Erweiterte lebensrettende Maßnahmen

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Erweiterte
ebensrettende
Maßnahmen
(Advanced Life Support, ALS
Anwendermanual
5. Auflage
ISBN 9076934231
EAN 9789076934235
April 2006
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen I
European Resuscitation Council
Advanced Life Support
Course Manual (5th Edition)
Editorial Board
Jerry Nolan (Chairman)
David Gabbott
Andy Lockey
Sarah Mitchell
Gavin Perkins
David Pitcher
Jasmeet Soar
Contributors
Gamal Abbas
Max Groenhart
Koen Monsieurs
Annette Alfonzo
Carl Gwinnutt
Jerry Nolan
Hans-Richard Arntz
Anthony Handley
Gavin Perkins
Alessandro Barelli
Bob Harris
David Pitcher
Peter Baskett
Freddy Lippert
Maureen Ryan
Leo Bossaert
Sara Harris
Claudio Sandroni
Charles Deakin
Andy Lockey
Mike Scott
Patrick Druwé
David Lockey
Gary Smith
David Gabbott
Carsten Lott
Jasmeet Soar
Sarah Gill
Sarah Mitchell
Karl Thies
Illustrations
Drawings by Jean-Marie Brisart - [email protected]
Drawings based on original photographs taken by Mike Scott
Cover page by Anita Muys, Nieuwe Mediadienst, Universiteit Antwerpen, Belgium
British Thoracic Society (page 128)
This manual is based on the ALS Manual (5th Edition) produced by the Resuscitation Council (UK).
Acknowledgements
We thank Oliver Meyer for the digital preparation of the ECG’s and rhythm strips,
and Jeroen Janssens (ERC) for the administrative co-ordination
Published by European Resuscitation Council Secretariat VZW, Universiteitsplein 1, BE 2610 Antwerp - Belgium.
ISBN 9076934231 EAN 9789076934235
Printed by The Image Factory, Lindestraat 9, BE 2880 Bornem, Belgium
© European Resuscitation Council 2006. All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted in
any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording or otherwise, without the prior written permission of the ERC.
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rapid advances in the medical sciences, the editor recommends that independent verification of diagnosis should be made.
II Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Erweiterte lebensrettende Maßnahmen (Advanced Life Support, ALS) im Überblick 1
Kapitel 2
Erkennung von Risikopatienten und die Vermeidung eines Kreislaufstillstandes 5
Kapitel 3
Akute Koronarsyndrome (ACS) 13
Kapitel 4
Versorgung des Kreislaufstillstands im Krankenhaus 25
Kapitel 5 Behandlungsalgorithmus der erweiterten lebensrettenden Maßnahmen
(Advanced Life Support Algorithm) 33
Kapitel 6 Atemwegsmanagement und Beatmung 41
Kapitel 7 Kardiales Monitoring, EKG und Rhythmus-Diagnostik 57
Kapitel 8 Defibrillation
75
Kapitelr 9 Verabreichung von Medikamenten
85
Kapitel 10 Medikamente 91
Kapitel 11 Schrittmacherstimulation des Herzens 103
Kapitel 12
Herzrhythmusstörungen vor und nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand 109
Kapitel 13
Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen 117
Kapitel 14 Die Versorgung nach der Wiederbelebung 139
Kapitel 15 Ethische und rechtliche Aspekte der Reanimation
149
Kapitel 16 Unterstützung von Angehörigen während der Reanimation 153
Kapitel 17
Analyse und Outcome nach einem Kreislaufstillstand
157
Appendix 1
LBLS 163
Appendix 2
Useful websites 169
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen III
Glossary
Throughout this publication:
■ the masculine pronouns he, him and his are used generically;
■ the terms cardiopulmonary arrest, cardiorespiratory arrest and cardiac arrest have been used interchangeably;
■ adrenaline is the preferred term for adrenaline/epinephrine.
AC
ACEI
ACS
AED
AF
ALS
AMI
AV
AVNRT
AVRT
BLS
BP
CCU
CK
CHB
CPR
CVP
DC
DNAR
ECG
ED
EMS
GCS
HDU
ICD
ICU
IM
IO
IV
JVP
Lidocaine LMA
LMAP
alternating current
angiotensin converting enzyme inhibitor
acute coronary syndrome
automated external defibrillator
atrial fibrillation
advanced life support
acute myocardial infarction
atrioventricular as in atrioventricular node
AV nodal re-entry tachyarrhythmia
AV re-entry tachyarrhythmia
basic life support- no equipment is used except protective devices
blood pressure
coronary care unit
creatine kinase
complete heart block
cardiopulmonary resuscitation - refers to chest compressions and ventilations
central venous pressure
direct current
do not attempt resuscitation
electrocardiogram
emergency department
emergency medical services, e.g. ambulance service
glasgow cana scale
high dependence unit
implantable cardioverter-defibrillator
intensive care unit
intramuscular
intraosseous
intravenous
jugular venous pressure
the preferred term for lignocaine
laryngeal mask airway
LMA ProsealTM
LT
LV
MET
MILS
NSTEMI
PCI
PEA
ROSC
RV
SA
SBP
SCA
STEMI
SVT
VF
VT
VF/VT
WPW
laryngeal tube
left ventricular
medical emergency team
manual in-line stabilisation
non-ST elevation myocardial infarction
percutaneous coronary intervention
pulseless electrical activity
return of spontaneous circulation
right ventricular
sino-atrial as in sino-atrial node
systolic blood pressure
sudden caroliace arrest
ST elevation myocardial infarction
supraventricular tachycardia
ventricular fibrillation
ventricular tachycardia
VF/pulseless VT
Wolff-Parkinson-White syndrome
IV Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Erweiterte lebensrettende Maßnahmen
(Advanced Life Support, ALS)
Kapitel
im Überblick
Einleitung: Die Problematik
Ischämische Herzerkrankungen sind weltweit die
Haupttodesursache. In Europa sind kardiovaskuläre
Erkrankungen für ungefähr 40% aller Todesfälle vor
dem 75. Lebensjahr verantwortlich. Der plötzliche
Herztod ist ursächlich für mehr als 60 % der Todesfälle
bei Erwachsenen mit koronarer Herzerkrankung (KHK).
Gesammelte Daten aus 37 europäischen Ländern zeigen,
dass die jährliche Inzidenz von rettungsdienstlich
behandelten Kreislauf-Atem-Stillständen (alle Rhythmen
umfassend) bei 38 Fällen pro 100.000 Einwohner liegt.
Basierend auf diesen Daten, liegt die jährliche Häufigkeit
durch Kammerflimmern (Ventricular Fibrillation, VF)
bedingter Kreislaufstillstände bei 17 pro 100.000. Die
Krankenhausentlassungsrate beträgt 10,7 % bezogen
auf alle Kreislaufstillstände,und 21,2 % bei durch
Kammerflimmern (VF) ausgelöste Kreislaufstillständen.
Ein Drittel aller Menschen, die einen Myokardinfarkt
erleiden, sterben vor Aufnahme in ein Krankenhaus. Die
meisten sterben innerhalb einer Stunde nach dem Beginn
der akuten Symptome. Beim größten Teil dieser Todesfälle
ist der abgeleitete Rhythmus ein Kammerflimmern (VF)
oder eine pulslose ventrikuläre Tachykardie (VT). Die
einzige wirksame Behandlung dieser beiden Arrhythmien
ist ein Defibrillationsversuch, denn mit jeder Minute
Verzögerung sinken die Chancen einer erfolgreichen
Defibrillation um ungefähr 7-10 %. Unter stationären
Bedingungen liegt die Häufigkeit für Kammerflimmern
(VF) nach Myokardinfarkt bei ungefähr 5 %.
Die Inzidenz innerklinischer Kreislaufstillstände ist
schwierig zu bewerten, da diese stark beeinflusst wird von
Faktoren, wie den Kriterien einer Krankenhausaufnahme
oder der Implementierung von Behandlungsprotokollen
für Fälle, in denen auf Reanimationsmaßnahmen
verzichtet werden soll (do-not-attempt-resuscitation/
DNAR policies). Die Häufigkeit eines primären
1
Kreislaufstillstandes liegt innerklinisch bei ungefähr
1,5 - 3 Fällen pro 1000 Aufnahmen. Bei etwa zwei von
drei innerklinischen Kreislaufstillständen ist der initial
abgeleitete Rhythmus entweder eine Asystolie oder eine
pulslose elektrische Aktivität (PEA). Viele dieser Patienten
weisen signifikante Begleiterkrankungen auf, die den
initialen Rhythmus beeinflussen. In diesen Fällen kommen
Strategien zur Verhinderung eines Kreislaufstillstandes
eine besondere Bedeutung zu.
Die Überlebenskette
Die Gesamtheit der Interventionen, die zu einem
erfolgreichen Outcome nach einem Kreislaufstillstand
führen, können als Kette betrachtet werden, welche als
„Überlebenskette“ bezeichnet wird. (Abbildung 1.1)
Da eine Kette nur so stark ist, wie ihr schwächstes Glied,
müssen alle vier Glieder der Überlebenskette stark sein.
Sie umfassen:
• Frühzeitiges Erkennen und Hilferuf;
• Frühzeitige kardiopulmonale Reanimation (CPR);
• Frühzeitige Defibrillation;
• Maßnahmen zur Versorgung nach einer Reanimation.
Frühzeitiges Erkennen und Hilfefruf
Außerklinisch sollte die Bedeutung von Brustschmerzen
frühzeitig erkannt werden und Betroffene oder
Ersthelfer veranlassen, den Rettungsdienst zu alarmieren;
die daraus resultierende Notfallbehandlung kann
einen Kreislaufstillstand verhindern. Nach einem
außerklinischen Kreislaufstillstand ist der rasche Zugang
zum Rettungsdienst überlebenswichtig. In den meisten
europäischen Ländern erfolgt der Notruf über eine
einheitliche Telefonnummer.
Abbildung 1.1 Die Überlebenskette
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen KAP
1
Kapitel 1 Erweiterte lebensrettende Maßnahmen (Advanced Life Support, ALS)
Land
Notrufnummer
Deutschland
112, 19222
(Rettungsdienst)
Italien
112, 113, 115, 118
Österreich
112, 144 (Rettung)
Schweiz
144 (Rettungsdienst)
Innerklinisch ist es entscheidend, dass lebensbedrohlich
erkrankte Patienten mit erhöhtem Risiko eines
Kreislaufstillstandes frühzeitig erkannt werden.
Durch rechtzeitiges Hinzuziehen eines medizinischen
Notfallteams soll das Eintreten eines Kreislaufstillstandes
verhindert werden (Kapitel 2). In allen Krankenhäusern
sollte eine einheitliche Telefonnummer zur Alarmierung
des Notfallteams etabliert werden. Kommt es zu einem
Kreislaufstillstand, darf der Defibrillationsversuch
nicht verzögert werden, bis das Notfallteam eintrifft.
Das medizinische Personal sollte im Umgang mit
Defibrillatoren geschult werden.
Frühzeitige kardiopulmonale
Reanimation (CPR)
Durch Herzdruckmassage und Beatmung kann die
Schädigung von Gehirn und Herz des Opfers verzögert
werden. Nach außerklinischem Kreislaufstillstand wird
durch Ersthelfer-CPR die Zeitspanne für eine erfolgreiche
Reanimation verlängert und damit die Überlebenschance
wahrscheinlich verdoppelt. Ungeachtet dieser Tatsache
kommt es in den meisten europäischen Ländern nur in
einer Minderheit der Fälle zu einer Ersthelferreanimation.
Nach innerklinischem Kreislaufstillstand muss umgehend
mit Herzdruckmassage und Beatmung begonnen
werden. Dadurch sollte jedoch eine Defibrillation bei
Patienten mit Kammerflimmern (VF) oder pulsloser
ventrikulärer Tachykardie (VT) nicht verzögert werden.
Unterbrechungen der Herzdruckmassage müssen
zeitlich minimiert werden und sollten sich auf Phasen
von Defibrillationsversuchen und Rhythmuskontrolle
beschränken.
Maßnahmen zur Versorgung nach einer
Reanimation
Die Rückkehr eines Spontankreislaufes (Return of
spontaneous circulation, ROSC) ist eine wichtige Phase
im Verlauf einer Reanimation. Das endgültige Ziel ist die
Wiederherstellung einer normalen zerebralen Funktion,
eines stabilen Herzrhythmus´ sowie einer normalen
Hämodynamik des Partienten, so dass dieser die Klinik
in angemessener Gesundheit und mit minimalem
Risiko eines erneuten Kreislaufstillstandes verlassen
kann. Die Qualität der erweiterten lebensrettenden
Maßnahmen (ALS) in der Postreanimationsphase
beeinflusst das letztliche Outcome des Patienten. Die
Postreanimationsphase beginnt am Ort der Rückkehr
eines Spontankreislaufes. Der ALS-Anwender muss in der
Lage sein, die Maßnahmen zur Versorgung nach einer
Reanimation mit hoher Qualität durchzuführen, bis der
Patient in eine geeignete Intensivbehandlungseinheit
transferiert wird.
Wissenschaft und Leitlinien
Ende 2005 wurde der Internationale Konsensus zur
Kardiopulmonalen Reanimation und Kardiovaskulären
Notfallmedizin mit den Behandlungsempfehlungen
veröffentlicht. Er ist das Ergebnis einer anhaltenden
Zusammenarbeit von Reanimationsexperten weltweit.
Die Reanimationsleitlinien 2005 des European
Resuscitation Council (ERC) leiten sich aus diesem
Konsensdokument ab und der Inhalt des vorliegenden
Anwendermanuals basiert auf diesen Leitlinien. Die
meisten Wiederbelebungsorganisationen Europas haben
die Leitlinien des ERC ratifiziert und übernommen.
Frühzeitige Defibrillation
Nach außerklinischem Kreislaufstillstand ist es das
Ziel, einen Defibrillationsversuch, sofern indiziert,
innerhalb von fünf Minuten nach Eingang des Notrufs
durchzuführen. Vielerorts kann dies nur durch die
Einführung von Programmen zur Ersthelferdefibrillation
(Public Access Defibrillation, PAD) mit halbautomatischen
Defibrillatoren (AEDs) erreicht werden. Innerklinisch sollte
eine ausreichende Anzahl medizinischen Fachpersonals
in der Benutzung eines Defibrillators ausgebildet und
authorisiert sein. Damit soll gewährleistet werden, dass
der ersteintreffende Helfer bei einem Kreislaufstillstand,
falls indiziert, unverzüglich einen Defibrillationsversuch
unternehmen kann.
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
KAP
1
ALS-Algorithmus der erweiterten lebensrettenden Maßnahmen (ALS) bei Erwachsenen
Keine Reaktion?
Atemwege freimachen
Auf Lebenszeichen achten
Reanimationsteam
verständigen
CPR 30:2
bis Defibrillator/EKG-Monitor angeschlossens
Rhythmus
beurteilen
defibrillierbar
(VF / pulslose VT)
1 Shock
150-360 J biphasisch
oder 360 J monophasic
Sofort weiterführen
30:2
2 min
Nicht-difibrillierbar
(PEA / Asystolie)
Während der CPR:
• Reversible Ursachen* beheben*
• Elektrodenposition und -kontakte
überprüfen
• Intravenösen Zugang legen/
überprüfen
• Sauerstoffgabe
• Atemwege sichern
• Wenn endotracheal intubiert,
Herzdruckmassage ohne
Unterbrechung
• Adrenalin alle 3-5 min
• Amiodaron, Atropin, Magnesium
erwägen
Sofort weiterf¨hren
30:2
2 min
*Reversible Ursachen
Hypoxie
Hypovolëmie
Hypo-/hyperkalëmie & metabolische Störungen
Hypothermie
Herzbeuteltamponade
Intoxikationen
Thrombose (koronar oder pulmonal)
Spannungspneumothorax
Abbildung 1.2 Algorithmus der erweiterten lebensrettenden Maßnahmen (ALS) bei Erwachsenen endotracheal intubiert gegen Atemweg gesichert austauschen
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen Kapitel 1 Erweiterte lebensrettende Maßnahmen (Advanced Life Support, ALS)
ALS-Algorithmus
Der universelle Algorithmus der erweiterten
lebensrettenden Maßnahmen (ALS-Algorithmus,
Abbildung 1.2) ist zentraler Inhalt des ALS-Kurses. Er ist
in den meisten Reanimationssituationen anwendbar.
Bei bestimmten Umständen können Modifikationen
erforderlich sein (siehe Kapitel 13).
Der ALS-Kurs
Der Kurs der erweiterten lebensrettenden
Maßnahmen (Advanced Life Support, ALS) bietet
einen standardisierten Ansatz zur kardiopulmonalen
Reanimation Erwachsener. Der Kurs richtet sich an
Ärzte, Krankenpflege- und anderes medizinisches
Fachpersonal, von denen erwartet wird, dass sie innerund außerklinisch ALS-Maßnahmen durchführen. Der
multidisziplinäre Charakter des Kurses fördert eine
effektive Teamarbeit. Durch das gemeinsame Training
haben alle ALS-Anwender während des Kurses die
Möglichkeit, sowohl als Teammitglieder, als auch als
Teamleiter eines Notfallteams Erfahrungen zu sammeln.
Weiterführende Literatur
Nolan JP, Deakin CD, Soar J, Bottiger BW, Smith G. European
Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2005. Section 4: Adult
advanced life support. Resuscitation 2005; 67
International Liaison Committee on Resuscitation. 2005 International
Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency
Cardiovascular Care Science with Treatment Recommendations.
Resuscitation 2005;67
Pell JP, Sirel JM, Marsden AK, Ford I, Walker NL, Cobbe SM. Presentation,
management, and outcome of out of hospital cardiopulmonary arrest:
comparison by underlying aetiology. Heart 2003;89:839-42.
Atwood C, Eisenberg MS, Herlitz J, Rea TD. Incidence of EMS-treated outof-hospital cardiac arrest in Europe. Resuscitation 2005;67:75-80.
Hodgetts TJ, Kenward G, Vlackonikolis I, et al. Incidence, location and
reasons for avoidable in-hospital cardiac arrest in a district general
hospital. Resuscitation 2002;54:115-23.
management, and outcome of out of hospital cardiopulmonary arrest:
comparison by underlying aetiology. Heart 2003;89:839-42.
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Hodgetts TJ, Kenward G, Vlackonikolis I, et al. Incidence, location and
reasons for avoidable in-hospital cardiac arrest in a district general
hospital. Resuscitation 2002;54:115-23.
Der Kurs besteht aus Workshops, Übungsstationen,
Szenariotraining simulierter Kreislaufstillstände und
Vorträgen. Das Wissen der Teilnehmer wird durch
einen Multiple-Choice-Test bewertet. Praktische
Fertigkeiten im Atemwegsmanagement und in der
initialen Versorgung eines kollabierten Patienten
(einschließlich einer ggf. indizierten Defibrillation),
werden kontinuierlich evaluiert. Eine weitere
Überprüfung erfolgt im Rahmen eines simulierten
Kreislaufstillstandsszenarios. Kursteilnehmer, die den
geforderten Standard erreichen, erhalten ein Zertifikat
als ALS-Provider. Es hat sich gezeigt, dass Wissen und
Fertigkeiten von Reanimationsmaßnahmen mit der Zeit
abnehmen. Daher ist eine regelmäßige Re-Zertifizierung
erforderlich. Die Re-Zertifizierung bietet die Gelegenheit
zur Auffrischung von Reanimationsfertigkeiten und zur
Aktualisierung der Leitlinienkenntnis. Dies kann durch
die erneute Teilnahme an einem Anwenderkurs oder an
einem akkreditierten Rezertifikationskurs geschehen.
Alle ALS-Anwender stehen in der Verantwortung, ihre
Reanimationsfertigkeiten aufrecht zu erhalten und
ihre Kenntnisse über Änderungen von Leitlinen und
praktischen Vorgehensweisen auf den aktuellsten Stand
zu bringen. Die Notwendigkeit einer Re-Zertifizierung
sollte als absolute Minimalanforderung zur Auffrischung
von Fertigkeiten und Wissen gesehen werden.
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Erkennung von Risikopatienten
und die Vermeidung eines
Kreislaufstillstandes
Lernziele
■ Bedeutung der frühzeitigen Erkennung
kritisch erkrankter Patienten.
■ Ursachen für einen Kreislaufstillstand bei
Erwachsenen.
■ Identifikation und Behandlung von
Risikopatienten mit Hilfe des ABCDESchemas.
Einführung
Die meisten Patienten mit einem Kreislaufstillstand
versterben. Bei überlebenden Patienten im Krankenhaus
ist der Kreislaufstillstand häufig beobachtetet und zeigt
Kammerflimmern im Monitor-EKG. Ursächlich ist häufig
eine primäre myokardiale Ischämie, die Patienten können
prompt und erfolgreich defibrilliert werden.
Bei den meisten stationär aufgenommenen Patienten
stellt ein Kreislaufstillstand weder ein plötzliches
noch ein unvorhersehbares Ereignis dar. In circa
80 % der Fälle kommt es in den Stunden vor dem
Kreislaufstillstand zu einer klinischen Verschlechterung
des Allgemeinzustandes. Diese Patienten zeigen oft eine
langsame und fortschreitende Verschlechterung ihrer
Vitalparameter, häufig in Verbindung mit einer nicht
erkannten oder nur unzureichend therapierten Hypoxie
und Hypotension. Der dem Kreislaufstillstand zugrunde
liegende EKG-Befund ist bei dieser Patientengruppe
meistens ein nicht defibrillierbarer Rhythmus (PEA oder
Asystolie), die Überlebenswahrscheinlichkeit bis zur
Krankenhausentlassung ist extrem schlecht.
Die frühe und effektive Behandlung kritisch erkrankter
Patienten kann möglicherweise einen innerklinischen
Kreislaufstillstand, den Tod des Patienten und eine
ungeplante Aufnahme auf der Intensivstation verhindern.
Risikopatienten, die eine Reanimation für sich selber
ablehnen, oder für die aus verschiedensten Gründen
ein Reanimationsversuch nicht mehr angemessen
wäre, können durch frühzeitiges Erkennen der Situation
gleichfalls identifiziert werden.
Erkennen von Risikopatienten
Klinische Zeichen für eine Verschlechterung des
Allgemeinzustandes sind unabhängig von der
Grunderkrankung zumeist sehr ähnlich, d.h. sie äußern
sich in einer Verschlechterung der Atemfunktion,
der Kreislaufsituation und im neurologischen
Erscheinungsbild. Mithilfe des ABCDE-Schemas lassen
European Resuscitation Council
Chapter
2
sich diese Probleme identifizieren. Bei Patienten
auf Normalstationen liegt häufig eine pathologisch
veränderte Physiologie vor. Trotzdem findet eine
Erfassung und Dokumentation von wichtigen
Vitalparametern bei akut Erkrankten häufig nur
unzureichend statt. Diese Tatsache ist erstaunlich, weil
schon eine pathologisch veränderte Atemfrequenz
einen drohenden Kreislaufstillstand anzuzeigen vermag.
Viele Krankenhäuser verwenden heutzutage feste
Alarmierungsregeln oder standardisierte FrühwarnSysteme (z.B. EWS = Early-Warning-Scores) um
rechtzeitig gefährdete Patienten zu erfassen. Durch
die Zuordnung von Punktwerten für die erhobenen
Vitalparameter werden Abweichungen von vorher
definierten „Normalwerten“ bewertet. Aus der Summe
der Werte, oder der Beurteilung von Einzelwerten wird
der Grad der nötigen Intervention abgeleitet, z.B. eine
Verkürzung der Messintervalle, die Alarmierung des
Stationsarztes oder des Notfall-Teams. Eine Alternative zu
Frühwarnscoringsystemen sind feste Alarmierungsregeln,
die jeweils bei Feststellung eines oder mehreren extrem
veränderten Vitalparametern eine Alarmierung auslösen.
Die Überlegenheit eines dieser Systeme konnte bisher
nicht gezeigt werden.
Auch nach Information der Ärzte wegen der akuten
Verschlechterung der Vitalzeichen eines Patienten kommt
es oft zu Verzögerungen bis zur definitiven Behandlung
bzw. Verlegung des Patienten auf eine Intensiv- oder
Wachstation.
Behandlung der akuten Erkrankung
Der traditionelle Ansatz einen Kreislaufstillstand zu
behandeln ist die Entsendung eines Reanimationsteams.
Die Begriffe „Reanimationsteam“ oder „Herzalarmteam“
machen deutlich, dass diese Teams erst bei einem
eingetretenen Kreislaufstillstand aktiviert werden. In
einigen Krankenhäusern wurde das Reanimations-Team
durch andere Behandlungs-Teams ersetzt. Ein Beispiel
ist das Medical-Emergency-Team = MET (Medizinische
Notfallteam), das nicht nur bei einem Kreislaufstillstand
alarmiert wird, sondern auch für Patienten mit einer
akuten Verschlechterung des Allgemeinzustandes zur
Verfügung steht. Das MET besteht im Allgemeinen aus
Ärzten und Pflegepersonal der Intensivstationen und/
oder der Inneren Medizin, die anhand von spezifischen
Einsatzkriterien angefordert werden (siehe Tabelle
2.1). Dabei kann jeder Mitarbeiter des Krankenhauses
ein medizinisches Notfallteam (MET) anfordern. Eine
frühzeitige Involvierung des MET könnte die Anzahl
der innerklinischen Kreislaufstillstände, Todesfälle und
ungeplante Aufnahmen auf die Intensivstation senken.
Einige der häufigsten Interventionen des MET sind
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen KAP
2
Kapitel 2 Erkennung von Risikopatienten und die Vermeidung eines Kreislaufstillstandes
einfache Maßnahmen, wie z.B. die Gabe von Sauerstoff
oder Infusionen. In der Praxis müssen die Vorzüge eines
MET-Systems aber noch belegt werden.
Ein System der vorbeugenden Behandlung auf der
peripheren Station (pre-emptive ward care) mit
intensivierten Pflege + Behandlungsmaßnahmen (critical
care outreach) wurde in Großbritannien entwickelt.
Diese Sonderteams existieren in verschiedenster
Ausprägung, z.B. als ein einzelner Pflegekraft-Dienst
(häufig Intensivpflegepersonal) bis hin zu einem
multiprofessionellen Team, das 24-Stunden am Tag
verfügbar ist. Ein System der vorbeugenden Behandlung
auf der peripheren Station könnte Todesfälle reduzieren,
Komplikationen in der postoperativen Phase verhindern,
sowie die Aufnahmefrequenz und vor allem die
Wiederaufnahme auf die Intensivstation vermindern, und
so letztendlich die Gesamtüberlebensrate verbessern.
Idealerweise werden kritisch kranke Patienten auf eine
Station im Krankenhaus verlegt, die eine größtmögliche
Versorgungskapazität bzw. Organersatztherapie
anbieten kann. Das sind im Allgemeinen die
Sonderfunktionsbereiche wie die Intensivstation,
Wachstation und der Schockraum. Das ärztliche und
pflegerische Personal in diesen Funktionsbereichen sollte
Erfahrungen im Advanced-Life-Support haben, und in
allen nötigen Fertigkeiten geübt sein.
An Wochenenden und in der Nacht ist die
Personalbesetzung in den Krankenhäusern
am niedrigsten, dies hat Auswirkungen auf die
Patientenüberwachung, die Behandlung und auf
den Behandlungserfolg. Die Aufnahme in einem
Krankenhaus auf eine periphere Station am Abend
oder am Wochenende ist mit einer erhöhten Mortalität
verbunden. Einige Untersuchungen haben gezeigt,
dass ein Kreislaufstillstand im Krankenhaus am Abend
oder in der Nacht häufiger nicht beobachtet ist und
mit einer niedrigeren Überlebenswahrscheinlichkeit
vergesellschaftet ist. Eine Verlegung von der
Intensivstation auf Normalstationen in der Nacht ist mit
einer größeren Mortalität verbunden als eine Verlegung
am Tage oder die Verlegung auf eine Wachstation.
TABLLE 2.1. KRITERIEN ZUR ALARMIERUNG DES
MEDIZINISCHEN NOTFALLTEAMS (MET)
Akute
Physiologie:
Veränderung:
Atemweg
Bedroht
Atmung
Jeder Atemstillstand
Atemfrequenz < 5/min
Atemfrequenz > 36/min
Kreislauf
Jeder Kreislaufstillstand
Pulsfrequenz < 40/min
Pulsfrequenz > 140/min
Systolischer Blutdruck < 90 mmHg
Neurologie
Sudden decrease in level of
consciousness
Decrease in GCS of > 2 points
Repeated or prolonged seizures
Sonstiges
Any patient causing concern who
does not fit the above criteria
Ursachen für einen
Kreislaufstillstand
Ein Kreislaufstillstand kann durch ein primäres Problem
der Atemwege oder der Atmung verursacht, oder primär
kardiovaskulär bedingt sein.
Verlegung der Atemwege
Eine detaillierte Darstellung über das Management der
Atemwege finden Sie im Kapitel 6 des Handbuchs..
Ursachen
Eine Obstruktion der Atemwege kann komplett oder
partiell sein. Eine komplette Obstruktion führt rasch zu
einem Kreislaufstillstand. Eine partielle Verlegung geht
häufig einer kompletten voraus. Eine partielle Verlegung
kann zu einem Hirn- oder Lungenödem, zu allgemeiner
Erschöpfung, zu einem sekundären Versagen des
Atemantriebs, zu einem hypoxischen Hirnschaden, sowie
zu einem Kreislaufstillstand führen.
Ursachen für eine Atemwegsobstruktion:
• Blut
• Erbrochenes
• Fremdkörper (z.B. Zähne, Essen)
• Direkte Gesichts- oder Halsverletzungen
• Beeinträchtigungen des zentralen Nervensystems
• Epiglottitis
• Schwellung des Pharynx (z.B. bei Infektion, Ödem)
• Laryngospasmus
• Bronchospasmus
• Bronchialsekret
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Eine Beeinträchtigung des zentralen Nervensystems kann
zum Verlust der Atemwegskontrolle und der Schutzreflexe
führen. Zu den Ursachen zählen Kopfverletzungen,
intrazerebrale Störungen, Hyperkapnie, die Vigilanz
einschränkenden Auswirkungen metabolischer
Störungen (z.B. Diabetes mellitus), sowie Drogen
einschließlich Alkohol, Opioiden und Anästhetika.
Durch Stimulation der oberen Atemwege bei einem
bewusstseinsgetrübtem Patienten kann es zu einem
Laryngospasmus kommen, sofern die Schutzreflexe noch
erhalten sind.
Erkennung
Die Beurteilung der Atemwege ist bei jedem Patienten
mit erhöhtem Obstruktionsrisiko wichtig. Ein Patient
bei Bewusstsein wird über Schwierigkeiten beim Atmen
klagen. Er kann Erstickungsanfälle haben und wirkt
gestresst. Bei einer teilweisen Verlegung entstehen
hörbare Atemgeräusche. Bei einer kompletten
Verlegung ist keine Atmung zu hören, und es gibt
keine Luftbewegung am Mund des Patienten. Sind
Atembewegungen vorhanden, dann sind diese
meist sehr angestrengt. Typisch ist der Einsatz der
Atemhilfsmuskulatur und inverse Atembewegungen
(„Schaukelatmung“), d.h. bei der Einatmung wird die
Brust eingezogen und das Abdomen hebt sich, während
bei der Ausatmung das Gegenteil zu beobachten ist.
Behandlung
Bei der Behandlung ist vorrangig sicherzustellen, dass
die Atemwege frei bleiben. Die Behandlung sollte
alle Probleme berücksichtigen, die den Atemweg
gefährden. Zum Beispiel soll Blut und Erbrochenes
durch Absaugung aus den Atemwegen entfernt
werden und der Patient in Seitenlage gebracht werden,
sofern dies nicht kontraindiziert ist. Die Gabe von
Sauerstoff soll so früh als möglich beginnen. Bei jedem
Patienten mit eingeschränktem Bewusstsein, aus
welchem Grund auch immer, sollte auf eine aktuelle
oder drohende Atemwegsverlegung geachtet werden.
Es müssen Maßnahmen getroffen werden, um die
Atemwege zu schützen und weitere Komplikationen
wie die Aspiration von Mageninhalt zu verhindern.
Eine Vielzahl von Maßnahmen kann nötig werden; z.B.
die Versorgung des Patienten in Seitenlage oder mit
erhöhtem Oberkörper, eine Überstreckung des Kopfes,
die Anwendung des Esmarch-Handgriffs, die Verwendung
eines Oropharyngeal- oder Nasopharyngeal-Tubus
zum Offenhalten der oberen Atemwege, die geplante
endotracheale Intubation oder Tracheostomie, oder auch
die Platzierung einer Magensonde, um den Magen zu
entleeren.
Atmungsprobleme
Ursachen
Eine Ateminsuffizienz kann akut oder chronisch sein. Sie
kann kontinuierlich oder intermittierend auftreten. Sie
kann so ausgeprägt sein, dass sie einen Atemstillstand
verursacht, der sehr schnell zu einem Kreislaufstillstand
European Resuscitation Council
führt. Ein Atemstillstand entsteht häufig durch die
Kombination mehrerer Faktoren. Bei Patienten
mit chronischer respiratorischer Beeinträchtigung
kann sich zum Beispiel durch eine Lungeninfektion,
Muskelschwäche oder Rippenbrüche die Atemfunktion
weiter verschlechtern. Sobald die Atmung nicht mehr
ausreicht um das Blut adäquat zu oxygenieren, kommt es
eventuell zu einem Kreislaufstillstand.
Atemantrieb
Depression des zentralen Nervensystems kann den
Atemantrieb herabsetzen oder ganz aufheben. Die
Ursachen sind die gleichen wie bei der Obstruktion der
Atemwege.
Atemarbeit
Die wichtigsten Atemmuskeln sind das Zwerchfell und
die Interkostalmuskeln. Letztere werden auf Höhe der
jeweiligen Rippe innerviert und können durch eine
Rückenmarksverletzung oberhalb dieser Ebene gelähmt
werden. Die Innervation des Zwerchfells erfolgt auf Höhe
des dritten, vierten und fünften Halswirbels. Bei einer
schweren Verletzung des Rückenmarks oberhalb dieses
Niveaus ist eine Spontanatmung nicht mehr möglich.
Wegen Muskelschwäche oder Nervenschädigung kann
es bei vielen Erkrankungen zu einer unzulänglichen
Atemarbeit kommen (z.B. Myasthenia gravis, GuillainBarré-Syndrom, multiple Sklerose). Chronische
Unterernährung und eine schwere, lang anhaltende
Erkrankung können ebenfalls zu einer allgemeinen
Schwäche beitragen.
Die Atmung kann auch durch einschränkende Anomalien
der Thoraxwand, wie eine Kyphoskoliose, beeinträchtigt
werden. Schmerzen aufgrund von Rippen- oder
Sternumfrakturen können tiefe Atemzüge und Husten
verhindern.
Lungenerkrankungen
Die Lungenfunktion ist beim Pneumothorax
oder Hämatothorax eingeschränkt. Ein
Spannungspneumothorax führt zu einer rapiden
Verschlechterung des Gasaustauschs, zur Verringerung
des venösen Rückflusses zum Herzen und zu einem
starken Abfall der kardialen Auswurfleistung. Schwere
Lungenerkrankungen behindern den Gasaustausch.
Zu den Ursachen zählen Infektionen, Aspiration,
Verschlimmerung einer chronisch-obstruktiven
Lungenerkrankung (COPD), Asthma, Lungenembolie,
Lungenkontusion, akutes Atemnotsyndrom (ARDS) und
Lungenödem.
Erkennung
Ein Patient, der bei Bewusstsein ist, wird oft über
Kurzatmigkeit klagen und gestresst wirken. Anamnese
und Untersuchung werden meist auf die zugrunde
liegende Ursache hinweisen. Reizbarkeit, Verwirrung,
Lethargie und eine Bewusstseinstrübung können
Zeichen einer Hypoxämie und Hyperkapnie sein. Eine
Zyanose kann sichtbar sein, sie ist aber ein sehr spätes
Zeichen. Eine schnelle Atemfrequenz (> 30/min) ist ein
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen KAP
2
Kapitel 2 Erkennung von Risikopatienten und die Vermeidung eines Kreislaufstillstandes
nützlicher und einfacher Indikator für Atemprobleme.
Die Pulsoxymetrie bietet eine einfache und nicht invasive
Methode zur Beurteilung der Oxygenierung. Sie ist jedoch
kein zuverlässiger Indikator für die Ventilation, so dass
hierfür eine Blutgasanalyse erforderlich ist, um Werte für
den arteriellen Kohlendioxyd-Partialdruck (PaCO2) und
den pH zu erhalten. Bei einem Patienten mit schweren
respiratorischen Problemen sind Anstieg des PaCO2
und Absinken des pH häufig späte Zeichen für eine
Verschlechterung.
Behandlung
Jedem hypoxischen Patienten sollte Sauerstoff
verabreicht werden. Dann sollte die Behandlung auf
die zugrunde liegenden Ursachen gerichtet werden. So
sollte zum Beispiel bei einer Thoraxverletzung in der
Anamnese ein Spannungspneumothorax vermutet und
durch klinische Zeichen und Symptome bestätigt werden.
Nach Bestätigung der Diagnose sollte unverzüglich
durch Punktion mit einer großen Kanüle (14 G), im
zweiten Interkostalraum in der Medioklavikularlinie, eine
Entlastung durchgeführt werden (Nadelthorakocentese).
Kommt es bei Atemstörungen zur Erschöpfung benötigt
der Patient eine respiratorische Unterstützung. Mit einer
nicht-invasiven Beatmung (Non-Invasive-Ventilation)
über Maske oder Helm kann unter Umständen eine
Intubation verhindert werden. Für Patienten die selbst
mit Unterstützung nicht mehr adäquat atmen können,
muss eine kontrollierte Beatmung mit Sedierung und
Intubation durchgeführt werden.
Kreislaufprobleme
Ursachen
Bei einem Kreislaufstillstand werden nur in wenigen
Fällen keine zu Grunde liegenden Störungen des
Herz-Kreislaufsystems gefunden. Diese können durch
primäre Herzerkrankungen oder durch eine sekundäre
Beteiligung des Herzens bei anderen Erkrankungen
bedingt sein. Das Herz kann plötzlich stillstehen oder
über eine gewisse Zeit einen unzureichenden Auswurf
produzieren, bevor es dann zum Stillstand kommt.
Primäre Herzprobleme
Die häufigste kardiale Ursache für einen Kreislaufstillstand
ist eine ischämie- oder infarkt- bedingte Arrhythmie. Ein
rhythmogener Kreislaufstillstand kann auch durch andere
Herzerkrankungen, Überleitungsstörungen, Stromschlag
oder einige Medikamenten verursacht sein.
Ursachen für ein Kammerflimmern
• Akutes- Koronar-Syndrom (siehe Kapitel 3)
• Hypertensive Herzerkrankung
• Erkrankung der Herzklappen
• Medikamente (z.B. Antiarrhythmika, trizyklische
Antidepressiva, Digoxin)
• Vererbte Herzkrankheiten (z.B. das long-QTSyndrom)
• Azidose
• Pathologisch veränderte
Elektrolytkonzentrationen (z.B. Kalium,
Magnesium, Kalzium)
• Hypothermie
- Stromschlag
Zum plötzlichen kardial bedingten Kreislaufstillstand
kann es auch bei Klappenfehlern, Herzversagen,
Herzbeuteltamponade, Ruptur des Herzmuskels,
Myokarditis und hypertrophen Kardiomyopathien
kommen.
Sekundäre Herzprobleme
Das Herz wird auch von anderen Vorgängen im
Organismus beeinflusst. Zum Beispiel kann es zum
Herzstillstand durch eine Asphyxie in Folge einer
Atemwegsverlegung oder einer Apnoe kommen, durch
einen Spannungspneumothorax, oder durch einen
schweren Blutverlust. Bei schwerer Hypoxämie und
Anämie, Hypothermie, Verminderung der Perfusion
und schwerem septischen Schock kann ebenfalls ein
Kreislaufstillstand auftreten.
Erkennung
Zu den Erkennungszeichen einer Herzerkrankung
gehören Brustschmerz, Kurzatmigkeit, Tachykardie,
Bradykardie, Erhöhung der Atemfrequenz, Hypotension,
eine schlechte periphere Durchblutung (Verlängerung
der Kapillarreperfusionszeit), Veränderungen des
Bewusstseinszustandes und die Oligurie.
Den plötzlichen Herztod erleiden am häufigsten
Menschen mit einer nicht erkannten, vorbestehenden
Herzkrankheit. Obwohl das Risiko bei Patienten mit
bekannter schwerer Herzkrankheit größer ist, kommt
der plötzliche Herztod häufiger bei Menschen mit nicht
vorbekannter Herzkrankheit vor. Ursachen für eine initial
asymptomatische Herzerkrankung sind die hypertensive
Herzkrankheit, Aortenklappenerkrankungen,
Kardiomyopathien, die Myokarditis und eine stille
Ischämie.
Nur wenige Fälle von plötzlichem Herztod ereignen
sich bei Patienten mit leerer kardialer Anamnese
und mit einem scheinbar normalen Herz. Diese
Patienten sind meist jung, aktiv und haben keine
relevanten Vorerkrankungen. Risikofaktoren für
Herzerkrankungen sind: fortgeschrittenes Alter, eine
positive Familienanamnese, männliches Geschlecht,
Nikotinabusus, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie und
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Hypertonie. Von einer zunehmende Anzahl kardialer
Erkrankungen weiß man, dass sie mit genetischen
Markern assoziiert sind, wie z.B. hypertrophe
Kardiomyopathie, rechtsventrikuläre Dysplasie oder eine
Verlängerung des QT-Intervalls.
Die erfolgreichste Prävention zielt auf die Behandlung
der zugrunde liegenden Herzkrankheit ab. Die häufigste
klinische Manifestation einer koronaren Herzerkrankung
ist der Brustschmerz (Siehe Kapitel 3).
Behandlung
AEine ausführliche Beschreibung der Behandlung eines
akuten Koronarsyndroms (ACS) findet sich in Kapitel
3. Bei der Akutbehandlung eines ACS sollten folgende
Maßnahmen ergriffen werden:
• Sauerstoffgabe (in hoher Konzentration);
• Acetylsalicylsäure 300mg (z.B. als ASS-Kautablette
oder zermörsert);
• Nitroglyzerin (als sublinguales Spray oder Tablette);
• Morphin (intravenös titriert um eine Sedierung oder
Atemdepression zu vermeiden).
Die meisten Patienten mit Angina pectoris (AP) möchten
gerne aufrecht sitzen. In einigen Fällen kann ein Hinlegen
AP-Beschwerden auslösen oder verschlimmern. Es sollte
immer an die Gabe von Antiemetika gedacht werden, vor
allem wenn der Patient über Übelkeit klagt.
Überlebende einer früheren Episode mit
Kammerflimmern erleiden sehr wahrscheinlich
weitere Episoden, wenn keine prophylaktische
Behandlung erfolgt. Bei diesen Patienten könnte eine
Koronarangiografie, eine aortokoronare Bypassoperation
oder ein implantierbarer Kardioverter-Defibrillator
sinnvoll sein.
Eine Behandlung der Ursachen sollte viele sekundäre
Kreislaufstillstände verhindern helfen. Beispielhaft
erwähnt sei die zügige Optimierung der Perfusion
vitaler Organe bei schwerer Sepsis (Early-Goal-DirectedTherapy), die in diesem Fall die Mortalität erheblich
senken kann. Zur kardiovaskulären Unterstützung können
die Beseitigung einer Störung des Elektrolythaushaltes
oder des Säure-Basen-Gleichgewichts gehören, sowie
eine Therapie zur Optimierung von Herzfrequenz,
Rhythmus und Herzminutenvolumen. Ein erweitertes
kardiovaskuläres Monitoring mittels PulmonalisKatheter und Echokardiographie kann erforderlich
sein. Flüssigkeitstherapie und vasoaktive Substanzen
sind eventuell notwendig, um die Füllung des Herzens
günstig zu beeinflussen. Inotrope Substanzen und
Vasokonstriktoren können erforderlich sein um
das Herzminutenvolumen und den Blutdruck zu
unterstützen. In einigen Situationen können mechanische
Maßnahmen zur Kreislaufunterstützung (z.B. intra-aortale
Ballonpumpe) oder eine Herztransplantation notwendig
sein.
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Das ABCDE-Schema
Das Vorgehen
Der grundsätzliche Ansatz zur Behandlung von kritisch
kranken Patienten ist immer gleich. Das Vorgehen ist
folgendermaßen:
1. Untersuchen und behandeln Sie den Patienten
anhand des ABCDE-Schemas:
A = Airway - Atemweg
B = Breathing - Atmung (Beatmung)
C = Circulation - Kreislauf (Cirkulation)
D = Disability - Defizit (neurologisch)
E = Exposure - Exploration
2. Führen Sie ein komplette körperliche Untersuchung
und regelmäßige Nachuntersuchungen durch.
3. Behandeln Sie zuerst die lebensbedrohlichen
Probleme, bevor Sie weitere Untersuchungen
durchführen.
4. Überwachen Sie den Behandlungserfolg.
5. Denken Sie an zusätzliche Expertenhilfe. Fordern Sie
frühzeitig Hilfe nach.
6. Beteiligen Sie alle Teammitglieder am Geschehen.
Dadurch können verschiedene Maßnahmen parallel
durchgeführt werden, wie z.B. Untersuchungen, das
Anschließen des Monitors und die Anlage eines i.v.Zugangs.
7. Kommunizieren Sie ruhig und bestimmt.
8. Das Ziel der ersten Behandlungsschritte ist es, den
Patienten am Leben zu erhalten und eine klinische
Verbesserung des Allgemeinzustandes zu erreichen.
Dadurch entsteht ein größeres Zeitfenster für weitere
Maßnahmen.
9. Beachten Sie - Jede Behandlung benötigt Zeit um
Wirkung zeigen zu können!
Erste Schritte
1. Eigenschutz beachten!
2. Erster Allgemeineindruck ➞ In welchem Zustand ist
der Patient?
3. Bei wachen Patienten ➞ Ansprechen „Wie geht es
Ihnen?“. Erscheint der Patient bewusstseinsgetrübt
oder bewusstlos ➞ Berühren und Ansprechen
„Hallo, ist alles in Ordnung“. Sollte der Patient normal
sprechen können, dann sind die Atemwege frei, die
Atmung ist unbehindert, und eine zerebrale Perfusion
ist vorhanden. Sollte er nur in kurzen Sätzen sprechen
können besteht wahrscheinlich ein Atemproblem.
Hat der Patient nicht reagiert, so ist das ein sicheres
Zeichen für einen gefährdeten Patienten.
4. Erfassen Sie frühzeitig die Vitalparameter. Bei
allen kritisch kranken Patienten gehören ein
Pulsoxymeter, EKG-Monitor und eine nichtinvasive Blutdruckmessung so schnell wie möglich
angeschlossen.
5. Legen Sie einen i.v.-Zugang sobald wie möglich.
Nehmen Sie dabei Blutproben für Untersuchungen ab.
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen KAP
2
Kapitel 2 Erkennung von Risikopatienten und die Vermeidung eines Kreislaufstillstandes
A = Airway (Atemweg)
Die Obstruktion der Atemwege ist ein Notfall.
Expertenhilfe muss sofort angefordert werden.
Unbehandelt führt eine Verlegung der Atemwege zur
Hypoxie mit dem Risiko einer Schädigung des Gehirns,
der Nieren, und des Herzens. In der Folge kann es zu
einem Kreislaufstillstand und zum Tod kommen.
1. Achten Sie auf Zeichen einer Verlegung der
Atemwege.
• Eine Obstruktion verursacht eine paradoxe
Bewegung von Thorax und Abdomen beim Atmen
(„Schaukelatmung“) und die Zuhilfenahme der
Atemhilfsmuskulatur. Eine zentrale Zyanose ist ein
spätes klinisches Zeichen der Atemwegsobstruktion.
Bei einer kompletten Verlegung sind keine
Atemgeräusche an Mund und Nase hörbar. Bei einer
Teilverlegung sind die Atemgeräusche häufig laut
und das Atemzugvolumen ist verringert.
• Kritisch Kranke mit einer eingeschränkten
Bewusstseinslage entwickeln häufig eine Verlegung
der Atemwege.
2. Behandeln Sie eine Obstruktion der Atemwege als
dringenden medizinischen Notfall:
• Fordern Sie sofort Expertenhilfe an! Unbehandelt
führt eine Obstruktion zur Hypoxie mit dem Risiko
einer Schädigung des Gehirns, der Nieren, und des
Herzens, sowie dem Risiko eines Kreislaufstillstandes
und des Todes.
• In den meisten Fällen sind nur einfache Maßnahmen
notwendig um die Atemwege frei zu machen (z.B.
Halsüberstrecken, Absaugen, Oropharyngeal- oder
Nasopharyngeal-Tuben). Sollten diese Maßnahmen
nicht zum Erfolg führen ist eine Intubation
notwendig.
3. Geben Sie Sauerstoff in hoher Konzentration:
• Mit Hilfe einer Sauerstoff-Maske mit Reservoirbeutel
kann eine hohe O2-Konzentration erreicht werden.
Der O2-Fluss muss ≥10 l min-1 betragen, damit
beim Einatmen der Reservoirbeutel gefüllt bleibt.
Bei einem intubierten Patienten applizieren Sie
über den Beatmungsbeutel Sauerstoff in hoher
Konzentration.
• Bei einem akuten Versagen der Atmung muss der
PaO2 so normal wie möglich gehalten werden
(ungefähr bei 100 mmHg oder 13 kPa). Bei einigen
Patienten ist diese Vorgabe nicht zu realisieren, so
dass in Ausnahmefällen auch Werte von mindestens
60 mmHg (8 kPa) oder einer Sättigung von 90 % im
Pulsoxymeter toleriert werden können.
B = Breathing (Atmung)
Schon bei der ersten Untersuchung der Atmung müssen
akut vital bedrohliche Zustände wie akutes schweres
Asthma, Lungenödem, Spannungspneumothorax oder
ein massiver Hämatothorax erkannt und behandelt
werden.
10 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
1. Achten Sie durch Hören, Fühlen, und Sehen auf die
Zeichen einer eingeschränkten Atmung: Schwitzen,
zentrale Zyanose, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
und Bauchatmung.
2. Bestimmen Sie die Atemfrequenz. Normal ist eine
Atemfrequenz zwischen 12–20 Atemzügen pro
Minute. Eine hohe oder ansteigende Atemfrequenz
ist ein Zeichen für eine Störung und kann als
Warnung für eine bevorstehende Verschlechterung
verstanden werden.
3. Prüfen Sie die Tiefe der Atemzüge und den
Atemrhythmus. Ebenfalls ist zu prüfen, ob sich beide
Lungenhälften symmetrisch bewegen.
4. Erfassen Sie Deformitäten des Thorax, weil
hierdurch im Falle einer Verschlechterung
die pulmonalen Reserven eingeschränkt sein
könnten. Sind Pulsationen der Jugularvenen
sichtbar (z.B. bei akutem Asthma oder einem
Spannungspneumothorax)? Liegen Thoraxdrains und
sind sie durchgängig? Ein aufgetriebenes Abdomen
kann die Zwerchfellatmung beeinträchtigen und die
Atemarbeit erschweren.
5. Dokumentieren Sie die inspiratorische O2Konzentration und die Sättigung im Pulsoxymeter
(Normalwerte 97-100 %). Mit der Pulsoxymetrie kann
eine Hyperkapnie nicht festgestellt werden. Sollte
der Patient mit Sauerstoff angereicherte Atemluft
erhalten, kann auch bei stark erhöhtem PaCO2 die O2Sättigung normal sein.
6. Hören Sie am Gesicht des Patienten nach
Atemgeräuschen. Blasige Rasselgeräusche deuten auf
Sekrete in den Atemwegen hin, die gewöhnlich durch
fehlendes Husten oder flache Atemzüge bedingt sind.
Ein Stridor oder Giemen deutet auf eine signifikante
partielle Obstruktion hin.
7. Perkutieren Sie den Brustkorb. Ein hypersonorer
Klopfschall kann auf einen Pneumothorax hinweisen,
ein abgeschwächter Klopfschall auf Pleuraergüsse
oder eine Konsolidierung der Lunge.
8. Auskultieren Sie den Brustkorb. Bronchiales Atmen
deutet auf eine Konsolidierung der Lunge mit offenen
Atemwegen hin. Fehlende oder abgeschwächte
Atemgeräusche können einen Pneumothorax,
Pleuraergüsse, oder eine Lungenkonsolidierung
durch komplett verlegte Atemwege anzeigen.
9. Überprüfen Sie die Position der Trachea im
Jugulum (oberhalb des Sternums). Eine Deviation
zur Seite zeigt eine Mediastinal-Verlagerung an
(z.B. beim Pneumothorax, bei Lungenfibrose oder
Pleuraergüssen).
10. Palpieren Sie die Thoraxwand. Achten Sie auf ein
Hautemphysem (gilt bis zum sicheren Ausschluss als
Zeichen für einen Pneumothorax).
11. Die spezielle Behandlung einer Atemstörung ist
immer von der auslösenden Ursache abhängig.
Dennoch sollten alle gefährdeten Patienten
Sauerstoff erhalten. Bei Patienten mit einer chronischobstruktiven Lungenerkrankung (COPD) könnte
durch Gabe von hochkonzentriertem Sauerstoff der
Atemantrieb gehemmt werden. Lassen Sie aber zu,
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dass der Sauerstoffgehalt des Blutes sinkt, werden
auch diese Patienten hypoxische Organschäden
oder einen Kreislaufstillstand erleiden. Unter solchen
Umständen können aber tiefere PaO2- und spO2Werte toleriert werden. Als Zielwerte sind hier ein
PaO2 von 60 mmHg (8 kPa) oder Sättigungen von 90
% in der Pulsoxymetrie akzeptabel.
12. Sollte die spontane Atmung eines Patienten
unzureichend sein oder fehlen, lassen Sie sofort
Expertenhilfe anfordern und unterstützen
Sie zwischenzeitlich die Atmung mit einem
Beatmungsbeutel und Maske.
C = Circulation (Kreislauf)
Bis zum Beweis des Gegenteils gilt bei fast allen
medizinischen oder chirurgischen Notfällen die
Hypovolämie als die häufigste Ursache eines
Schockzustandes. Alle zentralisierten Patienten mit
einer erhöhten Herzrate sollten Infusionen erhalten.
Ausnahmen sind Patienten mit offensichtlichen
Hinweisen auf eine kardiale Ursache. Bei chirurgischen
Patienten muss eine verdeckte oder offene Blutung
ausgeschlossen werden. Auch Atemprobleme, wie
ein Spannungspneumothorax, können den Kreislauf
beeinträchtigen. Ein solches Problem hätte schon bei
B = Breathing (Atmung) erfasst und behoben werden
müssen.
1. Untersuchen Sie die Hände und Finger ➞ Sind sie
blau, rosig, blass oder marmoriert?
2. Beurteilen Sie die Temperatur der Extremitäten durch
berühren der Hände ➞ Sind sie kalt oder warm?
3. Beurteilen Sie die Kapillarperfusion. Pressen Sie
eine Fingerspitze des Patienten für 5 Sekunden,
so dass die Haut blass wird. Halten Sie die Hand
dabei auf Herzhöhe. Beobachten Sie jetzt die Zeit,
bis die Druckstelle die gleiche Farbe hat wie der
restliche Finger. Normalerweise sollte es nicht mehr
als 2 Sekunden dauern. Eine Verlängerung der
Reperfusionszeit bedeutet eine schlechte periphere
Zirkulation. Andere Faktoren können ebenfalls
die Reperfusionszeit verlängern (z.B. eine kalte
Umgebung, schlechte Lichtverhältnisse, oder hohes
Alter).
4. Beurteilen Sie die Venenfüllung. Bei einer
Hypovolämie können die Venen schlecht gefüllt oder
kollabiert sein.
5. Zählen Sie die Pulsfrequenz (oder vorzugsweise die
Herzfrequenz).
6. Tasten Sie die peripheren und zentralen Pulse.
Beurteilen Sie Vorhandensein, Frequenz, Qualität,
Regelmäßigkeit, und Vergleichbarkeit. Kaum tastbare
zentrale Pulse lassen auf eine schlechte kardiale
Auswurfleistung schließen, während klopfende Pulse
auf eine Sepsis schließen lassen könnten.
7. Messen Sie den Blutdruck. Ein normaler Blutdruck
ist auch im Schock möglich. Durch Erhöhung
des peripheren Widerstandes kann ein niedriges
Herzzeitvolumen kompensiert werden. Ein
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niedriger diastolischer Wert weist auf eine arterielle
Vasodilatation hin (wie in der Anaphylaxie oder
Sepsis). Eine niedrige Druckamplitude die Differenz
zwischen systolischem und diastolischem Blutdruck,
normal sind ~35-45 mmHg, deutet auf eine
arterielle Vasokonstriktion (kardiogener Schock oder
Hypovolämie) und kann mit einer Tachyarrhythmie
einhergehen.
8. Auskultieren Sie das Herz. Sind Herzgeräusche oder
ein Perikardreiben hörbar? Sind die Herztöne gut zu
hören? Korrespondiert die Herzfrequenz mit dem
tastbaren Puls?
9. Achten Sie auf weitere Zeichen einer schlechten
kardialen Auswurfleistung, wie eine Verringerung der
Vigilanz oder, falls ein Blasenkatheter vorhanden ist,
auf die Urinausscheidung (< 0.5 ml kg-1 h-1).
10. Suchen Sie nach externen Blutungen durch Wunden
und Drainagen. Suchen Sie nach versteckten inneren
Blutungen. (z.B. intrathorakal, intra-, retroperitoneal,
oder gastrointestinal). Versteckte Blutungen in den
Thorax, ins Abdomen oder ins Becken können zu
einem signifikanten Blutverlust führen, auch wenn
die Drainagen leer sind.
11. Die Behandlung eines Kreislaufversagens ist von der
Ursache abhängig und sollte durch Infusionsgabe,
Kontrolle von Blutungen, und die Wiederherstellung
einer adäquaten Gewebeperfusion bestimmt sein.
Achten Sie auf unmittelbar lebensbedrohliche
Umstände und behandeln Sie diese mit höchster
Dringlichkeit (z.B. eine Herzbeuteltamponade,
massive oder kontinuierliche Blutungen, oder einen
septischen Schock).
12. Legen Sie einen oder mehrere großlumige i.v.Zugänge (14 oder 16 G). Kurze, großlumige Kanülen
ermöglichen die höchsten Infusionsraten min-1.
13. Entnehmen Sie Blutproben für Labor (z.B. Blutzucker,
Blutbild, Elektrolyte, Gerinnung, etc.), Mikrobiologie
und Blutbank (Kreuzblut) noch vor der ersten
Infusionsgabe.
14. Geben Sie bei normotensiven Patienten einen
Flüssigkeitsbolus von 500 ml warmer kristalloider
Lösung über 5-10 min. Geben Sie 1000 ml bei
hypotensiven Patienten. Bei Patienten mit bekanntem
Herzversagen sollten kleinere Mengen infundiert
(z.B. 250 ml) und eine engmaschige Überwachung
durchgeführt werden. Achten Sie nach jedem
Bolus auf feuchte Atemgeräusche und ziehen Sie
das Anlegen eines Zentralen-Venen-Katheters in
Erwägung.
15. Überprüfen Sie Herzfrequenz und Blutdruck alle 5
Minuten. Als Zielwert dient der bekannte normale
Blutdruck des Patienten. Sollte der nicht bekannt
sein, so ist ein systolischer Wert von > 100 mmHg
anzustreben.
16. Kommt es zu keiner Verbesserung, dann wiederholen
Sie den Flüssigkeitsbolus.
17. Bei Zeichen eines akuten Herzversagen (Atemnot,
erhöhte Herzfrequenz, hoher Zentral-Venen-Druck,
dritter Herzton und feuchte Rasselgeräusche)
müssen die Infusionen verringert oder sogar
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 11
KAP
2
Kapitel 2 Erkennung von Risikopatienten und die Vermeidung eines Kreislaufstillstandes
gestoppt werden. Bedenken Sie alternative
Behandlungsmöglichkeiten zur Verbesserung der
Gewebsperfusion, z.B. inotrope Substanzen oder
Vasopressoren.
18. Hat der Patient primär Brustschmerzen und vermuten
Sie ein akutes Koronarsyndrom, leiten Sie ein 12Kanal-EKG ab und behandeln Sie initial mit Sauerstoff,
Nitroglycerin, Acetylsalicylsäure (ASS) und Morphin.
D = Disability (neurologisches Defizit)
Häufige Ursachen einer Bewusstlosigkeit sind eine
ausgeprägte Hypoxie, Hyperkapnie, zerebrale
Hypoperfusion, oder die wiederholte Gabe von
analgosedierenden Medikamenten.
1. Überprüfen Sie erneut die Punkte ABC. Schließen Sie
eine Hypoxie und Hypotension aus, oder behandeln
Sie diese.
2. Überprüfen Sie die Stationskurve des Patienten auf
reversible medikamenteninduzierte Ursachen für eine
Bewusstseinsstörung. Geben Sie Antagonisten falls
erforderlich (z.B. Naloxon bei Opiatüberdosierung).
3. Untersuchen Sie die Pupillen auf Größe, Isokorie und
Lichtreaktion.
4. Machen Sie eine kurze Vigilanzprüfung mit Hilfe der
AVPU-Methode:
A = Alert (Wach)
V = Responds to Vocal stimuli
(Reagiert auf Ansprache)
P = Responds to Painful stimuli (Reagiert auf Schmerzreize)
U = Unresponsive
(Keine Reaktion)
Verwenden Sie als Alternative die Glasgow-ComaSkala.
5. Schließen Sie eine Hypoglykämie durch
Blutzuckermessung aus (z.B. Blutzuckermessgerät
oder BZ-Stick). Sollte der Blutzucker niedriger als 60
mg dl-1 (3 mmol l-1) sein, geben Sie 50 ml Glucose 10
% intravenös.
6. Bringen Sie bewusstlose Patienten in Seitenlage,
solange die Atemwege nicht gesichert sind.
E = Exposure (Exploration,
Untersuchung)
Für eine gründliche Untersuchung kann ein komplettes
Entkleiden des Patienten notwendig sein. Respektieren
Sie die Würde des Patienten und halten Sie den
Wärmeverlust so gering wie möglich.
a. Achten Sie auf die dokumentierten Vitalparameter
und Trends.
b. Prüfen Sie, ob alle wichtigen Medikamente gegeben
wurden.
3. Überprüfen Sie Laborparameter und
Röntgenbefunde.
4. Entscheiden Sie über den Ort der Weiterbehandlung
(z.B. Station, Wachstation, Intensivstation).
5. Dokumentieren Sie alle Geschehnisse,
Untersuchungen, Entscheidungen und Maßnahmen
in den Patientenunterlagen. Beschreiben Sie die
Reaktion des Patienten auf die Behandlung.
6. Erwägen Sie eine definitive Behandlung der
auslösenden Grunderkrankung.
Zusammenfassung
•Die meisten Patienten, die einen
Kreislaufstillstand im Krankenhaus erleiden,
bieten Warnsymptome.
•Frühzeitiges Erkennen und Behandlung
von kritisch kranken Patienten kann einen
Kreislaufstillstand verhindern.
•Zur frühzeitigen Erfassung gefährdeter Patienten
sollten standardisierte Strategien etabliert
werden (z.B. Early-Warning-Scores).
•Atemwegs-, Atmungs- und Kreislaufprobleme
(ABC-Probleme) können einen Kreislaufstillstand
verursachen.
•Benutzen Sie das ABCDE-Schema um kritisch
kranke Patienten zu untersuchen und zu
behandeln.
Weiterführende Literatur
International Liaison Committee on Resuscitation. Part 4. Advanced
Life Support 2005 International Consensus on Cardiopulmonary
Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care Science with
Treatment Recommendations. Resuscitation 2005; 67:213-247
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Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2005. Section 4: Adult
advanced life support. Resuscitation 2005; 67S1: S39-S86
National Confidential Enquiry into Patient Outcome and Death. An
Acute Problem? London: National Confidential Enquiry into Patient
Outcome and Death; 2005.
Cretikos M, Parr M, Hillman K, et al. Guidelines for the uniform reporting
of data for medical emergency teams. Resuscitation 2006 in press.
Smith GB, Osgood VM, Crane S. ALERT - a multiprofessional training
course in the care of the acutely ill adult patient. Resuscitation
2002;52:281-286.
Zusätzliche Informationen
1. Erheben Sie eine vollständige Anamnese mit dem
Patienten, seinen Verwandten und Freunden, sowie
dem beteiligten medizinischen Personal.
2. Überprüfen Sie die Patientenakte und Kurve:
12 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Akute Koronarsyndrome (ACS)
KAPITEL
Lernziele
■ Krankheitsprozess, aus dem das akute
Koronarsyndrom entsteht.
■ Unterscheidung der verschiedenen Formen
des akuten Koronarsyndroms.
■ Sofortbehandlung des akuten
Koronarsyndroms.
■ Weiterbehandlung des Patienten nach einem
ACS.
Einleitung
Während die rasche Wiederbelebung die beste
Behandlungsmöglichkeit nach einem Kreislaufstillstand
darstellt, ist es natürlich besser, wenn irgend
möglich, einen Kreislaufstillstand zu verhindern. Viele
Herzstillstände sind Folge einer koronaren Herzkrankheit
und treten im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms
auf. Daher ist es wichtig, dass ein ALS Anwender versteht,
wie ein akutes Koronarsyndrom erkannt wird, wie ein
Patient mit akutem Koronarsyndrom klinisch eingeschätzt
wird und welche Behandlungsverfahren das Risiko von
Kreislaufstillstand und Tod reduzieren können.
Definition und Pathogenese
Das akute Koronarsyndrom (ACS) umfasst:
• die instabile Angina pectoris (UAP/IAP);
• den Nicht- ST- Hebungsinfarkt (NSTEMI);
• den ST- Hebungsinfarkt (STEMI).
Diese klinischen Syndrome sind unterschiedliche
Erscheinungsformen des gleichen Krankheitsprozesses.
In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle wird dieser
Prozess durch Aufplatzen eines atheromatösen Plaques in
einer Koronararterie eingeleitet, was Folgendes auslöst:
• Einblutung in den Plaque, wodurch dieser anschwillt
und das Lumen der Arterie einengt;
• Kontraktion der glatten Gefäßmuskulatur innerhalb
der Arterienwand, was zu einer weiteren Verengung
des Lumens führt;
• Thrombusbildung an der Plaqueoberfläche, was zu
einem teilweisen oder vollständigen Verschluss des
Lumens der Arterie führen kann oder zu einer distalen
Embolisation.
Das Ausmaß der durch diese Ereignisse bedingten
Verminderung des koronaren Blutflusses zum Myokard
bestimmt weitgehend die klinische Präsentation des
daraus resultierenden akuten Koronarsyndroms.
European Resuscitation Council
3
Angina pectoris (stabil und instabil)
Angina pectoris ist ein Schmerz oder Unbehagen,
welches durch eine Myokardischämie hervorgerufen
wird und üblicherweise in der Brustmitte als Engegefühl
oder als Schmerz wie bei einer Magenverstimmung
empfunden wird. Wie bei einem akuten Myokardinfarkt
strahlt der Schmerz/ das Unbehagen oft in die Halsregion,
in einen oder beide Arme (häufiger in den linken), in
den Rücken oder in die Oberbauchgegend aus. Manche
Patienten spüren die AP eher in einem oder mehreren
dieser Bereiche als in der Brust. Viele Patienten empfinden
es auch mehr als Unbehagen denn als Schmerz. Wie auch
der Herzinfarkt ist die Angina manchmal von Aufstoßen
begleitet, was als Beweis für die Magenverstimmung
als Genese des Unbehagens fehlinterpretiert werden
kann. Solche AP-Beschwerden, die nur durch Belastung
hervorgerufen werden und nach dem Ende der Belastung
wieder verschwinden, werden als stabile Angina pectoris
bezeichnet und sind kein akutes Koronarsyndrom.
Im Gegensatz dazu wird die instabile Angina durch ein
oder mehrere der folgenden Charakteristika definiert:
1. Belastungs-Angina, die über mehrere Tage mit
steigender Häufigkeit auftritt und zunehmend schon
nach geringer Belastung verspürt wird. Dies wird
auch als „Crescendo-Angina“ bezeichnet.
2. Episoden von Angina, die immer wieder,
unvorhergesehen und unabhängig von Belastung
auftritt. Diese Episoden können relativ kurzdauernd
sein (z.B. wenige Minuten), spontan aufhören oder
vorübergehend durch die Verabreichung von
sublingualem Nitroglyzerin gelindert werden, bevor
sie innerhalb weniger Stunden neuerlich auftreten.
3. Nicht provozierte und längere Episode von
Thoraxschmerzen, die den Verdacht auf einen
akuten Myokardinfarkt (AMI) nahe legen, aber ohne
definitiven Beweis für einen Infarkt im EKG oder in
den Laborwerten.
Bei instabiler Angina kann das EKG:
a) normal sein;
b) Anzeichen einer akuten Myokardischämie zeigen
(üblicherweise ST-Senkung);
c) Unspezifische Veränderungen zeigen (z.B. TNegativierungen).
Bei instabiler Angina pectoris sind die Herzenzyme
üblicherweise normal (wobei zu bedenken ist, dass außer
dem Myokardinfarkt auch andere Ursachen für eine
Erhöhung von Muskelenzymen wie CK in Frage kommen),
es kommt zu keiner oder nur zu einer minimalen
Troponinfreisetzung. EKG- Veränderungen, insbesondere
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 13
KAP
3
Kapitel 3 Akute Koronarsyndrome (ACS)s
ST-Senkungen, sind bei Patienten mit instabiler Angina
pectoris Marker für ein erhöhtes Risiko von weiteren
koronaren Ereignissen. Allerdings bedeutet ein normales
EKG und das Fehlen einer Troponinerhöhung nicht
notwendigerweise, dass ein Patient mit instabiler AP
kein erhöhtes Risiko für weitere frühe lebensbedrohliche
koronare Ereignisse hat. Nur wenn das EKG und andere
koronare Risikomarker (z.B. Troponin) normal sind und
die weitere Risikoerhebung (z.B. durch Belastungstests)
keinen Hinweis auf eine reversible myokardiale Ischämie
ergeben, sollten andere mögliche Ursachen eines akuten
Thoraxschmerzes erwogen werden, wenn die anfängliche
Anamnese eine instabile AP vermuten ließ.
Nicht – ST – Hebungsinfarkt (NSTEMI)
Ein akuter Myokardinfarkt geht typischerweise mit
Brustschmerzen einher, die als Druck, Enge oder
Unbehagen wie bei einer Magenverstimmung im
Brustkorb oder Oberbauch präsentiert werden, die Dauer
ist normalerweise mindestens 20 – 30 Minuten, häufig
auch länger. Der Schmerz/das Unbehagen strahlt oft in
die Halsregion aus, in einen oder beide Arme (häufiger in
den linken), in den Rücken oder in die Oberbauchgegend.
Manche Patienten spüren das Unbehagen eher in einem
oder mehreren dieser Bereiche als in der Brust. Manchmal
sind diese Beschwerden von Aufstoßen begleitet, was
als Beweis für eine Magenverstimmung als Genese des
Unbehagens fehlinterpretiert werden kann.
Einige Patienten haben infarktähnliche Symptome und
unspezifische EKG -Veränderungen, wie eine ST- StreckenSenkung und/oder eine T- Negativierung (Abbildungen
3.1., 3.2.) Bei einem Patienten mit der Verdachtsanamnese
auf ein akutes Koronarsyndrom und signifikanter
Freisetzung von Troponin in Labortests (mit oder ohne
erhöhten Plasmakonzentrationen der Herzenzyme) ist
dies ein Hinweis, dass es zu einer Myokardschädigung
gekommen ist. Dies wird als „Nicht-ST-Hebungsinfarkt“
(NSTEMI) bezeichnet. In dieser Situation ist es weniger
wahrscheinlich, dass ein plötzlicher kompletter Verschluss
des entsprechenden Koronargefäßes aufgetreten ist, als
bei einem ST – Hebungsinfarkt (STEMI).
Das Ausmaß der Freisetzung von Troponin
oder der Herzenzyme spiegelt die Größe der
Herzmuskelschädigung wider. Einige dieser
Patienten haben ein hohes Risiko, dass es zu einem
Verschluss des Koronargefäßes, zu einer weiteren
Herzmuskelschädigung und zu einem plötzlichen
Herztod kommt. Dieses Risiko ist in den ersten Stunden,
Tagen und Monaten nach dem Ereignis am höchsten und
nimmt mit der Zeit immer weiter ab.
NSTEMI und instabile Angina pectoris (UAP/IAP) werden
zusammen auch als Nicht- ST- Hebungs- ACS bezeichnet,
weil die Behandlung der beiden Formen im Wesentlichen
gleich ist, und sich andererseits in einigen Punkten
von der Behandlung des STEMI unterscheidet. Die
Behandlung wird vornehmlich durch die Einschätzung
des Risikos bestimmt: je höher das Risiko, umso
14 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
aggressiver die Behandlung.
ST – Hebungsinfarkt (STEMI
Eine Anamnese von anhaltenden, akuten infarkttypischen
Brustschmerzen begleitet von Hebungen im 12-KanalEKG sind die Grundlage für die Diagnose eines STEMI.
