Nachdruck - ABB technik 3/2011 Fortschrittlicher Netzschutz Schutzsignal-Übertragungslösungen der nächsten Generation Fortschrittlicher Netzschutz Schutzsignal-Übertragungslösungen der nächsten Generation Romeo Comino, Michael Strittmatter – Die Übertragung von Schutzsignalen spielt eine entscheidende Rolle für die Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit moderner elektrischer Netze. Angesichts der zunehmenden Nutzung nichtdeterministischer Ethernet/ IP-Technik in Weitbereichs-Kommuni­ kationsnetzen sind viele Energieversorgungsunternehmen (EVUs) rund um die Welt besorgt, dass die Schutzsignalübertragung, die eine schnelle und selektive Isolierung von Fehlern im Stromnetz sicherstellt, dadurch beeinträchtigt werden könnte. Dank ihrer umfangreichen Erfahrung auf dem Gebiet der Schutzsignalübertragung und EVU-Kommunikation ist es ABB gelungen, neue Schnittstellen für ihre Teleprotection-Plattform NSD570 zu entwickeln, die erstmalig einen sicheren und zuverlässigen Betrieb von Schutz­ signal-Übertragungseinrichtungen über Ethernet/IP-WAN-Netzwerke gewährleisten. Titelbild Viele EVUs sind besorgt, dass die Schutzsignalübertragung in Unterstationen durch die nichtdeterministische Ethernet-Kommunikation beeinträchtigt werden könnte. S törungen und Fehler in elektrischen Netzen können zu schweren Spannungszusammenbrüchen und Blackouts führen, von denen ganze Regionen und Länder betroffen sein können. Aufgrund der starken Abhängigkeit der modernen Gesellschaft von elektrischer Energie sind solche Ausfälle nicht akzeptabel – weder im Hinblick auf die Auswirkungen auf das öffentliche Leben noch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen. Daher gilt es, solche gravierenden Störungen mit allen Mitteln zu verhindern. Ein Schlüsselelement zur Isolierung und schnellen Klärung von Fehlern ist eine geeignete Schutzpraxis. Eine typische Schutzsystemarchitektur für eine Hochspannungs-Übertragungsleitung umfasst drei Hauptkomponenten: Schutzrelais, Schutzsignal-Übertragungseinrichtungen (Teleprotection-Ausrüstung) und ein Telekommunikationssystem ➔ 1. Die Tele- Schutzsysteme müssen bestimmte Vorgaben hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit, Reak­ tionsfähigkeit, Selektivität und Zuverlässigkeit erfüllen. Schutzsysteme müssen bestimmte Vor­ gaben hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit, Reaktionsfähigkeit, Selektivität und Zuverlässigkeit erfüllen, um eine erfolgreiche Fehlerklärung zu gewährleisten. Schutzkonzepte, insbesondere für Hochspannungs-Übertragungsleitungen, erfüllen selten alle diese Anforderungen ohne die Hilfe der Telekommunikation. 2 Fortschrittlicher Netzschutz | ABB technik 3/2011 - Nachdruck protection-Ausrüstung fungiert als physi­ kalische Schnittstelle zwischen der Telekommunikations-Infrastruktur und den Schutzrelais und ist somit entscheidend für die Übertragung der von den Schutzrelais generierten Signale („Befehle“) und dafür, dass deren Anforderungen hinsichtlich der Reaktionszeit und Selektivität im Fehlerfall erfüllt werden. Leistungskriterien: Sicherheit, Verlässlichkeit und Übertragungszeit Da jedes Telekommunikationssystem Störungen und Beeinträchtigungen verschiedener Art (z. B. Jitter oder Bitfehler in digitalen Netzwerken oder Koronarauschen Störungen im Telekommunikationskanal dürfen weder zur Simulation eines Befehls auf der Empfängerseite führen, wenn kein entsprechendes Signal gesendet wurde (Sicherheit), noch eine übermäßige Verzögerung oder gar Unterdrückung eines tatsächlich übermittelten Befehls bewirken (Verlässlichkeit). 