens über
einen Exzenter in Drehbewegung verwandelt, bezeichnet man als Kolbenmaschine. Dabei können die Volumenänderungen
durch verschiedene physikalische Prozesse
hervorgerufen werden (z.B. Verbrennung,
Zuführung von Dampf oder Wärme, mech.
Antrieb des Schwungrades). Das Gas im
Zylinder erfährt während eines Zyklus ver- Abbildung 1: Die Kolbenmaschine (1:
schiedene Zustandsänderungen und gelangt Zylinder, 2: Kolben, 3: Exzenter)
schließlich wieder in den Ausgangszustand
zurück. Man bezeichnet einen derartigen Vorgang als Kreisprozess.
Es ist ein Ziel des Praktikumsversuchs, im Umgang mit der Stirling-Maschine
die Begriffe thermodynamisches System, Zustandsänderung und Kreisprozess
zu erarbeiten. Dabei soll die Maschine als Wärmekraftmaschine (Heißluftmotor), als Kältemaschine und als Wärmepumpe betrieben werden.
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 5
Abbildung 2: Geschlossene Systeme und Vorzeichenkonvention für Wärme- und Arbeitsumsatz.
4.1
Thermodynamisches System, Zustandsänderung
Als thermodynamisches System, kurz auch System genannt, bezeichnet man
einen mit Materie angefüllten Bereich, dessen thermodynamische Größen man
betrachten will. Bei der Stirling-Maschine ist es das Gasvolumen im Zylinder,
das vom Kolben begrenzt wird. Die Systemgrenze ist in Abb.2 angedeutet. Über
diese Grenze kann dem System von außen Wärme (+Q) zugeführt oder nach
außen die Wärmemenge (−Q) abgeführt werden. Dabei wird nach Vereinbarung
jede dem System zugeführte Energie positiv, die abgeführte Energie negativ
gezählt.
Verändert das Gas sein Volumen gegen den äußeren Druck p, so wird Arbeit
umgesetzt. Dabei gilt folgende Definition bezüglich der Vorzeichen: Die Arbeit,
die das Gas verrichtet (bei Volumenvergrößerung), ist negativ, also (−W ). Die
Arbeit, die in das Gas hineingesteckt wird (Volumenverringerung), ist positiv,
also (+W ). Für die Arbeit dW bei Volumenveränderung um dV gilt:
dW = −p dV
(2)
Um die Arbeit als Funktion von Temperatur und Volumen auszudrücken,
wird p mit Hilfe von Gl.1 aus Gl.2 eliminiert. Damit gilt
dV
dW = −n R T
(3)
V
Durch Wärmeaustausch mit der Umgebung und die Bewegung des Kolbens
ändert sich der Zustand eines Systems mit der Zeit. Die Beschreibung der Zustandsänderung läßt sich beträchtlich vereinfachen, wenn man die Energieänderung beim Übergang von einem Gleichgewichtszustand in einen anderen Gleichgewichtszustand betrachtet. Vom Anfangs- in den Endzustand kann man auch
schrittweise über Zwischenzustände gelangen. Mit dieser Methode werden im
folgenden die thermodynamischen Vorgänge beim Stirling-Motor beschrieben.
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
4.2
SM 6
Der Kreisprozess der Stirling-Maschine
Abbildung 3: Stirling-Maschine von Leybold: l: Arbeits-Kolben; 2: Verdränger-Kolben;
3: oberer Zylinderteil; 4: Kühlwassermantelrohr; 5: Kühlwasserzufluß; 6: Kühlwasserabfluß; 7: Regenerator (Cu-Wolle); 8: Heizung;
9: Schwungrad; 10: Kolbenstangen mit Rhombengetriebe; 11: Schlauch mit Manometer (Zylinderinnendruck); 12: Kühlwasserzu -und abflußstutzen.
Wir machen uns nun das Zustandsdiagramm des Kreisprozesses beim Betrieb der Stirling- Maschine als Wärmekraftmaschine (Heißluftmotor) anhand der Abbildungen 3, 4, 5 klar.
Das gasförmige Arbeitsmedium
Luft bewegt sich in einem abgeschlossenen Volumen, das durch den
Arbeits-Kolben (1) beschränkt wird.
Der Verdränger-Kolben (2) teilt das
Arbeitsvolumen in zwei Bereiche. Dabei wird das Gas im Teilvolumen oberhalb des Verdrängers mit einer Heizung (8) auf der Temperatur T1 gehalten. Im unteren Teilvolumen steht
das Gas durch den Kühlwassermantel (4) im Kontakt mit einem Wärmereservoir der Temperatur T2 < T1 .
Der Verdränger kann das Gas zwischen den beiden Bereichen hin und
her schieben. Dabei Strömt das Arbeitsgas durch den Regenerator (7),
mit dem es Wärme austauschen kann.
Abbildung 4: Kolbenstellungenen bei a) isothermer Expansion, b) isochorer Abkühlung, c)
isothermer Kompression und d) isochorer Erwärmung des Arbeitsgases
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 7
Die Änderung des Arbeitsvolumens zwischen den Extremwerten V1 und V2
wird über einen Exzenter (10) in eine Drehbewegung umgesetzt. Die Bewegung des Verdrängers relativ zum Arbeitskolben wird durch ein sogenanntes
Rhombengetriebe gesteuert.
Während einer Motordrehung läuft idealisiert folgender, in Abb.5 dargestellter thermodynamischer Prozess ab. Beginnen wir bei
Phase l des Prozesses, wenn
sich der Arbeits-Kolben am
oberen Umkehrpunkt befindet (V = V1 ). Der Verdränger sei so nahe am Kolben, dass sich das gesamte
Gas im ”warmen” Zylinderteil
mit der Temperatur T1 befindet.
Abbildung 5: p-V -Diagramm des Stirlingmotors
1. Isotherme Expansion (1-2):
Unter Zuführung der Wärmemenge Q12 expandiert das Gas isotherm vom
Volumen V1 nach V2 (Abb.4a). Der Druck im Zylinder fällt entsprechend
Gl.1 ab. Da sich bei isothermen Zustandsänderungen die innere Energie
U des Systems nicht ändert (dU = 0), folgt aus dem l. Hauptsatz der
Thermodynamik dW = −dQ, d.h. die zugeführte Wärme wird restlos in
mechanische Arbeit umwandelt. Aus Gleichung 3 folgt
V2
V2
W12 =
dW = −n R T1 ln
= −Q12
(4)
V
1
V1
2. Isochore Abkühlung (2-3):
Der Arbeits-Kolben befindet sich am unteren Umkehrpunkt (V = V2 =
V3 ). Nun wird der Verdränger nach oben bewegt (Abb.4b), und das warme
Gas strömt durch den ”kalten” Regenerator in den unteren gekühlten Bereich des Zylinders. Dabei wird es (vom Regenerator) von der Temperatur
T1 auf die Temperatur T2 abgekühlt und verringert seine innere Energie
um δU23 = CV · (T2 − T1 ). Da bei isochoren Zustandsänderungen keine mechanische Arbeit verrichtet wird (W23 = 0), folgt aus dem 1. Hauptsatz,
dass die Wärme Q23 = δU23 < 0 an den Regenerator abgegeben wird,
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 8
diesen erwärmt und dort später wieder zur isochoren Erwärmung des Gases zur Verfügung steht. (Ohne Regenerator würde Q23 sozusagen an das
Kühlwasser ”verschwendet” werden!)
3. Isotherme Kompression (3-4):
Durch das Schwungrad wird der Arbeits-Kolben zum oberen Umkehrpunkt
zurück bewegt (Abb.4c). Dabei wird das Gas im ”kalten” Zylinderteil bei
der Temperatur T2 vom Volumen V3 nach V4 komprimiert. Dabei steigt
der Gasdruck gemäß Gl.1. Die vom Schwungrad verrichtete mechanische
Arbeit
V4 =V1
V2
W34 =
dW = n R T2 ln
= −Q34
(5)
V
1
V3 =V2
wird bei diesem Vorgang als Wärme Q34 an den Kühler abgegeben.
4. Isochore Erwärmung (4-1):
Der Arbeits-Kolben befindet sich am oberen Umkehrpunkt (V = V4 = V1 ).
Nun wird der Verdränger nach unten bewegt (Abb.4d), und das kalte Gas
strömt durch den ”warmen” Regenerator in den oberen beheizten Bereich
des Zylinders. Dabei wird es (vom Regenerator) von der Temperatur T2 auf
die Temperatur T1 erwärmt und erhöht seine innere Energie um δU41 =
CV · (T1 − T2 ). Die dazu benötigte Wärme Q41 = δU41 = −Q23 wird
vom Regenerator entnommenen, wobei sich dieser wieder abkühlt. (Ohne
Regenerator müßte Q41 zusätzlich von der Heizung zur Verfügung gestellt
werden!)
Am Ende ist folgende Nettoarbeit verrichtet worden:
W = W12 + W34
V2
= −n R (T1 − T2 ) ln
= − p dV
V1
(6)
Grafisch entspricht diese Arbeit der Fläche, die von den beiden Isochoren und
Isothermen in Abb.5 eingeschlossen wird. Der ideale thermische Wirkungsgrad
dieses Stirlingprozesses ist definiert durch das Verhältnis der bei einem Umlauf
in mechanische Arbeit umgesetzten Energie p dV zur insgesamt zugeführten
Wärmeenergie, hier also Q12 . Berücksichtigt man die Gleichungen 4 und 6,
ergibt sich
p dV
T1 − T2
T2
ηth =
=
=1−
<1.
(7)
Q12
T1
T1
Ganz allgemein gilt für die Nettoarbeit von Kreisprozessen: Wird die Kurve rechtsherum durchlaufen (Wärmekraftmaschine), wird vom System Arbeit
abgegeben (W < 0), bei entgegengesetztem Durchlauf (Kältemaschine bzw.
Wärmepumpe) wird dagegen Arbeit aufgenommen (W > 0).
SM 9
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
Abbildung 6: Energieumwandlung bei Wärmekraft- und Kraftwärmemaschinen
Abb.6 zeigt schematisch, den Energieumwandlungsprozess beim Versuchsmotor, aber auch allgemein gilt für
Rechtsprozesse: Umwandlung von Wärmeenergie in mechanische Energie
Linksprozesse: Umwandlung von mechanischer Energie in Wärmeenergie
4.3
Energieumwandung und effektiver Wirkungsgrad beim Heißluftmotor
Durch Wärmestrahlung, Konvektion und Reibung treten Verluste im ”realen”
Stirling Motor auf, die den idealen thermodynamischen Wirkungsgrad ηth verkleinern. Der gesamte Prozeß der Umwandlung elektrischer Heizleistung in mechanisch verfügbare Leistung am Stirlingmotor ist in Abb.7 dargestellt, wobei
sich bei gegebener Motordrehfrequenz f folgende Leistungen und Teilwirkungsgrade ergeben:
elektrische Heizleistung
vom Arbeitgas aufgenommene
Wärmeleistung
vom Arbeitsgas abgegebene
mechanische Leistung
an Motorwelle abnehmbare
mechanische Leistung
PQH = U I
PQH
= ηwv PQH = f Q12
PW = ηth PQH
=f
PE = ηmech PW
p dV
ηwv : Wärmeverluste
an die Umgebung
ηth : thermodynamischer
Wirkungsgrad
ηmech : mechanische Reibungsverluste (Kolben, Lager)
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 10
Abbildung 7: Energieflussdiagramm mit Verlusten im ”realen” Stirlingmotor
Für den technischen Einsatz des Motors ist von eigentlicher Bedeutung wieviel der eingesetzten elektrischen Heizleistung PQH letztlich in mechanisch abnehmbare Leistung PE umgewandelt werden kann. Der effektive Wirkungsgrad
des Heißluftmotors ergibt sich damit zu
ηeff =
PE
= ηmech ηth ηwv .
PQH
(8)
Für die Ermittlung der Teilwirkungsgrade können im Experiment die elektrische Heizleistung PQH , die Drehfrequenz f des Motors (Kap.5.5) und die
mechanischen Leistung PE (Kap.5.7) gemessen werden. Ebenso lassen sich aus
den entsprechenden pV -Diagrammen (durch Integration) die vom Arbeitsgas
abgegebene Leistung PW und Q12 bestimmmen.
Weiter sind folgende Leistungen aus Abb.7 experimentell zugänglich:
• Die vom Kühlwasser abgeführte Wärmeleistung: PQ = cW ρW ΦW ΔTW
(spez. Wärme von Wasser: cW , Dichte von Wasser: ρW , Kühlwasserdurchfluß: ΦW = ΔV /Δt, Temperaturdifferenz zwischen Kühlwasserein- und
auslauf: ΔTW )
• Die durch Kolbenreibung an das Kühlwasser abgegebene Wärmeleistung:
PK = f WK , wobei WK die in Aufg.1d zu bestimmende Reibungsarbeit pro
Umlauf ist.
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
4.4
SM 11
Stirlingmotor als Kältemaschine und Wärmepumpe
Bisher wurde der Stirlingmotor als Wärmekraftmaschine dargestellt: Durch den
Fluß von Wärmeenergie von einem warmen zu einem kalten Reservoir wurde
mechanische Arbeit erzeugt. Steckt man dagegen umgekehrt mechanische Arbeit hinein, indem man die Maschine von außen antreibt, so wird dadurch umgekehrt ein Wärmestrom vom kälteren zum wärmeren Reservoir erzeugt. Wird
nun der wärmere Behälter auf Zimmertemperatur gehalten, läßt sich das andere Reservoir dadurch abkühlen: man erhält eine Kältemaschine. Befindet sich
dagegen der kältere Behälter auf Zimmertemperatur, wird das andere Reservoir
geheizt: es liegt eine sogenannte Wärmepumpe vor.
In beiden Fällen wird das pV -Diagramm - anders als im Fall des Heißluftmotors - entgegen dem Uhrzeigersinn durchlaufen. D.h. die isotherme Expansion
erfolgt bei der tieferen Temperatur T2 . Die dafür notwendige Wärmeenergie
wird dem kälteren Reservoir entnommen und bei der Kompression bei der höheren Temperatur T1 wieder freigesetzt (vgl. Abb.6).
Auch für diese Betriebsarten lassen sich thermodynamische Wirkungsgrade
definieren. In beiden Fällen vergleicht man die Nutzenergie
mit der in den
Prozeß hinein gesteckten mechanischen Arbeit W = p dV . So erhält man für
die Kältemaschine einen Wirkungsgrad
T2
Q34
K
=
=
≷1
(9)
ηth
T 1 − T2
p dV
und für die Wärmepumpe einen Wirkungsgrad
T1
Q12
W
=
=
>1.
ηth
T 1 − T2
p dV
(10)
Die effektiven Wirkungsgrade dieser Maschinen ergeben sich analog zum
Heißluftmotor aus der messbaren Kühl- bzw. Wärmeleistung PK/W bezogen
auf die zum Antrieb der Maschine vom Elektromotor aufgenommenen Leistung
PMotor = U I zu
PK/W
K/W
ηeff =
.
(11)
PMotor
5
5.1
Versuchsausstattung
Die Stirling-Maschine der Firma Leybold
Der Aufbau der Stirling-Maschine der Firma Leybold ist in Abb.3 schematisch
dargestellt. Zylinder (3) und Kühlwassermantelrohr (4) bestehen aus Glas. Deshalb können alle Vorgänge beim Stirlingprozess direkt beobachtet werden.
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 12
ACHTUNG:
• Die Glasbauteile des Heißluftmotors dürfen thermisch nicht zu stark belastet werden. Deshalb ist auf ausreichenden Kühlwasserdurchsatz zu achten.
• Beheizen Sie den stehenden Motor nie länger als wenige Sekunden!
5.2
Das Kühlwassersystem
Der untere Teil des Zylinders ist doppelwandig und wird von Kühlwasser aus
einem 15l Voratsbehälter durchströmt. Der Durchfluß wird mittels einer 9V
Tauchpumpe gewährleistet, die sich in diesem Behälter befindet. Am Kühlwassereinlauf (5) und Auslauf (6) der Stirlingmaschine kann die Vor- bzw. Rücklauftemperatur des Kühlwassers abgelesen werden.
ACHTUNG:
• Die Temperatur des eintretenden Kühlwasser darf 30◦ C nicht übersteigen!
• Der Mindestdurchfluß beträgt 100ml/min.
5.3
Die Zylinderaufsätze
Abbildung 8: ZylinderAufsaetze von links nach rechts: Flanscheinsatz mit Schraubdichtung
für Reagenzglas mit Flüssigkeit zur Durchführung von Aufg.2, Flanscheinsatz mit Thermometer und Heizwendel zum Bestimmen der Kälteleistung (Aufg.3), Flanscheinsatz mit
Doppel-Heizwendel (1Ω) zum Betrieb des Heißluftmotors (Aufg.4).
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 13
Für die unterschiedlichen Betriebsarten als Heißluftmotor, Kältemaschine
und Wärmepumpe sind drei verschiedene Zylinderaufsätzte vorgesehen (siehe
Abb.8). Diese können leicht durch drei Flügelmuttern gelöst und ausgewechselt
werden.
ACHTUNG:
• Das Reagenzglas muß fest in der Quetschdichtung sitzen (Überdruck). Das
Festziehen darf jedoch nicht auf dem Zylinderkopf geschehen, da das Reagenzglas dabei zerspringen kann.
• Beim Aufschrauben der verschiedenen Einsätze ist stets darauf zu achten,
daß diese nicht vom Verdrängerkolben berührt werden!
• Der Zylinderkopf kann beim Motorbetrieb sehr heiß werden, deshalb muß
das Schutzgitter montiert werden und ggf. muß vor dem Austausch des
Zylinderaufsatzes einige Minuten zum Abkühlen gewartet werden!
5.4
Der Transformator zur Versorgung der Heizwendel beim Heißluftmotor
Zur Stromversorgung der Heizung des Heißluftmotors steht ein Experimentiertrafo zur Verfügung, an dem wahlweise Wechselspannungen zwischen 0V und
20V abgegriffen werden können (Abb.9). Zum Messen der elektrischen Leistung
PQH = U I stehen zwei Digitalmultimeter zur Verfügung. Messen Sie die Heizspannung unmittelbar an den Kontakten der Heizwendel, da die Kontakt- und
Abbildung 9: Anschluß des Experimentiertrafos an die Heizwendel
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 14
Eigenwiderstände der Zuleitungskabel nicht vernachlässigbar sind.
ACHTUNG:
• Da beim Versuchsbetrieb Ströme bis zu 18A fließen können benutzten Sie
zur Strommessung ein Multimeter mit einem Maximalstrom von 20A (oder
eine Stromzange). Vorsicht, die Stromführenden Kabel und Stecker können
sehr warm werden!
5.5
Die Computererfaßte pV -Messung mit dem CASSY-Adapter
(vgl.: GP-Handbuch Computer-Experimente)
Der in Abb.5 dargestellte idealisierte Stirling-Kreisprozess wird nur annährend
mit der hier verwendeten Stirlingmaschine verwirklicht. Der Arbeitskolben steht
während der isochoren Prozesse 2-3 bzw. 4-1 nicht still sondern führt eine zeitlich harmonische Bewegung aus. Läuft der Motor mit f Umdrehungen pro Sekunde, so ändert sich das Volumen periodisch zwischen den Extremwerten V1
und V2 (siehe Abb.10, rechts). Die Bewegung des Verdrängers ist ebenfalls harmonisch. Man kann zeigen, dass der Kreisprozess am günstigsten abläuft, wenn
die Position des Verdrängers gegenüber dem Kolben um 90◦ phasenverschoben
ist. Ein tatsächlich gemessenes pV -Diagramm ist in Abb.10 (links) abgebildet.
Abbildung 10: CASSY-Auschnitte: pV -Diagramm (links), V (t)-Diagramm (rechts)
Die Position des Arbeitskolbens wird über einen Schnurzug auf einen Wegmesser übertragen (siehe Abb.14). Bei der Bewegung des Kolbens ändert sich
das Zylindervolumen insgesamt um (140 ± 0.5) cm3 . Der Zylinderinnenraum
ist über einen Schlauch mit dem Manometer verbunden. Der Druck p und das
Volumen V können mit dem CASSY-Adapter und der dazugehörigen Software in Millisekundenintervallen im Computer erfaßt werden. Die Software ist
so eingerichtet, daß während der Versuchsdurchführung wahlweise p(t)-, V (t)-
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 15
und p(V )-Diagramme angezeigt werden können (siehe Abb.10). Zusätzlich kann
über die Anzeige des Frequenzspektrums von V (t) die ungefähre Drehzahl des