Solche Befunde weisen beinahe immer auf eine
fortlaufende Myokardschädigung auf der Basis eines
akuten vollständigen Verschlusses der „schuldigen“
Koronararterie (nach initialer Plaqueruptur) hin. Wenn
keine Behandlung erfolgt, wird es im Stromgebiet
der verschlossenen Arterie sehr wahrscheinlich zu
einer weiteren Myokardschädigung kommen, die
normalerweise ihren Ausdruck in der Entwicklung von
Q- Zacken im EKG findet. Während der akuten Phase eines
STEMI besteht ein beträchtliches Risiko für das Auftreten
von Kammertachykardien (VT) und Kammerflimmern (VF)
sowie von plötzlichem Tod (Abbildung 3.3).
Diagnose von akuten
Koronarsyndromen
Anamnese
Eine genaue Anamnese ist ein entscheidender erster
Schritt zur Diagnoseerstellung, allerdings gibt es
mögliche Ursachen, die zur Verwirrung führen. Bei
einigen Patienten (z.B. älteren Personen, Diabetikern,
perioperativen Patienten) kann ein ACS ohne oder mit nur
geringen Brustschmerzen auftreten. Die pectanginösen
Beschwerden oder der Myokardinfarkt werden oft
sowohl von Patienten als auch vom Medizinpersonal
als verdauungsbedingtes Unbehagen fehlgedeutet.
Symptome wie Aufstoßen, Übelkeit und Erbrechen sind
zur Unterscheidung von herz- oder verdauungsbedingten
Schmerzen nicht hilfreich; alle genannten Symptome
können bei Angina und Herzinfarkt vorkommen.
Klinische Untersuchung
CDie klinische Untersuchung ist für die Diagnose eines
ACS nur von begrenztem Nutzen. Starke Schmerzen
jeglicher Ursache können einige der klinischen
Symptome, wie Schweißausbrüche, Blässe und
Tachykardie auslösen, die üblicherweise bei einem
ACS vorkommen. Die klinische Untersuchung kann
andere, offensichtliche Ursachen für den Brustschmerz
(z.B. umschriebene ausgeprägte Druckempfindlichkeit
der Brustwand) aufdecken. Bei der klinischen
Untersuchung können andere Auffälligkeiten (z.B.
Herzgeräusche, Zeichen der Herzinsuffizienz) gefunden
werden und die weiteren Untersuchungen und die
Behandlung beeinflussen. Bei Patienten mit akutem
Brustschmerzen muss auch nach Zeichen für eine
Aortendissektion gesucht werden, insbesondere, wenn
eine thrombolytische Therapie beabsichtigt ist. Das
Vorliegen einer Aortendissektion kann bei klinischen
European Resuscitation Council
KAP
3
Abbildung 3.1 Akute ST- Strecken Senkung infolge Myokardischämie bei einem Patienten mit einem ACS
ohne ST-Hebung (NSTEMI)
Abbildung 3.2 T- Negativierung bei einem Patienten mit NSTEMI
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 15
Kapitel 3 Akute Koronarsyndrome (ACS)s
Abbildung 3.3 Einsetzendes Kammerflimmern während der EKG Aufzeichnung bei einem Patienten mit akutem
anteroseptalen STEMI.
Abbildung 3.4 12-Ableitungs EKG bei einem anteroseptalen STEMI
16 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
KAP
3
Abbildung 3.5 12-Ableitungs EKG bei einem inferioren STEMI
Abbildung 3.6 12-Ableitungs EKG bei einem posterioren STEMI
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 17
Kapitel 3 Akute Koronarsyndrome (ACS)s
Zeichen angenommen werden, wie fehlender Puls
oder Pulsdifferenz an einer oberen Extremität, akute
Aorten- Insuffizienz oder Zeichen eines Schlaganfalls
durch Einbeziehung der Carotiden. Der Verdacht auf
eine Aortendissektion muss bei dem Patienten geäußert
werden, bei dem der akute Brustschmerz mit einer
deutlichen Hypotension, aber ohne Infarktzeichen im
EKG, einhergeht.
Bei einem Patienten mit typischer Anamnese und EKGKriterien für einen STEMI darf die Reperfusionstherapie
nur dann verzögert werden, wenn massive klinische
Hinweis auf eine Aortendissektion die vorherige
Abklärung rechtfertigen.
Die anfängliche klinische Untersuchung stellt auch eine
bedeutende Ausgangsbasis dar, so dass Veränderungen
entdeckt werden können, sei es durch ein Fortschreiten
des zugrunde liegenden Krankheitsprozesses oder durch
eine Reaktion auf die Therapie.
Bei Patienten mit inferiorem oder posteriorem STEMI,
die gestaute Halsvenen haben, aber kein Zeichen eines
Lungenödems muss eine ausgeprägte rechtsventrikuläre
(RV) Infarzierung vermutet werden. Diese Patienten sind
meist hypoton.
Untersuchungen
Das EKG mit 12 Ableitungen
Während der Erstuntersuchung muss so früh wie
möglich ebenso wie im weiteren Verlauf ein 12-KanalEKG aufgezeichnet werden, um den Verlauf des ACS und
das Ansprechen auf die Behandlung zu beurteilen. Das
Vorhandensein von EKG- Veränderungen im Erst- EKG
kann die klinische Verdachtsdiagnose auf das Vorliegen
eines ACS unterstützen und die erforderliche Behandlung
lenken.
Das EKG ist eine grundlegende Komponente für
die Einschätzung des Risikos und die Planung der
Behandlung. So sind im EKG das Vorhandensein
einer akuten ST- Hebung oder eines neuen
Linksschenkelblocks bei einem Patienten mit einer für
einen AMI typischen Vorgeschichte die Indikation für
einen Wiedereröffnungsversuch einer verschlossenen
Koronararterie (Reperfusionstherapie), entweder mit
einer sofortigen perkutanen Koronarangioplastie (PCI)
oder einer Thrombolyse- Therapie. Im Gegensatz dazu
deutet das Vorhandensein von ST- Senkungen auf einen
geringen Nutzen von einer Thrombolysebehandlung
hin, unabhängig davon, ob die endgültige Diagnose
IAP oder NSTEMI lautet. Bei instabiler Angina pectoris
bedeutet das Vorhandensein einer ST-Senkung ein
höheres Risiko weiterer koronarer Ereignisse als bei
Fehlen einer ST-Senkung. Bei diesen Hochrisiko- Patienten
mit ST- Senkung ist eine sofortige medikamentöse
Behandlung (z.B. LMWH, ASS, Clopidogrel, Beta-Blocker,
Glykoprotein IIb/IIIa- Antagonisten) und eine schnellst
mögliche Koronarangiographie erforderlich, oft auch
eine Revaskularisation durch PCI oder koronare Bypass18 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Operation.
Das EKG bietet Informationen über die Lokalisation und
das Ausmaß der Myokardschädigung beim AMI. Dies
ist deswegen bedeutsam, weil die Lokalisation und
das Ausmaß der Ischämie oder Muskelschädigung die
Prognose beeinflusst, und in einigen Fällen auch die Wahl
der entsprechenden Behandlung:
1. Ein anteriorer (Abbildung 3.4) oder ein anteroseptaler
Infarkt ist üblicherweise in den Ableitungen V1V4 zu sehen und fast immer auf eine Läsion in der
linken vorderen absteigenden (LAD) Koronararterie
zurückzuführen. Ein anteriorer MI hat eine schlechtere
Prognose, und es ist wahrscheinlicher, dass es hier zu
einer Funktionseinschränkung des linken Ventrikels
kommt. Daher profitieren diese Patienten eher von
einer Thrombolyse und einer Behandlung mit ACEHemmern.
2. Ein inferiorer Infarkt ist üblicherweise in den
Ableitungen II, III und aVF (Abbildung 3.5) zu sehen
und ist oft das Ergebnis einer Läsion in der rechten
Koronararterie (RCA) oder, allerdings seltener, der
Arteria circumflexa. (CX).
3. Ein lateraler Infarkt ist üblicherweise in den
Ableitungen V5-V6 und/oder den Ableitungen I
und aVL (manchmal auch nur aVL allein) zu sehen
und resultiert oft aus einer Läsion in der Arteria
circumflexa (CX) oder einem diagonalen Ast der LAD.
4. Ein posteriorer Myokardinfarkt wird üblicherweise
daran erkannt, dass spiegelbildliche
(reziproke) Veränderungen in den vorderen
Brustwandableitungen (V1-V3) auftreten (Abbildung
3.6). Eine ST- Senkung in die Ableitungen
spiegelt die posteriore ST- Hebung wider, und die
Entwicklung einer dominanten R-Zacke in den
vorderen Ableitungen spiegelt die Entstehung einer
posterioren Q-Zacke wider. Dies ist ebenfalls meistens
in Folge einer Läsion der rechten Koronararterie, aber
kann auch von einer Läsion der Arteria circumflexa
(CX) bei jenen Menschen herrühren, bei denen die CX
für die Hauptversorgung des hinteren Anteiles des
linken Ventrikels und des Septums verantwortlich
ist. Der Verdacht eines posterioren Infarktes kann
durch wiederholte Aufzeichnungen der posterioren
Ableitungen erhärtet werden. Diese Ableitungen (V8,
V9 und V10) werden entlang einer horizontalen Linie
am Brustkorb abgenommen, in einer Fortsetzung von
V6 (mittlere Axillarlinie) und V7 (hintere Axillarlinie).
V9 wird links neben der Wirbelsäule, V8 in der Mitte
zwischen V7 und V9 und V10 rechts der Wirbelsäule
abgeleitet.
Ein rechtsventrikulärer Infarkt kann bei bis zu 1/3
der Patienten mit inferiorem oder posteriorem
STEMI vorkommen. Ist dieser ausgeprägt kann er
im konventionellen 12-Kanal EKG als, den STEMI
begleitende, ST-Strecken Hebung in der Ableitung
V1 gesehen werden die rechtsseitigen präkordialen
Ableitungen, insbesondere V4R, können hier hilfreich
sein. In diesen Fällen weisen die rechtsseitigen
präkordialen Ableitungen, insbesondere V4R, auf den
European Resuscitation Council
rechtsventrikulären Infarkt hin. Die zweidimensionale
Echokardiographie unterstützt die Diagnose
ebenfalls. Die Verdachtsdiagnose eines ausgeprägten
rechtsventrikulären Infarktes ist bei hypotensiver
Kreislaufsituation, ohne Zeichen des erhöhten
zentralvenösen Druckes bei fehlender pulmonaler
Schädigung, zu stellen. Bei diesen Patienten sollten
Nitrate vermieden werden.
ST-Strecken Senkungen und Negativierungen der T-Welle,
die bei einem NSTEMI vorkommen können, geben, im
Vergleich zu den Änderungen bei einem STEMI, nur selten
Hinweise auf den Ort des Infarktes. Die Durchführung
modifizierter Extremitätenableitungen beim 12-Kanal EKG
kann zu deutlichen Änderungen der Morphologie führen,
im speziellen kann die elektrische Aktivität der inferioren
Wand des linken Ventrikels, bei modifizierten inferioren
Ableitungen, verfälscht dargestellt sein.
Laboruntersuchungen
Die andere wichtige Komponente für die Diagnose und
Risiko-Bewertung sind Labortests..
Kardiale Troponine (Troponin T und Troponin I)
Herzspezifische Troponine sind Teile des kontraktilen
Apparates der Myokardzellen. Weil die Konzentration
von Troponin im Blut von Gesunden praktisch nicht
nachweisbar ist und die durch gängige Assays
nachgewiesenen herzspezifischen Troponine nicht aus
extrakardialen Quellen stammen, sind die Troponine
sehr sensitive und spezifische Marker einer Schädigung
des Herzens. Die größte Bedeutung der Messung
von Troponin liegt in der Risikobeurteilung. Im
Zusammenhang mit einer instabilen Angina deutet ein 68 Stunden nach Schmerzbeginn erhöhter Troponinspiegel
auf ein erhöhtes Risiko für weitere Koronarereignisse hin,
im Gegensatz zu einem normalen (nicht nachweisbaren)
Troponin. Die Kombination von ST-Senkung im EKG
und erhöhtem Troponin erlaubt die Identifikation einer
besonderen Hochrisikogruppe für nachfolgenden
Myokardinfarkt und plötzlichen Herztod.
Die Freisetzung von Troponin bedeutet nicht an und
für sich die Diagnose eines ACS. Die Freisetzung von
Troponin ist ein Risikomarker und sollte nur dann als
beweisend für einen NSTEMI gedeutet werden, wenn
die Anamnese eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen
AMI annehmen lässt. Troponin kann unter vielen
anderen Bedingungen freigesetzt werden, einschließlich
Myokarditis, akuter oder chronischer Herzinsuffizienz,
anhaltender Tachyarrhythmie, Lungenembolie,
Niereninsuffizienz und akuter Sepsis. Wie bei jedem
klinischen Befund ist es wichtig, die Troponin- Ergebnisse
im Zusammenhang mit der Anamnese zu interpretieren.
Welches Ausmaß der Troponinfreisetzung (mit
entsprechender Anamnese und entsprechenden
EKG- Veränderungen) als beweisend für einen akuten
Herzinfarkt gelten soll, und ob unter bestimmten
Bedingungen eine geringe Troponinfreisetzung eher
als Nachweis für eine „Instabile AP mit minimaler
Myokardnekrose“, als für einen Herzinfarkt gewertet
European Resuscitation Council
werden soll, wird weiterhin diskutiert. Eine Klärung dieser
Punkte muss auf nationaler und internationaler Ebene
erfolgen. Die optimale Therapie des ACS ist aufgrund
der aktuellen Forschungsaktivitäten ein sich rasch
entwickelndes Gebiet.
ALS-Anwender sind aufgerufen, bezüglich neuer
Behandlungsmöglichkeiten und neu vereinbarter
Definitionen, welche die entsprechende Begutachtung
und Behandlung von Patienten mit akutem
Koronarsyndrom leiten werden, auf dem Laufenden zu
bleiben.
Kreatinkinase (CK), Aspartataminotransferase (AST)
und Laktatdehydrogenase (LDH)
Diese Enzyme werden vom Herzmuskel freigesetzt, wenn
er geschädigt wird. Allerdings werden sie auch von einem
geschädigten oder durch starke längere körperliche
Belastung überanspruchten Skelettmuskel freigesetzt.
Um festzustellen, ob eine erhöhte CK-Konzentration
im Blut von einem Herz- oder Skelettmuskel stammt,
kann das spezifische Iso-Enzym der Kreatinkinase (CK)
aus dem Herzmuskel (CK-MB) gemessen werden. In
vielen Krankenhäusern ist die Messung von CK-MB nicht
routinemäßig verfügbar. Trotzdem kann die Menge
von CK, die aus dem Myokard freigesetzt wird, als
ungefähres Maß für die Schwere des erlittenen MyokardSchadens dienen, (z.B. wenn es in aufeinander folgenden
Blutproben über drei Tage hinweg gemessen wird).
Echokardiographie
Nach akutem Myokardinfarkt ermöglicht die
Echokardiographie die Einschätzung der Größenordnung
der LV Schädigung. Sie ist besonders wichtig bei
rechtsventrikulären Infarkten zur Beurteilung von RVDilatation und Ausmaß der Schädigung sowie bei der
Diagnose einiger Infarktkomplikationen, wie einem
erworbenen VSD und eine schwere Mitralinsuffizienz
- beide Komplikationen können eine notfallmäßige
chirurgische Korrektur notwendig machen.
Einschätzung des Risikos
Die Wahl der Behandlung wird hauptsächlich vom
Risiko der unmittelbar bevorstehenden ausgedehnten
Myokardschädigung oder weiterer früher
Koronarereignisse bestimmt. Die richtige Einschätzung
des Risikos beim ACS ermöglicht es, durch eine
frühzeitige Behandlung eine Risikoreduktion zu erreichen
und dadurch in gewissem Maße einen Kreislaufstillstand
und plötzlichen Herztod zu verhindern.
Sofortbehandlung
Allgemeine Maßnahmen bei allen
akuten Koronarsyndromen
Beginnen Sie mit einer raschen klinischen
Untersuchung und EKG. Verabreichen Sie sofort
etwas zur Schmerzlinderung, zur Begrenzung des
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 19
KAP
3
Kapitel 3 Akute Koronarsyndrome (ACS)s
Tabelle 3.1. Typische Indikationen für eine
Thrombolyse-Therapie bei AMI
Tabelle 3.3 Thrombolytika
Streptokinase
Vorstellung mit infarkttypischen Brustschmerzen
innerhalb von 12 Stunden nach Schmerzbeginn
sowie:
• ST- Hebung > 0,2 mV in zwei benachbarten
Brustwand-Ableitungen oder > 0.1 mV in
zwei oder mehreren korrespondierenden
Extremitätenableitungen, oder
• Dominante R-Zacken und ST-Senkung in V1
– V3 (posteriorer Infarkt), oder
• Neu aufgetretener (oder vermutet neu
aufgetretener) Linksschenkelblock.
• Führt häufig zu Hypotonie und Bradykardie mit
Therapieverzögerung.
• Allergische Reaktion oder Anaphylaxie möglich.
• Applikation (intravenöse Infusion) dauert
zumindest 1 Stunde.
• Für prähospitale Therapie nicht geeignet;
• Vermeide die wiederholte Gabe ab 4 Tagen
nach Anwendung.
• Dosis – 1.5 Mio Einheiten in 100 ml 0.9 %
Kochsalzlösung.
• Relativ billig;
Tabelle 3.2. Typische Kontraindikationen für
eine Thrombolyse- Therapie
Alteplase (R-tPA)
Abolute
• Vorhergehender hämorrhagischer Schlaganfall.
• Ischämischer Schlaganfall innerhalb der letzten
sechs Monate.
• Neoplasie oder Schaden des
Zentralnervensystems.
• kürzliche (< 3 Wochen) größere Operationen,
Kopfverletzung oder schweres Trauma.
• Bestehende innere Blutungen (außer
Menstruation) oder gastrointestinale Blutung
innerhalb des letzten Monats;
• Bekannte oder vermutete Aortendissektion.
• Vorbekannte Blutungsneigung.
Relative
• Refraktäre Hypertonie (systolischer Blutdruck >
180 mmHg).
• Transiente ischämische Attacke (TIA) < 6
Monate zurückliegend.
• Therapie mit oralen Antikoagulantien;
• Schwangerschaft oder < 1 Woche nach
Entbindung.
• Wiederbelebung mit Traumafolgen.
• Nicht komprimierbare Punktionsstelle.
• Bestehendes peptisches Ulkus.
• Schwere Lebererkrankung.
• Infektiöse Endokarditis.
• Bekannte allergische Reaktion auf die zum
Einsatz kommende thrombolytische Substanz.
• Wenn Streptokinase mehr als 4 Tage davor
gegeben worden ist, wähle ein alternatives
Thrombolytikum (Antikörper verringern die
Wirksamkeit).
20 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
• Komplexes intravenöses Infusionsschema;
• Im Vergleich zu Streptokinase etwas höhere
Thrombolysewirksamkeit.
• Kurze Wirkdauer – Heparingabe über 48
Stunden nach Applikation erforderlich.
• Dosis:
• 15 mg intravenös als Bolus gefolgt von 50 mg über 30 Minuten sowie 35 mg über weitere 60 Minuten (Neuhaus Schema);
• 15 mg intravenös als Bolus, anschließend Infusion von 0.75 mg/kg über 1 Stunde (beschleunigtes Regime).
Reteplase
• Wirksamkeit vergleichbar mit Alteplase;
• Einfaches Doppel-Bolus Regime.
• Kurze Wirkdauer – Heparingabe über 48
Stunden nach Applikation erforderlich.
• Dosis: Bolus .
Tenecteplase
• Wirksamkeit vergleichbar mit Alteplase.
• Gewichtsadaptierte Einmal-Bolus-Dosis.
• Kurze Wirkdauer – Heparingabe über 48
Stunden nach Applikation erforderlich.
• Dosis: 30-50 mg (6.000 – 10.000 Einheiten )nach
Körpergewicht des Patienten.
European Resuscitation Council
Myokardschadens und zur Verringerung des Risikos eines
Kreislaufstillstandes. Allgemeine Sofort-Maßnahmen zur
Behandlung des ACS umfassen:
1. Sauerstoff in hoher Konzentration;
2. Nitroglycerin, als sublinguales Glyceroltrinitrat
(Tablette oder Spray), wenn der Patient nicht
hypotensiv ist oder ein ausgedehnter RV-Infarkt
vermutet wird;
3. Acetylsalicylsäure 300 mg, per os, zerdrückt oder zum
Kauen, so bald wie möglich;
4. Morphin (oder Diamorphin), intravenös titriert, um
Sedierung und Atemdepression zu vermeiden.
Die meisten Patienten mit ischämischen Brustschmerzen
werden sich aufrecht sitzend wohler fühlen. Unter
bestimmten Bedingungen kann flaches Liegen
Schmerzen erzeugen oder verstärken. Erwägen Sie,
insbesondere bei Übelkeit, die Gabe von Antiemetika.
Behandlung eines Infarktes mit STHebung (oder eines Infarktes mit neu
aufgetretenem Linksschenkelblock)
Bemühen Sie sich, unverzüglich eine ReperfusionTherapie einzuleiten - das Ziel ist die Wiederherstellung
des noch nicht irreversibel geschädigten Myokards.
Klinische Studien haben die Wirksamkeit einer
Reperfusionstherapie in Hinsicht auf Reduktion der
Infarktgröße, der Komplikationen und Infarktmortalität
bestätigt.
Das Risiko/Nutzen-Verhältnis favorisiert die
Reperfusionstherapie vor allem für die Patienten mit dem
höchsten Risiko eines unmittelbaren großen MyokardSchadens und Todes. Die Reperfusionstherapie ist am
wirksamsten, wenn sie möglichst rasch nach Beginn des
Infarktgeschehens eingeleitet wird; ihr Nutzen nimmt mit
der Zeit immer weiter ab. Zwölf Stunden nach Beginn der
Brustschmerzen eines AMI überwiegen die Risiken einer
Reperfusionstherapie mögliche verbleibende geringe
Vorteile, weil der durch den Koronararterienverschluss
verursachte Myokard-Schaden dann schon abgelaufen ist.
Diese Tatsache unterstreicht die Bedeutung einer frühen
und genauen Einschätzung von Patienten mit MI. Die
thrombolytische Therapie wird allerdings nicht imstande
sein, bei allen Patienten die schuldige (verschlossene)
Koronararterie wiederzuöffnen; außerdem besteht
bei dieser Therapie ein gewisses Blutungsrisiko
einschließlich des Risikos einer intrazerebralen Blutung.
Die Notwendigkeit eine frühest mögliche Reperfusion
zu erzielen, behält hohe Priorität und für jene Patienten,
für die eine sofortige primäre PCI nicht verfügbar ist,
kann die initiale Thrombolyse die beste Möglichkeit einer
frühen Reperfusion darstellen.
Koronare Reperfusionstherapie
Eine koronare Reperfusion kann auf folgende zwei Arten
erreicht werden:
• Durch eine perkutane Koronarintervention (PCI)
European Resuscitation Council
mit dem Ziel, die verschlossene Arterie mechanisch
wiederzuöffnen. Dies wird auch primäre PCI genannt.
• Durch eine Thrombolyse-Therapie mit dem Versuch,
den Thrombus, der die Arterie verschließt und den MI
verursacht, aufzulösen.
Rein theoretisch kann auch eine koronare BypassOperation zur Wiederherstellung des Blutflusses jenseits
des Gefäßverschlusses zur Anwendung kommen, aber
in der Praxis kann dies nicht rasch genug erfolgen, um
Herzmuskelzellen zu retten, außerdem ist in dieser
Situation das Operationsrisiko hoch.
Der wichtigste Gesichtspunkt der Reperfusionstherapie
ist, dass die Reperfusion so rasch wie möglich nach
Schmerzbeginn erfolgen soll. Das Risiko der Behandlung
ändert sich, wenn überhaupt, nur gering mit der Zeit.
Aber der Nutzen nimmt rasch ab, und der größte Nutzen
kann erreicht werden, wenn die Reperfusionstherapie
innerhalb einer Stunde nach Schmerzbeginn
durchgeführt wird.
Perkutane Koronarintervention (PCI)
Die empfohlene Reperfusionstherapie beim STEMI ist
die primäre PCI, vorausgesetzt, dass diese innerhalb von
90 Minuten nach dem ersten medizinischen Kontakt
durchgeführt werden kann. Bei der Koronarangiographie
wird das verschlossene Gefäß identifiziert, danach wird
ein Führungsdraht durch den verschließenden Thrombus
geschoben und damit die Positionierung eines Ballons
an der Stelle des Verschlusses ermöglicht, welcher dann
aufgeblasen werden kann, um die Arterie wieder zu
eröffnen. Häufig wird ein Stent in das Segment der zuvor
verschlossenen Arterie platziert, um das Risiko einer ReStenose an dieser Stelle zu verringern.
Die Vorteile einer PCI sind folgende:
• verlässliche Wiedereröffnung der betroffenen Arterie
bei den meisten Patienten;
• visueller Beweis dafür, dass die verschlossene Arterie
nicht nur wiedereröffnet, sondern auch bis zu ihrem
normalen Durchmesser wieder aufgedehnt wurde;
• geringeres Risiko einer schwerwiegenden
Blutungskomplikation als bei der
Thrombolysetherapie.
Während die primäre PCI immer häufiger eine
zuverlässige Reperfusion ermöglicht, besteht aber
eine bedeutende Limitation darin, dass dazu ein rund
um die Uhr besetztes Herzkatheter- Labor und ein in
dieser Technik erfahrener interventioneller Kardiologe
erforderlich ist - Ressourcen also, die nicht überall
verfügbar sind. Wenn eine deutliche Verzögerung bei der
Organisation der primären Angioplastie zu erwarten ist,
dann kann eine Thrombolyse-Therapie dem Patienten
die beste Chance auf eine frühe Reperfusion und auf eine
größtmögliche Risiko-Minimierung bieten.
Derzeit werden Untersuchungen durchgeführt, um die
Rolle der „facilitated PCI“ (PCI nach primärer Thrombolyse)
zu bewerten und um die Wirksamkeit der „rescue PCI“ zu
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 21
KAP
3
Kapitel 3 Akute Koronarsyndrome (ACS)s
beurteilen, die bei Verdacht auf Thrombolyseversagen
(Unvermögen der Wiedereröffnung der verschlossenen
Koronararterie durch Thrombolyse), oder bei Hinweis auf
Re-Okklusion nach anfänglichem Lyseerfolg durchgeführt
wird.
Thrombolyse- Therapie
In groß angelegten klinischen Studien konnte gezeigt
werden, dass mit der Thrombolyse-Therapie eine
deutliche Reduktion der Infarkt- Mortalität erreicht
werden kann, wenn diese innerhalb der ersten Stunden
nach Schmerzbeginn durchgeführt wird. Einer der
Hauptvorteile der Thrombolyse-Therapie liegt darin,
dass weder ein Herzkatheter-Labor noch ein in der
Angioplastie erfahrener Kardiologe erforderlich sind.
Wenn die Transportzeit in ein Krankenhaus lang ist (z.B.
> 30 Minuten), kann eine präklinische ThrombolyseTherapie eine frühe Behandlung mit resultierendem
klinischen Nutzen bedeuten. Eine frühere Behandlung
kann auch durch eine Verkürzung der „door-to-needletime“ (Zeit vom Eintreffen im Krankenhaus bis zum
Beginn der Thrombolyse-Therapie) erreicht werden. Das
ist möglich, wenn die Thrombolyse-Therapie schon in der
Notfallaufnahme durchgeführt wird.
Nachteile der Thrombolyse-Therapie sind das
Unvermögen, in allen Fällen eine Reperfusion zu
erreichen, die eingeschränkte Beurteilbarkeit, ob es zu
einer Reperfusion gekommen ist und das Risiko, eine
Blutung auszulösen.
Die Tabelle 1 zeigt typische Indikationen für eine
Thrombolyse- Therapie, typische Kontraindikationen
werden in Tabelle 2 aufgelistet. Die meisten der
Kontraindikationen sind relativ; der erfahrene Kliniker
wird entscheiden, ob der Nutzen einer Thrombolyse die
Risiken für den individuellen Patienten überwiegt. Einige
der gängigen Thrombolytika sind in Tabelle 3 aufgeführt.
Instabile Angina und NSTEMI
Die unmittelbaren Behandlungsziele bei diesen
Syndromen sind:
• Verhinderung der Entstehung von neuen Thromben,
die zu einem Arterienverschluss mit Myokardschaden
oder zu einer Größenzunahme des Myokardschadens
führen können.
• Reduktion des myokardialen Sauerstoffbedarfs mit
verbesserter Überlebenschance für die Zellen in
der Phase einer eingeschränkten Versorgung mit
Sauerstoff und Glukose.
Verhinderung weiterer Thrombenbildung
• Geben Sie niedermolekulares Heparin in
therapeutischer Dosierung (gewichtsadaptiert).
• Beginnen Sie eine Clopidogrel Therapie (Startdosis
mindestens 300 mg, zu erwägen 600 mg oder 900 mg,
wenn eine rasche Aufsättigung erwünscht ist).
• Beginnen Sie bei Hochrisikopatienten eine
22 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Behandlung mit GP IIb/IIIa- Rezeptor Antagonisten
(z.B. Tirofiban), besonders dann, wenn eine baldige PCI
vorgesehen ist.
Reduktion des Sauerstoffbedarfes
• Beginnen Sie eine Beta-Blockertherapie (wenn nicht
kontraindiziert).
• Erwägen Sie Diltiazem, wenn Betablocker
kontraindiziert sind.
• Vermeiden Sie Kalziumantagonisten vom
Dihydropyridin-Typ (z.B. Nifedipin)
• Erwägen Sie die bukkale oder intravenöse Gabe von
Nitraten, wenn die Angina nach sublingualer Gabe
persistiert oder wieder auftritt.
• Erwägen Sie eine frühe ACE-Hemmer-Therapie,
besonders bei gestörter Linksventrikelfunktion oder
Herzinsuffizienz.
• Behandeln Sie Komplikationen wie Herzinsuffizienz
oder Tachyarrhythmien sofort und effektiv..
Weitere Behandlung von Patienten
mit akuten Koronarsyndromen
Verdacht auf instabile Angina –
Patienten mit niedrigem Risiko
Patienten mit Verdacht auf instabile Angina ohne
Vorgeschichte von Belastungsangina oder Myokardinfarkt
und ohne Hochrisikoprofil zum Zeitpunkt der Vorstellung
(EKG und Troponinspiegel nach 6-8 Stunden normal)
sind für eine frühzeitige weitere Risikobeurteilung (z.B.
Belastungstests) geeignet.
Verdacht auf instabile Angina –
Hochrisiko und NSTEMI
Bei Patienten mit instabiler Angina und Hochrisikoprofil
(ST-Senkung in Ruhe, erhöhtes Troponin oder früher
positiver Belastungstest) sollte eine Koronarangiographie
noch während des aktuellen Krankenhausaufenthaltes
erwogen werden. Viele von diesen werden von einer
Revaskularisation mittels PCI profitieren. Bei einigen
wenigen kann eine koronare Bypass-Operation
notwendig sein. Patienten mit NSTEMI sollten gleichfalls
als Hochrisikogruppe betrachtet werden, welche
in der Mehrzahl der Fälle eine frühe Beurteilung
mittels Koronarangiographie während des aktuellen
Krankenhausaufenthaltes brauchen.
STEMI
Bei Patienten mit abgelaufenem STEMI, die keine
Reperfusionstherapie erhalten haben (z.B. wegen zu
später Vorstellung), kann eine Risikostratifizierung
durch Belastungstests hilfreich sein, sobald die
unmittelbaren Zeichen einer akuten Myokardnekrose
(z.B. Fieber, Arrhythmien) abgeklungen sind und weitere
European Resuscitation Council
Komplikationen (z.B. Herzinsuffizienz) erfolgreich
behandelt worden sind.
Andere Komplikationen von akuten
Koronarsyndromen
Sollte eine Thrombolysebehandlung durchgeführt
worden sein, kann bei einigen Patienten eine wirksame
Stenose oder ein instabiler Plaque in der schuldigen
Koronararterie verblieben sein; durch eine PCI kann
in diesem Fall eine Stabilisierung erreicht werden und
damit das Risiko eines Wiederverschlusses der Arterie
mit nachfolgendem Infarkt, Kreislaufstillstand und
plötzlichem Tod reduziert werden. Ein Belastungstest
kann ein solches Risiko aufdecken, der Test ist aber in
einer solchen Situation weder hoch sensitiv noch hoch
spezifisch; deshalb wird bei dieser Patientengruppe
immer häufiger eine Koronarangiographie als Teil der
Risiko-Stratifizierung vor der Krankenhausentlassung
durchgeführt. Die Rolle einer „facilitated PCI“ (dabei wird
nach initialer Thrombolysebehandlung eine frühzeitige
Koronarangiographie und PCI durchgeführt) bleibt
Gegenstand weiterer Diskussionen und laufender
Studien.
Herzinsuffizienz
Ventrikuläre Arrhythmien
als Komplikation von akuten
Koronarsyndromen
Wenn eine ventrikuläre Arrhythmie als Komplikation
eines ACS auftritt, interpretieren Sie ihre Bedeutung im
Zusammenhang mit der konkreten klinischen Situation
und dem genauen Beginn der Arrhythmie. Wenn es
innerhalb der ersten 24-48 Stunden nach einem STEMI
zu einem Kreislaufstillstand mit Kammerflimmern oder
pulsloser Kammertachykardie kommt, und die weitere
Erholung unkompliziert ist, ist das Risiko weiterer
ventrikulärer Arrhythmien relativ niedrig und wird durch
andere Faktoren, insbesondere dem Schweregrad der
linksventrikulären Funktionsstörung bestimmt.
Wenn Kammerflimmern oder pulslose VT im
Zusammenhang mit einem Nicht- ST – Hebungs-ACS
auftritt, kann das Risiko für neuerliche ventrikuläre
Arrhythmien weiter bestehen. Wenn die Arrhythmie
durch eine schwere Myokardischämie verursacht worden
ist, wird eine Revaskularisation dringend benötigt, um
ein Wiederauftreten der Ischämie zu verhindern und das
Risiko nachfolgender Arrhythmien zu reduzieren. Falls
dies nicht möglich ist, oder wenn die Arrhythmie ohne
Hinweis auf schwere Minderdurchblutung aufgetreten
ist, bleibt das Risiko weiterer ventrikulärer Arrhythmien
für den Patienten bestehen. Solche Patienten sollten
mit der Absicht einer ICD-Implantation vor der
Krankenhausentlassung einem Kardiologen vorgestellt
werden.
Patienten, die Kammerflimmern oder pulslose VT als
späte Komplikation nach einem Herzinfarkt oder nicht im
Zusammenhang mit einem ACS entwickeln, haben ein
Risiko für ein Wiederauftreten des Kreislaufstillstandes
und sollten noch vor der Krankenhausentlassung
dringend einem Kardiologen vorgestellt werden, mit der
Absicht einer ICD-Implantation.
European Resuscitation Council
Das Risiko für weitere Verschlechterung, Kreislaufstillstand
und Tod ist für Patienten, die im Rahmen eines AMI oder
anderen ACS eine Herzinsuffizienz entwickeln, erhöht.
Sofortige und wirksame Behandlung der Herzinsuffizienz
zur Risikoreduktion ist erforderlich. Geben Sie
Schleifendiuretika (z.B. Furosemid) und/oder Nitroglycerin
(sublingual und/oder intravenös) als unmittelbare
symptomatische Therapie. Schleifendiuretika sollten
routinemäßig verabreicht werden um die Symptome zu
beherrschen, Bedarf und Dosis sollten in den ersten Tagen
zumindest täglich überprüft werden. Vergewissern Sie
sich, dass eine ACE-Hemmertherapie begonnen worden
ist, und steigern Sie nach Verträglichkeit bis zur Zieldosis.
Bei Patienten mit ACE- Unverträglichkeiten muss die
Gabe von Angiotensin- Rezeptor- Blockern erwogen
werden. Wenn eine nachgewiesene Einschränkung der
systolischen Linksventrikelfunktion vorliegt, (EF 40%
oder weniger), beginnen Sie mit einem AldosteronAntagonisten (z.B.:Eplerenon oder Spironolacton).
Kardiogener Schock
Dieser umfasst eine schwere Hypotonie mit mangelnder
Durchblutung der Peripherie, häufig begleitet von
Lungenödem, Schwindel oder Verwirrtheit infolge
zerebraler Minderdurchblutung und Oligurie infolge
Mangeldurchblutung der Nieren. Die Mortalität ist sehr
hoch, kann aber reduziert werden durch eine frühe
Revaskularisation durch eine PCI. Einige Patienten können
durch eine Behandlung mit Inotropika (z.B. Dobutamin)
gebessert werden, aber diese Behandlung sollte nur
von erfahrenen Anwendern begonnen und überwacht
werden. Bei ausgewählten Patienten können andere
Behandlungen, wie beispielsweise mit der intra-aortalen
Ballonpumpe (IABP) hilfreich sein, diese erfordern
ebenfalls eine Überwachung durch Experten.
Wenn sich bei einem Patienten mit STEMI ein kardiogener
Schock entwickelt, kann die frühzeitige kardiologische
Vorstellung mit der Absicht einer Notfall-PCI
lebensrettend sein.
Andere Herzrhythmusstörungen
Die Behandlung weiterer Herzrhythmusstörungen wird
im Kapitel 12 näher erörtert.
Vorhofflimmern in Zusammenhang mit einem akuten
Koronarsyndrom weist in einem gewissen Grad auf
eine bestehende Herzinsuffizienz hin: die Behandlung
sollte einerseits diesen Umstand berücksichtigen, und
andererseits auf die Normalisierung der Herzfrequenz
oder des Rhythmus ausgerichtet sein.
Ein AV- Block im Zusammenhang mit einem inferioren
Infarkt tritt häufig bei übermäßiger Vagusaktivierung auf.
Die QRS- Komplexe sind oft schmal (<0,12 sec.) und die
Herzfrequenz muss dabei nicht besonders niedrig sein.
Behandle eine symptomatische Bradykardie unter diesen
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 23
KAP
3
Kapitel 3 Akute Koronarsyndrome (ACS)s
Umständen mit Atropin, erwäge eine vorübergehende
Schrittmacherbehandlung nur dann, wenn die
Bradykardie und die Hypotonie nach Atropingabe
weiter bestehen. Ein totaler AV- Block ist in dieser
Situation meist vorübergehend, und eine permanente
Schrittmacherbehandlung ist kaum jeweils notwendig.
Wenn ein AV- Block bei einem Vorderwandinfarkt auftritt,
so bedeutet dies üblicherweise, dass ein ausgedehnter
Myokardschaden vorliegt und deutet auf eine schlechte
Prognose hin. Dabei sind die QRS- Komplexe meistens
breit (>0,12 sec.) und die Herzfrequenz niedrig. Da meist
eine Atropin- Resistenz vorliegt, ist üblicherweise eine
vorübergehende Schrittmachertherapie erforderlich
und sollte nicht verzögert werden. Viele, aber nicht alle
Patienten, die eine solche Situation überleben, werden
einen permanenten Schrittmacher benötigen.
Kardiale Rehabilitation
Bei allen Patienten nach akutem Koronarsyndrom kann
ein effektives Programm einer kardialen Rehabilitation
die Rückkehr zu einer normalen Tätigkeit beschleunigen
und Maßnahmen fördern die ein weiteres Risiko
reduzieren (siehe unten). Es ist nachgewiesen, dass
eine effektive kardiale Rehabilitation die Notwendigkeit
einer neuerlichen Hospitalisierung reduziert. Kardiale
Rehabilitation ist ein kontinuierlicher Prozess, der
auf der Herzüberwachungsstation beginnt und dann
wohnortnah weitergeführt wird mit dem Ziel einer
Lebensstiländerung und Sekundärprävention.
Sekundärprävention
Bei Patienten mit nachgewiesener koronarer
Herzerkrankung können Allgemeinmaßnahmen
zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos
(„Sekundärprävention“) die Wahrscheinlichkeit für weitere
koronare Ereignisse (einschließlich plötzlichem Herztod)
und Schlaganfall reduzieren.
Anti-thrombotische Therapie
Eine kontinuierliche Hemmung der Plättchenaggregation
ist bei allen Patienten angebracht. Die Mehrzahl soll
niedrig dosiert ASS (75 mg täglich) erhalten. Geben Sie
allen Hochrisikopatienten mit ACS und allen, die mit
einer PCI behandelt werden, 75 mg Clopidogrel täglich
(nach anfänglicher Aufsättigung mit mindestens 300 mg).
Aktuelle Leitlinien empfehlen eine Behandlungsdauer
über mindestens 12 Monate.
Bei Patienten mit ASS- Unverträglichkeit kann
Clopidogrel allein gegeben werden. Bei Patienten,
die als Komplikation der ischämischen Herzkrankheit
Vorhofflimmern entwickeln, besteht ein zusätzliches
Risiko einer Thromboembolie aus dem linken Vorhof. Bei
der Verhinderung einer intrakardialen Thrombusbildung
sind orale Antikoagulantien (Vitamin K- Antagonisten
wie Warfarin, Marcumar, Sintrom) wirksamer als ASS
und sollten zusätzlich oder anstatt der Hemmung der
Plättchenaggregation erwogen werden.
24 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Erhalt der Linksventrikelfunktion
Die Prognose nach einem AMI wird zum Teil durch den
Schweregrad der resultierenden Beeinträchtigung der
Linksventrikelfunktion bestimmt. Die Behandlung mit
ACE- Hemmern nach einem AMI vermag das Remodelling,
welches zur Dilatation und Funktionsstörung des linken
Ventrikels führt, zu verringern. Bei Beeinträchtigung der
systolischen Funktion kann eine ausreichend dosierte
Behandlung mit ACE- Hemmern das Risiko und den
Schweregrad der folgenden Herzinsuffizienz, ebenso
wie das Risiko eines weiteren Infarktes und Todes
reduzieren. In den ersten Tagen nach einem ACS ist eine
echokardiographische Untersuchung der Funktion des
linken Ventrikels angebracht, um das Risiko zu beurteilen
und diejenigen Patienten zu erkennen, die von dieser
Behandlung am meisten profitieren werden. Für den
Großteil der Patienten sollte während der ersten Tage
nach einem AMI eine Behandlung mit ACE- Hemmern
erwogen werden.
Cholesterinsenkung
Eine weitere Reduktion des Risikos kann durch eine
effektive Verringerung des Cholesterinspiegels im Blut
erreicht werden, insbesondere durch Senkung des
LDL-Cholesterins. Statine vermögen das Risiko weiterer
Koronarereignisse um etwa 30% zu senken. Eine Diät
mit wenig Fett, reichlich Ballaststoffen und regelmäßige
körperliche Aktivität ergänzen die medikamentöse
Cholesterinsenkung.
Vermeiden von Rauchen
Zumindest ebenso wichtig für die Risikoreduktion ist die
Beseitigung anderer vermeidbarer Risikofaktoren wie
zum Beispiel des Rauchens. Information, Ermutigung
und Unterstützung von Patienten, mit dem Rauchen
aufzuhören, sollte möglichst früh nach Präsentation eines
akuten Koronarsyndroms erfolgen.
Antihypertensive Behandlung
Eine wirksame Senkung eines erhöhten Blutdrucks durch
den Einsatz von Medikamenten genauso wie durch nichtpharmakologische Methoden, verringert das Risiko eines
Schlaganfalls und von Herzinsuffizienz und trägt zu einer
Reduktion des Risikos künftiger koronarer Ereignisse bei.
European Resuscitation Council
Zusammenfassung
•Die akuten Koronarsyndrome umfassen die
instabile Angina pectoris, den Nicht- STHebungsinfarkt und den ST- Hebungsinfarkt.
•Verabreiche Sauerstoff, Nitroglycerin,
Acetylsalicylsäure und Morphin allen Patienten
mit akuten Koronarsyndromen.
•Eine schnelle initiale Begutachtung unter
Zuhilfenahme der Anamnese, der klinischen
Untersuchung und des 12- Kanal- EKG hilft
bei der Erstellung der Diagnose und zur
Abschätzung des unmittelbaren Risikos.
•Eine sofortige Reperfusionstherapie sollte bei
jenen Patienten erwogen werden, die einen
Myokardinfarkt mit einer ST- Hebung oder
neuem Linksschenkelblock aufweisen.
•Eine effektive Beurteilung und sofortige
Behandlung der Patienten mit
KAP
3
Weiterführende Literatur
International Liaison Committee on Resuscitation. Part 5. Acute
Coronary Syndromes.
2005 International Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation
and Emergency Cardiovascular Care Science with Treatment
Recommendations. Resuscitation 2005.
Arntz H-R, Bossaert L. European Resuscitation Council Guidelines for
Resuscitation 2005. Section 5: Initial management of acute coronary
syndromes. Resuscitation 2005; 67.
Bertrand M E et al. The Task Force on the Management of Acute Coronary
Syndromes of the European Society of Cardiology. Management of
acute coronary syndromes presenting without persistent ST- segment
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Van de Werf et al. The Task Force on the Management of Acute
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European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 25
Kapitel 3 Akute Koronarsyndrome (ACS)s
26 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Versorgung des Kreislaufstillstands
im Krankenhaus
KAPITEL
Lerninhalte
■ Wie wird eine Wiederbelebung im
Krankenhaus begonnen.
■ Wie wird die Wiederbelebung weitergeführt,
bis das Wiederbelebungs-Team eintrifft.
Einleitung
Nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand im Krankenhaus
ist die Unterscheidung zwischen Basisreanimation
und erweiterten Wiederbelebungs-Maßnahmen eher
willkürlich. In der Praxis ist der Übergang fließend. Die
Öffentlichkeit erwartet, dass das medizinische Personal
die kardiopulmonale Wiederbelebung beherrscht. Für
alle Kreislaufstillstände im Krankenhaus muss deshalb
sichergestellt sein, dass:
• Der Kreislaufstillstand sofort erkannt wird.
• Eine einheitliche Telefonnummer für das
Wiederbelebungsteam zur Verfügung steht.
• Die Wiederbelebung sofort unter Verwendung
von Atemwegs-Hilfsmitteln (z.B. Taschenmasken)
begonnen wird und wenn notwendig, so schnell
wie möglich, mit der Defibrillation begonnen wird
(innerhalb von höchstens 3 Minuten).
Was unterscheidet die
Wiederbelebung im Krankenhaus
Die genaue Vorgangsweise einer Wiederbelebung im
Krankenhaus hängt von verschiedenen Faktoren ab:
• Ort (klinischer / nicht-klinischer Bereich;
monitorüberwachter / nicht-monitorüberwachter
Bereich);
• Fähigkeiten des Ersthelfers;
• Anzahl der Ersthelfer;
• Vorhandenes Material;
• Art der Organisation des Krankenhauses in Hinblick
auf Notfälle und Wiederbelebung; z.B. Medizinisches
Notfallteam (MET), Wiederbelebungs-Team.
Ort des Kreislaufstillstands
Bei Patienten, die eng überwacht werden, wird ein
Kreislaufstillstand üblicherweise rasch erkannt.
Patienten, die sich in einem Bereich ohne kontinuierliche
Überwachung befinden, können sich unbemerkt
verschlechtern und einen unbeobachteten HerzKreislauf-Stillstand erleiden. Idealerweise sollten alle
European Resuscitation Council
4
Patienten, die ein hohes Risiko haben, einen HerzKreislauf-Stillstand zu erleiden, in einem Bereich betreut
werden, der eine kontinuierliche Überwachung und
sofortige Wiederbelebung bietet. Patienten, Besucher
und Angestellte können ebenfalls einen Herz-KreislaufStillstand in nicht-klinischen Bereichen erleiden (z.B. auf
Parkplätzen oder Gängen).
Training der Ersthelfer
Alle professionellen Ersthelfer sollten einen HerzKreislauf-Stillstand erkennen, Hilfe herbeiholen und
mit der Wiederbelebung beginnen können. Das
Personal sollte das tun, wofür es jeweils ausgebildet
worden ist. Z.B. wird Personal der Intensivstation oder
Notaufnahme bessere Kenntnisse in Wiederbelebung
haben, als jene, die nicht regelmäßig damit konfrontiert
sind. Krankenhaus-Personal, das auf einen HerzKreislauf-Stillstand reagiert, kann ganz unterschiedliche
Fähigkeiten für das Management von Atemweg, Atmung
und Kreislauf haben. Ersthelfer sollen die Fähigkeiten
verwenden, für die sie ausgebildet wurden.
Anzahl der Ersthelfer
Der einzelne Ersthelfer muss sichergehen, dass Hilfe
kommt. Normalerweise sind aber andere Personen in
der Nähe und mehrere Maßnahmen können gleichzeitig
durchgeführt werden.
Vorhandenes Material
Das Personal in allen klinischen Bereichen soll
unmittelbaren Zugang zu Reanimations-Material
und Medikamenten haben, um sofort mit
Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen zu können.
Idealerweise sollte das Material (inklusive Defibrillatoren)
und die jeweilige Anordnung dessen im gesamten
Krankenhaus standardisiert sein. Man sollte sich mit dem
Material in seinem klinischen Bereich vertraut machen.
Wiederbelebungs-Team
Das Wiederbelebungs-Team kann in der Form eines
traditionellen Kreislaufstillstands-Teams organisiert
werden, das gerufen wird, sobald ein Herz-KreislaufStillstand bemerkt wird. Andererseits kann auch ein
System mit einem medizinischen Notfallteam (MET)
eingerichtet werden, das bei Patienten mit Risiko für
einen Kreislaufstillstand bereits aktiv wird, bevor dieser
auftritt, denn Kreislaufstillstände im Krankenhaus sind
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 27
KAP
4
Kapitel 4 Versorgung des Kreislaufstillstands im Krankenhaus
In-hospital resuscitation
Collapsed / sick patient
Shout for HELP and assess patient
NO
Call Resuscitation Team
Signs
of life?
YES
Assess ABCDE
Recognise and treat
Oxygen, monitoring, IV access
CPR 30:2
with oxygen and airway adjuncts
Call Resuscitation Team
if appropriate
Apply pads / monitor
Attempt defibrillation
if appropriate
Handover to
Resuscitation Team
Advanced Life Support
when Resuscitation Team arrives
Figure 4.1 In-hospital resuscitation
28 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
selten plötzlich oder unerwartet. Eine Strategie zur
Erkennung von Risikopatienten könnte möglicherweise
einige Kreislaufstillstände verhindern oder aussichtslose
Reanimationen vermeiden (Kapitel 2).
Vorgehen bei kollabierten
Patienten im Krankenhaus
Den Algorithmus für die anfängliche Behandlung von
Patienten nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand im
Krankenhaus zeigt Abbildung 4.1.
1. Persönliche Sicherheit
Es gibt nur wenige Berichte über Ersthelfer, die durch
die Durchführung einer Wiederbelebung zu Schaden
gekommen sind.
• Die persönliche Sicherheit und die des
Wiederbelebungs-Teams hat oberste Priorität während
jedes Wiederbelebungs-Versuchs.
• Überprüfen Sie, ob die Umgebung des Patienten
gefahrlos ist.
• Ziehen Sie Handschuhe so früh wie möglich an.
Andere Schutzmaßnahmen wie Schutzbrillen,
Schürzen und Gesichtsmasken können notwendig
sein.
• Das Risiko einer Infektion ist viel niedriger als
vermutet. Es gibt einzelne Berichte von Infektionen
mit Tuberkulose (Tbc) und „Severe Acute Respiratory
Syndrome (SARS)“. Eine Ansteckung mit HIV
während der Wiederbelebung wurde bis jetzt nicht
beobachtet. Verwenden Sie Taschenmasken mit
Filter oder eine Schutzmaske mit Ein-Weg-Ventil,
um das Infektionsrisiko während der Beatmung zu
minimieren. Die Effektivität von Beatmungstüchern ist
nicht gesichert und sie verhindern nicht zuverlässig
den Übertritt von Bakterien auf den Ersthelfer.
• Tragen Sie einen Ganzkörper-Infektionsschutz wenn
das Opfer mit schwerwiegenden Krankheiten wie
SARS oder Tbc infiziert ist.
• Die neuesten Hinweise zum Infektionsschutz finden
sie unter www.rki.de
• Seien Sie vorsichtig mit spitzen Gegenständen. Eine
dafür vorgesehene Abwurfbox sollte vorhanden sein.
Wenn Patienten unter Reanimation transportiert
werden müssen, sollte mit Bedacht vorgegangen
werden.
• Vorsicht bei Patienten, die Giftstoffen ausgesetzt
waren. Vermeiden Sie Mund-zu-Mund-Beatmung und
Kontakt mit der Ausatemluft des Patienten bei Zyanid
oder Hydrogensulfid-Vergiftungen.
• Vermeiden Sie Kontakt bei Vergiftungen mit ätzenden
Substanzen (z.B. starken Säuren, Basen, Paraquat)
oder bei Substanzen, die über die Haut oder den
Respirationstrakt aufgenommen werden können (z.B.
Organophosphate).
• Es gibt keine Berichte über Infektionen, die durch
Wiederbelebungs-Training aufgetreten sind. Es sollten
European Resuscitation Council
jedoch trotzdem Vorsichtsmaßnahmen beachtet
werden, um eine mögliche Infektion zu verhindern.
Reinigen Sie die Übungspuppen regelmäßig und
desinfizieren Sie diese nach jedem Gebrauch.
Einige Puppen haben Einmal-Gesichtsstücke und
-Atemwegsteile, die eine Reinigung vereinfachen.
2. Bewusstseinskontrolle
• Wenn Sie sehen, wie ein Patient kollabiert, oder
wenn Sie einen offensichtlich nicht ansprechbaren
Patienten in einem klinischen Bereich auffinden,
sollten Sie zuerst um Hilfe rufen und dann den
Bewusstseinszustand des Patienten untersuchen
(Schütteln und Ansprechen).
Schütteln Sie vorsichtig die Schultern des Patienten
und fragen Sie laut: „Geht es Ihnen gut?“ (Abbildung
4.2).
• Wenn andere Mitarbeiter in der Nähe sind, können
mehrere Maßnahmen gleichzeitig gesetzt werden.
Figure 4.2 Shake and shout
3A. Der Patient reagiert auf Ansprache
• Eine rasche medizinische Untersuchung sollte
erfolgen. Abhängig von der Organisation innerhalb
des Krankenhauses kann diese auch ein medizinisches
Notfallteam (z.B. MET) durchführen. Während der
Wartezeit sollte der Patient entsprechend dem ABCDESchema untersucht werden. Es sollte Sauerstoff
gegeben, der Patient an ein Überwachungsgerät
angeschlossen und ein venöser Zugang gelegt
werden.
3B. Der Patient reagiert nicht
• Der genaue Ablauf hängt vom jeweiligen Training und
der Erfahrung bei der Überprüfung von Atmung und
Kreislauf bei kranken Patienten ab. Schnappatmung
(vereinzelte Atemzüge, langsame oder geräuschvolle
Atmung) kommt häufig in der frühen Phase eines
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 29
KAP
4
Kapitel 4 Versorgung des Kreislaufstillstands im Krankenhaus
Kreislaufstillstandes vor. Dies ist ein Zeichen eines
Herz-Kreislauf-Stillstands und sollte nicht mit
Lebenszeichen verwechselt werden.
• Rufen Sie um Hilfe (falls Sie es noch nicht gemacht
haben).
• Drehen Sie den Patienten auf den Rücken.
• Öffnen Sie den Atemweg des Patienten, indem Sie den
Kopf nackenwärts überstrecken und das Kinn anheben
(Abbildung 4.3).
•
•
•
Figure 4.3 Head tilt and chin lift
•
•
•
•
Anheben des Unterkiefers, weiterhin der Atemweg
verlegt sein, überstrecken Sie den Kopf vorsichtig und
schrittweise nackenwärts, bis der Atemweg frei ist.
Das Freimachen der Atemwege ist wichtiger als eine
mögliche HWS-Verletzung.
Halten Sie den Atemweg offen und sehen, hören
und fühlen Sie die Ausatemluft für maximal 10 sec
(Abbildung 4.4), um festzustellen, ob der Patient
normal atmet (vereinzelte Atemzüge, langsame oder
geräuschvolle Atmung ist nicht normal) oder andere
Lebenszeichen zeigt.
− Bewegungen des Brustkorbs (Atmung oder
Husten)
− Andere Körperbewegungen oder Lebenszeichen
− Hören von Atemgeräuschen am Mund des
Patienten
− Fühlen der Ausatemluft an Ihrer Wange
Wenn der Patient keine Lebenszeichen zeigt (keine
Bewegung, keine Atmung, kein Husten), beginnen
Sie sofort mit der Wiederbelebung. Führen Sie diese
fort, bis jemand eintrifft, der eine größere Erfahrung
in Wiederbelebung hat, oder der Patient wieder
Lebenszeichen zeigt.
Wenn Sie in der Untersuchung von kranken Patienten
geübt sind, können Sie Atmung und Puls auch
gleichzeitig überprüfen (Abbildung 4.5).
(Dieses Vorgehen hat eine niedrigere diagnostische
Sicherheit. Siehe: Albarran JW, Moule P, Gilchrist M,
Soar J. Comparison of sequential and simultaneous
breathing and pulse check by healthcare professionals
during simulated scenarios. Resuscitation. 2006
Feb;68(2):243-9.)
Falls der Patient keine Lebenszeichen zeigt oder
keinen Puls hat, sollte sofort mit der Wiederbelebung
begonnen werden. Im Zweifelsfall sollte ebenfalls
sofort mit der Wiederbelebung begonnen werden.
Verzögerungen in der Diagnose eines Herz-KreislaufStillstands und dem Beginn der Wiederbelebung
haben negative Auswirkungen auf das Überleben
der Patienten und müssen unter allen Umständen
vermieden werden.
Es ist unwahrscheinlich, dass der Beginn von
Wiederbelebungs-Maßnahmen bei schwerkranken
Patienten mit niedrigem Herzminutenvolumen
schädlich ist - es könnte sogar vorteilhaft sein.
Auch Patienten, die sich in einem überwachten
Bereich befinden, müssen untersucht werden um
einen Kreislaufstillstand zu bestätigen.
Figure 4.3 Head tilt and chin lift
• Inspizieren Sie den Mund des Patienten. Falls
Fremdkörper sichtbar sind, entfernen Sie diese mittels
Magill-Zange oder Absaugung.
• Bei Verdacht auf Verletzung der HWS sollte der
obere Atemweg mithilfe des Esmarch’schen
Handgriffs (Unterkiefer anheben) unter gleichzeitiger
Stabilisierung der HWS mittels vorsichtigem
Längszug durch eine 2. Person geöffnet werden
(wenn genügend Personal vorhanden ist). Sollte, trotz
30 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
4A. Der Patient hat Puls oder zeigt
Lebenszeichen
• Eine rasche medizinische Untersuchung sollte
erfolgen. Abhängig von der Organisation
innerhalb des Krankenhauses kann diese auch ein
Wiederbelebungs-Team (z.B. MET) durchführen.
Während der Wartezeit sollte der Patient
entsprechend dem ABCDE-Schema untersucht
werden. Es sollte Sauerstoff gegeben, der Patient
an ein Überwachungsgerät angeschlossen und ein
venöser Zugang gelegt werden
4B. Der Patient hat keinen Puls oder
Lebenszeichen
• Beginnen Sie sofort mit der Wiederbelebung. Ein
Kollege soll das Wiederbelebungs-Teams verständigen
(Abbildung 4.6) und Wiederbelebungs-Materialien
und den Defibrillator holen.
Figure 4.4 Looking for breathing and any other
movement
Figure 4.6 Call the resuscitation team
• Wenn Sie alleine sind, verlassen Sie den Patienten und
holen Sie selbst Hilfe und Material.
• Geben Sie 30 Herz-Druck-Massagen gefolgt von 2
Beatmungen
• Die richtige Hand-Position für Herz-Druck-Massagen
ist die Mitte der unteren Hälfte des Brustbeins
(Abbildung 4.7).
Figure 4.5 Simultaneous check for breathing and
carotid pulse
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 31
KAP
4
Kapitel 4 Versorgung des Kreislaufstillstands im Krankenhaus
(abhängig von den lokalen Richtlinien). Eine
endotracheale Intubation sollte nur versucht werden,
wenn man in dieser Maßnahme erfahren und geübt
ist.
Figure 4.7 Hand position for chest compressions
• Diese Hand-Position wird schnell gefunden, wenn Sie
in der Schulung unterrichtet wurden, den Handballen
der einen Hand auf die Mitte des Brustkorbs zu
setzen und die andere Hand über die unten liegende
zu legen. Dabei sollte in einer Demonstration
das Auflegen der Hände in der Mitte der unteren
Brustbeinhälfte gezeigt werden (Abbildung 4.8).
Figure 4.9 Use of the pocket mask
Figure 4.8 Hands placed in the middle of the lower
half of the sternum
• Drücken Sie das Brustbein 4-5 cm tief ein mit einer
Kompressionsrate von 100 /min. Der Brustkorb soll
nach jeder Herz-Druck-Massage vollständig entlastet
werden. Kompression und Entlastung sollen etwa
gleich lange dauern.
• Immer wenn die Herz-Druck-Massage
wiederaufgenommen wird, setzen Sie die Hände ohne
Verzögerung in der Mitte des Brustkorbs auf.
• Verlassen Sie sich nicht auf einen tastbaren Carotisoder Femoralis-Puls, um die Effektivität der HerzDruck-Massage zu beurteilen.
• Verwenden Sie das nächste verfügbare Gerät
zur Beatmung. Zumindest eine Taschenmaske
in Verbindung mit einer oropharyngealen
Atemwegs-Hilfe sollte unmittelbar zur Verfügung
stehen (Abbildung 4.9). Alternativ kann auch
eine Larynxmaske mit Beatmungsbeutel oder ein
Beatmungsbeutel mit Maske verwendet werden
32 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
• Die Beatmungszeit sollte etwa 1 sec betragen. Dabei
soll sich der Brustkorb sichtbar heben. Geben Sie
zusätzlich Sauerstoff so früh wie möglich.
• Vermeiden Sie schnelle und druckstarke Beatmungen.
• Sobald der Patient intubiert wurde, kann die HerzDruck-Massage ununterbrochen mit einer Rate von
100 /min fortgeführt werden. Die Herz-Druck-Massage
darf nur für die Defibrillation oder die Überprüfung
des Pulses unterbrochen werden. Die Beatmung
soll 10-mal pro Minute erfolgen. Vermeiden Sie eine
Hyperventilation.
• Sind Hilfsmittel zur Beatmung nicht vorhanden, führen
Sie Mund-zu-Mund-Beatmung durch. Bei klinischen
Gründen ist ein direkter Mund-zu-Mund-Kontakt zu
vermeiden. Wenn Sie sich nicht in der Lage sehen, eine
Mund-zu-Mund-Beatmung durchzuführen, machen
sie zumindest Herz-Druck-Massagen, bis Hilfe oder
Atemwegs-Hilfsmittel eintreffen. Eine Taschenmaske
sollte in allen klinischen Bereichen unmittelbar zur
Verfügung stehen.
• Wenn der Defibrillator eintrifft, setzen Sie die
Elektroden auf den Brustkorb des Patienten und
analysieren Sie den Herzrhythmus. Mit SelbstklebeDefibrillations-Elektroden oder „Quick-Look“Elektroden (Abbildung 4.10) kann der Rhythmus
schneller abgeleitet werden als durch das Aufkleben
von EKG-Elektroden.
European Resuscitation Council
KAP
4
Figure 4.10 ‘Quick-look’ technique with defibrillator
paddles
• Wenn Selbstklebe-Defibrillations-Elektroden zur
Verfügung stehen und mehrere Ersthelfer anwesend
sind, können die Elektroden auch während der HerzDruck-Massage angeklebt werden (Abbildung 4.11).
• Unterbrechen Sie die Herz-Druck-Massage nur
kurz, um den Rhythmus zu analysieren. Wenn
notwendig, führen Sie eine manuelle Defibrillation
durch. Bei Verwendung eines automatisierten
externen Defibrillators (AED) folgen Sie einfach den
Anweisungen des Geräts.
• Führen Sie die Herz-Druck-Massage unmittelbar
nach der Defibrillation fort. Machen Sie keine Pause,
um den Puls oder Herzrhythmus zu überprüfen.
Vermeiden Sie jede unnötige Unterbrechung der
Herz-Druck-Massage.
• Führen Sie die Wiederbelebungs-Maßnahmen fort,
bis das Wiederbelebungs-Team des Krankenhauses
eintrifft oder der Patient Lebenszeichen zeigt. Folgen
Sie den Sprachanweisungen des AED, wenn Sie einen
verwenden.
• Wenn Sie einen manuellen Defibrillator verwenden,
folgen Sie der Handlungsanweisung für die „Erweiterte
Wiederbelebung“ (Kapitel 5).
• Nachdem mit der Wiederbelebung begonnen wurde,
falls ausreichend Personal zur Verfügung steht, sollte
ein IV Zugang und Reanimations-Medikamente (z.B.
Adrenalin) vorbereitet werden.
• Es sollte eine Person für die Übergabe an das
Wiederbelebungs-Team bestimmt werden. Dafür sollte
auch die Patienten-Krankengeschichte zur Verfügung
stehen.
• Die Person, die die Herz-Druck-Massage durchführt,
wird rasch erschöpft sein. Falls ausreichend Personal
zur Verfügung steht, sollte alle 2 min gewechselt
werden.
• Die Qualität der Herz-Druck-Massage während einer
Wiederbelebung im Krankenhaus ist oft mangelhaft.
Leiten Sie die Person, die die Herz-Druck-Massagen
durchführt, an, diese effektiv auszuführen, oder
wechseln Sie wenn nötig die Person aus.
• Verwenden Sie eine Uhr, um die Zeit zwischen den
einzelnen Defibrillationen zu stoppen. Es ist schwierig,
sich die Anzahl der 30:2 Zyklen zu merken
European Resuscitation Council
Figure 4.11 Maintain chest compressions while self
adhesive pads are applied
4C. Der Patient atmet nicht, hat aber
Puls (Atemstillstand)
• Beatmen Sie den Patienten (wie oben beschrieben)
und überprüfen Sie den Kreislauf alle 10 Beatmungen
(etwa jede Minute).
• Diese Diagnose darf nur gestellt werden, wenn Sie
in der Überprüfung der Atmung und des Kreislaufs
geübt sind oder der Patient andere Lebenszeichen
zeigt (z.B. fühlt sich warm an und ist gut durchblutet,
normale kapilläre Füllung).
• Falls Zweifel bestehen, ob Puls vorhanden ist,
beginnen Sie mit der Herz-Druck-Massage, bis
erfahrenere Hilfe eintrifft.
• Alle Patienten mit Atemstillstand erleiden einen
Kreislaufstillstand, wenn der Atemstillstand nicht
sofort effektiv behandelt wird.
5. Wenn der Patient einen beobachteten
Kreislaufstillstand in einem
überwachten Bereich erleidet (z.B. ICU)
• Bestätigen Sie den Kreislaufstillstand und rufen Sie um
Hilfe.
• Geben Sie einen präcordialen Faustschlag (Kapitel 5),
wenn es sich um Kammerflimmern oder eine pulslose
ventrikuläre Tachykardie (VF/VT) handelt und ein
Defibrillator nicht unmittelbar zur Verfügung steht.
• Wenn der Erstrhythmus VF/VT ist und ein Defibrillator
unmittelbar verfügbar ist, geben Sie einen Schock ab.
• Starten Sie die Herz-Druck-Massage sofort nach der
Schockabgabe, wie oben beschrieben.
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 33
Kapitel 4 Versorgung des Kreislaufstillstands im Krankenhaus
Zusammenfassung
•Der genaue Handlungsablauf einer
Wiederbelebung im Krankenhaus hängt vom
Ort, den Fähigkeiten des Ersthelfers, der Anzahl
der Ersthelfer, dem vorhandenen Material und
der Art der Organisation des Krankenhauses in
Hinblick auf Notfälle und Wiederbelebung ab.
•Die Sicherheit des WiederbelebungsTeams hat oberste Priorität während jedes
Wiederbelebungs-Versuchs.
•Vermeiden Sie jede unnötige Unterbrechung der
Herz-Druck-Massage.
Weiterführende Literatur
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Life Support. 2005 International Consensus on Cardiopulmonary
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34 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Behandlungsalgorithmus der erweiterten
lebensrettenden Maßnahmen
(Advanced Life Support Algorithm) KAPITEL
Lernziele
■ Die Funktion des Behandlungsalgorithmus
der erweiterten lebensrettenden Maßnahmen
(Advanced Life Support/ALS).
■ Die Behandlung von Kammerflimmern (VF)
und pulsloser Kammertachykardie (VT).
■ Die Behandlung nicht-defibrillierbarer
Rhythmen.
■ Die Indikationen und die Technik des
präkordialen Faustschlages.
■ Die potentiell reversiblen Ursachen des
Kreislaufstillstandes.
■ Die Rolle des Teamleiters bei der
Reanimation.
Einführung
Mit einem Kreislaufstillstand einhergehende Rhythmen
kann man in zwei Gruppen einteilen: In defibrillierbare
(Kammerflimmern, VF und pulslose Kammertachykardie,
VT) und in nicht-defibrillierbare Rhythmen (Asystolie und
pulslose elektrische Aktivität, PEA). Der grundlegende
therapeutische Unterschied besteht in der Notwendigkeit
zur Defibrillation bei Kammerflimmern bzw. pulsloser
Kammertachykardie. Die übrigen Maßnahmen sind
bei beiden Gruppen gleich, d.h. Herzdruckmassage,
Atemwegssicherung und Beatmung, venöser Zugang,
Adrenalingabe sowie das Erkennen und die Korrektur
potentiell reversibler Ursachen.
Der Behandlungsalgorithmus der erweiterten
lebensrettenden Maßnahmen (ALS) beschreibt
ein standardisiertes Vorgehen bei der Behandlung
eines Kreislaufstillstandes. Er ermöglicht damit
die situationsgerechte Durchführung der
Behandlungsmaßnahmen - ohne langwierige Absprache.
Anhand des Algorithmus kennt jedes Teammitglied die
nächsten Schritte und kann sich entsprechend darauf
vorbereiten. Dies steigert die Effektivität des Teams.
Obwohl der ALS-Behandlungsalgorithmus (Abb. 5.1) für
die meisten Arten von Kreislaufstillständen gilt, können
besondere Umstände und Ursachen zusätzliche, spezielle
Maßnahmen bedingen (s. Kapitel 13).
Maßnahmen, die nachweisbar die Überlebensrate
nach Kreislaufstillstand verbessern, sind die frühzeitige
Defibrillation bei Kammerflimmern und pulsloser
Kammertachykardie sowie die prompte und effektive
Durchführung der kardiopulmonalen Reanimation
(CPR), d.h. Herzdruckmassage und Beatmung. Obwohl
weder mittels erweiterter Maßnahmen zur Sicherung
European Resuscitation Council
5
der Atemwege, noch durch die Verabreichung von
Medikamenten eine erhöhte Krankenhausentlassungsrate
nach Kreislaufstillstand nachgewiesen werden konnte,
sind diese nach wie vor Bestandteil der erweiterten
lebensrettenden Maßnahmen. Im Rahmen der
erweiterten Maßnahmen sollte jedoch besonders auf
eine frühzeitige Defibrillation sowie eine korrekte und
konsequent durchgeführte kardiopulmonale Reanimation
(CPR) geachtet werden.
Defibrillierbare Rhythmen
(Kammerflimmern, VF und pulslose
Kammertachykardie, VT)
Dem Kreislaufstillstand Erwachsener liegt initial
meist ein Kammerflimmern (VF) zugrunde, dem eine
Kammertachykardie (VT), eine Bradyarrhythmie, oder
seltener eine supraventrikuläre Tachykardie (SVT)
vorangegangen sein kann. Nach Bestätigung des
Kreislaufstillstandes muss umgehend Hilfe (einschließlich
eines Defibrillators) angefordert und die kardiopulmonale
Reanimation (CPR) gestartet werden. Beginnen Sie die
externe Herzdruckmassage mit einem KompressionsVentilations-Verhältnis von 30 zu 2 (s. Kapitel 4).
Sobald ein Defibrillator verfügbar ist, überprüfen Sie
den vorliegenden Rhythmus mittels selbstklebender
Elektroden oder über die Paddles des Defibrillators.
Liegt ein Kammerflimmern oder eine pulslose
Kammertachykardie vor, folgen Sie den nachstehenden
Behandlungsschritten.
Behandlung defibrillierbarer Rhythmen
(VF/VT)
• Führen Sie eine Defibrillation durch. Geben Sie einen
Schock mit 150-200 Joules (biphasisch) bzw. 360
Joules (monophasisch) ab.
• Nehmen Sie dann umgehend wieder die
Herzdruckmassage auf (30:2), ohne erneute
Rhythmus- oder Pulskontrolle.
• Führen Sie die CPR weiter für 2 Minuten; unterbrechen
Sie diese dann kurz zur Überprüfung des EKGRhythmus.
- Besteht weiterhin VF/VT:
• Geben Sie einen weiteren Schock (Nr. 2) mit
150-360 Joules (biphasisch) bzw. 360 Joules
(monophasisch) ab.
• Nehmen Sie dann umgehend wieder die CPR auf
und führen diese über 2 Minuten weiter.
• Unterbrechen Sie dann die CPR kurz zur
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 35
KAP
5
Kapitel 5 Behandlungsalgorithmus der erweiterten lebensrettenden Maßnahmen (Advanced Life Support Algorithm)
ALS-Algorithmus der erweiterten lebensrettenden Maßnahmen (ALS) bei Erwachsenen
Keine Reaktion?
