18 19 MIT PRÄSENZ, KLARHEIT UND WERTSCHÄTZUNG FÜHREN Sprache ist ein zentrales Beratungsinstrument. Sprache wirkt auf Kunden – und sie wirkt auf den Sprecher oder die Sprecherin selbst. Nur wer sich der vielfältigen Wirkung der ­Sprache bewusst ist, kann Sprache für Beratungsgespräche gezielt einsetzen. Wir leben in einer Zeit vielfältiger Kommunikation. Täglich verwenden wir unsere Sprache. Wir haben sie als Kinder gelernt und zum Teil nie mehr hinterfragt. Oft sind wir uns kaum bewusst, dass unsere individuelle Sprache Teil unserer Persönlichkeit ist und sich wesentlich von der Sprache anderer Menschen unterscheiden kann. Die Sprache unseres Umfelds beeinflusst uns lebenslang. Wir nehmen Wörter und Satzkonstruktionen aus unserer Umgebung auf und machen sie uns zu ­eigen. «Das muss ich schnell im Lager holen.» «Das haben wir im Lager. ­ Ich hole es für Sie.» Kennen Sie Ihre Floskeln? Im Laufe der Jahre haben wir uns viele Floskeln angewöhnt. So gilt als normal zu sagen: «Das weiss ich leider nicht», «Könnten Sie bitte schnell herkommen?», «Da muss ich die Kollegin fragen». Die meisten Menschen in unserem Umfeld sprechen so. Die wenigsten sind sich bewusst, dass Floskeln aus Kindheit und Jugend sie daran hindern, ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Denn eine Persönlichkeitsentwicklung ohne die Entwicklung der eigenen Sprache ist ein Ding der Unmöglichkeit. Bewusstes und achtsames Sprechen verhilft zu ­Präsenz und Klarheit. Verbunden mit einer Wertschätzung des Gegenübers schaffen wir so eine wohlwollende und positive Atmosphäre im Verkaufsgeschäft, die uns hilft, Beratungsaufgaben gut wahrzunehmen. Manchmal begegnen wir Menschen, denen wir gerne zuhören und deren Sprache angenehm auf uns wirkt. Ihre Aufträge erfüllen wir gern, ihren Erzählungen folgen wir mit Interesse. Meist achten diese Sprechenden darauf, ihren Gesprächspartnern mit Wertschätzung zu begegnen. Oftmals erkennen wir nicht sofort, woran es liegt, dass wir uns gesehen und angesprochen fühlen. Denn Sprache wirkt subtil. Jedes Wort wirkt Während wir uns oft an die Inhalte von Gesprächen gut erinnern können, haben wir kaum ein Sensorium für die sprachliche Form von Gesprächen. Wir bemerken zwar, wenn jemand «ohne Punkt und Komma» spricht. Wir werden ungeduldig, wenn unser Gegenüber jeden Satz abbricht und einen neuen Satz beginnt. Doch meist erkennen wir nicht auf Anhieb, warum uns die Sprechweise einer Person irritiert. Die Satzkonstruktionen entgehen unserer Aufmerksamkeit. Auch auf den Wortschatz, den jemand verwendet, achten wir oft nicht. Doch jedes Wort wirkt, immer. Neurowissenschaftler erforschen seit Längerem die Wirkung von Sprache und entdecken dabei Erstaunliches: Nicht nur Wörter, selbst Laute wirken und bewirken, dass wir Wörter als angenehm oder unangenehm empfinden. Sprache erzeugt Emotionen, positive und negative. Wir können die Wirkung von Sprache bis zu einem gewissen Grad selbst steuern, indem wir bewusst und gezielt einen angenehmen Wortschatz und einen wohltuenden Satzbau wählen. «Müssen» und «schnell» Kennen Sie Menschen, die in jedem zweiten Satz «müssen» und «schnell» verwenden? Kennen Sie Sätze wie diese: «Ich muss jetzt schnell ins Lager und dann muss ich noch die Bestellung machen»? Vielfach sind sich Sprechende nicht bewusst, welchen Druck sie sich selbst mit solchen Sätzen machen und wie viel Gehetztheit aus diesen Worten spricht. Menschen machen nicht nur sich selbst, sondern auch ihrem Umfeld mit «müssen» das Leben schwer. Dabei wäre es so einfach. Statt «Das muss ich schnell im Lager holen» kann die Formulierung lauten: «Das haben wir im Lager, ich hole es für Sie.» Damit entfällt der Druck des «müssen» zugunsten einer klaren Aussage. Die Sprecherin wirkt überlegt und gelassen statt gehetzt und vom Kunden unter Druck gesetzt. «Müssen» und «schnell» verursachen nämlich nicht nur bei Sprechenden Druck und Hetze, sondern auch bei Gesprächspartnern. Wer hört schon gern, was er tun «muss». Mitarbeiter mit den Worten «Das müssen Sie bis heute Abend erledigt haben» anzutreiben, verursacht unnötigen Widerstand. Wie viel angenehmer ist es, einen Auftrag zu erfüllen. Gibt der Vorgesetzte hingegen den Auftrag «Heute ist eine grosse Lieferung eingetroffen, bitte räumen Sie alles bis heute Abend ins Lager ein», wird Mitarbeitenden klar, was sie warum bis zu welchem Zeitpunkt zu tun haben. Sie fühlen sich damit ernst genommen und DIE AUTORIN wertgeschätzt. Sprachliche Präsenz und Klarheit verhilft uns dazu, mit unseren Gesprächspartnern gewinnend EVA WOODTLI zu kommunizieren. Kleine VerWIGGENHAUSER änderungen in der Sprache bewirken Grosses. Eva Woodtli Wiggenhauser, lic. phil. I, ist Germanistin und Dozentin für das Sprach- und Kommunikationskonzept Lingva Eterna®. Sie bietet als Kommunikationstrainerin Workshops, Vorträge und Einzelcoachings für Unternehmen und Institutionen an. Nächster Workshop in Benken ZH: Samstag, 2. April 2016, Auskunft und Anmeldung: [email protected], www.wiggenhauser.ch Sprache neu lernen Es ist eine Herausforderung, die eigene Sprechweise zu entdecken und zu verändern. Wie bei vielen Aspekten unseres Lebens beginnt die Veränderung mit Bewusstwerdung. Es geht darum, systematisch auf den Gebrauch von Wörtern und Satzkonstruktionen zu achten. Als Einstieg hilft es, bei sich selbst ein paar wenige sprachliche Gewohnheiten und «Lieblingswörter» zu «Das weiss ich leider nicht.» «Das weiss ich nicht. Ich kläre es gerne für Sie ab.» bemerken. «Müssen» und «schnell» zum Beispiel sind eng miteinander verbunden. Beginnen Sprechende, auf «müssen» zu achten, verschwindet meist auch das «schnell» aus ihrer Sprache. Damit steigern sie ihre Klarheit und Präsenz wesentlich. Kunden werden das Auftreten und die Kommunikation als angenehm empfinden. Sprache im Drogeriealltag Drogistinnen und Drogisten nutzen Sprache, um Kundinnen und Kunden zu beraten. Da ist es zweckdienlich, wenn sie ihren Wortschatz und ihre Satzkonstruktionen gezielt und bewusst wählen. Sie verschaffen sich dadurch mehr Präsenz. Eine als angenehm empfundene Kommunikation mit der Drogistin oder dem Drogisten wirkt sich auf den Verlauf des Kundengesprächs positiv aus. Für viele ist es neu, auf Wörter und Satzbau in der eigenen Sprache zu achten. Viele haben zwar mal in einem Kommunikationsworkshop gehört, dass «müssen» auf Mitmenschen unangenehm wirken kann. Doch sie haben nie gelernt, «müssen» in ihrer eigenen Sprache zu hören. Viele kennen auch ihre «Lieblingswörter» und wiederkehrenden Floskeln nicht. Sie merken zwar, dass ein Gespräch nicht gut verlief. Doch sie können sich nicht erklären, woran es liegt. Die Sprache achtsam für Kundengespräche einzusetzen, lässt sich lernen. Vom Bemerken zum Verändern ist es allerdings ein gutes Stück Weg. Wer den ersten Schritt tut und sich mit den eigenen sprachlichen Gewohnheiten auseinandersetzt, ist oft erstaunt, was sich in Kürze alles tut. Kleine Änderungen bewirken viel. Denn in der Sprache liegt eine enorme Kraft – eine Kraft, die wir im Alltag zu unserem Nutzen einsetzen können. | Eva Woodtli Wiggenhauser