Motors im Betrieb abgelesen werden (ohne Abbildung).
Der komplette Datensatz (p, V , t) einer Messung kann zur späteren Auswertung ins ASCII-Format konvertiert und gespeichert werden. Zur Integration
der pV -Diagramme steht auf dem Meßrechener geeignete Software (ORIGIN)
zu Verfügung. Zur Bestimmung der genauen Motordrehzahl wird die Zeit Δt
für mehrere Motorzyklen N in der V (t)-Darstellung ausgewertet: f = N/Δt.
5.6
Der Elektromotor zum Antrieb der Kältemaschine bzw. Wärmepumpe
Das Schwungrad der Stirlingmaschine kann mit einem Elektromotor über einen
Gummi-Riemen angetrieben werden (vgl. Abb.12). An dem dazugehörigen Netzgerät lassen sich die am Elektromotor angelegte Spannung U bzw. der aufgenommene Strom I einstellen und ablesen. Die aufgenommene Leistung des Motors ist dann PMotor = U I. Die Drehrichtung des Motors kann durch Umpolen
geändert werden.
ACHTUNG:
• Betreiben Sie den Elektromotor nicht mit mehr als 13.2V.
• Sollte der E.-Motor nicht anlaufen, so muß etwas per Hand nachgeholfen
werden!
5.7
Prony’scher Zaum zur Messung der mechanischen Leistung
Die mechanische Leistung, die an der Welle des Motors zur Verfügung steht,
wird mit dem Prony’schen Zaum (Bremsdynamometer) gemessen (Abb.11). Er
besteht aus zwei Bremsbacken (2), die mit einer bestimmten Kraft (mit Schrauben (3) regulierbar) auf die Welle mit Durchmesser d = 25mm drücken. Die Reibungskraft die dabei entsteht, erzeugt an den Bremsbacken ein Drehmoment.
Seine Größe wird bestimmt, indem man (mit Gewichten (4)) und Federwaage
(5) die Kraft G mißt, die im Abstand l = 25 cm von der Achse den Hebelarm
in der horizontalen Gleichgewichtslage hält. Die Reibungskraft kann durch unterschiedlich starkes Anziehen der Flügelmuttern verändert werden. Wenn sich
die Welle mit f Umdrehungen pro Sekunde dreht, ist im Gleichgewicht die vom
Motor abgegebene Leistung
PE = 2π f G l .
(12)
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 16
Abbildung 11: Aufbau Prony’scher Zaum: (1) Schwungrad, (2) Bremsbacken, (3) regulier
Schrauben, (4) Ausgleichsgewichte (optional), (5) Federwaage, (6) Halterung mit Fuß
Beim Einsatz der Ausgleichsgewichte muß die entsprechende Gewichtskraft
FG = m g von der Rückstellkraft G abgezogen werden.
ACHTUNG:
• Achten Sie darauf, daß der Motor bei hoher Belastung nicht abgewürgt
wird. Ansonsten ist sofort die Heizung auszuschalten.
• Zur Sicherung des Zaums auf der Welle muß die beiliegende Lochscheibe
verwendet werden.
5.8
Sonstiges Zubehör
• Pinsel, Silikonöl zum Schmieren der Kolbeninnenwand
• 1l Meßbecher und Stoppuhr zur Kühlwasserdurchflußmessung
• diverse Kabel zur Stromführung
• Ersatz-Reagenzgläser, Waage, Thermometer für Aufg.2
• Netzgerät zur Versorgung der Kompensationsheizung für Aufg.3
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
5.9
Allgemeine Sicherheitshinweise
SM 17
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
6
SM 18
Versuchsdurchführung
Um Beschädigungen oder Verletzungen zu vermeiden setzt die Durchführung des Versuchs unbedingt voraus, daß Sie sich vorab gründlich
mit dieser Anleitung insbesondere mit den allgemeinen Sicherheitshinweisen (Kap.5.9) vertraut gemacht haben. Bei Unklarheiten oder
offenen Fragen wenden Sie sich stets an den Betreuer. Gehen Sie
vorsichtig mit der Maschine um!
1. Aufgabe: Vorbereitungen
Abbildung 12: Zubehör für Aufgabe 1: Stirling Maschine, Silikon-Öl mit Pinsel (o.A.), Meßbecher, Stopp-Uhr, Kühlwasser-Reservoir mit Tauchpumpe und Netzgerät, Elektromotor mit
Netzgerät und Antriebsriemen, Thermometer an Kühlwasserein- und Auslauf, Wegaufnehmer mit CASSY und Software (o.A.)
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 19
Im Einzelnen sind folgende Vorbereitungen durchzuführen:
(a) Schmieren der Zylinderinnenwand
Vor jeder Inbetriebnahme ist die Zylinderinnenwand am Verdrängerkolben und Arbeitskolben mit Silikonöl zu schmieren. Das geschieht
bei hochgefahrenem Arbeitskolben mit einem Pinsel durch die Bohrung in der Bodenplatte (ggf. Schutzgitter abnehmen) bzw. bei heruntergefahrenem Arbeitskolben durch die Öffnung am Zylinderkopf (ggf.
Zylinderaufsatz abnehmen).
(b) Kühlwasserkreislauf überprüfen und Durchfluss messen
Zum Umwälzen der Kühlflüssigkeit wird eine Eintauchpumpe (max.
9V Versorgungsspannung) für Flüssigkeiten verwendet. Dabei ist auf
die Kühlwassertemperatur zu achten. Zu warmes Wasser vermindert
die Leistung des Motors und gefährdet diesen. Steigt während des
Motorbetriebes die Einlauftemperatur über 30 Grad ist sofort der Betreuer hinzuzuziehen, ggf. muß das Kühlwasser
im Reservoir durch kaltes Leitungswasser ersetzt werden.
Messen Sie mit einem Meßbecher und einer Stoppuhr den für die weiteren Aufgaben benötigten Kühlwasserdurchfluss Φ = ΔV /Δt, indem
Sie die Zeit Δt stoppen um ΔV = 1l Kühlwasser aus dem Rücklaufschlauch in den Meßbecher zu pumpen.
Die Durchflussmenge sollte zwischen 100 und 500 ml/min
liegen!
(c) Anschluß und Funktionsprüfung des CASSY-Adapters zur pV -Messung
• Schalten Sie den CASSY-Adapter ein und starten die zugehörige
Software.
• Überprüfen Sie den Anschluß des Wegmessers (vgl. Abb.14). Der
Seilzug darf nicht am Potentiometer durchrutschen.
• Überprüfen Sie den Anschluß des Manometers. Entfernen Sie ggf.
Kondenswasserpropfen im Verbindungsschlauch des Manometers,
indem Sie den Schlauch am Manometer lösen und den Motor unter
Kompression einige Umdrehungen von Hand antreiben. (Wiederholen Sie diese Prozedur, wenn sich am Versuchsnachmittag wieder
Kondenswasserpropfen bilden.)
• Machen Sie sich zusammen mit dem Betreuer mit der Software
vertraut und testen diese auf Funktion.
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 20
(d) Ermittlung der Reibungsverluste des Heißluftmotors
Lassen Sie den Zylinderdeckel offen, schließen Sie den Elektro-Motor
zum Antrieb der Stirling-Maschine an (Abb.12). Lesen Sie die Temperaturen TEin und TAus an Kühlwasser Ein- und Auslauf ab. Treiben
Sie das Schwungrad mit dem E.-Motor (Versorgungsspannung 13.2V)
an (Richtung egal) und messen dabei alle 60s die Erhöhung der Kühlwassertemperatur (ΔTW = TAus − TEin ) bis diese konstant bleibt.
Bestimmen Sie die Drehfrequenz f des Motors aus den CASSY-Daten
des Wegaufnehmers (siehe Kap.5.5).
Berechnen Sie die durch Kolbenreibung an das Kühlwasser abgegebene
Reibungsleistung PK = ρW Φ cW ΔTW und daraus die Reibungsarbeit
pro Umlauf WK = PK /f . (Dichte ρW = 1g/cm3 , spez. Wärme ρW =
4.18J/(gK))
2. Aufgabe: Betreiben Sie die Stirling-Maschine als Wärmepumpe.
Abbildung 13: Aufbau Wärmepumpe und Kälte-Maschine
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 21
Erwärmen Sie damit eine Wasserprobe (bis etwa 65◦ C). Bestimmen Sie den
thermodynamischen und effektiven Wirkungsgrad dieser Wärmepumpe.
Der Versuchsaufbau ist in Abb.13 dargestellt. Setzten Sie den Zylinderaufsatz mit Reagenzglas zusammen. Achten Sie darauf, daß das Reagenzglas fest in der Quetschdichtung sitzt und den Verdrängerkolben nicht berühren kann. Wiegen Sie etwa m = 2g Wasser mit einer
Waage in dem Reagenzglas ab, befestigen Sie den kompletten Aufsatz auf
dem Zylinderkopf und fixieren mit etwas Schaumstoff ein Thermometer in
diesem. Der Elektromotor wird so betrieben, daß er das Schwungrad der
Stirlingmaschine mit f ≈ 3Hz dreht. Klären Sie vor dem Einschalten die
Drehrichtung zusammen mit dem Betreuer ab.
Messen Sie nach dem Einschalten der Maschine die Temperatur der Wasserprobe in Zeitintervallen von etwa 20s. Stellen Sie bei der Ausarbeitung diesen Temperaturverlauf T (t) grafisch dar. Bestimmen Sie aus dem
linearen Bereich des Temperaturverlaufs die an das Wasser abgegebene
Wärmeleistung PW = mW cW dT /dt. Messen Sie die Leistungsaufnahme
PMotor = U I des zum Antrieb der Maschine benötigten Elektromotors.
Nehmen Sie am Versuchsende ein pV -Diagramm auf und ermitteln die
Temperaturdifferenz ΔTW zwischen Kühlwasser Ein- und Auslauf.
Ermitteln Sie aus dem pV -Diagramm den themodynamischen WirkungsW
der Maschine und vergleichen Sie diesen mit dem effektiven Wirgrad ηth
W
kungsgrad ηeff
. Überlegen Sie ob die gemessene Temperaturdifferenz ΔTW
des Kühlwassers sinnvoll ist (Hinweis: Kolbenreibung berücksichtigen).
3. Aufgabe: Betrieb des Stirlingmotors als Kältemaschine
Verwenden Sie die Stirling-Maschine als Kältemaschine. Der Versuchsaufbau ist ähnlich wie in Aufg.2. Ersetzen Sie das Reagenzglas durch den
Einsatz mit Thermometer und Heizwendel. Schrauben Sie dazu den gesamten Aufsatz ab. Achten Sie beim Wiederaufschrauben des Aufsatzes darauf, daß die Heizwendel den Verdrängerkolben nicht
berühren kann. Schließen sie die Heizwendel an das dazugehörige Gleichstromnetzgerät an, so daß Sie mit zwei Digitalmultimetern die Heizleistung
bestimmen können (ähnlich Abb.9). Der Elektromotor ist derart in Betrieb
zu setzen, dass sich das Schwungrad im Uhrzeigersinn dreht (f ≈ 3Hz).
Nach dem Einschalten des Motors fällt die Temperatur am Thermometer
schnell ab. Kompensieren Sie die Kühlleistung der Kältemaschine durch
vorsichtiges Steigern der Heizungspannung (max. 10 Volt), so daß sich
die Temperatur am Thermometer bei etwa 15◦ C einstellt. Messen Sie die
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 22
dazu notwendige elektrische Heizleistung PK = U I. Messen Sie die Leistungsaufnahme PMotor = U I des zum Antrieb der Maschine benötigten
Elektromotors. Nehmen Sie am Versuchsende ein pV -Diagramm auf und
ermitteln Sie die Temperaturdifferenz ΔTW zwischen Kühlwasser Ein- und
Auslauf.
Ermitteln Sie aus dem pV -Diagramm den thermodynamischen WirkungsK
grad ηth
der Maschine und vergleichen Sie diesen mit dem effektiven WirK
. Überlegen Sie ob die gemessene Temperaturdifferenz ΔTW
kungsgrad ηeff
des Kühlwassers sinvoll ist (Hinweis: Kolbenreibung berücksichtigen).
4. Aufgabe: Betrieb des Stirlingmotors als Wärmekraftmaschine
Abbildung 14: Aufbau Wärmekraftmaschine
(a) Inbetriebnahme des Heißluftmotors
Der Versuchsaufbau ist in Abb.14 dargestellt. Schrauben Sie den Zylinderaufsatz mit der Doppel-Heizwendel auf. Bringen Sie unbedingt das Schutzgitter auf dem Zylinderkopf an. Schließen Sie
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 23
den Experimetiertrafo so an die Heizwendel an, daß Sie mit zwei Multimetern die elektrische Leistungsaufnahme der Heizwendel messen
können (siehe Kap.5.4).
Setzen Sie den Motors bei 12V Heizspannung zusammen mit dem Betreuer wie folgt in Betrieb. Nach dem Einschalten der Heizung warten
Sie bis diese dunkel rot glüht. Danach werfen Sie das Schwungrad
an. Wiederholen Sie das Anwerfen so lange, bis der Motor von selbst
läuft. Beachten Sie dabei, dass der Motor nicht länger als wenige Sekunden bei eingeschalteter Heizung stillstehen darf.
Wenn der Motor stabil läuft reduzieren Sie die Heizspannung auf den
Wert, bei dem der Motor gerade noch läuft. Der Motor braucht nach
jeder Änderung der Heizspannung einige Minuten Einlaufzeit bis er
stationär wird, d.h. sich eine konstante Drehzahl und Kühlwassertemperaturerhöhung ΔTW eingestellt hat.
(b) Der Stirlingmotor im Leerlaufbetrieb
Messen Sie bei gegebener Heizspannung im stationären Zustand
die von der Heizwendel aufgenommene elektrische Heizleistung PQH ,
die Kühlwassertemperaturerhöhung ΔTW und ein pV -Diagramm. Erhöhen Sie die Heizspannung am Trafo in 2V Schritten bis 16V und
wiederholen jeweils die Messungen.
Bestimmen Sie für jede Heizspannung aus den Meßwerten die Leistun
gen PQH , PQH
, PW , PQ und PK sowie die Drehfrequenz f des Motors.
Berechnen Sie daraus jeweils die Wirkungsgrade ηwv und ηth . Schätzen
Sie unter der Annahme, daß die Temperatur T2 im unteren Zylinderteil der Kühlwasserauslauftemperatur entspricht, die Temperatur T1
im oberen Zylinderteil ab (Gl.7). Tabellieren Sie die Ergebnisse.
Tragen Sie die Drehzahl f und den thermodynamischen Wirkungsgrad
ηth gegen die Heizleistung PQH auf und begründen den Verlauf.
(c) Der belastete Stirlingmotor
Reduzieren Sie zunächst die Heizspannung, so daß der Motor langsam
läuft. Überprüfen Sie die Kühlwassertemperatur im Reservoir und ersetzen Sie es ggf. durch frisches Wasser.
Justieren Sie bei langsam laufenden Motor den Prony’schen Zaum
(siehe Kap.5.7) ohne ein Drehmoment auf die Motor-Welle auszuüben.
Wählen Sie eine Heizspannung bei der der unbelastete Motor (G =
0N) mit etwa f = 5 − 6Hz läuft.
Messen Sie bei gegebener Belastung die Kraft G an der Federwaage,
die von der Heizwendel aufgenommene elektrische Heizleistung PQH ,
Stirling-Motor, Thermodynamische Kreisprozesse
SM 24
die Kühlwassertemperaturerhöhung ΔTW und ein pV -Diagramm. Erhöhen Sie durch das Anziehen der Flügelschrauben am Zaum die Motorbelastung in Schritten von etwa ΔG = 0.2N bis zur maximalen
Belastung und wiederholen jeweils die Messungen. Die Maschine
darf bei hoher Belastung nicht zum Stillstand kommen. Bei
Stillstand ist die Maschine sofort wieder von Hand anzuwerfen oder die elektrische Heizung sofort abzuschalten.
Am Ende der Messung reduzieren Sie die Motorbelastung auf Null,
lassen den Motor bei geringer Heizspannung eine Minute auslaufen
und schalten schließlich die Heizung ganz aus. Nach ein paar weiteren
Minuten kann dann das Kühlwasser abgeschaltet werden.
Tabellieren Sie wie in Aufgabe 4b die Meßergebnisse. Geben Sie zusätzlich die gemessene mechanische Leistung PE und die Wirkungsgrade ηmech und ηeff an.
Tragen Sie die mechanische Leistung PE und den effektiven Wirkungsgrad ηeff gegen die Drehzahl f auf und diskutieren Sie den Verlauf.
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil II
Spezifische Wärmekapazität und
Phasenumwandlungen
Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
PD Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
Dr. Herbert Wolf
Zimmer: 1.13, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-2038
2H
Version 4 (10/2012)
SW 2
1
Spezifische Wärmekapazität
Stoffgebiet
•
Hauptsätze der Wärmelehre
•
Wärmekapazität
•
Kalorimeter
•
Joule'sche Wärme
•
Gleichverteilungssatz
•
Spezifische Wärmekapazität von Gasen
•
Spezifische Wärmekapazität von Festkörpern
•
Dulong-Petit'sches Gesetz
•
Phasenumwandlungen
•
Umwandlungswärme
•
Clausius-Clapeyron'sche Gleichung
•
Phasendiagramme
•
Reale Gase
•
Kritischer Punkt
2
Literatur
•
D. Meschede
Gerthsen Physik
23., überarb. Aufl. 2006, Springer-Verlag
Kap. 5
•
H.-J. Eichler, H.-D. Kronfeldt, J. Sahm
Das Neue Physikalische Grundpraktikum
2., erw. u. aktualisierte Aufl. 2006, Springer-Verlag
Kap. 5
Spezifische Wärmekapazität
3
SW 3
Fragen
1. Wie sind die spezifischen Wärmekapazitäten cv und cp definiert und was bedeuten sie?
Warum ist cv = (dU/dT)V ? Warum ist bei idealen Gasen cp > cv ? Berechnen Sie die Differenz der Molwärmen c'p - c'v.
2. Erläutern Sie den Begriff Übergangsentropie.
3. Was versteht man unter Dampfdruck; von welchen Zustandsgrößen ist er abhängig? Beschreiben Sie eine Methode zur Aufnahme eines Dampfdruckdiagramms.
4. Erklären Sie den Unterschied zwischen Phasenübergängen erster und zweiter Art. Welche
Phasenübergänge treten typischerweise erst bei tiefen Temperaturen auf?
5. Was versteht man unter der Leerkapazität eines Kalorimeters und wie kann sie gemessen
werden? Wie funktioniert ein Mischungskalorimeter?
6. Wie ist ein Festkörper aufgebaut? Was versteht man unter Gitterschwingungen? Wie lautet der Gleichverteilungssatz? Wie teilt sich die Zahl der bei Zimmertemperatur angeregten Freiheitsgrade in einem ein- oder zweiatomigen Gas auf, wie bei einem Festkörper?
7. Geben Sie eine Definition für die Umwandlungswärme. Erklären Sie anhand des 1.
Hauptsatzes, wozu die Umwandlungswärme dient. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Umwandlungswärme und den molekularen Bindungskräften?
8. Erklären Sie das Dulong-Petit'sche Gesetz mit Hilfe des Gleichverteilungssatzes. Erläutern
Sie die Neumann-Kopp'sche Regel. Leiten Sie die Clausius-Clapeyron'sche Gleichung
her. Leiten Sie unter Gültigkeit der elementaren Gastheorie die Molwärme von idealen
Gasen her.
9. Geben Sie in einer Schaltskizze an, wie man Strom und Spannung an einem Widerstand
messen muss, wenn man die erzeugte Heizleistung bestimmen will.
SW 4
Spezifische Wärmekapazität
4
Grundlagen
4.1
Spezifische Wärmekapazität
Führt man einem Körper eine Wärmemenge ∆Q zu, erhöht sich seine Temperatur um ∆T,
wenn nicht gerade ein Phasenübergang 1. Ordnung vorliegt. In diesem Fall ist dann ∆T = 0,
und zwar solange, bis die Umwandlung vollständig stattgefunden hat. Die Wärmezufuhr kann
unter verschiedenen Randbedingungen erfolgen, z. B. bei konstant gehaltenem Volumen oder
Druck. Dementsprechend wird ∆T verschieden groß werden, und man definiert als Wärmekapazität des Körpers bei konstantem Volumen:
∂Q
∂Q
CV : =
 bzw. bei konstantem Druck: C p : 