Atemwege freimachen
Auf Lebenszeichen achten
Reanimationsteam
verständigen
CPR 30:2
bis Defibrillator/EKG-Monitor angeschlossen
Rhythmus
beurteilen
defibrillierbar
(VF / pulslose VT)
1 Shock
150-360 J biphasisch
oder 360 J monophasic
Sofort weiterführen
30:2
2 min
Nicht-difibrillierbar
(PEA / Asystolie)
Während der CPR:
• Reversible Ursachen* beheben*
• Elektrodenposition und -kontakte
überprüfen
• Intravenösen Zugang legen/
überprüfen
• Sauerstoffgabe
• Atemwege sichern
• Wenn endotracheal intubiert,
Herzdruckmassage ohne
Unterbrechung
• Adrenalin alle 3-5 min
• Amiodaron, Atropin, Magnesium
erwägen
Sofort weiterf¨hren
30:2
2 min
*Reversible Ursachen:
Hypoxie
Hypovolëmie
Hypo-/hyperkalëmie & metabolische Störungen
Hypothermie
Herzbeuteltamponade
Intoxikationen
Thrombose (koronar oder pulmonal)
Spannungspneumothorax
Abb. 5.1 Algorithmus der erweiterten lebensrettenden Maßnahmen (ALS) bei Erwachsenen.
36 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Überprüfung des EKG-Rhythmus.
• Falls weiterhin VF/VT besteht, geben Sie 1 mg
Adrenalin i.v., unmittelbar gefolgt von einem 3.
Schock mit 150-360 Joules (biphasisch) bzw. 360 Joules (monophasisch).
• Nehmen Sie dann umgehend die CPR wieder auf
und führen diese über 2 Minuten weiter.
• Unterbrechen Sie dann die CPR kurz zur
Überprüfung des EKG-Rhythmus.
• Falls weiterhin VF/VT besteht, geben Sie 300 mg
Amiodaron i.v., unmittelbar gefolgt von einem 4.
Schock mit 150-360 Joules (biphasisch) bzw. 360 Joules (monophasisch).
• Nehmen Sie umgehend die CPR wieder auf und
führen diese über 2 Minuten weiter.
• Geben Sie 1 mg Adrenalin i.v. unmittelbar vor
jedem 2. Schock, d.h. ungefähr alle 3-5 Minuten.
• Geben Sie nach jedem 2-minütigen CPR-Intervall
weitere Schocks, nachdem Sie sich vergewissert
haben, dass weiterhin VF/VT vorliegt.
- Liegt eine organisierte elektrische Aktivität vor, die
mit einem kardialen Auswurf einhergehen kann,
überprüfen Sie den Puls:
• Ist ein Puls tastbar, beginnen Sie mit den
Maßnahmen der Versorgung nach Reanimation
(s. Kapitel 14).
• Ist kein Puls tastbar, führen Sie die CPR fort
und wechseln Sie auf die rechte Seite des ALSAlgorithmus (nicht-defibrillierbare Rhythmen).
- Liegt eine Asystolie vor, führen Sie die CPR fort
und wechseln Sie auf die rechte Seite des ALSBehandlungsalgorithmus (nicht-defibrillierbare
Rhythmen).
Das Zeitintervall zwischen Stopp der Herzdruckmassage
und Schockabgabe muss so kurz wie möglich gehalten
werden und sollte keinesfalls 10 Sekunden überschreiten.
Längere Unterbrechungen der Herzdruckmassage
vermindern die Wahrscheinlichkeit durch Defibrillation
einen Spontankreislauf wiederherzustellen.
Unmittelbar nach der Schockabgabe wird die
Herzdruckmassage wieder aufgenommen, ohne
erneut Rhythmus oder Puls zu überprüfen. Selbst wenn
durch die Defibrillation ein perfundierender Rhythmus
wiederhergestellt wurde, ist unmittelbar danach nur sehr
selten ein Puls zu tasten. Wurde kein perfundierender
Rhythmus wiederhergestellt, beeinträchtigt jede
zeitliche Verzögerung durch Pulstasten zusätzlich
die Myokardfunktion. Liegt ein perfundierender
Rhythmus vor, wird durch eine Herzdruckmassage das
Wiederauftreten von Kammerflimmern nicht begünstigt.
Kommt es nach Defibrillation zur Asystolie, kann die
Herzdruckmassage diese in ein besser behandelbares
Kammerflimmern überführen.
Die erste Adrenalindosis wird sofort nach der
Rhythmusbestätigung und unmittelbar vor der
Abgabe des dritten Schocks gegeben (Sequenz:
European Resuscitation Council
Medikament-Schock-CPR-Rhythmusüberprüfung).
Weitere Adrenalindosen folgen unmittelbar vor jedem
zweiten Schock, solange VF/VT fortbesteht. Halten
Sie das Adrenalin bereit, so dass die Verzögerung
zwischen der Unterbrechung der Herzdruckmassage
und der Schockabgabe möglichst kurz ist. Durch die
nachfolgende kardiopulmonale Reanimation (CPR)
gelangt Adrenalin, das unmittelbar vor der Defibrillation
gegeben wird, in die Zirkulation. Die Schockabgabe darf
nicht durch die Adrenalingabe verzögert werden; falls das
Adrenalin nicht eher bereit ist, geben Sie es nach dem
Defibrillationsversuch.
Während der CPR wird Adrenalin alle 3-5 Minuten
gegeben. Bei Wechsel von der nicht-defibrillierbaren
auf die defibrillierbare Seite des Algorithmus, wird die
nächste Adrenalindosis vor dem ersten oder zweiten
Schock gegeben, abhängig vom Zeitpunkt der letzten
Adrenalingabe.
Zeigt sich bei der Rhythmuskontrolle zwei Minuten
nach der Defibrillation ein nicht-defibrillierbarer,
organisierter Rhythmus (schmale oder breite QRSKomplexe), versuchen Sie einen Puls zu tasten. Die
Rhythmuskontrollen dürfen nur kurzzeitig erfolgen;
Pulskontrollen werden nur dann durchgeführt, wenn ein
organisierter Rhythmus vorliegt. Zeigt sich während der
2-minütigen CPR ein organisierter Rhythmus, sollte die
Herzdruckmassage nicht zur Pulskontrolle unterbrochen
werden, es sei denn, der Patient zeigt Lebenszeichen,
die die Wiederkehr eines Spontankreislaufes (ROSC)
vermuten lassen. Besteht ein organisierter Rhythmus und
haben Sie Zweifel, ob ein Puls vorliegt, nehmen Sie die
CPR wieder auf. Hat der Patient einen Spontankreislauf
(ROSC), beginnen Sie mit den Maßnahmen zur
Versorgung nach Reanimation. Tritt eine Asystolie oder
eine PEA auf, folgen Sie den untenstehenden Leitlinien für
nicht-defibrillierbare Rhythmen.
Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass
die routinemäßige Gabe eines Antiarrhythmikums
während des Kreislaufstillstandes beim Menschen die
Krankenhausentlassungsrate verbessert. Verglichen
mit Placebo oder Lidocain kann durch die Gabe von
Amiodaron beim schockrefraktären Kammerflimmern
die kurzzeitige Überlebensrate (Überleben bis
Krankenhausaufnahme) erhöht werden. Falls kein
Amiodaron verfügbar ist, können alternativ 100 mg (bzw.
1 – 1,5 mg kg-1) Lidocain i.v. gegeben werden. Lidocain
sollte jedoch nicht verwendet werden, wenn zuvor bereits
Amiodaron appliziert wurde. Geben Sie Magnesium (2 g
Bolus i.v.), wenn bei schockrefraktärem Kammerflimmern
eine Hypomagnesiämie vorliegen könnte, z.B. bei einem
Patienten unter Diuretikatherapie. Bei schockrefraktärem
Kammerflimmern bzw. pulsloser Kammertachykardie
ist es wichtig, Position und Kontakt der
Ableitungselektroden (oder Paddle) sowie die Eignung
des Kontaktmediums (z.B. der Gelpads) zu überprüfen.
Die Dauer individueller Reanimationsmaßnahmen
richtet sich nach der klinischen Einschätzung und der
mutmaßlichen Aussicht auf ein günstiges Outcome.
Erschien es angemessen, eine Reanimation zu beginnen,
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 37
KAP
5
Kapitel 5 Behandlungsalgorithmus der erweiterten lebensrettenden Maßnahmen (Advanced Life Support Algorithm)
Abb. 5.3. Kammerflimmern (VF) während einer Koronarangiographie. Ein einzelner präkordialer Faustschlag terminiert das VF. Die untere Kurve entspricht dem Druck in der rechten Koronararterie (RCA).
sollte es grundsätzlich sinnvoll sein, diese fortzuführen
solange ein Kammerflimmern oder eine pulslose
Kammertachykardie besteht.
Bestehen Zweifel, ob der abgeleitete EKG-Rhythmus
einer Asystolie oder einem sehr feinschlägigen
Kammerflimmern entspricht, versuchen Sie keine
Defibrillation, sondern fahren Sie mit Herzdruckmassage
und Beatmung fort. Bei sehr feinschlägigem
Kammerflimmern, welches kaum von einer Asystolie zu
unterscheiden ist, ist eine erfolgreiche Defibrillation in
einen perfundierenden Rhythmus unwahrscheinlich.
Durch eine effektive CPR kann die Amplitude und die
Frequenz des Kammerflimmerns vergrößert und somit
die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Defibrillation
in einen perfundierenden Rhythmus erhöht werden.
Wiederholte Defibrillationsversuche bei vermeintlich
sehr feinschlägigem Kammerflimmern verstärken
die Myokardschädigung, sowohl als direkte Folge
des elektrischen Stroms, als auch indirekt infolge
der Unterbrechungen der Koronarperfusion. Liegt
hingegen eindeutig ein Kammerflimmern vor, sollte die
Defibrillation versucht werden.
Technik des präkordialen Faustschlages ausgebildet sind.
Verabreichen Sie mit der ulnaren Seite der fest
geschlossenen Faust aus einer Höhe von etwa 20
cm einen kräftigen Schlag auf die untere Hälfte des
Sternums. Ziehen Sie die Faust dann rasch zurück,
um einen impulsartigen Stimulus zu erzeugen (Abb.
5.2 Präkordialer Faustschlag). Am ehesten kann eine
Kammertachykardie mittels präkordialem Faustschlag in
einen Sinusrhythmus überführt werden. Die erfolgreiche
Konversion eines Kammerflimmerns hingegen ist sehr viel
unwahrscheinlicher. In allen veröffentlichten Fallberichten
mit erfolgreich appliziertem, präkordialen Faustschlages
wurde dieser innerhalb der ersten 10 Sekunden nach
Auftreten des Kammerflimmerns gegeben (Abb.
5.3). Es gibt vereinzelte Berichte, dass durch einen
präkordialen Faustschlag ein Perfusions- in einen NichtPerfusionsrhythmus konvertiert wurde.
Präkordialer Faustschlag
Ist bei beobachtetem und monitorüberwachtem
Kreislaufstillstand (VF/VT) ein Defibrillator nicht
umgehend verfügbar, kann ein einmaliger präkordialer
Faustschlag erwogen werden. Dieser sollte jedoch nur
von professionellen Helfern appliziert werden, die in der
38 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Kammertachykardie (VT) vorliegt, wechseln Sie auf
den linken Schenkel des Algorithmus (defibrillierbare
Rhythmen).
- Falls im EKG jetzt eine Asystolie oder agonaler
Rhythmus zu erkennen ist:
• Führen Sie die CPR weiter.
• Überprüfen Sie nach 2 Minuten erneut den
Rhythmus und gehen Sie entsprechend vor.
• Geben Sie alle 3-5 Minuten 1 mg Adrenalin i.v.
(während jeder zweiten Handlungsschleife).
Behandlung einer Asystolie bzw. einer
langsamen PEA (Herzfrequenz < 60 min-1)
Figure 5.2 Precordial thump
Nicht-defibrillierbare Rhythmen
(PEA und Asystolie)
Pulslose elektrische Aktivität (PEA) ist definiert als
organisierte, kardiale elektrische Aktivität ohne
tastbare Pulse. Bei diesen Patienten finden sich häufig
Myokardkontraktionen, die jedoch zu schwach sind, um
einen tastbaren Puls oder einen messbaren Blutdruck zu
erzeugen. Eine PEA kann durch reversible, zu behebende
Ursachen bedingt sein (s.u.). Die Überlebensrate nach
Asystolie oder PEA ist gering, es sei denn, reversible
Ursachen können erkannt und rasch und effektiv
behandelt werden.
• Beginnen Sie mit der CPR (30:2).
• Überprüfen Sie die korrekte Lage der EKGAbleitungen, ohne dabei die CPR zu unterbrechen.
• Geben Sie 1 mg Adrenalin i.v., sobald ein venöser
Zugang liegt.
• Geben Sie einmalig 3 mg Atropin i.v.
• Führen Sie die CPR mit 30:2 weiter, bis die Atemwege
gesichert sind. Danach erfolgt die Herzdruckmassage
ohne Unterbrechungen zur Beatmung.
• Überprüfen Sie nach 2 Minuten erneut den Rhythmus
und gehen Sie entsprechend vor.
• Falls jetzt ein Kammerflimmern bzw. eine pulslose
Kammertachykardie vorliegt, wechseln Sie auf den
linken Schenkel des Algorithmus (defibrillierbare
Rhythmen).
• Geben Sie alle 3-5 Minuten 1 mg Adrenalin i.v.
(während jeder zweiten Handlungsschleife).
Behandlung einer PEA
• Beginnen Sie die CPR (30:2).
• Geben Sie 1 mg Adrenalin i.v., sobald ein venöser
Zugang liegt.
• Führen Sie die CPR mit 30:2 weiter, bis die Atemwege
gesichert sind. Danach erfolgt die Herzdruckmassage
ohne Beatmungspausen.
• Überprüfen Sie nach 2 Minuten erneut den Rhythmus.
- Falls eine organisierte, elektrische Aktivität vorliegt,
versuchen Sie einen Puls zu tasten und/oder achten Sie
auf Lebenszeichen:
• Ist ein Puls tastbar und/oder sind Lebenszeichen
erkennbar, beginnen Sie mit den Maßnahmen zur
Vorsorgung nach der Reanimation.
• Ist kein Puls tastbar und/oder sind keine
Lebenszeichen erkennbar (PEA):
• Führen Sie die CPR weiter.
• Überprüfen Sie nach 2 Minuten erneut den
Rhythmus und gehen Sie entsprechend vor.
• Geben Sie alle 3-5 Minuten 1 mg Adrenalin i.v.
(während jeder zweiten Handlungsschleife).
- Falls jetzt ein Kammerflimmern (VF) bzw. eine pulslose
European Resuscitation Council
Asystolie
Eine Asystolie kann durch einen exzessiven Vagustonus
verstärkt oder ausgelöst werden. Dieser ist durch
Medikamente unterdrückbar, welche einen Vagusreiz
wirksam blockieren. Geben Sie daher bei Asystolie oder
langsamer PEA (Frequenz < 60 min-1) 3 mg Atropin. Diese
Dosis bewirkt eine maximale Vagusblockade.
Überprüfen Sie bei vermuteter Asystolie sorgfältig
das EKG auf das Vorhandensein von P-Wellen, da in
dieser Situation ein Kammerstillstand mittels eines
Schrittmachers wirksam behandelt werden kann. Die
erfolgreiche Schrittmacherstimulation einer wahren
Asystolie (ohne P-Wellen) ist hingegen unwahrscheinlich.
Maßnahmen während der CPR
Achten Sie während der Behandlung von persistierendem
Kammerflimmern/pulsloser Kammertachykardie
bzw. PEA/Asystolie darauf, dass zwischen den
Defibrillationsversuchen eine effektiv und konsequente
Herzdruckmassage durchgeführt wird. Versuchen Sie
reversible Ursachen („4 H’s und HITS“) zu erkennen und
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 39
KAP
5
Kapitel 5 Behandlungsalgorithmus der erweiterten lebensrettenden Maßnahmen (Advanced Life Support Algorithm)
zu behandeln. Sichern Sie die Atemwege und legen Sie
einen venösen Zugang.
Während der Beatmungspausen der CPR kann der EKGRhythmus gut erkennbar sein. Liegt Kammerflimmern vor,
sollte zu diesem Zeitpunkt keine Defibrillation versucht
werden – unabhängig davon, auf welcher Seite des ALSAlgorithmus Sie sich befinden. Führen Sie stattdessen die
CPR weiter, bis das 2-minütige Intervall vollendet ist. In
Kenntnis dessen, dass Kammerflimmern vorliegt, sollte
sich das Team auf eine Defibrillation vorbereiten, um die
Verzögerung am Ende der 2-minütigen CPR so kurz als
möglich zu halten.
Obwohl die Qualität von Herzdruckmassage und
Beatmung großen Einfluss auf das Outcome haben,
werden Sie von professionellen Helfern häufig
unzulänglich durchgeführt. Eine CPR mit einem
30:2-Verhältnis ist ermüdend. Sobald die Atemwege
gesichert sind, führen Sie die Herzdruckmassage ohne
Unterbrechungen während der Beatmung durch. Zur
Verringerung von Ermüdungserscheinungen sollte der
Helfer, der die Herzdruckmassage durchführt, alle 2
Minuten abgewechselt werden.
Atemwege und Beatmung
Am zuverlässigsten werden die Atemwege durch eine
endotracheale Intubation gesichert. Diese sollte jedoch
nur dann angestrebt werden, wenn der Helfer darin
gut ausgebildet ist und eine ausreichende Routine
in der Technik besitzt. Ein erfahrener Helfer sollte
versuchen ohne Unterbrechung der Herzdruckmassage
zu laryngoskopieren. Während der Passage des Tubus
durch die Stimmritze kann eine kurze Unterbrechung
der Kompressionen erforderlich sein. Alternativ kann die
Intubation bis zur Wiederkehr des Spontankreislaufes
(ROSC) aufgeschoben werden, um jegliche
Unterbrechung der Herzdruckmassage zu vermeiden. Ein
Intubationsversuch sollte nicht länger als 30 Sekunden
dauern. Falls die Intubation innerhalb dieser Zeitspanne
nicht gelingt, kehren Sie zurück zur Beutel-MaskenBeatmung. Nach der Intubation muss die korrekte
Tubuslage überprüft und der Tubus fixiert werden. Nach
endotrachealer Intubation wird die Herzdruckmassage
ohne Beatmungspausen mit einer Frequenz von 100
min-1 weitergeführt. Beatmen Sie mit einer Frequenz
von 10 min-1. Eine Hyperventilation muss vermieden
werden. Jede Unterbrechung der Herzdruckmassage
bewirkt einen drastischen Abfall des koronaren
Perfusionsdrucks, welcher sich nach Wiederaufnahme
der Herzdruckmassage erst mit Verzögerung wieder
erholt. Eine durchgehende Herzdruckmassage ohne
Beatmungspausen erzeugt daher einen deutlich höheren
koronaren Perfusionsmitteldruck.
Steht kein in der endotrachealen Intubation
geübtes Personal zur Verfügung, sind folgende
Atemwegsalternativen akzeptabel: Combitubus,
Larynxmaske (LMA), ProSeal-LMA und Larynxtubus (s.
Kapitel 6). Sobald eine dieser Atemwegssicherungen
40 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
etabliert wurde, sollten Sie versuchen, die
Herzdruckmassage ohne Beatmungspausen
durchzuführen. Ist jedoch aufgrund einer großen
Luftleckage keine adäquate Ventilation möglich, muss die
Herzdruckmassage zur Beatmung unterbrochen werden.
Intravenöser Zugang
Falls noch nicht erfolgt, legen Sie einen venösen
Zugang. Bei zentralvenöser Medikamentenapplikation
sind die Wirkstoffspitzenspiegel höher und die
Kreislaufzeiten kürzer als bei periphervenöser Gabe.
Allerdings erfordert das Legen eines zentralen
Venenkatheters eine Unterbrechung der CPR und kann
zudem verschiedene Komplikationen verursachen.
Eine periphervenöse Kanülierung ist hingegen rascher,
einfacher und sicherer durchzuführen. Nach peripherer
Medikamenteninjektion muss ein Flüssigkeitsbolus von
mindestens 20 ml gegeben werden. Das zusätzliche
Anheben der Infusionsextremität für 10 bis 20 Sekunden
erleichtert das Einschwemmen des Medikaments in die
zentrale Zirkulation. Alternative Applikationsformen, wie
intraossäre oder endotracheale Zugangswege, werden in
Kapitel 9 besprochen.
Reversible Ursachen
Denken Sie bei jedem Kreislaufstillstand an mögliche
Ursachen für die es eine spezifische Therapie gibt. Zur
besseren Erinnerlichkeit wurden diese in zwei Gruppen
zu jeweils vier Begriffen unterteilt - basierend auf ihren
Anfangsbuchstaben - den 4 “H’s” und den “HITS”. Weitere
Details dazu werden auch in Kapitel 13 besprochen.
• Hypoxie
• Hypovolämie
• Hyperkaliämie, Hypokaliämie, Hypoglykämie,
Hypokalziämie, Azidose und andere metabolische
Störungen
• Hypothermie
• Herzbeuteltamponade
• Intoxikationen
• Thrombembolien (Lungenembolie oder koronare
Thrombosen)
• Spannungspneumothorax
Die vier “H’s”
Minimieren Sie das Risiko einer Hypoxie durch eine
Beatmung mit 100 % Sauerstoff. Stellen Sie sicher,
dass sich der Brustkorb adäquat hebt und dass die
Atemgeräusche beidseitig auskultierbar sind. Verwenden
Sie die in Kapitel 6 beschriebenen Techniken zum
Erkennen einer endobronchialen oder ösophagealen
Fehllage des Endotrachealtubus.
Eine pulslose elektrische Aktivität (PEA) bei Hypovolämie
beruht meist auf einem starken Blutverlust. Dieser
kann verursacht sein durch ein Trauma (s. Kapitel 13),
eine gastrointestinale Blutung oder ein rupturiertes
European Resuscitation Council
Aortenaneurysma. Ersetzen Sie rasch den intravasalen
Volumenverlust mit Flüssigkeit und sorgen Sie für eine
dringliche chirurgische Blutstillung.
Hyperkaliämie, Hypokaliämie, Hypoglykämie,
Hypokalziämie, Azidose und andere metabolische
Störungen können durch Laboruntersuchungen erkannt
oder aufgrund der Krankengeschichte des Patienten
vermutet werden, z. B. im Rahmen eines Nierenversagens
(s. Kapitel 13). Ein 12-Ableitungs-EKG kann dabei
diagnostische Hinweise geben. Bei Hyperkaliämie und
Hypokalziämie sowie bei Überdosierung mit einem
Kalzium-Kanal-Blocker ist die intravenöse Gabe von
Kalziumchlorid indiziert.
Gehen Sie bei jedem Ertrinkungsereignis von einer
Hypothermie aus (s. Kapitel 13) und verwenden Sie ein
Niedrig-Bereich-Thermometer.
Die „HITS“
Eine Herzbeuteltamponade ist schwierig zu
diagnostizieren, da ihre typischen Zeichen, wie gestaute
Halsvenen und arterielle Hypotonie, im Kreislaufstillstand
nicht beurteilt werden können. Ein Kreislaufstillstand
in Folge eines penetrierenden Thoraxtraumas sollte
jedoch den starken Verdacht auf eine Tamponade
lenken. In dieser Situation sollte eine Perikardpunktion
(Perikardiozentese) bzw. eine notfallmäßige
Thorakotomie in Erwägung gezogen werden (s. Kapitel
13).
Bei fehlenden anamnestischen Hinweisen auf eine
akzidentelle oder beabsichtigte Ingestion kann es
schwierig sein, Intoxikationen mit therapeutischen oder
giftigen Substanzen aufzudecken. Manchmal werden
sie im weiteren Verlauf durch Laboruntersuchungen
diagnostiziert (s. Kapitel 13). Wenn möglich, sollten
geeignete Antidote gegeben werden; zumeist ist jedoch
lediglich eine symptomatische Behandlung erforderlich.
.
Die häufigste Ursache für eine thrombembolische oder
mechanische Kreislaufobstruktion ist eine fulminante
Lungenembolie. Liegt die Vermutung nahe, dass der
Kreislaufstillstand durch eine Lungenembolie verursacht
wurde, sollte die sofortige Gabe eines Thrombolytikums
erwogen werden.
Ein Spannungspneumothorax kann die primäre
Ursache einer PEA sein, z.B. in Folge zentralvenöser
Kanülierungsversuche. Die Diagnose wird klinisch
gestellt. Sorgen Sie für eine rasche Dekompression mittels
Punktionsthorakozentese, und legen Sie anschließend
eine Thoraxdrainage ein.
Lebenszeichen
Falls Sie während der CPR Lebenszeichen erkennen
(z.B. regelmäßige Atembemühungen, Bewegungen
etc.), oder falls die Monitorwerte mit der Rückkehr
eines Spontankreislaufes (ROSC) vereinbar sind
(z.B. expiratorisches CO2, arterieller Blutdruck etc.),
European Resuscitation Council
unterbrechen Sie die CPR kurz und überprüfen Sie den
Patientenmonitor. Liegt ein organisierter Rhythmus vor,
versuchen Sie einen Puls zu tasten. Ist ein Puls vorhanden,
beginnen Sie mit den Maßnahmen zur Versorgung nach
Reanimation bzw. der Behandlung von ggf. auftretenden
Arrhythmien. Wenn Sie keinen Puls tasten, führen Sie die
CPR fort.
Das Reanimationsteam
Ein Notfallteam kann wie ein traditionelles
Reanimationsteam („Herzalarmteam“) konzipiert sein,
das ausschließlich beim Vorliegen eines manifesten
Kreislaufstillstandes alarmiert wird. Alternativ dazu haben
manche Krankenhäuser Strategien entwickelt, durch die
Patienten mit erhöhtem Risiko für einen Kreislaufstillstand
frühzeitig identifiziert werden sollen: Ein spezielles
notfallmedizinisches Team (z.B. Medical Emergency
Team, MET) kann hinzugezogen werden, bevor es zu
einem Kreislaufstillstand kommt (s. Kapitel 2). Der Begriff
„Notfallteam“ beinhaltet somit das gesamte Spektrum
möglicher Interventionsteams.
Die Zusammensetzung eines Reanimationsteams
variiert von Institution zu Institution; die für eine
kardiopulmonale Reanimation notwendigen Fähigkeiten
sollten dabei kompetent abgedeckt werden. Diese
umfassen die Sicherung der Atemwege (einschließlich
der endotrachealen Intubation), die intravenöse
Kanülierung (einschließlich zentralvenöser Zugänge),
die Defibrillation (mittels AED und manuell) und die
elektrische Kardioversion, die Gabe von Medikamenten,
die Durchführung spezieller Reanimationsmaßnahmen
(z.B. externe Schrittmacherstimulation, Perikardpunktion)
sowie die Maßnahmen der Versorgung von Patienten
nach Reanimation.
Der Teamleiter muss bei einer Reanimation frühzeitig
bestimmt werden. Er sollte in den erweiterten
Maßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation (ALS)
ausgebildet sein und ist zumeist ein ärztliches Mitglied
des Reanimationsteams. Der Teamleiter übernimmt die
Leitung und Koordination der Reanimationsmaßnahmen
und sorgt für deren sichere Durchführung. Wenn
indiziert, trägt er die Verantwortung für die Beendigung
der Reanimationsmaßnahmen. Nach der Reanimation
ist der Teamleiter verantwortlich für die korrekte
Dokumentation (einschließlich von Aufzeichnungen zur
Qualitätskontrolle) sowie für die Kommunikation mit
Angehörigen und behandelnden Kollegen, die in die
Versorgung des Patienten involviert sind.
So sollten Sie sich als Teamleiter verhalten:
1. Machen Sie frühzeitig deutlich, dass Sie die
Teamleitung übernehmen.
2. Folgen Sie den anerkannten Reanimationsleitlinien
bzw. erläutern Sie dem Team ggf. davon
abweichendes Handeln.
3. Bewahren Sie eine ruhige und positive
Arbeitshaltung; ermuntern und unterstützen Sie Ihre
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 41
KAP
5
Kapitel 5 Behandlungsalgorithmus der erweiterten lebensrettenden Maßnahmen (Advanced Life Support Algorithm)
Teammitglieder.
4. Treffen Sie Ihre Entscheidungen sicher und zügig.
Besprechen Sie sich bei Unsicherheiten mit dem
Team. Seien Sie flexibel, aber geben Sie klare
Anordnungen. Greifen Sie bei Bedarf auf Rat und
Unterstützung durch erfahrene Kollegen zurück.
5. Berücksichtigen Sie die Stärken Ihrer Teammitglieder
und gestehen Sie ihnen eine ihren Fähigkeiten
angemessene Handlungsautonomie zu.
6. Teilen Sie Rollen und Aufgaben während der
Reanimation klar und eindeutig zu. Dadurch wird
vermieden, dass die Aufgabe entweder von mehreren
gleichzeitig oder von niemandem übernommen wird.
7. Geben Sie während der gesamten Reanimation klare
und präzise Anordnungen.
8. Planen Sie vorausschauend und informieren Sie das
Team über anstehende Maßnahmen.
9. Sorgen Sie für realistische Leitungsstandards - ohne
dabei missbilligend zu sein.
10. Versuchen Sie sich möglichst im Hintergrund
zu halten. Verteilen Sie die Aufgaben an Ihre
Teammitglieder und behalten Sie die Übersicht.
11. Danken Sie Ihrem Team nach Beendigung der
Reanimationsmaßnahmen und stellen Sie sicher,
dass Personal und Angehörige die notwendige
Unterstützung erhalten. Vervollständigen Sie Ihre
Dokumentation und sorgen Sie für eine adäquate
Übergabe.
So sollten Sie sich als Teammitglied verhalten:
1. Bestimmen Sie so früh wie möglich einen Teamleiter.
2. Folgen Sie den Anweisungen des Teamleiters.
3. Steuern Sie Ideen und Vorschläge bei, in dem Sie
diese dem Teamleiter mitteilen.
4. Seien Sie klar und präzise bei der Weitergabe von
Informationen. Halten Sie jedoch den allgemeinen
Geräuschpegel niedrig.
5. Wenn angemessen, arbeiten Sie selbstständig unter
Befolgung der Leitlinien und in Antizipation der
Maßnahmen.
6. Bitten Sie um Unterstützung, wenn Sie sich unsicher
sind.
7. Bestätigen Sie, wenn Sie eine Ihnen zugeteilte
Aufgabe erledigt haben und geben Sie wichtige
Informationen an den Teamleiter weiter.
8. Unterstützen Sie den Teamleiter. Bieten Sie während
und nach der Reanimation Ihre Hilfe zur Bewältigung
anstehender Aufgaben an.
42 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Zusammenfassung
•Der ALS-Behandlungsalgorithmus bietet ein
Gerüst für die standardisierte Reanimation von
Erwachsenen im Kreislaufstillstand.
•Die Behandlung hängt vom zugrunde
liegenden Rhythmus ab.
•Wenn möglich, sichern Sie die Atemwege
frühzeitig, um eine durchgehende
Herzdruckmassage zu ermöglichen.
•Die Qualität von Herzdruckmassage und
Beatmung hat einen entscheidenden Einfluss
auf das Outcome.
•Achten Sie auf reversible Ursachen und
behandeln Sie diese ggf. frühzeitig.
•Der Teamleiter spielt eine wichtige Rolle bei der
Führung des Reanimationsteams..
Weiterführende Literatur
International Liaison Committee on Resuscitation. Part 3. Defibrillation.
2005 International Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation
and Emergency Cardiovascular Care Science with Treatment
Recommendations. Resuscitation 2005; 67: 203-11.
International Liaison Committee on Resuscitation. Part 4. Advanced
Life Support. 2005 International Consensus on Cardiopulmonary
Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care Science with
Treatment Recommendations. Resuscitation 2005; 67: 213-47.
Nolan JP, Deakin CD, Soar J, Bottiger BW, Smith G. European
Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2005. Section 4: Adult
advanced life support. Resuscitation 2005;67 Suppl 1: S39-86
Deakin CD, Nolan JP. European Resuscitation Council Guidelines for
Resuscitation 2005. Section 3: Electrical therapies: automated external
defibrillators, defibrillation, cardioversion and pacing. Resuscitation
2005;67 Suppl 1: S25-37.
European Resuscitation Council
Atemwegsmanagement
und Beatmung
Kapitel
Lernziele
■ Ursachen und Erkennen einer
Atemwegsobstruktion
■ Techniken des Atemwegsmanagements
während der Reanimation
■ Verwendung einfacher Hilfsmittel, um die
Atemwege offen zu halten
■ Verwendung einfacher Hilfsmittel zur
Beatmung
Teil 1. Basis-atemwegsmanagement
und beatmung
Einleitung
Bei Patienten die reanimiert werden müssen sind
die Atemwege häufig verlegt. Der Grund hierfür
ist üblicherweise der fehlende Muskeltonus bei
Kreislaufstillstand. Gelegentlich können aber auch
verlegte Atemwege der primäre Grund für einen
Kreislaufstillstand sein. Daher ist eine sofortige
Untersuchung mit Kontrolle der Atemwege und eventuell
anschließender Beatmung essentiell. Diese Maßnahmen
tragen dazu bei, sekundäre hypoxische Schäden am
Gehirn und anderen lebenswichtigen Organen zu
verhindern. Ohne ausreichende Oxygenierung wird es
unmöglich sein, einen organisierten, perfundierenden
Rhythmus zu erreichen.
Ursachen einer
Atemwegsobstruktion
Eine Verlegung der Atemwege kann partiell oder
vollständig sein. Sie kann in jeder Höhe von der
Nase über den Mund bis hinunter zu den Bronchien
vorkommen. Beim bewusstlosen Patienten tritt
die Atemwegsobstruktion am häufigsten auf
Höhe des Pharynx auf. Die genaue Ursache der
Atemwegsobstruktion beim Bewusstlosen wurde bei
Patienten in Allgemeinanästhesie untersucht. Die
Atemwegsobstruktion wurde früher dem Zurückfallen
der Zunge aufgrund des reduzierten Muskeltonus
zugeschrieben, wobei die Zunge letztlich die hintere
Pharynxwand berührt. Die Untersuchungen an
narkotisierten Patienten haben allerdings gezeigt, dass
häufiger der weiche Gaumen bzw. die Epiglottis und nicht
die Zunge die Ursache für die Atemwegsobstruktion sind.
Eine Obstruktion kann aber auch durch Erbrochenes oder
European Resuscitation Council
6
Blut verursacht werden oder Folge der Regurgitation von
Mageninhalt, eines Traumas oder einer Verlegung durch
Fremdkörper sein. Eine Obstruktion im Bereich des Larynx
kann Folge von Verbrennungsödemen, Entzündungen
oder anaphylaktischen Reaktionen sein. Eine Reizung der
oberen Atemwege oder die Inhalation von Fremdkörpern
können einen Laryngospasmus auslösen. Eine Verlegung
der Atemwege unterhalb der Larynxebene kommt
selten vor, kann aber durch exzessive Bronchialsekretion,
Mukosa-Ödem, Bronchospasmus, Lungenödem oder
Aspiration von Mageninhalt verursacht sein.
Erkennen einer
Atemwegsobstruktion
Dies wird am besten durch Sehen - Hören - Fühlen
erreicht.
• SEHEN – ob sich Brustkorb und Abdomen bewegen
• HÖREN und FÜHLEN – nach Luftbewegungen an
Mund und Nase
Bei partieller Atemwegsobstruktion ist der Einstrom von
Luft vermindert und üblicherweise geräuschvoll.
• Inspiratorischer Stridor wird durch Obstruktion auf
Larynxebene oder darüber verursacht.
• Exspiratorischer Stridor lässt auf eine Obstruktion
der unteren Luftwege schließen, die während der
Exspiration zum Kollabieren und zum Verlegen neigen.
• Gurgeln – lässt auf flüssige oder halbfeste Stoffe in
den oberen Atemwegen schließen.
• Schnarchen – entsteht, wenn der Rachen durch die
Zunge oder den Gaumen teilweise verlegt ist
• Krächzen – ist der Klang des Laryngospasmus oder
einer Obstruktion.
Eine komplette Atemwegsobstruktion löst bei einem
Patienten, der zu atmen versucht, gegenläufige
Brust- und Bauchbewegungen aus, die auch als
“Schaukelatmung“ bezeichnet werden. Wenn der Patient
einzuatmen versucht, wird der Brustkorb eingezogen und
das Abdomen dehnt sich aus; das Gegenteil geschieht bei
der Ausatmung. Dies steht im Gegensatz zum normalen
Atemmuster, das mit einer synchronen Aufwärts- und
Auswärtsbewegung des Abdomens (hinuntergedrückt
durch das Zwerchfell) und mit einer Anhebung des
Brustkorbs einhergeht.
Während einer Atemwegsobstruktion wird die
Atemhilfsmuskulatur eingesetzt, wobei sich die
Nacken- und Schultermuskeln kontrahieren, um die
Thoraxbewegungen zu unterstützen. Es können auch
inter- und subcostale sowie tracheale Einziehungen
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 43
KAP
6
Kapitel 6 Atemwegsmanagement und Beatmung
vorkommen. Eine genaue Beobachtung von Nacken,
Brustkorb und Abdomen sollten eine Differenzierung von
Atembewegungen bei kompletter Atemwegsobstruktion
und normalen Atembewegungen ermöglichen. Höre
auf den Luftstrom: normales Atmen sollte ruhig sein,
komplette Obstruktion lautlos; und laute Atemgeräusche
deuten auf eine partielle Atemwegsobstruktion hin.
Wenn die Atemwegsobstruktion nicht innerhalb weniger
Minuten beseitigt werden kann, um eine adäquate
Ventilation zu ermöglichen, können neurologische und
andere lebensbedrohliche Organschäden auftreten. Eine
Atemwegsobstruktion kann auch zum Kreislaufstillstand
führen.
Wenn möglich sollte die hochkonzentrierte
Sauerstoffgabe bei der Therapie einer Atemwegsobstruktion erfolgen. Auch nach Wiederherstellen freier
Atemwege erholt sich die Sauerstoffsättigung des
Blutes schneller bei hoher inspiratorischer SauerstoffKonzentration.
Patienten mit Tracheostomie oder
permanentem Tracheostoma
Patienten mit einer Trachealkanüle oder einem
permanentem Tracheostoma (häufig nach
Laryngektomie) können eine Atemwegsobstruktion
aufgrund einer Verstopfung der Trachealkanüle oder
des Stomas entwickeln – die Atemwegsobstruktion
kann hier nicht auf der Ebene des Rachens auftreten.
Entfernen sie jegliches Fremdmaterial aus dem Stoma
bzw. der Trachealkanüle. Wenn notwendig, ziehen sie
die Trachealkanüle zurück oder wechseln diese. Geben
sie Sauerstoff und unterstützen sie die Atmung über
das Stoma bzw. die Trachealkanüle, aber nicht über den
Mund.
Grundtechniken zum Freimachen
der Atemwege
Figure 6.1 Head tilt and chin lift
Vorschieben des Unterkiefers
(Esmarch`scher Handgriff)
Das Vorschieben des Unterkiefers (Esmarch`scher
Handgriff ) stellt eine alternative Maßnahme dar, um
den Unterkiefer nach vorn zu bringen und damit eine
Obstruktion durch die Zunge zu beseitigen (Abb. 6.2).
Dieser Handgriff ist besonders in Verbindung mit dem
Überstrecken des Kopfes erfolgreich.
Sobald eine Atemwegsobstruktion erkannt ist, müssen
sofort Maßnahmen ergriffen werden, um die Obstruktion
zu beseitigen und die Atemwege frei zu halten. Folgende
drei Manöver können angewendet werden, um
Atemwege frei zu machen:
• Überstrecken des Kopfes;
• Anheben des Kinns;
• Vorschieben des Unterkiefers (Esmarch`scher
Handgriff ).
Überstrecken des Kopfes und Anheben
des Kinns
Legen Sie eine Hand an die Stirn des Patienten und
überstrecken Sie den Kopf gefühlvoll nach hinten; legen
Sie die Fingerspitzen der anderen Hand unter das Kinn
des Patienten und heben Sie das Kinn gefühlvoll an, um
die vorderen Anteile des Halses zu strecken (Abb. 6.1).
44 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
das Anheben des Kinns in Kombination mit einer
manuellen achsengerechten Stabilisierung (manual
in-line stabilisation – MILS) des Kopfes und Halses
durch eine Hilfsperson ein freier Atemweg geschaffen
werden. Besteht trotz effektiver Maßnahmen eine
lebensbedrohliche Atemwegsobstruktion weiter, muss
der Kopf bis zum Freiwerden der Atemwege überstreckt
werden; der offene Atemweg hat Priorität gegenüber
einer potentiellen Verletzung der Halswirbelsäule.
Hilfsmittel für das primäre At
emwegsmanagement
Figure 6.2 Jaw thrust
Technik des Esmarch`schen Handgriffes
• Identifizieren Sie den Unterkieferwinkel.
• Mit hinter dem Kieferwinkel platzierten Zeige- und
anderen Fingern üben Sie nun gleichmäßigen
Druck nach oben und vorn aus, um den Unterkiefer
anzuheben.
• Öffnen Sie unter Verwendung der Daumen vorsichtig
den Mund, indem Sie das Kinn nach unten drücken.
Diese einfachen Methoden sind meistens erfolgreich,
wenn die Atemwegsobstruktion durch einen Verlust
des Muskeltonus im Pharynx verursacht ist. Überprüfen
Sie nach jedem Manöver den Erfolg durch „Sehen,
Hören, Fühlen“. Falls die Atemwege nicht freigemacht
werden konnten, muss nach anderen Ursachen der
Atemwegsobstruktion gesucht werden. Ein fester
Fremdkörper, der im Mund sichtbar ist, sollte mit den
Fingern entfernt werden. Zerbrochene oder verschobene
Gebissteile sollten ebenfalls entfernt, gut sitzende
Prothesen dagegen belassen werden, weil sie die Form
des Munds aufrechterhalten und so die Mund-zu-Mund-,
die Mund-zu-Maske-Beatmung und die Beatmung mit
einem Beatmungsbeutel erleichtern.
Atemwegsmanöver bei Patienten
mit Verdacht auf Verletzungen der
Halswirbelsäule
Wenn der Verdacht auf eine Wirbelsäulenverletzung
besteht (z.B. wenn der Patient gestürzt ist, auf den
Kopf oder Hals geschlagen wurde, oder nach einem
Kopfsprung in seichtes Wasser), halten Sie während einer
Reanimation den Kopf, den Hals, den Brustkorb und die
Lumbalregion in einer neutralen Position. Exzessives
Überstrecken des Kopfes könnte die Verletzung und
die Schäden am cervikalen Rückenmark verstärken;
dies sind allerdings rein theoretische Überlegungen
- das tatsächliche Risiko ist unbekannt. Besteht der
Verdacht auf eine Wirbelsäulenverletzung, sollte durch
Einsatz des Esmarch`schen Handgriffes oder durch
European Resuscitation Council
Zum Freihalten der Atemwege, im speziellen bei
prolongierten Reanimationen, sind einfache Hilfsmittel
oft hilfreich, manchmal sogar entscheidend. Die Position
von Kopf und Hals muss erhalten bleiben, um die
Atemwege in gerader Linie zu halten. Oropharyngealund Nasopharyngealtuben sind dazu geeignet, eine
Obstruktion durch den weichen Gaumen und ein
Zurücksinken der Zunge beim bewusstlosen Patienten
zu verhindern, wobei zuweilen aber noch zusätzlich das
Überstrecken des Kopfes und der Esmarch`sche Handgriff
notwendig sind.
Figure 6.3 Oropharyngeal and nasopharyngeal
airways
Oropharyngealtubus
Beim Oropharyngeal- oder Guedel-Tubus handelt es sich
um einen gebogenen, am oralen Ende verdickten und mit
einem abgeflachten Stück verstärkten Kunststoff-Tubus,
der genau zwischen die Zunge und den harten Gaumen
passt (Abb. 6.3). Er ist in verschiedenen Größen erhältlich,
passend für Neugeborene bis hin zu Erwachsenen. Die
benötigte Größe des Guedeltubus wird abgeschätzt,
indem man dessen Länge mit der vertikalen Distanz
zwischen Schneidezähnen und Kieferwinkel abgleicht
(Abb. 6.4). Die üblichen Größen sind 2, 3 und 4 für kleine,
mittelgroße und große Erwachsene.
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 45
KAP
6
Kapitel 6 Atemwegsmanagement und Beatmung
Figure 6.5 Insertion of an oropharyngeal airway
Figure 6.4 Sizing of an oropharyngeal airway
Während des Einführens eines oropharyngealen Tubus
kann es passieren, dass die Zunge zurückgedrückt und
damit die Obstruktion verschlimmert wird. Eine korrekte
Einführungstechnik sollte dieses Problem verhindern. Das
Einführen sollte nur bei bewusstlosen Patienten versucht
werden: wenn glossopharyngeale und laryngeale
Reflexe noch erhalten sind kann es zu Erbrechen oder
Laryngospasmus kommen.
Einführen eines oropharyngealen Tubus:
• Öffnen Sie den Mund des Patienten und überzeugen
Sie sich, dass keine Fremdkörper vorhanden sind,
die in den Larynx gedrückt werden könnten (wenn
Fremdmaterial vorhanden ist, verwenden Sie einen
Sauger um es zu entfernen).
• Führen Sie den Tubus „umgekehrt“ in die Mundhöhle
bis zum Übergang zwischen hartem und weichen
Gaumen ein und drehen Sie ihn dann um 180° (Abb.
6.5). Dann wird er weiter eingeführt, bis er im Pharynx
liegt. Diese Drehtechnik minimiert das Risiko, die
Zunge nach hinten und unten zu drücken. Entfernen
Sie den Tubus wieder wenn der Patient würgt oder
presst. Die richtige Lage wird durch eine bessere
Durchgängigkeit der Atemwege angezeigt und
dadurch, dass das abgeflachte verstärkte Teilstück
zwischen den Zähnen des Patienten sitzt, oder an der
Kieferleiste bei zahnlosen Patienten.
46 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Behalten Sie nach dem Einführen die Überstreckung des
Kopfes und Anhebung des Kinns oder den Esmarch`schen
Handgriff bei und kontrollieren Sie die freien Atemwege
und die Beatmung, indem Sie die „Sehen, Hören,
Fühlen“ Technik verwenden. Bei Verdacht auf Verletzung
der Halswirbelsäule behalten Sie die ursprüngliche
Ausrichtung und Immobilisation von Kopf und Hals bei.
Ein Absaugen durch den Guedel-Tubus ist normalerweise
bei Verwenden eines dünnen, flexiblen Absaugkatheters
möglich.
Nasopharyngealtubus (Wendl-Tubus)
Dieser besteht aus weichem, verformbarem Kunststoff,
ist an einem Ende abgeschrägt und mit einer Verdickung
am anderen Ende versehen (Abb. 6.3). Von nicht tief
bewusstlosen Patienten werden sie besser toleriert als
oropharyngeale Tuben. Bei Patienten mit Kieferklemme,
Trismus oder maxillofazialen Verletzungen kann er
lebensrettend sein. Ein versehentliches Einführen des
Nasopharyngealtubus bei einer Schädelbasisfraktur
in die Schädelhöhle ist möglich, aber extrem selten.
Bei Vorliegen einer bekannten oder vermuteten
Schädelbasisfraktur ist eine orale Atemwegssicherung
anzustreben; wenn das aber nicht möglich ist und der
Atemweg verlegt ist, kann das sanfte Einführen eines
Nasopharyngealtubus lebensrettend sein (hier kann der
Nutzen das Risiko deutlich überwiegen).
Die Tubengrößen werden in Millimeter entsprechend
ihrem inneren Durchmesser angegeben, wobei die
Länge mit dem Durchmesser zunimmt. Die traditionelle
Methode die Größe des Nasopharyngealtubus zu
bestimmen (Messung anhand des kleinen Fingers des
European Resuscitation Council
Patienten oder der Nasenlöcher) korreliert nicht mit
der Anatomie des Luftweges und ist unzuverlässig.
Die Größen 6-7 mm sind beim Erwachsenen passend.
Beim Einführen kann die Schleimhaut der Nasenhöhle
verletzt werden, was in bis zu 30% zu einer Blutung führt.
Ist der Tubus zu lang, kann er einen laryngealen oder
glossopharyngealen Reflex auslösen, so dass es zum
Laryngospasmus oder zu Erbrechen kommt.
Einführen eines nasopharyngealen Tubus:
• Kontrollieren Sie die Durchgängigkeit des rechten
Nasenlochs.
• Bei einigen Modellen benötigt man als besondere
Vorsichtsmassnahme eine Sicherheitsnadel oder einen
Sicherheitsring, um das Abrutschen in ein Nasenloch
zu verhindern.
• Befeuchten Sie den Tubus mit einem wasserlöslichen
Gleitmittel.
• Führen Sie das abgeschrägte Tubusende vertikal
mit leichten Drehbewegungen dem Nasenboden
entlang ein (Abb. 6.6). Die Biegung des Tubus sollte
zu den Füßen des Patienten zeigen. Sollten Sie auf
irgendeinen Widerstand stoßen, entfernen Sie den
Tubus und versuchen Sie das linke Nasenloch.
• Einmal in Position gebracht, überprüfen Sie die
Durchgängigkeit des Tubus und die ausreichende
Ventilation durch die „Sehen, Hören, Fühlen“-Technik.
Ein Anheben des Kinns oder der Esmarch`sche
Handgriff können immer noch erforderlich sein,
um die Atemwege offen zu halten. Behalten Sie bei
Verdacht auf eine Verletzung der Halswirbelsäule die
korrekte Ausrichtung und Immobilisation von Kopf
und Nacken bei.
inspiratorische Sauerstoffkonzentration, abhängig von
der gewählten Maske. Eine Standard-Sauerstoffmaske
liefert bis zu 50%, vorausgesetzt, der Sauerstofffluss ist
hoch genug. Es sollte zunächst die höchste verfügbare
Sauerstoffkonzentration verabreicht werden. Dies
wird am besten erreicht, indem man eine Maske mit
Reservoir (keine Rückatmungsmaske) verwendet, die
eine inspiratorische Sauerstoffkonzentration von 85% bei
einem Fluss von 10-15 l/min liefern kann. Überwachen
Sie die Sauerstoffsättigung mit einem Pulsoxymeter
(SpO2) oder mit einer arteriellen Blutgasmessung um ein
Titrieren der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration zu
ermöglichen..
Absaugung
Eine starre, großlumige Absaugung (Yankauer) sollte
verwendet werden, um Flüssigkeiten (Blut, Speichel,
Mageninhalt) aus den oberen Atemwegen zu entfernen
(Abb. 6.7). Benützen Sie den Sauger bei erhaltenem
Würgereflex vorsichtig um kein Erbrechen zu provozieren.
Dünne, flexible Absaugkatheter können bei Patienten
mit ungenügender Mundöffnung notwendig sein. Diese
Absaugkatheter passen auch durch einen Oro- oder
Nasopharyngealtubus
Figure 6.7 Suction
Figure 6.6 Insertion of a nasopharyngeal airway
BEATMUNG
Sauerstoff
Wenn Sauerstoff verfügbar ist, sollte er immer
gegeben werden. Eine Venturi-Maske liefert 24-60%
European Resuscitation Council
Bei jedem Patienten, bei dem die spontane Atmung nicht
ausreichend oder gar nicht vorhanden ist, muss so schnell
wie möglich mit der Beatmung begonnen werden. Die
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 47
KAP
6
Kapitel 6 Atemwegsmanagement und Beatmung
Beatmung mit Ausatemluft (Notfallbeatmung) ist effektiv,
aber die vom Helfer ausgeatmete Sauerstoffkonzentration
beträgt nur 16-17%. Daher muss sie so bald wie möglich
durch Beatmung mit Sauerstoff-angereicherter Luft
ersetzt werden. Obwohl eine Mund-zu-Mund-Beatmung
den Vorteil hat, dass sie keiner Ausrüstung bedarf, birgt
diese Technik ästhetische Probleme, besonders wenn
Erbrochenes oder Blut vorhanden sind; die Helfer könnten
davor zurückschrecken, sich in nahen Kontakt zu dem
Patienten zu begeben den sie eventuell gar nicht kennen.
Es gibt nur vereinzelte Fallberichte über Helfer, die
sich im Rahmen der CPR eine Infektion zugezogen
haben (Tuberkulose oder ein schweres akutes
Atemstörungssyndrom (SARS). Eine Übertragung von
HIV durch eine CPR ist niemals berichtet worden. Es
sind einfache Hilfsmittel erhältlich, die es ermöglichen,
dass ein direkter Kontakt von Person zu Person
verhindert wird; manche dieser Geräte können auch
das Kreuzinfektionsrisiko zwischen Retter und Patient
reduzieren.
Ein vielfach verwendetes Hilfsmittel ist die Taschenmaske.
Sie ähnelt einer anästhesiologischen Gesichtsmaske
und erlaubt eine Mund-zu-Maske-Beatmung. Sie
hat ein Einweg-Ventil, so dass die vom Patienten
ausgeatmete Luft vom Helfer weggeleitet wird, wodurch
die beiden Luftwege voneinander getrennt werden.
Die Maske ist transparent, so dass Erbrochenes oder
Blut des Patienten zu sehen sind. Einige Masken haben
einen Sauerstoffanschluss. Wenn Sie Masken ohne
Sauerstoffanschluss verwenden kann zusätzlicher
Sauerstoff verabreicht werden, indem man den O2Schlauch unter der Maske platziert und eine ausreichende
Abdichtung sicherstellt. Die größte Schwierigkeit bei
der Verwendung dieser Masken ist, den luftdichten
Verschluss zwischen Maske und Gesicht aufrecht zu
erhalten. Verwenden Sie die Zwei-Hand-Technik um die
Abdichtung mit dem Patientengesicht zu optimieren
(Abb. 6.8).
Ist der inspiratorische Fluss zu gering, verlängert
sich die Inspirationszeit und die verfügbare Zeit für
Thoraxkompressionen wird verkürzt. Verabreichen Sie
jede Beatmung über etwa eine Sekunde, es sollte soviel
Luft insuffliert werden, dass Sie eine Thoraxhebung sehen
können; dies entspricht einem Kompromiss zwischen
adäquatem Tidalvolumen und Minimierung des Risikos
der Magenüberblähung, zusätzlich wird die Zeit zur
Durchführung der Thoraxkompressionen optimiert.
Während einer CPR mit nicht gesicherten Atemwegen,
verabreichen Sie zwei Beatmungen nach jeder Sequenz
von 30 Thoraxkompressionen.
Mund-zu-Maske-Beatmung
• Bringen Sie den Patienten in Rückenlage mit dem Kopf
in Schnüffelposition; den Nacken leicht gebeugt auf
einem Polster mit im Nacken gestrecktem Kopf (nach
hinten gebeugt).
• Setzen Sie die Maske auf das Gesicht des Patienten.
Verwenden Sie dazu beide Daumen.
• Heben Sie den Unterkiefer mit den übrigen
Fingern der Maske entgegen, indem Sie hinter
dem Kieferwinkel Druck ausüben (Esmarch`scher
Handgriff ). Gleichzeitig pressen Sie die Maske mit
den Daumen auf das Gesicht, um sie gut abzudichten
(Abb. 6.8).
• Blasen Sie durch das Inspirationsventil und
beobachten Sie, ob sich der Brustkorb hebt.
• Stoppen Sie das Einblasen und beobachten Sie das
Senken des Brustkorbs.
• Etwaige Lücken zwischen Maske und Gesicht
können dadurch verkleinert werden, dass man den
Kontaktdruck anpasst, die Haltung der Finger und
Daumen verändert oder den Esmarch`schen Handgriff
verstärkt.
• Falls Sauerstoff verfügbar ist, sollte er über den
Anschluss mit 10 l/min hinzugefügt werden.
Sind das Tidalvolumen oder der inspiratorische Flow
zu hoch, werden hohe Beatmungsdrücke erzeugt
und damit die Gefahr von Mageninsufflation, mit
daraus resultierendem Risiko der Regurgitation und
Aspiration, erhöht. Durch die Magenüberblähung wird
die Compliance der Lunge reduziert und die Beatmung
erschwert. Zur Insufflation von Luft in den Magen kommt
es bei:
• fehlerhafter Ausrichtung von Kopf und Nacken, sowie
verlegtem Atemweg;
• insuffizientem ösophagealen Sphinkter (wie bei allen
Patienten mit Kreislaufstillstand);
• hohem Beatmungsdruck.
Die bei der Beatmung mit reiner Ausatemluft
erforderlichen hohen Tidalvolumina (10 ml/kg KG)
können durch zusätzliche Sauerstoffinsufflation
deutlich reduziert werden (6-7 ml/kg KG) ohne das es
zu Einbußen bei Oxygenierung und Ventilation kommt.
Dadurch wird das Risiko einer Magenblähung reduziert.
48 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Figure 6.8 Mouth-to-mask ventilation
European Resuscitation Council
Der Beatmungsbeutel
Der Beatmungsbeutel kann an eine Gesichtsmaske,
einen Endotrachealtubus, oder alternative
Atemwegshilfsmittel wie die Larynxmaske oder den
Combitubus angeschlossen werden. Wird der Beutel
zusammengedrückt, wird der Inhalt in die Lungen
des Patienten abgegeben. Beim Loslassen wird
die ausgeatmete Luft über ein Einweg-Ventil in die
Umgebung abgegeben; der Beutel füllt sich dann
automatisch wieder über eine Öffnung am anderen
Ende. Verwendet man den Beutel ohne zusätzlichen
Sauerstoff, wird die Lunge des Patienten nur mit
Umgebungsluft beatmet (Sauerstoffkonzentration 21%).
Dies kann bis zu ca. 45% erhöht werden, indem man eine
Sauerstoffversorgung mit 5-6 l/min direkt am Einlassventil
des Beutels anschließt. Wenn ein Reservoir angeschlossen
ist und die Sauerstoffzufuhr auf 10 l/min erhöht wird,
kann eine inspiratorische Sauerstoffkonzentration von
annähernd 85% erreicht werden. Wenn sich der Beutel
wieder ausdehnt, wird er sowohl mit Sauerstoff aus dem
Reservoir als auch durch den kontinuierlichen Fluss über
den angesteckten Sauerstoffschlauch gefüllt.
Obwohl der Beatmungsbeutel eine Beatmung mit
hohen Sauerstoffkonzentrationen erlaubt, erfordert
seine Verwendung durch nur eine Person beträchtliche
Fertigkeiten. Wird er mit einer Gesichtsmaske verwendet,
ist es oft schwierig, einen dichten Verschluss zwischen
der Maske und dem Gesicht des Patienten zu erreichen,
gleichzeitig den freien Atemweg sicher zu stellen und
mit der anderen Hand den Beutel zusammenzudrücken.
Jede größere Undichtigkeit hat eine Hypoventilation zur
Folge. Wenn der Atemweg nicht frei ist, kann Luft auch
in den Magen gelangen. Dies erschwert die Ventilation
zusätzlich und erhöht das Risiko von Regurgitation
und Aspiration. Die natürliche Neigung, eine undichte
Stelle durch übertriebenes Zusammendrücken des
Beatmungsbeutels zu kompensieren, resultiert in
höheren Beatmungsdrücken und einer Überblähung
des Magens. Manche Beatmungsbeutel haben einen
Flussbegrenzer, der den Spitzendruck limitiert mit
dem Ziel die Überblähung des Magens zu reduzieren.
Darüber hinaus kann der Krikoid-Druck dieses Risiko
der Magenüberblähung verringern, erfordert aber die
Anwesenheit eines zweiten, geübten Helfers. Ein inkorrekt
angewandter Krikoid-Druck kann die Beatmung des
Patienten erschweren.
KAP
6
Figure 6.9 The two-person technique for using a bagmask ventilation
Zusammenfassung
•Atemwegsmanagement und Beatmung sind
wichtige Komponenten der CPR.
•Einfache Atemwegs-Manöver, mit oder ohne
einfache Hilfsmittel, führen oftmals zu einem
freien Atemweg.
•Geben Sie allen Patienten hohe
Sauerstoffkonzentrationen bis die arterielle
Sauerstoffsättigung bekannt ist.
Die Zwei-Personen Technik zur Beatmung mit dem
Beatmungsbeutel ist zu bevorzugen (Abb. 6.9). Ein Helfer
hält die Gesichtsmaske und führt mit beiden Händen den
Esmarch`schen Handgriff aus, der andere Helfer drückt
den Beutel zusammen. Auf diese Weise wird ein besseres
Abdichten erzielt und die Lungen des Patienten können
effektiver und sicherer beatmet werden.
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 49
Kapitel 6 Atemwegsmanagement und Beatmung
50 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Teil 2. Alternative hilfsmittel zur
atemwegssicherung
Lernziel
■ Die Rolle der Larynxmaske (LMA) und anderer
supraglottischer Atemwegshilfsmittel während der CPR.
Einleitung
Die effektive Beatmung mit Beatmungsbeutel und
Maske erfordert ein beträchtliches Maß an Fertigkeit
und Erfahrung. Die Anwendung durch ungeübtes
Personal führt häufig zur Verabreichung von ineffektiven
Tidalvolumina und zur Magenüberblähung, verbunden
mit dem daraus resultierenden Risiko von Regurgitation
und Aspiration. Im Vergleich zu einem Beatmungsbeutel
mit Maske ermöglichen die Larynxmaske (LMA) und
andere supraglottische Atemwegshilfsmittel, die oberhalb
des Larynx platziert werden, eine effektivere Beatmung
und reduzieren das Risiko einer Magenüberblähung.
Ohne adäquates Training und Erfahrung ist das Auftreten
von Komplikationen beim Versuch der endotrachealen
Intubation inakzeptabel hoch. Die nicht bemerkte
oesophageale Fehlintubation ist verheerend, und
prolongierte endotracheale Intubationsversuche
sind schädlich: die in dieser Zeit nicht mögliche
Thoraxkompression verschlechtert die koronare und
cerebrale Perfusion. Die alternativen Atemwegshilfsmittel
können bei gescheiterter endotrachealer Intubation oder
von in der endotrachealen Intubation nicht geübtem
Personal verwendet werden.
und einfacher als mit Beutel und Maske; hohe applizierte
Inflationsdrücke (> 20 cm H2O) werden vermieden, das
Risiko der Magenüberblähung ist minimiert. Wenn eine
LMA ohne Verzögerung eingeführt werden kann, ist es
besser, auf eine Beatmung mit Beutel und Maske ganz zu
verzichten, da diese das Risiko der Magenüberblähung
und Regurgitation reduziert. Obwohl die Larynxmaske
keinen 100%igen Schutz der Atemwege garantiert
ist die Aspiration bei ihrer Verwendung sehr selten.
Da der Einsatz der LMA keine stärkeren Bewegungen
zur Ausrichtung von Kopf und Nacken erfordert, kann
die Larynxmaske bei Verdacht auf eine Verletzung der
Halswirbelsäule Atemwegszugang der Wahl sein. Die
Verwendung der LMA in der Wiederbelebung durch
Schwestern, Sanitäter und medizinischem Personal ist gut
untersucht und hat sich als effektiv erwiesen. Wie bei der
endotrachealen Intubation muss auch hier der Patient tief
bewusstlos sein. Bei in der Intubation geübten Helfern ist
die LMA besonders in Situationen indiziert, in denen nicht
intubiert und nicht mit Beutel/Maske beatmet werden
kann („cannot ventilate, cannot intubate“ Szenario).
Die konventionelle LMA kann nach Sterilisierung bis
zu 40 Mal wieder verwendet werden. Eine EinwegVersion ist ebenfalls verfügbar und kann besonders
für den präklinischen Bereich eine Option darstellen.
Manche der Einweg-LMA`s sind aus einem geringfügig
anderen Design und Material als die klassische LMA;
ihre Anwendung kann geringfügig abweichend zur
klassischen LMA sein.
Die Larynxmaske (LMA), der Combitubus und der
Larynxtubus (LT) sind die einzigen alternativen
Beatmungshilfsmittel, die während der CPR untersucht
worden sind; aber keine dieser Untersuchungen
hat genügend Patienten eingeschlossen, um deren
Einfluss auf das Überleben fest zu legen. Die meisten
Untersucher haben nur die Einführung und die Rate
erfolgreicher Ventilationen studiert. Es gibt keine Daten,
die die routinemäßige Verwendung von irgendwelchen
spezifischen Atemwegstechniken während des
Kreislaufstillstandes unterstützen. Die im individuellen Fall
beste Technik ist abhängig von den genauen Umständen
des Kreislaufstillstandes und der Kompetenz des Helfers.
Larynxmaske (LMA)
Die Larynxmaske besteht aus einem Tubus mit breitem
Innendurchmesser und einem elliptisch geformten
aufblasbaren Cuff, der sich um die Larynxöffnung
legt (Abb. 6.10). Sie wurde Mitte der 80er Jahre in die
anästhesiologische Praxis eingeführt und hat sich als
verlässliches und sicheres Hilfsmittel bewährt. Sie kann
leicht eingeführt werden, die Erfolgsrate nach nur kurzer
Übung ist hoch. Die Beatmung mit der LMA ist effektiver
European Resuscitation Council
Figure 6.10 Laryngeal mask airway
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 51
KAP
6
Kapitel 6 Atemwegsmanagement und Beatmung
Einführen der Larynxmaske
• Wählen Sie eine Larynxmaske in entsprechender
Größe und lassen Sie die Luft aus dem aufblasbaren
Cuff ganz ab. Die Größe 5 ist für die meisten Männer
passend, die Größe 4 für die meisten Frauen. Auf der
äußeren Fläche rund um den Cuff (das ist jener Teil,
der nicht in Kontakt mit dem Larynx kommt) sollte
großzügig wasserlösliches Gleitmittel aufgetragen
werden.
• Beugen sie den Nacken des Patienten leicht und
strecken Sie den Kopf (versuchen Sie eine neutrale
Ausrichtung des Kopfes und Halses aufrecht zu
erhalten, wenn der Verdacht auf eine Verletzung der
Halswirbelsäule besteht).
• Die LMA wird wie ein Stift gehalten und in den
Mund eingeführt (Abb. 6.11). Die Spitze wird hinter
die oberen Schneidezähne geschoben, wobei die
Außenfläche am Gaumen entlang gleitet, bis sie die
hintere Rachenwand erreicht. Die Maske wird dann
nach hinten und unten entlang der Wölbung der
Rachenhinterwand weitergeschoben. Bei Erreichen
des hinteren Teils des Hypopharynx ist ein deutlicher
Widerstand zu spüren. Wenn möglich sollte ein Helfer
den Esmarch`schen Handgriff anwenden – dieses
Manöver vergrößert den Raum im hinteren Pharynx
und macht ein erfolgreiches Platzieren einfacher.
• Mit einer Blockerspritze wird nun der Cuff mit Luft
(40ml für Größe 5, 30ml für Größe 4) befüllt; alternativ
befüllen Sie den Cuff bis zu einem Druck von 60
cmH2O. Wenn das Einführen erfolgreich war, wird sich
die LMA als Zeichen der richtigen Cuffposition ein bis
zwei Zentimeter aus dem Mund heraus heben und der
Kehlkopf wird nach vorne gedrückt.
• Sollte die LMA nach 30 Sekunden nicht erfolgreich
eingeführt sein, oxygenieren Sie den Patienten unter
Verwendung einer Taschenmaske oder mit Beutel und
Maske, bevor Sie einen weiteren Versuch mit der LMA
unternehmen.
• Die Lagekontrolle wird durch Auskultation über
dem Brustkorb und Beobachtung beidseitiger
Brustkorbbewegungen durchgeführt. Sind über
Kehlkopf und/oder Mund größere Undichtigkeiten
zu hören lässt das auf eine Fehllage der Larynxmaske
schließen. Bei ausreichenden Thoraxbewegungen
kann ein kleines Leck durchaus hingenommen
werden.
• Führen Sie einen Beißschutz entlang des Tubus ein
und befestigen Sie die LMA mit einer Bandage oder
Binde.
52 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Figure 6.11 Insertion of a laryngeal mask airway
Limitierungen der LMA
• Bei hohem Atemwegswiderstand oder einer
geringen Compliance der Lunge (Lungenödem,
Bronchospasmus, chronisch-obstruktive
Lungenerkrankung) können über die LMA keine
ausreichend hohen Beatmungsdrucke appliziert
werden. Folgen sind eine unzureichende Beatmung
sowie die mögliche Magenüberblähung.
• Es gibt noch keine Daten die belegen, dass es
mit der LMA möglich ist, ohne Unterbrechung
der Thoraxkompressionen, adäquat zu beatmen.
Es ist anzunehmen, dass die ununterbrochene
Thoraxkompression letztlich zu einer Leckage
bei Beatmung führt. Versuchen Sie die
Thoraxkompressionen initial ohne Pause
durchzuführen; beenden Sie dies, wenn ein
persistierendes Leck mit begleitender Hpoventilation
vorliegt.
• Aufgrund der supraglottischen Lage der LMA
besteht ein theoretisches Risiko der Aspiration von
Mageninhalt; in der klinischen Praxis wurde diese
Komplikation bisher nur selten beschrieben.
• Wenn der Patient nicht tief bewusstlos ist, kann
das Einführen der LMA zu Husten, Pressen oder der
Entwicklung eines Laryngospasmus führen. Dies
kommt bei Patienten mit Kreislaufstillstand nicht vor.
• Ist die Beatmung bei platzierter Larynxmaske nicht
vernünftig durchzuführen, sollte die LMA sofort
entfernt werden, die Luft aus dem Cuff abgelassen
und ein neuer Versuch der Wiedereinführung nach
genauer Ausrichtung von Kopf und Nacken gemacht
werden.
• In seltenen Fällen kann der Kehldeckel durch die
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Larynxmaske nach unten gedrückt werden und so
die Atemwege verlegen. In diesem Fall sollte die
Larynxmaske entfernt, der Cuff entblockt und ein
erneuter Platzierungsversuch durchgeführt werden.
Die Verwendung der LMA sollte unter der Aufsicht
erfahrener Anwender (z.B. eines Anästhesisten) in
kontrollierter Umgebung geübt werden
Die ProSeal LMA®
Die ProSeal LMA (LMAP) ist eine modifizierte Version
der originalen LMA. Sie verfügt über einen zusätzlichen
hinteren Cuff und zweites Lumen zur Drainage des
Magens (Abb. 6.12). Sie wurde umfassend unter
Narkosebedingungen untersucht. Es gibt aber keine
Studien über ihre Funktion und das Verhalten während
der CPR. Sie hat theoretisch mehrere Eigenschaften,
die sie im Rahmen der CPR geeigneter erscheinen
lassen als die originale LMA: eine bessere Dichtheit
im Kehlkopfbereich, die eine Beatmung mit höheren
Drücken (üblicherweis bis zu 35-40 cm H2O) ermöglicht;
das integrierte Lumen zur Drainage des Magens
gestattet das Absaugen von flüssigem, regurgitiertem
Mageninhalt aus dem oberen Oesophagus und
die passive Passage von flüssigem Mageninhalt.
Darüber hinaus ist ein Beißschutz integriert. Der
höhere Anpressdruck, der mit der LMAP erreicht
wird, könnte ein konstantes Atemvolumen während
ununterbrochener Thoraxkompression ermöglichen.
Potenzielle Schwachstellen der ProSeal LMA als ein
Atemwegshilfsmittel für die CPR sind das geringfügig
schwierigere Einführen im Vergleich zur originalen LMA,
die zum jetzigen Zeitpunkt eingeschränkte Verfügbarkeit,
der relativ hohe Preis und die Tatsache, dass fester,
regurgitierter Mageninhalt das gastrale Lumen verstopfen
kann. Daten über die Anwendung bei der CPR werden
erwartet.
Andere Atemwegshilfsmittel
Der Kombitubus
Der Kombitubus ist ein Doppellumen-Tubus, der blind
entlang der Zunge in den Pharynx eingeführt wird
(Abb. 6.13). Er ist so konstruiert, dass er die Beatmung,
unabhängig von der Lage des Tubus in der Trachea oder
dem Ösophagus, ermöglicht. Der Kombitubus verfügt
über einen kleinen distalen Cuff zum Verschluß von
Ösophagus oder Trachea und ein größeren proximalen
Cuff, der im Pharynx aufgeblasen wird. Das „tracheale“
Lumen hat ein offenes distales Ende. Das „ösophageale“
Lumen hat keine Öffnung am Ende, sondern mehrere
kleine Seitenlöcher, die sich zwischen den beiden Cuffs
befinden.
Blind eingeführt liegt der Tubus mit dem „trachealen“
Lumen normalerweise im Ösophagus (in 95% der Fälle)
und der Patient wird über das „ösophageale“ Lumen
beatmet. Die Beatmung erfolgt über die Seitenlöcher,
die am oder über dem Larynxeingang gelegen sind
(Abb. 6.14a). Die Luft kann wegen des verschlossenen
Endes am ösophagealen Lumen und des distalen
Cuffs, der genau oberhalb des verschlossenen Endes
positioniert ist, nicht in den Ösophagus hinunter
gelangen. Der pharyngeale Cuff verhindert, dass Luft aus
dem Mund entweicht. Wenn der Tubus in der Trachea
liegt, erreicht man eine Beatmung über das tracheale
Lumen mit seinem offenen distalen Ende (Abb. 6.14b).
Figure 6.13 The Combitube
Figure 6.12 LMA ProsealTM
Figure 6.14a Einführen des Kombitubus
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Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 53
KAP
6
Kapitel 6 Atemwegsmanagement und Beatmung
Figure 6.14b Combitube in tracheal position
Figure 6.15 Laryngeal Tube
Grenzen des Kombitubus
• Das Hilfsmittel ist relativ teuer.