1Typische Schutzsystemarchitektur Unterstation A Schutzeinrichtung/ -funktion Unterstation B Hochspannungsleitung Schutzsignalübertragungseinrichtung/-funktion Telekommunikationssystem Schutzsignalübertragungseinrichtung/-funktion Schutzeinrichtung/ -funktion Schutzsignal-Übertragungssystem und Dämpfungsschwankungen in einem TFH-Kanal) ausgesetzt ist, wird das Leistungsvermögen der Teleprotection-Ausrüstung unter diesen Störungsbedingungen durch die Aspekte Sicherheit, Verlässlichkeit und Übertragungszeit bestimmt. Daher müssen alle Schutzsignal-Übertragungseinrichtungen den entsprechenden Anforderungen hinsichtlich der Sicherheit, Verlässlichkeit und Übertragungszeit genügen, wie sie in der IEC 60834-1 [1] definiert sind. Ein wichtiges Kriterium ist die verfügbare Bandbreite bei analogen Verbindungen bzw. die Datenübertragungsrate bei digitalen oder Ethernet-Kanälen. Je höher die Bandbreite bzw. die Datenrate, desto geringer die Übertragungszeit, die normalerweise mit der Teleprotection-Ausrüstung erreicht werden kann. Sicherheit, Verlässlichkeit, Übertragungszeit und Bandbreite (bzw. Datenrate) stehen in Wechselbeziehung zueinander. So ist eine hohe Sicherheit und Verlässlichkeit nicht mit einer kurzen Übertragungszeit und schmaler Bandbreite (bzw. niedrigen Datenrate) vereinbar. Folglich muss der Schwerpunkt entweder auf die Verlässlich- Für das Schutzsystem ist es von größter Bedeutung, dass Störungen im Telekommunikationskanal weder zur Simulation eines Befehls auf der Empfängerseite führen, wenn kein entsprechendes Signal gesendet wurde (Sicherheit), noch eine übermäßige Verzögerung oder gar Unterdrückung eines tatsächlich übermittelten Befehls bewirken (Verlässlichkeit). keit oder die Sicherheit oder auf die Übertragungszeit gelegt werden, je nachdem welches Schutzkonzept (direkte Auslösung, Selektivschutz mit Freigabe, Selektivschutz mit Sperrung) verwendet wird. Die nächste Generation des ABB Fernauslösegeräts NSD570 unterstützt EthernetKonnektivität durch eine 10/100-Mbps-Schnittstelle. ABB technik 3/2011 - Nachdruck | Fortschritlicher Netzschutz 3 2 NSD570 Ethernet WAN-Schnittstelle Typ G3LE Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Verfügbarkeit des Kommunikationskanals selbst, damit die erforderlichen Funktionen zu jedem Zeitpunkt innerhalb eines bestimmten Intervalls ausgeführt werden können [2]. Die Verfügbarkeit eines für die Schutzsignalübertragung genutzten Telekommunikationssystems sollte bei mindestens 99,99 % liegen. Um dies zu erreichen, ist fundiertes Wissen über die verwendete Telekommunikationstechnik ebenso unerlässlich wie ein geeignetes Netzwerkdesign, die Implementierung von Mechanismen zur Selbstheilung bzw. Wiederherstellung und geeignete Backup-Methoden. Schutzsignalübertragung über verschiedene Telekommunikations­ medien und -kanäle Zur Schutzsignalübertragung können verschiedene Arten von Übertragungsmedien eingesetzt werden. Da üblicherweise Punkt-zu-Punkt-Kommunikationsverbindungen genutzt werden, sind folgende Medien heute vorherrschend: – TFH-Verbindungen (TrägerfrequenzÜbertragung über Hochspannungs­ leitungen) –Lichtwellenleiter-Verbindungen –Kupferkabel/Hilfskabel –Mikrowellen-Funkverbindungen Neben der Verfügbarkeit des Kommunika­ tionskanals spielt auch die elektromagne­ tische Verträglichkeit (EMV) des Teleprotection-Systems und seine Immunität