 ∂ T V
 ∂ T p
(1)
Die Dimension der Wärmemenge ist J (Joule), die der Temperatur K (Kelvin). Oft findet man
jedoch noch für die Wärmemenge die veraltete Dimension cal (Kalorie: 1 cal = 4,1868 J).
Die spezifische Wärmekapazität ist die Wärmekapazität bezogen auf 1 kg eines Stoffes, also
die Wärmeenergie, die benötigt wird, um 1 kg eines Stoffes um 1 Grad zu erwärmen:
cV , p :=
CV , p
m
 J 


 kg K 
(2)
m = Masse des Körpers. Unter Atom- oder Molwärme versteht man die Wärmekapazität eines
Grammatoms oder Mols eines Stoffes:
′
c=
V,p :
CV , p
 J 
m
= cV ,=
cV , p M 

p
n
n
 Mol K 
(3)
n = Anzahl der Mole, M = Atom- oder Molekulargewicht..
Aus dem 1. Hauptsatz der Wärmelehre
d=
U
dQ - pdV bzw. d=
Q
dU + pdV
(4)
lässt sich abschätzen, dass stets gilt:
cp > cV
(5)
Betrachten wir z.B. den Fall des idealen Gases, wo U vom Volumen unabhängig ist, so finden
wir, dass die bei konstantem Volumen (dV = 0) in das System gesteckte Wärmemenge nur der
Erhöhung der inneren Energie U dient. Führt man dagegen die Wärme bei konstantem Druck
p zu, dehnt sich das Gas mit steigender Temperatur aus, und ein Teil der Wärmemenge wird
zum Verrichten der Ausdehnungsarbeit +pdV benötigt.
Beim Festkörper unterscheiden sich cp und cv nur wenig, da die thermische Ausdehnung und
der Kompressionsmodul klein sind.
Für die Thermodynamik ist vor allem die Atom- oder Molwärme von Interesse. Bezogen auf
1 Mol folgt aus Gl. (4):
 ∂ U Mol 
∂Q
=
cV′ =
 n 