• Wie bei der endotrachealen Intubation und der
LMA ist eine entsprechende Öffnung des Mundes
erforderlich und es kann sein, dass ein Einführen
unmöglich ist, wenn der Patient nicht tief bewusstlos
ist.
• Anders als bei der LMA kann der Kombitubus nicht
einfach eingeführt werden, wenn eine Halskrawatte
angelegt ist.
• Während des Einlegens können scharfe Zähne die
Cuffs beschädigen.
• Es gibt Berichte über Hautemphyseme und
Ösophagusrupturen in Verbindung mit dem
Kombitubus. Dies könnte deshalb auftreten, weil
das Gerät relativ steif ist und eine starre anteriore
Krümmung aufweist.
• In einem retrospektiven Überblick wurde in 3,5% der
Fälle das falsche Lumen für die Beatmung verwendet.
Eine Beatmung des falschen Lumens bewirkt eine
Magenüberblähung, dies kann zu Regurgitation und
Aspiration führen
Zusammenfassung
•LMA und Kombitubus sind gute Alternativen zur
Beutel-Masken Beatmung.
•Diese Atemwegs-Hilfsmittel können anstelle
eines endotrachealen Tubus verwendet werden,
wenn die Intubation fehlgeschlagen oder aus
Mangel an entsprechend geübtem Personal
nicht möglich ist.
•Es gibt einige neue supraglottische
Atemwegshilfsmittel. Zum jetzigen Zeitpunkt
liegen zu wenige Daten vor, um die generelle
Verwendung im Rahmen des Kreislauf- und
Atemstillstandes zu empfehlen.
Larynxtubus
Der Larynxtubus (LT) ist eines von vielen neuentwickelten
supraglottischen Atemwegshilfsmitteln. Es ist ein Tubus
mit einem Lumen und zwei Cuffs – einem oesophagealen
und einen pharyngealen (Abb. 6.15). Über ein Cuffventil
werden beide Cuffs gleichzeitig aufgeblasen. Der LT ist in
verschiedenen Größen erhältlich. Das Einführen und die
Atemwegsdrücke, die erreicht werden, sind mit der LMA
vergleichbar. Es gibt vereinzelte Fallbereichte über den
Einsatz des LT während der CPR. In einer Studie wurde
der LT durch minimal trainiertes Krankenpflegepersonal
bei 30 Patienten während eines Kreislaufstillstandes
außerhalb des Krankenhauses angewendet.
54 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Teil 3. Endotracheale intubation
und Krikothyreotomie
Lernziele
■ Vor- und Nachteile der endotrachealen
Intubation während der kardiopulmonalen
Reanimation.
■ Einfache Hilfe bei der endotrachealen
Intubation.
■ Methoden zur Bestätigung der korrekten
Lage des endotrachealen Tubus.
■ Rolle von Nadel- und chirurgischer
Krikothyreotomie.
Endotracheale Intubation
Es gibt keine ausreichende Evidenz zur Unterstützung
oder Ablehnung einer spezifischen Technik zum
Freihalten der Atemwege und zur Ventilation bei
Erwachsenen mit einem Kreislaufstillstand. Trotzdem
wird die endotracheale Intubation als die optimale
Methode betrachtet, um einen freien und sicheren
Atemweg zu schaffen und sicherzustellen. Sie sollte
nur angewendet werden, wenn geübtes Personal zur
Verfügung steht, das die Prozedur mit entsprechender
Fertigkeit und Verlässlichkeit durchführen kann. Die
einzige randomisierte, kontrollierte Studie welche
die endotracheale Intubation mit der Beutel-Masken
Beatmung verglichen hat, wurde präklinisch bei Kindern
durchgeführt. In dieser Untersuchung fand sich kein
Unterschied hinsichtlich Überleben und Entlassungsrate.
Die anerkannten Vorteile der endotrachealen Intubation
gegenüber der Beutel-Masken Beatmung beinhalten: Die
Sicherstellung eines freien Atemweges, der vor Aspiration
von Mageninhalt oder Blut aus dem Oropharynx
geschützt ist; die Fähigkeit adäquate Tidalvolumina
verlässlich zu verabreichen – ohne Unterbrechung der
Thoraxkompressionen; die Möglichkeit dem Helfer
die Hände frei für andere Tätigkeiten zu machen;
die Möglichkeit Bronchialsekret abzusaugen und
die Möglichkeit der Medikamentenapplikation.
Beutel-Masken Beatmung geht mit einer höheren
Wahrscheinlichkeit einher den Magen zu überblähen,
und könnte in höherem Maße zur Regurgitation und
Aspiration führen. Hier fehlen noch randomisierte
klinische Studien zum Vergleich.
Bekannte Nachteile der endotrachealen Intubation im
Vergleich zur Beutel-Masken Beatmung sind das Risiko
einer nicht bemerkten Tubusfehllage (bis zu 17 %), das
verlängerte Zeitfenster ohne Thoraxkompressionen
während intubiert wird und eine vergleichsweise
hohe Misserfolgsrate. Relevant sind sicher auch die
Ausbildungskosten bei Schulung präklinischer Helfer.
Präklinische Intubationsprogramme sollten ausschließlich
strukturiert und überwacht stattfinden, sie sollten
ein umfassendes Kompetenz-basiertes Training und
regelmäßige Möglichkeiten die Fertigkeiten aufzufrischen
European Resuscitation Council
beinhalten.
In einigen Fällen können sich Laryngoskopie und
Intubation als unmöglich erweisen oder sogar zu
einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des
Patientenzustandes führen. Diese Gefahr besteht bei
akuter Epiglottitis, pathologischen Veränderungen des
Pharynx, Kopfverletzungen (bei denen der intrakranielle
Druck durch Husten oder Pressen noch weiter ansteigen
kann) oder bei Patienten mit einer Verletzung der
HWS. Unter solchen Umständen können spezialisierte
Fähigkeiten wie die Verwendung von Anästhetika oder
die fiberoptische Intubation erforderlich sein. Diese
Techniken erfordern entsprechendes Können und Übung
auf hohem Niveau.
Helfer müssen Risiko und Nutzen der endotrachealen
Intubation gegenüber der Notwendigkeit effektive
Thoraxkompressionen aufrecht zu erhalten abwägen.
Der Intubationsversuch erfordert eine Unterbrechung
der Thoraxkompressionen, andererseits sind keine
weiteren Unterbrechungen der Thoraxkompressionen
notwendig, wenn der Patient einmal intubiert ist.
Personal, das in erweitertem Atemwegsmanagement
erfahren ist, sollte in der Lage sein ohne Unterbrechung
der Thoraxkompressionen zu laryngoskopieren – eine
kurze Unterbrechung der Thoraxkompressionen wird
nur notwendig sein, um den Tubus durch die Stimmritze
zu schieben. Um jegliche Unterbrechungen der
Thoraxkompressionen zu verhindern, könnten alternativ
die Intubationsversuche bis zum Wiedererlangen
stabiler Kreislaufverhältnisse verschoben werden. Ein
Intubationsversuch sollte nicht länger als 30 Sekunden
dauern. Wenn nach dieser Zeit die Intubation nicht
gelungen ist, wird wieder mit der Beutel-Masken
Beatmung begonnen. Nach erfolgter endotrachealer
Intubation muss die Tubuslage überprüft und der Tubus
adäquat gesichert werden. Wenn irgendein Zweifel über
die korrekte Tubuslage besteht, wird dieser entfernt und
der Patient wird vor einem weiteren Versuch reoxygeniert.
Erforderliche Ausrüstung für eine
Intubation
• Laryngoskop, üblicherweise mit einem gebogenen
(Macintosh-) Spatel. Es sind verschiedene Größen
verfügbar, wobei für die meisten Patienten Größe 3
passend sein wird. Lichtquelle und Batterie müssen
regelmäßig und direkt vor Verwendung kontrolliert
werden, und Ersatz muss sofort verfügbar sein.
• Eine Auswahl von endotrachealen Tuben mit
Cuff entsprechend der Größe des Patienten sollte
verfügbar sein. Für einen männlichen Erwachsenen ist
üblicherweise ein Tubus mit 8,0 mm und für Frauen
ein Tubus mit 7,0 mm Innendurchmesser passend.
• Die Größen 6, 7 und 8 decken normalerweise den
unmittelbaren Bedarf für erwachsene Patienten
ab. Kleinere Tuben können bei Patienten mit einer
Einengung im Bereich der oberen Atemwege hilfreich
sein.
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 55
KAP
6
Kapitel 6 Atemwegsmanagement und Beatmung
• Blockerspritze für das Aufblasen des Cuffs.
• Extras:
- wasserlösliches Gleitmittel;
- Magill-Zange;
- Führungsstäbe: entweder ein elastischer
Führungsstab oder ein halbstarrer Mandrin;
- Pflaster oder Verbandmaterial, um den Tubus zu
fixieren;
- Stethoskop zur Bestätigung der richtigen
Tubuslage;
- Absaugung mit einem großlumigen, starren
Katheter (z.B. Yankauer) und einer Reihe von
kleineren flexiblen Kathetern;
- Ein exspiratorischer CO2-Detektor oder ein
Ösophagusdetektor für die Bestätigung
der richtigen Platzierung des Tubus. Der
Ösophagusdetektor ist beim Kreislaufstillstand
verlässlicher.
Vorgehen nach der Intubation
• Nach erfolgreicher Intubation verbinden Sie den
Tubus mit einem Beatmungsgerät, z.B. einem
Beatmungsbeutel, und beatmen Sie mit der
größtmöglichen Sauerstoffkonzentration.
• Blasen Sie den Cuff gerade soweit auf, dass kein Leck
während der Inspiration auftritt.
• Auskultieren Sie über dem Epigastrium um eine
Mageninsufflation zu erkennen. Beobachten Sie
die Thoraxbewegungen und auskultieren Sie, um
zu prüfen, ob beide Lungen belüftet sind. Hören
Sie besser an der Seite des Brustkorbes (mittlere
Axillarlinie) als im vorderen Breich. Wenn nur die
rechte Seite belüftet ist, könnte das dafür sprechen,
dass der Tubus zu weit eingeführt worden ist und
sich im rechten Hauptbronchus befindet: lassen
Sie die Luft aus dem Cuff ab, ziehen Sie den Tubus
1-2 cm zurück, blasen Sie den Cuff wieder auf und
kontrollieren Sie die Beatmung erneut. Benutzen Sie
einen Detektor für endexspiratorisches CO2 und/oder
einen Ösophagusdetektor um eine korrekte Tubuslage
zu bestätigen (siehe unten).
• Beatmen Sie weiter mit einer hohen
Sauerstoffkonzentration.
• Sichern Sie den Tubus mit Verbandmaterial oder
einem Band. Pflaster ist bei feuchtem Gesicht nicht
verlässlich.
• Ein oropharyngealer Tubus (Guedeltubus) kann
entlang des Trachealtubus eingeführt werden um die
Tubuslage zu sichern und um Schäden am Tubus zu
verhindern, falls der Patient das Bewusstsein erlangt
und zubeißt.
Bestätigung der richtigen Lage des
endotrachealen Tubus
Eine Bestätigung der Tubuslage durch ausgeatmetes CO2
oder einen Ösophagusdetektor sollte das Risiko einer
56 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
unerkannten ösophagealen Intubation verringern. Keine
dieser Techniken wird aber einen Tubus, der in einem
Hauptbronchus platziert ist, von einem richtig in der
Trachea liegenden unterscheiden können.
Der Ösophagusdetektor erzeugt einen Sog am
trachealen Ende des endotrachealen Tubus, und
zwar entweder durch Zurückziehen eines Kolbens
an einer großen Spritze oder durch Entlastung eines
zusammengedrückten elastischen Ballons. Dadurch
kann Luft aus den unteren Atemwegen durch den
endotrachealen Tubus, der in der durch Knorpelspangen
„versteiften“ Trachea liegt, leicht angesaugt werden.
Liegt der Tubus aber im Ösophagus, kann keine Luft
aspiriert werden, da der Ösophagus kollabiert, wenn
eine Aspiration versucht wird. Der Ösophagusdetektor
ist normalerweise sowohl bei Patienten mit einem
perfundierenden als auch einem nicht perfundierenden
Rhythmus zuverlässig. Er kann aber bei Patienten mit
Fettsucht, Spätschwangerschaft oder schwerem Asthma
oder bei Vorliegen ausgiebiger trachealer Sekretion
irreführend sein; unter diesen Umständen kann die
Trachea kollabieren, wenn eine Aspiration versucht wird.
CO2-Detektoren messen die Konzentration von aus den
Lungen ausgeatmetem CO2. Ist nach sechs Beatmungen
immer noch ausgeatmetes CO2 vorhanden, weist dies
auf eine Lage des endotrachealen Tubus in der Trachea
oder im Hauptbronchus hin. Eine Bestätigung der
richtigen Lage oberhalb der Carina erfordert jedoch die
Auskultation des Brustkorbs beidseitig in der mittleren
Axillarlinie. Bei Patienten mit spontaner Zirkulation
weist ein Fehlen von ausgeatmetem CO2 darauf hin,
dass der Tubus im Ösophagus liegt. Während eines
Kreislaufstillstandes kann der pulmonale Blutfluss
aber so gering sein, dass nicht ausreichend CO2 in die
Lungen transportiert wird, so dass der Detektor einen
richtig platzierten endotrachealen Tubus nicht erkennen
kann. Wenn ausgeatmetes CO2 beim Kreislaufstillstand
detektiert wird, weist das verlässlich darauf hin, dass der
Tubus in der Trachea oder im Hauptbronchus liegt, wenn
es aber fehlt, wird die Lage des endotrachealen Tubus
am besten mit einem Ösophagusdetektor bestätigt. Eine
Vielzahl von elektronischen wie auch von einfachen,
billigen, kolorimetrischen CO2-Detektoren sind sowohl für
den klinischen wie auch für den präklinischen Gebrauch
verfügbar.
Mögliche Probleme während der
endotrachealen Intubation
Zu den anatomischen und pathologischen
Veränderungen, die eine Intubation schwierig oder
unmöglich machen können, gehören: fliehendes
Kinn, kurzer Hals, vorstehende Schneidezähne,
geringe Mundöffnung, bewegungseingeschränkte
Halswirbelsäule und Trismus. Wenn die Stimmbänder
nicht sichtbar sind, sollte nicht versucht werden den
Tubus blind einzuführen. Ein elastischer Führungsstab
ist einfacher durch die Glottis einzuführen als ein
endotrachealer Tubus. Wenn dieser platziert ist, kann
der Tubus darüber in die Trachea geführt werden.
European Resuscitation Council
Ein Mandrin kann verwendet werden, um den Tubus
vorzuformen und steifer zu machen und ihn so in den
Larynx zu führen.
Eine schwierige Intubation kann verursacht werden
durch:
• Gesichtsverbrennungen und –traumen: es kann sich
bei schweren Gesichtsschädelverletzungen und
Verbrennungen der oberen Luftwege als unmöglich
erweisen, BLS Techniken anzuwenden oder den
Patienten zu intubieren. In solchen Fällen kann es
notwendig sein, auf eine chirurgische Alternative
zurückzugreifen (z.B. Krikothyreotomie).
• Pathologien der oberen Luftwege (z.B. Tumore,
Infektionen, Schwellungen bei Anaphylaxie, …)
• Nicht fest sitzende / lose Zähne oder Zahnprothesen
– diese können beschädigt oder gelockert werden,
wenn übermäßiger Druck auf sie ausgeübt wird.
Eine gute Intubationstechnik sollte dieses Risiko
verringern.
• Regurgitation von Mageninhalt – eine funktionierende
Saugvorrichtung und ein Katheter mit großem
Durchmesser sollten immer zur Hand sein. KrikoidDruck kann passive Regurgitation und Aspiration
verhindern.
• Zusammenbeißen der Zähne – in den frühen Stadien
der Reanimation kann eine gute Basiswiederbelebung
eine tiefe Bewusstlosigkeit verhindern, die für
eine Intubation erforderlich ist. Wenn dem so ist,
dann greifen Sie auf einfache Atemwegs- und
Beatmungstechniken zurück.
Der Druck sollte erhalten bleiben, bis der endotracheale
Tubus durch die Stimmbänder eingeführt und der Cuff
aufgeblasen ist. Die Person, die die Intubation durchführt,
gibt das Ende des Manövers vor. Der Krikoid-Druck darf
nicht bei aktivem Erbrechen angewendet werden, es
kann sonst zur Ösophagusruptur kommen. Wird die
Technik ungenau oder mit zu großer Kraft angewendet,
können die Beatmung mit dem Beatmungsbeutel und
die Intubation erschwert werden. Ist eine Beatmung des
Patienten nicht möglich, sollte der Druck, der auf das
Krikoid ausgeübt wird, verringert oder ganz beendet
werden.
KAP
6
Eine ösophageale Intubation sollte nicht unerkannt
bleiben, wenn man den empfohlenen Leitlinien folgt,
besonders dann nicht, wenn die Lage des endotrachealen
Tubus mit einem Ösophagusdetektor und/oder
Kapnometrie überprüft wird. Wenn Sie im Zweifel sind,
entfernen Sie den Tubus und reoxygenieren Sie den
Patienten mit Beutel/Maske.
Eine mögliche Verletzung der HWS muss bei allen
Patienten mit einer Anamnese eines schweren stumpfen
Traumas vermutet werden. Kopf und Hals sollten manuell
in einer Linie mit dem Körper gehalten werden. Die
Intubation sollte von einem Erfahrenen durchgeführt
werden.
Krikoid-Druck
Das Ziel dieses Manövers ist es, eine Regurgitation
von Mageninhalt und das daraus folgende Risiko einer
Aspiration zu verhindern. Das Manöver wird während der
Beatmung mit dem Beatmungsbeutel und der Intubation
durch einen geübten Helfer ausgeführt. Der Ringknorpel
(Krikoid) liegt direkt unter dem Schildknorpel, wo er
am oberen Ende der Trachea einen geschlossenen Ring
bildet. Es wird ein Druck von 30 N (3 kg) von vorne nach
hinten ausgeübt, der den Ringknorpel nach hinten und
damit auch den Ösophagus nach hinten gegen die
Wirbelsäule drückt (Abb. 6.16).
European Resuscitation Council
Figure 6.16 Cricoid pressure
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 57
Kapitel 6 Atemwegsmanagement und Beatmung
Hilfen bei der Intubation
Alternativer Laryngoskop-Spatel
Der Macintosh Spatel ist ein guter Allzweck-Spatel,
die Größe 3 passt bei den meisten Erwachsenen.
Gelegentlich ist ein längerer Spatel der Größe 4 für sehr
große Patienten mit langem Hals besser. Das McCoyLaryngoskop hat eine bewegliche Spitze und verbessert
bei der Laryngoskopie oft die Sicht.
Introducer
Ist das Einstellen der Stimmbänder schwierig, kann
ein weicher, elastischer Bougie hilfreich sein, um den
endotrachealen Tubus durch den Larynx zu führen. Er
wird am besten alleine durch den Kehlkopf eingeführt
– der Tubus wird dann über diese Führungsschiene in die
Trachea geschoben. Wenn er korrekt platziert ist, lässt
er sich frei vorschieben und wird erst in den kleineren
Luftwegen des Bronchialbaumes gestoppt; ein Bougie,
der irrtümlich in den Ösophagus geschoben wird, kann
ohne offensichtlichen Widerstand komplett eingeführt
werden.
Wenn schlimmstenfalls Beatmung und Intubation
unmöglich und auch die Alternativen (z.B. LMA)
nicht einsetzbar sind, dann ist es notwendig, eine
Krikothyreotomie durchzuführen (siehe unten).
Auch wenn Beschreibungen fortgeschrittener
Atemwegstechniken in diesem Kapitel miteinbezogen
wurden, sind diese Beschreibungen nicht als Ersatz
für die Übung an Puppen oder an anästhetisierten
Patienten unter der Aufsicht eines Fachmanns zu
sehen. Die endotracheale Intubation während des
Kreislaufstillstandes sollte nur von denjenigen versucht
werden, die diese Intervention beherrschen und
regelmäßig durchführen.
Absaugung
Ein starrer Katheter mit großem Durchmesser (Yankauer)
sollte verwendet werden, um Flüssigkeiten (Blut,
Speichel und Mageninhalt) aus den oberen Atemwegen
zu entfernen. Dies wird am besten unter direkter Sicht
während der Intubation durchgeführt, darf aber zu keiner
Verzögerung bei der Atemwegssicherung führen. Ist eine
endotracheale Absaugung notwendig, sollte sie so kurz
wie möglich sein und immer von einer vorherigen und
nachfolgenden Beatmung mit 100% Sauerstoff begleitet
werden. Für das endotracheale Absaugen benutzt man
dünne Absaugkatheter, die direkt in den Tubus eingeführt
werden.
Krikothyreotomie
aufgrund von Ödemen (Anaphylaxie) oder Fremdkörpern.
Unter diesen Umständen wird es notwendig sein,
einen chirurgischen Atemweg unterhalb der Höhe
der Obstruktion zu schaffen. Eine Tracheostomie ist
im Notfall kontraindiziert, weil sie zeitaufwendig und
riskant ist, beträchtliches chirurgisches Können und eine
entsprechende Ausrüstung erfordert. Es können starke
Blutungen auftreten. Eine Nadel- oder chirurgische
Krikothyreotomie ist die Technik der Wahl, da sie weniger
gefährlich und schneller ist und nur eine einfache
Ausrüstung erfordert.
Nadelkrikothyreotomie
Verfahren
• Bringen Sie den Patienten in Rückenlage und
überstrecken Sie den Kopf leicht.
• Identifizieren Sie die Krikothyroid-Membran; das ist
die Vertiefung zwischen dem Schildknorpel (Thyroid)
und dem Ringknorpel (Krikoid).
• Die Membran wird vertikal in der Mittellinie punktiert.
Dabei benutzt man einen großlumigen iv-Zugang
oder - bevorzugt - eine spezielle KrikothyreotomieKanüle jeweils mit aufgesetzter Spritze (Abb. 6.17). Die
Aspiration von Luft bestätigt dabei die richtige Lage in
der Trachea.
• Die Kanüle wird in einem Winkel von 45° angesetzt
und nach kaudal in die Trachea vorgeschoben. Nun
zieht man die Nadel aus der Kanüle heraus und
überprüft ob Luft leicht zu aspirieren ist. Anschließend
wird die Kanüle an eine Hochdruck-Sauerstoffquelle
angeschlossen.
• Der Patient wird beatmet, indem man den offenen
Schenkel eines Y-Konnektors oder eines DreiwegeHahnes für eine Sekunde oder bis zur sichtbaren
Brustkorbhebung mit einem Finger verschließt.
Im Anschluß muss lange genug geöffnet werden,
um eine Ausatmung zu erlauben. Die Ausatmung
muss durch den Larynx und die oberen Luftwege
erfolgen. Diese Technik darf nicht angewendet
werden, wenn die Ausatmung über diesen Weg
durch eine Obstruktion vollständig verhindert ist.
Bei einer teilweisen Larynxverlegung muss die
Exspirationszeit ausreichend lange gewählt werden,
es kommt sonst zum Anstieg des intrathorakalen
Drucks, dadurch werden der venöse Rückstrom und
das Herzzeitvolumen verringert und es kann ein
Barotrauma der Lungen verursacht werden.
• Wenn weder Y-Verbindung noch Dreiwege-Hahn
verfügbar sind, kann ein Loch in die Sauerstoffzufuhr
geschnitten und dieses Loch mit einem Finger
in Abständen verschlossen werden, um so eine
Beatmung durchzuführen.
Gelegentlich ist es unmöglich, einen apnoeischen
Patienten mit einem Beatmungsbeutel zu beatmen,
einen endotrachealen Tubus oder ein anderes Hilfsmittel
einzuführen. Dies kann bei Patienten der Fall sein,
die ein ausgedehntes Gesichtstrauma haben oder
eine mechanische Obstruktion im Larynxbereich z.B.
58 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Zusammenfassung
•Wenn sie von einem Helfer mit entsprechendem
Können und Erfahrung durchgeführt wird, stellt
die endotracheale Intubation die effektivste
Technik des Atemwegs-Managements während
der kardiopulmonalen Reanimation dar.
•In ungeübten Händen ist die Intubation durch zu
lange Unterbrechungen der Thoraxkompression
sowie das Risiko des Misserfolges und/oder
anderer Komplikationen (wie eine unerkannte
ösophageale Intubation) potenziell schädlich.
Figure 6.17 Needle cricothyroidotomy
KAP
6
Zu den Komplikationen bei einer Nadelkrikothyreotomie
gehört eine Fehl-Positionierung der Kanüle außerhalb der
Trachea, was zu einem massiven Emphysem, zu Blutung
und zur Ösophagusperforation führen kann.
Chirurgische Krikothyreotomie
Anders als die Nadelkrikothyreotomie bietet die
chirurgische Technik einen Atemweg, der durch einen
geblockten Tubus geschützt ist. Es können damit höhere
Atemwegsdrücke erzeugt werden und es kann tracheal
abgesaugt werden. Die chirurgische Krikothyreotomie
ermöglicht eine Beatmung der Lungen trotz einer
Atemwegsverlegung auf Höhe oder oberhalb der Glottis.
Verfahren
• Bringen Sie den Patienten in Rückenlage und
überstrecken den Kopf, falls möglich.
• Identifizieren Sie die Krikothyroid-Membran; das ist
die Vertiefung zwischen dem Schildknorpel (Thyroid)
und dem Ringknorpel (Krikoid).
• Inzidieren Sie die Haut über dieser Membran und
führen Sie den Schnitt weiter durch die KrikothyroidMembran. Die Inzision der Haut erfolgt in vertikaler
Richtung, die der Krikothyroid-Membran in
horizontaler. Dies verhindert die Verletzung der
oberhalb liegenden Arteria cricothyroidea.
• Benützen Sie den Griff des Skalpells oder eine Klemme
um die Inzision der Krikothyreoid-Membran zu
erweitern.
• Führen Sie nun einen entsprechend dimensionierten
Trachealtubus in die Trachea ein und blocken sie ihn.
Führen Sie den Tubus nicht zu weit in die Trachea ein:
die Karina ist nicht sehr weit entfernt.
• Beatmen Sie mit einem konventionellen
Beatmungsbeutel mit hoher Sauerstoffkonzentration.
Die Ausatmung erfolgt direkt über den Tubus. Auch
eine tracheale Absaugung ist nun möglich.
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 59
Kapitel 6 Atemwegsmanagement und Beatmung
60 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Teil 4. Einfache mechanische
Beatmung
Lernziel
■ Die Bedeutung einfacher automatischer
Beatmungsgeräte in der Periarrest-Phase.
Es gibt nur wenige Untersuchungen, die die spezifischen
Aspekte der Beatmung während der Reanimation
beleuchten. Es gibt einige Daten die zeigen, dass
die Zahl der Ventilationen während der Reanimation
exzessiv hoch ist. Eine Vielzahl kleiner, tragbarer,
automatischer Beatmungsgeräte kann während
der Wiederbelebung eingesetzt werden. Sie sind
normalerweise gasbetrieben. Wenn eine Sauerstoffflasche
sowohl zur Sauerstoffversorgung des Patienten als auch
zum Betreiben des Beatmungsgerätes verwendet wird,
kann der Inhalt sehr schnell aufgebraucht sein. Die
meisten automatischen Beatmungsgeräte versorgen
den Patienten während der Inspiration mit einem
konstanten Gasfluss. Das abgegebene Volumen hängt
von der Inspirationszeit ab (eine längere Zeit bedeutet ein
größeres Tidalvolumen). Da der Druck in den Atemwegen
während der Inspiration steigt, haben diese Geräte
oft eine Druckbegrenzung, um die Lungen vor einem
Barotrauma zu schützen. Die Ausatmung geschieht passiv
in die Umgebung.
Tidalvolumen relativ konstant.
Professionelle Ersthelfer können einfache automatische
Beatmungsgeräte verwenden, vorausgesetzt, dass sie
eine spezielle Ausbildung für das verwendete Gerät
erhalten haben.
Zusammenfassung
•Einfache automatische Beatmungsgeräte
können während der kardiopulmonalen
Reanimation ein sinnvolles Hilfsmittel sein,
obwohl es nur begrenzte Daten für ihre
Anwendung gibt. Ihre sichere Anwendung
erfordert eine entsprechende Ausbildung.
KAP
Weiterführende Literatur
Nolan JP, Deakin CD, Soar J, Bottiger BW, Smith G. European
Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2005. Section 4: Adult
advanced life support. Resuscitation 2005;67 Suppl 1: S39-86
International Liaison Committee on Resuscitation. Part 4. Advanced
Life Support. 2005 International Consensus on Cardiopulmonary
Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care Science with
Treatment Recommendations. Resuscitation 2005; 67: 213-47.
Ein automatisches Beatmungsgerät sollte anfänglich auf
die Abgabe eines Tidalvolumens von 6-7 ml/kg KG bei
10 Atemzügen pro Minute eingestellt werden. Einige
Beatmungsgeräte haben aufeinander abgestimmte
Markierungen auf den Einstellknöpfen, um eine schnelle
und einfache Einstellung für Patienten unterschiedlicher
Größen zu ermöglichen. Mit anderen Beatmungsgeräten
lassen sich wiederum anspruchsvolle Variationen der
Atemmuster durchführen. Bei Vorhandensein einer
spontanen Zirkulation wird die richtige Einstellung
durch eine Analyse der arteriellen Blutgase des Patienten
bestimmt. Wenn kein endotrachealer Tubus, keine
LMA oder kein Combitubus liegt, sollten während der
Einatemphase keine Thoraxkompressionen ausgeführt
werden. Ist der Patient intubiert, bzw. liegt eine LMA
oder ein Combitubus, ist es nicht mehr notwendig,
die Thoraxkompressionen für die Inspiration zu
unterbrechen.
Automatische Beatmungsgeräte bieten einige Vorteile
gegenüber alternativen Methoden der Beatmung:
• Bei intubierten Patienten setzen sie einen Helfer frei
für andere Aufgaben.
• Bei nicht intubierten Patienten hat der Helfer
beide Hände für das Halten der Maske und zur
Atemwegssicherung frei.
• Sie verabreichen eine eingestellte
Beatmungsfrequenz.
• Beim intubierten Patienten liefern sie das eingestellte
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 61
6
Kapitel 6 Atemwegsmanagement und Beatmung
62 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Kardiales Monitoring, EKG
und Rhythmus-Diagnostik
KAPITEL
Lernziele:
■ Indikationen zum EKG-Monitoring.
■ Technik des EKG-Monitorings.
■ Entstehung des EKG.
■ Bedeutung der EKG-Aufzeichnung.
■ Herzrhythmen im Rahmen des
Kreislaufstillstandes.
■ Erkennen anderer häufiger
Herzrhythmusstörungen.
Einleitung
Bei einem Herz-Kreislaufstillstand ist die Beurteilung des
Herzrhythmus bedeutsam für das Einleiten der korrekten
Therapie. Deswegen soll so früh wie möglich ein EKGMonitoring erfolgen.
Bei manchen Patienten besteht die Gefahr, dass eine
Herzrhythmusstörung zum Kreislaufstillstand oder
anderen schwerwiegenden Verschlechterungen des
Gesundheitszustandes führt. Frühzeitiges Erkennen und
Behandeln einer Rhythmusstörung kann im Einzelfall
den Kreislaufstillstand oder eine lebensbedrohliche
Entwicklung verhindern. Risikopatienten sind solche mit
Brustschmerzen, Bewußtseinsstörungen, Herzinsuffizienz,
Palpitationen oder Schock. Alle Risikopatienten
benötigen ein EKG-Monitoring.
Beim Auftreten einer Rhythmusstörung kann schon
das Monitoring einer einzelnen EKG-Ableitung hilfreich
sein, führt jedoch nicht immer zur exakten RhythmusDiagnose. Deshalb sollte nach Möglichkeit immer
eine 12-Kanal-Ableitung zur Dokumentation der
Rhythmusstörung erfolgen.
Das Monitoring einer einzelnen Ableitung ist
keine verlässliche Technik um Hinweise auf eine
Myokardischämie (ST-Strecken-Senkung) zu erkennen.
Bei einem Patienten mit Brustschmerzen und Verdacht
auf ein akutes Koronarsyndrom muss wiederholt ein 12Kanal-EKG geschrieben werden.
Im Kreislaufstillstand ist das Erkennen des
Kammerflimmerns (VF) und der pulslosen ventrikulären
Tachykardie (VT) als defibrillierbarer Rhythmus
ausschlaggebend für eine erfolgreiche Therapie.
Automatisierte externe Defibrillatoren (AED) und Geräte
mit halbautomatischer Beratungsfunktion (ein sog. shock
advisory defibrillator, SAD) können diese Rhythmen durch
elektronische Auswertung verlässlich erkennen. Falls ein
defibrillierbarer Rhythmus vorliegt, lädt der Defibrillator
European Resuscitation Council
7
die geeignete Energie und informiert den Anwender von
der Notwendigkeit eines Schocks. Die Einführung von
AEDs hat es ermöglicht, dass Helfer ohne ausreichende
Kenntnisse in Rhythmus-Diagnostik - sowohl innerklinisch
als auch in der Öffentlichkeit - bei VF/VT erfolgreich eine
Therapie einleiten können.
Die korrekte Diagnose einiger Herz-Rhythmusstörungen
erfordert Fachwissen und Erfahrung, allerdings kann auch
der Nicht-Fachmann die meisten Rhythmusstörungen
ausreichend für eine geeignete Therapie beurteilen.
Oberste Priorität hat dabei, das Vorliegen einer
Rhythmusstörung sowie unangemessen schneller oder
langsamer Frequenzen zu erkennen. Um Fehler zu
vermeiden ist daher ein strukturiertes Herangehen an die
Rhythmus-Interpretation erforderlich. Die Dringlichkeit
der Therapie wird mehr durch die Auswirkungen der
Rhythmusstörung auf den Patientenzustand als durch
die Art der Rhythmusstörung bestimmt. Bei einer
Rhythmusstörung muss zuerst der Zustand des Patienten
beurteilt werden. Erst dann erfolgt die bestmögliche
Interpretation des Rhythmus. Behandle den Patienten,
nicht das EKG!
Techniken des EKG-Monitorings
Geräte
EKG-Geräte zeigen das EKG auf einem Bildschirm in
Echtzeit an. Das Signal wird durch selbstklebende
Elektroden auf der Haut des Patienten aufgenommen
und über Kabel oder Telemetrie zu einem Monitor
übertragen. Viele Geräte haben weitere Funktionen,
wie die Möglichkeit EKG-Streifen auszudrucken
oder zu speichern. Die meisten modernen Geräte
verfügen über eine Anzeige der Herzfrequenz, einige
haben programmierbare Alarme, die bei Über- oder
Unterschreitung eines eingestellten HerzfrequenzBereiches warnen. Viele Systeme ermöglichen das
Monitoring anderer Werte, wie Blutdruck oder
Sauerstoffsättigung, die für die Beurteilung von
Risikopatienten wichtig sind.
Die digitale Verarbeitung des EKG ermöglicht eine
elektronische Analyse des Herz-Rhythmus. Wenn ein
Patient ein Monitoring benötigt, muss auch gewährleistet
sein, dass der Monitor beobachtet wird, so dass bei einer
Rhythmus-Änderung sofort gehandelt werden kann.
Anlegen des EKG
Die EKG-Elektroden sollen wie in Abbildung 7.1.
gezeigt angelegt werden. Dadurch wird ein Erfassen
der „modifizierten Extremitätenableitungen I, II und
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 63
KAP
7
Kapitel 7 Kardiales Monitoring, EKG und Rhythmus-Diagnostik
III“ ermöglicht. Die Haut muss dabei trocken und
fettfrei sein (evtl. mit Alkohol-Tupfer o.ä. reinigen);
die Elektroden sollten auf wenig behaartem Gebiet
oder nach Rasur dicht behaarter Stellen angebracht
werden. Die Elektroden sollten eher über knöchernen
Arealen als über Muskulatur angebracht werden, damit
Interferenzen durch Muskel-Artefakte im EKG minimiert
werden. Bei Bedarf können verschiedene Positionen
verwendet werden (z.B. bei Trauma, postoperativ oder bei
Hauterkrankungen).
benutzt werden (Abb. 7.2). Die Pads werden in den
üblichen Paddle-Positionen aufgeklebt, unter dem
rechten Schlüsselbein und an der linken Brustwand.
Kann die übliche Position nicht verwendet werden ist die
anterior-posteriore Platzierung als Alternative sinnvoll
(z.B. bei rechts-pectoralem Schrittmacher, linksseitigem
Brustwand-Trauma).
Häufig sind die Ableitungen zur Erleichterung des
Anschlusses farbcodiert. Typischerweise wird das
Ampelschema rot (rechter Arm), gelb (linker Arm)
und grün (linkes Bein - normalerweise über Abdomen
oder unterer Brustwand platziert) für die modifizierten
Extremitätenableitungen angewendet.
Primär sollte die Ableitung II für das Monitoring benutzt
werden, da hierbei im Regelfall eine gute Amplitude
der P-Wellen und der QRS-Komplexe gegeben ist. Falls
notwendig kann zu einer anderen Ableitung gewechselt
werden, um das bestmögliche EKG-Signal zu erhalten. Es
sollte versucht werden, Muskel- und Bewegungsartefakte
zu minimieren, indem man dem Patienten die
Notwendigkeit des Monitoring erklärt, und ihn warm und
ruhig hält.
Figure 7.2 Selbstklebende Elektroden
Schnellableitung. Die meisten manuellen Defibrillatoren
ermöglichen ein EKG-Monitoring über manuelle
Hardpaddles, wenn diese auf die Brustwand aufgesetzt
werden (Abbildung 7.3). Dies ist jedoch nur für eine
„Schnellableitung“ geeignet. Die Herzdruckmassage soll
nur für wenige Sekunden zur Rhythmus-Beurteilung
unterbrochen werden. Falls über die Paddles abgeleitet
wird, müssen sie sehr ruhig gehalten werden, um
Bewegungsartefakte zu vermeiden. Eine Ableitung über
Klebe-Pads oder -Elektroden ist so früh wie möglich
sicherzustellen.
Figure 7.1 Position der Klebeelektroden
für ein EKG-Monitoring der modifizierten
Extremitätenableitungen
Notfall-Monitoring
Im Notfall, z.B. bei einem bewußtlosen Patienten, sollte
der EKG-Rhythmus sobald wie möglich analysiert werden.
Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:
Selbstklebende Elektroden-Pads können für das
Monitoring und eine „freihändige“ Schockabgabe
64 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
KAP
7
Figure 7.4 12-Kanal EKG: die Vorhoftachykardie ist nur in Ableitung V1 gut erkennbar.
Figure 7.5 12-Kanal EKG mit Adenosin-Effekt bei Vorhofflattern. Der vorübergehende AV-Block zeigt deutlich, dass
diese reguläre Schmalkomplex-Tachykardie ein Vorhofflattern mit 2:1 AV-Überleitung ist.
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 65
Kapitel 7 Kardiales Monitoring, EKG und Rhythmus-Diagnostik
einem EKG-Ausdruck festgehalten werden, am besten in
mehreren Ableitungen (Abbildung 7.5).
Grundlagen der
Elektrokardiographie
Im Ruhezustand sind die Zellen des HerzReizleitungssystems und des Myokards polarisiert
geladen. Eine Spannungsdifferenz von ungefähr 90
mV besteht zwischen dem Zellinneren (das negativ
geladen ist) und dem Extrazellularraum. Eine plötzliche
Verschiebung von Calcium- und/ oder Natrium-Ionen
durch die Zellmembran bewirkt eine Depolarisation,
wobei diejenigen elektrischen Signale entstehen, welche
durch das Reizleitungssystem fortgeführt die Kontraktion
der Myokardzellen verursachen.
Figure 7.3 Monitoring über Paddles
Diagnostik am EKG-Monitor
Bei einem normalen Sinusrhythmus beginnt die
Depolarisation in einer Gruppe spezialisierter
Schrittmacherzellen, die Sinusknoten genannt wird.
Dieser ist nahe der Eintrittsstelle der oberen Vena cava in
den rechten Vorhof lokalisiert. Eine Depolarisationwelle
läuft dann vom Sinusknoten ausgehend über das
Vorhof-Myokard. Dieser Vorgang imponiert im EKG als
P-Welle (Abbildung 7.6). Die Vorhofkontraktion ist die
mechanische Antwort auf diesen elektrischen Impuls.
Die Anzeige oder ausgedruckte EKG-Streifen
eines Überwachungsmonitors sind nur für die
Rhythmuserkennung zu verwenden. ST-StreckenVeränderungen oder weitere differenzierte Beurteilungen
können nicht am EKG-Monitor diagnostiziert werden.
Bei Auftreten einer Rhythmusstörung am Monitor sollte
allerdings ein Rhythmusstreifen festgehalten werden.
Hält eine Rhythmusstörung länger an, ist ein 12Kanal-EKG zu schreiben. Es ist nicht immer möglich,
eine Rhythmusstörung in einer einzigen Ableitung zu
erkennen. Das Herz ist ein dreidimensionales Organ und
erst im 12-Kanal-EKG werden die elektrischen Signale
des Herzens dreidimensional erfasst. Manchmal sind
einzelne Aspekte, die eine präzise Rhythmus-Diagnostik
ermöglichen, nur in ein oder zwei Ableitungen des
12-Kanal-EKG vorhanden und können in den EKGAufzeichnungen anderer Ableitungen nicht erkannt
werden (Abbildung 7.4).
TDiese EKG-Aufzeichnungen können bei der primären
Rhythmus-Diagnostik hilfreich sein, sind allerdings
ebenso wichtig für die weitere Verlaufskontrolle und
Langzeit-Therapie. Deswegen bedarf die effektive
Behandlung einer Rhythmusstörung bei einem
Kreislaufstillstand, gleichermaßen einer guten
Dokumentation, einer akuten Interpretation und PrimärMaßnahmen.
Wichtige Informationen über Art und Ursache einer
Tachyarrhythmie können auch über das Erfassen der
Reaktion auf bestimmte Maßnahmen (z.B. KarotissinusMassage, Adenosin-Gabe) gewonnnen werden. Falls
möglich sollte der Effekt einer solchen Maßnahme auf
66 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Figure 7.6 Bestandteile des normalen EKG-Signals
Die Überleitung des elektrischen Impulses auf die
Ventrikel geschieht durch ein spezialisiertes Leitungs-
European Resuscitation Council
Gewebe (Abbildung 7.7). Beginnend mit einer langsamen
Weiterleitung durch den Atrioventrikular (AV)-Knoten,
findet eine schnelle Weiterleitung auf das ventrikuläre
Myokard über spezialisiertes Leitungsgewebe (PurkinjeFasern) statt. Das HIS-Bündel verteilt diese Fasern vom
AV-Knoten zum rechten und linken Kammerschenkel, die
über den rechten und linken Ventrikel verteilt sind. Die
schnelle Weiterleitung über diese Fasern ermöglicht eine
koordinierte Kontraktion der Ventrikel.
Anterior division
Lesen eines Rhythmus-Streifen
Fachwissen und Erfahrung sind nötig, um eine
Rhythmusstörung exakt zu erkennen. Dennoch
kann eine einfache, strukturierte Herangehensweise
bei der Interpretation des EKGs eine für die
Therapieentscheidung ausreichende RhythmusBeurteilung ermöglichen.
Die folgende 6 Schritte sollten zur Analyse jedes EKGRhythmus verwendet werden:
1. Ist überhaupt elektrische Aktivität vorhanden?
2. Wie hoch ist die ventrikuläre (QRS-) Frequenz?
3. Ist der QRS-Rhythmus regelmäßig oder
unregelmäßig?
4. Ist der QRS-Komplex schmal oder verbreitert?
5. Ist Vorhofaktivität erkennbar?
6. Stehen Vorhofaktivität und Kammeraktivität
miteinander in Beziehung? Wie?
Sinoatrial node
Atrioventicular node
Bundle of His
Right bundle
Left bundle
Posterior division
Figure 7.7 Reizleitungssystem des Herzens
Die Depolarisation des HIS-Bündels, der Kammerschenkel
und des Ventrikel-Myokards erscheint auf dem EKG als der
QRS-Komplex (Abbildung 7.6). Die Kammerkontraktion ist
die mechanische Antwort auf diesen elektrischen Impuls.
Zwischen P-Welle und QRS-Komplex findet sich eine
schmale isoelektrische Strecke, die vor allem die
Verzögerung der Überleitung durch den AV-Knoten
darstellt. Der normale Ablauf einer Vorhof-Depolarisation,
gefolgt von einer Kammer-Depolarisation (P-Welle gefolgt
von QRS-Komplex) ist der Sinusrhythmus (RhythmusStreifen 1).
Die dem QRS-Komplex folgende T-Welle entsteht
durch die Erregungsrückbildung in den Zellen des
Reizleitungssystems und im Ventrikel-Myokard
(ventrikuläre Repolarisation).
Weil das normale Reizleitungssystem den Impuls schnell
auf beide Ventrikel verteilt, ist der normale QRS-Komplex
von relativ kurzer Dauer (normalerweise unter 0,12
Sekunden).
Wenn einer der Kammerschenkel pathologisch
verändert ist, wird die schnelle Weiterleitung in
dem entsprechenden Ventrikel verhindert. Der
depolarisierende Impuls wandert schneller entlang des
gegenseitigen Kammerschenkels zum zugehörigen
Ventrikel, und erst dann langsamer durch das reguläre
Kammermyokard zum anderen Ventrikel. Dieser Zustand
wird als Schenkelblock bezeichnet. Weil dabei die
European Resuscitation Council
Depolarisation beider Ventrikel länger dauert, ist der QRSKomplex im EKG verbreitert (0,12 Sekunden oder länger).
Jeder EKG-Rhythmus kann unter Verwendung der ersten
vier Schritte genau beschrieben (z.B. unregelmäßige
Schmalkomplex-Tachykardie, regelmäßige BreitkomplexTachykardie, etc.) sowie sicher und effektiv behandelt
werden.
Ist überhaupt elektrische Aktivität
vorhanden?
Ist keine elektrische Aktivität vorhanden, müssen sowohl
die Höhe der Amplitudeneinstellungen, als auch die
Elektroden und Kabelverbindungen zwischen dem
Patienten und dem Monitor überprüft werden.
Ist bei derUntersuchung des Patienten ein Puls
vorhanden? Falls der Patient pulslos ist und immer
noch keine Aktivität auf dem EKG erkennbar ist, liegt
eine Asystolie vor (Rhythmus-Streifen 2). Zumeist sind
Vorhof- und Kammer-Asystolie vorhanden, wobei eine
Linie ohne Ausschläge vorliegt. Eine völlig gerade
oder auch unterbrochene Linie zeigt üblicherweise die
Diskonnektion einer Ableitung an. Bei einer Asystolie
zeigt das EKG typischerweise leichte Schwankungen
der Basislinie, es können auch elektrische Interferenzen
aufgrund von Beatmung oder Herzdruckmassage
vorliegen.
Nach Eintreten einer Kammer-Asystolie kann über einen
kurzen Zeitraum noch Vorhof-Aktivität (normalerweise
P-Wellen, aber auch Vorhofflimmern-/flattern) vorhanden
sein. Das EKG besteht aus Vorhof-Aktivität bei fehlenden
QRS-Komplexen: ventrikulärer Stillstand (RhythmusStreifen 3). Dies zu erkennen ist wichtig, denn die
Schrittmacher-Anwendung kann in dieser Situation eher
zu einer Auswurfleistung des Herzens führen als in den
Fällen mit kompletter Asystolie (vgl. Kapitel11).
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 67
KAP
7
Kapitel 7 Kardiales Monitoring, EKG und Rhythmus-Diagnostik
Figure 7.8 Errechnen der Herzfrequenz aus einem Rhythmus-Streifen.
Ist der Patient bei vorhandener elektrischer Aktivität
pulslos, so muss entschieden werden, ob QRS-Komplexe
vohanden sind. Bei fehlenden QRS-Komplexen und
Vorliegen schneller, bizarr geformter und arrhythmischer
Ausschläge im EKG, liegt ein Kammerflimmern vor
(Rhythmus-Streifen 4). Beim Kammerflimmern (VF)
ist sämtliche Koordination der elektrischen Erregung
verlorengegangen, es ist keine effektive Kontraktion
und damit auch keine nachweisbare Auswurfleistung
vorhanden.
Das Kammerflimmern kann abhängig von der Amplitude
in grob (Rhythmus-Streifen 4) und fein (RhythmusStreifen 5) eingeteilt werden, Falls Zweifel bestehen, ob
eine Asystolie oder feines Kammerflimmern vorliegt,
sollte keine Defibrillation durchgeführt sondern
Beatmung und Herzdruckmassage fortgesetzt werden.
Feines Kammerflimmern, das schwer von einer Asystolie
zu unterscheiden ist, kann üblicherweise nicht durch eine
Defibrillation in einen Rhythmus mit Auswurfleistung
überführt werden. Durch die Fortführung effektiver HLW
können Amplitude und Frequenz des Kammerflimmerns,
und damit auch die Chance einer erfolgreichen
Defibrillation in einen perfundierenden Rhythmus,
verbessert werden. Wiederholte Schockabgaben bei
einem vermuteten feinen Kammerflimmern verstärken
den myokardialen Schaden sowohl direkt durch den
Stromfluss als auch indirekt durch die Unterbrechungen
des koronaren Blutflusses (vgl. Kapitel 5).
Ist elektrische Aktivität vorhanden und sind QRSKomplexe zu erkennen, muss mit den folgenden Schritten
der Rhythmus-Analyse fortgefahren werden.
Ist der Patient pulslos, sind aber Komplexe, die
einen Auswurf produzieren könnten, auf dem EKG
auszumachen, dann liegt eine pulslose elektrische
Aktivität (PEA) vor. Es ist sofort - ohne Verzögerung durch
die weitere Rhythmus-Analyse - die CPR erforderlich.
Wie hoch ist die ventrikuläre (QRS-)
Frequenz?
Die normale (ventrikuläre) Ruhefrequenz beträgt 60-100
Schläge/min. Eine Herzfrequenz unter 60 Schlägen/min
wird als Bradykardie bezeichnet, eine Frequenz über 100
Schläge/min als Tachykardie. Normales EKG-Papier ist
in Millimetern kalibriert, mit fettgedruckten Linien alle
5 mm. Die Standard-Papier-Geschwindigkeit beträgt 25
mm/s, eine Geschwindigkeit, bei der fünf große Quadrate
68 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
(oder 25 kleine) eine Sekunde darstellen.
Eine Methode zur schnellen Bestimmung der KammerFrequenz ist es, die Anzahl der großen (5 mm) Quadrate
zwischen zwei aufeinander folgenden QRS-Komplexen
zu zählen und dann 300 durch diese Anzahl zu dividieren
(z.B. sind in „Rhythmus-Streifen 1“ 4 große Quadrate
zwischen zwei benachbarten QRS-Komplexen - folglich
ist die Herzfrequenz 300/4 = 75/min). Weniger sinnvoll
ist diese Methode bei Arrythmien, hier sind die Abstände
zwischen den QRS-Komplexen unterschiedlich.
Ungenau ist die Methode, wenn die Abstände zwischen
den QRS-Komplexen nicht zu den Abständen der großen
Quadrate passen. In diesem Fall müssen die kleinen
Quadrate zwischen zwei aufeinanderfolgenden QRSKomplexen gezählt und 1500 durch diese Anzahl dividiert
werden (z.B. sind in „Rhythmus-Streifen 1“ 20 kleine
Quadrate zwischen zwei benachbarten QRS-Komplexen
- folglich ist die Herzfrequenz 1500/20 = 75/min).
Alternativ kann die Anzahl der Herzzyklen (inklusive
Bruchteile)in einer definierten Anzahl von Sekunden
gezählt und daraus die Herzfrequenz pro Minute
errechnet werden. Wenn beispielsweise 8,4 Herzzyklen
in 30 großen Quadraten (6 Sekunden), oder 4,2 Zyklen in
15 großen Quadraten (3 Sekunden) ablaufen, dann ist die
Herzfrequenz 84/min (Abbildung 7.8).
Ist der Rhythmus regelmäßig oder
unregelmäßig?
Die Antwort ist nicht immer so einfach wie es scheint.
Gerade bei schnellen Herzfrequenzen können die
Unterschiede von Schlag zu Schlag bei verschiedenen
Rhythmusstörungen wenig auffällig erscheinen. Einige
Rhythmen mögen sogar abschnittsweise regelmäßig sein,
sind aber wegen intermittierender Änderungen des R-RIntervalls unregelmäßig.
Ein Rhythmus-Streifen muss in ausreichender Länge
betrachtet werden, wobei, um Unregelmäßigkeiten zu
entdecken, jedes R-R-Intervall ausgemessen und mit den
anderen verglichen werden sollte. Spezielle Zirkel können
hilfreich sein, um die R-R-Intervalle zu vergleichen. Als
Alternative kann der Abstand zwischen zwei identischen,
benachbarten Punkten im Herzzyklus (üblicherweise die
Spitzen der R-Zacken) auf einem Blatt Papier markiert
werden, dann kann mit einem anderen Abschnitt des
Rhythmus-Streifens verglichen werden. Bei einem
regelmäßigen Rhythmus passt die Abstandmarkierung zu
European Resuscitation Council
jedem R-Zacken Paar.
Wenn der Rhythmus unregelmäßig ist, so muss
entschieden werden:
• Ist er völlig unregelmäßig, ohne erkennbare Muster im
R-R-Intervall?
• Ist der Grund-Rhythmus regelmäßig mit
intermittierenden Unregelmäßigkeiten, oder
• Liegt eine zyklisch wiederkehrende Variation des R-RIntervalls vor?
Falls ein zyklisches Muster vorliegt, muss die Beziehung
zwischen QRS-Zacken und P-Wellen, wie unten
beschrieben, sorgfältig analysiert werden. Wenn die R-RIntervalle insgesamt völlig unregelmäßig sind, aber das
Erscheinungsbild des QRS-Komplexes dabei gleichförmig
ist, so liegt höchstwahrscheinlich ein Vorhofflimmern vor
(Rhythmus-Streifen 6).
Ein regelmäßiger Grundrhythmus kann durch
Extrasystolen (Ektopien) unregelmäßig erscheinen.
Extrasystolen können in Vorhöfen oder Kammern
entstehen. Der Ort der Entstehung bedingt ihr
Erscheinungsbild im EKG.
Wenn der QRS-Komplex ektoper Schläge schmal ist
(unter 0,12 Sekunden), so entsteht die Extrasystole
typischerweise oberhalb des Ventrikel-Myokards (z.B. in
Vorhof-Muskulatur oder AV-Knoten).
Breitkomplex-Extrasystolen können ventrikulären
Ursprungs, bei Schenkelblöcken aber auch
supraventrikulären Ursprungs sein.
Vorzeitige Breitkomplex-Vorhof-Ektopien können
manchmal an einer vorausgehenden ektopen P-Welle
erkannt werden. Bei ventrikulären Ektopien können auch
kurz nach dem QRS-Komplex P-Wellen auftreten, die
durch eine retrograde Erregung der Vorhöfe durch die
Ventrikel bedingt sind.
Ektopien die verfrüht auftreten (d.h. vor Erscheinen der
nächsten regulären Sinus-Erregung) werden als vorzeitige
Extrasystolen bezeichnet (Rhythmus-Streifen 7).
Eine Extrasystole, die vom AV-Knoten oder dem
Ventrikel-Myokard nach einer längeren Pause ausgeht,
beispielsweise bei einer Sinusbradykardie oder nach
Sinusknoten-Stillstand, wird als Ersatzsystole bezeichnet
(Rhythmus-Streifen 8). Dabei agiert der neue Fokus als
Ersatzschrittmacher, bei fehlender oder verlangsamter
Schrittmacher-Funktion des Sinusknotens. Extrasystolen
können einzeln, als Paar (Couplets) oder Trio (Triplet)
vorkommen. Falls mehr als drei Extrasystolen
hintereinander auftreten, liegt eine Tachyarrhythmie vor.
Eine intermittierend auftretende Arrhythmie, die von
Perioden mit normalem Sinusrhythmus unterbrochen
wird, bezeichnet man als paroxysmal.
Wenn Extrasystolen abwechselnd mit Sinusschlägen
European Resuscitation Council
auftreten, spricht man von einem Bigeminus. Abhängig
vom Ursprung der Extrasystole kann ein atrialer oder
ventrikulärer Bigeminus vorliegen.
Ist der QRS-Komplex schmal oder
verbreitert?
Die Obergrenze für die Dauer des QRS-Komplexes
liegt bei 0,12 Sekunden (3 kleine Kästchen). Falls der
QRS-Komplex schmaler ist, entsteht er oberhalb der
Bifurkation des HIS-Bündels, kann also vom Sinusknoten,
aus dem Vorhof oder dem AV-Knoten kommen, nicht
jedoch aus dem Ventrikel-Myokard. Bei einer QRS-Dauer
von 0,12 Sekunden oder mehr kann der Ursprung das
Ventrikel-Myokard sein. Bei aberranter Weiterleitung kann
aber auch ein supraventrikulärer Rhythmus vorliegen (z.B.
beim Schenkelblock).
Ist Vorhofaktivität erkennbar?
Sobald der Rhythmus hinsichtlich Frequenz,
Regelmäßigkeit und QRS-Dauer beurteilt ist, soll das EKG
sorgfältig nach Zeichen einer Vorhofaktion untersucht
werden. Diese kann schwierig oder unmöglich zu
entdecken sein, wenn entweder tatsächlich keine
vorliegt oder aber die Vorhofaktivität teilweise oder
vollständig durch QRS-Komplexe oder T-Wellen verdeckt
wird. Falls keine absolute Sicherheit über das Vorliegen
einer Vorhofaktivität besteht, darf auch nicht von einer
Vorhofaktivität ausgegangen werden.
Abhängig vom Ursprung der Arrhythmie und der
untersuchten EKG-Ableitung, können P-Wellen positiv,
negativ oder biphasisch sein. Bei Vorliegen von U-Wellen
können diese als P-Wellen fehlinterpretiert werden.
P-Wellen können mit QRS-Komplexen, der ST-Strecke
oder T-Wellen zusammenfallen und diese deformieren.
Häufig können erst mit einer 12-Kanal-Ableitung in
einer oder zwei Ableitungen P-Wellen erkannt werden,
was in der ersten Monitor-Ableitung nicht möglich
war. Die Ableitung V1 ist häufig geeignet um eine
Vorhofaktivität, wie Sinus-P-Wellen oder Vorhofflimmern,
klar darzustellen. Sinus-P-Wellen sind auch häufig in der
Ableitung II gut zu erkennen.
Auch andere Arten der Vorhofaktivität können vorliegen.
Beim Vorhofflattern sind als Zeichen der Vorhofaktivität
Flatterwellen vorhanden - absolut regelmäßig
wiederkehrende Erhebungen mit „Sägezahn-Muster“
- häufig in einer Frequenz um 300 / min. Typischerweise
sind diese am auffälligsten in den inferioren Ableitungen
(II, III, aVF) (Abbildung 7.5).
Beim Vorhofflimmern breiten sich Ströme und
Depolarisationswellen zufällig über beide Vorhöfe aus.
P-Wellen liegen nicht vor. Die Flimmerwellen können als
schnelle Abweichungen von der Grundlinie in variabler
Amplitude und Dauer - meist am besten in Ableitung V1
- erkannt werden. Bei manchen Patienten können diese
jedoch von so geringer Amplitude sein, dass überhaupt
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 69
KAP
7
Kapitel 7 Kardiales Monitoring, EKG und Rhythmus-Diagnostik
keine Vorhofaktivität erkannt wird.
Auch bei langanhaltenden Tachykardien ist
möglicherweise keine Vorhofaktivität erkennbar. Bei
einem ursprünglich im Vorhof entstehenden Rhythmus
(Vorhofflimmern / -flattern) kann ein Erkennen durch
die Verlangsamung der ventrikulären Frequenz
während der EKG-Aufzeichnung, vorzugsweise in
mehreren Ableitungen, gelingen. Zum Beispiel kann
es bei einer regelmäßigen Tachykardie von 150/min,
bedingt durch Vorhofflattern mit 2:1 Block, unmöglich
sein, die Flatterwellen mit Sicherheit zu erkennen.
Die vorübergehende Zunahme des AV-Blocks durch
vagale Stimulation oder einen i.v.-Bolus Adenosin
kann die Flatterwellen erkennbar machen und zur
Diagnosestellung führen (Abbildung 7.5).
Form und Richtung der P-Wellen sind zur Identifikation
des Vorhofrhythmus hilfreich. Beim Sinusrhythmus
beispielsweise sind die P-Wellen in den Ableitungen II und
aVF positiv. Bei retrograder Erregung der Vorhöfe durch
den AV-Knoten (bei Knoten- oder Kammerrhythmen) ist
die P-Welle in den Ableitungen II und aVF negativ, da die
Depolarisation entgegen der normalen Richtung verläuft.
Frequenz und Regelmäßigkeit der P-Wellen (auch
Frequenz von Flatterwellen) werden so wie beim QRSKomplex bestimmt.
In welcher Beziehung stehen Vorhofund Kammeraktivität?
Bei gleichbleibendem Abstand zwischen den PWellen und den nachfolgenden QRS-Komplexen
liegt wahrscheinlich eine intakte Überleitung
zwischen Vorhöfen und Kammern vor und die
Kammerdepolarisation ist durch die Vorhofentladung
getriggert. Es muß ein langer Rhythmusstreifen
untersucht werden, um geringere Veränderungen im PRIntervall nicht zu übersehen. Manchmal ist die Reizleitung
zwischen Vorhöfen und Kammern umgekehrt (z.B. wenn
die ventrikuläre Erregung retrograd durch den AV-Knoten
auch die Vorhöfe depolarisiert). Dann erscheinen PWellen kurz nach dem QRS-Komplex. Mitunter ist die
Unterscheidung zwischen dieser Situation und einem
langen PR-Intervall schwierig.
In anderen Fällen fällt erst durch sorgfältige
Untersuchung die fehlende Beziehung zwischen P-Wellen
und QRS-Komplexen auf. Dies ist ein Zeichen für die
unabhängige Erregung von Vorhöfen und Kammern, auch
als atrioventrikuläre Dissoziation bezeichnet. Beispiele
dafür sind:
• Kompletter (drittgradiger) AV-Block; dabei liegen
gleichzeitig eine normale Sinusfrequenz und eine
unterhalb des AV-Knotens entstehende regelmäßige
Bradykardie vor.
• Bei ventrikulären Tachykardien können breite QRSKomplexe und regelmäßige P-Wellen in niedrigerer
Frequenz und unabhängig von den QRS-Komplexen
nebeneinander vorkommen.
Figure 7.9 Präexzitation bei einem Patienten mit Vorhofflimmern und Wolff Parkinson White Syndrom
70 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Schwierig kann die Beurteilung dann sein, wenn die
Beziehung zwischen P-Wellen und QRS-Komplexen
in einem periodischen Muster variiert. Dies kann
als atrioventrikuläre Dissoziation fehlinterpretiert
werden. Am ehesten liegt dies bei einer Form des
zweitgradigen AV-Blocks vor (Wenkebach oder Mobitz
I AV-Block). Es muss ein langer Rhythmus-Streifen nach
wiederkehrenden Mustern und Zeitabständen zwischen
P-Wellen und QRS-Komplexen untersucht werden. Zu
beachten ist, dass beim kompletten AV-Block der QRSRhythmus zumeist absolut regelmäßig ist.
Beim Vorhofflimmern (VHF) ist die Vorhofaktivität
absolut unregelmäßig und es besteht keine erkennbare
Beziehung zwischen der Vorhofaktivität und der
resultierenden unregelmäßigen Kammererregung.
Falls das VHF mit einem regelmäßigen, langsamen
Kammerrhythmus einhergeht, dann besteht zusätzlich
ein kompletter AV-Block.
Beim Vorhofflattern kann eine gleichbleibendes Verhältnis
zwischen Flatterwellen und QRS-Komplexen vorliegen,
ansteigend von 1:1 über 2:1, 3:1 usw. Manchmal ist auch
hier die Beziehung wechselnd, wobei ein unregelmäßiger
QRS-Rhythmus resultiert. Dann liegt ein Vorhofflattern mit
variablem AV-Block vor.
Rhythmen beim Kreislaufstillstand
Die Rhythmen bei einem Kreislaufstillstand können in drei
Gruppen eingeteilt werden:
• Kammerflimmern (VF) und einige Fälle einer
Kammertachykardie (VT);
• Asystolie;
• pulslose elektrische Aktivität (PEA).
Extreme Bradykardien und seltener auch sehr schnelle
supraventrikuläre Tachyarrhythmien können einen
derartigen Abfall der Auswurfleistung bedingen, dass im
Prinzip ein Kreislaufstillstand vorliegt.
Kammerflimmern
Das charakteristische Erscheinungsbild des
Kammerflimmerns (Rhythmus-Streifen 4) ist
normalerweise einfach zu erkennen und es ist der einzige
Rhythmus, der nicht derart systematisch analysiert
werden muss, wie zuvor in diesem Kapitel beschrieben.
Falls am Monitor ein Kammerflimmern erscheint, muss
sofort der Patient untersucht werden, um festzustellen,
ob eine sofortige Defibrillation indiziert ist oder das Bild
artefaktbedingt ist. Sofern der Patient einen Puls hat, ist
der Rhythmus kein Kammerflimmern.
Zwei Rhythmusstörungen können unter bestimmten
Bedingungen dem Kammerflimmern ähneln, beide sind
schnell und unregelmäßig mit breiten Komplexen.
Der eine ist die polymorphe Kammertachykardie. Er kann
einen Kreislaufstillstand verursachen und ist dann sofort
European Resuscitation Council
wie das Kammerflimmern zu behandeln. Deshalb führt
eine Fehlbeurteilung hier nicht zu einer unangemessenen
Therapie. Trotzdem ist es wichtig das Auftreten einer
polymorphen Kammertachykardie nach Therapiebeginn
zu erkennen und zu dokumentieren. Erst dann können
Ursachen erkannt, korrigiert und die geeignete
Behandlung eingeleitet werden um ein Wiederauftreten
zu vermeiden.
Der zweite mögliche Rhythmus ist das VHF bei
Vorliegen einer akzessorischen Leitungsbahn, welche
die Vorhof- und Kammermuskulatur miteinander
verbindet (Wolff Parkinson White Syndrom, WPW).
Einige dieser akzessorischen Leitungsbahnen können
sehr schnell überleiten, wobei Vorhoferregungen
machmal mit 300 / min. oder schneller auf die
Kammern übergeleitet werden. Daraus resultiert eine
unregelmäßige Kammertachykardie (Abbildung 7.9),
die irrtümlicherweise für Kammerflimmern oder eine
polymorphe Kammertachykardie gehalten werden kann.
Unbehandelt kann dies zum Kreislaufstillstand durch
Kammertachykardie oder Kammerflimmern führen. Wenn
durch VHF mit WPW-Syndrom ein Kreislaufstillstand
verursacht wird, ist die korrekte Therapie die sofortige
Defibrillation (wie für jede pulslose BreitkomplexTachykardie). Auch hier führt also die Fehlinterpretation
nicht zur falschen Behandlung. Ebenso ist aber das
Erkennen und Dokumentieren von Bedeutung für die
spezielle Weiterbehandlung mit dem Ziel, ein erneutes
Auftreten dieser bedrohlichen Rhythmusstörung zu
vermeiden.
Kammertachykardie
Eine Kammertachykardie kann durch verminderte
Auswurfleistung bis zum Kreislaufstillstand führen.
Dies ist vor allem bei hohen Frequenzen und
strukturellen Herzerkrankungen der Fall (z.B. bei
eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion,
extremer linksventrikulärer Hypertrophie, Aortenstenose).
Kammertachykardien können plötzlich in Kammflimmern
übergehen. Eine pulslose Kammertachykardie wird
wie das Kammerflimmern behandelt: Durch sofortige
Defibrillation.
Bei vorhandener Auswurfleistung sollte eine
Kammertachykardie entsprechend dem BreitkomplexTachykardie-Algorithmus in Kapitel 12 behandelt werden.
Die QRS-Komplexe können ein mono- oder polymorphes
Erscheinungsbild haben. Bei der monomorphen
Kammertachykardie (Rhythmus-Streifen 10) ist der
Rhythmus regelmäßig (zumindest annähernd). Die
Frequenz kann irgendwo zwischen 100-300/min.
liegen, selten schneller. Während einer Episode mit
einer Kammertachykardie ist es ungewöhnlich, starke
Schwankungen der Herzfrequenz zu sehen (ganz
im Unterschied zu Reaktionen auf medikamentöse
antiarrhythmische Therapien). Oft bestehen noch
Vorhofaktionen, die unabhängig von der Kammeraktion
erfolgen. Durch die Identifizierung von P-Wellen, die von
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 71
KAP
7
Kapitel 7 Kardiales Monitoring, EKG und Rhythmus-Diagnostik
den QRS-Komplexen entkoppelt sind, kann der Rhythmus
eindeutig als Kammertachykardie eingeordnet werden.
Gelegentlich können diese Vorhoferregungen zu den
Ventrikeln übergeleitet werden, was zu „Capture beats“
oder fusionierten Erregungen („fusion beats“) führt
(Rhythmus-Streifen 11). Eine fusionierte Erregung erzeugt
während einer monomorphen Kammertachykardie einen
normal aussehenden QRS-Komplex, ohne im Verlauf
die Arrhythmie zu unterbrechen. Bei der Fusionssystole
wandert eine Depolarisationswelle vom AV-Knoten
hinunter zu den Kammern, während gleichzeitig
eine Depolarisationswelle vom Kammerfokus, der
die Arrhythmie erzeugt, hinauf wandert. Als Ergebnis
entsteht ein „hybrider“ QRS-Komplex, der aus der „Fusion“
des normalen QRS-Komplexes mit dem Komplex der
monomorphen VT hervorgegangen ist.
Bei einem Schenkelblock führt eine supraventrikuläre
Tachykardie (SVT) zum Bild einer BreitkomplexTachykardie. Nach einem Herzinfarkt liegt der Fokus einer
Breitkomplex-Tachykardie meistens in den Kammern.
Sicherheitshalber sollte in diesem Zusammenhang jede
Breitkomplex-Tachykardie bis zum Beweis des Gegenteils
als Kammertachykardie angesehen werden.
Eine wichtige Variante einer polymorphen VT ist die
Torsades de Pointes, bei der die elektrische Achse im
EKG ständig rotiert, so dass ein sinusartiges Muster
entsteht (Rhythmus-Streifen 12). Gewöhnlich tritt diese
Arrhythmie bei Patienten mit einem verlängerten QTIntervall auf. Die erbliche Genese wird diskutiert, häufiger
ist aber die Auslösung durch Medikamente verursacht,
Antiarrhythmika eingeschlossen. Viele Patienten mit einer
Torsades de Pointes bieten begleitend eine Hypokaliämie
und/oder eine Hypomagnesiämie. Die effektivste
Behandlung (Verhindern von wiederkehrenden Episoden)
beinhaltet die Gabe von Magnesium und die Korrektur
weiterer Elektrolyt-Abweichungen sowie das Absetzen
anderer Auslöser (z.B. Medikamente). Die Anwendung
von Overdrive-Pacing kann erforderlich sein. Die Torsades
de Pointes kann einen Kreislaufstillstand verursachen (in
diesem Fall erfolgt die Behandlung durch Defibrillation),
sie kann ebenfalls zum Kammerflimmern führen.
Asystolie
Der Kurvenverlauf einer Asystolie wurde bereits
abgehandelt (Rhythmus-Streifen 2). Manchmal stellt sich
die Frage, ob der vorliegende Rhythmus eine Asystolie
oder ein sehr feines Kammerflimmern ist. In solchen
Fällen sollten zunächst eine gute Basiswiederbelebung
weitergeführt und die Entwicklung beobachtet werden.
Sollte tatsächlich ein feines Kammerflimmern vorliegen,
kann eine gut durchgeführte Basisreanimation Amplitude
und Frequenz erhöhen, so dass nicht nur die Diagnose
deutlicher sondern auch eine erfolgreiche Defibrillation
wahrscheinlicher wird.
72 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Pulslose Elektrische Aktivität (PEA)
Der Begriff „Pulslose Elektrische Aktivität (PEA)“
bezeichnet keinen speziellen Herzrhythmus. Der
Begriff kennzeichnet eine Situation ohne kardiale
Auswurfleistung, obwohl man bei der jeweils
vorliegenden elektrischen Erregung einen Auswurf
erwarten würde. Die PEA hat normalerweise eine
schlechte Prognose; besonders wenn ein ausgedehnter
Herzinfarkt die Ursache ist. Eine massive Lungenembolie,
ein Spannungs-Pneumothorax, eine Perikardtamponade
oder ein massiver Blutverlust können möglicherweise
eher behandelbare Ursachen sein.
Peri-Arrest Arrhythmien (vgl. Kapitel 12)
Diese Rhythmusstörungen werden entsprechend der
Herzfrequenz als Bradyarrhythmie, Tachyarrhythmie
oder Arryhthmie mit normaler Frequenz bezeichnet. Bei
einem instabilen Patienten ist die frühzeitige Behandlung
wichtiger als langwierige Überlegungen welcher
Rhythmus genau vorliegt.