gegen schnelle transiente elektrische Störgrößen und andere externe Störungen eine entscheidende Rolle. Das gesamte Design des Teleprotection-Systems und der entsprechenden Hardware muss so ausgelegt sein, dass es in der Lage ist, genau dann Störungen standzuhalten, wenn es im Stromnetz zu einem Fehler kommt, d. h. wenn seine Fähigkeit zur zuverlässigen Übertragung von Befehlen am meisten benötigt wird. Die physikalische Schnittstelle zwischen der Teleprotection-Ausrüstung und dem Kommunikations-Endgerät ist entweder als analoger Schaltkreis mit Sprachfrequenzbandbreite oder als digitaler/optischer Schaltkreis mit einer bestimmten Datenrate (z. B. 64 kbps) ausgeführt ➔ 3. Die nächste Generation des ABB Fernauslösegeräts NSD570 bietet eine komplette Reihe von Schnittstellen für die oben genannten Telekommunikationssysteme und unterstützt Ethernet-Konnektivität durch eine 10/100-Mbps-Schnittstelle, die später genauer beschrieben wird. 4 Fortschrittlicher Netzschutz | ABB technik 3/2011 - Nachdruck TeleprotectionSysteme benötigen normalerweise Telekommunika­ tionskanäle mit einer determinis­ tischen Signalübertragungsverzögerung und einer konstanten Bandbreite. 3 Verfügbare Übertragungsmedien und Kommunikationskanäle mit dem NSD570 l dig ita alo an an d alo op igita g tis l ch g et g - - Kupferleitungen - analo g Et he IP-basiertes Netzwerk ABB hat eine Reihe von neuen Schnittstellen für die NSD570-Plattform entwickelt, die die Übertragung von Schutzsignalen und das Fern­ management über Ethernet/IP-Netzwerke ermöglichen. rn et NSD570 Station A g rn Lichtwellenleiter MUX alo he - an analo - Lichtwellenleiter NSD570 g alo alo l an Station C MUX Funkverbindung g alo l an igita h d tisc op - Et Station B ita MUX Schutzbefehle TFH an MUX Stromleitung dig g TFH 4 Die Herausforderung: Schutzsignalübertragung über Ethernet/IP-Netzwerke Schutzbefehle Ethernet/ IP-Netzwerk NSD570 Station E NSD570 Beeinträchtigung der Schutzsignalübertragung durch Ethernet/IP-basierte Netzwerke? Teleprotection-Systeme sind auf Telekommunikationskanäle angewiesen, die über eine deterministische Signalübertragungsverzögerung und eine konstante Bandbreite bzw. Bitrate ohne jegliche Schwankung in der Verzögerung verfügen. Statische Multiplexing-Verfahren wie PDH (plesiochrone digitale Hierarchie)1 und SDH (synchrone digitale Hierarche) erfüllen diese Anforderung und werden seit Jahrzehnten von EVUs in deren Weitbereichs-Kommunikationsnetzen eingesetzt. Angesichts der zunehmenden Verbreitung von Übertragungstechnik auf der Basis von statistischen Multiplexing-Verfahren mit BoD- (Bandwidth on Demand) oder „BestEffort“-Methoden sind EVUs rund um die Welt besorgt, dass die strengen Leistungsanforderungen von Teleprotection-Systemen durch die Nutzung dieser neuen Kommunikationstechniken beeinträchtigt werden könnten. Dies ist eine typische Situation, in der EVUs sich auf die Telekommunikationsdienste von Drittanbietern verlassen, bei denen die Kommunikations­ kanäle nicht unter der vollständigen Kontrolle der EVUs stehen. Werden Ethernet/IP-basierte Netzwerke für die Schutzsignalübertragung verwendet, ist eine Lösung erforderlich, die die Überwachung der Verfügbarkeit und Qualität des Kommunikationskanals des WAN (Wide-Area Network) und die Alarmierung Fußnote 1 Ein PDH-Netzwerk ist ein Netzwerk, in dem verschiedene Datenströme nahezu, aber noch nicht perfekt synchronisiert sind. Station D NSD570 der Schutzausrüstung ermöglicht, wenn