 ∂ T V
 ∂ T V
(6)
Spezifische Wärmekapazität
SW 5
Hier wird die messbare Größe c'v mit der molaren inneren Energie UMol verknüpft, die sich
aus theoretischen Modellen errechnen lässt. Dadurch bietet sich eine wichtige Möglichkeit,
atomistische Modelle experimentell zu überprüfen.
Dazu zwei Beispiele:
Ideales Gas mit f Freiheitsgraden:
Nach dem Gleichverteilungssatz besitzt ein Gasteilchen im Mittel die kinetische Energie
ε kin = ( f 2)kBT (kB = Boltzmannkonstante). 1 Mol enthält N Teilchen (N = AvogadroKonstante) und damit wird die innere Energie
zu U Mol N=
=
( f 2)kBT ( f 2) RT (R = Gaskonstante).
Daher wird: c'v = (f/2) R ,was auch für viele reale Gase gut erfüllt ist.
Einatomige Festkörper:
In der harmonischen Näherung (der Potentialansatz enthält Glieder bis zur quadratischen
Ordnung) hängt die Schwingungsenergie der Gitterteilchen im Festkörper nur von der Temperatur ab. Da die Teilchen zu dreidimensionalen Gitterschwingungen (Phononen) angeregt
werden können, entfällt nach dem Gleichverteilungssatz auf die mittlere kinetische Energie
eines Teilchens der Anteil ε kin = 3 2 kBT . Da die potentielle Energie im Mittel gleich der kinetischen Energie ist, wird die Gesamtenergie des Teilchens zu ε = 3kBT . Dann ist UMol =
3RT, und
cV′ = 3R (Dulong-Petit'schesGesetz)
(7)
Dieses Gesetz ist jedoch nur für höhere Temperaturen und abseits von Phasenumwandlungen
richtig; bei tieferen Temperaturen (< 250 K ) verliert der Gleichverteilungssatz seine Gültigkeit, da dann gewisse Schwingungstypen wegen der geringeren thermischen Anregungsenergie ausfallen (Quantentheorie des Festkörpers). Die Atomwärme nimmt daher mit fallender
Temperatur ab und geht nahe dem absoluten Nullpunkt mit T3 gegen 0 (Debye'sches T3Gesetz). Bei Metallen ist außerdem der thermische Energieanteil der Leitungselektronen zu
berücksichtigen, der jedoch bei höheren Temperaturen vernachlässigt werden kann.
Eine leicht abzuleitende Folge des Dulong-Petit'schen Gesetzes ist die Neumann-Kopp'sche
Regel: Die Molwärme eines mehratomigen Festkörpers ist gleich der Summe der Atomwärmen der Einzelkomponenten.
4.2
Phasenumwandlungen
Existieren von einem Stoff unter entsprechenden Voraussetzungen mehrere verschiedene Zustände (Phasen), so spricht man bei der Übergangsstelle von einem Phasenübergang (Phasenumwandlungspunkt). Solche Phasenübergänge treten z. B. zwischen den Zuständen fest flüssig, flüssig - dampfförmig, normalleitend - supraleitend, paramagnetisch - ferromagnetisch, paraelektrisch - ferroelektrisch und zwischen verschiedenen Kristallstrukturen
vieler Festkörper auf.
Die Phasenübergänge sind stets mit Anomalien in charakteristischen Größen (wie spezifische
Wärmekapazität, Kompressibilität, u. a.) verbunden. Meist lässt sich die Phasenumwandlung
durch eine Anomalie in einer einzigen Größe, dem Ordnungsparameter, erklären. Durch den
Einfluss des Ordnungsparameters lässt sich dann die gesamte Abweichung des thermodynamischen Verhaltens der Tieftemperaturphase im Vergleich zur Hochtemperaturphase beschreiben. Beim Phasenübergang flüssig - gasförmig ist der Ordnungsparameter die Dichte ρ,
beim Übergang ferromagnetisch - paramagnetisch ist es die Magnetisierung M. Besitzt der
Ordnungsparameter eine Sprungstelle an der Umwandlungstemperatur, spricht man von einem Phasenübergang erster Art. Erfolgt der Übergang von einem in den anderen Zustand ste-
SW 6
Spezifische Wärmekapazität
tig (aber nicht beliebig oft differenzierbar), so spricht man von einem Übergang höherer Ordnung.
Wir beschränken uns nur auf die Phasenübergänge erster Ordnung, die am bekanntesten sind;
z. B. fallen die Übergänge flüssig - gasförmig und flüssig - fest darunter. Da die Phase höherer Temperatur ungeordneter ist, muss am Phasenübergang eine charakteristische Wärmemenge, die „Umwandlungswärme“ oder „latente Wärme“, zugeführt werden, um die neue
Phase zu erreichen. Die Umwandlungswärme wird beim Abkühlen bei der Umwandlungstemperatur wieder freigesetzt. Die Thermodynamik der Phasenumwandlung kann durch die
Clausius-Clapeyron'sche Gleichung beschrieben werden, die z. B. für den Schmelzvorgang
lautet:
dp
(v fl − v f )
dT T
=
λS TS
(8)
S
λs = spezifische Schmelzwärme
Ts = Schmelztemperatur
p = Druck beider Aggregatzustände im Gleichgewicht
vfl, vf = spezifisches Volumen der Flüssigkeit, bzw. des Festkörpers(bzw. reziproke Dichte:
1/ρfl, 1/ρf )
Für die Verdampfungswärme gilt die Clausius-Clapeyron'sche Gleichung in analoger Form.
Aus der Clausius-Clapeyron'schen Gleichung und der Definition der Entropie
dQ
T
(9)
λS
dp
(v fl − v =
f )
dT
TS
(10)
dS =
ergibt sich für die spezifische Schmelzentropie
S=
S
Die Gesamtentropie ist demnach mit c = dQ/dT
TS
S = S0 + ∫
T0
c p, f
T
T0
dT + S S + ∫
TS
c p , fl
T
dT
(11)
wobei für die spezifische Schmelzentropie der einfache Ausdruck
SS =
λS
TS
(12)
steht (Gl. (10)).
Erwärmt man ein Metall mit gleichbleibender Heizleistung, steigt die Temperatur bis zum
Schmelzpunkt an, dann bleibt sie trotz weiterer Wärmezufuhr (in etwa) konstant, bis die gesamte Metallmenge geschmolzen ist. Die Wärmemenge, die benötigt wird, um 1 g einer festen Substanz zu verflüssigen, wird Schmelzwärme λs genannt. Die Schmelzwärme wird dazu
gebraucht, um die Gitterstruktur des Festkörpers aufzulösen bis hin zum flüssigen Aggregatzustand. Aus der Größe der Umwandlungswärme kann auf die Festigkeit der Bindung im
Festkörper geschlossen werden.
Im Versuch sollen die Wärmekapazität, Schmelzwärme und Schmelzentropie einer Legierung
aus 50 % Bi, 31 % Pb und 19 % Sn („Newton’s Metal“) bestimmt werden.
Spezifische Wärmekapazität
4.3
SW 7
Kalorimeter
Ein Gerät zur Messung der Wärmekapazität heißt Kalorimeter. Eine ziemlich ungenaue aber
einfache Bestimmung lässt sich mit dem Mischungskalorimeter durchführen: Wenn zwei
Körper mit den annähernd temperaturunabhängigen Wärmekapazitäten C1 und C2 und den
Anfangstemperaturen T1 und T2 (T1 > T2) in Wärmekontakt gebracht werden, gleichen sie
nach dem 2. Hauptsatz ihre Temperatur einander an. Die entstehende Mischungstemperatur
sei TM (siehe auch 1. Hauptsatz). Für sie gilt nach dem Energieerhaltungssatz:
Abgegebene Wärmemenge = Aufgenommene Wärmemenge
also
C1 ( T1 − TM )=
C2 ( TM − T2 )
(13)
Zur Messung der spezifischen Wärmekapazität cK eines wasserunlöslichen Körpers (Masse
mK), den man auf die Temperatur TK gebracht hat, benutzt man als zweiten Körper zweckmäßig eine Wassermenge der bekannten spezifischen Wärmekapazität cW, der Masse mW und der
Temperatur TW, die sich in einem „Dewargefäß“ (Thermosflasche) befindet, damit die Wärmeverluste möglichst gering gehalten werden. Die Messung wird dadurch kompliziert, dass
der das Wasser enthaltende Innenteil des Dewargefäßes sowie Rührer und Thermometer am
Wärmeaustausch mitbeteiligt sind, und deren Gesamtwärmekapazität CKal berücksichtigt werden muss. Dann wird Gl. (13) zu:
cK mK (Tk − TM =
) (cW mW + CKal )(TM − TW )
(14)
Eine genauere und direktere Methode, die Wärmekapazität zu messen, lehnt sich eng an die
Definitionsgleichungen (1) an: Dieses Verfahren wird auch in dem hier durchzuführenden
Experiment angewendet. Dem thermisch (fast) ideal isolierten Versuchskörper wird durch
eine elektrische Heizung (mit Spannung U und Strom I) während der Zeit ∆t die Wärmemenge
∆Q = UI ∆t
(15)
zugeführt. Aus der Temperaturerhöhung des Körpers ergibt sich dann seine Wärmekapazität
CK:
CK =
∆Q
∆T
(16)
Analog ergibt sich dann auch die latente Wärme der Phasenumwandlung beim Schmelzen.
Die zu vermessende Probe befindet sich in einem Gefäß, dessen Wärmekapazität CL bei der
Messung mit gemessen wird:
CM = CK + CL
Um die Wärmekapazität CL des Gefäßes von der Wärmekapazität der Probe CK zu trennen, ist
zunächst eine Bestimmung von CL des Probengefäßes erforderlich. Anschließend wäre das
Gefäß dann mit der Probe zu befüllen, so dass CL bei der Messung berücksichtigt werden
kann. Um nicht ständig die Probentiegel neu leeren und füllen zu müssen, ist beim vorliegenden Experiment dies dadurch gelöst, dass zunächst ein zum Probentiegel identisches leeres
Gefäß mit Heizung und Thermometer vermessen wird, dessen Wärmekapazität CL dann bei
der Messung berücksichtigt wird.
SW 8
Spezifische Wärmekapazität
5
Versuchsdurchführung
5.1
Versuchsaufbau
In dem am Messplatz stehenden Holzkasten befinden sich zwei identische Dewargefäße. In
beiden eingebaut ist jeweils ein verschlossener Quarztiegel, der mit Konstantandraht zur Heizung umwickelt ist. Zur Messung der Temperatur befindet sich in jedem Tiegel ein Platinwiderstand (Pt-100 bzw. Pt-50). Das mit „LEER“ bezeichnete Dewargefäß enthält einen leeren
Tiegel mit Heizung und Pt-Widerstand und dient zur Bestimmung der Wärmekapazität der
Probenhalterung (Leerkapazität). In dem mit „PROBE“ gekennzeichneten Gefäß ist ein identischer Tiegel mit zusätzlich ca. 60 g (genaue Werte sind jeweils auf dem Kasten angegeben)
der Legierung aus 50 % Bi, 31 % Pb und 19 % Sn (Abb. 1).
Abb. 1: Quarztiegel gefüllt mit etwa 60 g einer Legierung aus 50 % Bi, 31 % Pb und 19 %
Sn. Der Tiegel ist mit einem Heizdraht umwickelt (blaue Anschlussdrähte), die Temperaturmessung erfolgt über einen Pt-50- oder Pt-100-Widerstand im Tiegel (grüne
Anschlussdrähte).
Geheizt wird mit einer Konstantstromquelle, die einen festen voreingestellten Strom liefert.
Für die Heizleistung ergibt sich dann:
PH = UI
I=
U
RH
PH =
(17)
U2
RH
Da I und RH im zu messenden Temperaturbereich bis etwa 120 °C als nahezu konstant anzusehen sind, genügt es, den Spannungsabfall am Heizwiderstand zu messen, um die Leistung
zu bestimmen.
Zur Temperaturmessung steckt ein Platinwiderstand in der Probe, der bei 0 °C einen Widerstand von 100,0 Ω und bei 100 °C von 138,5 Ω (bzw. 50 Ω und 69,25 Ω) besitzt. Das Temperaturverhalten des Widerstandes gehorcht in diesem Temperaturbereich der Beziehung:
Spezifische Wärmekapazität
SW 9
R (T ) = R0 (1 + AT + BT 2 )
(18)
mit
=
A 3,9083 ×10−3 °C-1
B=
−5, 775 ×10−7 °C-2
Bei kleinen Temperaturintervallen bzw. weniger genauen Messungen kann der T2 - Term vernachlässigt werden (s. Anhang).
Abb. 2: Versuchsaufbau: Zwei identische Dewargefäßen mit einem leeren und einem mit der
Probe gefüllten Tiegel, Digitalmultimeter mit Messkanalumschalter („Scanner“) zur
automatischen Messwertaufnahme und eine Konstantstromquelle. Die Daten werden
mit einem LabVIEW-Programm über einen GPIB-Bus von einem PC ausgelesen.
Der Versuch soll (fast) vollautomatisch mit Hilfe eines Computers durchgeführt werden (Abb.
2), dazu wurde ein Messprogramm mit LabVIEW entwickelt. Zur Messung der Spannungen
und der Widerstände steht ein Digitalmultimeter mit Scanner (PREMA 5000) zur Verfügung,
das über eine GPIB-Schnittstelle durch einen PC gesteuert wird und die Messdaten an den PC
überträgt.
5.2
Versuchsvorbereitung
Bitte bereiten Sie sich durch die Bearbeitung der folgenden Aufgaben auf den Versuch vor
und sprechen Sie Ihre Lösungen mit dem/der Betreuer/in durch.
1. In der Abb. 3 ist mit „Leer“ die Kurve der Leermessung (nur Tiegel) und mit „Probe“ die
Kurve der Probenmessung (Probe mit Tiegel) bezeichnet. Das Ausgleichspolynom für
„Leer“ kann als Polynom 2. Grades (y = a0 + a1x + a2x2) dargestellt werden. Geben Sie an,
wie Sie mathematisch vorgehen müssen, um mit Hilfe des Ausgleichspolynoms für die
Leermessung die Probenmessung um den Anteil „Leer“ zu korrigieren.
2. Bestimmen Sie theoretisch aus der Zusammensetzung der Probe mit Hilfe des DulongPetit´schen Gesetzes die spezifische Wärmekapazität im Bereich von ca. 30 °C bis 40 °C.
SW 10
Spezifische Wärmekapazität
3. Skizzieren Sie den Verlauf der spezifischen Wärmekapazität in Abhängigkeit von der
Temperatur eines Festkörpers mit Phasenumwandlung 1. Ordnung.
4. Skizzieren Sie das C-T-Diagramm eines Festkörpers ohne Phasenumwandlung ab T = 0 K.
5. Zeichen Sie das Q-T- und das C-T-Diagramm von Wasser im Bereich von festem Eis bis
zur Dampfphase. Erläutern Sie im Anschluss an den Versuch die Unterschiede zu Ihrer
Messung.
Temperatur
Leer
Probe
Energie
Abb. 3: Temperatur als Funktion der zugeführten Energie für eine Leermessung und eine
Probe mit Phasenübergang fest – flüssig.
5.3
Hinweise
Abb. 4: LabVIEW-Programm zur Bestimmung der spezifischen Wärme und des Phasenübergangs fest-flüssig.