Bradyarrhythmie
Bei einer ventrikulären (QRS-) Frequenz von weniger
als 60 Schlägen /min (Rhythmus-Streifen Nr. 13) liegt
eine Bradykardie vor. Eine Bradykardie kann bei sehr
sportlichen Menschen oder im Schlaf physiologisch
sein, sie kann auch das beabsichtigte Ergebnis einer
Therapie (z.B. bei ß-Blockern) sein. Eine pathologische
Bradykardie kann durch das Versagen des SinusknotenSchrittmachers und/oder durch Verzögerung oder
Block der atrioventrikulären Überleitung entstehen. Bei
einigen Patienten kann dann eine Behandlung mit einem
implantierten Herzschrittmacher notwendig werden
(Rhythmus-Streifen 14).
Die Notfallbehandlung der meisten Bradykardien
beinhaltet die Gabe von Atropin und/oder einer
Herzschrittmacher-Therapie. Manchmal kann der Einsatz
sympathomimetischer Medikamente, - wie Adrenalin
- nötig werden. Die Behandlungsbedürftigkeit ist
eher abhängig von den hämodynamischen Folgen
der Arrhythmie und dem Risiko einer Asystolie.
Die genaue EKG-Klassifizierung der Bradykardie ist
weniger wichtig. Eine extreme Bradykardie kann einem
Kreislaufstillstand vorausgehen, dieser kann durch eine
schnelle Behandlung verhindert werden. Die wichtigste
Bradyarrhythmie in diesem Zusammenhang ist ein
kompletter AV-Block (s. unten).
AV-Block ersten Grades
Das PQ-Intervall bezeichnet die Zeit zwischen dem
Beginn der P-Welle und dem Anfang des QRS-Komplexes
(egal ob dieser mit einer Q-Zacke oder einer R-Zacke
beginnt). Das normale PQ-Intervall liegt im Bereich
zwischen 0,12 und 0,2 Sekunden. Bei einem AV-Block
ersten Grades wird das PQ-Intervall größer als 0,2
Sekunden (Rhythmus-Streifen 15), dies ist ein sehr
European Resuscitation Council
häufiger Befund. Es entsteht aus einer verzögerten
Überleitung der AV-Verbindung (zwischen AV-Knoten
und His-Bündel). Unter bestimmten Bedingungen kann
dies physiologisch sein (beispielsweise bei trainierten
Sportlern). Es gibt eine Vielzahl anderer Ursachen für
einen AV-Block ersten Grades, einschließlich primärer
Erkrankungen des Reizleitungssystems (z.B. Fibrose)
oder Medikamente, die die AV-Knoten-Überleitung
verzögern. Allerdings ist ein AV-Block ersten Grades selten
symptomatisch und muss nur selten behandelt werden.
AV-Block zweiten Grades
Ein AV-Block zweiten Grades liegt vor, wenn einige, aber
nicht alle, P-Wellen auf die Ventrikel übergeleitet werden,
dies führt zu fehlenden QRS-Komplexen nach einigen PWellen. Zwei Typen werden unterschieden:
Mobitz Typ I Block oder Wenckebach-Periodik
Das PQ-Intervall wird nach jeder P-Welle zunehmend
länger, bis schließlich eine P-Welle ohne nachfolgenden
QRS-Komplex auftritt. Typischerweise wiederholt
sich dieser Verlauf. (Rhythmus-Streifen 16). Jeder
Zustand, der die AV-Überleitung verzögert, kann eine
Wenckebach-Periodik hervorbringen. Dies kann auch
bei einer Ischämie aufgrund eines akuten (v.a. inferioren)
Myokardinfarktes auftreten. Eine asymptomatische
Wenckebach-Periodik muss in den meisten Fällen nicht
sofort behandelt werden. Die Behandlungsbedürftigkeit
wird vom Risiko einer Weiterentwicklung zu einer
kompletten AV-Blockade oder einer Asystolie bestimmt.
Mobitz Typ II Block
Bei allen im AV-Knoten übergeleiteten Herzschlägen
besteht ein konstantes PQ-Intervall, aber auf einige der
P-Wellen folgt kein QRS-Komplex. Dies kann zufällig
geschehen, ohne wiederkehrendes Muster. Es kann aber
auch ein regelmäßiges Verhältnis zwischen P-Wellen und
den QRS-Komplexen vorliegen (Rhythmus-Streifen 17).
Folgt beispielsweise nur jeder zweiten P-Welle ein QRSKomplex, liegt ein 2:1 AV-Block vor. Wird nur jeder dritte
Schlag übergeleitet, besteht ein 3:1 AV-Block (RhythmusStreifen 18).
AV Block dritten Grades
Bei einem AV-Block dritten Grades (kompletter Block)
gibt es keine Beziehung zwischen den P-Wellen und den
QRS-Komplexen. Die Vorhof- und Kammerdepolarisation
entsteht unabhängig in getrennten „Schrittmachern“
(Rhythmus-Streifen 19). Die Lokalisation des
Kammerschrittmachers bestimmt die ventrikuläre
Frequenz und QRS-Breite. Liegt der Schrittmacher im
AV-Knoten oder im proximalen HIS-Bündel, kann er
Frequenzen von 40-50 / min oder darüber haben und
schmale QRS-Komplexe generieren. Ein Schrittmacher
in den distalen HIS-Purkinje-Fasern oder in der
Kammermuskulatur hat oft eine Frequenz von 30-40 /
min oder weniger. Die Gefahr einer Asystolie, d.h. eines
abrupten Aussetzens des Schrittmachers, ist hoch.
Ersatzrhythmen
Sollte der normale Herzschrittmacher (Sinusknoten)
European Resuscitation Council
versagen oder ungewöhnlich langsam arbeiten,
kann aus der Vorhofmuskulatur, dem AV-Knoten, den
erregungsleitenden Fasern oder der Kammermuskulatur
ein „Hilfs“-Schrittmacher einspringen und
eine Depolarisation des Herzens auslösen. Der
Ersatzrhythmus ist üblicherweise langsamer als die
normale Sinusfrequenz. Es wurde bereits erwähnt,
dass die distal angesiedelten Hilfs-Schrittmacher eher
langsamere Frequenzen erzeugen als die mehr proximal
im Erregungsleitungssystem gelegenen. Somit ist ein
ventrikulärer Ersatzrhythmus üblicherweise langsamer
als ein „Knoten“-Rhythmus, der aus dem AV-Knoten oder
dem HIS-Bündel stammt.
Mit der Bezeichnung idioventrikulärer Rhythmus
wird ein Ersatzrhythmus beschrieben, der aus der
Kammermuskulatur entstammt. Darunter fallen
auch Ersatzrhythmen bei komplettem AV-Block. Die
Bezeichnung beschleunigter idioventrikulärer Rhythmus
beschreibt einen idioventrikulären Rhythmus mit einer
normalen Herzfrequenz (typischerweise schneller
als der Sinusrhythmus, aber nicht schnell genug für
eine Kammertachykardie). Dieser Rhythmustyp wird
regelmäßig bei einer erfolgreichen Thrombolyse
nach akutem Herzinfarkt („Reperfusions-Arrhythmie“)
beobachtet. Beschleunigte idioventrikuläre Rhythmen
haben keinen Einfluss auf die Prognose, in seltenen
Fällen verursachen sie hämodynamische Instabilität
oder sie entwickeln sich zu einer schnellen VT
oder zu Kammerflimmer. Der QRS-Komplex eines
idioventrikulären Rhythmus ist verbreitert (0,12 Sekunden
oder mehr), während ein Knoten-Rhythmus schmal
oder verbreitert sein kann, abhängig davon, ob die
Überleitung zu den Kammern normal ist oder durch einen
Schenkelblock gehemmt wird.
Agonal-Rhythmus
Agonal-Rhythmen treten bei sterbenden Patienten auf.
Sie sind durch langsame, unregelmäßige breite KammerKomplexe mit wechselnder Morphologie charakterisiert
(Rhythmusstreifen Nr. 20).
Dieser Rhythmus ist üblicherweise während der späten
Stadien einer erfolglosen Reanimation zu sehen. Die
Komplexe werden zunehmend langsamer und oft breiter,
bevor dann jede erkennbare Aktivität verloren geht.
Tachyarrrhythmien
Eine pathologische Tachykardie kann in der
Vorhofmuskulatur, in der AV-Verbindung oder in der
Kammermuskulatur entstehen. Eine Sinustachykardie ist
keine Arrhythmie und ist normalerweise nur die Reaktion
auf eine pyhsiologische oder pathologische Situation.
Schmalkomplex-Tachykardien
Sollte eine Tachykardie aus dem Gewebe oberhalb
der Gabelung des HIS-Bündels entstehen, wird sie als
„supraventrikulär“ bezeichnet (Rhythmus-Streifen 21).
Bei einer normalen Kammerdepolarisation sind die
QRS-Komplexe schmal. Sollte eine Leitungsverzögerung
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 73
KAP
7
Kapitel 7 Kardiales Monitoring, EKG und Rhythmus-Diagnostik
vorliegen (z.B. bei einem Schenkelblock), sind die
QRS-Komplexe verbreitert. Die QRS-Komplexe sind
regelmäßig, wenn sie von einem einzelnen Schrittmacher
ausgelöst werden. Sie sind unregelmäßig, wenn ein
Vorhofflattern oder Vorhofflimmern mit unregelmäßiger
Überleitung vorliegt. Im Allgemeinen hat eine
Tachykardie mit schmalen QRS-Komplexen eine günstige
Prognose, dies hängt aber von der individuellen
klinischen Situation ab. Diese Rhythmen können bei
chronischen (koronaren) Herzerkrankungen schlecht
toleriert werden und pectanginöse Beschwerden
hervorrufen.
Vorhofflimmern
Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste Arrhythmie
im klinischen Alltag. Sie ist durch eine unkontrollierte
elektrische Aktivität der Vorhöfe gekennzeichnet. In
keiner Ableitung sind P-Wellen oder andere Formen einer
koordinierten Vorhofaktion zu sehen (Rhythmus-Streifen
6). Der in Amplitude und Frequenz unregelmäßige
Kurvenverlauf der Grundlinie ist am besten in Ableitung
V1 zu sehen. Der QRS-Rhythmus ist vollkommen
unregelmäßig und die Länge der RR-Intervalle wechselt
von Schlag zu Schlag. Die ventrikuläre Frequenz ist
abhängig vom Refraktärstadium des Gewebes in und um
die AV-Verbindung. Ohne Behandlung und bei fehlender
Erkrankung des AV-Knotens wird die ventrikuläre
Frequenz schnell sein, weil viele der am AV-Knoten
ankommenden Impulse übergeleitet werden.
Oft ergibt sich eine ventrikuläre Frequenz von 120-180 /
min. Die Ursache des VHF können Hypertonie, strukturelle
Herzerkrankungen und Alkoholexzesse sein. Bei der KHK
entsteht das VHF üblicherweise durch die LinksherzInsuffizienz und nicht direkt infolge einer Ischämie des
Vorhof-Myokards.
Vorhofflattern r
Beim Vorhofflattern wird die Vorhofaktivität durch
Serien schneller Flatter- (oder F-) Wellen mit Frequenzen
über 300 / min (Rhythmus-Streifen 22) angezeigt. Das
„Sägezahnmuster“ ist am besten in den Ableitungen
II, III und aVF zu erkennen. Die ventrikuläre Frequenz
wird durch die AV-Überleitung bestimmt. Meist besteht
eine AV-Blockade mit einer 2:1 (Rhythmus-Streifen 9)
oder 3:1 Überleitung. Bei konstanter Blockade ist der
ventrikuläre Rhythmus regelmäßig. Eine variierende
Blockade führt zu einem unregelmäßigen ventrikulären
Rhythmus. Wie dem VHF liegt auch dem Vorhofflattern
häufig - aber nicht immer - eine Erkrankung zugrunde.
Vorhofflattern entsteht normalerweise im rechten
Vorhof und ist von daher als Komplikation einer
Erkrankung zu werten, die das rechte Herz betrifft. Diese
beinhalten chronisch obstruktive Lungenerkrankungen,
eine große Lungenembolie, komplexe angeborene
Herzerkrankungen und chronische kongestive
Herzerkrankungen unterschiedlicher Ursachen.
Breitkomplex-Tachykardien
Tachykardien mit breiten Komplexen sind das Ergebnis
von:
74 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
• Tachykardien, die im Ventrikel unterhalb der Gabelung
des His-Bündels entstehen – ventrikuläre Tachykardie
(Rhythmus-Streifen 10) oder;
• supraventrikulären Tachykardien, die mit
einer Überleitungsstörung (rechter oder linker
Schenkelblock) zu den Ventrikeln einhergehen.
Die klinischen Auswirkungen sind abhängig von der
Herzfrequenz während der Arrythmie, dem Vorliegen
einer strukturellen oder koronaren Herzerkrankung und
von der Dauer der Arrhythmie.
Eine ventrikuläre Tachykardie kann zu Kammerflimmern
degenerieren, besonders bei Frequenzen über 200/
min, in einer instabilen Situation bei akuter Ischämie,
Infarkt oder bei Elektrolytstörungen (Hypokaliämie oder
Hypomagnesiämie).
Alle Tachykardien mit breiten Komplexen sollten
grundsätzlich als ventrikuläre Tachykardie behandelt
werden, es sei denn, es gibt einen sehr guten Grund
anzunehmen, dass sie einen supraventrikulären Ursprung
haben.
Patienten mit Wolff-Parkinson-White Syndrom haben
akzessorische (zusätzliche) Überleitungsbahnen,
welche Vorhof- und Kammermyokard verbinden. Die
atrioventrikuläre Überleitung kann zusätzlich zum AVKnoten über diese Bahnen geschehen. Dabei wird der
QRS-Komplex durch sog. „Delta-Wellen“ verbreitert. Bei
Vorliegen einer solchen akzessorischen Überleitung, die
den AV-Knoten umgeht, kann VHF in einer derart hohen
Kammerfrequenz resultieren, dass die Auswurfleistung
dramatisch abnimmt. Das Erscheinungsbild im EKG
ist eine sehr schnelle, unregelmäßige BreitkomplexTachykardie, wobei die Breite der QRS-Komplexe ständig
variiert. Dieser Rhythmus kann für ein Kammerflimmern
gehalten werden oder wird als unregelmäßige
Kammertachykardie fehlinterpretiert. Insgesamt ist der
Rhythmus organisierter als bei Kammerflimmern und es
fehlt auch die zufällige, chaotische Aktivität mit variabler
Amplitude.
Das QT-Intervall
Zum Erkennen und Behandeln von Rhythmusstörungen
ist es wichtig, häufige Ursachen zu erkennen, die eine
effektive Therapie beeinflussen. Diese können durch
klinische Untersuchung (z.B. beim Myokardinfarkt),
Laboruntersuchungen (z.B. Elektrolytstörungen) oder
im EKG erkannt werden. Ein verlängertes QT-Intervall im
EKG prädisponiert für ventrikuläre Rhythmusstörungen,
insbesondere Torsades de Pointes und Kammerflimmern.
Das QT-Intervall wird vom Beginn des QRS-Komplexes
bis zum Ende der T-Welle gemessen. Dies kann schwierig
sein, meistens weil das Ende der T-Welle schwierig zu
bestimmen ist. Die Interpretation ist besonders dann
schwierig wenn prominente U-Wellen mit dem Ende
der T-Wellen verschmelzen. U-Wellen können als ein
pathologisches Zeichen (Z.B. Hypokaliämie) auftreten,
European Resuscitation Council
Rhythm Strip 1 Normal sinus rhythm
KAP
7
Rhythm Strip 2 Asystole
Rhythm Strip 3 P-wave asystole
Rhythm Strip 4 Course ventricular fibrillation
Rhythm Strip 5 Fine ventricular fibrillation
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 75
Kapitel 7 Kardiales Monitoring, EKG und Rhythmus-Diagnostik
Rhythm Strip 6 Atrial fibrillation
Rhythm Strip 7 Premature ventricular beat
Rhythm Strip 8 Junctional escape beat
Rhythm Strip 9 Atrial flutter with 2:1 atrioventricular block
Rhythm Strip 10 Monomorphic ventricular tachycardia
76 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Rhythm Strip 11 Ventricular tachycardia with capture and fusion beats
Rhythm Strip 12 Torsade de pointes
KAP
7
Rhythm Strip 13 Sinus bradycardia
Rhythm Strip 14 Paced rhythem
Rhythm Strip 15 First degree atrioventricular block
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 77
Kapitel 7 Kardiales Monitoring, EKG und Rhythmus-Diagnostik
Rhythm Strip 16 Mobitz type I or Wenckebach block
Rhythm Strip 17 Mobitz type II second degree atrioventricular block (2:1)
Rhythm Strip 18 Mobitz type II second degree atrioventricular block (3:1)
Rhythm Strip 19 Third degree (complete) atrioventricular block
Rhythm Strip 20 Agonal rhythm
78 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Rhythm Strip 21 Supraventricular tachycardia
Rhythm Strip 22 Atrial flutter with a high degree of atrioventricular block
KAP
7
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 79
Kapitel 7 Kardiales Monitoring, EKG und Rhythmus-Diagnostik
kommen aber auch bei Gesunden ohne vorgeschädigte
Herzen vor.
Die Länge des QT-Intervalls kann zwischen verschiedenen
Ableitungen variieren. Dies kann zum Teil in der Variation
von Amplitude und Richtung der T-Welle begründet sein.
Variable QT-Intervalle (QT-Dispersion) gehen auch bei
Patienten mit ischämischen Herzerkrankungen mit einem
erhöhten Risiko einher, wenn auch diese Erkenntnis nicht
zu einer spezifischen Behandlung führt.
Das QT-Intervall variiert mit Alter, Geschlecht und
Herzfrequenz. Bei Beschleunigung der Herzfrequenz
verkürzt sich das QT-Intervall. Eine Anpassung des
gemessenen QT-Intervalles an die Herzfrequenz kann
kalkuliert werden und wird als korrigiertes QT-Intervall
(QTc) bezeichnet. Viele moderne EKG-Geräte errechnen
automatisch das QTc. Diese Werte sind allerdings nur
dann verwertbar, wenn die EKG-Aufzeichnung von guter
Qualität ist. Die meisten EkG-Geräte können nicht die Tvon der U-Welle unterscheiden. Es ist immer erforderlich,
den Ausdruck zu kontrollieren um grobe Fehlmessungen
zu erkennen.
Abnorme Veränderungen des QT-Intervalles können
in verschiedenen Situationen auftreten. Eine
Verkürzung kommt durch Hypercalcämie und Digoxin
vor. Eine Verlängerung kann durch Hypokaliämie,
Hypomagnesiämie, Hypocalcämie, Hypothermie und
Myokarditis verursacht werden. Ebenso können viele
Medikamente das QT-Intervall verlängern, wie z.B.
Antiarrhytmika der Klassen I und III.
Es gibt verschiedene angeborene Störungen, bei denen
das QT-Intervall verlängert ist, oder eine abnorme
ventrikuläre Repolarisation auftritt (vor allem das LongQT- und das Brugada-Syndrom). Die Veränderungen
der Repolarisation führen zum erhöhten Risiko einer
ventrikulären Arrythmie und dem plötzlichen Herztod.
Einige dieser Patienten benötigen daher sicherheitshalber
einen implantierten Cardioverter-Defibrillator. Besonders
wichtig ist, dass diese Patienten keine Medikamente
erhalten, die zusätzlich QT-Verlängerungen verursachen
können.
80 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Zusammenfassung
•Durch ein systematisches Vorgehen bei der
Analyse eines EKG-Rhythmus kann jede
Arrhythmie ausreichend charakterisiert werden,
um eine zuverlässige und wirkungsvolle
Behandlung durchzuführen.
•Die Aufzeichnungen jeder Arrhythmie und
des EKG mit Sinusrhythmus kann wertvolle
diagnostische Informationen liefern und dazu
beitragen, eine geeignete Langzeittherapie
einzuleiten.
•Bei allen Patienten, die gefährdet sind, eine
lebensbedrohliche Arrhythmie zu erleiden,
ist die genaue Erfassung und Überwachung
des Herzrhythmus entscheidend (z.B. bei
Vorhandensein eines akuten Koronarsyndroms).
•Für das Vorgehen beim Kreislaufstillstand ist
eine genaue Überwachung des Herzrhythmus
entscheidend.
Weiterführende Literatur
Blomstrom-Lundqvist C, Scheinemann M M et al. American College of
Cardiology/American Heart Association Task Force and the European
Society of Cardiology Committee for Practice Guidelines. ACC/AHA/
ESC Guidelines for the management of patients with supraventricular
arrhythmias. European Heart Journal 2003;24:1857-1897
Fuster V, Lyden R E et al. American College of Cardiology/American
Heart Association Task Force and the European Society of Cardiology
Committee for Practice Guidelines and Policy Conferences. ACC/AHA/
ESC Guidelines for the management of patients with atrial fibrillation
arrhythmias. European Heart Journal 2001;22:1852-1923
European Resuscitation Council
Defibrillation
KAPITEL
Lernziele
■ Der Mechanismus der Defibrillation.
■ Faktoren, die eine erfolgreiche Defibrillation
beeinflussen.
■ Sichere Verabreichung eines Schocks mit einem
manuellen oder einem automatisierten externen
Defibrillator (AED).
Einleitung
Mit Beginn von Kammerflimmern / pulsloser ventrikulärer
Tachykardie (VF/VT) sistiert die Herzauswurfleistung
und nach drei Minuten kommt es zu hypoxischen
Hirnschädigungen. Soll eine vollständige neurologische
Wiederherstellung erreicht werden, ist eine frühe
erfolgreiche Defibrillation mit Wiedereinsetzen eines
spontanen Kreislaufes notwendig. Die Defibrillation ist
einer der Schlüsselpunkte in der Überlebenskette und
eine der wenigen Maßnahmen, für die gezeigt werden
konnte, dass sie zu einem verbesserten Überleben
nach einem Kreislaufstillstand bei VF/VT führt. Die
Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Defibrillation
mit anschließendem Überleben bis zur Entlassung aus
dem Krankenhaus nimmt mit zunehmender Dauer
von VF/VT schnell ab. Die Möglichkeit einer frühen
Defibrillation ist einer der wichtigsten Faktoren die ein
Überleben nach Kreislaufstillstand bestimmen. Für jede
Minute, die zwischen einem Kollaps und der ersten
Defibrillation verstreicht, steigt die Sterblichkeit um
7-10%, wenn keine Laienreanimation durchgeführt
wird. Je kürzer das Intervall zwischen Eintreten von
VF/VT und dem Auslösen eines Schocks, desto größer
ist die Chance einer erfolgreichen Defibrillation und des
Überlebens. Kommt es zu irgendeiner Verzögerung bei
der Bereitstellung eines Defibrillators, muss sofort mit der
Herzdruckmassage und der Beatmung begonnen werden.
Wird durch Ersthelfer reanimiert sinkt die Überlebensrate
weniger schnell, um durchschnittlich 3% - 4% pro Minute,
vom Zeitpunkt des Kollaps bis zur Defibrillation. Eine
CPR bei einem beobachteten Kreislaufstillstand kann die
Überlebenschance in jedem Intervall bis zur Defibrillation
verdoppeln oder verdreifachen.
Mechanismus der Defibrillation
Unter Defibrillation versteht man den Durchgang
eines Stromes durch das Myokard, der ausreicht, eine
kritische Myokardmasse zu depolarisieren, wodurch
es dem natürlichen Schrittmacherzentrum wieder
möglich ist den Erregungsablauf zu kontrollieren.
Als erfolgreiche Defibrillation ist die Terminierung
European Resuscitation Council
8
eines Flimmerns definiert, oder - genauer gesagt - das
Fehlen von VF/VT fünf Sekunden nach der Abgabe des
elektrischen Schocks, obgleich das letztliche Ziel die
Wiederherstellung eines spontanen Kreislaufes ist.
Um dies zu erreichen, haben alle Defibrillatoren drei
wesentliche Komponenten: eine Gleichstromquelle, einen
Kondensator der auf ein voreinstellbares Energieniveau
geladen werden kann und zwei Elektroden, die auf
dem Brustkorb des Patienten aufgebracht werden, über
welche sich der Kondensator entlädt.
Der Erfolg hängt davon ab, dass genügend Strom an das
Myokard abgegeben wird. Dennoch ist die abgegebene
Energiemenge schwierig zu bestimmen, da der Stromfluss
durch den transthorakalen Widerstand und die Position
der Elektroden beeinflusst wird. Außerdem wird ein
Großteil des Stroms auf anderen Wegen in den Brustkorb
verteilt, so dass nur etwa 4% das Herz erreichen.
Einige Defibrillatoren können diesen transthorakalen
Widerstand messen und passen ihr Output daran an
(Impedanz-Kompensation).
Es besteht keine eindeutige Beziehung zwischen der
Körpergröße und der erforderlichen Energiemenge bei
der Defibrillation von Erwachsenen. Obwohl andere
Faktoren wie der metabolische Zustand des Patienten,
das Ausmaß der myokardialen Ischämie, sowie die
vorhergehende medikamentöse Behandlung den
Erfolg der Defibrillation beeinflussen, können diese
Rahmenbedingungen normalerweise während einer CPR
nicht verändert werden.
Faktoren die eine erfolgreiche
Defibrillation beeinflussen
Transthorakaler Widerstand
Die Technik der Defibrillation muss optimiert werden,
um den transthorakalen Widerstand zu minimieren und
die Strommenge zu maximieren die an das Myokard
abgegeben wird. Der Widerstand beträgt normalerweise
bei Erwachsenen 70-80 Ω, doch bei schlechterer Technik
kann dieser bis auf 150 Ω ansteigen, was die Stromstärke
halbiert und daher die Aussicht auf eine erfolgreiche
Defibrillation verringert. Die transthorakale Impedanz
wird durch Kontakt zwischen Elektroden und Haut, der
Größe der Elektroden oder Paddles, das Kontaktmittel
zwischen Paddles und Haut, den Druck auf die Paddles
und die Beatmungsphase beeinflusst. Die Verwendung
von transdermalen Medikamentenpflastern am Brustkorb
des Patienten kann einen guten Kontakt verhindern und
kann zu Funkenbildung und Verbrennungen führen,
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 81
KAP
8
Kapitel 8 Defibrillation
wenn die Paddles oder Klebeelektroden darüber platziert
werden; entfernen Sie diese und wischen Sie die Fläche
trocken bevor Sie die Elektroden platzieren und die
Defibrillation versuchen.
Rasieren der Brust
Bei Patienten mit behaartem Brustkorb ist es oft schwer,
einen guten Elektroden-Haut-Kontakt herzustellen. Dies
erhöht die Impedanz, verringert die Wirksamkeit der
Defibrillation und kann zu Verbrennungen am Brustkorb
führen. Wenn ein Rasierer sofort verfügbar ist, sollten mit
diesem die Haare in dem Areal in dem die Elektroden
platziert werden entfernt werden. Trotzdem sollte die
Defibrillation nicht verzögert werden, wenn ein Rasierer
nicht sofort zur Hand ist.
Elektrodengröße
Die Summe der Elektrodenfläche sollte mindestens 150
cm² betragen. Größere Elektroden haben eine geringere
Impedanz, übermäßig große Elektroden können zu einem
verminderten transmyokardialen Stromfluss führen. Für
die Defibrillation bei Erwachsenen werden sowohl mit
den Händen gehaltene Paddles als auch selbstklebende
Elektroden von 8-12cm Durchmesser verwendet.
Kontaktmittel
Wenn manuelle Paddles verwendet werden, sind Gelpads
gegenüber der Elektrodenpaste bzw. dem Elektrodengel
zu bevorzugen, da letzteres zwischen die Paddles verteilt
werden kann und es zu Funkenschlag kommen kann.
Blanke Elektroden ohne Kontaktmaterial sollte nicht
verwendet werden, da dies einen hohen transthorakalen
Widerstand verursacht und den Schweregrad jedweder
Hautverbrennungen erhöhen kann. Es sollten keine
medizinischen Gels oder Pasten mit schlechter
Leitfähigkeit verwendet werden (z.B. Ultraschallgel).
ergibt sich, dass die optimale Elektrodenposition bei
ventrikulärer und atrialer Arrhythmie nicht die gleiche
sein muß.
Versucht man einen Patienten mit VF/VT zu defibrillieren,
wird eine Elektrode standardmäßig rechts vom Sternum
unterhalb des Schlüsselbeins platziert.
Die andere Elektrode für die Herzspitze wird in der
mittleren Axilarlinie geklebt, ungefähr auf der Höhe der
V6-EKG-Elektrodenposition oder der weiblichen Brust.
Dabei darf bei dieser Position kein Brustgewebe bedeckt
sein. Es ist sehr wichtig, dass die Elektrode seitlich genug
platziert wird (Abbildung 8.1). Obwohl die Elektroden
mit positiv und negativ beschriftet sind, können sie auch
vertauscht aufgebracht werden. Andere akzeptable Pad
Positionen beinhalten:
• Anbringung der Elektroden an der lateralen
Brustkorbwand, eine auf der rechten, die andere auf
der linken Seite (bi-axillar).
• Eine Elektrode in der apikalen Position und die andere
auf dem rechten oder linken Schulterblatt.
• Eine Elektrode vorne über dem linken Praekordium,
und die andere Elektrode auf dem Rücken hinter dem
Herzen, gleich unterhalb des linken Schulterblatts.
Asymmetrisch geformte Elektroden haben eine geringere
Impedanz, wenn sie der Länge nach anstatt schräg
angebracht werden. Richten Sie die Längsachse des
apikalen Paddles in die kranio-kaudale Richtung.
Anpressdruck der Paddles
Wenn Paddles verwendet werden, sind diese kräftig
auf den Brustkorb zu drücken. Dies reduziert die
transthorakale Impedanz durch einen verbesserten
elektrischen Kontakt an der Elektroden-Haut
Kontaktfläche und durch Reduktion des thorakalen
Volumens. Die defibrillierende Person sollte immer einen
kräftigen Druck auf die Paddles ausüben, der optimale
Druck beträgt 8 kg bei einem Erwachsenen. Dieser
Druck kann oft nur von den stärksten Mitgliedern des
Rettungsteams erreicht werden.
Elektrodenposition
Keine am Menschen durchgeführte Studie hat die
Elektrodenposition als eine Determinante von ROSC
bzw. für das Überleben eines VF / pulslosen VT
Kreislaufstillstandes untersucht. Der transmyokardiale
Stromfluss wird während der Defibrillation wahrscheinlich
dann maximiert, wenn die Elektroden so platziert
sind, dass das flimmernde Herz genau zwischen ihnen
liegt (z.B. Ventrikel bei VF/VT, Vorhöfe bei AF). Daraus
82 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Abbildung 8.1 Standard Elektroden-Position für die
Defibrillation
Pads vs. Paddles
Selbstklebende Defibrillationselektroden sind sicher
und effektiv und den normalen DefibrillationsPaddles
vorzuziehen. Man sollte selbstklebende
Defibrillationselektroden für die Situation nach einem
Kreislaufstillstand in Erwägung ziehen, bzw. überall dort
verwenden, wo sich der Zugang zum Patienten schwierig
gestaltet. Sie haben eine ähnliche transthorakale
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Impedanz (und daher Wirksamkeit) wie manuelle Paddles
und sie ermöglichen dem Anwender den Patienten aus
einer sicheren Entfernung zu defibrillieren. Wenn nun
Pads oder Paddles verwendet werden, ermöglichen beide
ein anfängliches Monitoring eines Rhythmus und so eine
schnellere Abgabe des ersten Schocks im Vergleich zu
Standard EKG Elektroden, jedoch sind Pads schneller als
Paddles zu verwenden.
Wenn Paddles mit Gelpads verwendet werden, wird das
Elektrolyt-Gel polarisiert und zu einem schlechten Leiter
nach der Defibrillation. Das kann eine Schein-Asystolie
verursachen, die für 3-4 Minuten anhält, wenn man
sie zum Monitoring verwendet; ein Phänomen das bei
selbstklebenden Pads noch nicht beobachtet wurde. Bei
Verwendung einer Gel/Paddle Kombination, sollte die
Asystolie mit unabhängigen EKG Elektroden anstatt mit
den Paddles bestätigt werden.
Schockenergie und Impulsform
Die Defibrillation erfordert die Abgabe jener elektrischen
Energiemenge, die notwendig ist um eine kritische Masse
des Myokards zu defibrillieren. Die Stromstärke korreliert
mit der erfolgreichen Defibrillation und Kardioversion.
Die optimale Energiemenge für die Defibrillation, unter
Verwendung einer monophasischen Funktion, beträgt
zwischen 30 und 40 Ampere. Messdaten während der
Kardioversion von Vorhofflimmern lassen vermuten,
dass bei biphasischen Wellenfunktionen der optimale
Stromfluss etwa im Bereich von 15-20 Ampere liegt.
Die optimale Energiedosis für die Defibrillation ist jene,
die bei minimaler Myokardverletzung zu einem ROSC
führt. Die Verwendung einer angepassten Energiedosis
reduziert die Anzahl der wiederholten Schocks, dies
reduziert ebenfalls die myokardialen Verletzungen.
Monophasische Defibrillatoren
Ein Schock vs. drei Schock Strategie
Es gibt keine publizierten Studien am Menschen oder
Tier, welche bei Kammerflimmern die Abgabe eines
einzelnen Schocks gegenüber einer Folge von drei
Schocks verglichen haben. In Tierexperimenten gingen
selbst kurze Unterbrechungen der Thoraxkompressionen
zur Beatmung oder Rhythmusanalyse mit einer
anschließend reduzierten post-ReanimationsMyokardfunktion und reduzierten Überlebensrate
einher. Unterbrechungen der Thoraxkompressionen
verringern auch die Wahrscheinlichkeit der Konversion
von Kammerflimmern in einen anderen Rhythmus.
Prähospitale und innerklinische Daten zur Qualität der
Herzlungenwiederbelebung zeigten, dass erhebliche
Unterbrechungen häufig sind. Mit einer über 90%igen
Erfolgsrate des ersten Schocks bei biphasischer
Wellenfunktion, lässt das Scheitern der Kardioversion
von Kammerflimmern eher auf die Notwendigkeit
einer Periode der Herzwiederbelebung als auf die eines
weiteren Schocks schließen.
Daher soll sofort nach Abgabe des einzelnen Schocks
die Herzlungenwiederbelebung (30 Kompressionen,
2 Atemspenden) über 2 Minuten bis zur Abgabe des
nächsten Schocks (falls indiziert)(siehe unten) fortgesetzt
werden, ohne eine Kontrolle von Rhythmus oder Puls
durchzuführen. Selbst wenn der Defibrillationsversuch
erfolgreich einen perfundierenden Rhythmus hergestellt
hat, ist unmittelbar nach der Defibrillation nur äußerst
selten ein Puls zu tasten, und durch die Verzögerung
beim Versuch, den Puls zu tasten, wird das Myokard noch
weiter geschädigt, sollte kein perfundierender Rhythmus
hergestellt worden sein. Nach Wiederherstellung
eines perfundierenden Rhythmus ist die Gefahr der
Induktion von neuerlichem Kammerflimmern durch
Thoraxkompressionen nicht erhöht. Bei Asystolie
nach Schock können Thoraxkompressionen zu
Kammerflimmern führen.
Monophasische Defibrillatoren werden nicht mehr
hergestellt, sind aber trotzdem noch in Verwendung.
Diese Geräte geben einen Strom ab, der nur in
eine Richtung fließt. Es gibt zwei grundsätzliche
monophasische Abgabeverhalten: eine gedämpfte
sinusförmige Wellenform sinkt allmählich gegen
Null (Abbildung 8.2), und eine abgeschnittene
exponentielle Funktion, mit sofortiger Terminierung.
In der Vergangenheit wurden der erste und der
zweite monophasische Schock der Defibrillation mit
geringerer Energie (200J) als nachfolgende Schocks
(360J) abgegeben. Auf Grund der geringen Effizienz
der monophasischen Funktion, im Vergleich zur
biphasischen Funktion, liegt das empfohlene InitialEnergieniveau für den ersten Schock bei Verwendung
eines monophasischen Defibrillators jetzt bei 360J.
Obwohl bei höheren Energiemengen ein größeres
Risiko für eine Verletzung des Myokards besteht,
überwiegt der Nutzen einer frühzeitigen Konvertierung
in einen perfundierenden Rhythmus. Durch die
Abgabe eines einzelnen Schocks, anstelle von drei
aufeinanderfolgenden Schocks, ist eine maximale
Effektivität des ersten Schocks besonders wichtig. Ist der
erste monophasische Schock nicht erfolgreich, geben Sie
den zweiten und die darauf folgenden Schocks bei 360J
ab.
Die 1-Schock-Strategie gilt gleichermaßen für mono- und
biphasische Defibrillatoren.
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 83
KAP
8
Kapitel 8 Defibrillation
Schocks als effektiv anzusehen ist und heutzutage von
jedem biphasischen manuellen Defibrillator abgegeben
werden kann.
War der erste Schock nicht erfolgreich, können der zweite
und die nachfolgenden Schocks entweder mit gleich
bleibender oder steigender Energie abgegeben werden
(150-360J), abhängig von dem verwendeten Gerät. Hat
ein Benutzer keine Kenntnis über die Energiemengen, die
mit dem biphasischen Gerät abgegeben werden können,
und wurden als voreingestellte Energie 200J beim ersten
Schock abgegeben, sollte entweder die gleiche oder
eine höhere Menge für nachfolgende Schocks gewählt
werden, abhängig von der Leistungsfähigkeit des Geräts.
Abbildung 8.2 Eine monophasische gedämpfte
sinusförmige Welle
Biphasische Defibrillatoren
Bei biphasischen Wellenformen fließt Strom zunächst
für eine festgelegte Dauer in eine bestimmte Richtung
die sich für den Rest der elektrischen Entladung
umkehrt. Es gibt im Wesentlichen zwei Arten der
biphasischen Wellenform: die biphasische abgeschnittene
Exponentialkurve (biphasic truncated exponential, BTE)
(Abbildung 8.3) und der biphasische Rechteckimpuls
(rectilinear biphasic, RLB) (Abbildung 8.4). Einige
biphasische Defibrillatoren kompensieren die große
Variabilität der transthorakalen Impedanz in dem sie
die Größe und die Dauer der Wellenform elektronisch
anpassen. Das optimale Verhältnis von der ersten zur
zweiten Phase ist noch nicht festgelegt, ob verschiedene
Wellenformen unterschiedliche Effizienz beim
Kammerflimmern aufweisen, ist auch unbekannt.
Die Effektivität eines ersten Schocks für eine lange
andauernde VF/VT ist bei der biphasischen Wellenform
größer (86-98%) als bei der monophasischen Wellenform
(54-91%), weshalb die erstgenannte empfohlen wird,
wann immer es möglich ist. Bei der biphasischen
Defibrillation wird weniger Energie gebraucht, infolge
dessen haben diese Geräte kleinere Kondensatoren,
benötigen weniger Batteriestrom und die Wellenform
kann durch einen Halbleiterschaltkreis ohne Induktor
kontrolliert werden. Daher sind sie kleiner, leichter und
einfach zu transportieren.
Es gibt keinen Hinweis, dass eine biphasische Wellenform
oder ein biphasisches Gerät anderen überlegen ist.
Obwohl die initiale biphasische Schockenergie bei einer
RLB Wellenform nicht geringer als 120J und 150J bei
BTE Wellenformen sein sollte, wird empfohlen, dass der
initiale biphasische Schock zumindest 150J betragen
sollte.
Wenn der Anwender im Unklaren über die möglichen
Energiemengen, die ein Gerät abgeben kann, ist, sollten
200J für den ersten Schock gewählt werden. 200J als
voreingestellte Energie wurden gewählt, weil diese,
in der beschriebenen Spannbreite von ausgewählten
Dosen, beim ersten und alle nachfolgenden biphasischen
84 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Abbildung 8.3 Die biphasische abgeschnittene
Exponentialkurve
Abbildung 8.4 Der biphasische Rechteckimpuls
Wiederkehrendes Kammerflimmern
Wenn ein schockbarer Rhythmus nach erfolgreicher
Defibrillation wiederkehrt (mit oder ohne ROSC),
sollte für den nächsten Schock das letzte erfolgreiche
Energieniveau gewählt werden.
Sicherheit
Defibrillationsversuche sollten ohne Risiko für die
Mitglieder des Reanimationsteams durchgeführt
werden. Vorsicht bei nasser Umgebung und Kleidung
– jegliches Wasser sollte vom Brustkorb des Patienten
entfernt werden, bevor eine Defibrillation durchgeführt
wird. Kein Teil einer Person sollte in direktem oder
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indirektem Kontakt zum Patienten stehen. Intravenöse
Infusionen sollten aus der Hand gelegt werden, die
Trage auf der der Patient liegt sollte während der
Schockabgabe nicht berührt werden. Der Bediener des
Defibrillators darf keinen Teil der Elektrodenoberfläche
berühren, Elektrodengel sollte nicht über die
Brustkorboberfläche verteilt sein. Gel-imprägnierte
Pads reduzieren dieses Risiko – daher sollten sie, wann
immer möglich, verwendet werden. Der Bediener muss
vor der Schockabgabe sicher stellen, dass niemand
Patientenkontakt hat wenn der Schock abgegeben wird.
Sichere Anwendung von Sauerstoff
während der Defibrillation
In einer mit Sauerstoff angereicherten Atmosphäre kann
der Funkenschlag von unsachgemäß angewendeten
Defibrillator-Paddles einen Brand auslösen. Es existieren
mehrere Fallberichte über derart verursachte Brände, und
meistens erlitt der Patient erhebliche Verbrennungen. Die
Brandgefahr während eines Defibrillationsversuches kann
durch die Beachtung folgender Sicherheitsmaßnahmen
verringert werden.
• Ist der Patient an ein Beatmungsgerät angeschlossen,
z. B. während einer Operation oder auf der
Intensivstation, soll das Atemschlauchsystem an
dem Tubus angeschlossen bleiben, es sei denn die
Thoraxkompressionen behindern eine Abgabe von
ausreichenden Tidalvolumina durch den Respirator.
In diesem Fall wird die Respiratorbeatmung durch
eine manuelle Beatmung mit dem Beatmungsbeutel
ersetzt, der dabei konnektiert bleiben kann, oder
aber diskonnektiert und mindestens 1 Meter
aus dem Umkreis entfernt wird. Werden die
Beatmungsschläuche diskonnektiert, muss auf den
Sicherheitsabstand von mindestens 1 Meter geachtet
werden oder das Beatmungsgerät abgeschaltet
werden. Moderne Respiratoren entwickeln bei
Diskonnektion hohe Sauerstoff-Flüsse. Während
der normalen Nutzung auf der Intensivstation wird
bei erhaltener Verbindung zwischen Trachealtubus
und Respirator überschüssiger Sauerstoff – deutlich
außerhalb des Defibrillationsbereichs – aus dem
Gerätegehäuse abgegeben. Manche Intensivpatienten
benötigen möglicherweise zur Aufrechterhaltung
einer ausreichenden Oxygenierung eine Beatmung
mit positivem endexpiratorischen Druck (PEEP);
während einer Kardioversion, bei welcher der
erhaltene Spontankreislauf eine Oxygenierung des
Blutes gewährleistet, ist es umso mehr angezeigt, den
Intensivpatienten während der Schockabgabe an den
Respirator angeschlossen zu lassen.
• Minimieren Sie das Risiko eines Funkenschlags
während der Defibrillation. Theoretisch sollten
selbstklebende Defibrillatorelektroden im Vergleich
zu manuellen Defibrillator-Paddles seltener zu
Funkenschlag führen.
Sicherheit bei der Paddle Bedienung
Figure 8.5 Abbildung 8.5: Entfernung der
Sauerstoffmaske vor der Defibrillation
• Entfernen Sie gegebenenfalls die Sauerstoffmaske
oder die Nasenbrille und legen sie diese in einer
Entfernung von mindestens 1 Meter von der Brust des
Patienten ab.
• Belassen Sie den Beatmungsbeutel am Trachealtubus
oder alternativen Atemwegshilfen. Wenn ein
Beatmungsbeutel an den Endotrachealtubus
angeschlossen ist, kommt es in der Nähe des
Defibrillationsareals zu keiner Erhöhung der
Sauerstoffkonzentration, auch nicht bei einem
flow von 15 l/min. Wahlweise können sie den
Beatmungsbeutel auch vom Trachealtubus oder
anderen Atemwegshilfen diskonnektieren und ihn
während der Defibrillation aus dem Umkreis von
mindestens 1 Meter von der Brust des Patienten
entfernen.
European Resuscitation Council
Ein manueller Defibrillator darf erst dann geladen
werden, wenn sich die Paddles bereits auf dem Brustkorb
des Patienten befinden, nicht während sie noch in der
Luft gehalten werden. Wenn die Paddles zum ersten Mal
auf den Brustkorb aufgesetzt werden, müssen die TeamMitglieder informiert werden, ob das Gerät geladen wird
oder ob die Paddles einfach nur zum Monitoring des
Herzrhythmus verwendet werden. Wenn der Defibrillator
geladen ist, ein Schock aber nicht länger indiziert ist,
ermöglichen moderne Geräte ein sicheres Entladen
indem sie die Energieeinstellung verändern.
Automatisierte externe
Defibrillatoren
Automatisierte externe Defibrllatoren sind hoch
entwickelte, verlässliche computergestützte Geräte, die
sowohl durch akustische als auch visuelle Anweisungen
Laienhelfer und medizinisches Personal zum sicheren
Defibrillationsversuch bei Patienten mit Kreislaufstillstand
anleiten (Abbildung 8.6).
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 85
KAP
8
Kapitel 8 Defibrillation
Technische Fortschritte, insbesondere in Hinblick
auf Batteriekapazität und Software zur Analyse von
Arrhythmien, haben die Massenproduktion von
relativ günstigen, zuverlässigen und einfach zu
bedienenden transportablen Defibrillatoren ermöglicht.
Defibrillatoren mit Schock-Beratungsfunktion haben
auch die Möglichkeit der EKG-Analyse, die aber manuell
durch medizinisches Personal mit Erfahrung in der
Interpretation von Herzrhythmusstörungen außer Kraft
gesetzt werden kann.
Abbildung 8.6 Ein automatischer externer
Defibrillator
Automatische Rhythmusanalyse
Automatisierte externe Defibrillatoren verfügen
über Mikroprozessoren, welche mehrere Parameter
eines EKG, einschließlich Frequenz und Amplitude
auswerten. Manche AED sind so programmiert, dass sie
Störungen durch Eigenbewegungen des Patienten oder
Bewegungen durch andere erkennen. Die technische
Entwicklung dürfte bald dazu führen, dass AED Angaben
über die Frequenz und Tiefe der Thoraxkompressionen
während der Herzlungenwiederbelebung machen, was
zu einer Verbesserung der Reanimationsmaßnahmen bei
allen Helfer beitragen könnte.
Automatisierte externe Defibrillatoren wurden
umfangreich an Rhythmusdatenbanken und in
vielen Studien sowohl an Erwachsenen als auch an
Kindern erprobt. Die Rhythmusanalyse der Geräte ist
überaus genau. Obwohl AED nicht zur Abgabe von
synchronisierten Schocks vorgesehen sind, werden
alle AED bei Vorliegen einer ventrikulären Tachykardie
die Abgabe eines Schocks empfehlen, wenn die
Frequenz und die R-Zackenmorphologie voreingestellte
Grenzwerte überschreiten.
Verwendung von AED im
Krankenhaus
Es kann zu einer verzögerten Defibrillation kommen,
wenn Patienten einen Kreislaufstillstand in einem nicht
überwachten Krankenhausbett bzw. einer Ambulanz
erleiden. In solchen Bereichen können mehrere
Minuten vergehen, bis ein Reanimationsteam mit
einem Defibrillator eintrifft und defibrilliert wird. Trotz
begrenzter Nachweise sollte die Verwendung von AED
im KH als eine Möglichkeit angesehen werden, eine
Defibrillation so früh wie möglich (in den meisten Fällen
innerhalb von 3 Minuten nach einem Kollaps), vor allem in
Bereichen, in denen das Personal wenig Erfahrung mit der
Rhythmusinterpretation hat, oder in denen Defibrillatoren
selten verwendet werden, durchzuführen. Ein wirksames
System zur Grundschulung und Wiederholungsschulung
sollte vorhanden sein. Es sollte eine ausreichend große
Anzahl von Personen geschult werden, um das Ziel der
Schockabgabe innerhalb von 3 Minuten nach Kollaps an
jedem Ort des Krankenhauses zu erreichen.
Die Ausbildung in der Handhabung dieser Geräte
ist schneller und einfacher möglich als für manuelle
Defibrillatoren. Automatisierte Defibrillatoren haben
es ermöglicht, dass weit mehr Mediziner, Pflegekräfte,
Sanitäter und Laienhelfer (z.B. Polizei und Ersthelfer
– „Ersthelfer Defibrillation“) Defibrillationen durchführen.
Angehörige der Gesundheitsdienste mit einer
Verpflichtung zur Herz-Lungen-Wiederbelebung sollten
adäquat ausgebildet und ausgestattet sein, sowie zur
Durchführung einer Defibrillation berechtigt werden.
Der Defibrillationsversuch durch First Responder ist
lebenswichtig, da die Verzögerung bis zur Abgabe des
ersten Schocks der wesentliche Faktor zum Überleben bei
einem Herzkreislaufstillstand ist.
Bedeutung von ununterbrochenen
Thoraxkompresionen
Die Bedeutung der frühzeitigen, ununterbrochenen
äußeren Herzdruckmassage wird im gesamten
Kursbuch betont. Der Helfer der die Herzdruckmassage
durchführt sollte sie nur für die Rhythmus-Analyse und
die Schockabgabe unterbrechen, und sollte darauf
vorbereitet sein mit der Herzdruckmassage fortzufahren,
sobald der Schock abgegeben wurde. Wenn zwei
Personen zugegen sind, sollte der Helfer, der den AED
bedient, während die Herzdruckmassage durchgeführt
wird die Klebeelektroden anbringen. Die CPR sollte nur
zur Rhythmusanalyse und Schockabgabe unterbrochen
werden. Die Person, die den AED bedient, sollte
vorbereitet sein, den Schock sofort abzugeben, wenn die
Analyse abgeschlossen ist und ein Schock empfohlen
wird, sich versichernd, dass niemand in Kontakt zum
Patienten steht. Einzelne Helfer sollten die Koordination
der Herzdruckmassage und die Anwendung eines AED
üben (Abbildung 8.8).
Zwei nicht-randomisierte Studien an Erwachsenen
mit einem innerklinischen Kreislaufstillstand dem ein
defibrillierbarer Rhythmus zu Grunde lag, zeigten höhere
Überlebens- und Krankenhausentlassungsraten, wenn
die Defibrillation im Rahmen eines AED-Programmes
erfolgte, als wenn eine manuelle Defibrillation erfolgte.
86 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Algorithm for use of an automated external defibrillator (AED)
Unresponsive
Call for help
Open airway
Not breathing normally
Send or go for AED
Call 112*
CPR 30:2
Until AED is attached
KAP
8
AED
Assess rhythm
Shock
Non-Shock
advised
advised
1 Shock
150-360 J biphasic
or 360 J monophasic
Immediately resume
CPR 30:2 for 2 min
Immediately resume
CPR 30:2 for 2 min
Continue until the victim starts to
breathe normally
*OR APPROPRIATE EMERGENCY TELEPHONE NUMBER
Abbildung 8.7 Algorithmus für die AED Anwendung bei Atem-Kreislauf-Stillstand
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 87
Kapitel 8 Defibrillation
Frühdefibrillationsprogramme
Ersthelfer und First Responder AED Programme können
zu einer Steigerung der Zahl von Patienten führen, die
durch Laien reanimiert und frühzeitig defibrilliert werden,
so dass es zu einem verbesserten Überleben nach
einem präklinischen Kreislaufstillstand kommt. Diese
Programme erfordern organisierte und trainierte Abläufe
mit Helfern, die geübt und ausgestattet sind um Notfälle
erkennen zu können, den Rettungsdienst zu aktivieren,
Herz-Lungen-Wiederbelebung durchzuführen und einen
AED einzusetzen.
Laienhelfer AED Programme mit sehr schnellen
Reaktionszeiten auf Flughäfen, in Flugzeugen, oder
Casinos, und unkontrollierte Studien mit Polizisten als
First Responder haben eine Überlebensrate im Bereich
von 49-74% ergeben.
Empfohlene Elemente für ein Frühdefibrillations
Programm beinhalten:
• geplante und trainierte Abläufe;
• Training der zukünftigen Helfer in Herz-LungenWiderbelebung und in der Anwendung des AED;
• Vernetzung mit dem lokalen Rettungsdienst;
• Kontinuierliche Überprüfung (Qualitätsverbesserung).
Frühdefibrillationsprogramme werden vor allem dann
das Überleben nach einem Herzkreislaufstillstand
sichern, wenn sie an Orten etabliert werden, an denen
es wahrscheinlich ist, dass Herzkreislaufstillstände
beobachtet eintreten. Geeignete Plätze können unter
anderem diejenigen sein, an denen zumindest einmal
in zwei Jahren ein Herzkreislaufstillstand aufgetreten
ist (z.B. Flughäfen, Casinos, Sporteinrichtungen).
Ungefähr 80% aller präklinischer Kreislaufstillstände
treten im privaten Bereich und Wohnvierteln auf; diese
Tatsache limitiert unvermeidlich den Gesamteffekt, den
Frühdefibrillationsprogramme auf Überlebensraten
haben können.
88 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Figure 8.8 a-b Operation of a defibrillator and
efficient CPR
AED Anwendung (Figure 8.7)
1. Vergewissern Sie sich, dass das Opfer und die
Umstehenden und die Helfer sicher sind.
2. Ist das Opfer regungslos und atmet nicht normal:
- Entsenden Sie jemanden um einen AED zu holen
und den Rettungsdienst, bzw. das Reanimationstem
zu verständigen.
Sind Sie alleine führen Sie diese Maßnahmen selbst
durch.
3. Beginnen Sie mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung
gemäß den Leitlinien.
4. Sobald der AED beim Patienten ist:
- Schalten Sie den AED ein und schließen Sie die
Klebeelektroden an. Falls mehr als ein Helfer vor Ort
ist, sollte die Herz-Lungen-Wiederbelebung während
der Vorbereitungen fortgesetzt werden;
- Folgen Sie den Sprach- bzw. dem optischen
Anweisungen;
- Stellen Sie sicher, dass niemand den Patienten
berührt, während der AED den Rhythmus analysiert.
4A Wenn ein Schock indiziert ist:
-Stellen Sie sicher, dass niemand den Patienten
berührt;
-Drücken Sie den Schock-Knopf wie angegeben - voll
automatische AED werden den Schock automatisch
abgeben;
-Folgen Sie den Sprach- bzw. den optischen
Anweisungen.
4B Wenn kein Schock empfohlen ist:
-Führen Sie die CPR sofort in einem Verhältnis von 30
Kompressionen zu 2 Beatmungen weiter fort.
5. Folgen Sie den AED Anweisungen bis:
-qualifizierte Hilfe (z.B. Rettungsdienst oder ein
Reanimationsteam) eintrifft und übernimmt;
-Das Opfer wieder normal zu atmen beginnt, oder;
-Sie erschöpft sind.
.
European Resuscitation Council
Anmerkungen
• Die Tragetasche des AED muß eine starke Schere
enthalten, um Kleidung durchschneiden zu können,
sowie einen Einwegrasierer um die Brust rasieren
zu können, um einen guten Elektrodenkontakt zu
erhalten
• Sofern in erweiterten Maßnahmen der
Wiederbelebung trainierte Helfer einen AED
verwenden, sollten die erweiterten Maßnahmen der
Wiederbelebung (Intubation, Beatmung, i. v. Zugang,
Medikamentenapplikation, etc.) entsprechend der
lokalen Vorschriften durchgeführt werden.
Manuelle Defibrillation
Manuelle Defibrillatoren (Abbildung 8.9) haben einige
Vorteile im Vergleich zu einem AED. Sie ermöglichen dem
Benutzer selbst den Rhythmus zu analysieren und zügig
einen Schock abzugeben, ohne auf die Rhythmus-Analyse
warten zu müssen. Dies minimiert die Unterbrechungen
während der Brustkorb-Kompressionen. Manuelle
Defibrillatoren haben oft zusätzliche Funktionen, wie
zum Beispiel die Möglichkeit synchronisiert Schocks
abzugeben oder einen externen Herzschrittmacher
anzuwenden. Der größte Nachteil dieser Geräte ist,
dass der Anwender in der EKG Rhythmus-Interpretation
geschult sein muss; daher ist - im Vergleich zum AED - ein
zusätzlicher Trainingsaufwand erforderlich.
Abbildung 8.9.: Platzierung der Defibrillatorpaddles
auf Gel-Pads
Anwendung eines manuellen
Defibrillators
Dieser Abschnitt ist ein integraler Bestandteil des
Algorithmus für die erweiterten Maßnahmen der
Wiederbelebung aus Kapitel 5.
European Resuscitation Council
1. Herz-Kreislauf-Stillstand bestätigen – Atmung und
Puls gleichzeitig überprüfen.
2. Kammerflimmern auf einem EKG oder mit Hilfe
von Klebeelektroden oder mit DefibrillatorPaddles
bestätigen.
3. Klebeelektroden oder Defibrillator-Gelpads auf dem
Brustkorb platzieren – eines direkt unterhalb der
rechten Clavicula, das andere in der Position V6 in der
mittleren Axillarlinie. Ist mehr als ein Helfer anwesend,
sollte die Herzdruckmassage fortgeführt werden,
4. Werden Defibrillator-Paddles verwendet, drücken Sie
diese kräftig auf die Gelpads.
5. Einstellen des korrekten Energieniveaus: 150200J biphasisch (360J monophasisch) für den
ersten Schock und 150-360J biphasisch (360J
monophasisch) für weitere Schocks
6. Versichern Sie sich, dass kein Sauerstoff mit hohem
Fluss in die Defibrillationszone strömt.
7. Warnen Sie jeden „alle weg vom Patienten“ und laden
Sie den Defibrillator unter der Verwendung von
Klebeelektroden oder Defibrillator-Paddles.
8. Durch optische Kontrolle ist sicherzustellen, dass
niemand den Patienten berührt.
9. Schock abgeben.
10. Das Intervall zwischen der Unterbrechung der
Herzdruckmassage und der Schockabgabe sollte
so minimal wie möglich sein; es sollte 10 Sekunden
sicher nicht überschreiten.
11. Werden Defibrillator-Paddles verwendet kommen
diese sofort nach der Defibrillation zurück ins Gerät.
12. Ohne den Rhythmus erneut zu beurteilen oder
einen Puls zu fühlen, wird die Wiederbelebung in
einem Verhältnis 30:2 begonnen, dabei wird mit den
Herzdruckmassagen begonnen.
13. Für 2 Minuten werden die
Wiederbelebungsmaßnahmen fortgesetzt, dann wird
der Rhythmus am Monitor überprüft.
14. Liegt ein Kammerflimmern / eine pulslose
ventrikuläre Tachykardie vor, dann werden
die Schritte 4-12 wiederholt und eine zweite
Defibrillation durchgeführt,
15. Für 2 Minuten werden die
Wiederbelebungsmaßnahmen fortgesetzt, dann wird
der Rhythmus am Monitor überprüft.
16. Persistiert ein Kammerflimmern / eine pulslose
ventrikuläre Tachkardie, wird 1 mg Adrenalin i.v.
gegeben, gefolgt von einem dritten Schock und 2
min. Wiederbelebungsmaßnahmen.
17. Wiederholen Sie diese Sequenz falls weiterhin
ein Kammerflimmern / eine pulslose ventrikuläre
Tachkardie vorliegt.
18. Die Adrenalingabe (1 mg i. v.) wird alle 3-5 Minuten
wiederholt.
19. Amiodarone (300 mg i. v.) kann nach dem dritten
Schock eingesetzt werden.
20. Wird eine organisierte elektrische Aktivität in
einer Pause, in der der Rhythmus beurteilt wird,
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 89
KAP
8
Kapitel 8 Defibrillation
beobachtet, wird nach einem Puls getastet:
a. Ist ein Puls vorhanden, wird mit der
Postreanimationsbehandlung begonnen.
b. Ist kein Puls vorhanden, wird die Wiederbelebung
fortgesetzt und im Algorithmus zur Seite der nichtdefibrillierbaren Rhythmen gewechselt.
21. Wird eine Asystolie beobachtet, wird die
Wiederbelebung fortgesetzt und im Algorithmus
zur Seite der nicht-defibrillierbaren Rhythmen
gewechselt.
Präklinische Defibrillation
Obwohl die vorhergehenden Leitlinien die sofortige
Defibrillation bei allen defibrillierbaren Rhythmen
empfohlen haben, haben aktuelle Studien zum
präklinischen Kreislaufstillstand ergeben, dass eine Phase
der Wiederbelebung vor einer Defibrillation nach einem
längerdauernden Kreislaufstillstand nützlich sein kann.
Die Synchronisation kann bei ventrikulären Tachykardien
auf Grund der breiten Komplexe und variablen Formen
schwierig sein. Wenn nicht synchronisiert ausgelöst
werden kann, müssen beim instabilen Patienten mit
VT unsynchronisierte Schocks abgegeben werden, um
längere Verzögerungen in der Wiederherstellung eines
Sinusrhythmus zu verhindern. Ein Kammerflimmern
oder eine pulslose VT erfordern unsychronisierte
Schockabgaben. Patienten, die bei Bewusstsein sind
müssen anästhesiert oder sediert werden, bevor eine
synchronisierte Kardioversion versucht werden kann.
Bei einigen Defibrillatoren muß der synchronisierte
Modus erneut eingestellt werden, wenn ein zweiter
Schock erforderlich ist. Andere Geräte bleiben im
synchronisierten Modus; Es muss darauf geachtet werden,
dass ein Synchronisationsschalter nicht in der „Ein“
Position belassen wird, da bei weiterem Gebrauch dies
das Entladen des Defibrillators verhindert, wenn dieser
das nächste mal zur Behandlung von Kammerflimmern/
VT verwendet wird.
Rettungsdienstpersonal sollte bei Patienten mit einem
längerdauernden Kreislaufstillstand (>5 min) vor einer
Defibrillation für eine Zeit von ca. 2 Minuten reanimieren.
Die Dauer des präklinischen Kreislaufstillstands kann
üblicherweise schwer abgeschätzt werden, daher sollte
die Basiswiederbelebung bei jedem unbeobachteten
Kreislaufstillstand für 2 Minuten vor dem ersten
Defibrillationsversuch durchgeführt werden.
Die Energien für die Kardioversion werden in Kapitel 12
behandelt.
Laien und Ersthelfer, die AED verwenden, sollten das
Gerät so schnell wie möglich in Betrieb nehmen und den
Anweisungen folgen.
Ist bei einem Patienten ein Herzschrittmacher oder ein
kardiovertierender Defibrillator (ICD) implantiert, ist
Vorsicht bei der Positionierung der Elektroden geboten.
Obwohl moderne Schrittmacher mit Schutzvorrichtungen
ausgestattet sind, kann der Strom am Schrittmacherdraht
oder ICD entlang fließen und Verbrennungen dort
verursachen, wo die Elektrodenspitze mit dem Myokard
in Kontakt kommt. Dies kann zu einem Anstieg des
Widerstandes am Kontaktpunkt und einem schrittweisen
Anstieg der Schrittmacherschwelle über eine erhebliche
Zeitspanne führen. Die Defibrillatorelektroden müssen
zumindest 12-15 cm vom Schrittmacher entfernt
platziert werden, um das Risiko zu minimieren. War
eine Reanimation nach Defibrillation erfolgreich, muss
der Schrittmacher in den nächsten beiden Monaten
regelmäßig kontrolliert werden.
Es gibt keinen Hinweis auf Vor- oder Nachteile einer CPRPhase vor der Defibrillation bei einem innerklinischen
Kreislaufstillstand. Eine Defibrillation sollte so schnell
wie möglich nach Eintritt des Stillstandes durchgeführt
werden.
Synchronisierte Kardioversion
Wird elektrisch kardiovertiert, um atriale oder ventrikuläre
Tachyarrhythmien zu konvertieren, muss der Schock
synchronisiert abgegeben werden, um in die R-Zacke
des Elektrokardiogramms und nicht in die T Welle
einzufallen. Indem man die Stromabgabe in der relativen
Refraktärzeit vermeidet, wird das Risiko minimiert durch
die Kardioversion ein Kammerflimmern auszulösen.
Die meisten manuellen Defibrillatoren besitzen einen
Schalter, der es ermöglicht einen Schock R-Zacken
getriggert abzugeben. Aufbringen der Elektroden und
Bedienung des Gerätes erfolgen wie bei der Defibrillation.
Aufgrund der R-Zacken Triggerung muss der Anwender
mit einer kurzen Verzögerung zwischen dem Betätigen
der Druckknöpfe und dem Entladen des Schocks rechnen.
Die Defibrillatorelektroden dürfen während dieser
Verzögerung nicht bewegt werden sonst wird der QRSKomplex nicht detektiert.
90 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Herzschrittmacher und
implantierte kardiovertierende
Defibrillatoren
European Resuscitation Council
Zusammenfassung
•Für einen Patienten mit Kammerflimmern
ist eine frühzeitige Defibrillation das einzige
effektive Mittel einen Spontankreislauf wieder
herzustellen.
•Wenn ein Defibrillator verwendet wird,
müssen die Unterbrechungen bei der
Thoraxkompressionen auf absolutes Minumum
reduziert werden.
•Moderne, biphasische Defibrillatoren haben
eine hohe „Erster Schock“ Effizienz; einzelne
Schocks wechseln mit jeweils zweiminütiger
Herzdruckmassage und Beatmung im Verhältnis
30:2.
Weiterführende Literatur
International Liaison Committee on Resuscitation. Part 3. Defibrillation.
2005
International Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation
and Emergency Cardiovascular Care Science with Treatment
Recommendations. Resuscitation 2005; 67: In Press.
KAP
8
International Liaison Committee on Resuscitation. Part 4. Advanced Life
Support.
2005 International Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation
and Emergency Cardiovascular Care Science with Treatment
Recommendations. Resuscitation 2005; 67: In Press.
Nolan JP, Deakin CD, Soar J, Bottinger BW, Smith G. European
Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2005. Section 4: Adult
advanced life support. Resuscitation 2005; 67: In Press.
Deakin CD, Nolan JP. European Resuscitation Council Guidelines for
Resuscitation 2005. Section 3: Electrical therapies: automated external
defibrillators, defibrillation, cardioversion and pacing. Resuscitation
2005; 67: In Press.
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 91
Kapitel 8 Defibrillation
92 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Verabreichung von Medikamenten
KAPITEL
Lernziele
■ Die Gründe, die während der Reanimation
einen venösen Zugang erfordern.
■ Das verfügbare Material für einen venösen
Zugang.
■ Die Techniken der Punktion zentraler Venen.
■ Die Vor- und Nachteile der peripheren und
zentralen Venenpunktion.
■ Die möglichen Komplikationen, die durch
eine Venenpunktion entstehen.
■ Die Verwendung des intraossären
und des endotrachealen Wegs zur
Medikamentengabe.
Einleitung
Während der kardiopulmonalen Reanimation erfordern
folgende Maßnahmen einen Zugang zur Zirkulation:
• Die Verabreichung von Medikamenten;
• Die Verabreichung von Flüssigkeiten;
• Die Blutgasanalyse (BGA);
• Das Einführen eines transvenösen Schrittmachers.
Während der erweiterten Wiederbelebung wird meist
der intravenöse Weg verwendet. Sollte dieser jedoch
fehlschlagen, können der tracheale oder der intraossäre
Weg zur Medikamentengabe verwendet werden.
9
Medikament mit Flüssigkeit eingeschwemmt werden und
durch Hochhalten der Extremität die Geschwindigkeit
der Einschwemmung in den zentralen Kreislauf erhöht
werden.
Material
Es kann eine Reihe von Hilfsmitteln verwendet werden,
um einen venösen Zugang zu schaffen. Der Durchmesser
dieser intravaskulären Hilfsmittel kann mit Hilfe zweier
Skalen angegeben werden:
• Standard Wire Gauge (SWG) – oftmals einfach als
Gauge bezeichnet – der Durchmesser der Kanüle
nimmt mit abnehmender Gauge-Zahl zu;
• French Gauge (FG) – der Durchmesser der Kanüle
nimmt mit zunehmender Gauge-Zahl zu.
Die Länge der Kanüle nimmt üblicherweise mit größerem
Durchmesser zu.
Kanüle über Nadel - Technik
Dies ist die am weitesten verbreitete Technik zum
Schaffen eines intravenösen Zugangs. Verschiedene
Größen sind erhältlich und können für den peripheren
und den zentralen Zugang verwendet werden.
Alle Kanülen weisen eine standardisierte Luer-lockVerbindung zum Anschließen eines Infusionsbesteckes
auf und manche besitzen eine Injektionsöffnung mit
Ventil, über welche Medikamente verabreicht werden
können
Venöser Zugang
Seldinger-Technik
Der intravenöse Weg garantiert am ehesten die
erfolgreiche Verabreichung von Medikamenten während
einer Reanimation. Wenn bereits ein intravenöser
Zugang vorhanden und dessen Durchgängigkeit
sichergestellt ist, sollte dieser vorzugsweise verwendet
werden. Wenn eine Venenpunktion notwendig ist, wird
die Entscheidung, eine periphere oder zentrale Vene zu
verwenden, von den Fähigkeiten und der Erfahrung des
Durchführenden und der Verfügbarkeit des Materials
bestimmt. Während des Ablaufs der Wiederbelebung
beträgt die Zirkulationszeit von den zentralen Venen
(V. subclavia oder jugularis interna) durch das Herz
zur Femoralarterie etwa 30 Sekunden, verglichen mit
bis zu 5 Minuten bei Verwendung einer peripheren
Vene. Demnach ist bei bereits liegendem zentralen
Katheter, dieser der bevorzugte Applikationsweg für die
Medikamentengabe. In Abwesenheit eines zentralen
Katheters ist die Kanülierung einer peripheren Vene
günstiger und schneller. Wenn eine periphere Vene für
die Gabe von Medikamenten verwendet wird, muss das
Dieses Equipment wird hauptsächlich zur Punktion
zentraler Venen verwendet. Eine relativ dünne Nadel
wird verwendet, um eine Vene zu punktieren und einen
stumpfen, biegsamen Führungsdraht einzuführen.
Nach Dilatation wird dann ein Katheter mit größerem
Durchmesser über den Führungsdraht in die Vene
eingeführt. Diese Methode erlaubt das Einführen eines
großlumigen Katheters (12-14 Gauge, 7-8,5 FG), ohne eine
Nadel mit großem Durchmesser verwenden zu müssen
und in Gefahr zu laufen, die Vene oder angrenzendes
Gewebe zu verletzen. Eine ähnliche, jedoch kleinere
Vorrichtung ist für die Punktion peripherer Venen
erhältlich.
European Resuscitation Council
Zugang über die peripheren Venen
Die am häufigsten verwendeten Venen sind
oberflächliche, periphere Venen der oberen
Extremitäten. Die V. jugularis externa am Hals ist eine
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 93
KAP
9
Kapitel 9 Verabreichung von Medikamenten
hervorragende Alternative und stellt sich bei Patienten
mit Kreislaufstillstand häufig sehr gut dar. Die V. femoralis
ermöglicht ebenfalls einen rascheren Transport von
Medikamenten zum Herz als weiter peripher gelegene
Venen.
Die Größe der verwendeten Kanüle hängt von ihrem
Zweck ab. Kanülen mit einem großen Durchmesser sind
zur raschen Gabe von Flüssigkeiten notwendig. Einmal
eingeführt sollte die Kanüle gut fixiert werden; sie kann
während der Reanimation leicht dislozieren.
Allgemeine Vorsichtsmaßnahmen (insbesondere
Handschuhe) müssen beachtet werden. Die benutzte
Nadel muss unverzüglich in einer entsprechenden
Abwurfbox entsorgt werden.
Internal jugular vein
Sternocleidomastoid muscle
External jugular vein
Clavicle
1st rib
Manubrium
Abb. 9.2 Lage der rechten V. jugularis externa
Vena femoralis
Die V. femoralis liegt direkt medial der Femoralarterie.
Während eines Kreislaufstillstands macht das Fehlen des
Femoralispulses das Auffinden der Vene schwierig und
es besteht ein erhebliches Risiko der versehentlichen
arteriellen Medikamentengabe.
Komplikationen
Es gibt eine Reihe von Komplikationen der perkutanen
Venenpunktion; die meisten sind relativ geringfügig.
Abb. 9.1 Lage der Venen der oberen Extremität
Vena jugularis externa
Am Hals ist die V. jugularis externa leicht zu erkennen und
gut zugänglich. Sie verläuft vom Kieferwinkel abwärts
und nach vorne und verschwindet hinter der Mitte
des Schlüsselbeins. Die Vene liegt relativ oberflächlich,
bedeckt nur von einer dünnen Muskelschicht (Platysma),
Faszie und Haut.
Punktion der V. jugularis externa
Die Punktion der V. jugularis externa ist relativ einfach,
dennoch sollten die folgenden Punkte beachtet werden:
• Eine geringe Abwärtsneigung des Kopfes (15°) hilft,
die Vene zu füllen.
• Die Vene kann auch gefüllt werden indem man sie
proximal, direkt über dem Schlüsselbein, mit einem
Finger verschließt.
• Die Seldinger-Technik kann leichter zum Erfolg führen
als die „Kanüle über Nadel“-Technik
Frühe Komplikationen
• Fehlpunktion. Es ist zu empfehlen zunächst distal
an einer Extremität zu beginnen und sich nach
proximal vorzuarbeiten. Dies verhindert bei
Mehrfachpunktionen den Austritt von Flüssigkeit
und Medikamenten aus vorangegangenen
Punktionsstellen.