die zuverlässige Übertragung von Befehlen nicht gewährleistet werden kann ➔ 4. Innovative Lösungen für die Schutzsignal­übertragung der nächsten Generation Als führender Anbieter von TeleprotectionLösungen hat ABB eine Reihe von neuen Schnittstellen für die NSD570-Plattform entwickelt, die die Übertragung von Schutzsignalen und das Fernmanagement über Ethernet/IP-Netzwerke ermöglichen ➔ 2. Diese innovativen Lösungen umfassen zwei Module: – NSD570 Ethernet WAN-Schnittstelle Typ G3LE – NSD570 Management LAN-Schnittstelle Typ G3LM NSD570 Ethernet WAN-Schnittstelle Typ G3LE –Neue Leitungsschnittstelle zur Übertragung von bis zu acht gleichzeitigen/ unabhängigen Befehlen über Ethernet/ IP-Netzwerke ➔ 3. – Kanalüberwachungs- und Alarmierungsfunktionen ähnlich den vorhandenen NSD570-Leitungsschnittstellen (Kanalqualität und -verfügbarkeit, End-to-EndVerzögerung, Endgeräte-Adressierung). NSD570 Management LAN-Schnitt­ stelle Typ G3LM – Nachfolger der vorhandenen Managementschnittstelle für den Fernzugriff mit zusätzlichen Merkmalen wie Unter­ stützung von SNMP (Simple Network Management Protocol) und VLAN (Virtual Local Area Network), verbes­ serte Cybersicherheitsmaßnahmen wie Authentifizierung und Logging. – Zur Fernüberwachung/-verwaltung der Teleprotection-Geräte in einem Rack ABB technik 3/2011 - Nachdruck | Fortschritlicher Netzschutz 5 5 Sicherer Fernzugriff auf das NSD570 RS-485-Stationsbus 6 Das neue G3LE/G3LM-Plug-in-Modul für die NSD570-Plattform von ABB Unterstation Unterstation Arbeitsplatz Ein NSD570 mit LANSchnittstelle Ethernet Stations-LAN Gateway UnternehmensIntranet oder globales Internet Laptop sowie weiterer über den RS-485-Installationsbus zugänglicher Geräte. Letzteres ermöglicht die Verbindung mehrerer Racks ➔ 5. Beide Module verfügen über einen elektrischen Anschluss (10/100 Mbps) und einen optischen Anschluss (100 Mbps) mit austauschbaren SFP-Transceivern (Small Form-factor Pluggable) zur Anbindung an das Ethernet/IP-Netzwerk ➔ 6. G3LE: verlässliche Schutzsignalübertragung über Ethernet/IP-Netzwerke Anstatt einfach den bestehenden synchronen 64-kbps-Kanal des digitalen NSD570Systems in Ethernet-Pakete umzuwandeln, wurde ein Protokoll entwickelt, um die Anforderungen hinsichtlich der Latenz und der Bandbreite zu reduzieren. Neben den eigentlichen Schutzbefehlen beinhalten die Nutzdaten eines solchen Pakets mehrere Datenfelder, die die Messung verschiedener Leistungsindikatoren einschließlich der Übertragungszeit und der Paketverlustrate ermöglichen. Die gesamten Nutzdaten sind durch einen (zum Patent angemeldeten) Authentifizierungsalgorithmus geschützt, der verschiedene Aspekte der Cybersicherheit abdeckt. Kontinuierliche Überwachung der Kanalqualität und -verfügbarkeit Ein paketvermitteltes Netzwerk ist anfällig für verschiedene Faktoren, die die Übertragungszeit negativ beeinflussen können. Das NSD570 Ethernet-Modul überwacht kontinuierlich die Verfügbarkeit und Qualität des Kanals mithilfe von „Wächterpaketen“, die in benutzerkonfigurierbaren Intervallen gesendet werden. Übersteigt die gemessene Übertragungszeit oder Paketverlustrate die benutzerkonfigurierbaren Grenzwerte, oder geht ein Kanal vollständig verloren, werden entsprechende Alarme generiert. Sicherung einer verlässlichen Befehlsübertragung Sobald ein Befehl vom Schutzrelais empfangen wird, beginnt die NSD570 Ethernet WAN-Schnittstelle damit, in kurzen Intervallen mehrere „Auslösepakete“ zu senden. Dadurch wird auch