Spezifische Wärmekapazität
SW 11
Überprüfen Sie die Verkabelung und schalten Sie das Digital-Multimeter und den PC ein,
keinesfalls jedoch die Konstantstromquelle. Die Stromquelle wird nicht vom PC kontrolliert
und beginnt nach dem Einschalten sofort den Leer- oder Probentiegel zu heizen. Falls Sie das
Proben- bzw. Leergefäß irrtümlich aufheizen, verlieren Sie viel Zeit durch das notwendige
Abkühlen.
Starten Sie das LabVIEW-Programm „Spez. Wärme“. Nach dem Starten des Programms
(Abb.4) wird das Multmeter initialisiert und in den Remote-Betrieb umgestellt. Das Programm erkennt automatisch, ob Pt-50- oder Pt-100-Widerstände zur Temperaturmessung benutzt werden und zeigt den Widerstand und die Temperatur an. Schalten Sie zwischen „Leer“
und „Probe“ um und testen Sie, ob beide Widerstände funktionieren und Raumtemperatur
anzeigen. Vor dem Start einer Messung muss eine Maximaltemperatur von < 120 °C eingegeben werden.
Die Bestimmung der Energie aus der Heizleistung geschieht mit Hilfe der im PC integrierten
Uhr, und eine Unterbrechung der Messung würde die Messwerte verfälschen. Nach dem Einschalten der Konstantstromquelle (Heizung) wird die Messung durch Drücken des Knopfes
MESSUNG AUS (EINSCHALTEN) gestartet. Die Datenaufnahme wird nach Erreichen der
Maximaltemperatur vom Programm beendet. Danach bitte sofort die Stromquelle für die Heizung ausschalten.
Nach dem Beenden der Messung werden die Daten (Temperatur und Energie) automatisch an
das Programm Origin übergeben, in ein Worksheet eingetragen und als Diagramm dargestellt.
Jetzt kann die Messung von Origin aus abgespeichert werden. Origin kann erst geschlossen
werden, wenn das LabVIEW-Programm beendet wurde.
5.4
Messungen und Auswertung
Stellen Sie im Messprogramm eine Maximaltemperatur von 115 °C ein und führen Sie nacheinander eine „Leermessung“ und eine „Probenmessung“ durch. Speichern Sie nach jeder
Messung die Daten in Origin ab.
Korrigieren Sie die Probenmessung mit Hilfe der Leermessung. Bestimmen Sie nun die spezifische Wärmekapazität der Probe (im Temperaturbereich bis etwa 40 °C) und vergleichen Sie
sie mit den in 5.2 berechneten Werten.
In der Probenmessung können Sie nun einen bzw. zwei (warum?) Temperaturbereiche erkennen, bei denen eine Phasenumwandlung vorliegt. Bestimmen Sie jeweils folgende Größen:
• Spezifische Wärmekapazität kurz vor der Phasenumwandlung
• Spezifische Wärmekapazität kurz nach der Phasenumwandlung
• Umwandlungstemperatur
• Umwandlungswärme und spezifische Umwandlungswärme
• Übergangsentropie
Welcher Ordnung sind die beobachteten Phasenumwandlungen? Begründen Sie Ihre Aussage.
Die dem Experiment zugrundeliegenden Überlegungen gehen davon aus, dass man sich im
thermodynamischen Gleichgewicht befindet. Wenn man aber dem System über eine längere
Zeit ständig Wärme zuführt, ist dies natürlich nicht gewährleistet. Überlegen Sie sich, wieso
trotzdem sinnvolle Ergebnisse möglich sind und was man tun könnte, um das Messverfahren
besser an die Voraussetzungen anzupassen.
SW 12
Spezifische Wärmekapazität
Anhang
Platin-Widerstandsthermometer
Die Normierung DIN IEC 751 legt für den Platin-Widerstand zwei Temperaturbereiche fest
und definiert diese durch verschiedene Polynome.
Kennlinien Widerstandsthermometer Pt100 und Pt50
400
350
Pt100
Widerstand (Ω)
300
250
200
150
Pt50
100
50
0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
Temperatur (°C)
Abb. 5: Nach Norm berechnete Widerstände als Funktion der Temperatur für einen Pt50und einen Pt100-Widerstand.
Der erste Temperaturbereich (-200 °C bis 0 °C) wird festgelegt durch
R (T ) = R0 (1 + AT + BT 2 + C (T − 100°C)T 3 )
und der zweite Temperaturbereich (0 °C bis 850 °C) durch (Abb. 5)
R (T ) = R0 (1 + AT + BT 2 )
Die Koeffizienten sind:
A 3,9083 ×10−3 °C-1
=
B=
−5, 775 ×10−7 °C-2
C=
−4,183 ×10−12 °C-3
R0 ist der sogenannte Nennwiderstand und wird bei 0 °C gemessen. Entsprechend der Norm
beträgt der Widerstand beim PT100, dem gängigsten Platin-Widerstand, 100 Ω bzw. beim
Spezifische Wärmekapazität
SW 13
PT50 50 Ω, beim PT500 500 Ω und beim PT1000 sogar 1kΩ. Je höher der Nennwiderstand,
umso empfindlicher reagiert das Widerstandsthermometer auf Temperaturänderungen und
desto weniger fallen die Widerstände der Zuleitungen ins Gewicht.
Temperaturkoeffizient:
Die Norm definiert für den Platin-Widerstand einen mittleren Temperaturkoeffizienten α von
0 °C bis 100°C. Er definiert die mittlere Widerstandsänderung bezogen auf R0 (Nennwert bei
0 °C). Dieser α-Wert beträgt
=
α 3,850 ×10−3 °C-1
Der α-Wert von spektralreinem Platin beträgt allerdings
=
α 3,925 ×10−3 °C-1
Der Unterschied ergibt sich durch die gezielte Verunreinigung des Platin mit anderen Stoffen,
um das Widerstandsthermometer unempfindlicher gegen unabsichtliche Verunreinigungen
von außen zu machen.
Temperaturberechnung:
Aus dem gemessenen Widerstand R des Thermometers wird auf die entsprechende Temperatur geschlossen. Entsprechend den Formeln zur Darstellung des Platin-Widerstandes lässt sich
aus der sich ergebenden Kennlinie für Temperaturen über 0 °C eine Formel zur Berechnung
der Temperatur ableiten:
T=
− AR0 +
( AR0 )
2
− 4 BR0 ( R0 − R )
2 BR0
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil II
Peltier-Effekt
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
PD Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
PD Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
2H
Version 3 (12/2009 MD)
PE 2
1.
Peltiereffekt
Stoffgebiet
• Temperaturmessung
• Hauptsätze der Thermodynamik
• Carnot-Maschine, Wärmepumpe
• Wärmeleitung
• Wärmekapazität
• Spannung, Strom, elektrisches Feld
• Joulesche Wärme
• Metalle
• Elektronengas
• Dotierte Halbleiter
2.
Literatur
•
D. Meschede
Gerthsen Physik
23., überarb. Aufl. 2006, Springer-Verlag
Kap. 6.6
Peltiereffekt
PE 3
3.
Fragen
1.
Was versteht man unter einer thermoelektrischen Spannungsreihe? Wozu werden
Thermoelemente verwendet?
2.
Die Verbindungstellen eines Thermoelementes haben die Temperatur T = 0 °C und T' =
100 °C. Die Thermospannung werde in µV gemessen. Für ein Kupfer-Blei-Element ergeben sich die Konstanten a = 2,8 µV/K und b = 0,003 µV/K2, für ein Konstantan-BleiElement a' = -38,1 µV/K und b' = 0,0225 µV/K2. Berechnen Sie den Peltier-Koeffizient
für ein Kupfer-Konstantan-Thermoelement. Bei welcher Temperaturdifferenz erlangt
die Thermospannung dieser Kombination ihren maximalen Wert?
3.
Wie ist ein Thermokreuz aufgebaut und welchen Einsatz findet es?
4.
Durch welchen Versuch kann man den Peltier-Effekt nachweisen?
5.
Erläutern Sie die Begriffe: Carnot-Prozess, Wirkungsgrad, Kälte- bzw. Wärmeleistung.
Beschreiben Sie eine Methode zur Bestimmung der Kälteleistung.
6.
Erklären Sie anhand Abb. 1 die Arbeitsweise einer Wärmepumpe. Mit einem Kühlaggregat, dessen maximale Leistungsaufnahme mit 100 W angegeben wird, soll ein Eisschrank bei Zimmertemperatur (20 °C) betrieben werden. Die Kälteleistung des Kühlaggregats beträgt 400 W. Wie groß ist die niedrigste Temperatur, die im Eisschrank erreicht werden kann ?
Abb. 1: Wirkungsweise einer Wärmepumpe.
7.
Wie kann man den Thomson-Effekt experimentell belegen?
8.
Was versteht man unter Leistungsanpassung? Leiten Sie Gleichung (8) her.
9.
Welche Temperaturmessgeräte kennen Sie? Wie ändern sich der Widerstand und die
Leitfähigkeit eines Metalls bzw. eines Halbleiters mit der Temperatur?
PE 4
Peltiereffekt
4.
Grundlagen
4.1
Energieumwandlung
Gemäß dem Energieerhaltungssatz gilt „Energie geht nicht verloren, sie wird lediglich in eine
andere Energieform überführt“. Man unterscheidet zwei Arten der Energietransformation: Bei
der indirekten Energieumwandlung sind mehrere Transformationen erforderlich, damit die
Ausgangsenergieform umgewandelt wird. Ein Beispiel hierfür ist der klassische Kraftwerksprozess: Hochtemperaturwärme → Dampferzeugung → Antrieb einer Turbine → Antrieb
eines Generators zur Stromerzeugung. Die wesentlich vorteilhaftere direkte Energieumwandlung verzichtet auf den Umweg über die mechanische Energieform. Beispielhaft für diese
Gruppe sind thermoelektrische Effekte (Wärmeenergie ↔ elektrische Energie) und photovoltaische Effekte (Lichtenergie ↔ elektrische Energie).
4.1
Thermoelektrische Effekte
Seebeck-Effekt
1821 erbrachte Th. J. Seebeck den Nachweis, dass zwischen zwei verschiedenen, in Kontakt
zueinander gebrachten Metallen sich in der Berührungsschicht eine Kontaktspannung aufbaut,
und zwar wandern die Elektronen vom Metall mit der kleineren Austrittsarbeit zu dem mit der
größeren Austrittsarbeit. Entsprechendes gilt auch für unterschiedlich dotierte Halbleiter,
hierbei entsteht in der Kontaktschicht die sogenannte Diffussionsspannung. Stellt man nun ein
Element mit der Kombination Material A / Material B / Material A (es handele sich um verschiedene Metalle bzw. Halbleiter, (Abb.2)) zusammen und hält beide Kontaktstellen auf
gleicher Temperatur, so fließt kein Strom im geschlossenem Kreis, da die entsprechenden
Kontaktspannungen bzw. Diffussionsspannungen gegeneinander geschaltet sind.
Abb. 2: Prinzipschaltbild eines Thermoelementes.
Erwärmt man nun eine Kontaktstelle um die Temperatur
Δ T, so fließt ein Strom und man
misst die Thermospannung Utherm (Seebeck-Spannung). Im Falle I = 0 kann man die Leerlaufspannung bestimmen. Für hinreichend kleine Intervalle ist Utherm proportional ΔT:
U therm
= η AB ∆T
(1)
ηAB ist der Seebeck-Koeffizient oder die Thermokraft.
Zur Deutung dieses Effektes sei zunächst auf die Entstehung einer Thermospannung hingewiesen: Elektronen sind sowohl Träger elektrischer Energie, als auch kinetischer Energie.
Betrachtet man nun einen n-dotierten Halbleiter, in dem überall die gleiche Temperatur
herrscht, so existiert im Mittel im ganzen Halbleiter die gleiche Trägerdichte, obwohl sich die
Peltiereffekt
PE 5
Ladungsträger aufgrund ihrer thermischen Energie im Halbleiter bewegen, es baut sich also
kein elektrisches Feld auf. Erhöht man nun schlagartig die Temperatur am Ende des Halbleiters um ΔT auf die Temperatur T2 = T1 + ΔT, so wird die Bewegung der Ladungsträger vom
wärmeren zum kälteren Ende im Mittel überwiegen (Abb. 3).
Abb. 3: Bevorzugte Ladungsträgerbewegung beim Vorhandensein
eines Temperaturgradienten.
Die kältere Seite des n-Typ-Halbleiters wird sich also negativ aufladen, es baut sich ein elektrisches Feld auf, gerichtet vom wärmeren zum kälteren Gebiet. Diese Feldstärke hemmt die
mittlere Ladungsträgerbewegung und steigt solange an, bis der Ladungsträgerstrom Null ist.
Die Feldstärke Ex ist dann proportional der Temperaturdifferenz ΔT pro Längeneinheit L; differentiell ausgedrückt bedeutet dies:
Ex = η
dT
dx
(2)
η heißt die differentielle Thermospannung (oder Thermokraft). Für einen n-dotierten Halbleiter ist η < 0, für einen p-dotierten Halbleiter gilt η > 0, das elektrische Feld ist dann umgekehrt
gerichtet. Für unterschiedliche Materialien A und B gelten ähnliche Überlegungen. In diesem
Fall benutzt man die Differenz der differentiellen Thermospannungen:
η AB= η A + η B
(3)
In Abb. 4 ist der Aufbau eines Thermoelementes dargestellt. Die absoluten Temperaturen der
Kontaktstellen seien T1 und T2. Für kleine Temperaturintervalle kann man die Thermospannung in einer Reihe entwickeln
U therm = a (T1 − T2 ) + b(T1 − T2 ) 2 + c(T1 − T2 )3 + ...
(4)
wobei a, b und c charakteristische Materialkonstanten für die betreffende Materialkombination sind. Für nicht zu große Temperaturdifferenzen sind die Werte für c vernachlässigbar klein
und man kann die Reihenentwicklung nach dem zweiten Term abbrechen und erhält
U therm = a∆T + b ( ∆T )
2
(5)
Für die Thermokraft η folgt dann wegen dUtherm/dT = η
η =a + 2b∆T
(6)
PE 6
Peltiereffekt
Abb. 4: Aufbau eines Thermoelementes bzw. eines Thermogenerators.
Im Thermoelement wird also elektrische Energie aus Wärme erzeugt; zur besseren Nutzung
dieses Effektes verwendet man einen Thermogenerator, Abb. 4 zeigt im Prinzip den Aufbau
eines solchen, nur Muss man zwischen die Anschlüsse a und b einen Lastwiderstand RL als
Verbraucher schalten. Es entsteht unter Verwendung eines p- und eines n-TypHalbleiterschenkels bei thermischer Parallelschaltung eine elektrische Serienschaltung. Für
die von einem Thermogenerator an eine Last abgegebene Leistung gilt
2
 U