• Hämatom. Sekundär nach misslungener Punktion.
• Extravasation. Das Ausmaß der Schädigung des
darüber liegenden Gewebes hängt hauptsächlich von
der Art der ausgetretenen Flüssigkeit ab.
• Schädigung anderer lokaler Strukturen.
• Luftembolie. Tritt auf, wenn der Druck in den
Venen geringer ist als im rechten Herzen und Luft
angesaugt oder versehentlich injiziert wird. Sie tritt
viel wahrscheinlicher nach Punktion der V. jugularis
externa oder zentraler Venen auf.
• Abscheren der Kanüle. Dies erlaubt Fragmenten, in die
Zirkulation zu gelangen. Üblicherweise ist es die Folge
eines Versuchs, die Nadel nach dem Zurückziehen
wieder einzuführen. Die sicherste Art ist, die gesamte
Kanüle zurückzuziehen und die Punktion an einer
anderen Stelle zu versuchen.
Späte Komplikationen
• Entzündung der Vene (Thrombophlebitis). Steht im
Verhältnis zur Dauer der Verwendung und der Art
der infundierten Flüssigkeiten und Medikamente.
94 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Hohe Konzentrationen von Medikamenten und
Flüssigkeiten mit extremen pH-Werten oder hoher
Osmolalität stellen die Hauptursache dar.
• Entzündung der umgebenden Haut (Cellulitis).
Üblicherweise sekundär durch schlechte initiale
aseptische Technik, lange Verwendung oder
Undichtigkeit der Vene.
Right internal jugular vein
Right common carotid artery
Zugang über die zentralen Venen
Die zentralen Venen sind oftmals zugänglich, wenn die
peripheren Venen kollabiert sind, und Medikamente,
die über diesen Weg verabreicht werden, erreichen
rasch das Herz. Jedoch handelt es sich um tief liegende
Strukturen, die in enger Beziehung zu großen Arterien,
Nerven und anderen lebenswichtigen Strukturen stehen.
Die Punktion zentraler Venen erfordert mehr Übung
und Praxis als eine periphere Punktion. Üblicherweise
muss die Reanimation unterbrochen werden. Folglich
werden die nachfolgend beschriebenen Maßnahmen
nicht für unerfahrene Anwender empfohlen. Bei Fehlen
eines zentralen Zugangs ist eine große periphere Vene
vollkommen ausreichend. Die am häufigsten genutzten
zentralen Venen sind die Vena jugularis interna und die
Vena subclavia. Vor kurzem hat das National institute of
Clinical Excellence (NICE) die Sonografie zur Kanülierung
von zentralen Gefäßen empfohlen. Dies ist unter der
Reanimation praktisch nicht durchführbar, ist aber
hilfreich wenn ein geübter Anwender die Punktion
einer zentralen Vene nach Wiederherstellung des
Spontankreislaufs versucht.
Lage der zentralen Venen
Vena jugularis interna (Abb. 9.3)
• Sie verläuft am Hals lateral der A. carotis communis.
• Sie zieht dann durch das Dreieck, das von
den klavikulären und sternalen Köpfen des M.
sternocleidomastoideus gebildet wird.
• Sie verbindet sich hinter dem Sternoclavikulargelenk
mit der V. subclavia, um die V. brachiocephalica zu
bilden.
• Der IX-XII Hirnnerv und der N. phrenicus stehen in
enger Beziehung zur V. jugularis interna in ihrem
Verlauf am Hals.
Thyroid cartilage
Right subclavian vein
Trachea
Clavicle
1st rib
Manubrium
Left subclavian vein
Abb. 9.3 Lage der V. jugularis interna und V. subclavia
Vena subclavia (Abb. 9.3):
• Sie liegt hinter dem medialen Drittel der Clavicula und
vor der A. subclavia, von der sie durch den M. scalenus
anterior getrennt wird.
• Sie endet bei der Verbindung mit der V. jugularis
interna.
Ausrüstung
Eine einfache „Katheter über Nadel“-Vorrichtung, länger
als die für die periphere Punktion, kann zur Punktion
einer zentralen Vene verwendet werden. Jedoch wird
häufiger die Seldinger-Technik für den zentralen Zugang
angewandt:
• Eine dünnwandige Nadel mit kleinem Durchmesser
wird in die gewählte Vene eingeführt. Erfolgreiches
Einführen wird durch die Möglichkeit, mit der
angesteckten Spritze leicht Blut aspirieren zu können,
bestätigt;
• Die Spritze wird entfernt und ein Führungsdraht wird
durch die Nadel in die Vene eingebracht;
• Die Nadel wird unter Belassen des Drahtes in der
Vene entfernt. Machen Sie mit dem Skalpell einen
Hautschnitt ohne den Draht zu entfernen;
• Ein Dilatator wird über den Draht durch die Haut
gerade bis zur Vene vorgeschoben und dann wieder
entfernt;
• Der Katheter wird über den Draht bis in die Vene
vorgeschoben;
• Der Draht wird unter Belassen des Katheters in der
Vene entfernt.
Ein- oder Mehrlumenkatheter, 14-16 G, 15 cm lang,
erlauben das Überwachen des zentralen Venendrucks
und das Verabreichen von Infusionen und Medikamenten.
Kurze, 7,5-8,5 FG „Schleusen“-Katheter sind ideal, wenn
rasch Flüssigkeit benötigt wird.
Technik
Es gibt mehrere Zugangswege zur V. jugularis interna
und V. subclavia. Der folgende Überblick ist nicht als
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 95
KAP
9
Kapitel 9 Verabreichung von Medikamenten
umfassende Darstellung gedacht. Der interessierte Leser
sollte für weitere Details die Literaturangabe zu Rate
ziehen.
Richtung suprasternale Einziehung geneigt.
• Die Vene wird üblicherweise erreicht wenn die Nadel
4-6 cm eingeführt wurde.
Welche Vene auch verwendet wird::
• Idealerweise sollte eine aseptische Technik verwendet
werden. Wenn dies nicht möglich ist, muss der
Ausführende zumindest sterile Handschuhe tragen.
• Alle Klingen/Nadeln müssen vorsichtig entsorgt
werden.
• Der Kopf des Patienten wird am besten 10-15°
tiefgelagert, um die Venen zu füllen.
V. jugularis interna
• Der Kopf des Patienten wird leicht von der Seite, an
der die Punktion durchgeführt wird, weggedreht.
• Die Spitze des Dreiecks, das durch die Köpfe der
beiden Mm. sternocleidomastoidei gebildet wird, wird
als Punktionsstelle identifiziert.
• Wenn möglich sollte die A. carotis medial der
Punktionsstelle getastet werden.
• Die Vene liegt ziemlich oberflächlich (in 1-2 cm Tiefe)
und kann punktiert werden, indem man die Nadel
leicht nach lateral und kaudal richtet (bei Männern in
Richtung Brustwarze).
Alternativ kann die Vene auch über den tiefer gelegenen
Zugangsweg punktiert werden. Die Vorteile dieser
Technik sind, dass sie nicht auf die Identifikation des M.
sternoclaidomastoideus oder der A. carotis, die beim
Kreislaufstillstand schwer tastbar sein kann, angewiesen
ist.
• Den Kopf leicht überstrecken und leicht von der
Seite, auf der die Punktion erfolgt, wegdrehen.
Ein Infusionsbeutel oder ein zusammengerolltes
Handtuch unter die Schultern des Patienten gelegt
hilft den Kopf zu überstrecken.
• Die Einkerbung der oberen Fläche des medialen Endes
der Klavikula wird getastet.
• Die Nadel wird direkt oberhalb der Kerbe eingeführt
und dann in einem Winkel von 30-40° zur
Koronarebene angehoben.
• Die Nadel wird nach hinten und unten weiter
geschoben.
• Die Vene liegt üblicherweise in einer Tiefe von 1,5-4
cm.
The subclavian vein
• Ein Infusionsbeutel oder ein zusammengerolltes
Handtuch wird unter die Schulter der betroffenen
Seite gelegt und der Kopf leicht weggedreht.
• Der Übergang vom mittleren zum medialen Drittel der
Klavikula und die suprasternale Einziehung werden
identifiziert.
• Die Nadel wird 1 cm unter dem Übergang vom
mittleren zum medialen Drittel der Klavikula
eingeführt leicht kopfwärts unter der Klavikula in
96 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Figure 9.4 Internal jugular catheter insertion using
Seldinger technique
European Resuscitation Council
erfolgen.
• Verletzungen des Ductus thoracicus mit
nachfolgendem Chylothorax (häufiger auf der linken
Seite).
• Nervenläsionen – des zervikalen und brachialen Plexus.
• Verlust des Führungsdrahtes in das Gefäß.
Späte Komplikationen
• Luftembolie
• Sepsis
Die intraossäre Medikamentengabe
Wenn der venöse Zugang schwierig oder unmöglich ist,
sollte der intraossäre Zugangsweg erwogen werden. Der
intraossäre Zugang wird häufig bei Kindern verwendet, es
ist aber auch möglich, Erwachsenen Medikamente über
diesen Zugang zu verabreichen. Wahrscheinlich ist die
forcierte Volumengabe bei Erwachsenen intraossär nicht
möglich. Bei der intraossären Medikamentenapplikation
werden adäquate Plasmaspiegel, vergleichbar mit zentral
einer venösen Applikation, erreicht. Der intraossäre
Zugang ermöglicht über das Knochenmark die Entnahme
von Blutproben zur Blutgasanalyse sowie Elektrolyt-,
Zucker- und Hämoglobinbestimmungen. Die intraossäre
Gabe von Medikamenten erreicht zuverlässigere
Plasmaspiegel als die endotracheale Gabe.
Bei Erwachsenen sind die besten Stellen für den
intraossären Zugang die proximale (2 cm unterhalb der
Tuberositas tibiae an der anteromedialen Fläche) und die
distale Tibia (2 cm proximal des Malleolus medialis). Eine
Reihe von Spezialnadeln zur intraossären Infusion sind
erhältlich.
Komplikationen des Legens von
Zentralvenenkathetern
Frühe Komplikationen
• Arterielle Punktion
• Hämatom
• Hämothorax. Kann nach Punktion der A. subclavia
auftreten
• Pneumothorax. Tritt am häufigsten nach Punktion der
V. subclavia oder der tiefen Punktion der V. jugularis
interna auf. Bei Patienten mit vorbestehendem
Pneumothorax ist es sinnvoll, die Punktion der V.
subclavia derselben Seite zu versuchen, um das Risiko
eines beidseitigen Pneumothorax zu vermeiden.
• Venöse Luftembolie. Dies geschieht häufig als Folge
einer Diskonnektion oder bei einem teilweise
geöffneten Dreiwegehahn.
• Kardiale Arrhythmien. Treten auf als Folge direkter
Stimulation des Myokards durch den Führungsdraht
oder Katheter. Wann immer möglich sollte die Anlage
eines Zentralvenenkatheters unter EKG-Kotrolle
European Resuscitation Council
Figure 9.5 Intraosseus needle
Die endotracheale
Medikamentengabe
Unter bestimmten Bedingungen ist der periphere
Venenzugang schwierig; zum Beispiel bei stark
hypovolämen oder hypothermen Patienten oder bei
intravenös Drogenabhängigen. Bei fehlender Erfahrung
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmenrt 97
KAP
9
Kapitel 9 Verabreichung von Medikamenten
des Anwenders in der Punktion einer zentralen Vene
können diese Faktoren die venöse Kanülierung
unmöglich machen. Kann kein intravenöser oder
intraossärer Zugang geschaffen werden, sollte der
endotracheale Weg zur Gabe von Medikamenten
verwendet werden. Adrenalin, Atropin, Lidocain und
Naloxon können über den endotrachealen Zugangsweg
verabreicht werden. Die Plasmaspiegel der gegebenen
Medikamente sind nicht vorhersehbar, ebenso ist die
optimale Dosis bei endotrachealer Gabe unbekannt.
Unter der Reanimation haben Studien gezeigt, dass
die equipotente Dosis von Adrenalin drei bis zehnfach
höher sein muss als bei intravenöser Gabe. KalziumSalze, Natrium-Bikarbonat und Amiodaron dürfen nicht
endotracheal verabreicht werden.
Weiterführende Literatur
International Liaison Committee on Resuscitation. 2005 International
Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency
Cardiovascular Care Science with Treatment Recommendations. Part 4.
Advanced Life Support. Resuscitation 2005;67:213-47.
Nolan JP, Deakin CD, Soar J, Böttiger BW, Smith G. European
Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2005. Section 4: Adult
advanced life support. Resuscitation 2005; in press
Um Plasmakonzentrationen im therapeutischen Bereich
zu erreichen, muss die Dosis des Medikaments auf das
mindestens 3-fache der intravenösen Dosis (das sind z.B. 3
mg Adrenalin) erhöht werden. Das Medikament sollte mit
10-20 ml Flüssigkeit über den Tubus gegeben werden. Die
tief endobronchiale Gabe ist nicht notwendig – hierdurch
wird die Plasmakonzentration gegenüber der trachealen
Gabe nicht erhöht. Die Lösung in vorgefertigten Spritzen
für diesen Zweck ist akzeptabel, obwohl die Lösung in
sterilem Wasser im Vergleich zu 0,9% Kochsalzlösung eine
bessere Absorption erreicht. Die Gabe von Medikamenten
über die Larynxmaske erscheint unzuverlässig, da sich der
größte Anteil des Medikaments bereits im Larynxbereich
absetzt. Daher wird dieser Zugangsweg nicht empfohlen.
Zusammenfassung
•Ist eine Venenpunktion notwendig, besteht die
Wahl zwischen einer peripheren und zentralen
Vene.
•Der periphere intravenöse Weg ist akzeptabel,
wenn eine funktionierende Kanüle korrekt
platziert ist.
•Ein zentralvenöser Zugang ermöglicht den
Medikamenten einen schnellen Zugang zum
zentralen Kreislauf, jedoch erfordert diese
Technik spezielle Fähigkeiten und Materialien.
•Ist keiner der o.g. Zugangswege möglich stehen
alternativ der intraossäre oder der tracheale
Zugangsweg mit entsprechender Anpassung der
Medikamentendosierung zur Verfügung.
•Der intraossäre Zugangsweg ist zuverlässiger als
der endotracheale Zugangsweg, er sollte daher
bevorzugt genutzt werden.
98 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
10
Medikamente
KAPITEL
Lernziele
■ Kenntnisse von Wirkungen, Indikationen
und Dosierungen der wichtigsten
Medikamente, die zur Behandlung eines
Kreislaufstillstands verwendet werden.
■ Kenntnisse spezifischer
Vorsichtsmaßnahmen und von
Kontraindikationen bei Einsatz dieser
Medikamente.
■ Kenntnisse von Wirkungen, Indikationen
und Dosierungen der wichtigsten
Medikamente, die in der Periarrest-Phase
verwendet werden.
Einleitung
Dieses Kapitel ist in 2 Abschnitte unterteilt.
Abschnitt 1: Medikamente zur Behandlung eines
Kreislaufstillstands
Abschnitt 2: Medikamente zur Verwendung in der
Periarrest-Phase
Die Informationen in diesem Kapitel wurden sorgfältig
zusammengestellt und entsprechen dem aktuellen
Wissensstand, sie ersetzen aber nicht die aktuellen
Veröffentlichungen der relevanten Institutionen oder der
pharmazeutischen Industrie.
Jeder ALS-Provider sollte mit den Medikamenten
aus Abschnitt 1 sicher umgehen können und zu den
Medikamenten aus Abschnitt 2 Grundlagenwissen
besitzen.
Abschnitt 1. Medikamente
zur Behandlung eines
Kreislaufstillstands
Nur wenige Medikamente sind während der
unmittelbaren Behandlung eines Kreislaufstillstandes
indiziert und es liegen nur wenige wissenschaftliche
Daten vor, die deren Verwendung unterstützen.
Medikamente sollten nur in Betracht gezogen werden,
nachdem mit der Herzdruckmassage und der Beatmung
begonnen wurde und der Patient, wenn notwendig,
defibrilliert wurde.
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Sauerstoff
Jeder Patient mit einem Herz-Kreislaufstillstand
sollte mit der höchstmöglichen, verfügbaren
Sauerstoffkonzentration versorgt werden. Alle spontan
atmenden Notfallpatienten sollten Sauerstoff über eine
Maske mit Reservoir erhalten. Um das Zusammenfallen
des Reservoirs während der Inspiration zu vermeiden,
sollte der Sauerstoff-Flow nicht unter 10 l/min liegen.
Bei intubierten Patienten sollte Sauerstoff in hoher
Konzentration mit einem Beatmungsbeutel gegeben
werden.
Bei allen Patienten sollte angestrebt werden, den
arteriellen Sauerstoffpartialdruck PaO2 so eng wie
möglich den physiologischen Verhältnissen anzupassen
(paO2 ~ 13 kPa oder 100 mmHg, SpO2 ~ 97-100%). Ist das
nicht möglich, müssen natürlich auch geringere Werte
akzeptiert werden, der Minimalwert von paO2 = 8 kPa
(60 mmHg) oder eine Sauerstoffsättigung von 90-92%
sollten jedoch nach Möglichkeit nicht unterschritten
werden. Bei Patienten mit chronisch obstruktiver
Lungenerkrankung (COLD, COPD) können hohe
Sauerstoffkonzentrationen atemdepressiv wirken. Aber
auch diese Patienten sind durch eine Hypoxie gefährdet.
Organschäden oder auch ein Kreislaufstillstand können
die Folge sein. Bei diesen Patienten sollten ein niedriger
paO2 und geringere Sättigungswerte toleriert werden. Ein
brauchbares Ziel ist ein paO2 von 8 kPa (60 mmHg) oder
eine Sauerstoffsättigung von 90-92%, gemessen mittels
Pulsoximetrie.
Adrenalin
Indikationen
Dosis
Kreislaufstillstand
unabhängig von der
Ursache
1 mg i.v./i.o. alle 3-5 min
Anwendung
Adrenalin ist üblicherweise in 2 Verdünnungen erhältlich:
• 1:10.000 (10 ml dieser Lösung enthalten 1 mg
Adrenalin)
• 1:1.000 (1 ml dieser Lösung enthält 1 mg Adrenalin)
Kann ein intravasaler Zugang (intravenös oder intraossär)
verspätet oder gar nicht geschaffen werden, so können
bei einem Kreislaufstillstand 3 mg Adrenalin, mit Aqua
verdünnt auf 10-20 ml, über den endotrachealen Tubus
verabreicht werden. Die Absorption bei endotrachealer
Applikation ist unzuverlässig und von Patient zu Patient
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 99
KAP
10
Kapitel 10 Medikamente
sehr unterschiedlich.
Für die Gabe von Adrenalin in höheren Dosierungen
beim therapie-refraktären Herz-Kreislauf-Stillstand gibt es
derzeit keine Evidenz. In der Postreanimationsphase kann
die kontinuierliche Adrenalinapplikation über Perfusor
erforderlich sein.
Nach Wiedererlangen eines spontanen Kreislaufs (ROSC)
kann es durch hohe Dosen von Adrenalin zu einer
Tachykardie, myokardialen Durchblutungsstörungen,
ventrikulären Tachykardien (VT) und Kammerflimmern
(VF) kommen. Sobald ein spontaner Kreislauf erzielt
wurde und weitere Gaben von Adrenalin notwendig
sind, sollten diese vorsichtig in kleinen Dosen bis zum
Erreichen des gewünschten Blutdrucks verabreicht
werden. Für die meisten hypotensiven Patienten sind
intravenöse Dosen von 50 – 100 µg normalerweise
ausreichend.
Wirkungen
Adrenalin ist ein direkt sympathomimetisches Amin
mit alpha (α)- und beta (β)-adrenerger Wirkung. In
den bei Reanimationen angewandten Dosierungen
bewirkt die Adrenalingabe eine α- Rezeptor vermittelte
periphere Vasokonstriktion. Dies führt zur Erhöhung des
systemischen Gefäßwiderstands und zur Verbesserung
der cerebralen und der koronaren Perfusion.
Am schlagenden Herzen führt Adrenalin, vermittelt über
β1-Rezeptoren, zu einem Anstieg der Herzfrequenz und
der Herzleistung. Das kann möglicherweise auch negative
Auswirkungen haben, da dadurch der myokardiale
Sauerstoffverbrauch erhöht wird und eine vorliegende
Ischämie verstärkt werden kann. Unabhängig vom
α–vermittelten Anstieg des Perfusionsdrucks kann der
β–adrenerge Effekt den zerebralen Blutfluss verbessern.
Adrenalin wirkt durch die gesteigerte Erregbarkeit
des Myokards proarrhythmogen, dieser Effekt ist bei
ischämischem und/oder hypoxischem Myokard verstärkt.
In der Phase nach der Wiederbelebung kann Adrenalin
ein Wiederauftreten von Kammerflimmern bewirken.
Vasopressin
Seit ungefähr 40 Jahren ist Adrenalin das
Sympathomimetikum der Wahl zur Behandlung eines
Kreislaufstillstands. Die vorwiegende Wirkung entfaltet
Adrenalin über seinen α-adrenergen gefäßverengenden
Effekt, der die Durchblutung von Herz und Gehirn
verbessert. Der β-adrenerge Effekt von Adrenalin (inotrop,
chronotrop) kann ebenfalls die Durchblutung von Herz
und Gehirn verbessern, führt aber andererseits zu einer
Erhöhung des Sauerstoffverbrauchs des Herzens, ektopen
ventrikulären Arrhythmien (besonders bei hypoxischem
oder azidotischem Herzmuskel) und vorübergehender
Hypoxämie durch Verstärkung des arterio-venösen
Shunts in der Lunge.
führten zu einer verstärkten Suche nach alternativen
Vasopressoren. Vasopressin ist ein natürlich
vorkommendes anti-diuretisches Hormon. In sehr
hoher Dosierung hat es über die Aktivierung von
V1-Rezeptoren der glatten Muskulatur eine starke
gefäßverengende Wirkung. Die Bedeutung von
Vasopressin in der Behandlung des Kreislauf-stillstands
wurde erstmals beobachtet bei Überlebenden eines
Kreislaufstillstands außerhalb des Krankenhauses, bei
denen höhere Vasopressin-Spiegel als bei verstorbenen
Patienten gemessen wurden. Sowohl in klinischen
als auch in tierexperimentellen Studien konnte eine
verbesserte hämodynamische Situation bei Verwendung
von Vasopressin anstelle von Adrenalin während der
Wiederbelebung nachgewiesen werden. Nicht alle
dieser Studien zeigten jedoch eine Verbesserung des
Überlebens.
In zwei großen, randomisierten Studien wurde die
Gabe von Vasopressin mit der Gabe von Adrenalin
bei Wiederbelebungen im und außerhalb des
Krankenhauses verglichen. In beiden Studien erhielten
die Patienten zu Beginn randomisiert Adrenalin oder
Vasopressin. Bei Versagen der Initialtherapie wurde in
beiden Studiengruppen Adrenalin als weitere Therapie
eingesetzt. Keine der beiden Studien konnte eine
Verbesserung der Rate von ROSC oder Überleben
durch die Gabe von 40 IE Vasopressin (oder einmaliger
Wiederholung von Vasopressin in einer Studie) im
Vergleich mit 1 mg Adrenalin nachweisen. In der großen
Studie, die an Patienten außerhalb des Krankenhauses
durchgeführt wurde, ließ eine nachträgliche
Subgruppenanalyse (d.h. an einer Patientengruppe die
nicht vor Studienbeginn festgelegt wurde) eine erhöhte
Entlassungsrate für Patienten mit primärer Asystolie
vermuten, die Zahl der Patienten ohne neurologisches
Defizit war jedoch nicht unterschiedlich zwischen den
Behandlungsgruppen.
Eine aktuelle Metaanalyse, die fünf randomisierte Studien
umfasst, fand keine signifikanten Unterschiede bei
ROSC, 24 Stunden Mortalität und Tod vor KrankenhausEntlassung. Die Subgruppenanlyse, basierend auf
dem initialen Rhythmus, zeigte keinen statistisch
signifikanten Unterschied der Mortalitätsrate bei
Krankenhausentlassung.
Aufgrund der fehlenden Evidenz kann derzeit keine
Empfehlung für oder gegen den Einsatz von Vasopressin
als Alternative oder in Kombination mit Adrenalin
gegeben werden. Daher ist, dem derzeitigen Standard
folgend, weiterhin Adrenalin als Vasopressor der ersten
Wahl bei einem Kreislaufstillstand, unabhängig von dem
zugrunde liegenden Rhythmus, anzusehen.
Die potentiell negativen beta-Effekte von Adrenalin
100 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
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Amiodaron
Indikationen
Dosis
Refraktäres Kammerflimmern
oder pulslose
Kammertachykardie (VF/VT)
300 mg i.v.
Anwendung
Vor allem in Kombination mit anderen Präparaten, die zu
einer Verlängerung der QT-Zeit führen, kann Amiodaron
paradoxerweise zu Rhythmusstörungen führen. Es
kommt durch Amiodaron jedoch deutlich seltener zu
Rhythmusstörungen als durch andere Antiarrhythmika
unter ähnlichen Bedingungen.
Die wesentlichen schwerwiegenden Nebenwirkungen
von Amiodaron sind Hypotonie und Bradykardie,
die aber erst nach Wiedererlangen eines spontanen
Kreislaufs auftreten. Beides kann durch Reduktion
der Infusionsgeschwindigkeit, Therapie mit positiv
inotropen Substanzen und Flüssigkeitsgabe in der Regel
beherrscht werden. Weitere Nebenwirkungen durch
längere orale Einnahme (Photosensitivität, abnormale
Schilddrüsenfunktion, korneale Mikroablagerungen,
periphere Neuropathie, pulmonale Entzündung/Fibrose
und Leberfunktionsstörungen) sind in der Akutsituation
unbedeutend.
Nach der dritten erfolglosen Defibrillation werden 300
mg Amiodaron verdünnt auf 20 ml mit Glukose 5%
oder aus einer Fertigspritze intravasal appliziert. Bei
peripherer Gabe kann eine Thrombophlebitis die Folge
sein. Daher ist ein zentraler Zugang, sofern bereits
vorhanden, vorzuziehen. Falls dieser nicht vorhanden ist,
sollten eine große periphere Vene und ein großzügiger
Flüssigkeitsbolus verwendet werden. Details zur
Anwendung von Amiodaron zur Behandlung anderer
Arrhythmien werden in Abschnitt 2 dargestellt.
Im Vergleich zu Placebo oder Lidocain verbessert
Amiodaron nach drei erfolglosen Defibrillationen das
Kurzzeitüberleben bis zur Krankenhausaufnahme. In
klinischen Studien und auch im Tierversuch scheint
Amiodaron die Defibrillierbarkeit des Myokards bei
Kammerflimmern oder hämodynamisch instabilen
tachykarden Rhythmusstörungen zu verbessern.
Bezüglich des Zeitpunktes der Amiodaron-Gabe bei
der neu etablierten „Single-Shock“-Strategie gibt es
derzeit keine Evidenz. In allen bisherigen klinischen
Studien wurde Amiodaron nach der dritten Defibrillation
verabreicht. Das Fehlen alternativer Daten führt zu der
Empfehlung Amiodaron nach der dritten erfolglosen
Defibrillation einzusetzen.
Wirkungen
Amiodaron ist ein membranstabilisierendes
Antiarrhythmikum, es verlängert die Dauer des
Aktionspotentials und der Refraktärzeit in der Muskulatur
von Vorhof und Kammer.
European Resuscitation Council
Die Überleitung im AV-Knoten und auch die
Überleitung im Bereich aberrierender Leitungsbahnen
wird verzögert. Amiodaron kann durch eine nicht
kompetitive α–blockierende Wirkung zu einer geringen
Gefäßerweiterung führen und hat auch gering
ausgeprägte negativ inotrope Effekte. Der Blutdruckabfall
ist am stärksten bei schneller Injektion und wird eher
durch eine lösungsmittelbedingte (Polysorbat 80)
Histaminfreisetzung bedingt. Es sollte bevorzugt eine
wässrige Präparation von Amiodaron verwendet werden,
diese ist jedoch noch nicht weit verbreitet.
Lidocain
Indikationen
Dosis
Refraktäres Kammerflimmern oder
pulslose Kammertachykardie (VF/VT)
falls Amiodaron nicht verfügbar ist
100 mg i.v.
Anwendung
Wenn Amiodaron nicht verfügbar ist, kann bei
refraktärem Kammerflimmern und pulsloser ventrikulärer
Tachykardie, die nach drei Defibrillationen noch besteht,
100 mg (1-1,5 mg/kg) Lidocain gegeben werden. Ein
weiterer Bolus von 50 mg kann bei Bedarf verabreicht
werden. Die Gesamtdosis sollte in der ersten Stunde 3
mg/kg nicht übersteigen. Im direkten Vergleich scheint
Amiodaron dem Lidocain überlegen zu sein.
Da Lidocain in der Leber abgebaut wird, ist seine
Halbwertszeit dann verlängert, wenn die Durchblutung
der Leber bei vermindertem HZV, Erkrankungen der
Leber oder älteren Patienten vermindert ist. Während
des Kreislaufstillstands funktionieren die normalen
Ausscheidungsmechanismen nicht, dadurch kann durch
eine einzelne Gabe eine hohe Plasmakonzentration
erreicht werden. Nach 24 Stunden kontinuierlicher
Infusion nimmt die Plasmahalbwertszeit signifikant zu.
Unter diesen Bedingungen ist eine Reduktion der Dosis
notwendig und die Indikation zur kontinuierlichen
Therapie sollte regelmäßig überdacht werden.
Lidocain ist weniger wirksam bei Hypokaliämie und
Hypomagnesiämie, die rasch korrigiert werden sollten.
Wirkungen
Lidocaine is a membrane stabilising antiarrhythmic
drug that acts by increasing the myocyte refractory
period. It decreases ventricular automaticity and ectopic
activity. Lidocaine suppresses activity of depolarised,
arrhythmogenic tissues while interfering minimally with
the electrical activity of normal tissues. Therefore, it is
effective in suppressing arrhythmias associated with
depolarisation (e.g. ischaemia, digitalis toxicity) but is
relatively ineffective against arrhythmias occurring in
normally polarised cells (e.g. atrial fibrillation/flutter).
Lidocaine increases the threshold for VF.
An excessive dose of lidocaine (> 3 mg kg-1 over the first
hour) can cause paraesthesia, drowsiness, confusion, and
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 101
KAP
10
Kapitel 10 Medikamente
muscular twitching progressing to convulsions. If there
are signs of toxicity, stop the infusion immediately; treat
seizures if they occur. Lidocaine depresses myocardial
function, but this is usually transient and can be treated
with intravenous fluids or vasopressors.
Magnesium Sulphate
Indikationen
Dosis
Kammerflimmern bei
Hypomagnesiämie, das auf
eine Defibrillation nicht
anspricht
2 g Bolus i.v.
Ventrikuläre
Tachyarrhythmien bei
Hypomagnesiämie
2 g über 10 min i.v.
weitere Elektrolytstörungen wie Hypokaliämie,
Hypophosphatämie, Hyponatriämie und Hypokalzämie
vor. Hypomagnesiämie kann zu Arrhythmien bis hin
zum Herz-Kreislaufstillstand führen. Sie steigert die
myokardiale Digoxinaufnahme und hemmt die zelluläre
Na/K-ATPase. Patienten mit einer Hypomagnesiämie
und/oder einer Hypokaliämie können schon bei DigoxinPlasmakonzentrationen im therapeutischen Bereich
Symptome einer Vergiftung aufweisen.
Obwohl die Gabe von Magnesium bei Hypomagnesiämie
anerkannt ist, hat die routinemäßige Gabe von
Magnesium während des Herz-Kreislauf-Stillstands zu
keiner Verbesserung des Überlebens geführt. Sowohl
Studien im und außerhalb des Krankenhauses konnten
keine Verbesserung der Rate des Wiedererlangens
eines spontanen Kreislaufs zeigen. Es gibt jedoch
Hinweise, dass Magnesium bei therapierefraktärem
Kammerflimmern hilfreich sein könnte.
Torsades de pointes
Vorhofflimmern
Digoxin Intoxikation
Anwendung
Die intravenöse Anwendung von Magnesium stellt ein
sehr sicheres Verfahren dar und kann häufig erfolgreich
zur Behandlung von ventrikulären Tachyarrhythmien
eingesetzt werden. Magnesium wird über die Nieren
ausgeschieden, aber Nebenwirkungen bei Überdosierung
sind sogar bei Nierenversagen selten. Magnesium
blockiert die glatte Muskulatur und kann dadurch
eine Gefäßerweiterung mit konsekutivem Flush (bei
ansprechbaren Patienten) und einen dosisabhängigen
Blutdruckabfall auslösen. Dies tritt üblicherweise nur
vorübergehend auf und kann durch Therapie mit positiv
inotropen Substanzen und Flüssigkeitsgabe in der Regel
beherrscht werden.
Bei Kammerflimmern, das auf eine Defibrillation nicht
anspricht, soll 2 g (=4 ml (8 mmol)) Magnesiumsulfat
50% verabreicht werden. Dies kann nach 10-15 Minuten
wiederholt werden. Bei den anderen tachykarden
Rhythmusstörungen (siehe Tabelle) werden 2 g über 10
min verabreicht.
Wirkungen
Magnesium ist ein wichtiger Bestandteil vieler
Enzymsysteme, vor allem zur ATP-Bildung in
der Muskulatur. Es spielt eine wichtige Rolle in
neurochemischen Übertragungsprozessen, wobei
es die Freisetzung von Acetylcholin hemmen und
damit die Empfindlichkeit der motorischen Endplatte
senken kann. Magnesium steigert die Kontraktilität
des Myokards in der Stunning-Phase und kann mittels
derzeit noch unbekannten Mechanismen die Größe
eines Infarktareales limitieren. Die normale PlasmaKonzentration beträgt 0,8 – 1,0 mmol/l.
Eine Hypomagnesiämie findet sich häufig
bei hospitalisierten Patienten und oft liegen
102 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Weitere Medikamente
Es gibt wenig Evidenz für den Routineeinsatz
weiterer Medikamente wie Atropin, Kalzium und
Natriumbikarbonat beim Herz-Kreislaufstillstand.
Die folgenden Empfehlungen beruhen somit auf
den pathophysiologischen Vorgängen beim HerzKreislaufstillstand und den pharmakodynamischen
Eigenschaften der Medikamente.
Atropin
Indikationen
Dosis
Asystolie
3 mg i.v. einmalig
Pulslose Elektrische Aktivität
(PEA) mit einer Herzfrequenz
< 60 min-1
Anwendung
Der Nutzen von Atropin bei Asystolie im Rahmen
eines Herz-Kreislaufstillstands ist nicht belegt. Es gibt
vereinzelte Fallberichte, die den Nutzen von Atropin
beschreiben, eine Schädigung des Patienten erscheint
unwahrscheinlich, so dass bei der weiterhin sehr
schlechten Prognose von Patienten mit primärer Asystolie
Atropin weiterhin verwendet werden kann.
Die empfohlene Dosis für Erwachsene bei Asystolie oder
PEA mit einer Frequenz < 60/min beträgt 3 mg intravenös
als einmalige Gabe. Die Anwendung in der Behandlung
von Bradykardien wird in Abschnitt 2 behandelt.
Wirkungen
Atropin antagonisiert die Wirkung des
parasympathischen Neurotransmitters Acetylcholin an
muskarinergen Rezeptoren. Deshalb blockiert es den
Effekt des N. vagus am Sinusknoten und AV-Knoten. Die
Sinus-Automatizität nimmt zu und die AV-Überleitung
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wird beschleunigt.
Nebenwirkungen von Atropin sind dosisabhängig
(Verschwommensehen, trockener Mund und
Harnverhalt); sie sind beim Kreislaufstillstand jedoch
ohne Relevanz. Akute Verwirrungszustände können
nach intravenöser Gabe besonders bei älteren
Patienten auftreten. Erweiterte Pupillen können
ebenfalls Folge einer Atropingabe sein, sollten aber
nach einem Herz-Kreislaufstillstand nicht allein auf
diese zurückgeführt werden. In einer Reihe von
Studien von Kreislaufstillständen im und außerhalb des
Krankenhauses konnte kein Nutzen für die Anwendung
von Atropin bewiesen werden.
Kalzium
Indikationen
Dosis
Pulslose elektrische Aktivität
durch:
• Hyperkaliämie
• Hypokalzämie
• Überdosierung von KalziumKanal-Blockern
• Hypermagnesiämie
10 ml 10%
Kalziumchlorid i.v
Die routinemäßige Gabe von Natriumbikarbonat
beim Herz-Kreislaufstillstand (speziell außerhalb
des Krankenhauses) oder nach ROSC kann nicht
empfohlen werden. Steht der Herz-Kreislaufstillstand
im Zusammenhang mit einer Hyperkaliämie oder der
Intoxikation mit trizyklischen Antidepressiva, sollten
50 mmol Natriumbikarbonat appliziert werden.
Abhängig vom klinischen Zustand des Patienten und
den Ergebnissen der Blutgasanalysen kann die Gabe
wiederholt werden. Die Gabe von Natriumbikarbonat
bei einem pH-Wert von weniger als 7,1 wird kontrovers
diskutiert. Im Herz-Kreislaufstillstand gibt die arterielle
Blutgasanalyse den Säure Basen Status auf Gewebsebene
nur unzureichend wieder. Der Gewebe-pH-Wert ist
normalerweise noch niedriger als der Blut-pH-Wert.
Gemischtvenöse Blutgaswerte würden eine genauere
Abschätzung des Gewebe-pH-Wertes ermöglichen, diese
müssten aber über einen pulmonalarteriellen Katheter
abgenommen werden und dieser ist bei Patienten mit
einem Herz-Kreislaufstillstand selten vorhanden. Ist bei
Reanimation ein zentraler Venenkatheter vorhanden,
lässt eine zentralvenöse Blutgasanalyse den Säure-BasenStatus des Gewebes besser abschätzen.
Wirkungen
Anwendung
Kalzium kann die Herzfrequenz verlangsamen
und Arrhythmien verursachen. Bei einem HerzKreislaufstillstand wird Kalzium als Bolus intravenös
gegeben. Hat der Patient einen Spontankreislauf, sollte
Kalzium langsam verabreicht werden. Kalzium-Lösungen
und Natriumbikarbonat dürfen nicht gleichzeitig über
denselben Zugang gegeben werden.
Die initiale Dosis beträgt 10 ml 10% Kalziumchlorid (6,8
mmol Ca2+) und kann im Bedarfsfall wiederholt werden.
Wirkungen
Kalzium spielt bei der Myokardkontraktion eine
wesentliche Rolle. Es gibt nur wenige Studien,
die einen günstigen Effekt der Kalziumgabe beim
Herz-Kreislaufstillstand zeigen. Hohe KalziumPlasmakonzentrationen können weitere Schädigungen
am ischämischen Myokard verursachen und die cerebrale
Erholung verzögern. Aus diesem Grund sollte Kalzium nur
bei eindeutiger Indikation gegeben werden.
Natriumbikarbonat
Indikationen
Anwendung
Dosis
Lebensbedrohliche Hyperkaliämie 50 ml 8.4%
oder Hyperkaliämie bei Herzsodium
Kreislaufstillstand
bicarbonate IV
Intoxikation mit trizyklischen
Antidepressiva
European Resuscitation Council
Die Gabe von Natriumbikarbonat führt zur Bildung
von CO2. Dieses diffundiert schnell in die Zellen. Dies
verstärkt die intrazelluläre Azidose und hat negativ
inotrope Effekte am ischämischen Myokard. Die Gabe
von Natriumbikarbonat bewirkt eine hohe, osmotisch
wirksame Natriumbelastung des bereits vorgeschädigten
Kreislaufs und Gehirns. Zusätzlich kommt es zu einer
Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve
und damit zu einer weiteren Hemmung der
Gewebssauerstoffversorgung.
Eine leichte Azidose verursacht eine Vasodilatation
und kann zu einem Anstieg des zerebralen Blutflusses
führen. Daher kann eine vollständige Korrektur des
arteriellen pH-Werts den zerebralen Blutfluss zu einem
besonders kritischen Zeitpunkt sogar verringern.
Da das Bikarbonat-Ion als CO2 über die Lungen
ausgeschieden wird, muss nach Gabe die Beatmung
intensiviert werden. Aus allen diesen Gründen muss eine
schwerwiegende metabolische Azidose vorliegen, um
eine Natriumbikarbonat-Gabe zu rechtfertigen.
Flüssigkeitsgabe
Die Hypovolämie gehört zu den potentiell reversiblen
Ursachen eines Herz-Kreislaufstillstandes – bei
vermuteter Hypovolämie soll Flüssigkeit zugeführt
werden. In der Frühphase einer Reanimation sollten
Vollelektrolytlösungen eingesetzt werden. Vorteile
einer frühen Gabe kolloidaler Substanzen konnten
bisher nicht gezeigt werden. Glucosehaltige Lösungen
sollten vermieden werden, da Glucose schnell aus
dem Intravasalraum umverteilt wird und die daraus
resultierende Hyperglykämie das neurologische Outcome
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 103
KAP
10
Kapitel 10 Medikamente
verschlechtern kann.
Bei Vorliegen einer Ursache, die chirurgisch behandelt
werden kann (postoperative Nachblutung, rupturiertes
Aortenaneurysma, Trauma), sollte die Flüssigkeitszufuhr
reduziert werden sobald ein peripherer Puls tastbar ist.
Die chirurgische Behandlung ist so schnell wie möglich
einzuleiten. Eine weitere exzessive Flüssigkeitstherapie
kann die Blutung verstärken und zu einer bedrohlichen
Verdünnung der Gerinnungsfaktoren führen.
allem bei Pulmonalembolie als Ursache, beschreiben.
Der Einsatz thrombolytisch wirksamer Präparate zur
Wiedereröffnung thrombotisch verschlossener Koronarund Pulmonalarterien wurde in mehreren Studien
untersucht. In Tierversuchen zeigten die Thrombolytika
günstige Effekte auf die zerebrale Perfusion während
der Reanimation und eine klinische Studie konnte eine
Reduktion der hypoxischen Enzephalopathie nach
Reanimation zeigen.
Es ist unklar, ob generell Flüssigkeit während des HerzKreislaufstillstands gegeben werden soll. Es liegen
keine klinischen Studien zur Flüssigkeitsgabe beim
normovolämischen Herz-Kreislaufstillstand vor. Die
exzessive Flüssigkeitsgabe ohne Anhalt für Vorliegen
einer Hypovolämie kann für den Patienten schädlich
sein. Ein Flüssigkeitsbolus ist jedoch erforderlich, um
peripher applizierte Medikamente in den zentralen
Kreislauf einzuschwemmen. Nach ROSC kann die
Flüssigkeitsgabe jedoch abhängig von der klinischen und
hämodynamischen Situation erforderlich sein.
Mehrere Studien haben die Wirkung der
thrombolytischen Therapie beim nicht traumatisch
verursachten Herz-Kreislaufstillstand, der nicht auf die
Standardtherapie angesprochen hatte, untersucht.
Zwei dieser Studien konnten eine ROSC-Zunahme ohne
Steigerung der Zahl der Krankenhausentlassungen
zeigen, eine weitere Studie zeigte eine höhere
Intensivstations-Überlebensrate.
Thrombolyse während der Reanimation
Indikationen
Dosis
Herz-Kreislaufstillstand
bei vermuteter
Lungenembolie
• Alteplase (r-tPA) 10 mg
i.v. über 1-2 min im
Anschluss 90 mg über
2h
Anwendung
Ein Überleben mit gutem neurologischen Outcome,
selbst nach Reanimationsintervallen von mehr als 60
Minuten, ist nach thrombolytischer Therapie unter CPR
bei vermuteter Lungenembolie beschrieben. Nach
Applikation eines Thrombolytikums sollte in Betracht
gezogen werden, die Reanimation für mindestens 60 – 90
Minuten fortzuführen.
Indikationen
Eine thrombolytische Therapie sollte in Betracht gezogen
werden, wenn als Ursache für den Herz-Kreislaufstillstand
eine Lungenembolie nachgewiesen ist oder vermutet
wird. Derzeit liegen keine ausreichenden klinischen
Daten vor, um die Thrombolyse generell beim HerzKreislaufstillstand nicht traumatischer Genese zu
empfehlen. Die Thrombolyse kann im Einzelfall bei
therapierefraktärer Reanimation erwachsener Patienten
mit vermutetem thrombotischen Ereignis erwogen
werden. Die fortgeführte Herzdruckmassage ist nicht als
Kontraindikation für eine thrombolytische Therapie zu
sehen.
Wirkung
Die Hauptursache für den Herz-Kreislaufstillstand bei
erwachsenen Patienten ist die akute Myokardischämie
nach thrombotischem Verschluss der Koronararterien.
Es gibt einige Fallberichte, die den erfolgreichen Einsatz
eines Thrombolytikums bei Herz-Kreislaufstillstand, vor
104 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Bei Kreislaufstillstand aufgrund vermuteter oder
nachgewiesener Lungenembolie konnten zwei Studien
einen möglichen Nutzen für die Patienten zeigen.
Eine weitere zeigte eine verbesserte Überlebensrate
nach 24 Stunden. In mehreren klinischen Studien und
Fallberichten konnte kein erhöhtes Blutungsrisiko nach
dem Einsatz von Thrombolytika unter der Reanimation
beobachtet werden.
Abschnitt 2. Medikamente
zum Einsatz in der PeriarrestPhase
Dieser Abschnitt liefert detaillierte Informationen zu den
Medikamenten, die in der Periarrest-Phase verwendet
werden. Die Rolle von Atropin, Amiodaron und Lidocain
zur Behandlung eines Herz-Kreislauf-Stillstands wurde
in Abschnitt 1 behandelt. Die Medikamente sind in
alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.
Merke: Alle Medikamente, die zur Behandlung von
Arrhythmien eingesetzt werden, können ihrerseits
Arrhythmien verursachen.
Adenosin
Indikationen
Dosis
Stabile und regelmäßige
Schmalkomplex-tachykardie (oder
Breitkomplextachykardie mit
bekanntem supraventrikulären
Ursprung und Schenkelblock), die
nicht durch vagale Manöver beendet
werden kann
6 mg, 12 mg,
12 mg i.v.
Anwendung
Gabe nur bei sichergestellter Monitorüberwachung
(Überwachungseinheit, Intensivstation). Die Gabe kann
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einen vorübergehenden ventrikulären Herzstillstand
verursachen.
Der wesentliche Vorteil der Gabe von Adenosin
ist, dass verglichen mit Verapamil, dies auch bei
Breitkomplextachykardien unbekannten Ursprungs
durchgeführt werden kann. Die Kammerfrequenz wird bei
supraventrikulären Tachykardien (SVT) vorübergehend
verlangsamt, bei ventrikulären Tachykardien (VT) kommt
es zu keiner Veränderung. Adenosin beendet zuverlässig
die Mehrzahl von Tachykardien, die durch einen
Reentry-Mechanismus im Bereich der AV Überleitung
bedingt sind. Ein weiterer Vorteil sind die fehlenden
negativ inotropen Effekte der Substanz, so dass es bei
Gabe nicht zur Verminderung des Herzindex oder zum
Blutdruckabfall kommt. Adenosin kann problemlos bei
Patienten unter Beta-Blocker-Therapie eingesetzt werden.
Der Patient muss über vorübergehende Nebenwirkungen
wie Flush, Übelkeit und Brustschmerzen vor der
Gabe aufgeklärt werden. Adenosin ist nicht in allen
europäischen Ländern verfügbar, Adenosintriphosphat
(ATP) ist hier eine mögliche Alternative. Ist keine der
Substanzen verfügbar, so ist Verapamil das Mittel der
Wahl.
Die Effekte von Adenosin werden durch Theophyllin und
verwandte Substanzen blockiert. Unter Dipyridamol- oder
Carbamazepintherapie sowie am denervierten Herzen
kann es zu einer gefährlichen Wirkungsverstärkung
kommen. Beim Wolff-Parkinson-White-Syndrom kann
die Blockade der AV-Überleitung durch Adenosin zu
einer verstärkten aberranten Überleitung führen. Bei
Vorliegen von Vorhofflimmern oder flattern mit einer
zusätzlichen Überleitung kann Adenosin paradoxerweise
die Überleitung über den anormalen Weg vermehren und
zu gefährlich hohen Kammerfrequenzen führen.
Die minimale Wirkdosis beträgt 6 mg (entspricht nicht
überall den Dosierungsrichtlinien), bei fehlendem Erfolg
sollte die Gabe mit zweimal je 12 mg im Abstand von 1-2
Minuten wiederholt werden.
Wirkungen
Adenosin ist ein natürlich vorkommendes PurinNukleotid. Es verlangsamt die Überleitung am AVKnoten und hat nur geringen Einfluss auf andere
Herzmuskelzellen und die übrige Reizleitung. Es ist sehr
effektiv zur Terminierung von paroxysmalen SVT mit
re-entry-Kreislauf, die den AV-Knoten mit einschließt
(AVNRT, AVRT). Bei anderen Schmalkomplextachykardien
(Vorhofflimmern) kann Adenosin durch Verlangsamung
der Ventrikelfrequenz die zugrunde liegende
Rhythmusproblematik demaskieren. Die Substanz hat
mit 10-15 Sekunden eine extrem kurze Halbwertszeit und
sollte zügig als Bolus in eine schnell laufende Infusion
oder von einem Flüssigkeitsbolus gefolgt verabreicht
werden.
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Amiodaron
Indikationen
Dosis
• Stabile VT, Polymorphe VT,
Breitkomplex-tachykardie
unbekannten Ursprungs
• Therapierefraktäre PSVT
(Adenosin, Vagale Manöver,
AV-Blockade)
• Schnelle Ventrikelfrequenz
bei akzessorischer
Überleitung und
Präexzitationsarrhythmien auf
Vorhofebene
300 mg i.v. über 2060 min danach 900
mg über 24 h
• Auf Kardioversion
therapierefraktäre
hämodynamisch instabile
Tachykardie
300 mg i.v. über 1020 min danach 900
mg über 24 h
Anwendung
Abhängig von den klinischen Bedingungen und dem
hämodynamischen Zustand des Patienten werden 300
mg Amiodaron in 10 – 60 Minuten intravenös appliziert.
Nach dieser Aufsättigungsdosis werden weitere 900
mg über 24 Stunden als Dauerinfusion gegeben. Falls
erforderlich, können bei therapierefraktären oder erneut
auftretenden Tachyarrhythmien weitere Bolusgaben von
150 mg bis zu einer Tageshöchstdosis von 2g verabreicht
werden (die Tageshöchstdosis ist in einzelnen Ländern
unterschiedlich). Bei Patienten mit höhergradiger
Einschränkung der Herzleistung ist Amiodaron sowohl bei
Arrhythmien aus dem Vorhof als auch bei ventrikulären
Arrhythmien anderen Antiarrhythmika vorzuziehen. Die
schwerwiegendsten Nebenwirkungen sind Hypotension
und Bradykardie, in der Regel können diese durch
Verlangsamung der Infusionsrate beherrscht werden.
Amiodaron sollte bevorzugt über einen zentralvenösen
Katheter appliziert werden, bei periphervenöser Gabe
kann es zu Thrombophlebitiden kommen. In der
Notfallsituation kann Amiodaron natürlich auch in eine
großlumige periphere Vene appliziert werden.
Die Plasmaspiegel von oralen Antikoagulantien (Cumarin,
Warfarin) und Digoxin werden durch Amiodaron erhöht,
daher sollten deren Dosierungen reduziert werden.
Die Cumarindosis muss üblicherweise um 1/3 reduziert
werden, die Digoxindosis muss halbiert werden. INR
und Digoxinspiegel müssen im Bedarfsfall engmaschig
kontrolliert werden. Amiodaron zeigt einen additiven
Effekt mit Betablockern und Kalziumkanal-Blockern,
der zu einer Zunahme des Grades von AV-KnotenBlockierungen führen kann.
Acetylsalicylsäure
Indikationen
Dosis
• Akute Coronarsyndrome
(Kapitel 3)
300-325 mg oral zur
Aufsättigung danach 75
mg täglich
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 105
KAP
10
Kapitel 10 Medikamente
Beta-Blocker
Anwendung
Initial werden 300 – 325 mg als orale Einzeldosis
verabreicht. Die Wirksamkeit scheint unabhängig vom
Zeitpunkt der Gabe zu sein. Beim akuten Koronarsyndrom
(s. Kapitel 3) sollte es unabhängig von der Verzögerung
seit Symptombeginn gegeben werden. Die regelmäßige
Acetylsalicylsäure-Einnahme kann zu akuten oder
chronischen oberen gastrointestinalen Blutungen führen.
Das Risiko ist dosisabhängig.
Die Hemmung der Thrombozytenaggregation beginnt
nach etwa 30 Minuten, die Verabreichung ist einfach und
die Substanz wird in der Regel gut vertragen, so dass
bei Fehlen von Kontraindikationen, das Präparat zum
frühestmöglichen Zeitpunkt eingesetzt werden sollte.
Wird eine Thrombolysetherapie in der Frühphase
durchgeführt sollte Aspirin begleitend eingesetzt
werden um das Risiko einer frühen Reokklusion der
Koronararterien zu verringern.
Wirkungen
Acetylsalicylsäure verbessert die Prognose von Patienten
mit akutem Koronarsyndrom und senkt die Mortalität
signifikant. Die Hemmung der Thrombozytenaggregation
ist der wesentliche Wirkmechanismus.
Atropin
Indikationen
Dosis
Sinus-, Vorhof-, oder AVKnoten-Bradykardie bei
instabilen Patienten
0,5 mg i.v. wiederholt
bis zu maximal 3 mg
Anwendung
Anfänglich werden 0,5-1 mg intravenös verabreicht.
Gegebenenfalls sind wiederholte Gaben
erforderlich. Wenn dies wirkungslos ist, sollte eine
Schrittmachertherapie erwogen werden (s. Kapitel 11).
Überleitungsstörungen oder Bradykardien aufgrund einer
erhöhten Vagusaktivität können mit Atropin erfolgreich
behandelt werden.
Indikationen
Dosis
• Regelmäßige
Schmalkomplextachykardien, die
auf vagale Manöver
und Adenosin bei
Patienten mit adäquater
ventrikulärer Funktion
nicht ansprechen
• Zur Frequenzkontrolle
bei Vorhofflimmern
und –flattern mit einer
Dauer von weniger als 48
Stunden und adäquater
ventrikulärer Funktion
• Atenolol (β1) 5 mg i.v.
über 5 min
• Metoprolol (β1) 2-5
mg i.v. alle 5 min,
maximal 15 mg
• Propanolol (β1 and
β2) 100 µg/kg auf 3
Dosen aufgeteilt in 2
min Abständen
• Esmolol (β1) 500
µg/kg über 1 min,
danach 50-200 µg/
kg/min
Anwendung
Beta-Blocker sind Mittel der zweiten Wahl nach Adenosin
zur Behandlung von Schmalkomplextachykardien
(oder Breitkomplextachykardien die durch eine
SVT mit aberranter Leitung verursacht werden) (s.
Kapitel 12). Die Anwendung eines β-Blockers kann
linksventrikuläre Funktionsstörungen bei Patienten
mit Kammerfunktionsstörung, Hypotension, oder
Erregungsleitungsblocks hervorrufen. Eine schwer
zu behandelnde, ausgeprägte Bradykardie kann
dadurch verursacht werden. Das Risiko eines
Erregungsleitungsblocks oder einer Asystolie ist
erhöht, wenn Verapamil bei einem Patienten unter
β-Blocker-Therapie intravenös verabreicht wird. Dies
tritt besonders dann auf, wenn der β-Blocker ebenfalls
intravenös gegeben wurde. Aus den gleichen Gründen
sollte die Kombination eines β-Blockers mit anderen
antiarrhythmischen Medikamenten wie z.B. Lidocain
vermieden werden.
Bei der Behandlung einer SVT ist Vorsicht geboten, um
nicht eine nicht-lebensbedrohliche Situation durch
unüberlegte Gabe von vielen verschieden Medikamenten
in eine lebensbedrohliche zu verwandeln.
Mit Esmolol steht eine kurzwirksame (HWZ 2-9 min) β1selektive Substanz zur i.v. Gabe zur Verfügung.
Wirkungen
Beta-Blocker (Atenolol, Metoprolol, Labetalol
(alpha- und beta-blockierende Wirkung), Propanolol,
Esmolol) verringern die Herzfrequenz und den
Blutdruck durch Verminderung der Wirkung der
zirkulierenden Katecholamine. Bei Patienten mit akutem
Koronarsyndrom haben sie schützende Effekte auf das
Myokard.
Nebenwirkungen sind Bradykardie, AVÜberleitungsstörungen, Hypotension und
Bronchospasmus. Als Kontraindikationen gelten AV Block
II und III, Hypotension, schwere Herzinsuffizienz und
Lungenerkrankungen mit Bronchospasmus.
106 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Kalzium-Kanal-Blocker: Verapamil und
Diltiazem
Indikationen
Dosis
Stabile, regelmäßige
Schmalkomplextachykardie,
die auf eine Behandlung
mit vagalen Manövern und
Adenosin nicht anspricht
Verapamil 2,5 – 5mg
i.v. über 2 min oder
Diltiazem 15-20 mg i.v.
über 2 min
Ventrikel-Frequenzkontrolle Diltiazem 15-20 mg i.v.
bei Vorhofflimmern oder
über 2 min
–flattern mit einer Dauer von
weniger als 48 Stunden
Anwendung
Verapamil wird intravenös zur Behandlung von SVT
nur dann verwendet, wenn die Diagnose gesichert ist.
Es hat einen signifikanten negativ-inotropen Effekt
und darf Patienten mit einer Breitkomplextachykardie
ventrikulären oder unklaren Ursprungs nicht gegeben
werden.
Nebenwirkungen sind, wie bei anderen Vasodilatatoren,
Flush, Kopfschmerzen und Hypotension. Der blutdrucksenkende Effekt kann schwerwiegend sein. Die
antiarrhythmische Wirkung hält nach intravenöser Gabe
für etwa 6 Stunden an.
Die intravenöse Verapamildosis beträgt 2,5-5 mg über
2 Minuten. Bei fehlendem therapeutischen Effekt und
Ausbleiben von Nebenwirkungen können weitere
5-10 mg in Abständen von 15-30 Minuten bis zu einer
Maximaldosis von 20 mg gegeben werden. Nach jeder
Gabe müssen die Patienten sorgfältig überwacht werden.
Verapamil darf nur bei einer gesicherten SVT appliziert
werden.
Die erste Gabe von Diltiazem beträgt 0,25 mg/kg, die
Wiederholungsdosis beträgt 0,35 mg/kg. Die Wirksamkeit
ist der von Verapamil vergleichbar. Die i.v. Präparation
ist nicht in allen europäischen Staaten verfügbar (z.B.
UK). Sowohl Verapamil, als auch, allerdings in geringerer
Ausprägung, Dilitazem verringern die Kontraktilität des
Myokards und können zu einer kritischen Verminderung
der Herzleistung mit konsekutivem Linksherzversagen
führen. Wie bereits für Adenosin beschrieben (siehe
oben), können Kalziumkanalblocker ungünstige
Wirkungen
Beide Substanzen verlangsamen durch Blockade
der Kalzium-Kanäle die Reizleitung und erhöhen die
Refraktärzeit im AV Knoten. Dadurch können Reentry
Arrhythmien, die den AV-Knoten mit einbeziehen,
beendet und die Ventrikelfrequenz bei anderen
Vorhofarrhythmien kontrolliert werden.
European Resuscitation Council
Digoxin
Indikationen
Dosis
Vorhofflimmern mit schneller 500 µg i.v. über 30 min
Überleitung
Anwendung
Digoxin hat als antiarrhythmisches Medikament nur
begrenzten Nutzen. Bei Vorhofflimmern mit schneller
Überleitung kann es die Kammerfrequenz verringern.
Bei akut aufgetretenem Vorhofflimmern ist der
Wirkungseintritt jedoch langsam und es ist weniger
effektiv als alternative Substanzen wie Amiodaron oder
Beta-Blocker.
Die wesentlichen Nebenwirkungen sind Übelkeit, Diarrhö,
Anorexie, Verwirrtheitszustände und Schwindel. Diese
nehmen in ihrer Intensität bei steigender DigoxinKonzentration im Serum zu. Bei Digoxin-Überdosierung
können auch Arrhythmien auftreten. Die toxischen
Wirkungen von Digoxin nehmen bei Hypokaliämie,
Hypomagnesiämie, Hypoxie, Hyperkalziämie,
Nierenfunktionsstörungen und Hypothyreose zu. Die
Substanz kann durch direkte Messung der PlasmaKonzentration nachgewiesen werden.
Eine rasche Digitalisierung wird entweder durch
intravenöse Gabe oder durch Kombination von
intravenösen und oralen Initialdosen erreicht. Maximal
werden 500 µg Digoxin in 50 ml Glukose 5% intravenös
über 30 Minuten gegeben, eine einmalige Wiederholung
ist möglich. Bei älteren und kleinen Patienten, sowie bei
Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand muss die
Anfangsdosis reduziert werden. Die orale Erhaltungsdosis
liegt zwischen 62,5 µg und 500 µg am Tag, oberhalb einer
Tagesdosis von 250 µg ist das Vergiftungsrisiko deutlich
erhöht. Die Halbwertszeit von Digoxin beträgt bei
Patienten mit normaler Nierenfunktion etwa 36 Stunden,
ist aber bei beeinträchtigter Nierenfunktion erheblich
verlängert.
Wirkungen
Digoxin ist ein Herzglykosid, das die Kammerfrequenz
verlangsamt durch:
• Erhöhung des Vagotonus;
• Verminderung der Sympathikusaktivität durch
Hemmung der Barorezeptoren;
• Verlängerung der Refraktärzeit des AV-Knotens.
Die Kontraktilität des Myokards wird verbessert,
es erhöht die Automatizität und verringert die
Überleitungsgeschwindigkeit in den Purkinje-Fasern.
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 107
KAP
10
Kapitel 10 Medikamente
Inotropika und Vasopressoren:
Dobutamin, Adrenalin, Noradrenalin
und Dopamin
Dobutamin
Indikationen
• Hypotension, die nicht durch
Hypovolämie verursacht ist
Dosis
5-20 µg/kg/min
• Kardiogener Schock
Anwendung
Dobutamin ist in der Post-Reanimationsphase häufig
die inotrope Substanz der Wahl. Es ist indiziert, wenn
niedriges Herzminutenvolumen und Hypotension zu
merklich verminderter Gewebeperfusion führen. Die
Substanz wird vor allem bei einem Lungenödem oder
wenn die Hypotension den Einsatz von Vasodilatatoren
verhindert, eingesetzt. Die hämodynamische
Überwachung des Patienten ist zwingend erforderlich
und sollte im Überwachungs- oder Intensivbereich
durchgeführt werden. Nach Möglichkeit sollte die
Entwicklung von Tachykardien vermieden werden, um
einer weiteren myokardialen Ischämie vorzubeugen.
Arrhythmien können besonders bei höherer Dosierung
auftreten. Die Substanz muss bei Beendigung
der Therapie ausgeschlichen werden um einen
Blutdruckabfall zu vermeiden.
Das Medikament hat eine kurze Halbwertszeit und
ist als intravenöse Infusion, bevorzugt über eine
Spritzenpumpe, zu verabreichen. Die übliche Dosis liegt
zwischen 5-20 µg/kg/min und wird dem Blutdruck und/
oder dem Herzminutenvolumen angepasst.
Wirkungen
Dobutamin ist ein synthetisches Katecholamin mit
Wirkungen, die über β1-, β2- und α1-Rezeptoren vermittelt
werden. Es übt auf den Herzmuskel eine positiv inotrope
Wirkung über die Stimulation von β1-Rezeptoren aus. In
den peripheren Blutgefäßen führt die β2-Stimulation zu
Vasodilatation und Absinken des peripheren Widerstands.
Dies kann zu einem Absinken des Blutdrucks führen.
In der Summe der Effekte resultiert ein erhöhtes
Herzminutenvolumen. Der renale Blutfluss wird
ebenfalls normalerweise gesteigert. Dobutamin führt
zu einem geringeren Anstieg des Sauerstoffbedarfs des
Herzmuskels und bedingt seltener Arrhythmien als die
übrigen Inotropika.
Adrenalin
Indikationen
Dosis
Mittel zweiter Wahl
zur Behandlung des
kardiogenen Schocks
0,05 – 1 µg/kg/min
Alternative zur externen
Schrittmachertherapie bei
Bradykardien
2–10 µg/min
Anaphylaxie
Siehe Kapitel 13
Anwendung
Eine Adrenalininfusion ist in der Post-Reanimationsphase
angezeigt, wenn durch weniger potente inotrope
Substanzen (wie Dobutamin) das Herzminutenvolumen
(HZV) nicht adäquat gesteigert werden konnte. Es ist
ebenfalls indiziert zur Therapie von Bradykardien mit
Instabilitätszeichen und/oder dem Risiko einer Asystolie,
wenn diese nicht auf Atropin ansprechen und ein
Schrittmacher nicht verfügbar ist oder dessen Einsatz
keinen Erfolg zeigte.
Die übliche Anfangsdosis in der Post-Reanimationsphase
beträgt 0,05 -1 µg/kg/min. Die Infusion sollte mit
niedriger Geschwindigkeit begonnen und je nach
arteriellem Blutruck und/oder HZV gesteigert werden. Bei
Bradykardien, die nicht auf Atropin ansprechen, beträgt
die Anfangsdosis 2-10 µg/min.
Wirkungen
Die α- und β-agonistischen Eigenschaften von Adrenalin
führen zu einer deutlichen Steigerung der Kontraktilität
und zur Vasokonstriktion. Dadurch werden Blutdruck
und HZV gesteigert, aber die begleitende Tachykardie
und der Anstieg der Nachlast können eine erhebliche
myokardiale Ischämie verursachen. Adrenalin kann auch
eine Darmischämie auslösen.
Noradrenalin
Indikationen
Dosis
• Schwerwiegende
Hypotension bei geringem
peripheren Widerstand
(z.B. septischer Schock)
und Ausschluss einer
Hypovolämie
• Als Alternative zu Adrenalin
bei der Behandlung des
kardiogenen Schocks
0,05-1 µg/kg/min
Anwendung
Noradrenalin ist in der Post-Reanimationsphase
indiziert, wenn Hypotension und vermindertes HZV zu
signifikant verminderter Gewebsperfusion führen. Eine
Hypovolämie muss zuvor korrigiert werden. Die Substanz
ist besonders wirkungsvoll, wenn der Kreislaufstillstand
bei ausgeprägter Vasodilatation (z.B. Sepsis oder
108 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
andere Ursachen, die ein „systemic inflammatory
response syndrome“ (SIRS) verursachen) aufgetreten ist.
Noradrenalin kann mit Dobutamin kombiniert werden.
Die hämodynamische Überwachung des Patienten
auf einer Intensivstation ist erforderlich. Noradrenalin
sollte unbedingt über einen zentralvenösen Katheter
verabreicht werden, da es bei subkutaner Extravasation
zu schweren Gewebsnekrosen kommt.
α- und β-Rezeptor-vermittelte Effekte. Mittlere
Infusionsraten (2-10 µg/kg/min) steigern das HZV und
den systolischen Blutdruck (β1). Hohe Infusionsraten (über
10 µg/kg/min) verursachen über α1- und α2-Rezeptoren
eine ausgedehnte Vasokonstriktion. Dopamin kann
Arrhythmien verursachen, den Sauerstoffbedarf des
Herzmuskels erhöhen und eine Ischämie verstärken.
Die Substanz hat eine kurze Halbwertszeit und sollte
als Infusionen über eine Spritzenpumpe verabreicht
werden. Es sollte die niedrigste effektive Dosis verabreicht
werden. Die Startdosis beträgt 0,05 µg/kg/min und wird
entsprechend dem arteriellen Blutdruck angepasst.
Lidocain
Wirkungen
Noradrenalin ist ein Katecholamin mit hochpotenter
α-agonistischer Wirkung. Die Substanz hat auch eine
gering ausgeprägte ß-agonistische Wirkung. Die Gabe
führt zu einer ausgeprägten Vasokonstriktion und einer
geringen positiv-inotropen Wirkung. Die Wirkung auf
das HZV wird durch mehrere Faktoren (Blutvolumen,
Gefäßwiderstand,…) beeinflusst, üblicherweise wird das
HZV gesteigert. Noradrenalin kann den myokardialen
Sauerstoffbedarf erhöhen, dieser Effekt kann aber durch
die verbesserte Koronarperfusion und die bessere
Sauerstoffversorgung des Myokards ausgeglichen
werden.
Dopamin
Indikationen
Dosis
Hypotension, die nicht durch
Hypovolämie entstanden ist
1- 10 µg/kg/min
Anwendung
Dopamin hat eine erhebliche individuelle Wirkungsbreite,
Dosisbereiche zur Stimulation spezifischer Rezeptoren
können nicht angegeben werden. Die Urinausscheidung
ist unter Dopamin häufig verbessert, die Substanz hat
aber keinen positiven Effekt auf die Nierenfunktion.
Dopamin sollte mittels Spritzenpumpe über eine
zentrale Vene verabreicht werden. Die Anwendung von
Dopamin erfordert eine invasive Überwachung in einer
Intensivstation oder Überwachungseinheit.
Die Startdosis beträgt 1-2 µg/kg/min. Zur Steigerung von
HZV und Blutdruck werden üblicherweise 5-10 µg/kg/min
benötigt.
Wirkungen
Dopamin ist die Vorstufe der natürlich vorhandenen
Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin. Die
Substanz hat einen dosisabhängigen positiv-inotropen
Effekt, vermittelt über Dopamin (D1 und D2), α1- und
β1-Rezeptoren. Theoretisch verursachen niedrige
Infusionsraten (1-2 µg/kg/min) eine Vasodilatation der
Nierenarterien (über D1-Rezeptoren) und steigern die
glomeruläre Filtrationsrate und die Natriumausscheidung.
Klinisch verursacht niedrig dosiertes Dopamin auch
European Resuscitation Council
Indikationen
Dosis
Hämodynamisch stabile
ventrikuläre Tachykardie (als
Alternative zu Amiodaron)
50 mg i.v.
Anwendung
Lidocain ist eine Alternative zu Amiodaron zur initialen
Behandlung einer ventrikulären Tachykardie ohne
Instabilitätszeichen.
Initial werden 50 mg i.v. appliziert. Nach rascher
Umverteilung beträgt die Wirkdauer etwa 10 min. Falls
erforderlich kann diese Dosis alle 5 Minuten bis zu einer
Maximaldosis von 200 mg wiederholt werden.
Naloxon
Indikationen
Dosis
Opioid-Überdosierung (s.
Kapitel 13)
400 – 800 µg i.v.
KAP
Anwendung
Naloxon hebt alle Effekte exogener Opioide auf,
insbesondere die zerebrale Dämpfung und die
Atemdepression. Die Wirkdauer ist sehr kurz, so dass
wiederholte Injektionen erforderlich sein können.
Das Aufheben der Opioid-Wirkung kann zum
Schmerzdurchbruch führen und Unruhezustände bei
abhängigen Patienten verursachen.
Die Initialdosis bei Erwachsenen beträgt 0,4-0,8 mg i.v.
Diese kann alle 2-3 Minuten bis zu einem Maximum von
10 mg wiederholt werden. Alternativ wird eine NaloxonInfusion wirkungsabhängig angepasst.
Wirkungen
Naloxon ist ein spezifischer, kompetitiver Antagonist an
µ-, δ- und κ-Opioidrezeptoren.
Nitrate
Indikationen
Dosis
Prophylaxe und
Unterbrechung einer Angina
pectoris
Nitroglyzerin: 300-600
µg sublingual
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 109
10
Kapitel 10 Medikamente
Instabile Angina pectoris
Sublingual 400 µg,
buccal 1-5 mg
Myokardinfarkt
Buccal 5 mg,
transdermal 5-15 mg
Akutes und chronisches Linksherzversagen
10-200 µg/min i.v.
Isosorbit Mono- or
Dinitrat: 10-60 mg oral
Anwendung
Die Dauer der Wirkung hängt vom verwendeten
Nitrat und der Art der Gabe ab. Buccal und subligual
verabreichte Nitrate wirken innerhalb von 1-2 Minuten.
Wenn Nebenwirkungen auftreten, kann die Tablette rasch
entfernt werden. Die sichere Anwendung intravenöser
Nitrate erfordert eine hämodynamische Überwachung,
da es zu erheblichen Blutdruckabfällen kommen kann.
Nitrate dürfen hypotonen Patienten nicht gegeben
werden. Weitere Nebenwirkungen sind Flush und
Kopfschmerzen.
Glyceroltrinitrat (GTN) kann als sublinguale Kapsel (300600 µg), als Spray (400 µg), über buccale Absorption (1-5
mg) oder transdermal (5-15mg) sowie intravenös (10-200
µg/min) verabreicht und bei Bedarf wiederholt werden.
Isosorbidmononitrat oder -dinitrat wird oral (30-120 mg
täglich) gegeben.
Eine Erwachsenendosis von 0,05-0,1 mg Fentanyl und 510 mg Morphin sind gleich wirksam.
Wirkungen
Morphin und Fentanyl sind Opioid-Analgetika. Sie
vermindern durch Erhöhung der Venenkapazität und
geringe arterielle Vasodilatation die ventrikuläre Vorund Nachlast und verringern dadurch den myokardialen
Sauerstoffbedarf.