unter schlechten Kanalbedingungen (d. h. einem hohen Paketverlust) ein schneller Empfang der Pakete beim entfernten NSD570 sichergestellt. Nach dieser anfänglichen Sequenz sendet das NSD570 Ethernet-Modul weiter­ hin Auslösepakete, aber mit der niedri­ geren, für Wächterpakete vorgesehenen Rate. Wird der Befehl vom Schutzrelais aufgehoben, werden fortan Wächterpakete gesendet. Ethernet-Modul unterstützt Ethernet/IPPrioritätseinstellungen mit den folgenden Parametern: ToS – setzen des „Type-ofService“-Felds in der IP-Schicht 3 und VLAN-Tagging – ID und Priorisierung des Ethernet-Frames in Schicht 2. Nachweisliche Leistungsfähigkeit unter schwierigen Netzwerkbedingungen Die Worst-Case-Anforderung an die Sicherheit von übertragenen Auslösebefehlen in digitalen Kommunikationssystemen (Puc – die Wahrscheinlichkeit, dass ein Befehl fälschlicherweise empfangen wird) ist gemäß IEC 60834-1 Puc < 1E-08. Für das neue im NSD570 implementierte Protokoll ist ein Puc-Wert von < 1E-18 mathematisch nachweisbar. Mit der neuen NSD570 Ethernet-Schnittstelle Typ G3LE wurden umfangreich Tests in einem Netzwerk aus Switchen der ABB Zur frühzeitigen Erkennung sicherheitsrelevanter Manipulationen werden sämtliche Benutzeraktivitäten proto­ kolliert. Bei Empfang eines einzigen korrekten Auslösepakets am entfernten NSD570 werden entsprechend den im Paket empfangenen Befehlen die konfigurierten Ausgaben der Relaisschnittstelle ausgelöst. Prioritätseinstellungen für zeitkritische Schutzbefehle Da Schutzbefehle zeitkritisch sind, sollten sie so schnell wie möglich über das Netzwerk übertragen werden. Sowohl IP als auch Ethernet bieten Möglichkeiten zur Priorisierung und Handhabung von hochpriorisiertem Datenverkehr. Das NSD570 6 Fortschrittlicher Netzschutz | ABB technik 3/2011 - Nachdruck AFS Ethernet-Familie durchgeführt. Selbst bei simuliertem Burst-Verkehr mit variierender Paketgröße und Verkehrsüberlastung in einigen Netzwerkabschnitten lag die Übertragungszeit nicht über 4 ms bei einem Durchschnitt von rund 2,5 ms. Zur Überprüfung des zuverlässigen Betriebs unter stark gestörten Ethernet/IP-Netzwerkbedingungen – d. h. mit Paketverlustraten Voraussetzungen sind ein geeignetes Ethernet/IP-Netzwerksdesign und eine Konfiguration, die die erforder­liche maximale Paketverlustrate und minimale Latenz gewährleistet. 7 Auszug aus den Testergebnissen (NSD570 Ethernet WAN-Schnittstelle Typ G3LE) VerlässlichkeitPmc <1E-021E-021E-031E-03 1E-04 Kanalzustand – Paketverlustrate PLR < 1%2%3%10% Kanalzustand – Bitfehlerrate 10% BER < 1.1E-052.3E-053.5E-051.2E-041.2E-04 Max. tatsächliche ÜbertragungszeitTac < _ 4 ms (PLR) von bis zu 10 % und mehr – wurde die Verlässlichkeit (Pmc – die Wahrscheinlichkeit, dass ein Befehl nicht empfangen wird) gemessen. Dazu wurde bei verschiedenen Paketverlustraten eine große Zahl von Auslösebefehlen gesendet und die Zahl der innerhalb einer bestimmten Übertragungszeit (Tac) nicht empfangenen Befehle aufgezeichnet, um daraus den Pmc-Wert zu errechnen. Zum Vergleich basiert die Messung der Verlässlichkeit auf der Bitfehlerrate (BER), die aus der entsprechenden PLR abgleitet werden kann ➔ 7. Diese Testergebnisse und zusätzliche Feldversuche in Ethernet/IP-Netzwerken von EVUs haben gezeigt, dass die innovative Ethernet WAN-Schnittstelle Typ G3LE von ABB die Anforderungen an „digitale“ Schutzsignal-Übertragungseinrichtungen gemäß IEC 608341 erfüllt und sogar übertrifft. 