P =  therm  RL
 Ri + RL 
(7)
wobei Ri der Innenwiderstand der beiden Halbleiterschenkel ist. Bei optimaler Anpassung des
Lastwiderstandes an den Generator erhält man die maximale Leistung
P=
2
U therm
4 Ri
(8)
Peltier-Effekt
Hierbei handelt es sich im Prinzip um die Umkehr des Seebeck-Effektes. Der Effekt ist gekennzeichnet durch das Auftreten eines Wärmeflusses als Folge eines elektrischen Stromes (J.
Peltier, 1834).
Betrachtet man wiederum den Fall, dass die Enden eines Metallstabes B mit zwei Stäben aus
einem anderen Metall A verbunden sind (Abb. 2), wobei diese Kombination nun von einer
Stromquelle versorgt werde. An der einen Verbindungsstelle stelle stellt man eine Temperaturerniedrigung, an der anderen eine Temperaturerhöhung fest. Diese Erwärmung ist bei weitem höher als die Joulesche Wärme. Zur Erklärung dieser Erscheinung Muss man die Wechselwirkung der Ladungsträger mit dem Kristallgitter (Stöße) berücksichtigen, d.h. von den
Ladungsträgern wird Energie entweder an das Gitter abgegeben oder von ihm aufgenommen.
Gemäß Abb. 5 stellt man folgende Überlegungen bezüglich einer Metall-HalbleiterKombination an: Fließt ein Strom vom n-Typ-Halbleiter zum Metall, so wird dem MetallHalbleiter-Übergang Wärme entzogen, d.h. diese Übergangsstelle wird gekühlt.
Peltiereffekt
PE 7
Die an der Kontaktstelle pro Zeiteinheit Δt aufgenommene Wärmemenge ΔQ ist dem Strom I
proportional
∆Q
=
Π AB I =
PP
∆t
(9)
wobei ΠAB der Peltier-Koeffizient, PP die Leistung des Peltier-Elementes sind. Der PeltierKoeffizient steht mit dem Seebeck-Koeffizienten in Beziehung,
Π AB =
Tη AB
(10)
wobei T die absolute Temperatur einer (einzigen) Kontaktstelle ist.
Abb. 5: Prinzip eines Metall-Halbleiter-Übergangs.
Bei Umkehr des Stromes ändert sich auch die Richtung des Wärmeflusses, da es sich um einen reversiblen Prozess handelt. Eine Erklärung liefert die Tatsache, dass sich die Entropie
des Elektronengases bei einem Übertritt zwischen den beiden Stoffen A und B ändert. Gehen
z.B. Elektronen vom Metall zum Halbleiter über, so entspricht dies einer Änderung des Ordnungszustandes im Sinne einer Expansion eines Gases. In diesem Fall hat der PeltierKoeffizient umgekehrtes Vorzeichen.
Beziehung (9) gilt, sofern sich das gesamte System auf der gleichen Temperatur befindet.
Infolge des Wärmeentzugs entsteht an der Verbindungsstelle eine niedrigere Temperatur, so
kommt der Wärmefluss KΔT als Folge der Wärmeleitfähigkeit des Materials hinzu. Außerdem entsteht in den Halbleiterschenkeln Joulesche Wärme I2R, von der ungefähr die Hälfte
dem gekühlten Ende zugeführt wird. Für die entzogene Wärmemenge gilt also
∆Q
I 2R
=
Π AB −
− K ∆T
∆t
2
(11)
Schließt man an die Anschlüsse a und b in Abb. 4 statt eines Lastwiderstandes RL eine Stromquelle an, so erhält man den (schematischen) Aufbau einer Wärmepumpe. Ein gut geeignetes
Halbleitermaterial für Thermogeneratoren bzw. Wärmepumpen ist Bi2Te3, welches bei tiefen
Temperaturen starke thermoelektrische Effekte zeigt. Mit Peltier-Kühlern lassen sich Temperaturdifferenzen von 60 K erzielen, die Kälteleistungen liegen zwischen 1 W bis 100 W. Die
Betriebsspannung beträgt einige Volt, der Betriebsstrom 1 A bis 100 A. In der Praxis werden
oft mehrere Peltier-Elemente thermisch parallel und elektrisch in Serie geschaltet.
Thomson-Effekt
W. Thomson stellte 1854 fest, dass in den homogenen Leitern eines Peltier- Elementes von
der wärmeren zur kälteren Verbindungsstelle ein Temperaturgradient herrscht, d.h. es tritt
nicht nur an den Verbindungsstellen eine elektromotorische Kraft (Thermokraft) auf, sondern
es ist an allen Stellen des thermisch inhomogenen Leiters eine kontinuierlich verteilte
PE 8
Peltiereffekt
elektromotorische Kraft vorhanden; dies bewirkt bei Stromdurchgang einen an allen Stellen
auftretenden Peltier-Effekt, der zu dem in den Verbindungsstellen vorhandenen hinzutritt.
Fließt also ein elektrischer Strom im homogenen Leiter entlang eines Temperaturgradienten
dT/dx, so wird je nach Material entweder Wärme aufgenommen oder abgegeben. Es gilt dann
PT = τ I
dT
dx
(12)
wobei τ der Thomson-Koeffizient, PT die Thomson-Wärme sind.
Die gesamte Leistungsbilanz eines Peltier-Elementes für den Fall PT > 0 ergibt sich aus Abb.
6.
Die zugeführte elektrische Leistung setzt sich aus Peltier-Wärme, Joulescher Wärme und
Thomson-Wärme zusammen:
Pel = U P I P = η I ∆T + I 2 R + τ I
∆T
d
(13)
Es folgt also für die Wärmepumpleistung auf der Warmseite
+ PW= η ITW ± τ I
∆T 1 2
∆T
+ I R +λA
2d 2
d
(14)
=
− PW η ITK  τ I
∆T 1 2
∆T
− I R −λA
2d 2
d
(15)
bzw. der Kaltseite
mit KΔT = λΔTA/d, wobei λ die Wärmeleitfähigkeit, A die Fläche und d die Dicke des PeltierElementes sind.
Abb. 6: Leistungsbilanz eines Peltierelements.
Peltiereffekt
5.
PE 9
Versuchsdurchführung
Versuchsaufbau
Das zu charakterisierende Peltier-Modul (Typ QC-127-1.4-8.5MD, s. Anhang) hat die Fläche
A = (40 × 40) mm2, die Dicke beträgt d = 3,4 mm. Es besteht aus 127 elektrisch in Serie geschalteten Einzelelementen. Zu Messzwecken ist das Peltier-Modul, elektrisch isoliert, zwischen zwei Kupferplatten, die gekühlt bzw. mit Hilfe eines Durchflusswärmetauschers und
einem Thermostaten geheizt werden können, angebracht (Abb. 7). Die Temperaturmessung
erfolgt mit zwei Pt 100-Widerstandsthermometern innerhalb der Bohrungen in den Kupferplatten. Im Anhang finden Sie die Widerstandstabelle für den Pt 100-Widerstand.
Abb. 7: Versuchsaufbau.
Aufgabe 1: Peltiereffekt
Erzeugen Sie mit Hilfe des Durchflusswärmetauschers auf einer Seite des Peltierelements eine
annähernd konstante Temperatur (drehen Sie dazu das Kühlwasser auf, schalten Sie die Thermostatheizung aus und warten Sie, bis sich die Temperatur nicht mehr ändert). Wenn man den
Wasserbehälter auf der anderen Seite des Peltierelements in diesem Versuchsteil nicht mit
Wasser füllt, lässt sich während der Abkühlung sehr schön eine Eisbildung beobachten. Betreiben Sie dazu das Peltierelement mit einem konstantem Strom IP von etwa 8 A und messen
Sie die Temperaturen auf beiden Seiten des Peltierelements.
Tragen Sie die Temperaturdifferenz als Funktion der Zeit auf. Wie bestimmt man aus der
Funktion ΔT(t) die Kälteleistung des Peltierelements?
Aufgabe 2: Bestimmung des Seebeck-Koeffizienten
Füllen Sie in den Behälter, der an der Kupferplatte befestigt ist, Eiswasser ein. Die Temperatur auf dieser Seite sollte während der gesamten Messung annähernd auf 0 °C gehalten wer-
PE 10
Peltiereffekt
den. Regeln Sie die Temperatur auf der Seite, die mit dem Durchflusswärmetauscher versehen
ist, mit dem Thermostaten auf verschiedene Temperaturen.
Bestimmen Sie nun die Leerlaufspannung Utherm in Abhängigkeit von der Temperaturdifferenz (messen Sie für mindestens 10 verschiedene Temperaturdifferenzen) und tragen Sie die
Ergebnisse in ein Koordinatensystem ein (auf Millimeterpapier oder mit Origin). Ermitteln
Sie daraus den Seebeck-Koeffizienten. Benutzen Sie die Vereinfachung der Gleichung (5).
Aufgabe 3: Leistungsanpassung
Messen Sie bei einer konstanten Temperaturdifferenz von etwa 40 K die Spannung für verschiedene Lastwiderstände RL. Tragen Sie P in Abhängigkeit von RL auf und ermitteln Sie
daraus den Innenwiderstand Ri.
Peltiereffekt
6.
PE 11
Anhang
Widerstandstabelle (in Ohm) für Pt-100 Sensoren gem. DIN EN 60751
T (°C)
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
-100
60,26
60,66
61,07
61,47
61,88
62,28
62,68
63,09
63,49
63,90
-90
64,30
64,70
65,11
65,51
65,91
66,31
66,72
67,12
67,52
67,92
-80
68,33
68,73
69,13
69,53
69,93
70,33
70,73
71,13
71,53
71,93
-70
72,33
72,73
73,13
73,53
73,93
74,33
74,73
75,13
75,53
75,93
-60
76,33
76,73
77,12
77,52
77,92
78,32
78,72
79,11
79,51
79,91
-50
80,31
80,70
81,10
81,50
81,89
82,29
82,69
83,08
83,48
83,87
-40
84,27
84,67
85,06
85,46
85,85
86,25
86,64
87,04
87,43
87,83
-30
88,22
88,62
89,01
89,40
89,80
90,19
90,59
90,98
91,37
91,77
-20
92,16
92,55
92,95
93,34
93,73
94,12
94,52
94,91
95,30
95,69
-10
96,09
96,48
96,87
97,26
97,65
98,04
98,44
98,83
99,22
99,61
0
100,00
100,39
100,78
101,17
101,56
101,95
102,34
102,73
103,12
103,51
10
103,90
104,29
104,68
105,07
105,46
105,85
106,24
106,63
107,02
107,40
20
107,79
108,18
108,57
108,96
109,35
109,73
110,12
110,51
110,90
111,29
30
111,67
112,06
112,45
112,83
113,22
113,61
114,00
114,38
114,77
115,15
40
115,54
115,93
116,31
116,70
117,08
117,47
117,86
118,24
118,63
119,01
50
119,40
119,78
120,17
120,55
120,94
121,32
121,71
122,09
122,47
122,86
60
123,24
123,63
124,01
124,39
124,78
125,16
125,54
125,93
126,31
126,69
70
127,08
127,46
127,84
128,22
128,61
128,99
129,37
129,75
130,13
130,52
80
130,90
131,28
131,66
132,04
132,42
132,80
133,18
133,57
133,95
134,33
90
134,71
135,09
135,47
135,85
136,23
136,61
136,99
137,37
137,75
138,13
100
138,51
138,88
139,26
139,64
140,02
140,40
140,78
141,16
141,54
141,91
110
142,29
142,67
143,05
143,43
143,80
144,18
144,56
144,94
145,31
145,69
120
146,07
146,44
146,82
147,20
147,57
147,95
148,33
148,70
149,08
149,46
130
149,83
150,21
150,58
150,96
151,33
151,71
152,08
152,46
152,83
153,21
140
153,58
153,96
154,33
154,71
155,08
155,46
155,83
156,20
156,58
156,95
150
157,33
157,70
158,07
158,45
158,82
159,19
159,56
159,94
160,31
160,68
PE 12
Peltiereffekt
Peltier - Elemente
Typenliste
Type
QC-17-1.4-8.5M
QC-31-1.4-8.5M
QC-127-1.4-3.9M
QC-71-1.4-8.5M
QC-127-1.4-8.5M
QC-127-2.0-15.0M
Abmessungen
A
15
20
30
30
40
50
B
15
20
30
30
40
50
Andere Größen und Ausführungen auf Anfrage!
Eigenschaften:
Peltier-Elemente für erhöhte Anforderungen
Thermische Zyklusfestigkeit für lange Lebensdauer
Antidiffusionssperren für lange Lebensdauer
Betriebstemperatur bis 150 °C
Ebenheit und Parallelität kleiner als +/- 0,02mm
Bleifrei und konform gemäß RoHS
Qualität nach ISO 9001
C
54
H
3,4
3,4
3,6
3,4
3,4
3,6
I max, A
Umax, V
Q max, W
DT max, K
8,5
8,5
3,9
8,5
8,5
15,0
2,1
3,8
15,5
8,6
15,5
15,5
9,5
17,3
34,5
40,0
72,0
110,0
71
71
71
71
71
71
Peltiereffekt
PE 13
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil II
Wärmeleitung
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
2H
WL 2
Wärmeleitung
1. Stoffgebiet
•
Wärmeleitung
•
Elektrische Leitung
•
Diffusion
•
Temperaturmessung
2. Literatur
•
P.A. Tipler, G. Mosca, Physik
2. Auflage (Elsevier, München 2004)
Kap. 20.4
•
Bergmann-Schaefer, Lehrbuch der Experimentalphysik
Band 1 Mechanik Akustik Wärme, 10.Aufl. (Walter de Gruyter, Berlin 199)
S. 657
•
D. Gerschke, Physikalisches Praktikum
12. Auflage (Teubner, Stuttgart 2001)
S. 139
Wärmeleitung
WL 3
3. Fragen
1.
Welche Arten von Wärmeübertragung gibt es? Welche treten im Vakuum, welche in
Gasen und welche in Festkörpern auf? Erklären Sie die Wärmeisolation einer Thermosflasche.
2.
Warum sind Metalle bei Zimmertemperatur bessere Wärmeleiter als Isolatoren? Wie
lautet das Wiedemann-Franz-Gesetz?
3.
Erklären Sie die Begriffe: Wirkung, Leistung, Energiestrom, Energiestromdichte und
Energiedichte.
4.
Erläutern Sie die Analogien der Gesetze, die die Wärmeleitfähigkeit und die die
elektrische Leitfähigkeit beschreiben.
5.
Die
 Transportphänomene werden
 mittels der abstrahierten schematischen Gleichung
j = −σ gradV beschrieben ( j : verallgemeinerte Stromdichte, σ: Transportkoeffizient, V: verallgemeinertes Potential). Wie heißen die auftretenden Größen im konkreten Fall der elektrischen Leitung, der Wärmeleitung und der Diffusion?
6.
Längs eines 50 cm langen Stabes (λ = 150 Wm-1K-1) besteht folgendes Temperaturgefälle: T(x) = a/(x + b) + c mit a = 300 Km, b = 1 m und c = 73,16 K. Zeichnen Sie
quantitativ das Temperaturgefälle T = T(x) längs des Stabes und berechnen Sie die
Wärmestromdichte in der Mitte des Stabes.
7.
Was versteht man unter Anisotropie? Zählen Sie einige anisotrope Eigenschaften von
Festkörpern auf.
WL 4
Wärmeleitung
4. Grundlagen
Der Transport von Wärme kann durch Wärmeleitung, durch elektromagnetische Strahlung
und durch Transport von „warmer“ Materie erfolgen. Den Wärmetransport, der mit Materietransport verknüpft ist, nennt man in Gasen und Flüssigkeiten Konvektion. Die Wärmeübertragung durch Strahlung ist nicht an Materie gebunden; sie beruht darauf, dass jeder Körper
ein für seine jeweilige Temperatur charakteristisches Strahlungsspektrum (vom Infraroten bis
zum Ultravioletten) emittiert, das von Körpern in der Umgebung absorbiert wird. Die Wärmeleitung schließlich ist an Materie gebunden und geschieht dadurch, dass Energieträger (z. B.
Atome, Elektronen) Energie aufnehmen und wieder abgeben, dabei aber (im Gegensatz zur
Konvektion) nicht selbst mittransportiert werden. In Gasen sind die Energieträger die Gasmoleküle oder -atome. In Festkörpern wird die Wärme durch Gitterschwingungen (Phononen)
übertragen; in Metallen tritt ein zusätzlicher oft dominierender Energietransport durch die
freien Elektronen auf. Da die freien Elektronen auch für die elektrische Leitung verantwortlich
sind, besteht für Metalle ein proportionaler Zusammenhang zwischen Wärmeleitfähigkeit und
elektrischer Leitfähigkeit (Wiedemann-Franzsches Gesetz).
In einem abgeschlossenen System verläuft der Wärmetransport stets so, dass eine Gleichverteilung der Temperatur angestrebt wird. Tritt also in einem Körper ein Temperaturgefälle
(Temperaturgradient) auf, so fließt ein Wärmestrom von dem Ort höherer Temperatur zu dem
Ort geringerer Temperatur. Die Wärmestromdichte ist der Wärmestrom, der durch ein
 Flächenelement dA hindurchtritt. In einem isotropen Körper ist die Wärmestromdichte j dem
negativen Temperaturgradienten -gradT proportional:

j = −λ gradT
(1)
gradT ist ein Vektor, der sich in z.B. kartesischen Koordinaten darstellen lässt als:
 ∂T ∂T ∂T 
gradT = 
,
,

 ∂x ∂y ∂z 
(2)
Die Proportionalitätskonstante λ heißt Wärmeleitfähigkeit. Das negative Vorzeichen in Gl. (1)
berücksichtigt die Richtung des Wärmestromes von höheren zu tieferen Temperaturen. Die
Dimension von λ ist Wm-1K-1. In vielen Kristallen ist die Wärmeleitfähigkeit anisotrop, also
von der Kristallrichtung abhängig. In einem isolierten Stab der Länge L mit dem Querschnitt
A, zwischen dessen Enden die Temperaturdifferenz ∆T anliegt, ist der Temperaturgradient im
stationären Zustand konstant,
∂T ∆T
=
∂x
L
(3)
und damit ist auch die Wärmestromdichte konstant:
j = −λ
∆T
L
(4)
Für den gesamten Wärmestrom
IW = jA =
dQ
∆T
= −λ A
dt
L
(5)
Wärmeleitung
WL 5
gilt daher eine dem Ohmschen Gesetz analoge Gleichung:
ΔT = RW IW
(6)
wobei RW der Wärmewiderstand des Stabes
RW =
1 L
λ A
(7)
ist.
Aus einer Messung von ∆T und IW lässt sich bei bekannter Geometrie des Stabes die Wärmeleitfähigkeit λ absolut bestimmen. Analog zur elektrischen Leitfähigkeit lässt sich auch eine
thermische Leitfähigkeit für ein Material der Dichte ρ und der spezifischen Wärmekapazität c
definieren
σW =
λ
ρc
(8)
Es lässt sich zeigen, dass für die Ausbreitung der Temperatur eine Differentialgleichung gilt,
die dem 2. Fickschen Gesetz für die Diffusion von Atomen in einem Kristall entspricht:
dT
∂ 2T
= σW 2
dt
∂x
(9)
In Metallen wird sowohl die thermische als auch die elektrische Leitfähigkeit durch die Leitungselektronen bestimmt. Im Rahmen des Modells eines „freien Elektronengases“ in Metallen ergibt sich ein universeller Zusammenhang zwischen Wärmeleitfähigkeit λ und elektrischer Leitfähigkeit σ herstellen:
λ
π 2  kB 
−8 WΩ
= L=
  = 2, 45 ×10
3  e 
K2
σT
2
(10)
Für viele Metalle ist diese Beziehung trotz der vereinfachenden Annahmen des Modells des
„freien Elektronengases“ gut erfüllt. Die Größe L wird als Lorenz-Zahl bezeichnet.
WL 6
Wärmeleitung
5. Versuchdurchführung
Die Apparatur dient zur Messung der Wärmeleitfähigkeit von Kupfer und von Aluminium.
Sie besteht aus zwei Kalorimetertöpfen, die als Wärmespeicher mit Eiswasser (unten) und
siedendem Wasser (oben) gefüllt sind (siehe Abb. 1). Der obere Kalorimetertopf besitzt im
Boden einen Wärmeleitanschluss, d.h. eine zylindrische Aussparung zur Aufnahme des zu
untersuchenden Wärmeleitstabes.
Die Wärmeleitstäbe bestehen aus massivem Kupfer bzw. Aluminium und sind mit Kunststoff
ummantelt, um die seitlichen Wärmeverluste zu vermindern. Zum Einschieben des Stabes in
den Wärmleitanschluss des oberen Kalorimeters ist ein Stabende etwa 2 cm isolierungsfrei.
Zur Messung des Temperaturverlaufs sind längs der Stäbe 10 äquidistante Messpunkte angebracht.
Die Wärmeleitstäbe eignen sich auch zur Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit und damit zur Bestätigung des Wiedemann-Franzschen Gesetzes (Proportionalität zwischen Wärmeleitfähigkeit und elektrischer Leitfähigkeit bei Metallen). Zum Anschließen von elektrischen
Verbindungsleitungen (Stromeinspeisung) befindet sich in jeder der Endflächen eine 4-mmBohrung. Zwei seitliche 4-mm-Bohrungen dienen zum Abgreifen des Spannungsabfalls längs
des Stabes.
5.1 Bestimmung der Wärmekapazität des Kalorimeters
Zur Bestimmung der Wärmekapazität des unteren Kalorimeters führen Sie folgende Messungen durch:
• Bestimmen sie das Gewicht des Kalorimeters.
• Bringen Sie Wasser in einem Kocher zu Sieden und messen Sie die Temperatur des
Wassers und die Raumtemperatur .
• Füllen Sie das Kalorimeter mit dem heißen Wasser und bestimmen Sie die Temperatur.
• Wiegen Sie das Kalorimeter mit dem Wasser zur Bestimmung der Masse des Wassers.
• Füllen Sie nun das Kalorimeter mit Eiswasser (0 °C) ohne Eisstückchen und bestimmen
Sie die Temperaturerhöhung des Wassers für etwa 30 min in Zeitintervallen von 1 min.
Damit erhalten Sie den Einfluss der Umgebung auf die Erwärmung des unteren Kalorimeters bei der Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit.
• Vergessen Sie nicht, die Raumtemperatur zu bestimmen.
5.2 Messung der Wärmeleitfähigkeit
Bauen Sie den Versuch entsprechend Abb. 1 zunächst für den Kupferstab auf:
• Vor dem Aufbau: Messen Sie den Abstand L zwischen den beiden äußeren TemperaturMessstellen des Stabes und bestimmen Sie die Querschnittsfläche A des Stabes.
• Sorgen Sie für guten Wärmekontakt zwischen dem oberen Topf und der Stirnfläche des
Wärmeleitstabes durch Verwendung von Wärmeleitpaste (nur dünn auftragen).
• Tauchen Sie das untere Ende des Stabes in das mit Wasser gefüllte Kalorimeter.
• Bringen Sie das Wasser im unteren Kalorimeter mit Eisstückchen auf 0 °C. Rühren Sie
das Wasser mit Hilfe des Magnetrührers.
Wärmeleitung
WL 7
• Bringen Sie Wasser im oberen Kalorimeter mit dem Tauchsieder zum Sieden und halten Sie es am Sieden. Achten sie darauf, dass der Tauchsieder immer mit Wasser bedeckt ist, sonst brennt er durch.
Abb. 1: Messaufbau zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit.
Zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit muss der Wärmestrom durch den Stab im stationären
Zustand sein, d.h. entlang des Stabes muss sich ein konstanter Temperaturgradient einstellen:
• Warten Sie nach dem Einsetzen des Siedens ca. 5 Minuten und messen Sie dann die
Temperaturen T1...T10 an den 10 äquidistanten Messstellen des Stabes. Bei denTemperaturmessungen ist ein guter Wärmekontakt zwischen Messsensor und Metallstab mit
Hilfe von Wärmeleitpaste sicherzustellen.
• Tragen Sie die Messwerte als Funktion der Messstellennummer auf. Die Messpunkte
sollten annähernd auf einer Geraden liegen. Ist dies nicht der Fall, so war der stationäre
Zustand noch nicht erreicht und die Messung muss wiederholt werden.
Nun kann der Wärmestrom zwischen den beiden Wärmereservoiren bestimmt werden:
• Messen Sie die Siedetemperatur im oberen Kalorimeter.
• Nehmen Sie die Eisstückchen aus dem unteren Kalorimeter. Messen Sie nun unter
ständigem Rühren den TemperaturanstiegΔ T des Kalorimeters für etwa 5 Minuten in
Intervallen von 30 Sekunden.
• Parallel dazu messen Sie die Temperaturdifferenz des Stabes zwischen den beiden äußeren Messpunkten im Abstand L.
• Beenden Sie das Experiment durch Abschalten des Tauchsieders.
• Bestimmen Sie die Masse des Wassers im unteren Topf.
Führen Sie diese Messung nun noch für den Aluminium-Stab durch.
WL 8
Wärmeleitung
5.3 Messung des elektrischen Widerstandes
Der elektrische Widerstand der dicken Metallstäbe ist sehr klein. Zu seiner Bestimmung muss
ein hoher Strom durch die Stäbe geschickt werden, damit der Spannungsabfall über die Stäbe
noch messbar ist. Der elektrische Widerstand der Stäbe liegt in der gleichen Größenordnung
wie die Widerstände der für die Messung benutzen Zuleitungen. Deshalb müssen die Zuleitungen für die Stromzufuhr und die Messleitungen für den Spannungsabfall über die Stäbe
voneinander getrennt sein (4-Leiter-Methode). Schließen Sie die Stromversorgung an die Enden des Stabes und das Multimeter zur Bestimmung des Spannungsabfall zwischen den zwei
4-mm-Bohrungen an, die sich im Abstand l an den Stäben befinden (siehe Abb. 2).
Abb. 2: Prinzip der Bestimmung des elektrischen Widerstands mit 4-Leiter-Methode.
Stellen Sie einen Strom von etwa 15 A ein und messen Sie den Spannungsabfall. Nun reduzieren Sie den Strom in Schritten von etwa 1 A und messen jeweils den Spannungsabfall.
6. Auswertung
6.1 Wärmekapazität des Kalorimeters und Umgebungseinfluss
Die Wärmekapazität des Kalorimeters erhalten Sie aus dem Mischexperiment (siehe 5.1)
CKalorimeter = cW mw
TW − TM
TM − TR
(11)
mit
cW :
mw:
T W:
T M:
T R:
Spez. Wärmekapazität von Wasser (4,18 kJ kg-1 K-1)
Masse Wasser
Temperatur des heißen Wassers
Mischtemperatur
Raumtemperatur
Die Wärme, die durch die Umgebung dem Kalorimeter zugeführt wird, kann aus dem Temperaturanstieg ohne Metallstab als Funktion der Zeit T(t) beginnend mit der Temperatur T0 bestimmt werden:
QU =
(cW mW + CKalorimeter )(T (t ) − T0 )
Tragen Sie in einem Diagramm QU als Funktion der Zeit auf.
(12)
Wärmeleitung
WL 9
6.2 Wärmeleitung für Kupfer und Aluminium
Tragen Sie für Kupfer und Aluminium die gemessenen Temperaturdifferenzen ∆T zwischen
den beiden äußeren Messpunkten der Stäbe als Funktion der Zeit auf. Dies sollte einen näherungsweise zeitlich konstanten Verlauf von ∆T ergeben, d.h. bei der Messung war der stationäre Zustand erreicht.
Berechnen Sie nun die durch den Kupfer- bzw. Aluminiumstab transportierte Wärmenergie
als Funktion der Zeit
Qgesamt =
(cW mW + CKalorimeter )(T (t ) − T0 )
(13)
und stellen Sie sie in einem Diagramm dar.
Die durch die Metallstäbe in das Kalorimeter transportierte Wärmeenergie muss auf die durch
die Umgebung in das Kalorimeter eingebrachte Wärme korrigiert werden:
dQStab dQgesamt dQU
=
−
dt
dt
dt
(14)
Der Beitrag dQU/dt können Sie aus der Steigung des in 6.1 erstellten Diagramms entnehmen,
den Beitrag dQgesamt/dt entnehmen Sie aus den Steigungen der Graphen für Kupfer bzw. Aluminium.
Mit dem so bestimmten Wärmestrom dQStab/dt und der gemittelten Temperaturdifferenz zwischen den beiden äußeren Messpunkten der Stäbe kann nun die Wärmeleitfähigkeit mit Gl. (5)
berechnet werden:
dQStab
λ = dt
ΔT
A
L
(15)
6.3 Berechnung der Lorenz-Zahl
Tragen Sie in einem Diagramm die gemessenen Spannungsabfälle als Funktion des Stromes
auf und bestimmen Sie aus der Steigung den elektrischen Widerstand (U = RI). Die elektrische Leitfähigkeit ist durch den Widerstand R und die Geometrie des Leiters bestimmt:
σ=
l 1
AR
(16)
Berechnen Sie nach Gl. (10) die Lorenz-Zahl für Raumtemperatur.
Versuchen Sie, aus Lehrbüchern oder dem Internet, die Literaturwerte für λ, σ und die Lorenz-Zahl L für Kupfer und Aluminium zu finden und vergleichen Sie diese mit Ihren Ergebnissen.
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil II
Gasgesetze
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
PD Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
PD Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
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Telefon: 0681/302-3944
2H
Version 5 (11/2009 MD)
GG 2
I
Gasgesetze
Gasgesetze
1 Stoffgebiet
• Hauptsätze der Wärmelehre
• Ideales Gas, Osmose
• Boyle-Mariotte´sches Gesetz
• Gay-Lussac´sches Gesetz
• Zustandsgleichung des idealen Gases
• Absolute Temperatur
• Adiabatische Zustandsänderungen, Schallausbreitung
• Avogadro´sche Regel
• Zustandsgleichung des realen Gases
• Partialdrücke, Gesamtdruck
• Druckmessung, Temperaturmessung, Volumenmessung
• Plasmen
• Kinetische Gastheorie
2 Literatur
•
D. Meschede
Gerthsen Physik
23., überarb. Aufl. 2006, Springer-Verlag
Kap. 5.2
Gasgesetze
GG 3
3 Fragen
1. Leiten Sie die ideale Gasgleichung her.
2. Wie lautet die Zustandsgleichung für reale Gase? Wie erklären sich die Zusatzterme? Unter welchen Bedingungen kann man auf ein reales Gas die ideale Zustandsgleichung anwenden und warum? Zeichnen Sie die Isothermen für ein ideales und reales Gas (CO2).
Kann man ein ideales Gas verflüssigen?
3. Was versteht man unter einer adiabatischen Zustandsänderung? Leiten Sie die adiabatischen Zustandsgleichungen für ein ideales Gas her. Sie verwenden dabei die ideale Gasgleichung pV = nRT; wieso dürfen Sie das?
4. Was ist ein Partialdruck? Geben Sie eine Definition an. In einem abgeschlossenen Raum
herrscht Normaldruck (1013 hPa = 1013 mbar), und es existiert ein Partialdruck einer
„Komponente“ von der Größe 1013 N/m2. Machen Sie eine „Druckbilanz“ bzgl. der obigen Komponente und die Summe der übrigen Gase.
5. Die Schallgeschwindigkeit in Gasen ist abhängig von deren charakteristischen Größen.
Leiten Sie die Beziehung her, welche diese Größen verknüpft.
6. Welche Möglichkeiten kennen Sie, um Drücke zu messen? Geben Sie Messmethoden an,
mit deren Hilfe Drücke im Bereich von 10-10 mbar bis 500 bar bestimmt werden können.
Wie kann man mit einem Gas Temperaturen messen? Beschreiben Sie eine Versuchsanordnung. Welche Möglichkeiten der Volumenbestimmung kenne Sie?
7. Für welchen physikalischen Sachverhalt gilt eine der idealen Gasgleichung analoge phänomenologische Beziehung? Geben Sie für die Analogie wenigstens eine Plausibilitätsbetrachtung.
8. Was versteht man unter:
a) dem Molekulargewicht
b) dem Molvolumen bei Normalbedingungen
9. Berechnen Sie die universelle Gaskonstante R aus der idealen Gasgleichung. (Normaldruck ≈ 105 N/m2).
10. Welche Naturkonstanten lassen sich unter Anwendung der Gasgleichungen angeben und
wieso?
GG 4
Gasgesetze
4 Grundlagen
4.1 Gesetz von Boyle-Mariotte
Bei konstanter Temperatur T (isotherm) gilt für ein ideales Gas:
pV = const.
(1)
p = Druck, V = Volumen
4.2 Gesetz von Gay-Lussac
Bei isochoren Zustandsänderungen (V = const.) eines idealen Gases gilt:
=
p p0 (1 + α T )
(2)
wobei p0 = Druck bei 0°C und α = kubischer Ausdehnungskoeffizient.
Mit Gl. (1) ergibt sich für isobare Zustandsänderungen (p = const.) auch die Form:
V V0 (1 + α T )
=
(3)
wobei V0 = Volumen bei 0°C.
4.3 Gesetz von Avogadro
Nach Avogadro nimmt ein Mol eines Gases bei Normalbedingungen, d.h. bei einem Druck
von 1013 hPa und einer Temperatur von 273,2 K=0 °C ein Volumen von 22414 cm3 ein.
4.4 Herleitung der idealen Gasgleichung
Ein Gas habe im Anfangszustand den Druck p0, das Volumen V0 und die Temperatur
T0 = 0°C.
Nach einer isothermen Zustandsänderung gilt nach Gl. (1):
p1V1= p0V0 bei T0 = 0 °C
(4)
Der Zustand (p, V1, T0) wird isobar überführt in (p, V, T)
Gemäß Gl. (3) gilt:
V=
V1 (1 + α T )
V1 =
V1 =
Volumen bei 0°C
(5)
V
1 + αT
(6)
Einsetzen von Gl. (6) in Gl. (4) ergibt:
1

pV p0V0α  + T 
=
α

Durch Einführen der absoluten Temperatur T in [K]
1
T [K
=
]  + T [°C] 
α

(7)
(8)
Gasgesetze
GG 5
folgt schließlich für Gl. (7):
=
pV p=
c′T
0V0α T
(9)
Der Faktor c´ hängt von der Natur und Masse des Gases ab. Bei Verdopplung der Masse m,
verdoppelt sich auch bei gleichem Druck und gleicher Temperatur das Volumen V0, d.h.
c′ = mC
(10)
pV = mCT
(11)
Somit ergibt sich für Gl. (9):
Bezieht man Gl. (11) auf ein Mol eines Gases, so ergibt sich:
pVmol = MCT
(12)
wobei Vmol = Molvolumen, M = Molmasse.
Für verschiedene Gasarten (I und II) gilt nach Avogadro:
V=
molI
M 1C1T
M 2C2T
= V=
molII
p
p
(13)
d.h. das Produkt MC ist für alle Gase eine Konstante, nämlich die universelle (absolute) Gaskonstante R.
Somit lautet die Zustandsgleichung für ideale Gase:
=
pVmol RT
=
bzw. pV nRT
(14)
wobei n die Anzahl der Mole ist.
4.5 Zustandsgleichung für reale Gase
Bei realen Gasen müssen das Eigenvolumen der Moleküle und die Wechselwirkungskräfte
(van der Waals-Kräfte) zwischen den Molekülen berücksichtigt werden. Daher müssen Druck
und Volumen durch Korrekturterme ergänzt werden. Dies geschieht in der van der
Waals´schen Zustandsgleichung für reale Gase für ein Mol

a 
RT
 p + 2  (Vmol − b ) =
Vmol 

und für n Mole:

n2a 
p
+
V − nb ) =
nRT

2  ( mol
V
mol 

(15)
GG 6
Gasgesetze
5 Versuchsdurchführung
5.1 Versuchsaufbau
Um mit einem Versuchsaufbau sowohl die Gültigkeit des Gesetzes von Boyle-Mariotte, als
auch des Gesetzes von Gay-Lussac zu überprüfen, ist es notwendig, das Volumen V und die
Temperatur T einer bestimmten Gasmenge zu variieren und den zu V und T zugehörigen
Gasdruck zu messen. Der Versuchsaufbau, mit dem dies möglich ist, ist schematisch in Abbildung 1 zu sehen.
Temperaturfühler
Wasserzufluß
äußerer Zylinder
Wasserabfluß
Drucksensor
innerer Zylinder
Spindel
Absperrhahn
beweglicher Kolben
Abb. 1: Schematische Ansicht des Versuchsaufbaus.
Durch Verschieben des Kolbens mittels der Spindel kann das Gasvolumen des inneren Zylinders in gewissen Grenzen frei variiert werden, wobei der Luftdruck im inneren Zylinder durch
einen angeschlossenen Drucksensor mit zugehörigem Anzeigegerät gemessen wird. Mit dem
Absperrhahn kann bei Bedarf der innere Zylinder belüftet werden. Dadurch ist es möglich,
den Zusammenhang zwischen dem Druck p und dem Gasvolumen V experimentell zu ermitteln. Um zusätzlich noch den Einfluss der Gastemperatur T zu überprüfen, ist der äußere Zylinder mit Wasser gefüllt, dessen Temperatur über einen externen Thermostaten von Raumtemperatur bis ungefähr 80 °C verändert werden kann. Die Wassertemperatur und somit die
Temperatur, der im inneren Zylinder eingeschlossenen Gasmenge wird durch den Temperaturfühler gemessen.
5.2 Versuchsdurchführung
Aufgabe 0: Vorversuch - Lecktest
Es ist für die weitere Durchführung des Versuchs von essentieller Bedeutung, dass die Gasmenge, d.h. die Molzahl im Messvolumen während der Versuchsdurchführung konstant ist.
(Warum? Siehe dazu auch die Aufgaben 1 und 2). Bevor Sie mit der eigentlichen Versuchsdurchführung beginnen, sollten Sie überprüfen, ob das Messvolumen, samt angeschlossenem
Ventil und Drucksensor luftdicht ist. Die Dichtigkeit des Kolbens soll durch Vakuumfett gewährleistet werden, wobei dieses Fett aufgrund von Abnutzung im Laufe der Zeit eventuell
erneuert werden muss. Desweiteren ist es wichtig, dass die Oberfläche des Kolbens nicht be-
Gasgesetze
GG 7
schädigt wird. Vermeiden Sie es daher, den Kolben mit scharfkantigen Gegenständen zu beschädigen.
Um die Dichtheit der Anlage zu testen, öffnen Sie das Absperrventil und stellen Sie das
Messvolumen auf 20 ml ein. Drehen Sie nun den inneren Kolben einmal um seine Achse, um
das Vakuumfett gleichmäßig zu verteilen. Danach schließen Sie das Ventil und expandieren
das Volumen auf 60 ml. Kontrollieren Sie in dieser Stellung über mehrerer Minuten den Luftdruck im Kolben.
Damit Ihnen während der Wartezeit nicht langweilig wird, eine kleine Frage: Schätzen Sie die
Kraft ab, die notwendig ist, den Kolben in dieser Stellung zu halten (Durchmesser des Kolbens 3,2 cm).
Falls der Gasdruck im Messvolumen sich nicht verändert hat, ist Ihr Versuchsaufbau luftdicht
und sie können mit dem Aufgabe 1 weitermachen. Nimmt jedoch der Luftdruck im Verlauf
mehrerer Minuten stark zu, so wenden Sie sich an den Versuchsbetreuer.
Anmerkung: Auch wenn Ihre Anlage luftdicht scheint, wird immer ein Bruchteil der eingeschlossenen Gasmenge aus Lecks entweichen. Diese Leckrate ist umso größer, je größer die
Druckdifferenz zwischen dem Inneren und dem Äußeren ist. Um den Gasverlust zu minimieren, sollten Sie zwischen zwei Messreihen den Kolben immr so verschieben, dass im inneren
Zylinder ungefähr Aussendruck herrscht. Dies ist vor allem bei Aufgabe 2 für die Zeiten
wichtig, in denen jeweils die Temperatur eingeregelt wird.
Aufgabe 1: Boyle-Mariotte
Überprüfen Sie die Gültigkeit des Boyle-Mariotte´schen Gesetzes für Luft in der Nähe des
Atmosphärendruckes.
Messung
Belüften Sie den inneren Kolben und stellen Sie ein Messvolumen von 20 ml ein. Danach
schließen Sie das Absperrventil. Expandieren Sie nun in 10 Schritten das Messvolumen V von
20 auf 50 ml und messen Sie den dazugehörigen Luftdruck p im inneren Kolben. Danach
komprimieren Sie das Gasvolumen wieder soweit, dass der Luftdruck ungefähr gleich dem
Atmosphärendruck ist.
Auswertung
1.1 Tragen Sie nun graphisch V gegen 1/p auf. Nach dem Boyle-Mariottsche´schen Gesetz
(vgl. Gl. (1)) sollte diese Auftragung eine lineare Abhängigkeit ergeben.
1.2 Tragen Sie nun in einem weiteren Diagramm p gegen 1/V auf. Nach Gl. (2) sollte auch bei
dieser Auftragung ein lineare Abhängigkeit auftreten. Wie Sie jedoch bemerken werden, ist
dies streng genommen nicht mehr der Fall.
Erklärung:
Das Volumen V setzt sich aus dem Volumen des inneren Kolbens VK und einem Restvolumen
VR zusammen. Es gilt:
V
= VK + VR
(16)
VR ist dabei das Volumen in den Zuleitungen zu Drucksensor und Absperrventil. Sie lesen
direkt den Zusammenhang zwischen VK und p ab; da auch die Luft in VR expandiert wird, ist
nicht der Zusammenhang zwischen VK und p, sondern zwischen (VK + VR) und p von physikalischer Bedeutung. Es ist daher notwendig, das Restvolumen VR abzuschätzen.
GG 8
Gasgesetze
Dazu passen wir das Boyle-Mariotte´sche Gesetz dem gegebenen Versuchsaufbau an. Aus Gl.
(1) wird dadurch:
p (VK + VR )= const.= c
(17)
Dies bedeutet, dass sich zwischen p und 1/VK keine lineare, sondern eine hyberbolische Beziehung besteht. Dies sehen Sie auch bei der Auftragung aus Teilaufgabe 2.
Bei der Auftragung aus Teilaufgabe 1.1 wird die Abweichung nicht sichtbar, da das Restvolumen VR nur als additive Konstante eingeht. Dies sehen wir direkt, wenn wir Gl. (17) umformen. Danach ergibt sich für den Zusammenhang zwischen dem gemessenen Volumen VK
und dem Druck p im inneren Zylinder:
V=
c
K
1
− VR
p
(18)
Das heißt, der Zusammenhang zwischen VK und 1/p ist trotz dem noch nicht berücksichtigten
Restvolumen linear. Nach Gl. (18) ist es Ihnen nun möglich, das Restvolumen abzuschätzen.
Bei der Auftragung aus Teilaufgabe 1.1 (V gegen 1/p) wird die Ausgleichsgerade nicht durch
den Ursprung gehen. Aus dem Abzissenabschnitt können Sie das gesuchte Restvolumen VR
ermitteln.
1.3 Ermitteln Sie aus Teilaufgabe 1.1 das Restvolumen VR. Um die obigen Erläuterungen zu
verifizieren, sollten Sie nun p gegen 1/(VK + VR) graphisch auftragen, wobei sich ein linearer
Zusammenhang ergeben sollte.
1.4 Es ist Ihnen nun auch möglich, die Anzahl der Mole n, die sich in dem Volumen VK + VR
befindet zu bestimmen. Nach dem Avogardro´schen Gesetz (siehe 4.3) und Gleichung (14)
folgt die Beziehung:
pV p0V0
=
nT
T0
(19)
wobei mit p0, V0 und T0 die Normalbedingungen bezeichnet werden. Durch Umformen von
Gl. (19) erhalten wir:
p=
p0V0
1
Tn
T0
V
(20)
d.h. in Ihrer Auftragung von V gegen 1/p (Teilaufgabe 1.3) ist die Steigung der Ausgleichsgeraden auch von der Molzahl n abhängig. Ermitteln Sie daher aus der Steigung der
Regressionsgeraden, den Normalbedingungen und der Temperatur T die Anzahl der Mole, die
sich in dem inneren Kolben befindet.
Aufgabe 2: Zustandsgleichung der idealen Gase
Um die Gültigkeit der idealen Gasgleichung zu überprüfen, müssen wir die Temperatur T als
einen weiteren Parameter ins Spiel bringen. Sie sollen nun bei unterschiedlichen Gastemperaturen T den Zusammenhang zwischen p und V ermitteln und daraus die allgemeine Gaskonstante R bestimmen.
Messung und Auswertung:
Ohne den inneren Kolben zu belüften (d.h. die in Aufgabe 1.4 ermittelte Molzahl ist noch
aktuell) messen Sie bei 5 Temperaturen zwischen Raumtemperatur und 80 °C den Zusammenhang zwischen p und V. Dazu stellen Sie am Thermostaten eine gewünschte Temperatur ein. Während die Wassertemperatur und damit auch die Lufttemperatur im Kolben
Gasgesetze
GG 9
eingeregelt wird, verschieben Sie den Kolbens immer in der Art, dass im inneren Zylinder
ungefähr Normaldruck herrscht. Wenn sich die gewünschte Temperatur eingeregelt hat, d.h.
wenn sich bei einer gegebenen Kolbenstellung der Druck nicht mehr verändert, messen Sie
wie in Aufgabe 1 den Zusammenhang zwischen p und V für 11 Volumina im Intervall von 20
bis 50 ml. (Anmerkung: Es sollten bei jeder Temperatur immer die gleichen Volumina sein.
Siehe auch Aufgabe 3). Komprimieren Sie das Volumen nach jeder Messung wieder, bis im
inneren Kolben Normaldruck herrscht.
Nach der Zustandsgleichung für ideale Gase (Gl. (14)) gilt zwischen V und 1/p ein linearer
Zusammenhang, wobei die Steigung der Ausgleichsgeraden temperaturabhängig ist.
Es gilt:
1
1
=
V nRT
= b(T )
p
p
mit
b(T ) = nRT
(21)
Tragen Sie für jede Temperatur V gegen 1/p graphisch auf. Die Steigung der Ausgleichsgeraden entspricht b(T). (Welches V verwenden Sie dafür?)
Tragen Sie nun b(T) für jede Temperatur gegen T auf. Nach Gl. (21) sollte sich wiederum eine
lineare Abhängigkeit ergeben. Die Steigung der Ausgleichsgeraden ist nR. Mit der in Aufgabe
1.4 bestimmten Molzahl n können Sie nun die gesuchte Gaskonstante R ermitteln. Führen Sie
auch noch eine Fehlerabschätzung für R durch.
Anmerkung: Ähnlich wie in Aufgabe 2 geht in die Bestimmung der allgemeinen Gaskonstanten R ein durch den Versuchsaufbau bedingter systematischer Fehler ein. Welcher
Fehler ist das? Beachten Sie, dass bei dieser Aufgabe die Temperatur als weiterer Parameter
dazukommt.
Aufgabe 3: Gay-Lussac
Aus den Messwerten, die Sie in Aufgabe 2 ermittelt haben, können Sie die Gültigkeit des
Gay-Lussac´schen Gesetzes überprüfen und den Temperaturkoeffizienten α ermitteln.
Wählen Sie sich dazu ein bestimmtes Volumen V und tragen Sie für die unterschiedlichen
Temperaturen den Druck p gegen die Gastemperatur T (in °C) graphisch auf. Nach dem GayLussac´schen Gesetz (Gl. (2)) sollte sich ein linearer Zusammenhang ergeben. Aus dem
Abzissenabschnitt und der Steigung der Ausgleichsgeraden lässt sich der gesuchte kubische
Ausdehnungskoeffizient α ermitteln. Führen Sie eine Fehlerabschätzung für α durch.
GG 10
II
Gasgesetze
Adiabatenexponent
6 Grundlagen
6.1 Methode von Clément und Desormes
Abb. 2: p-V-Diagramm zur Definition des Adiabatenexponenten.
Der Adiabatenexponent ist definiert als κ = c p / cV . Bei Gasen kann man nach der Methode
von Clément und Desormes bestimmen: Man bringt das zu untersuchende, in einem festen
Volumen eingesperrte Gas bei Zimmertemperatur T0 auf den über Atmosphärendruck p0 liegenden Druck p1 (Punkt 1 im p-V-Diagramm, (Abb. 2)). Dann lässt man den Gasdruck adiabatisch auf p0 verringern (Punkt 2), wobei das Gas sich abkühlt. Durch den Wärmeaustausch
mit der Umgebung erwärmt sich das Gas wieder auf T0 und es stellt sich der Druck p2 ein
(Punkt 3).
Aus der Poisson'schen Gleichung
pV κ = const.
(22)
und der allgemeinen Gasgleichung
pV
= const.
T
folgt für die adiabatische Zustandsänderung (1 → 2):
κ
1−κ
 T0   p0 
  = 
 T1   p1 
und für die isochore Zustandsänderung (2 → 3):
T0 p2
=
T1 p0
Aus (24) und (25) folgt:
(23)
(24)
(25)
Gasgesetze
GG 11
 p2 
 p0 
(26)
 = ln  
 p1 
 p1 
Da p2/p1 und p0/p1 nahe bei 1 liegen, lässt sich die Näherungsformel anwenden, und man erhält:
κ ln 
 p2  p0
− 1 =
−1
 p1  p1
κ
(27)
woraus folgt:
κ=
p1 − p0
p1 − p2
(28)
Die Druckmessung erfolgt mittels eines Flüssigkeitsmanometers (Abb. 3).
h gibt den Überdruck (bezogen auf den äußeren Druck) in
cm-Wassersäule an. Speziell: h1 entspricht dem Überdruck p1
– p0 vor der Zustandsänderung (1 → 2), h2 dem Überdruck p2
– p0 nach der Zustandsänderung (2 → 3).
Daraus und aus (28) erhält man:
κ=
h1
h1 − h2
(29)
Abb. 3: Flüssigkeitsmanometer.
6.2 Methode von Rüchardt und Flammersfeld
In dem Experiment von Rüchardt [1] zur Bestimmung des Adiabatenkoeffizienten lässt man
eine Stahlkugel in einem Präzisionsglasrohr auf einem abgeschlossenen Gasvolumen adiabatisch schwingen. Gemessen wird die Periodendauer der Schwingung. Diese Methode besitzt
den Nachteil, dass die Schwingung gedämpft ist und der Schwingungsmittelpunkt sich ständig
nach unten verlagert. Eine genaue Messung der Periodendauer ist dadurch schwierig.
Die Weiterentwicklung der Messmethode durch A. Flammersfeld im Jahr [2] benutzt ein zylindrisches Rohr mit einer etwa in der Mitte absichtlich angebrachten kleinen Öffnung zum
Druckausgleich (Abb. 4). Um eine stabile, ungedämpfte Schwingung zu erhalten, wird das
durch den unvermeidlichen Spielraum zwischen Präzisionsglasrohr und Schwingkörper entweichende Gas über ein Rohr dem System nachgeführt. Der Schwingkörper möge sich zunächst unterhalb der Öffnung befinden. Durch das nachströmende Gas baut sich nun ein geringer Überdruck auf, der den Schwinger nach oben treibt. Sobald die Öffnung durch den
Schwinger freigegeben wird. entweicht der Überdruck, der Schwinger fällt nach unten, und
der beschriebene Vorgang wiederholt sich. Auf diese Weise ist der eigentlichen, freien
Schwingung eine geringe, phasenrichtige Anregung überlagert. Der Gasstrom wird nun so
eingestellt, dass man eine ungedämpfte, um die Öffnung symmetrische Schwingung konstanter Amplitude erhält, deren Periodendauer jetzt bequem mit Hilfe von Lichtschranke, Zähler
und Stoppuhr sehr exakt bestimmt werden kann.
GG 12
Gasgesetze
Abb. 4: Gas-Oszillator nach Flammersfeld.
Der Schwingkörper der Masse m befindet sich im Gleichgewicht, wenn der innere Gasdruck p
dem äußeren Luftdruck p0 und dem durch das Gewicht des Schwingers hervorgerufenen
Druck entspricht
mg
π r2
(g = Erdbeschleunigung, r = Radius des Schwingkörpers bzw. Glasrohres).
p p0 +
=
(30)
Durch die Auslenkung x aus dieser Gleichgewichtslage ergibt sich eine Volumenänderung dV
= πr2x und eine Druckänderung dp. Läuft der Vorgang hinreichend schnell ab, kann er als
adiabatisch betrachtet werden:
κ
pV=
p V κ × const.
const. bzw. =
dp
1
(31)
⇒
=
−κ p
V
dV
p
p
⇒ dp =
−κ dV =
−κ π r 2 x
V
V
Schwingt der Körper mit der Auslenkung x aus der Gleichgewichtslage, so ändert sich p um
dp und für die auftretenden Kräfte gilt
d2 x
(32)
= −π r 2 dp
2
dt
Setzt man in Gl. (32) die Gl. (31) ein, ergibt sich die Differentialgleichung für eine harmonische Schwingung:
m
d2 x
p 2
d 2 x κ pπ 2 r 4
2
π
r
κ
π
r
x
0
m
x
−
=
⇒
−
dt 2
V
dt 2
V
Die Schwingungsdauer ist gegeben durch
m
T2
=
4π 2 4mV
=
ω 2 κ pr 4
(33)
(34)
Gasgesetze
GG 13
Damit ist der Adiabatenkoeffizient gegeben durch
=
κ
[1]
[2]
cp
4mV
= 2 4
cV T pr
(35)
E. Rüchardt, Physikalische Zeitschrift 30 (1929) 58
A. Flammersfeld. Z. f. Naturforschung 27a (1972) 3
6.3 Versuchsdurchführung
Aufgabe 1: Methode von Clément und Desormes
Bestimmen Sie den Adiabatenexponent κ von Luft und von CO2 nach der Methode von Clément und Desormes.
Messung
Für die Messung an Luft und CO2 steht je ein Glasbehälter zur Verfügung. Es ist darauf zu
achten, dass der gläserne 3-Wege-Hahn des H2O-Manometers jeweils den richtigen Behälter
verbindet. In einem Probeversuch ist zu kontrollieren, ob das Manometer im aperiodischen
Grenzfall gedämpft ist. Andernfalls muss man die Schlauchklemme am oberen Ende des Manometers nachstellen.
Luft bzw. CO2 wird bis zu einem Überdruck p1 – p0, entsprechend etwa 30 cm Wassersäule,
in den jeweiligen Glasbehälter eingelassen. Danach wird bei Messungen an Luft der Verbindungsschlauch zur Pumpe abgeklemmt. Der Temperaturausgleich wird abgewartet (Punkt 1
im p-V-Diagramm (Abb. 2)). Danach wird der Haupthahn des jeweiligen Behälters geöffnet
und nach dem adiabatischen Druckausgleich sofort wieder geschlossen (1 → 2). Die Öffnungszeit des Hahnes ist für das Gelingen des Versuches entscheidend. Die dem Glasbehälter
entströmende Gasmenge wird in der Folge vernachlässigt. Bei konstantem Volumen erwärmt
sich das Gas wieder bis zur Zimmertemperatur (2 → 3). Die damit verbundene Druckänderung liest man auf dem Manometer ab und bestimmt κ aus Gl. (29). Für jedes Gas führe man
5 Messungen durch und bilde den Mittelwert.
Aufgabe 2: Methode von Rüchardt und Flammersfeld
Bestimmen Sie den Adiabatenexponenten κ von Luft und CO2 nach der Methode von
Flammersfeld.
Messung
Man stellt einen schwachen Gasstrom ein, lässt dann den Schwingkörper vorsichtig in das
Präzisionsrohr gleiten und verändert den Gasstrom so lange, bis der Schwingkörper symmetrisch um den Luftschlitz schwingt. Messen Sie die Zeit für mindestens 300 Schwingungen.
Zur Bestimmung desAdiabatenexponenten κ nach Gl. (35) sind die Daten des Schwingkörpers, das Volumen V des Oszillators (bis zum Schlitz) sowie der herrschende Luftdruck p zu
ermitteln. Der Durchmesser d des Schwingkörpers ist sehr exakt zu messen (z.B. mit einer
Mikrometerschraube), da dieser Wert in vierter Potenz eingeht. Für p ist der wahre Druck am
Messort einzusetzen.
Die Werte des momentanen Aufbaus sind:
•
Masse des Schwingers: 4,594 g
GG 14
Gasgesetze
•
Durchmesser des Schwingers: 11,877 mm
•
Volumen des Oszillators: 1,15 l
7 Versuchsausstattung
•
1 Flüssigkeitsmanometer
•
1 Glasgehälter mit Luftpumpe
•
1 Glasbehälter
•
1 CO2-Flasche
•
1 Drei-Wege-Hahn
•
1 Gasoszillator nach Flammersfeld mit Stativ und Gabellichtschranke
•
1 Digitalzähler
•
1 Stoppuhr
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