Thrombolytische Therapie bei akutem
Myokardinfarkt
Indikationen
Brustschmerzen, die auf einen akuten Myokardinfarkt
hinweisen und innerhalb der letzten 12 Stunden
aufgetreten sind und:
• ST Strecken Hebung > 0,2 mV in 2 benachbarten
Brustwandableitungen, oder > 0·1 mV in mindestens
zwei „benachbarten“ Extremitätenableitungen; oder
• Dominante R Zacken und ST Strecken Senkung in V1V3 (posteriorer Infarkt); oder
• Neu aufgetretener Linksschenkelblock.
Dosis
Präparate und Dosierung werden in Kapitel 3 besprochen.
Anwendung und Wirkung
Wirkungen
Nach Umwandlung zu Stickoxyd bewirken Nitrate
eine Entspannung der glatten Muskulatur. Die daraus
resultierende Vasodilatation ist im venösen Schenkel
stärker ausgeprägt als im arteriellen. Dadurch wird die
myokardiale Vorlast mehr gesenkt als die Nachlast.
Dies verbessert die Perfusion der subendokardialen
Myokardanteile durch die Senkung des enddiastolischen
linksventrikulären Druckes. Zusätzlich erweitern Nitrate
die Koronararterien und reduzieren Spasmen der glatten
Muskulatur der Koronargefäße.
Opioide
Indikationen
Dosis
•Schmerzbekämpfung
•Akutes
Linksherzversagen
• Morphin 5 - 20 mg i.v.
Die thrombolytische Therapie kann eine verschlossene
Koronararterie wiedereröffnen und damit die
linksventrikuläre Schädigung und das Remodelling
minimieren. Der klinische Nutzen ist von der Zeitspanne
bis zur Wiedereröffnung und deren Ausmaß abhängig.
Daher ist die Einleitung einer thrombolytischen Therapie
zeitlich beinahe genau so kritisch wie der Beginn
einer Reanimation. Bei Patienten mit ST-HebungsMyokardinfarkt (STEMI) muss jede Zeitverzögerung
bis zum Therapiebeginn vermieden werden. In vielen
Systemen wird die thrombolytische Therapie erst in
der Klinik durchgeführt. Hier sollte der präklinische
Therapiebeginn erwogen werden, dies vor allem bei
langen Transportwegen oder erwarteten Verzögerungen.
Die Wahl des Thrombolytikums hängt von den regionalen
Gegebenheiten ab. Die thrombolytische Therapie beim
akuten Koronarsyndrom wird ausführlich in Kapitel 3
besprochen.
Anwendung
Opioide sollten langsam intravenös gegeben und
dem Bedarf des Patienten angepasst werden. Dies
verhindert das plötzliche Auftreten von Atemdepression,
Hypotension oder Bradykardie. Die gewählte Dosis
hängt auch vom Alter und dem Körpergewicht ab.
Atemdepression und Hypotension können durch Naloxon
aufgehoben werden. Antiemetika können begleitend
appliziert werden, um opioid-induzierte Übelkeit und
Erbrechen zu unterdrücken.
110 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Zusammenfassung
•Die Gabe von Medikamenten ist beim
Herz-Kreislaufstillstand nur zweitrangig.
Viel wichtiger sind die unverzügliche
Defibrillation, die Durchführung effektiver
Herzdruckmassagen und Beatmungen (mit
hoher Sauerstoffkonzentration).
•Es gibt keine Daten, die den Nutzen von
Medikamenten in der Reanimation bezogen auf
das Langzeit-Ergebnis belegen.
•Die Peri-Arrest Algorithmen (s. Kapitel 12)
geben eine Hilfestellung zur Auswahl von
Antiarrhythmika.
Weiterführende Literatur
International Liaison Committee on Resuscitation. 2005 International
Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency
Cardiovascular Care Science with Treatment Recommendations. Part 4.
Advanced life support. Resuscitation 2005;67:213-47.
Nolan JP, Deakin CD, Soar J, Bottiger BW, Smith G. European
Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2005. Section 4: Adult
advanced life support. Resuscitation 2005; 67: S39-86.
International Liaison Committee on Resuscitation. 2005 International
Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency
Cardiovascular Care Science with Treatment Recommendations. Part 5.
Acute coronary syndromes. Resuscitation 2005;67:249-69.
Arntz H-R, Bossaert L, Filippatos GS. European Resuscitation Council
Guidelines for Resuscitation 2005. Section 5: Initial management of
acute coronary syndromes. Resuscitation 2005; S87-96.
.
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 111
Kapitel 10 Medikamente
112 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
11
Schrittmacherstimulation
des Herzens
coronary arteries and relieve spasm in coronary smooth
muscle.
KAPITEL
Lernziele
■ Indikationen für eine notfallmäßige
Schrittmacherstimulation
es zum junktionalem Ersatzrhythmus kommt, sowie bei
komplettem AV-Block (AVB III, kompletter Herzblock),
wenn der Ersatzrhythmus vom Ventrikelmyokard oder
vom EBLS distal des AV-Knotens stammt.
■ Durchführung einer präkordialen
Faustschlagstimulation
■ Sichere Anwendung eines nicht invasiven,
transkutanen elektrischen Schrittmachers
■ Probleme bei temporärer transvenöser
Schrittmacherstimulation und deren Beseitigung
■ Behandlung von Patienten mit implantierten
Herzschrittmachern und Defibrillatoren (ICD) bei
Kreislaufstillstand und in Peri-Arrest-Situationen
Distal His-Purkinje fibres
Intrinsic rate 0 to 30 per minute
Broad QRS complex
Sinoatrial node
Intrinsic rate 60 to 70 per minute
Atrioventicular node
Atrioventricular junction
Intrinsic rate 40 to 50 per minute
Narrow QRS complex
Einleitung
Bei einigen Fällen von Kreislaufstillstand oder in
Peri-Arrest-Situationen kann eine nicht invasive
Schrittmacherstimulation das kardiale Auswurfvolumen
bis zum Eintreffen von Expertenhilfe und der Etablierung
einer definitiven Therapie temporär aufrechterhalten.
Eine nicht invasive Schrittmacherstimulation kann schnell
angewendet werden und gehört zu den erweiterten
Maßnahmen eines ALS-Providers.
Der ALS- Provider muss nicht über detaillierte technische
Kenntnisse bezüglich einer permanenten Schrittmacherbzw. ICD-Therapie verfügen, er muss jedoch erkennen
können, wenn eine Fehlfunktion dieser Geräte vorliegt.
Zudem muss er wissen, wie das Vorhandensein eines
ICD den Behandlungsablauf bei Kreislaufstillstand
beeinflussen kann.
Der kardiale Schrittmacherimpuls –
Bildung und mögliche Störungen
Die elektrische Aktivität, die zu einem normalen
Herzschlag führt, entsteht im Sinusknoten. Dieser
depolarisiert spontan und regelmäßig ohne einen
äußeren Stimulus. Diese Eigenschaft wird als Automatie
bezeichnet und jedes kardiale Gewebe, das diese
Fähigkeit besitzt, kann einen Herzschlag initiieren und als
natürlicher Schrittmacher fungieren. Die Eigenfrequenz,
bei der die verschiedenen Teile des Erregungsbildungsund Leitungssystems (EBLS) spontan depolarisieren,
ist unterschiedlich. (Abb. 11.1). Der jeweils schnellste
Schrittmacher bestimmt den Herzrhythmus, und nur bei
dessen Ausfall übernehmen die langsameren natürlichen
Schrittmacher. Dies ist beispielsweise bei Sinusarrest
oder extremer Sinusbradykardie zu sehen, wenn der
AV-Knoten die Schrittmacherfunktion übernimmt und
European Resuscitation Council
Abbildung 11.1 Das kardiale EBLS und die jeweiligen
spontanen Depolarisationsraten
Liegt die Ursache für einen kompletten AV-Block in
Höhe des AV-Knotens selbst, entsteht die schnellste
automatische Aktivität von den Zellen unmittelbar
unterhalb dieses Blockes. Diese Zellen übernehmen die
Schrittmacherfunktion für die ventrikuläre Kontraktion
mit einer relativ hohen Eigenfrequenz (oftmals ca. 50/
Minute). Dieser Ersatzrhythmus ist normalerweise relativ
stabil und es ist ungewöhnlich, dass er ausfällt und es zu
einer Asystolie kommt.
Der QRS-Komplex, der bei einem solchen Block entsteht,
ist schmal, da eine schnelle Überleitung über ein
intaktes His-Purkinje-System auf die Ventrikel erfolgt.
Diese Situation kann als Komplikation eintreten bei
akutem inferiorem Infarkt, bei dem die Blutzufuhr zum
AV-Knoten beeinträchtigt ist. Bei AV-Block III.Grades
mit Schmalkomplex-Ersatzrhythmus kann auf eine
Schrittmacherstimulation meist verzichtet werden, da die
Herzfrequenz oftmals nicht so langsam und das Risiko
einer Asystolie für gewöhnlich gering ist.
Ein kompletter AV-Block kann jedoch auch weiter distal
im EBLS entstehen (=infra-His-Block), beispielsweise,
wenn alle Anteile der Tawara-Schenkel nach einem
anteroseptalen Infarkt betroffen sind, oder in Folge
anderer Erkrankungen wie degenerativen Fibrosen
und Herzklappenerkrankungen. Die Automatie, die
unterhalb dieses Blockes im distalen Purkinje –System
entsteht, ist meist langsam und unzuverlässig. Die daraus
resultierenden QRS-Komplexe sind breit, da die Leitung
über das Ventrikelmyokard langsamer verläuft als bei der
schnellen Überleitung über das His-Purkinje-System. Der
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 113
KAP
11
Kapitel 11 Schrittmacherstimulation des Herzens
unzuverlässige Ersatzrhythmus kann entweder kurzfristig,
wodurch es zu einer Synkope (Adam-Stokes-Anfall)
kommt, oder komplett ausfallen, was zu einem Stillstand
der Ventrikel und somit zum Kreislaufstillstand führt.
Ein kompletter Herzblock mit breitem Kammerkomplex
erfordert eine Schrittmacherstimulation, insbesondere
beim Auftreten von ventrikulären Pausen, da diese die
Gefahr einer Asystolie implizieren. Das mögliche Risiko
eines höhergradigen AV-Blocks und einer Asystolie sollte
immer bei Patienten mit Synkopen in Betracht gezogen
werden, die im EKG eine Überleitungsstörung aufweisen
(z.B. lange PQ-Zeit oder Schenkelblock). Diese Patienten
benötigen zumindest ein kardiales Monitoring und eine
Beurteilung durch Spezialisten.
In einer Peri-Arrest-Situation wird eine
Schrittmacherstimulation verwendet, wenn der
Herzrhythmus übermäßig langsam oder unzuverlässig
ist und nicht auf eine Behandlung anspricht, wie sie im
Algorithmus für Bradykardie beschrieben wird. (Kapitel
12). Die Schrittmacherstimulation wird jedoch nur
erfolgreich sein, wenn das Herz mit einer Kontraktion
auf die Stimulation reagieren kann, wobei bei einem
Kreislaufstillstand mit P-Wellen –Aktivität im EKG
die Wahrscheinlichkeit dafür höher ist („P-Wellen
– Asystolie“). Bei einer Asystolie ohne P-Wellen ist eine
Schrittmacherstimulation nur sehr selten erfolgreich und
sollte in dieser Situation nicht routinemäßig angewendet
werden („Nulllinien-Asystolie“)
Die Schrittmacherimpulse können entweder mechanisch
sein, so wie bei der Faustschlagstimulation (percussion
pacing), oder elektrisch, wie bei der transkutanen und
transvenösen Schrittmacherstimulation.
Nicht invasive Schrittmacherstimulation
Faustschlagstimulation („PERCUSSION
PACING“)
Ist die Bradykardie so ausgeprägt, dass sie klinisch
einen Kreislaufstillstand verursacht, kann statt einer
Herzdruckmassage eine Faustschlagstimulation zur
Anwendung kommen, da durch diese ein ausreichender
kardialer Auswurf bei minimalem Trauma des
Patienten erreicht werden kann. Sind bei einem
ventrikulären Stillstand P-Wellen zu sehen, ist die
Erfolgswahrscheinlichkeit besonders groß (siehe Kapitel
7).
Durchführung einer Faustschlagstimulation
• Schlagen Sie wiederholt fest, aber dosiert mit der
Faust links-lateral des unteren Sternums in die
Herzgegend,
• Heben Sie die Hand für jeden Schlag jeweils nur etwa
10 cm über den Brustkorb.
• Die Intensität dieser Schläge sollte so angepasst sein,
dass sie von einem wachen Patienten noch toleriert
werden können.
• Erzeugen die initialen Schläge im EKG keinen
QRS-Komplex, suchen Sie durch Veränderung des
Kontaktpunktes im Bereich der Herzgegend nach
der besten Position und zwar so lange, bis eine
Stelle gefunden ist, die eine beständige ventrikuläre
Stimulation hervorruft.
• Falls nötig kann die Intensität der Schläge soweit
reduziert werden, dass gerade noch ein QRS –Komplex
ausgelöst werden kann.
Wenn im EKG unmittelbar auf den Schrittmacherstimulus
ein QRS -Komplex folgt, nennt man dies „capture“
(Übernahme). Vergewissern Sie sich stets, ob einer
elektrischen Aktivität im EKG eine mechanische Aktion
mit einem tastbaren Puls folgt.
Die Faustschlagstimulation ist nicht so zuverlässig
wie eine Elektro-Stimulation. Kann damit nicht rasch
ein Rhythmus mit fühlbarem Puls erzeugt werden,
unabhängig davon, ob ein QRS -Komplex stimuliert
wurde oder nicht, sollte ohne Verzögerung mit der
Herzdruckmassage begonnen werden.
Arten der Schrittmacherstimulation
Beide, die Herzdruckmassage und die
Faustschlagstimulation sind Notfallmaßnahmen
zur Aufrechterhaltung eines Kreislaufes für die
lebenswichtigen Organe. Zudem ermöglichen sie
entweder, dass eine Spontanzirkulation eintritt oder dass
im weiteren Verlauf eine transkutane oder transvenöse
Stimulation eingesetzt werden kann.
Stimulationsarten:
Nicht invasive
• Faustschlagstimulation („Percussion pacing“)
• transkutane Schrittmacherstimulation
Invasive
• temporäre transvenöse Schrittmacherstimulation
• permanente Stimulation mit implantierbarem
Schrittmacher
Zu den implantierbaren Schrittmachern gehören
rein antibradykarde Systeme, biventrikuläre
Systeme zur Therapie der Herzinsuffizienz
(kardiale Resynchronisationstherapie /CRT) sowie
implantierbare Defibrillatoren (ICD), welche auch eine
Schrittmacherfunktion haben.
114 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Transkutane Schrittmacherstimulation
Im Vergleich zur transvenösen Stimulation hat die nicht
invasive, transkutane Stimulation folgende Vorteile:
• sie kann sehr schnell etabliert werden;
• sie ist leicht durchzuführen und erfordert nur ein
Minimum an Training;
• sie vermeidet die Risiken einer zentralvenösen
Punktion;
• sie kann von Krankenschwestern, Rettungsassistenten
und Ärzten begonnen werden, bis Expertenhilfe zum
Einsatz einer transvenösen Stimulation verfügbar ist.
European Resuscitation Council
Der Hauptnachteil der transkutanen
Schrittmacherstimulation bei wachen Patienten sind die
Schmerzen. Der Schrittmacherimpuls führt sowohl zu
einer schmerzhaften Kontraktion der Thoraxmuskulatur
als auch zu direktem Unbehagen.
Neben Geräten die ausschließlich zur
Schrittmachertherapie dienen, besitzen viele NotfallDefibrillatoren auch eine Schrittmacherfunktion, Die
Entwicklung von Multifunktions-Klebeelektroden für EKGMonitoring, Schrittmacherstimulation, Kardioversion und
Defibrillation haben deren Anwendung besonders leicht
gemacht.
Die meisten modernen transkutanen
Schrittmachersysteme können als Bedarfs-Schrittmacher
arbeiten, indem sie intrinsische QRS- Komplexe erkennen
und Schrittmacherstimuli nur bei Bedarf abgeben.
Ablauf der transkutanen Schrittmacherstimulation
• Ungeachtet der Notwendigkeit eines schnellen
Beginns der transkutanen Schrittmachertherapie
kann die genaue Beachtung der Vorgehensweise die
Erfolgsaussichten erhöhen.
• Entfernen Sie schnell mit einer Schere oder einem
Rasierer längere Brusthaare von der Hautstelle, auf der
die Klebeelektroden angebracht werden sollen.
KAP
11
Figures 11.2 a-d Elektrodenplatzierung bei transkutaner Stimulation
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 115
Kapitel 11 Schrittmacherstimulation des Herzens
• Stellen Sie sicher, dass die Haut trocken ist.
• Bei einigen Geräten zur Schrittmachertherapie
müssen sowohl die Klebeelektroden als auch separate
EKG- Monitoring Elektroden angebracht werden.
• Wenn möglich, bringen Sie die Paddles in der
anterior-posterior-Position an (Abb. 11.2a-c). Dies ist
normalerweise in einer „Peri-Arrest“-Situation möglich.
• Wenn das Schrittmachergerät nicht gleichzeitig über
eine Defibrillationsmöglichkeit verfügt, können bei
Kreislaufstillstand die Defibrillationselektroden oder
Paddles in der „konventionellen“ Position rechts
pektoral und apikal angebracht werden. •
Bei
Schrittmachern, die Teil eines Defibrillator-Gerätes
sind, kann ein effektiver Defibrillationsschock in
anterior-posterior Position abgegeben werden.
• Wenn Sie im Fall eines Kreislaufstillstandes Elektroden
anbringen, wählen Sie die rechts pektorale und
apikale Position (Abb. 11.2d); die Basismaßnahmen
sollten zum Anbringen der Elektroden in posteriorer
Position nicht unterbrochen werden.
• Überprüfen Sie, ob die Polarität der Elektroden
und der Kabel mit den Herstellerangaben
übereinstimmen: wenn die Polarität vertauscht
ist, kann es zum „Kopplungsversagen“ oder hohen
Stimulationsreizschwellen kommen.
• Zur A-P-Positionierung bringen Sie die anteriore
Elektrode auf der vorderen linken Thoraxwand neben
dem Sternum in Höhe der EKG-Ableitung V2 - V3
an. Platzieren Sie die posteriore Elektrode zwischen
Margo Inferior der Skapula und der Wirbelsäule auf
gleicher Höhe wie die anteriore Elektrode.
• Auch die Elektroden multifunktioneller Geräte
können in der anterior-posterior Position angebracht
werden, aber während eines Kreislaufstillstandes
ist es besser, eine rechts pektoral-apikal Position zu
verwenden (Abb. 11.2d), da die Herzdruckmassage
nicht unterbrochen werden muss, um den Patienten
umzudrehen und die posteriore Elektrode anzulegen.
Bringen Sie die Elektrode rechts oben, neben dem
Sternum unter dem Schlüsselbein an. Die apikale
Elektrode wird in der mittleren Axillarlinie angebracht,
ungefähr auf Höhe der EKG-Ableitung V6 bzw. der
weiblichen Brust. Die Elektrode sollte so angebracht
werden, dass das Brustgewebe nicht im Strompfad
liegt. Es ist wichtig, dass diese Elektrode ausreichend
lateral platziert wird.
• Wählen Sie, wenn möglich, den Bedarfs-Modus
und optimieren Sie die EKG-Verstärkung,
um sicherzustellen, dass die intrinsischen
(patienteneigenen) QRS- Komplexe erkannt
werden. Wenn auf dem EKG-Monitor zahlreiche
Bewegungsartefakte zu sehen sind, kann dies den
Schrittmacher inhibieren. Vermeiden Sie so gut wie
möglich Bewegungsartefakte, andernfalls wird ein
starrfrequenter Stimulations-Modus nötig.
• Wählen Sie eine adäquate Stimulationsfrequenz. Diese
liegt gewöhnlich für Erwachsene im Bereich von 6090/min, aber u.U. (beispielsweise bei komplettem AV
Block mit einem idioventrikulären Rhythmus von 50/
min) kann eine niedrigere Stimulationsfrequenz von
116 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
40 oder sogar 30/min angebracht sein, nur um einen
plötzlichen Kammerstillstand oder eine Verstärkung
der Bradykardie zu verhindern.
• Wählen Sie die niedrigstmögliche Stromstärke und
schalten Sie den Schrittmacher ein. Erhöhen Sie
stufenweise die Stromstärke und beobachten Sie
dabei den Patienten und das EKG. Mit zunehmender
Stromstärke kommt es zur impuls-synchronen
Kontraktion der Thoraxmuskulatur des Patienten, und
im EKG erscheint ein Schrittmacher-Spike (Abb.11.3a).
Erhöhen Sie die Stromstärke weiter, bis jedem
Schrittmacher-Spike ein QRS- Komplex folgt, was eine
elektrische Kopplung (Übernahme) bedeutet (meist
bei einer Stromstärke von 50-100 mA). Das bedeutet,
dass der Schrittmacher-Impuls eine Depolarisation der
Ventrikel verursacht. (Abb.11.3b)
• Vergewissern Sie sich, dass dem vorliegenden QRSKomplex eine T-Welle folgt. Gelegentlich können
Artefakte, die durch den transthorakalen Stromfluss
erzeugt werden, fälschlicherweise für einen QRSKomplex gehalten werden, jedoch folgt auf solch ein
Artefakt keine T-Welle. (Abb. 11.3a)
• Kann auch bei Stimulation mit maximaler Stromstärke
keine elektrische Kopplung erreicht werden,
versuchen Sie eine andere Elektrodenposition. Ist es
nicht möglich eine elektrische Kopplung zu erreichen,
ist das Myokard wahrscheinlich erheblich geschädigt.
Abbildung 11.3a Transkutane
Schrittmacherstimulation. Auftreten von
Schrittmacher-Spikes im EKG
Abbildung 11.3b Transkutane
Schrittmacherstimulation. Das EKG zeigt eine
ventrikuläre Ankopplung (Übernahme) nach jedem
Schrittmacher-Spike
European Resuscitation Council
Überprüfen Sie den Puls nach erreichter elektrischer
Kopplung.Ein palpabler Puls bestätigt das Vorhandensein
einer elektro-mechanischen Kopplung (d.h. Kontraktion
des Myokards). Eine pulslose elektrische Aktivität besteht
dann, wenn bei guter elektrischer Ankopplung keine
elektro-mechanische Kopplung erzielt werden kann. Die
wahrscheinlichste Ursache ist schweres Pumpversagen,
aber andere mögliche Ursachen von pulsloser elektrischer
Aktivität sollten unter diesen Umständen auch
berücksichtigt werden.
Wache Patienten verspüren während der transkutanen
Schrittmacherstimulation normalerweise deutliche
Schmerzen. Klären Sie die Patienten vorher darüber auf.
Oft werden sie eine intravenöse Analgesie und/oder
Sedierung benötigen, wenn eine längere transkutane
Schrittmacherstimulation notwendig ist.
Zur Defibrillation eines Patienten, bei dem zuvor reine
Schrittmacherelektroden angebracht wurden, platzieren
Sie die Defibrillations –Paddles mindestens 2 bis 3 cm
entfernt von den Schrittmacherelektroden, um dem
Auftreten von Funkenschlag vorzubeugen.
Bei liegenden transkutanen Stimulationselektroden
kann die Herzdruckmassage problemlos durchgeführt
werden. Es besteht keine Gefahr für die ausführende
Person (weniger als ein Joule wird abgegeben und die
Elektrodenpads sind gut isoliert). Die Fortführung der
Schrittmachertherapie während der HDM ergibt jedoch
keinen Sinn, so dass man die Stimulation am Besten
abschaltet.
Wird durch die transkutane Schrittmacherstimulation
ein ausreichendes Herzzeitvolumen erzielt, sollte
sofort Expertenhilfe zur Etablierung eines temporären
transvenösen Schrittmachers hinzugezogen werden.
Invasive Schrittmacherstimulation
Temporäre transvenöse
Schrittmacherstimulation
Nur selten muss während eines Kreislaufstillstandes
eine transvenöse Schrittmacherstimulation versucht
werden. Verwenden Sie in dieser Situation zur
Etablierung eines kardialen Auswurfes vorerst eine
nicht invasive Schrittmacherstimulation und ziehen Sie
danach Expertenhilfe zur Anlage eines transvenösen
Stimulationssystems hinzu.
Ein Ausfall eines temporären transvenösen
Schrittmacherstimulationssystems kann zum
Kreislaufstillstand führen, insbesondere wenn der Patient
schrittmacherabhängig ist. Dabei bestehen prinzipiell 3
Möglichkeiten:
1. Zu hohe Reizschwelle
Wenn die temporäre Schrittmachersonde gelegt wird,
sollte ihre Spitze möglichst
im Apex des rechten Ventrikels positioniert werden, da
hier das Risiko einer Sondendislokation am geringsten
ist. Nachdem die Sonde richtig positioniert ist, dient
sie zur Stimulation des Herzens, wobei die Spannung
European Resuscitation Council
des Schrittmachers angepasst wird, um die minimal
erforderliche Stromspannung zur ventrikulären
Stimulation zu ermitteln. Diese Mindestspannung wird
als (Stimulations-) Reizschwelle bezeichnet und sollte
idealerweise unmittelbar nach Sondenlegung weniger
als 1 Volt betragen. Höhere Reizschwellenwerte deuten
darauf hin, dass die Elektrode keinen befriedigenden
Kontakt mit dem Myokard besitzt (Sondendislokation)
und eine Neupositionierung der Sonde nötig sein kann.
Normalerweise wird das Herz mit 3-4 Volt stimuliert, also
deutlich höher als die initiale Stimulationsreizschwelle.
In den ersten 4 Wochen nach Positionierung der
Stimulationselektrode (temporär oder permanent) muss
mit einer Reizschwellenerhöhung gerechnet werden.
Das Überprüfen des Schwellenwertes bei temporären
Schrittmachersonden sollte mindestens einmal am
Tag stattfinden, um sicherzustellen, dass die Energie
des Schrittmacherimpulses genügend hoch über dem
Schwellenwert liegt. Ist dies nicht der Fall, kann es zum
Verlust der elektrischen Kopplung kommen. Im EKG
ist dies als Schrittmacher-Spike ohne nachfolgenden
QRS- Komplex sichtbar. Der Kopplungsverlust kann auch
intermittierend sein, jedoch sollte jeder offensichtlich
ausgelassene Schlag zu einer wiederholten Kontrolle der
Stimulationsreizschwelle führen.
Erfolgt der Kopplungsverlust infolge einer zu
hohen Reizschwelle, muss unverzüglich die Energie
des Schrittmacherimpulses über die Reizschwelle
erhöht werden. Eine plötzliche Erhöhung der
Stimulationsreizschwelle kann durch eine
Elektrodendislokation verursacht werden. In diesem
Fall ist Expertenhilfe zur Neupositionierung der Sonde
erforderlich.
In einigen Krankenhäusern verwenden Ärzte mit
mangelnder Erfahrung im Legen von endokardialen
Schrittmachersonden im Notfall andere Arten
transvenöser Schrittmachersonden. Konkret werden
zur Stimulation frei flottierende Schrittmachersonden
angewendet, mitunter ohne Hilfe einer radiologischen
Lagekontrolle. Da diese Sonden oftmals keinen, guten
direkten Kontakt mit dem Endokard haben, liegt die
Stimulationsreizschwelle üblicherweise deutlich höher als
bei Verwendung einer endokardialen Sonde.
2. Unterbrechung der elektrischen Kopplung
Moderne temporäre transvenöse Schrittmachersonden
sind bipolar. Eine Elektrode ist an der Spitze der Sonde
und die zweite etwa 1 cm proximal der Spitze angebracht.
Jede Elektrode ist durch eine Leitung zu separaten
Anschlüssen am distalen Ende außerhalb des Patienten
verbunden. Diese Anschlüsse sind üblicherweise über
Steckkontakte mit einem Kabel und dieses wiederum
mit den Steckanschlüssen am Schrittmachergenerator
verbunden.
Vergewissern Sie sich, dass alle Verbindungen zwischen
der Sonde und dem Schrittmacher einen guten und
sicheren Kontakt haben, der nicht Gefahr läuft, z. B.
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 117
KAP
11
Kapitel 11 Schrittmacherstimulation des Herzens
durch geringe Bewegungen der Sonde oder des Kabels,
unterbrochen zu werden.
Ein Kontaktverlust an irgendeinem Punkt dieser
Verbindungen unterbricht die Stimulation am
Herzen, was am Fehlen des Schrittmacher-Spikes
im EKG zu erkennen ist. Dies kann intermittierend
und ohne Symptome oder plötzlich und komplett
sein und dabei zu einer Synkope oder zum
Kreislaufstillstand mit ventrikulärer Asystolie führen.
Wenn ein Stimulationsversagen mit einem Fehlen von
Schrittmacher-Spikes im EKG eintritt, überprüfen Sie
sofort alle Kabelverbindungen. Stellen Sie sicher, dass die
Schrittmachereinheit nicht versehentlich ausgeschaltet
wurde bzw. die Batterien nicht leer sind. Falls dies alles
nicht zutrifft, könnte ursächlich ein Kabelbruch innerhalb
der Isolierung der Schrittmachersonde in Frage kommen.
Dieser führt üblicherweise zu einem intermittierenden
Stimulationsausfall. Die Brüche treten häufiger im
Verbindungskabel als in der Schrittmachersonde selbst
auf. Falls dies angenommen werden muss, wechseln Sie
die Verbindungskabel sofort aus.
3. Elektrodendislokation
Die Spitze einer endokardialen transvenösen
Schrittmachersonde sollte normalerweise im Apex
des rechten Ventrikels liegen. Die Schlaufe der
Schrittmachersonde im rechten Vorhof sollte für einen
Lagewechsel und eine tiefe Inspiration genügend groß
sein, jedoch nicht so groß, dass sie eine Dislokation
der Sondenspitze begünstigt. Die Spitze einer
Schrittmacherelektrode kann aber auch durch die Wand
des rechten Ventrikels perforieren und im Perikardraum
zu liegen kommen, wobei im Thorax -Röntgen ggf. keine
oder nur geringe Veränderungen der Position erkennbar
sein müssen. Selten führt dies zu einer PerikardTamponade; an diese Möglichkeit muß bei Patienten im
Kreislaufstillstand bei vorhandener pulsloser elektrischer
Aktivität gedacht werden, wenn sie erst kürzlich eine
Schrittmachersonde implantiert bekommen haben.
Im Fall von Sonden-Dislokation oder Perforation kann
das EKG noch einen Stimulations-Spike anzeigen bei
gleichzeitigem intermittierendem oder komplettem
Kopplungsverlust des Schrittmacherimpulses, so dass
der Schrittmacher-Spike nicht ständig von einem QRSKomplex gefolgt wird. Wenn die Sonde im rechten
Ventrikel verrutscht, kann sie ventrikuläre Extrasystolen
oder komplexe ventrikuläre Arrythmien einschließlich
Kammerflimmern und Kammertachykardien auslösen.
Wenn das transvenöse Stimulationssystem versagt,
besteht immer das Risiko eines Kreislaufstillstandes
bei ventrikulärer Asystolie. Diese kann relativ kurz sein
und zu einer Synkope führen oder länger andauern,
was dann zu einem Kreislaufstillstand führt. In dieser
Situation sollte eine nicht invasive Schrittmachertherapie
angewendet werden, bis eine effektive transvenöse
Schrittmacherstimulation wiederhergestellt werden kann.
Implantierbare, permanente
Schrittmachersysteme
Störungen von permanenten Schrittmachersystemen
118 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
sind selten, da die Verbindungen zwischen den
Schrittmachersonden und dem Schrittmacher sehr viel
sicherer sind. Gelegentlich kommt es zum Bruch einer
permanenten Schrittmachersonde, normalerweise
posttraumatisch, z.B. Sturz auf den ausgestreckten
Arm auf der Schrittmacherseite. Dies kann zu einem
permanenten oder vorübergehenden Verlust der
Schrittmacher-Spikes führen.
Erleidet ein Patient mit einem implantierten,
permanenten Schrittmachersystem einen
Kreislaufstillstand oder benötigt er eine ElektroKardioversion, sollten die Defibrillatoren-Paddles
oder Klebepads mindestens 12 – 15 cm entfernt
vom Schrittmachergehäuse aufgesetzt werden. Die
Schrittmacher sind häufig unterhalb der linken Klavikula
implantiert und stellen somit kein Problem für die
Standardposition der Defibrillator-Therapie dar. Wurde
der Schrittmacher unterhalb der rechten Klavikula
implantiert, sollte man, wenn möglich, anterior-posteriore
Paddlepostionen für die Defibrillation oder Kardioversion
anwenden. Am einfachsten und sichersten geschieht dies
durch die bevorzugte Anwendung von Klebepads im
Unterschied zur Verwendung manueller Paddles.
Automatische externe Defibrillatoren (AEDs) können u.U.
den Stimulations-Spike fälschlicherweise als ein EKGSignal interpretieren und somit den Rhythmus, der eine
Schockbehandlung erfordert, nicht erkennen.
Biventrikuläre Schrittmachersysteme
Bis noch vor kurzer Zeit war der übliche Grund für die
Implantation eines Schrittmachers die Behandlung einer
Bradykardie, meistens verursacht durch eine SinusKnoten-Erkrankung oder AV-Überleitungsstörung. In
den letzten Jahren werden vermehrt biventrikuläre
Schrittmachersysteme unter dem Schlagwort
„kardiale Resynchronisationstherapie“ bei Patienten
mit Herzinsuffizienz angewendet. Die meisten dieser
Patienten benötigen keine Stimulation auf Grund
einer Bradykardie. Die simultane Stimulation im Apex
des rechten Ventrikels und der lateralen Wand des
linken Ventrikels verbessert die Koordination der
linksventrikulären Kontraktion. Bei diesen Schrittmachern
müssen die gleichen Vorsichtsmaßnahmen während der
Defibrillation und Elektro-Kardioversion getroffen werden
wie bei jedem anderen Schrittmacher, aber der Ausfall
eines Schrittmachers, der auf Grund der oben genannten
Indikationen implantiert wurde, führt normalerweise
nicht zu auffälligen Veränderungen in der Herzfrequenz
oder zur anderen gefährlichen Rhythmusstörungen.
Implantierbare CardioverterDefibrillatoren (ICDs)
Diese Geräte ähneln großen implantierten
Schrittmachern. Viele von ihnen dienen als BedarfsSchrittmacher bei Bradykardie, einige von ihnen können
darüber hinaus bei Herzinsuffizienz biventrikulär
stimulieren und, wenn nötig, einen Defibrillationsschock
European Resuscitation Council
abgeben. Nationale und internationale Leitlinien
beschreiben die Indikationen für das Einsetzen eines
ICDs, aber die zunehmende Evidenz einer höheren
Überlebensrate nach großem Myokardinfarkt und
Herzinsuffizienz wird zu einer verstärkten Anwendung
dieser Geräte führen. Im Unterschied zu einem einfachen
Schrittmacher besteht die primäre Funktion eines
ICDs in der Beendigung einer lebensbedrohlichen
Tachyarrhythmie. Ein einfacher ICD kann im Fall von
Kammerflimmern oder sehr schneller Kammertachykardie
einen Defibrillationsschock abgeben; weiter entwickelte
Geräte können so programmiert werden, dass sie
zur Beendigung einer Kammertachykardie, die nicht
besonders schnell ist und wahrscheinlich nicht zu
einem Kreislaufstillstand führt, ein antitachykardes
Pacing (ATP/Überstimulation) abgeben können,
und nur dann eine Defibrillationsschock abgeben,
wenn die Kammertachykardie akzeleriert oder in ein
Kammerflimmern übergeht.
ICDs werden, ähnlich wie normale Schrittmacher, in
der Pektoralisregion implantiert. Erscheinen diese
Geräte auch ziemlich komplex, so ist die Art und Weise,
wie sie Veränderungen des Herzrhythmus erkennen,
relativ einfach: im Wesentlichen beruht dies auf der
Wahrnehmung schneller Herzaktionen. Es ist daher nicht
überraschend, dass ICDs gelegentlich eine Arrhythmie
oder andere elektrische Signale fehlinterpretieren und
inadäquate Schocks abgeben, die sehr unangenehm
für den wachen Patienten sind. ICDs können durch eine
Magnetauflage oder das Ankleben eines Magneten auf
der Haut direkt über dem Generator/Gehäuse des ICD
vorübergehend ausgeschaltet werden. Bei Verdacht
auf Fehlfunktion eines ICD muss unbedingt die Hilfe
eines Experten in Anspruch genommen werden, da eine
Umprogrammierung nötig sein könnte.
Erleidet ein Patient mit einem ICD einen
Kreislaufstillstand, der durch den ICD nicht beendet
wird, kann die kardiopulmonale Reanimation wie üblich
und ohne Risiko für die Helfer erfolgen, selbst wenn der
ICD einen internen Schock während der Druckmassage
abgibt. Wird ein defibrillierbarer Rhythmus bei
Kreislaufstillstand durch den ICD nicht beendet, sollte die
externe Defibrillation wie üblich durchgeführt werden,
wobei bei der Auswahl der richtigen Paddle-Position die
gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie bei Patienten mit
implantiertem Schrittmacher getroffen werden sollten.
Zusammenfassung
•Eine nicht invasive Schrittmacherstimulation
ist leicht durchzuführen und ist somit
die Therapie der Wahl bei bradykarden
Herzrhythmusstörungen, die ein ernstes
Risiko für den Patienten darstellen, besonders
wenn diese nicht auf die anfängliche
Medikamentengabe (Atropin) ansprechen..
•Die nicht invasive Schrittmacherstimulation
ist eine überbrückende Maßnahme bis zur
Wiederkehr eines stabilen und effektiven
Spontanrhythmus oder bis eine entsprechend
versierte Person eine transvenöse Schrittmacherstimulation etabliert.
•Besondere Vorsichtsmaßnahmen sind im
Falle der Wiederbelebung von Patienten
mit implantierten Schrittmachern und ICDs
notwendig.
•Eine ICD- Implantation sollte bei Patienten
in Erwägung gezogen werden, die wegen
Kreislaufstillstand infolge Kammertachykardie
oder Kammerflimmern reanimiert wurden, wenn
bei diesen ein Rezidivrisiko besteht.
Weiterführende Literatur
International Liaison Committee on Resuscitation. 2005 International
Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency
Cardiovascular Care Science with Treatment Recommendations. Part.4
Advanced life support. Resuscitation 2005;67:213-47
Deakin CD, Nolan JP. European Resuscitation Council Guidelines for
Resuscitation 2005. Section 3: Electrical therapies: automated external
defibrillators, defibrillation, cardioversion and pacing. Resuscitation
2005; in Druck
DiMarco JP. Implantable cardioverter-defibrillators. N Engl J Med
2003;349:1836-47
Die Notwendigkeit einer ICD-Implantation sollte bei
jedem Patient in Betracht gezogen werden, der im
Rahmen eines Kreislaufstillstandes mit schockbarem
Rhythmus wiederbelebt wurde, wenn das Ereignis nicht
während eines akuten ST-Hebungs-Infarktes aufgetreten
ist. Jeder dieser Patienten sollte vor Entlassung aus
dem Krankenhaus einem Kardiologen, der über
Spezialkenntnisse auf dem Gebiet der Herz-RhythmusStörungen verfügt, vorgestellt werden.
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 119
KAP
11
Kapitel 11 Schrittmacherstimulation des Herzens
120 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Herzrhythmusstörungen vor
und nach einem
Herz-Kreislauf-Stillstand
Lernziele
■ Die Bedeutung von Herzrhythmusstörungen,
die einem Herz-Kreislauf-Stillstand vorausgehen
oder die nach Wiedereinsetzen eines
Spontankreislaufes auftreten können.
■ Analyse von Herzrhythmusstörungen vor oder
nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand.
■ Die Behandlungsprinzipien von
Herzrhythmusstörungen vor und nach einem
Herz-Kreislauf-Stillstand.
Einleitung
Die Herzrhythmusstörungen, die zu einem
Kreislaufstillstand führen, müssen sofort behandelt
werden, wenn Wiederbelebungsmaßnahmen erfolgreich
sein sollen. Die Erkennung und Behandlung dieser
Rhythmen wurde bereits in vorhergehenden Kapiteln
behandelt.
Herzrhythmusstörungen können auch nach primär
erfolgreicher Wiederbelebung und Einsetzen eines
Spontankreislaufs auftreten. Rhythmusstörungen
können in anderen Situationen auftreten, ohne einen
Kreislaufstillstand zu verursachen: sie sind eine relativ
häufige Komplikation eines akuten Myokardinfarktes,
sind aber auch häufig bei Patienten mit anderen
Herzerkrankungen und auch bei Patienten, die
keine koronare Herzerkrankung oder strukturelle
Herzerkrankungen haben.
Unbehandelt können einige dieser Rhythmusstörungen
zum Kreislaufstillstand oder zu einer vermeidbaren
Verschlechterung des Patientenzustands führen.
Andere Rhythmusstörungen bedürfen keiner sofortigen
Behandlung.
Man muss in der Lage sein häufige Rhythmusstörungen
zu erkennen, um abschätzen zu können ob eine sofortige
Behandlung notwendig ist und um zu wissen, welche
Behandlung geeignet ist. Dieses Kapitel setzt den
Schwerpunkt auf häufige Arrhythmien, die vor oder
nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand auftreten können
und gibt demjenigen, der nicht regelmäßig erweiterte
Maßnahmen der Wiederbelebung durchführt, eine
Handlungsleitlinie, um in solchen Situationen sicher und
effektiv behandeln zu können. Die Notwendigkeit sich
durch Experten unterstützen zu lassen, die mehr Routine
in der Durchführung bestimmter Maßnahmen haben
oder die besondere Behandlungen durchführen können,
aber auch wenn die initialen Maßnahmen erfolglos
waren, wird besonders betont. Ist ein Patient nicht akut
European Resuscitation Council
12
KAPITEL
gefährdet, ist normalerweise genügend Zeit, in der ein
Spezialist konsultiert werden kann, um die am besten
geeignete Behandlung durchzuführen.
Beurteilung der Problematik
Besteht eine Arrhyhtmie oder wird sie vermutet, müssen
zwei grundsätzliche Fragen beantwortet werden:
1. Wie geht es dem Patienten?
2. Welcher Rhythmus liegt vor?
Untersuchung des Patienten –
Instabilitätszeichen
Das Vorhandensein oder Fehlen von gewissen
ungünstigen Zeichen bestimmt bei den meisten
Patienten, ob eine Behandlung notwendig ist und ob eine
Rhythmuskontrolle dringlich ist.
Instabilitätszeichen sind:
• Klinische Zeichen eines niedrigen Herz-ZeitVolumens
Blässe, Schwitzen, Zentralisation (kalte, klamme
Extremitäten), Hypotension, Benommen- oder
Verwirrtheit
• Ausgeprägte Tachykardie
Steigt die Herzfrequenz, verkürzt sich die Diastole
mehr als die Systole. Bei Herzrhythmusstörungen, die
zu sehr hohen Herzfrequenzen führen (typischerweise
> 150 min-1) verringert sich das Herzschlagvolumen
dramatisch (da die Diastole sehr kurz ist und das
Herz nicht mehr genügend Zeit hat sich zu füllen)
und der koronare Blutfluss verringert sich (da dieser
überwiegend während der Diastole stattfindet), mit
der potentiellen Gefahr einer Myokardischämie. Je
höher die Herzfrequenz, umso schlechter wird dies
toleriert.
Bei gleicher Frequenz werden Breit-Komplex
Tachykardien hauptsächlich deswegen schlechter als
Schmal-Komplex Tachykardien toleriert, weil BreitKomplex Tachykardien häufig (aber nicht immer) mit
einer schwereren Herzerkrankung einhergehen.
• Ausgeprägte Bradykardie
Als Instabilitätszeichen wird eine Herzfrequenz
unter 40 min-1 definiert. Es kann sein, dass weniger
ausgeprägte Bradykardien von Patienten mit
schweren Herzerkrankungen, die bei einer Bradykardie
ihr Schlagvolumen nicht kompensatorisch steigern
können, schlecht vertragen werden. Manche Patienten
mit einer schweren Herzerkrankung benötigen
schnellere als normale Herzfrequenzen um das
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 121
KAP
12
Kapitel 12 Herzrhythmusstörungen vor und nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand
Herzzeitvolumen aufrecht halten zu können, und
selbst „normale“ Herzfrequenzen können für solche
Patienten inadäquat niedrig sein.
• Herzinsuffizienz
Arrhythmien verringern die effektive Pumpleistung
des Herzens und können zu einer Reduktion des
koronaren Blutflusses führen. Eine regelmäßige
Komplikation der Herzinsuffizienz sind Arrhythmien,
die einer Dekompensation vorausgehen können oder
die zu einer Verschlechterung einer bestehenden
Herzinsuffizienz führen können. Linksherzversagen
führt zum Lungenödem (Atemnot, Rasselgeräusche,
Zeichen einer pulmonalen Stauung im Röntgenbild
des Thorax). Bei der Rechtsherz- und biventrikulären
Herzinsuffizienz kommt es zu peripheren Ödemen
(erhöhter Jugularvenenpuls, Unterschenkelödeme,
sakrale Ödeme, Leberstauung und –vergrößerung).
• Angina pectoris
Kommt es zu pectanginösen Beschwerden
bedeutet dies, dass eine Arrhythmie (speziell eine
Tachyarrhythmie) eine Myokardischämie auslöst. Dies
ist von besonderer Bedeutung bei einer begleitenden
koronaren oder strukturellen Herzerkrankung, bei der
eine Myokardischämie wahrscheinlich zu weiteren
lebensbedrohlichen Komplikationen, einschließlich
Kreislaufstillstand, führt.
gelegt werden, während der Rhythmus analysiert wird.
Rhythmusanalyse
Daher ist es wichtig die Patienten zu erkennen, deren
Zustand stabil ist und bei denen keine Instabilitätszeichen
durch eine Arrhythmie bestehen. Wenn dies so ist,
besteht keine Dringlichkeit für eine sofortige Behandlung,
und vor allem wenn es Unsicherheit über die am besten
geeignete Behandlung gibt, sollte ein Experte konsultiert
werden.
Die klinische Untersuchung ist von beschränktem Wert
um festzustellen, welche Herzrhythmusstörung vorliegt.
Es ist zwar üblicherweise möglich zu untersuchen, ob
der Puls regelmäßig oder unregelmäßig ist und ob die
Herzfrequenz langsam, normal oder schnell ist, aber
eine sichere Feststellung um welchen Rhythmus es
sich handelt ist – auch für Spezialisten - selten an Hand
klinischer Zeichen alleine möglich.
Ein Rhythmus-Monitoring sollte so früh wie möglich
während der Untersuchung und Behandlung jeder
Rhythmusstörung sichergestellt werden. Es ist nicht
immer möglich mit einem Ein-Kanal-Monitor oder an
Hand eines Rhythmusstreifen einen Herzrhythmus korrekt
zu bestimmen. Wann immer möglich sollte ein 12-Kanal
EKG während einer Arrhythmie aufgezeichnet werden.
Dies hilft die Rhythmusstörung vor einer Behandlung
zu identifizieren und ist als bleibende Aufzeichnung
verfügbar, um bei nachfolgenden Behandlungen als
Orientierung zu dienen.
Es sollte immer daran gedacht werden nach einer
erfolgreichen Behandlung einer Arrhythmie ein 12-Kanal
EKG zu schreiben, da dies pathologische Befunde (oder
fehlende pathologische Befunde) zeigen kann, die für die
Planung einer weiteren Behandlung wichtig sind.
Behandlung
Wann immer klinische Instabilitätszeichen erkennbar sind,
sollte Sauerstoff gegeben und ein intravenöser Zugang
122 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Nach Beurteilung von Patient und Rhythmus muss
bedacht werden, dass andere Faktoren zum Entstehen
der Arrhythmie beigetragen haben oder ihre Behandlung
beeinträchtigen können.
So sollten zum Beispiel die Serum-Elektrolyte bestimmt
werden und jede Abweichung vom Normwert für Kalium,
Magnesium oder Calcium korrigiert werden.
Verschiedene Behandlungsmöglichkeiten sollten
erwogen werden:
1. Keine sofortige Behandlung notwendig;
2. Physikalische Manöver (z. B. Vagusreiz);
3. Antiarrhythmische (und andere) Medikamente;
4. Elektrische Kardioversion;
5. Herzschrittmacher.
Bei jeder antiarrhythmischen Behandlung
(physikalische Manöver, Medikamente, Kardioversion,
Herzschrittmacher) besteht das potentielle Risiko,
dass sich die Rhythmusstörung eher verschlechtert als
bessert und zu einer klinischen Verschlechterung führt.
Darüber hinaus wirken die meisten Antiarrhythmika
negativ inotrop, was zu einer Verschlechterung einer
Herzinsuffizienz oder einer Hypotension führen kann.
Bei der Konversion einer Tachyarrhythmie in einen
Sinusrhythmus ist die Wirkung von Antiarrhythmika
generell langsamer und weniger zuverlässig, als die
einer elektrischen Kardioversion. Daher gilt generell,
dass Antiarrhythmika bei stabileren Patienten ohne
Instabilitätszeichen Therapie der ersten Wahl sind
und eine elektrische Kardioversion die sicherste und
effektivste Möglichkeit für instabile Patienten.
Elektrische Kardioversion
Dies ist eine relativ zuverlässige Methode um in den
meisten Fällen eine Tachyarrhythmie zu beenden
und einen Sinusrhythmus wieder herzustellen. Wird
versucht mit einer elektrischen Kardioversion eine
Schmal-Komplex oder Breit-Komplex Tachykardie zu
beenden, muss der Schock mit der R-Zacke synchronisiert
abgegeben werden – die Abgabe des Schocks zum
Zeitpunkt der T-Welle kann Kammerflimmern auslösen.
Defibrillatoren, die für eine Kardioversion benutzt
werden, haben einen Schalter um die Synchronisation mit
der R-Zacke zu aktivieren.
Der bei der Kardioversion abgegebene Schock ist
unangenehm und sollte immer unter Sedierung oder in
European Resuscitation Council
Allgemeinanästhesie durchgeführt werden, die durch
einen erfahrenen Arzt durchgeführt wird.
Sobald die Notwendigkeit einer Kardioversion erkannt
wurde:
• Umgehend einen Experten um Hilfe ersuchen;
• Einen adäquaten i. v. Zugang sicherstellen;
• Den Patienten an den Defibrillator anschließen
– Monitoring durch Ableitungen, nicht durch Paddles;
• Ein EKG-Signal guter Qualität sicherstellen – wenn
nötig Ableitung wechseln;
• Synchronisations-Schalter drücken und überprüfen,
dass der Defibrillator die R-Zacke korrekt erkennt;
• Sobald der Patient sediert oder in Narkose ist den
Defibrillator laden;
• Zur die Energiewahl siehe unten;
• An alle Sicherheitsmaßnahmen wie bei einer
Defibrillation denken – alle weg vom Patienten usw;
• Beide Auslösetasten drücken und gedrückt halten, bis
der Schock abgegeben wurde – daran denken, dass
es eine kleine Verzögerung geben kann, bevor der
Schock abgegeben wird;
• Wenn ein zweiter Schock notwendig ist daran denken,
dass der Synchronisationsmodus ggf. erneut aktiviert
werden muss.
Welche Energielevel am besten für eine Defibrillation /
Kardioversion geeignet sind, wird diskutiert und kann den
Umständen nach, zu denen auch Rhythmus und Größe
des Patienten gehören, variieren.
Wenn verfügbar sollte ein biphasischer Defibrillator
verwendet werden, da die Erfolgswahrscheinlichkeit
höher ist als bei einem monophasischen Gerät.
• Bei Breit-Komplex Tachykardien und Vorhofflimmern
mit 120-150 J biphasisch oder 200 J monophasisch
beginnen und mit bis zu zwei weiteren Schocks mit
steigender Energie bis zur maximalen Energie des
Defibrillators fortfahren, wenn der erste Schock die
Arrhythmie nicht terminiert.
• Bei Vorhofflattern und regelmäßiger SchmalKomplex Tachykardie sind niedrigere Energielevel
üblicherweise effektiv. Es wird mit 70-120 J biphasisch
oder 100 J monophasisch begonnen und mit bis zu
zwei weiteren Schocks mit steigender Energie bis zur
maximalen Energie des Defibrillators fortgefahren,
wenn der erste Schock die Rhythmusstörung nicht
beendet.
Bradykardie
Die herkömmliche Definition für Bradykardie ist eine
Herzfrequenz von weniger als 60 min-1; dennoch ist für
manche Menschen oder in bestimmten Situationen eine
Herzfrequenz von weniger als 60 min-1 nicht bedrohlich
und kann völlig physiologisch sein.
Es ist daher hilfreich zu unterscheiden:
• Extreme Bradykardie (weniger als 40 min-1)
European Resuscitation Council
- selten physiologisch, selten gut toleriert und bedarf
üblicherweise einer Behandlung
- als ungünstigeres Zeichen erachtet
• Weniger schwere Bradykardie (40-60 min-1)
- bedarf üblicherweise nur dann einer sofortigen
Behandlung, wenn Instabilitätszeichen vorliegen
Auf Instabilitätszeichen ist zu achten und ein 12-Kanal
EKG ist zu schreiben. Die nachfolgenden klinischen
Symptome legen eine sofortige Behandlung nahe:
• Systolischer Blutdruck unter 90 mm Hg;
• Herzfrequenz unter 40 min-1;
• Ventrikuläre Arrhythmie;
• Herzinsuffizienz;
Ist eines dieser Zeichen festzustellen sollen 0,5 mg
Atropin intravenös gegeben werden. Wenn notwendig
sollte dies alle 3-5 Minuten bis zu einer Gesamtdosis
von 3 mg wiederholt werden. Bei einer myokardialen
Ischämie oder einem akuten Myokardinfarkt, sollte
Atropin mit Bedacht gegeben werden, da eine durch
Atropin induzierte Tachykardie eine myokardiale Ischämie
verschlechtern oder einen Infarkt vergrößern kann.
Bei stabilen Patienten oder falls mit Atropin eine
zufriedenstellende Verbesserung erreicht werden konnte,
muss als nächster Schritt die Gefahr eine Asystolie, die
unter folgenden Voraussetzungen erhöht sein kann,
eingeschätzt werden:
• Kürzlich aufgetretene Asystolie;
• AV-Block II. Grades, Typ Mobitz;
• Kompletter AV-Block (AV-Block III. Grades) (vor allem
mit breiten QRS-Komplexen und initialer Herzfrequenz
unter 40 min-1);
• Ventrikulärer Herzstillstand für länger als 3 Sekunden;
(Für die Beschreibung der verschiedenen Grade eines AVBlocks und deren Bedeutung siehe Kapitel 6).
If there is a risk of asystole, seek expert help with cardiac
pacing. The definitive treatment is transvenous pacing. If
there is delay in achieving this or obtaining expert help
consider the temporary use of transcutaneous pacing. If
this is not available or ineffective in preventing dangerous
bradycardia, give adrenaline as an intravenous infusion
(2-10 mcg min-1 titrated to response).
‘Fist pacing’ may be used as a temporary measure to treat
ventricular standstill or very extreme bradycardia whilst
other treatment is being organised.
Besteht das Risiko einer Asystolie sollte zur Durchführung
einer Schrittmachertherapie ein Experte konsultiert
werden. Eine transvenöse Schrittmachertherapie ist die
definitive Behandlung. Kommt es bei der Umsetzung
dieser Maßnahme oder bei der Konsultation eines
Experten zu Verzögerungen, sollte an die Möglichkeit
einer temporären transkutanen Schrittmachertherapie
gedacht werden. Steht diese nicht zur Verfügung, oder
kann damit eine gefährliche Bradykardie nicht effektiv
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 123
KAP
12
Kapitel 12 Herzrhythmusstörungen vor und nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand
Bradycardia Algorithm
(includes rates inappropriately slow for haemodynamic state)
If appropriate, give oxygen, cannulate a vein, and record a 12-lead ECG
YES
Adverse signs?
NO
• Systolic BP < 90 mmHg
• Heart rate < 40 beats min-1
• Ventricular arrhythmias compromising BP
• Heart faillure
Atropine
500 mcg IV
Satisfactory
response?
YES
NO
Interim measures
• Atropine 500 mcg IV repeat
to maximum of 3 mg
• Adrenaline 2-10 mcg min-1
• Alternative drugs*
OR
• Transcutaneous pacing
YES
Risk of asystole?
• Recent asystole
• Möbitz II AV block
• Complete heart block with
broad QRS
• Ventricular pause > 3s
NO
Observe
Seek expert help
Arrange transvenous pacing
*Alternative include:
Aminophylline
Isoprenaline
Dopamine
Glucagon (if beta-blocker or calcium-channel blocker overdose)
Glycopyrronium can be used instead of atropine
Figure 12.1 Bradycardia Algorithm
124 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
European Resuscitation Council
* Attempted electrical cardiovision is always
undertaken under sedation or general
anaesthesia
Possibilities include:
• AF with bundle branch block
treat as for narrow complex
• Pre-excited AF
consider amidarone
• Polymorphic VT (e.g. torsade de
pointes - give magnesium 2 g over
10 min)
Seek expert help
Irregular
Is patient stable?
No
Probable re-entry PSVT:
• Record 12-lead ECG in sinus rhythm
• If recurs, give adenosine again &
consider choice of anti-arrhythmic
prophylaxis
Yes
Normal sinus rhythm restored?
Irregular
Probable atrial flutter
• Control rate (e.g. ß-Blocker)
Seek expert help
Irregular Narrow Complex
Tachycardia
Probable atrial fibrillation
Control rate with:
• ß- Blocker IV or digoxin IV
If onset < 48 h consider
• Amiodarone 300 mg IV 20-60 min;
then 900 mg over 24 h
Narrow QRS
Is rhythm regular?
Narrow
• Use vagal manoeuvres
• Adenosine 6 mg rapid IV bolus;
if unsuccesful give 12 mg;
if unsuccesful give further12 mg;
• Monitor ECG continuously
Regular
Is QRS narrow (< 0.12 sec)?
If Ventricular Tachycardia
(or uncertain rhythm):
• Amiodarone 300 mg IV over 20-60
min; then 900 mg over 24 h
If previously confirmed SVT with
bundle branch block:
• Give adenosine as for regular
narrow complex tachycardia
Regular
Broad
Stable
Signs of instability INCLUDE:
1. Reduced conscious level
2. Chest pain
3. Systolic BP <90mmHg
4. Heart failure
(Rate-related symptoms uncommon at less than 150 beats min-1)
Broad QRS
Is QRS regular?
• Amiodarone 300 mg IV over 10-20 min
and repeat shock; followed by:
• Amiodarone 900 mg over 24 h
Synchronised DC shock*
Up to 3 attemps
Unstable
• Support ABCs: give oxygen; cannulate a vein
• Monitor ECG, BP, SpO2
• Record 12-lead ECG if possible; if not, record rhythm strip
• Identify and treat reversible causes (e.g. electrolyte abnormalities)
Tachycardia Algorithm (with pulse)
KAP
12
Figure 12.2 Tachycardia algorithm
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 125
Kapitel 12 Herzrhythmusstörungen vor und nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand
verhindert werden, dann soll Adrenalin als intravenöse
Infusion gegeben werden (2-10 mcg min-1 nach Wirkung
titriert).
Eine „Faustschlagstimulation“ kann als vorübergehende
Maßnahme durchgeführt werden um einen ventrikulären
Herzstillstand oder eine sehr extreme Bradykardie zu
behandeln, derweil andere Behandlungsmaßnahmen
organisiert werden
Zu den weiteren Medikamenten, die zur Behandlung
einer Bradykardie gegeben werden gehören Dopamin
und Orciprenalin als intravenöse Infusion. An die Gabe
von Glucagon sollte gedacht werden, wenn die mögliche
Ursache der Bradykardie die Einnahme eines ß-Blockers
oder Calciumkanalblockers ist. Atropin sollte bei
Herztransplantierten Patienten nicht gegeben werden, da
das Herz denerviert ist und nicht auf eine Vagusblockade
reagieren wird und es ein gewisses Risiko gibt einen
paradoxen AV-Block auszulösen.
Ein kompletter AV-Block mit schmalen QRS Komplexen
stellt nicht in jedem Fall eine absolute Indikation für eine
Schrittmachertherapie dar; der Rhythmus entsteht im
AV-Knoten und kann eine ausreichende Herzfrequenz,
bei einem niedrigen Risiko einer Asystolie, liefern und
kann durch Atropingabe behandelt werden. Bei solchen
Patienten hängt die Notwendigkeit einer langfristigen
Schrittmacherbehandlung von der auslösenden
Ursache des AV-Blocks ab und ob diese weiter besteht
oder nicht; zum Beispiel tritt ein kompletter SchmalKomplex AV-Block nach einem inferioren Herzinfarkt
fast immer nur vorübergehend auf und nur sehr selten
ist eine Schrittmachertherapie notwendig. Bei einem
angeborenen kompletten AV-Block besteht üblicherweise
ein Schmal-Komplex Rhythmus und für Erwachsene
ist eine dauerhafte Schrittmachertherapie empfohlen
um dem geringen, aber vorhandenen, mit dem Alter
zunehmenden Risiko eines plötzlichen Herztodes
vorzubeugen.
Tachykardie
Der erste Schritt bei der Behandlung einer
Tachyarrhythmie ist die Beurteilung des Patienten.
Ist bei einer Tacharrhythmie kein Puls vorhanden
entspricht dies einem Kreislaufstillstand und KEINER
Arrhythmie vor oder nach einem Kreislaufstillstand.
Der Patient ist gemäß den Algorithmen für den
Kreislaufstillstand zu behandeln. Eine Ausnahme stellt die
sehr schnelle Schmalkomplextachykardie mit Frequenzen
>250/min dar.
• Schläfrigkeit oder Verwirrtheit.
Während der Patient beurteilt wird:
1. Sauerstoff geben und einen i. v. Zugang legen,
wenn nicht bereits geschehen (insbesondere, wenn
Instabilitätszeichen vorhanden sind);
2. 12-Kanal EKG schreiben, wenn nicht bereits
geschehen (ohne die Behandlung zu verzögern);
In general, at the same heart rate, a narrow-complex
tachycardia causes less cardiovascular compromise than a
broad-complex tachycardia.
Im Allgemeinen veursacht, bei gleicher Herzfrequenz,
eine Schmalkomplextachykardie weniger kardiovaskuläre
Probleme als eine Breitkomplextachykardie.
Die nachfolgenden Empfehlungen gelten nur für
Patienten in einer Situation eines drohenden oder
nach einem Kreislaufstillstand (z. B. unmittelbar nach
einer kardiopulmonalen Reanimation, nach einem
kürzlich abgelaufenen Herzinfarkt, den Beginn einer neu
aufgetretenen symptomatischen Arrhythmie usw.)
Sie gelten üblicherweise nicht für Patienten mit einer
bekannten chronischen Arrhythmie und/oder bei einer
Verschlechterung eines chronischen Zustandes wie
einer kongestiven Herzinsuffizienz (z. B. der Patient mit
chronischem Vorhofflimmern und sich verschlechternder
chronischer kongestiver Herzinsuffizienz, bei dem der
Blutdruck niedrig sein kann, Zeichen der kardialen
Dekompensation bestehen können, aber eine sofortige
Kardioversion nicht angemessen sein kann).
Wenn ein Patient, in der Situation eines drohenden
oder abgelaufenen Kreislaufstillstandes, instabil ist
und die Tachykardie zu einer Verschlechterung mit
Instabilitätszeichen führt, sollte eine synchronisierte
Kardioversion umgehend versucht werden.
Ist die Kardioversion nicht erfolgreich, werden 300
mg Amiodaron über 10-20 Minuten gegeben danach
wird nochmals versucht zu kardiovertieren. Nach der
Initialdosis werden 900 mg Amiodaron als Infusion über
24 Stunden gegeben.
Sind während der Arrhythmie keine Instabilitätszeichen
vorhanden, wird bestimmt, ob es sich um eine
Rhythmusstörung mit schmalen (das heißt normale
Dauer) QRS-Komplexen oder mit breiten (0,12 sec. oder
länger) handelt. Hierdurch wird eine Breit-Komplex von
einer Schmal-Komplex Tachykardie unterschieden.
Ist ein Puls vorhanden, ist der Patient auf
Instabilitätszeichen hin zu beurteilen. Diese sind:
• Systolischer Blutdruck unter 90 mm Hg;
• Herzfrequenz über 150 min-1;
• Brustschmerz;
• Herzinsuffizienz;
126 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Breit-Komplex Tachykardie
Liegen keine Instabilitätszeichen vor, die die
Notwendigkeit für eine elektrische Kardioversion
anzeigen, wird die weitere Beurteilung helfen, die am
besten geeignete Behandlung zu wählen.
Obwohl es sich bei einer Breit-Komplex Tachykardie
um eine supraventrikuläre Tachykardie (SVT) mit einer
abnormalen Leitung (z. B. Schenkelblock) handeln kann,
sollte in der Periarrestphase angenommen werden, dass
Breit-Komplex Tachykardien ventrikulären Ursprungs
sind. Eine supraventrikuläre Tachykardie (SVT) so zu
behandeln, als wäre es eine ventrikuläre Tachykardie (VT)
führt weniger wahrscheinlich zu einer Verschlechterung,
als eine VT wie eine SVT zu behandeln. Die Ausnahmen
sind im folgenden Text aufgeführt.
behandelt, sollte wie bei Vorhofflimmern vorgegangen
werden (siehe nachfolgend). Wenn ein Vorhofflimmern
(oder Vorhofflattern) bei Prä-Exzitation vermutet wird, ist
die Gabe von Adenosin, Digoxin, Verapamil und Diltiazem
zu vermeiden. Diese Substanzen blockieren den AVKnoten und führen zu einer relativen Zunahme der PräExzitation. Die elektrische Kardioversion ist in der Regel
die sicherste Behandlung.
Regelmäßige Breit-Komplex Tachykardie
Bei der Behandlung einer Torsade des Pointes Tachykardie
sind alle Medikamente, die zu einer QT-Verlängerung
führen können, sofort abzusetzen. Elektrolytstörungen,
insbesondere eine Hypokaliämie, sind zu korrigieren. 2
g Magnesium Sulfat werden über 10 Minuten gegeben.
Ein Experte sollte konsultiert werden, da weitere
Behandlungen (z. B. overdrive pacing) indiziert sein
können, um einem Wiederauftreten der Arrhythmie
vorzubeugen, nachdem sie terminiert wurde. Wird der
Patient instabil sind alle Vorbereitungen für eine sofortige
Kardioversion zu treffen. Wird der Patient pulslos, ist die
sofortige Defibrillation zu versuchen (KreislaufstillstandAlgorithmus).
Sind keine Instabilitätszeichen vorhanden, werden 300
mg Amiodaron intravenös über 20-60 Minuten gegeben,
gefolgt von einer Infusion von 900 mg über 24 Stunden.
Schmal-Komplex Tachykardie
Zuerst ist anhand des EKG zu entscheiden, ob die BreitKomplex Tachykardie regelmäßig oder unregelmäßig ist.
Das Monitoring wird fortgesetzt und der Patient weiter
beurteilt, ein Experte konsultiert, und die Vorbereitungen
für eine elektrische Kardioversion getroffen, für den
Fall, dass Instabilitätszeichen auftreten, oder dass die
Rhythmusstörung über mehrere Stunden persistiert.
Ist es eindeutig nachgewiesen, dass es sich um eine SVT
mit einem Schenkelblock handelt, wird in der gleichen
Weise wie bei einer Schmal-Komplex Tachykardie
verfahren (siehe nachfolgend). Bei Zweifeln gilt
– behandle wie bei einer VT.
Zu den regelmäßigen Schmal-Komplex Tachykardien
gehören:
• Sinus Tachykardie;
• AV-Knoten (Node) Re-entry Tachykardie – AVNRT (die
häufigste Form der “SVT”);
• AV Re-entry Tachykardie - AVRT (verursacht durch ein
WPW Syndrom) ;
• Vorhofflattern mit regelmäßiger AV-Überleitung
(üblicherweise 2:1).
Eine ventrikuläre Tachykardie ist wahrscheinlicher in der
Phase eines akuten Myokardinfarktes und bei Patienten
mit bekannter ischämischer Herzerkrankung.
Bei einer unregelmäßigen Schmal-Komplex Tachykardie
handelt es sich am häufigsten um Vorhofflimmern (AF)
oder manchmal um Vorhofflattern mit variabler
AV-Überleitung („variabler Block“).
Unregelmäßige Breit-Komplex Tachykardie
Regelmäßige Schmal-Komplex Tachykardie
Am wahrscheinlichsten handelt es sich um
Vorhofflimmern (AF – atriales Flimmern) mit einem
Schenkelblock, wobei eine gründliche Bewertung eines
12-Kanal EKG (wenn nötig durch einen Experten) eine
sichere Diagnose des Rhythmus ermöglichen kann.
Eine andere mögliche Ursache ist Vorhofflimmern mit
Prä-Exzitation, (bei Patienten mit Wolff-Parkinson-White
(WPW) - Syndrom). Hierbei gibt es mehr Variationen im
Erscheinungsbild und in der Breite des QRS-Komplexes
als bei Vorhofflimmern mit Schenkelblock. Eine dritte
mögliche Ursache ist eine polymorphe VT (z. B. Torsade
des Pointes), aber es ist unwahrscheinlich, dass eine
polymorphe VT ohne Instabilitätszeichen vorliegt.
Experten sollten bei der Untersuchung und Behandlung
unregelmäßiger Breit-Komplex Tachykardien konsultiert
werden. Wird ein Vorhofflimmern mit Schenkelblock
European Resuscitation Council
Sinus Tachykardie
Diese ist die übliche physiologische Reaktion auf einen
Stimulus wie Anstrengung oder Angst. Bei einem kranken
Patienten kann sie als Reaktion auf viele Ursachen wie
Schmerz, Fieber, Anämie, Blutverlust und Herzversagen
beobachtet werden. Die Behandlung wird fast immer
durch die zu Grunde liegende Erkrankung bestimmt
– der Versuch eine Sinus Tachykardie, die auf einem der
genannten Gründe beruht, zu verlangsamen, wird die
Situation verschlechtern.
AVNRT und AVRT (“paroxysmale SVT’)
Die häufigste der “paroxysmalen SVT”, die AV-Knoten
Re-Entry Tachykardie (AVNRT), wird oft bei Patienten
ohne irgendeine weitere Herzerkrankung beobachtet
und ist relativ ungewöhnlich in einer Situation vor oder
nach einem Kreislaufstillstand. Sie führt zu einer SchmalKomplex Tachykardie, oft ohne eindeutig erkennbare
Vorhofaktivität im EKG, mit Herzfrequenzen üblicherweise
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 127
KAP
12
Kapitel 12 Herzrhythmusstörungen vor und nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand
weit oberhalb der Bereiche einer Sinusfrequenz in Ruhe
(60-120 min-1). Sie ist üblicherweise nicht bedrohlich,
so lange keine begleitende strukturelle oder eine
koronare Herzerkrankung vorliegt, kann aber Symptome
verursachen, die der Patient als beängstigend erlebt.
AV-Re-Entry Tachykardien werden bei Patienten mit WPW
Syndrom gesehen und sind üblicherweise auch nicht
bedrohlich, es sei denn es liegt zusätzlich eine strukturelle
Herzerkrankung vor. Die gängige Form der AVRT ist
die regelmäßige Schmal-Komplex Tachykardie, bei der
ebenfalls häufig keine Vorhofaktivität im EKG erkennbar
ist.
Vorhofflattern mit regelmäßiger AV Überleitung
(häufig 2:1 Block)
Hierbei kommt es zu einer regelmäßigen SchmalKomplex Tachykardie, bei der es schwierig sein kann, eine
Vorhofaktivität und Flatterwellen sicher zu erkennen, so
dass es sein kann, dass es von einer AVNRT oder AVRT
initial nicht unterschieden werden kann.
Wenn Vorhofflattern mit einem 2:1 Block oder gar einer
1:1 Überleitung zusammen mit einem Schenkelblock
auftritt, entsteht eine Breit-Komplex-Tachykardie die
üblicherweise sehr schwer von einer VT unterschieden
werden kann; wird diese Rhythmusstörung behandelt
als wenn es sich um eine VT handeln würde, wird dies
üblicherweise effektiv sein oder zu einer Verlangsamung
der ventrikulären Reizantwort führen und den Rhythmus
erkennbar machen.
Meist hat das typische Vorhofflattern eine atriale
Frequenz um 300 min-1, so das Vorhofflattern mit
einem 2:1 Block zu einer Frequenz um 150 min-1führt.
Wesentlich höhere Frequenzen (170 min-1 oder mehr)
beruhen wahrscheinlich nicht auf einem Vorhofflattern
mit 2:1 Block
Behandlung einer regelmäßigen Schmal-Komplex
Tachykardie
Ist der Patient auf Grund der Arrhythmie instabil, sollte
eine synchronisierte elektrische Kardioversion versucht
werden. Es ist gerechtfertigt einem instabilen Patienten
mit einer Schmal-Komplex Tachykardie Adenosin zu
verabreichen, während die Vorbereitungen für eine
elektrische Kardioversion getroffen werden. Dennoch
darf eine elektrische Kardioversion nicht verzögert
werden wenn durch Adenosin ein Sinusrhythmus nicht
wiederhergestellt werden kann.