5 ms 6 ms 8 ms 10 ms Gleichzeitig wurden verschiedene Merkmale integriert, um ein Höchstmaß an Cybersicherheit und die Unterstützung neuer Standards wie NERC CIP zu gewährleisten. Die Verschlüsselung und Authentifizierung für den Benutzerzugang erfolgt nach dem SSL-Verfahren (Secure Socket Layer). Darüber hinaus ermöglicht ein neues Benutzerverwaltungssystem die Einrichtung individueller Benutzerkonten und die individuelle Zuweisung von Zugriffsrechten. Sämtliche Benutzeraktivitäten werden protokolliert, Die Lösung ist vollständig integriert, d. h. es sind keine externen Geräte mit eigener Stromversorgung und Benutzer-/Managementschnittstelle erforderlich. Um eine zuverlässige Befehlsübertragung zu gewährleisten, ist sowohl ein geeignetes Ethernet/IP-Netzwerksdesign als auch eine Konfiguration erforderlich, die dafür sorgt, dass die spezifizierte PLR und Latenz zwischen den beiden NSD570-Endgeräten nicht überschritten werden. Wird diese Anforderung nicht erfüllt, meldet das NSD570 sofort die Beeinträchtigung des Netzwerks. G3LM: sichere Fernverbindung und -überwachung Zusammen mit der Ethernet WAN-Schnittstelle Typ G3LE wurde die neue NSD570 Management LAN-Schnittstelle Typ G3LM eingeführt, die den Fernzugriff auf NSD570Geräte über Ethernet/IP-Netzwerke ermöglicht. Ein integrierter SNMP-Agent beliefert Netzmanagementstationen über die offene SNMP-Standardschnittstelle mit Alarm- und Ausrüstungsinformationen. um eine frühzeitige Erkennung sicherheitsrelevanter Manipulationen des Systems zu ermöglichen. NSD570: bereit für zukünftige Anwendungen der IEC 61850 Die Einführung der internationalen Stationsautomatisierungsnorm IEC 61850 2 hat die Implementierung von Ethernet-basierten lokalen Netzwerken in Unterstationen vorangetrieben. Zurzeit wird die stationsinterne Buskommunikation via Ethernet gemäß IEC 61850 ausschließlich für Steuerungs- und Automatisierungssignale genutzt. Die Schutz­ signalübertragung erfolgt nach wie vor „fest verdrahtet“ von Relais zu Relais bzw. von Relais zu Schutzgerät. Das neue NSD570-Modul Typ G3LS ist so ausgelegt, dass es in Zukunft sogenannte GOOSE-Nachrichten 3 gemäß IEC 61850-8-1 von Schutzrelais mit GOOSE-Schnittstelle empfangen kann. ABB technik 3/2011 - Nachdruck | Fortschritlicher Netzschutz 7 BER Bit Error Rate CIP Critical Infrastructure Protection EMV Elektromagnetische Verträglichkeit GOOSE Generic Object Oriented Substation Events IEC International Electrotechnical Commission IP Internet Protocol LAN Local Area Network MUXMultiplexer NERC North American Electric Reliability Corporation PDH Plesiochrone digitale Hierarchie PLR Packet Loss Rate SDH Synchrone digitale Hierarchie SFP Small Form-factor Pluggable SNMP Simple Network Management Protocol TFHTrägerfrequenz-Nachrichtenüber­ tragung über Hochspannungs­ leitungen ToS Type of Service VLAN Virtual Local Area Network WAN Wide Area Network Darüber hinaus wurden neue Arbeits­ gruppen gebildet, um die Erweiterung der IEC 61850 für die Kommunikation zwischen Unterstationen zu diskutieren und zu definieren. Im März 2010 wurde ein technischer Bericht zu dieser WAN-Kommunikation unter der Nummer IEC 61850-90-1 [3] veröffentlicht. Gemäß dem in diesem Bericht beschriebenen „Gateway-Ansatz“ können die GOOSE-Schutzsignale bei der WAN-Kommunikation über jeden analogen, digitalen/ optischen oder Ethernet-Kanal an das entfernte NSD570 übertragen werden ➔ 3. Der gemischte Betrieb von „alten“ und IEC 61850-konformen Schutzrelais ist mit der G3LS GOOSE LAN-Schnittstelle ebenfalls möglich. GOOSE- und kontaktbasierte Befehle können parallel über dieselbe NSD570-Verbindung signalisiert werden. Darüber hinaus können GOOSE-Nachrichten von einer Unterstation über kontaktbasierte Befehlsausgänge in der entfernten Unterstation ausgegeben werden. nen als auch zwischen Unterstationen gerüstet. Zusammenfassung Mit den neuesten Innovationen von ABB stellt die NSD570-Plattform eine zukunftssichere Lösung dar, die durch einfaches Austauschen bzw. Hinzufügen eines Moduls in Ethernet/IP-WAN oder in ein Stations-LAN integriert werden kann. Das NSD570 ist ein echtes All-in-one-System für verschiedenste Anforderungen hinsichtlich Kommunikationsverbindungen und Schutzschnittstellen. Die Lösung ist vollständig integriert, d. h. es sind keine externen Geräte mit eigener Stromversorgung und Benutzer-/Managementschnittstelle erforderlich. Der große Bestand an installierten „alten“ Schutzrelais mit kontaktbasierten Befehlseingängen und -ausgängen kann über dieselbe NSD570-Verbindung mit allen vorhandenen Kommunikationsmedien und sogar parallel mit neuen IEC-61850-konformen „GOOSE“-Schutzrelais genutzt werden. Damit unterstützt das NSD570 auch die schrittweise Nachrüstung von Unterstationen gemäß IEC 61850, d. h. die Kopplung von „alten“ Unterstationen mit IEC-61850-Unterstationen über vorhandene NSD570-Kanäle. Kunden, die ihre WAN-Kommunikationsnetz-Infrastruktur auf Ethernet/IP-basierte Netzwerke migrieren wollen, werden dabei ebenfalls von der NSD570-Architektur unterstützt. So können zum Beispiel digitale und Ethernet-Leitungsschnittstellen parallel verwendet werden, um Vertrauen in das neue Medium aufzubauen. Zu diesem Zweck kann eine kostengünstige „1+1“-Pfadersatzschaltung realisiert werden, ohne dass die Relaisschnittstellen zu den Schutzgeräten dupliziert werden müssen. Es wird lediglich eine zweite Leitungsschnittstelle für den redundanten Pfad benötigt, die in dasselbe Rack gesteckt wird. Romeo Comino Michael Strittmatter ABB Power Systems Literaturhinweise [1] IEC 60834-1 „Teleprotection Equipment of Power Systems – Performance and Testing – Part 1: Command Systems“ [2] Protection using Telecommunications, Cigré Joint Working Group 34/35.11. August 2001 [3] IEC 61850-90-1 „Use of IEC 61850 for the communication between substations“ Fußnoten 2 Siehe auch ABB Review Special Report on IEC 61850, zum Download erhältlich unter www.abb.com/abbreview 3 GOOSE (Generic Object Oriented Substation Events) ist ein in der IEC 61850 definiertes Steuerungsmodell zur Übertragung von Ereignisdaten. Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte: ABB Schweiz AG Power Systems Brown Boveri Strasse 6 5400 Baden, Switzerland Telefon: +41 58 589 37 35 oder +41 844 845 845 (Call Center) Fax: +41 58 585 16 88 E-Mail:[email protected] System Group Utility Communications Baden, Schweiz Mit ihrer offenen Architektur ist die NSD570-Plattform von ABB also bestens für eine Weiterentwicklung entsprechend den IEC-61850-Standards für die Kommunikation sowohl innerhalb von Unterstatio- Mit den neuesten Innovationen von ABB stellt die NSD570-Plattform eine zukunftssichere Lösung dar, die durch einfaches Austauschen bzw. Hinzufügen eines Moduls in Ethernet/ IP-WAN oder in ein Stations-LAN integriert werden kann. [email protected] [email protected] 1KHA - 001198 - SDE 400 - 12.11 - Gedruckt in der Schweiz © ABB Schweiz AG, Dezember 2011. Alle Rechte vorbehalten. Abkürzungen www.abb.com/utilitycommunications