Bestehen keine Instabilitätszeichen:
• Beginnen Sie mit Vagusmanövern. Mit einer KarotisSinus Massage oder einem Valsalva Manöver können
bis zu einem Viertel aller Episoden „paroxysmaler
SVT“ beendet werden. Ein Valsalva Manöver (forcierte
Exspiration bei geschlossener Glottis) in Rückenlage
kann die am meisten effektive Technik sein. Um
dies ohne langwierige Erklärungen zu erreichen,
hat sich als praktisch erwiesen den Patienten
aufzufordern mit so viel Kraft in eine 20 ml Spritze
zu blasen, dass der Stempel zurückgedrückt wird.
128 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
•
•
•
•
Eine Karotismassage sollte vermieden werden
wenn ein Strömungsgeräusch an der Karotis
vorhanden ist; die Ruptur eines atheromatösen
Plaques kann eine zerebrale Embolie und einen
Apoplex verursachen. Man sollte sich im Klaren
darüber sein, dass eine plötzliche Bradykardie im
Zusammenhang mit einer akuten Myokardischämie
oder einer Digitalisüberdosierung, Kammerflimmern
auslösen kann. Ein (vorzugsweise Mehr-Kanal) EKG
ist während jeden Manövers aufzuzeichnen. Handelt
es sich um ein Vorhofflattern, kommt es häufig zu
einer langsameren ventrikulären Erregung und
Flatterwellen werden erkennbar.
Wenn die Rhythmusstörung anhält und es sich nicht
um Vorhofflattern handelt, sollte Adenosin eingesetzt
werden. Es werden 6 mg als schneller intravenöser
Bolus gegeben. Während jeder Injektion wird ein
(vorzugsweise Mehr-Kanal) EKG aufgezeichnet.
Kommt es zu einem vorübergehenden Abfall der
ventrikulären Frequenz, doch die Rhythmusstörung
hält dann an, ist auf eine atriale Aktivität wie
Flatterwellen oder andere Vorhoftachykardien zu
achten und entsprechend zu behandeln. Gab es keine
Reaktion auf 6 mg Adenosin, werden 12 mg als Bolus
gegeben. Wenn es keine Reaktion hierauf gibt, wird
ein weiterer 12 mg Bolus gegeben.
Wird eine Tachyarrhythmie erfolgreich durch
Vagusmanöver oder Adenosin beendet, deutet dies
darauf hin, dass es sich fast sicher um eine AVNRT
oder AVRT gehandelt hat. Die Patienten werden
weiter am Monitor überwacht. Ein Wiederauftreten
wird entweder weiter mit Adenosin oder mit länger
wirksamen Medikamenten (z. B. Diltiazem oder Beta
Blocker) mit blockierender Wirkung auf den AV-Knoten
behandelt.
Vagusmanöver oder Adenosin beenden beinahe alle
AVNRT oder AVRT innerhalb von Sekunden. Versagt
Adenosin dabei eine regelmäßige Schmal-Komplex
Tachykardie zu beenden, legt dies das Vorliegen einer
Vorhoftachykardie wie Vorhofflattern nahe.
Wenn Adenosin kontraindiziert ist oder eine
regelmäßige Schmal-Komplex Tachykardie damit
nicht beendet werden kann, ohne dass sich zeigt,
dass es sich um Vorhofflattern handelt, werden
Calciumkanalblocker gegeben (z. B. Verapamil 2.5 - 5
mg i. v. über 2 Minuten; oder Diltiazem 15 - 20 mg
über 2 Minuten).
Unregelmäßige Schmal-Komplex
Tachycardie
Bei einer unregelmäßigen Schmal-Komplex Tachykardie
handelt es sich am wahrscheinlichsten um ein
Vorhofflimmern mit einer unkontrollierten ventrikulären
Erregung oder, weniger häufig, um ein Vorhofflattern mit
einer variablen AV-Blockierung. Um den Rhythmus zu
erkennen, muss ein 12-Kanal EKG geschrieben werden
(siehe Kapitel 6).
Ist der Patient instabil, ist eine synchronisierte elektrische
Kardioversion zu versuchen.
European Resuscitation Council
Liegen keine Instabilitätszeichen vor gehören zu den
Behandlungsmöglichkeiten:
• Medikamentöse Herzfrequenzkontrolle ;
• Rhythmuskontrolle durch die Verwendung
von Medikamenten die eine medikamentöse
Kardioversion fördern;
• Rhythmuskontrolle durch elektrische Kardioversion;
• Vorbeugende Behandlungen (z. B. Antikoagulation).
Die geeigneteste Behandlung für den individuellen
Patienten sollte gemeinsam mit einem Experten
festgelegt werden.
Je länger ein Patient im Vorhofflimmern bleibt, um
so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein
Vorhofthrombus bildet. Generell gilt, dass Patienten,
die seit mehr als 48 Stunden Vorhofflimmern haben,
nicht kardiovertiert werden sollten (elektrisch oder
medikamentös) bis sie vollständig therapeutisch
antikoaguliert worden sind, oder bis ein Vorhofthrombus
in einer Transösophagealen Echokardiographie
ausgeschlossen werden konnte.
Wenn es das Ziel ist, die Herzfrequenz zu kontrollieren,
gehören zu den Behandlungsmöglichkeiten ß-Blocker,
Digoxin, Diltiazem, Magnesium oder Kombinationen von
diesen.
Besteht das Vorhofflimmern weniger als 48 Stunden
und ist man zu dem Schluss gekommen, dass
eine Rhythmuskontrolle angebracht ist, kann dies
mit Amiodaron (300 mg intravenös über 20-60
Minuten, gefolgt von 900 mg über 24 Stunden)
versucht werden. Ibutilide oder Flecainid kann
ebenfalls zur Rhythmuskontrolle gegeben werden,
eine Expertenempfehlung sollte jedoch eingeholt
werden, bevor diese Medikamente zu diesem Zweck
gegeben werden. Die elektrische Kardioversion ist eine
verbleibende Option in einer solchen Situation und wird
bei mehr Patienten wieder zu einem Sinusrhythmus
führen als die medikamentöse Kardioversion.
Zusammenfassung
•Rhythmusstörungen nach Reanimation und
Wiedereinsetzen eines Spontankreislaufs
müssen behandelt werden, um den Patienten
zu stabilisieren und das erneute Auftreten eines
Kreislaufstillstandes zu verhindern.
•Unter Umständen kann es sein, dass manche
Arrhythmien einer prompten Behandlung
bedürfen um einer Verschlechterung
vorzubeugen, einschließlich des Risikos eines
Herzstillstandes, während andere keine sofortige
Behandlung benötigen.
•Die Dringlichkeit einer Behandlung und welche
Behandlung am besten geeignet ist, wird vom
Zustand des Patienten (Instabilitätszeichen) und
von der Art der Rhythmusstörung bestimmt.
•Unterstützung durch einen Experten bei
der Beurteilung und der Behandlung einer
Herzrhythmusstörung sollte so früh wie möglich
angefordert werden.
Weiterführende Literatur
Blomstrom-Lundqvist C, Scheinmann M M et al. American College of
Cardiology/American Heart Association Task Force and the European
Society of Cardiology Committee for Practice Guidelines. ACC/AHA/
ESC Guidelines for the Management of Patients With Supraventricular
Arrhythmias. European Heart Journal 2003;24:1857-97.
Fuster V, Lyden R E et al. American College of Cardiology/American
Heart Association Task Force and the European Society of Cardiology
Committee for Practice Guidelines and Policy Conferences. ACC/AHA/
ESC guidelines for the management of patients with atrial fibrillation.
European Heart Journal 2001;22:1852-1923.
Ein Experte sollte bei jedem Patienten mit
Vorhofflimmern konsultiert werden, bei dem eine
ventrikuläre Präexcitation (WPW Syndrom) bekannt ist
oder festgestellt wird. Die Verwendung von Adenosin,
Diltiazem, Verapamil oder Digoxin bei Patienten mit
Vorhofflimmern oder –flattern bei Prä-Exzitation ist zu
vermeiden, da diese den AV-Knoten blockieren und zu
einer relativen Zunahme der Prä-Exzitaion führen.
Schnelle Schmal-Komplex Tachykardie ohne
Puls
Selten kann eine sehr schnelle (üblicherweise > 250
Schläge min-1) Schmal-Komplex Tachykardie das
Herzschlagvolumen so weit vermindern, dass ein Puls
nicht tastbar und das Bewusstsein beeinträchtigt ist. Die
geeignete Behandlung ist die sofortige synchronisierte
Kardioversion.
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 129
Kapitel 12 Herzrhythmusstörungen vor und nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand
130 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
13
Kreislaufstillstand unter
besonderen Umständen
KAPITEL
Lernziele
Verständnis für die Modifikationen der
Wiederbelebungstechniken in folgenden speziellen
Situationen:
■ Lebensbedrohliche Elektrolytentgleisung
■ Vergiftung
■ Hypothermie
■ Hyperthermie
■ Ertrinken
■ Asthma
■ Anaphylaxie
■ Kreislaufstillstand nach herzchirurgischen
Eingriffen
■ Trauma
■ Schwangerschaft
■ Stromunfall
Einleitung
In speziellen Situationen bedarf es einer Modifikation der
Wiederbelebungsmaßnahmen. Das Erkennen der frühen
Anzeichen und eine effektive Behandlung kann einen
Kreislaufstillstand oftmals verhindern. Diese Bedingungen
sind auch für einen großen Teil von Kreislaufstillständen in
einer jüngeren Altersgruppe verantwortlich, bei denen es
keine begleitende kardiorespiratorische Erkrankung gibt.
Lebensbedrohliche
Elektrolytentgleisung
Elektrolytverschiebungen können Arrhythmien
oder einen Herz-Kreislaufstillstand hervorrufen.
Veränderungen des Kaliumhaushaltes bieten das
größte Risiko. Die primäre Behandlung sollte bei
lebensbedrohlichen Elektrolytentgleisungen begonnen
werden, bevor aktuelle Laborwerte vorhanden sind.
Definierte Elektrolytwerte sind angegeben, um klinische
Entscheidungen zu treffen. Die Grenzwerte, welche
die klinischen Entscheidungen beeinflußen, sind vom
Patientenzustand und der Geschwindigkeit mit der sich
die Elektrolytwerte verändern abhängig.
eintritt
• Beseitigen Sie auslösende Faktoren (z.B. Medikamente)
und untersuchen sie die Elektrolytspiegel, um das
Wiederauftreten zu verhindern
• Untersuchen Sie die Nierenfunktion der Patienten bei
Risiken von Elektrolytverschiebungen
• Prüfen Sie regelmäßig die Nierenersatztherapie, um
unerwünschte Elektrolytverschiebungen während der
Behandlung zu verhindern
Veränderungen des Kaliumhaushaltes
Die reguläre extrazelluläre Kaliumkonzentration befindet
sich zwischen 3,5 und 5,0 mmol/l. Normalerweise
existiert ein großer Konzentrationsgradient zwischen den
intra- und extrazellulären Flüsigkeitskompartimenten. Die
Erhebung des Serumkaliums muss immer in Verbindung
zu Veränderungen des pH Wertes gesehen werden. Wenn
der Serum pH Wert fällt, steigt das Kalium im Serum
aufgrund eines Kaliumshifts von intra- nach extrazellulär
an. Wenn der Serum pH Wert steigt, sinkt hingegen das
Serumkalium aufgrund einer Kalium-Verschiebung in
die Zelle. Bei der Therapie der Hyper- oder Hypokaliämie
müssen Effekte der pH Wert Veränderung berücksichtigt
werden.
Hyperkaliämie
Eine Hyperkaliämie ist meistens durch eine Freisetzung
aus dem Zellinneren oder durch eine verminderte
Ausscheidung der Niere bedingt.
Definition
Es gibt keine allgemeingültige Definition. Wir definieren
die Hyperkaliämie als Serumkonzentrationen größer
5,5 mmol/l. Bei zunehmendem Kalium steigt die Gefahr
von Komplikationen und es steigt die Notwendigkeit
unmittelbar wirkender Behandlungskonzepte. In
manchen Literaturstellen wird die schwere Hyperkaliämie
auch erst bei Serumkaliumwerten von über 6,5 mmol/l
definiert.
Ursachen
Vermeidung von
Elektrolytentgleisungen
• Behandeln Sie lebensbedrohliche
Elektrolytentgleisungen, bevor ein Kreislaufstillstand
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 131
KAP
13
Kapitel 13 Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen
Ursachen für eine Hyperkaliämie sind:
•Nierenversagen;
•Medikamente (ACE Hemmer, Angiotensin
II Blocker, kaliumsparende Diuretika,
nichtsteroidale Antirheumatika (NSAID),
Betablocker, Trimetoprim);
•Gewebszerfall (Skelettmuskel (Rhabdomyolyse),
Tumorzerfall, Hämolyse);
•Metabolische Azidose;
•Endokrine Entgleisung (Addison-Krise);
•Hyperkaliämisch bedingte Paralyse;
•Diät (möglicherweise Hauptursache
bei Patienten mit chronischer
Nierenersatztherapie).
Erythrozytenveränderungen oder eine Thrombozytose
können eine fälschlicherweise hohe Kaliumkonzentration
vortäuschen. Die Gefahr einer Hyperkaliämie steigt mit
der Kombination von ursächlichen Faktoren.
Das Erkennen einer Hyperkaliämie
Bei Patienten mit Arrhythmien oder im Kreislaufstillstand
sollte eine Hyperkaliämie ausgeschlossen werden
Die Patienten zeigen häufig einen verminderten
Muskeltonus (Muskelschlaffheit), Parästhesien,
oder abgeschwächte Sehnenreflexe. Die Effekte der
Hyperkaliämie im EKG sind abhängig vom absoluten
Serum-Kaliumspiegel und von der Dynamik des
Serumanstiegs. (Abb. 13.1).
EKG Veränderungen in Verbindung mit einer
Hyperkaliämie sind üblicherweise progredient und
beinhalten:
• AV-Block I° (verlängertes PR Intervall > 0,2 sec.);
• Abgeflachte oder fehlende P Welle;
• Große, spitze T Wellen (T welle größer als R Welle in
mehr als einer Ableitung);
• ST Abflachung;
• ST Wellen Verschmelzung;
• Verbreiterter QRS Komplex ( > 0,12 sec.);
• Bradykardie (Sinusbradykardie oder AV-Block);
• Ventrikuläre Tachykardie;
• Herz-Kreislaufstillstand (Asystolie, VF/VT, PEA).
Therapie der Hyperkaliämie
Die fünf Schlüsselmaßnahmen zur Behandlung der
Hyperkaliämie sind:
1. Herzprotektion durch die Antagonisierung der
Hyperkaliämie-Effekte;
2. Kaliumverschiebung in das Zellinnere;
3. Kaliumentfernung aus dem Körper;
4. Regelmäßige Bestimmung des Kaliumspiegels zur
Verhinderung von Rebound-Phänomenen;
5. Prävention des Wiederauftretens.
Besteht der dringende Verdacht auf das Vorliegen
einer Hyperkaliämie (z.B. durch charakteristische
EKG Veränderungen), sollten erste lebenserhaltende
Therapiemaßnahmen eingeleitet werden, noch bevor die
Laborwerte vorliegen.
©ERC
Abb 13.1 12-Ableitungs-EKG mit charakteristischen Zeichen der Hyperkaliämie
132 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Patienten ohne Kreislaufstillstand
Beurteilen Sie den Flüssigkeitshaushalt des Patienten.
Liegt eine Hypovolämie vor, substituieren sie Volumen,
um die Kaliumausscheidung über die Nieren anzuregen.
Die angegebenen Werte sind als Richtgrößen zur
Therapieentscheidung zu werten:
Leichte Erhöhung (5,5 bis 6 mmol/l): entfernen Sie das
Kalium aus dem Körper
• Kalium-Austauscher-Harze – Resonium 15-30 g ODER
Polysulfonsäure 15-30 in 50-100ml 20% Sorbitol, oral
oder über Darmspülung (Beginn in 1-3 Std., maximaler
Effekt in 6 Std), oder
• Diuretika: Furosemid 1mg/kg langsam iv, oder
• eventuell Dialyse: eine Hämodialyse ist effizienter
als eine Peritonealdialyse um Kalium zu eliminieren
(umgehender Wirkungseintritt: 25-30 mmol Kalium
pro Stunde wird durch Hämodialyse eliminiert).
Mittlere Erhöhung (6,0 bis 6,5 mmol/l) ohne EKG
Veränderung: Verfolgen Sie oben angeführte Strategien plus
Kaliumverschiebung in die Zelle mittels:
• Glukose/Insulin: 10 IE kurzwirksames Insulin und 50 g
Glukose iv. über 15 – 30 Minuten (Beginn der Wirkung
nach 15-30 Min; maximaler Effekt nach 30-60 Min;
regelmäßige Bestimmung des Blutglukose-Wertes
empfohlen).
Schwerwiegende Erhöhung (≥6,5 mmol/l) ohne EKGVeränderungen: Kaliumverschiebung in die Zelle mittels
oben angeführten Strategien plus:
• Salbutamol: 5 mg vernebelt. Mehrere Dosen können
notwendig sein (Beginn der Wirkung nach 15-30 Min)
• Natriumbikarbonat: 50 mmol iv. über 5 Min bei
Vorliegen einer metabolischen Azidose (Beginn der
Wirkung nach 5-30 Min). Natriumbikarbonat allein ist
weniger effektiv als Glukose/Insulin oder vernebeltes
Salbutamol; am besten wird es in Verbindung mit
diesen Medikamenten verabreicht
Schwerwiegende Erhöhung (≥6,5 mmol/l) mit toxischen
EKG Veränderungen (Abb. 13.1): Schützen sie zuerst das Herz
mittels:
• Calciumchlorid: 10 ml 10% Calciumchlorid iv. über
2-5 Minuten, um die toxischen Effekte des hohen
Kaliumspiegels an der Zellmembran der Myokardzelle
zu antagonisieren. Dies schützt das Herz durch
Verminderung des VF Risikos, senkt aber nicht den
Kaliumspiegel im Serum(Zeit bis Wirkungseintritt
ca.: 1-3 Min).Verfolgen Sie zusätzliche Strategien zur
Entfernung und Verschiebung von Kalium wie oben
beschrieben.
Patient im Kreislaufstillstand
Modifikationen der BLS-Maßnahmen
Bei Vorliegen von Elektrolytstörungen sind keine BLS
Änderungen erforderlich.
Modifikationen der ALS-Maßnahmen
Folgen sie dem Universalalgorithmus. Der übliche
European Resuscitation Council
Behandlungsansatz ist abhängig vom Grad der
Hyperkaliämie, dem Anstieg des Serumkaliumspiegels
und dem klinischen Zustand des Patienten.
• Kreislaufstillstand: schützen Sie zuerst das Herz; im
Anschluss verfolgen Sie Shifting- und EntfernungsStrategien;10 ml 10% Calciumchlorid iv. als rasche
Bolusinjektion um die schädlichen Effekte der
Hyperkaliämie auf die Myokardzellmembran zu
antagonisieren.
• Natriumbikarbonat: 50 mmol iv. mittels zügiger iv.
Injektion (bei schwerer Azidose oder Nierenversagen).
• Dextrose/Insulin: 10IE kurzwirksames Insulin und 50g
Glukose iv. mittels zügiger Injektion
• Hämodialyse: zu überlegen bei hyperkaliämieinduzierten Kreislaufstillständen, falls
therapierefraktär.
Indikationen zur Hämodialyse
Die Hämodialyse ist die effektivste Methode, um
Kalium aus dem Körper zu eliminieren. Die typische
Abnahme des Serumkaliums beträgt 1 mmol/l in den
ersten 60 Min, gefolgt von 1 mmol/l in den folgenden
zwei Stunden. Die Hämodialyse sollte bei einer
Hyperkaliämie in Kombination mit einer bekannten
Niereninsuffizienz, oligurischem Nierenversagen (< 400
ml Urinausscheidung/Tag) oder bei Gewebezerstörung
frühzeitig erwogen werden. Eine Dialyse ist ebenso
indiziert, wenn die konventionelle medikamentöse
Therapie nicht erfolgreich ist. Der Serumkaliumspiegel
neigt nach der initialen Therapie häufig zu einem
Wiederanstieg (Reboundphänomen).
Hypokaliämie
Hypokaliämie ist bei hospitalisierten Patienten häufig.
Hypokaliämie erhöht die Inzidenz von Arrhythmien,
insbesondere bei Patienten mit präexistenter
Herzkrankheit und solchen, die mit Digoxin behandelt
werden.
Definition
Hypokaliämie ist definiert als Serum-Kalium < 3,5 mmol/l.
Schwere Hypokaliämie ist definiert als K+< 2,5 mmol/l
und kann mit Symptomen assoziiert sein
Ursachen
KAP
Ursachen
der Hypokaliämie
können sein:
• gastrointestinal
loss (diarrhoea);
• Gastrointestinaler Verlust (Diarrhoe)
• Medikamente (Diuretika, Laxantien, Steroide,
Adrenalin, Isoprenalin, etc.)
• Verlust über die Niere (Renal-tubuläre Störungen,
Diabetes insipidus, Dialyse)
• Endokrine Ursachen (M. Cushing,
Hyperaldosteronismus)
• Metabolische Alkalose
• Magnesiummangel
• Diät
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 133
13
Kapitel 13 Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen
STÖRUNG
URSACHE
KLINIK
EKG
THERAPIE
Hyper-calciämie
Primärer oder tertiärer
Hyperpara-thyreoidismus
Verwirrtheit
Verkürztes QT
Intervall
Intravenöse Flüssigkeitsgabe
[Ca2+] > 2.6 mmol/l
Malignom
Sarkoidose
Medikamente
Schwäche
Bauchschmerzen Verlängertes QRS
Intervall
Hypotension
Abgeflachte T
Arrhythmien
Wellen
Kreislaufstillstand AV Block
Herzstillstand
Hypo-calciämie
[Ca2+] < 2.1 mmol/l
Chronisches Nierenversagen
Parästhesien
Akute Pankreatitis
Krämpfe
CA++ Kanal Blocker
Überdosierung
toxisches schock Syndrom
Furosemid 1mg/kg IV
Hydrokortison 200-300 mg IV
Pamidronat 60-90 mg IV
Calcitonin 4-8 IE/kg pro 8h IM
Medikation überprüfen
Hämodialyse
Verlängertes QT
Intervall
Calciumchlorid 10% 10-40 ml
Magnesiumsulfat 50%
T Wellen -Inversion 4-8 mmol (wenn nötig) IV
Tetanie
AV- Block
AV- Block
Verwirrtheit
Schwäche
Atemdepression
AV-Block
Kreislaufstillstand
Verlängerte PQ
und QT Intervalle
Calciumchlorid 10%
Spitze T Welle
Atmungsunterstützung
Kreislaufstillstand Herzstillstand
Rhabdomyolyse
Tumorzerfall
Hyper-magnesiämie
[Mg2+] > 1.1 mmol/l
Nierenversagen
iatrogen
AV- Block
Herzstillstand
5-10ml IV ggf. repetitiv
(falls nötig)
Salzdiurese - NaCl 0.9% mit
Furosemid 1mg kg-1 IV
Hämodialyse
Hypo-magnesiämie
[Mg2+] < 0.6 mmol/l
Gastrointestinaler
Verlust
Tremor
Polyurie
Nystagmus
Hungern
Alkoholabhängigkeit
Malabsorption
Ataxie
Krämpfe
Arrhythmien
– Torsade de
pointes
Verlängertes PQ
und QT Intervall
ST-Abflachung
T-Wellen Inversion
Abgeflachte P
Wellen
verlängerter QRS
Kreislaufstillstand Komplex
Torsade de pointes
Schwer oder Symptomatisch:
2 g 50% Magnesiumsulfat
(4 ml; 8 mmol) IV in 15 min.
Torsade de pointes:
2 g 50% Magnesiumsulfat
(4 ml; 8 mmol) IV in 1-2 min.
Krampfanfall:
2 g 50% Magnesiumsulfat
(4 ml; 8 mmol) IV in 10 min.
Tab 13.1 Calcium (Ca2+) and Magnesium (Mg2+) Störungen mit assoziierten klinischen Zeichen, EKGVeränderungen und empfohlener Therapie
Ebenso kann die Therapie einer Hyperkaliämie eine
Hypokaliämie verursachen.
Erkennen der Hypokaliämie
Schließen Sie eine Hypokaliämie bei jedem Patienten mit
einer Herzrhythmusstörung oder einem Kreislaufstillstand
aus. Bei Dialysepatienten sieht man die Hypokaliämie
am ehesten am Ende der Dialysesitzung oder während
der Behandlung mit Peritonealdialyse im ambulanten
Bereich, CAPD.
Sinkende Serumkaliumkonzentration führt in erster
Linie zur Beeinträchtigung von Nerven und Muskeln.
134 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Die Folgen sind Müdigkeit, Schwäche, Beinkrämpfe,
Obstipation. In schweren Fällen(K+ < 2,5 mmol/
l) kann es zur Rhabdomyolyse, aufsteigenden
Lähmungserscheinungen und respiratorischer
Insuffizienz kommen.
EKG Veränderungen einer Hypokaliämie sind:
• U - Wellen;
• T – Wellen Abflachung;
• ST Elevation;
• Arrhythmien;
European Resuscitation Council
• Herz-Kreislaufstillstand (VF/VT, Asystolie, PEA);
Behandlung
Die Behandlung ist abhängig vom Schweregrad der
Hypokaliämie und dem Auftreten von Symptomen und
EKG Veränderungen. Die schrittweise Zufuhr von Kalium
ist vorzuziehen, jedoch ist in einer Notfallsituation
die intravenöse Applikation erforderlich. Die maximal
empfohlene intravenöse Infusionsrate liegt bei 20
mmol/l pro Stunde. Jedoch kann bei einer instabilen
Arrhythmie oder bei drohendem oder bereits
eingetretenem Kreislaufstillstand eine schnellere
Infusionsgeschwindigkeit indiziert sein (z.B. 2 mmol/min
in 10 min, gefolgt von weiteren 10 mmol über 5 – 10 min).
Kontinuierliches EKG Monitoring ist während der
intravenösen Applikation essentiell. Adjustieren
Sie die Dosis nach wiederholten Messungen des
Serumkaliumspiegels..
Patienten mit einer Hypokaliämie können auch eine
Hypomagnesiämie aufweisen. Die Aufsättigung der
Magnesiumspeicher führt zu einem schnelleren Ausgleich
der Hypokaliämie und ist in schweren Fällen der
Hypokaliämie empfohlen.
Calcium und Magnesium Veränderungen
Das Erkennen und das Management der Calcium und
Magnesiumstörungen ist in Tab. 13.1 zusammengefasst.
Vergiftungen
Vergiftungen sind selten Ursache eines
Kreislaufstillstands, bleiben aber führend bei Opfern,
die jünger als 40 Jahre alt sind. Darüber hinaus sind
Vergiftungen häufig Ursache eines nicht-traumatischen
Komas in dieser Altersgruppe.
Selbstvergiftung mit therapeutischen oder anderen
(Freizeit-) Drogen ist der Hauptgrund für die
Krankenhausaufnahme. Eine Medikamentenvergiftung
kann auch durch unangemessene Dosierung oder
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
hervorgerufen werden. Bei Kindern findet man am
häufigsten akzidentielle Vergiftungen. Mord durch
Vergiftung ist eher ungewöhnlich.
Industrielle Unfälle, Krieg oder Terrorismus können zum
Kontakt mit Chemikalien, biologischen Stoffen, röntgenoder nuklearen Strahlen (ABC) führen. Dekontamination
und das sichere Management für individuelle Vorfälle
oder den Massenanfall von Verletzten ist nicht Teil dieses
Handbuchs. Weitere Informationen können Sie unter
www.ukresilience.info/ erhalten.
Initiale Behandlung
Wesentliche Behandlung sind, auf dem ABCDE Schema
basierende, Maßnahmen zur Vorbeugung eines
Kreislaufstillstands während der Eliminationsphase.
European Resuscitation Council
Atemwegsverlegung und Atemstillstand sind im
Rahmen eines reduzierten Bewusstseinszustands
häufig anzutreffen. Alkoholexzesse sind oft mit einer
Selbstvergiftung kombiniert.
• Nach dem Öffnen und Freimachen der Atemwege
überprüfen Sie Atmung und Puls (wenn Sie
dafür ausgebildet sind). Vermeiden Sie Mundzu-Mund Beatmung in der Gegenwart etwaiger
Gifte wie Zyanid, Schwefelsäure, ätzenden
Stoffen und Organophosphaten. Beatmen sie
den Patienten mit Hilfe einer Taschenmaske oder
eines Beatmungsbeutels und höchstmöglicher
Sauerstoffkonzentration. Im Fall einer
Paraquatvergiftung kann sich die Lungenschädigung
durch hohe Sauerstoffkonzentrationen ausweiten;
wählen Sie die inspiratorische Sauerstoffkonzentration
entsprechend der Pulsoxymeterie oder der arteriellen
Blutgasanalyse.
• Nach Vergiftungen besteht eine hohe Inzidenz
einer pulmonalen Aspiration von Mageninhalt. Bei
bewusstlosen Patienten ohne Schutzreflexe sollte
eine rasche Einleitung (Rapid sequence induction)
mit Krikoiddruck zur Intubation durchgeführt werden,
um das Risiko einer Aspiration zu verringern. Dieses
Vorgehen sollte durch Personen, die Erfahrung in
dieser Technik haben, erfolgen.
• Bei Kreislaufstillstand wird nach Standard BLS und ALS
Algorithmen vorgegangen.
• Bei lebensbedrohlichen Tachyarrhythmien besteht
die Indikation zur Kardioversion. Das Vorgehen richtet
sich nach den Leitlinien zu den Periarrest Arrhythmien
(Kapitel 12). Versuchen Sie, reversible Ursachen zu
beheben.
• Nach einer Selbstvergiftung kommt es gewöhnlich
zur medikamenteninduzierten Hypotension.
Normalerweise reagiert diese auf eine
Volumentherapie, gelegentlich ist aber auch der
Einsatz von positiv inotropen Substanzen notwendig.
• Nach Beginn der Reanimation sollte das Gift (die
Gifte) identifiziert werden. Verwandte, Freunde oder
Rettungsdienstpersonal können häufig nützliche
Hinweise geben. Die Patientenuntersuchung
kann weitere diagnostische Hinweise wie Geruch,
Einstichstellen, stecknadelkopfgroße Pupillen,
Tablettenrückstände, Verätzungen im Mund, oder mit
protrahiertem Koma assoziierte Hautblasen ergeben.
• Die Körpertemperatur sollte gemessen werden, da es
nach Medikamentenüberdosierung zu einer Hypooder Hyperthermie kommen kann.
• Es sollte eine regionale oder nationale
Giftnotrufzentrale kontaktiert werden, um
Informationen zur Behandlung des Vergifteten zu
erhalten. Im UK kann man eine Spezialberatung
über den Zugriff von TOXBASE erhalten (www.spib.
axl.co.uk). Ähnliche Zentren existieren in anderen
Ländern. Die Weltgesundheitsorganisation führt eine
Liste mit Giftnotrufzentralen (www.who.int/ipcs/).
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 135
KAP
13
Kapitel 13 Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen
Spezifische Behandlungen
Es gibt nur wenige therapeutische Maßnahmen, die bei
Vergiftungen unverzüglich sinnvoll sind. Der Schwerpunkt
liegt auf einer intensiven unterstützenden Therapie mit
Korrektur der Hypoxie, der Hypotension, des Säure-Basen
Haushalt und von Elektrolytentgleisungen.
Die therapeutischen Maßnahmen beinhalten die
Einschränkung der Resorption des aufgenommenen
Giftes, die Erhöhung der Ausscheidung, oder den Einsatz
von spezifischen Antidoten. Bei schwerwiegenden
oder ungewöhnlichen Vergiftungen sollte man sich bei
Giftnotrufzentralen im Hinblick auf die neueste Datenlage
beraten lassen.
• Aktivkohle adsorbiert bestimmte Medikamente. Ihr
Wert verringert sich mit zunehmender Zeit nach der
Aufnahme. Man sollte den Einsatz einer Einzeldosis
Aktivkohle bei denjenigen Patienten erwägen,
die eine potenziell toxische Menge eines Giftes
(das bekanntermaßen von Aktivkohle adsorbiert
wird) innerhalb der letzten Stunde eingenommen
haben. Verabreichung nur bei Patienten mit
einem funktionierendem oder geschütztem
Atemweg. Mehrfache Dosierungen können bei
lebensbedrohlichen Vergiftungen mit Carbamazepin,
Dapson, Phenobarbital, Quinin und Theophyllin
nützlich sein.
• Eine Magenspülung, gefolgt von einer Therapie
mit Aktivkohle, ist nur innerhalb einer Stunde nach
Aufnahme des Giftes sinnvoll. Generell sollte dies
nur nach einer Intubation durchgeführt werden. Eine
verspätete Magenspülung hat nur sehr geringen
Einfluss auf die Medikamentenadsorption und kann
•
•
•
•
möglicherweise die Medikamente tiefer in den
Gastrointestinaltrakt treiben.
Eine komplette Darmspülung kann die Aufnahme von
Medikamenten aufgrund einer Reinigung des GastroIntestinaltraktes durch Gabe einer Polyethylen-GlykolLösung reduzieren. Dies sollte man bei potentiell
toxischer Einnahme mit verzögerter Freisetzung
oder magensäureresistenten Medikamenten, oraler
Eisenvergiftung sowie verschluckten Paketen
verbotener Drogen in Erwägung ziehen.
Eine Urinalkalisierung (pH>7,5) durch intravenöse
Gabe von Natriumbicarbonat kann bei Patienten mit
einer moderaten bis schweren Salizylatvergiftung
nützlich sein, die keine Hämodialyse benötigen. Bei
einer Überdosis von trizyklischen Medikamenten kann
die Urinalkalisierung ebenfalls nützlich sein (siehe
unten).
Die Hämodialyse sollte bei Vergiftungen mit Methanol,
Ethylenglykol, Salizylaten und Lithium in Erwägung
gezogen werden. Eine Kohlehämoperfusion kann
bei Vergiftungen mit Carbamazepin, Phenobarbital,
Phenytoin oder Theophyllin indiziert sein.
Spezifische Antidote sind: N-Acetylcystein
für Paracetamol; Atropin hochdosiert für
Organsphosphate (Insektizide); Natriumnitrit,
Natriumthiosulfat, Hydroxocobalamin, Amylnitrit oder
Dicobalt Edetat für Zyanide; Digoxin-spezifische Fab
Antikörper für Digoxin; Flumazenil für Benzodiazepine;
Naloxon für Opioide. Die Antagonisierung von
Benzodiazepinen mit Flumazenil ist bei Patienten
mit einer Benzodiazepinabhängigkeit oder der
gleichzeitigen Aufnahme von krampfsteigernden
Medikamenten wie trizyklischen Antidepressiva
Abb 13.2 12-Ableitungs-EKG mit charakteristischen Zeichen der schweren Vergiftung mit trizyklischen
Antidepressiva
136 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
mit einer signifikanten Toxizität verbunden. Die
routinemäßige Gabe von Flumazenil beim komatösen
Patienten mit einer Überdosis wird nicht empfohlen.
Spezifische Antidote
These guidelines address only some causes of
cardiorespiratory arrest from poisoning.
Opiatvergiftungen
Opiatvergiftungen verursachen Atemdepression,
stecknadelkopfgroße Pupillen und Koma, gefolgt von
Atemstillstand. Der Opioidantagonist Naloxon hebt diese
Effekte schnell auf. Es gibt weniger ungünstige Ereignisse,
wenn bei opiatinduzierter Atemdepression der Luftweg
freigehalten wird, der Patient Sauerstoff erhält und noch
vor der Naloxongabe beatmet wird (beispielsweise mit
einer Taschenmaske oder einem Beatmungsbeutel); wie
auch immer: der Einsatz von Naloxon kann die Intubation
eventuell verhindern.
Der Applikationsweg von Naloxon richtet sich nach den
Fähigkeiten des Retters: intravenöse (i.v.), intramuskuläre
(i.m.), subkutane (s.c.), endotracheale (e.t.) und
intranasale (i.n.) Zugänge können benutzt werden. Die
nicht-intravenösen Zugänge können schneller sein,
da Zeit gespart wird, indem man einen intravenösen
Zugang nicht erst schaffen muss, welches bei einem
i.v. Drogenabhängigen extrem schwierig sein kann. Die
initiale Dosierung von Naloxon sind 400 mcg i.v, 800
mcg im., 800 mcg sc., 2 mg in. und 1-2 mg et.. Schwere
Opiatüberdosierungen erfordern eine Titration bis zu
einer totalen Naloxondosis von 6-10 mg. Die Wirkdauer
von Naloxon ist 45-70 min., die Atemdepression jedoch
kann für bis zu 4-5 Stunden nach der Opiatüberdosierung
anhalten. Folglich halten die klinischen Effekte von
Naloxon möglicherweise nicht so lange an wie die einer
signifikanten Opiatüberdosierung. Naloxon sollte so
lange gegeben werden, bis das Opfer adäquat atmet und
Atemwegsschutzreflexe hat.
Der akute Entzug von Opiaten produziert einen
Sympathikusüberschuss und kann Komplikationen wie
Lungenödem, ventrikuläre Arrhythmien und schwere
Agitation hervorrufen. Naloxon zur Aufhebung einer
Opiatintoxikation sollte bei Personen mit vermuteter
Opiatabhängigkeit mit Vorsicht eingesetzt werden.
Der Kreislaufstillstand ist üblicherweise ein sekundäres
Geschehen nach einem Atemstillstand und ist mit
schwerer cerebraler Hypoxie verbunden. Die Prognose
ist schlecht. Die Naloxongabe ist wahrscheinlich nicht
schädlich. Bei eingetretenem Kreislaufstillstand sollte
nach den Standardleitlinien verfahren werden.
Trizyklische Antidepressiva
Die Selbstvergiftung mit trizyklischen Antidepressiva ist
weit verbreitet und kann Hypotension, Krampfanfälle
und Arrhythmien verursachen. Die meisten
lebensbedrohlichen Probleme treten in den ersten sechs
Stunden nach der Einnahme auf. Ein verbreiterter QRS
Komplex, verlängertes QT Intervall und Verschiebung
der Herzachse nach rechts zeigen ein erhöhtes Risiko
European Resuscitation Council
für Arrhythmien und Krampfanfälle an (Abb. 13.2). Die
Natriumbikarbonattherapie mit einem Ziel pH-Wert des
Blutes von 7,45 bis 7,55 verhindert möglicherweise diese
Komplikationen. Hypertone Salzlösungen können eine
Alternative zu Natriumbikarbonat sein.
Kokain Toxizität
Eine Überstimulation des Sympathikus verbunden mit
einer Kokainintoxikation kann Agitation, symptomatische
Tachykardien, hypertensive Krisen, Hyperthermie und
myokardiale Ischämien mit Angina verursachen. Kleine
Dosen intravenöser Benzodiazepine (Midazolam,
Diazepam, Lorazepam) sind effektive Medikamente
der ersten Wahl. Trinitroglyzerin und Phentolamine
können die kokaininduzierte Vasokonstriktion aufheben,
Labetalol hat keinen signifikanten Effekt, und Propanolol
verschlimmert die Symptomatik. Nitrate sollten nur
in zweiter Linie für die Therapie der Myokardischämie
eingesetzt werden. Mögliche myokardiale Nekrosen
sollten bei Patienten mit kokainassoziierten
Brustschmerzen mit Hilfe des EKG und der Herzmarker
(z.B. Troponin) erhoben werden.
Medikamenteninduzierte schwere Bradykardie
Schwerwiegende Bradykardien durch Vergiftungen
oder Medikamentenüberdosierungen sind aufgrund
von verlängerter Rezeptorbindung oder direkter
Zelltoxizität den ALS Standardmaßnahmen gegenüber
möglicherweise therapierefraktär. Atropin kann bei
Vergiftungen mit Organophosphaten, Carbamat oder
Nervengiften lebensrettend sein. Atropin sollte bei
Bradykardien, die durch Acetylcholinesterasehemmer
verursacht sind, verabreicht werden. Große (2-4 mg) und
wiederholte Dosen können notwendig werden, um einen
klinischen Effekt zu erreichen. Isoprenalin in hohen Dosen
kann bei Bradykardien, die durch Betablockade induziert
sind, hilfreich sein.
Leitungsblockaden und ventrikuläre Arrhythmien, die mit
einer Vergiftung durch Digoxin oder Digitalisglykoside
verbunden sind, können effektiv durch digoxinspezifische
Antikörperfragmente behandelt werden.
Vasopressoren, inotrope Substanzen, Kalzium, Glucagon,
Phosphodiesterasehemmer und Insulin-Glukose
können bei einer Überdosierung von Betablockern
oder Kalziumkanalblockern hilfreich sein. Transkutane
Schrittmacher können bei schwerwiegenden
Bradykardien durch Vergiftungen und Überdosierungen
effektiv sein (Kapitel 11 und 12).
Weitere Behandlung und Prognose
Eine lange Zeitspanne im Koma in der gleichen Position
kann Druckstellen und Rhabdomyolyse verursachen. Es
sollten Elektrolyte (besonders Kalium), Blutzucker und
arterielle Blutgaswerte bestimmt werden. Die Temperatur
sollte überwacht werden, da die Thermoregulation
beeinträchtigt ist. Sowohl Hypothermie als auch
Hyperthermie (Hyperpyrexie) können nach einer
Überdosierung einiger Medikamente auftreten. Blut- und
Urinproben sollten für Analysen zurückgehalten werden.
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 137
KAP
13
Kapitel 13 Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen
Man sollte sich auf eine verlängerte Reanimationszeit
vorbereiten, insbesondere bei jungen Patienten, da
das Gift während der lebenserhaltenden Maßnahmen
verstoffwechselt oder ausgeschieden werden könnte.
Hypothermie
Definition
Hypothermie entspricht einem Absinken der
Körperkerntemperatur unter 35 °C; die Klassifizierung
erfolgt willkürlich als mild (32 bis 35 °C), moderat (32
bis 30 °C) oder schwer (unter 30 °C). Hypothermie
kann bei Personen mit normaler Thermoregulation
auftreten, die kalter Umgebung, insbesondere nassen
oder windigen Bedingungen ausgesetzt sind, oder nach
Immersion in kaltem Wasser. Wenn die Thermoregulation
beeinträchtigt ist, beispielsweise bei Älteren oder bei sehr
jungen Menschen, kann schon eine milde Erkältung eine
Hypothermie auslösen. Das Risiko einer Hypothermie wird
auch durch Drogen- oder Alkoholaufnahme, Krankheit,
Verletzungen oder Verwahrlosung erhöht. Hypothermie
kann durch die klinische Vorgeschichte oder eine kurze
Untersuchung des kollabierten Patienten vermutet
werden. Ein Thermometer, das auch tiefe Temperaturen
misst, wird zur Messung der Körperkerntemperatur und
zur Bestätigung der Diagnose benötigt.
Entscheidung zur Wiederbelebung
Die Hypothermie kann einen schützenden Einfluss auf
das Gehirn nach einem Kreislaufstillstand ausüben. Eine
neurologische Erholung ist nach einem hypothermen
Kreislaufstillstand möglich, obwohl diejenigen mit nicht
asphyktischem Kreislaufstillstand eine bessere Prognose
haben als diejenigen mit hypothermen Kreislaufstillstand,
welcher mit Asphyxie verbunden ist. Lebensrettende
Maßnahmen sollten allein aufgrund des klinischen
Erscheinungsbildes nicht vorenthalten werden.
Man sollte vorsichtig sein bei der Todesfeststellung bei
einem hypothermen Patienten, da die Hypothermie
allein schon einen langsamen, wenig voluminösen,
unregelmäßigen Puls und einen nicht messbaren
Blutdruck verursacht. Die Hypothermie schützt das Gehirn
und die lebenswichtigen Organe, und Arrhythmien
vor oder während der Erwärmung sind potenziell
reversibel. Bei 18° C kann das Gehirn Zeitspannen eines
Kreislaufstillstandes 10 mal länger tolerieren als bei 37
°C. Erweiterte Pupillen können durch eine große Vielfalt
von Ursachen auftreten und dürfen nicht als Zeichen des
Todes gewertet werden.
Beim Auffinden eines Patienten im hypothermen
Kreislaufstillstand in einer kalten Umgebung ist es nicht
immer einfach, zwischen primärer und sekundärer
Hypothermie zu unterscheiden. Der Kreislaufstillstand
könnte primär aufgrund der Hypothermie entstanden
sein, oder sekundär aufgrund eines normothermen
Kreislaufstillstandes (z.B. Kreislaufstillstand aufgrund
myokardialer Ischämie bei einer Person in kalter
138 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Umgebung).
Man sollte den Tod eines Patienten nicht bestätigen,
solange dieser nicht erwärmt worden ist, oder
Versuche seine Körperkerntemperatur zu erwärmen
fehlgeschlagen sind; dabei kann eine verlängerte
Reanimationszeit notwendig sein. Unter den
präklinischen Bedingungen sollte eine Reanimation nur
dann vorenthalten werden, wenn offensichtlich tödliche
Verletzungen vorliegen oder der Körper vollständig
gefroren ist, sodass Wiederbelebungsversuche nicht
möglich sind. Im Krankenhaus wird man die klinische
Beurteilung heranziehen, um den Zeitpunkt des
Reanimationsabbruches bei einem hypothermen
Patienten zu bestimmen.
Behandlung
Die Standardmaßnahmen zur Basisversorgung und
Vorbeugung weiterer Komplikationen werden auch
bei hypothermen Patienten angewendet. Man sollte
dringende Maßnahmen wie die Intubation oder das
Legen eines Gefäßkatheters nicht verzögern.
• Atemwege freimachen und, falls es keinen spontanen
Atemanstrengungen gibt, Beatmung mit hoher
Sauerstoffkonzentration. Falls möglich, sollte
angewärmter (40-46°C) und angefeuchteter Sauerstoff
verwendet werden. Man sollte eine vorsichtige
Intubation, wenn sie gemäß den ALS Algorithmen
indiziert ist, in Erwägung ziehen. Die Verfahren
können Kammerflimmern auslösen.
• Es sollte eine große Arterie palpiert werden,
sowie, falls vorhanden, ein EKG für 1 Minute
abgeleitet werden und auf Lebenszeichen
geachtet werden, bevor man den Schluss zieht,
dass es keine Herzauswurfleistung gibt. Falls eine
Doppleruntersuchung möglich ist, sollte man
diese benutzen, um einen peripheren Blutfluss zu
registrieren. Wenn dass Opfer pulslos ist, sollte die
Herzdruckmassage sofort begonnen werden. Wenn
man in der Beurteilung eines Patienten nicht geübt
ist, oder wenn es irgendwelche Zweifel gibt, sollte
sofort mit der Herzdruckmassage begonnen werden,
bis erfahrenere Hilfe zur Verfügung steht. Sowohl die
Atemfrequenz, als auch der Puls kann bei schwerer
Hypothermie sehr langsam sein, so dass man mehr
Zeit für die Beurteilung benötigt.
• Sobald die Reanimation begonnen wurde, sollte man
die Hypothermie mittels eines Thermometers für tiefe
Temperaturen bestätigen. Man kann die ösophageale,
Blasen-, rektale oder Ohrtemperaturmessung
benutzen. Man sollte versuchen, eine dieser
Methoden beizubehalten, um einen Serienvergleich
zwischen den gemessenen Werten zu erlauben.
• Das Verhältnis Kompression:Ventilation beträgt
30:2 wie bei einem normothermen Patienten.
Eine Hypothermie verursacht eine Steifheit des
Brustkorbes, was die Herzdruckmassage und die
Beatmung schwierig macht.
• Das hypotherme Herz kann eventuell auf herzaktive
European Resuscitation Council
•
•
•
•
Medikamente, versuchtes elektrisches Pacing und
versuchter Defibrillation unempfindlich sein. Der
Metabolismus der Medikamente ist verlangsamt, so
dass potentiell toxische Plasmakonzentrationen von
jeder Substanz, welche wiederholt gegeben wird,
auftreten können. Man sollte kein Adrenalin und
andere Medikamente geben, solange der Patient nicht
auf Temperaturen über 30 °C aufgewärmt worden
ist. Nachdem 30°C erreicht worden sind, sollten
die Zeitintervalle der Medikamentenapplikation
verdoppelt werden (zwei Mal so lang wie normal).
Bei Normalisierung der Patiententemperatur (>35°C)
kommen die Standardmedikamentenprotokolle zur
Anwendung.
Medikamente sollten, falls möglich, über einen
zentralen oder großlumigen proximal venösen
Zugang gegeben werden.
Andere primäre Gründe für einen Kreislaufstillstand
sollten ausgeschlossen werden (z.B.
Medikamentenüberdosierung, Hypothyreose oder
Trauma) oder auch reversible Ursachen anhand der 4
H´s und HITS.
Elektrolyte, Glukose und Blutgase sollten regelmäßig
während der Reanimation und Postreanimationsphase
überwacht werden, da schnelle Veränderungen
auftreten können.
Blutgasanalysegeräte beziehen die Blutgaswerte für
den Patienten auf eine Temperatur von 37°C, wenn die
Patiententemperatur nicht in das Gerät eingegeben
wird. Sauerstoff- und Kohlendioxidpartialdruck
sind bei der Hypothermie verringert, da sich die
Gase bei geringeren Temperaturen besser lösen. Im
klinischen Alltag ist es einfacher, alle Messungen
bei 37°C zu machen. Es ist dann nur wichtig, sie
mit den bekannten Normalwerten für 37°C zu
vergleichen. Dies ermöglicht auch den Vergleich von
Serienergebnissen der Blutgasproben während der
Erwärmungsphase.
Arrhythmien
Mit zunehmendem Sinken der Körperkerntemperatur
neigt die Sinusbradykardie dazu, in ein Vorhofflimmern
überzugehen, welches von Kammerflimmern (VF)
und schließlich Asystolie gefolgt wird. Hier sollten die
Standard-Behandlungsprotokolle angewendet werden.
• Andere Arrhythmien als das Kammerflimmern
tendieren dazu, mit dem Ansteigen der
Körperkerntemperatur spontan zu sistieren und
bedürfen keiner sofortigen Behandlung. Eine
Bradykardie kann bei einer schweren Hypothermie
physiologisch sein. Eine Schrittmachertherapie ist
nicht notwendig, außer die Bradykardie persistiert
nach der Wiedererwärmung.
• Der Nachweis von VF/VT führt zur Defibrillation. Sollte
eine VF/VT nach drei Defibrillationen fortbestehen,
führen Sie weitere notwendige Defibrillationen erst
nach dem Erreichen einer Körperkerntemperatur
>30°C durch. Automatische externe Defibrillatoren
(AED`s) dürfen bei diesen Patienten benutzt werden.
European Resuscitation Council
Aufwärmen
Allgemeine Maßnahmen für alle Patienten umfassen das
Entfernen aus der kalten Umgebung, Verhindern von
weiterem Wärmeverlust und einen schnellen Transport in
das Krankenhaus. Eine Erwärmung kann passiv äußerlich,
aktiv äußerlich oder aktiv innerlich erfolgen.
• Kalte oder nasse Kleidung sollte so bald wie möglich
entfernt werden. Das Opfer sollte abgetrocknet und
zugedeckt werden. Schützen sie den Patienten vor
Wind.
• Die Erwärmung sollte passiv erfolgen durch Zudecken
in einem warmen Raum, sofern das Opfer mit milder
Hypothermie bei Bewusstsein ist.
• Bei schwerer Hypothermie oder im Kreislaufstillstand
sind aktive Maßnahmen zur Erwärmung notwendig.
Erwärmung mittels warmer Luft oder intravenöser
Applikation von warmer Flüssigkeit ist bei
Patienten mit schwerer Hypothermie und einem
funktionsfähigen Kreislauf sehr effektiv. Andere
Erwärmungstechniken umfassen die Verwendung
von warmen, befeuchteten Gasen und gastrische,
peritoneale, pleurale oder Blasen-Lavage mit warmer
Flüssigkeit (um 40°C) sowie die extrakorporale
Bluterwärmung mit partialem Bypass.
• Beim Patienten mit Kreislaufstillstand und
Hypothermie ist ein Herz-Lungen-Bypass die
bevorzugte Methode einer aktiven inneren
Erwärmung, weil dies den Kreislauf, die
Oxygenierung und die Beatmung ersetzt, während
die Kerntemperatur des Körpers langsam erhöht
wird. Überlebende einer Fallserie wurden vor
dem Anschluss an die Herz-Lungenmaschine
durchschnittlich 65 Minuten konventionell reanimiert.
Leider sind die Möglichkeiten des extrakorporalen
Bypasses nicht weit verbreitet, sodass unter
Umständen eine Kombination anderer Möglichkeiten
benutzt werden muss.
• Erwärmen Sie die Patienten nicht zu stark. Bei
komatösen Patienten kann eine Periode einer
therapeutischen Hypothermie von 32-34°C von Vorteil
sein. Hyperthermie ist bei diesen Patienten schädlich
(siehe unten).
• Während der Erwärmung benötigen die Patienten
große Mengen an Flüssigkeiten, weil sich aufgrund
der Vasodilatation ihr vaskulärer Raum ausdehnt. Alle
intravenösen Flüssigkeiten sollten erwärmt werden.
Ein ständiges hämodynamisches Monitoring sollte
durchgeführt werden, und - sofern möglich - sollte die
Behandlung dieser Patienten auf einer Intensivstation
erfolgen.
Phase nach der Wiederbelebung
Vermeiden Sie Hyperthermie während und nach der
Aufwärmphase. Bei ROSC sollten die Standard-Strategien
für die Post-Reanimationsphase befolgt werden,
einschließlich milde Hypothermie, sofern angezeigt.
(Kapitel 14).
Es gibt keine Evidenz für die routinemäßige Anwendung
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 139
KAP
13
Kapitel 13 Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen
von Steroiden, Barbituraten oder Antibiotika.
Hyperthermie
Definition
Überwärmung entsteht, wenn die
Thermoregulationsfähigkeit des Körpers versagt und
die Körperkerntemperatur das normalerweise durch
homöostatische Mechanismen aufrechterhaltene Maß
übersteigt.
Die Überwärmung kann exogen durch äußere Einflüsse
oder sekundär durch körpereigene Wärmeproduktion
entstehen.
Die umgebungsbedingte Hyperthermie entsteht, wenn
Wärme, üblicherweise in Form von Strahlungsenergie,
vom Körper schneller absorbiert wird als durch
Thermoregulations-mechanismen abgegeben
werden kann. Hyperthermie führt zu einer Reihe von
Notfallbildern beginnend mit Hitzebelastung, in weiterer
Folge Hitzeerschöpfung und Hitzschlag, welcher in ein
Multiorganversagen und in manchen Fällen zum HerzKreislaufstillstand führen kann.
Die maligne Hyperthermie (MH) ist eine
seltene muskuloskelettale Dysfunktion des
Kalziumgleichgewichts, die durch Muskelkontrakturen
und eine hypermetabolische Krise charakterisiert
ist, welche bei genetisch prädisponierten Patienten
durch halogenierte Anästhetika und depolarisierende
Muskelrelaxantien ausgelöst wird.
Hitzschlag
Der Hitzschlag ist eine systemische Entzündungsantwort
mit einer Körperkerntemperatur > 40,6°C in Verbindung
mit Persönlichkeitsveränderung und unterschiedlichen
Graden von Organdysfunktionen. Es werden zwei Formen
unterschieden: Der klassische Hitzschlag, welcher
durch hohe Umgebungstemperaturen vornehmlich
ältere Mitmenschen während Hitzeperioden trifft; der
„exertionale“ Hitzschlag ist durch starke körperliche
Anstrengung bei hohen Umgebungstemperaturen
und/oder hoher Luftfeuchtigkeit bedingt und betrifft
vornehmlich junge Menschen. Die Mortalität des
Hitzschlags liegt bei 10-50%.
Prädisponierende Faktoren
Ältere Personen haben ein höheres Risiko für
hitzebedingte Erkrankungen. Die Ursachen sind
zugrundeliegende Krankheiten, regelmäßige Medikation,
reduzierte Möglichkeiten der Thermoregulation und eine
geringere soziale Unterstützung.
Es gibt eine Reihe von Risikofaktoren wie:
Akklimatisierungsschwäche, Dehydratation, Übergewicht,
Alkohol, Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems,
Hauterkrankungen (Schuppenflechte, Ekzeme,
Sklerodermie, Verbrennungen, zystische Fibrose),
Hyperthyreose, Phäochromozytom, Medikamente
140 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
und Drogen (Anticholinergika, Morphin, Kokain,
Amphetamine, Phenothiazine, Sympathomimetika, Ca++
Kanal Blocker, Beta Blocker).
Klinische Erscheinungsform
Der Hitzschlag kann dem septischen Schock ähneln und
durch ähnliche Mechanismen entstehen. Charakteristisch
sind:
• Körperkerntemperatur > 40,6° C;
• Heiße, trockene Haut ( die Hälfte der Patienten mit
anstrengungsbedingtem Hitzschlag schwitzen);
• Frühzeichen: extreme Müdigkeit, Kopfschmerzen,
Ohnmacht, Gesichtsröte, Erbrechen und Durchfall;
• Kardiovaskuläre Dysfunktion einschließlich
Arrhythmien und Hypotension;
• Respiratorische Einschränkung einschließlich ARDS;
• ZNS Dysfunktion einschließlich Krampfanfall und
Koma;
• Leber- und Nierenversagen;
• Gerinnungsstörungen;
• Rhabdomyolyse.
Andere Umstände müssen bedacht werden:
• Medikamentennebenwirkungen;
• Syndrome durch Absetzen von Medikamenten;
• Serotonin Nebenwirkung;
• Neuroleptisch-maligne Syndrome;
• Sepsis;
• ZNS Infektion;
• Endokrine Fehlfunktion (z.B. Thyreotoxische Krise,
Phäochromozytom).
Behandlung
Der Schwerpunkt der Behandlung ist die unterstützende
Therapie auf Basis der ABCDE Maßnahmen und die
Kühlung des Patienten.
• Beginnen Sie mit der Kühlung des Patienten, bevor
er das Krankenhaus erreicht. Patienten mit schwerem
Hitzschlag sollten auf einer Intensivstation betreut
werden.
• Benutzen sie hämodynamisches Monitoring, um
die Flüssigkeitstherapie zu steuern. Es kann ein
hoher Volumenbedarf entstehen. Gleichen sie den
Elektrolythaushalt aus.
• Bei einem Herz-Kreislaufstillstand folgen sie den
Standard-Empfehlungen des BLS und ALS und
kühlen sie den Patienten. Die Defibrillation wird, falls
notwendig, entsprechend den gültigen Leitlinien
durchgeführt, während die Kühlung des Patienten
fortgesetzt wird.
• Wenden sie die Empfehlungen der
Postreanimationsphase entsprechend der Leitlinien an
(Kapitel 14).
European Resuscitation Council
Kühlungstechniken
Definition
Verschiedene Kühlungsmethoden sind beschrieben, es
gibt aber nur wenige Studien dazu.
• Einfache Techniken wie kühle Getränke, entkleideten
Patienten befächeln und mit lauwarmem Wasser
besprühen, Eispackungen auf Areale mit großen
oberflächlichen Gefäßen legen (Leiste, Achseln, Hals).
Das Kühlen der Oberfläche kann Zittern erzeugen
• Bei bewusstseinsklaren und stabilen Patienten ist
das Eintauchen in kaltes Wasser sehr effektiv, dies
kann jedoch zu peripherer Gefäßverengung und
verminderter Hitzeabgabe führen. Immersion von sehr
kranken Patienten ist nicht praktikabel.
• Benutzen Sie die gleichen erweiterten Kühltechniken,
die auch für die therapeutische Hypothermie
nach einem Herz-Kreislaufstillstand empfohlen
werden (siehe Postreanimationsphase). Magen, Peritoneal-, Pleura- oder Harnblasenlavage mit
kaltem Wasser senkt die Kerntemperatur. Denken
sie auch an die Applikation von kalter intravenöser
Flüssigkeit, intravaskulären Kathetern und an
einen extrakorporalen Kreislauf, z.B. veno-venöse
Hämofiltration oder Kardiopulmonaler Bypass.
• Es gibt keine spezifischen Medikamente, welche die
Körperkerntemperatur bei Hitzschlag senken. Es gibt
keine gute Evidenz, dass Antipyretika (z.B. NSAID’s
oder Paracetamol) bei Hitzschlag effektiv sind.
Ertrinken ist definiert als ein Prozess, der aus einer
primären respiratorischen Insuffizienz durch Submersion/
Immersion in einer Flüssigkeit resultiert. Diese Definition
impliziert das Vorhandensein einer Flüssigkeit/Luftgrenze
am Eingang der Luftwege des Opfers, welche die Atmung
verhindert. Das Opfer kann nach diesem Vorgang leben
oder sterben; unabhängig vom Outcome aber war es in
einen Ertrinkungsvorfall involviert. Immersion bedeutet,
mit Wasser bedeckt zu sein. Zum Ertrinken muss
normalerweise zumindest das Gesicht und die Atemwege
unter Wasser sein. Submersion bedeutet, dass sich der
gesamte Körper einschließlich Atemwege unter Wasser
oder einer anderen Flüssigkeit befindet.
Maligne Hyperthermie
Die maligne Hyperthermie ist eine lebensbedrohliche
genetische Empfindlichkeit der Skelettmuskulatur
auf inhalative Anästhetika und depolarisierende
neuromuskulär blockierende Substanzen, welche
während oder nach einer Narkose wirksam wird.
Stoppen sie sofort die Zufuhr der auslösenden Stoffe,
geben sie Sauerstoff, gleichen sie die Azidose- und
Elektrolytverschiebungen aus. Kühlen sie aktiv und
applizieren sie Dantrolen.
Ertrinken
Ertrinken ist eine häufige unfallbedingte Todesursache.
Die schwerwiegendste Folge des Ertrinkens ist die
Hypoxie. Der Kreislaufstillstand ist üblicherweise ein
sekundäres Ereignis. Bei erwachsenen Ertrinkungsopfern
geht häufig Alkoholkonsum voraus. Sofortige
Wiederbelebung am Ort des Geschehens ist
unerlässlich für das Überleben und die neurologische
Wiederherstellung nach Ertrinken. Dazu ist die CPR
durch Unfallzeugen sowie die sofortige Aktivierung
des Rettungssystems erforderlich. Patienten, die
mit Spontankreislauf und Atmung das Krankenhaus
erreichen, erholen sich üblicherweise mit gutem
Outcome. Nicht vergessen werden darf, dass bei
manchen Patienten der Kreislaufstillstand das primäre
Ereignis darstellt (z.B. durch Myokardinfarkt während des
Schwimmens).
European Resuscitation Council
Entscheidung zur Wiederbelebung
Die Entscheidung, ob die Reanimation eines
Ertrinkungsopfers begonnen oder beendet werden soll,
ist offensichtlich schwierig. Es gibt keinen einzigen Faktor,
der die Prognose zuverlässig voraussagen kann.
• Die Reanimation sollte begonnen und fortgesetzt
werden, wenn keine klaren Indizien vorliegen, dass die
Versuche aussichtslos sind (z.B. massive Verletzungen,
Totenstarre, Fäulnis usw.) oder wenn ein rechtzeitiger
Transport in eine medizinische Einrichtung nicht
möglich ist. Neurologisch unversehrtes Überleben
wurde bei einigen Opfern berichtet, welche länger als
60 min unter Wasser waren.
Initiale Behandlung
Wasserrettung und Bergen aus dem Wasser
• Die Sicherheit für das Personal muss während
der gesamten Zeit gewährleistet und die
Eigengefährdung minimiert werden. Wenn möglich
sollte versucht werden, das Ertrinkungsopfer zu retten,
ohne selbst ins Wasser zu gehen. Es sollte mit dem
Opfer gesprochen und Hilfsmittel verwendet werden
(z.B. ein Stock oder Kleider), oder ein Seil oder ein
schwimmendes Hilfsmittel, falls sich das Opfer nahe
am trockenen Boden befindet. Alternativ kann ein
Boot oder ein anderes Wasserfahrzeug bei der Rettung
behilflich sein. Wenn irgendwie möglich, sollte der
Retter nicht selbst ins Wasser gehen. Sollte dies
absolut notwendig sein, soll eine Schwimmweste oder
eine Auftriebshilfe benutzt werden.
• Nach dem Herausziehen aus dem Wasser sollte die
Wiederbelebung so schnell und sicher wie möglich
begonnen werden. Eine Halswirbelsäulenverletzung
bei Ertrinkungsopfern ist ungewöhnlich (ungefähr
0,5%). Immobilisation der Wirbelsäule im Wasser
ist schwierig und verzögert die Entfernung aus
dem Wasser und die adäquate Reanimation.
Überlegenswert ist die HalswirbelsäulenImmobilisation nach einem Sprung ins Wasser,
Benutzung einer Wasserrutsche, Zeichen schwerer
Verletzungen oder Hinweise für Alkoholintoxikation.
Bei Pulslosigkeit oder Apnoe sollte das Opfer
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 141
KAP
13
Chapter
13
Arrest inunter
Special
Circumstances
Kapitel
13Cardiac
Kreislaufstillstand
besonderen
Umständen
Figure 13.3 SIGN and BTS guidelines for treatment of severe asthma
Figure 13.3 SIGN and BTS guidelines for treatment of severe asthma
ADVANCED LIFE SUPPORT
142 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
128
European Resuscitation Council
Defibrillation
trotz möglicher Wirbelsäulenverletzung so
schnell wie möglich aus dem Wasser gezogen
werden (insbesondere wenn kein Instrument zur
Rückenstützung vorhanden ist), wobei versucht
werden soll, die Flexion und Extension des Nackens zu
limitieren.
• Das Opfer sollte in einer horizontalen Position
aus dem Wasser gezogen werden, um das Risiko
einer Post-Immersions-Hypotension und eines
Kreislaufkollapses zu minimieren.
• Wenn ein AED verfügbar ist, sollte dieser am
Patienten angebracht und eingeschaltet werden.
Vor Anlegen der AED Elektroden sollte der Brustkorb
des Patienten abgetrocknet werden, um die Haftung
zu ermöglichen. Die Schockabgabe erfolgt nach
Anweisung des AED. Bei Hypothermie mit einer
Körperkerntemperatur < 30°C sollte die Defibrillation
auf insgesamt drei Versuche beschränkt werden, bis
die Körpertemperatur auf über 30°C ansteigt.
Atemspende
Regurgitation während der Wiederbelebung
• Bei Apnoe sollte die Atemspende begonnen werden,
sobald die Atemwege des Opfers geöffnet werden
können und die Sicherheit des Helfers garantiert
ist. Dies kann manchmal im seichten Wasser der Fall
sein. Mund-zu-Nasen-Beatmung kann als Alternative
zur Mund-zu-Mund-Beatmung angewandt werden,
sollte das Zudrücken der Nase schwierig sein. In
tiefem Wasser sollte die Atemspende nur durch
trainierte Personen begonnen werden, idealerweise
unter Verwendung einer Auftriebshilfe. Keine
Reanimationsversuche in tiefem Wasser, außer wenn
vorher trainiert.
• Sollte nach Öffnen der Atemwege keine
Spontanatmung vorhanden sein, soll für ungefähr
eine Minute die Atemspende durchgeführt werden
(10 Beatmungen). Sollte das Opfer nicht wieder zu
atmen beginnen, hängt das weitere Vorgehen von der
Distanz zum Ufer ab. Wenn der Retter und das Opfer
sich nahe am Land befinden (< 5min Rettungszeit),
Fortsetzen der Atemspende, sofern möglich. Bei
mehr als geschätzten 5 Minuten Entfernung vom
Land sollte die Atemspende über eine weitere Minute
durchgeführt werden und dann der Patient so schnell
wie möglich ohne weitere Beatmungsversuche an
Land gebracht werden.
• Es besteht keine Notwendigkeit, die Atemwege von
aspiriertem Wasser frei zu machen. Fremdkörper
sollten manuell oder, wenn festes Land erreicht
ist, sofern verfügbar mittels Absaugung entfernt
werden. Die meisten Ertrinkungsopfer aspirieren
kleine Mengen an Wasser, und dieses wird schnell in
den zentralen Kreislauf absorbiert. Es sollte weder
abdominaler Druck ausgeübt noch der Kopf des
Opfers niedergedrückt werden, um Wasser aus Lunge
oder Magen zu entfernen.
• Regurgitation von Mageninhalt nach Wiederbelebung
aufgrund Ertrinkens ist häufig und erschwert das
Atemwegsmanagement. Bei Erbrechen sollte
der Mund des Opfers zur Seite gedreht und das
regurgitierte Material entfernt werden, wenn
möglich mittels Absaugung. Bei Verdacht auf
Wirbelsäulenverletzung sollte das Opfer so gedreht
werden, dass der Kopf, der Nacken und der Brustkorb
in einer Achse gehalten werden kann. Diese Drehung
kann nur von mehreren Rettern durchgeführt werden
Herzdruckmassage
Kreislauf und Defibrillation
• Überprüfung der Atmung, sobald das Opfer aus
dem Wasser geborgen ist. Wenn das Opfer nicht
atmet, sofortiger Beginn der Herzdruckmassage.
Trainierte medizinische Helfer können Puls oder
andere Lebenszeichen prüfen, bei Ertrinkungsopfern
ist dies insbesondere bei Kälte besonders schwierig
(siehe Hypothermie). Bei jeglichen Zweifeln
an der Diagnose des Kreislaufstillstands sollte
mit der Herzdruckmassage begonnen werden.
Herzdruckmassage ist im Wasser ineffektiv.
European Resuscitation Council
Erweiterte Wiederbelebung
Atemwege und (Be)Atmung
• High-flow Sauerstoff bei Spontanatmung. Sollte der
Patient auf diese Behandlung nicht reagieren, ist eine
nicht-invasive Beatmung oder ein durchgehender
positiver Atemwegsdruck (continuous positive airway
pressure, CPAP) überlegenswert; die inspiratorische
Sauerstoffkonzentration sollte mit Hilfe von
Pulsoxymeter und arterieller Blutgasanalyse titriert
werden.
• Wenn die ersten Maßnahmen misslingen und
der Patient sich erschöpft oder einen reduzierten
Bewusstseinszustand aufweist, sollte frühzeitig
an die endotracheale Intubation und kontrollierte
Beatmung gedacht werden. Wählen sie eine SchnellIntubationstechnik zur endotrachealen Intubation.
• Frühe Sicherung der Atemwege beim
Kreislaufstillstand, idealerweise mittels
endotrachealem Tubus. Hohe inspiratorische
Sauerstoffkonzentration während der Beatmung.
• Zur Entlastung und Entleerung des Magens sollte eine
Magensonde gelegt werden.
• Vorgehen entsprechend Standard ALS Protokoll.
Bei schwerer Hypothermie (Köperkerntemperatur
< 30°C) werden die Defibrillationsversuche auf drei
beschränkt sowie keine Medikamente intravenös
verabreicht, bis die Körperkerntemperatur über dieses
Niveau ansteigt. Bei moderater Hypothermie sind die
Intervalle bei der intravenösen Medikamentengabe
länger als die Standardintervalle (siehe Hypothermie).
• Während länger dauernder Immersion kann durch den
hydrostatischen Druck des Wassers auf den Körper
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 143
KAP
13
Kapitel 13 Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen
eine Hypovolämie eintreten. Gabe von intravenöser
Flüssigkeit korrigiert die Hypovolämie, exzessive
Volumengabe sollte aber aufgrund eines potenziell
resultierenden Lungenödems vermieden werden.
Nach Wiederherstellung des Spontankreislaufs
sollte ein hämodynamisches Monitoring die weitere
Flüssigkeitsmenge bestimmen.
Post-Reanimationsphase
Folgende Leitlinien sollten für die Betreuung in der PostReanimationsphase Standard sein (siehe Kapitel 14).
• Es gibt keine wesentlichen Unterschiede in der
Behandlung von Süß- oder Salzwasser- Ertrinken
• Ertrinken bedeutet ein hohes Risiko für die
Entwicklung eines akuten respiratory distress
Syndroms (ARDS) bis zu 72 Stunden nach Submersion.
Sie sollten daher endotracheal intubiert, sediert und
unter Anwendung lungenschützender Strategien
kontrolliert beatmet werden.
• Das Auftreten einer Pneumonie nach Ertrinken ist
häufig. Antibiotika sollten aufgrund der klinischen
Beurteilung, Ergebnissen von Kulturen und auf
Anraten von Mikrobiologen verabreicht werden.
• Bei Submersion in eiskaltem Wasser (<5°C) entwickelt
sich die Hypothermie sehr rasch, welche einen
gewissen Schutz gegen die Hypoxie darstellt.
Hypothermie kann auch als sekundäre Komplikation
der Submersion auftreten sowie als nachfolgender
Wärmeverlust durch Verdunstung während der
Reanimationsversuche. Bei diesen Patienten wirkt die
Hypothermie nicht protektiv.
• Bei Überlebenden, die komatös bleiben, kann eine
Periode einer therapeutischen Hypothermie (34°C)
vorteilhaft sein.
• Barbiturate, Monitoring des intrakraniellen Druckes
(ICP) und Steroide verändern das Outcome nicht. Ein
erhöhter ICP weist üblicherweise auf eine schwere
Gehirnverletzung hin.
Asthma
Asthma ist nach wie vor eine häufige Todesursache bei
jungen Erwachsenen, zumeist bei jenen mit schwerem
chronischen Asthma, schlechtem psychosozialen
Hintergrund und dürftiger medizinischer Betreuung.
Das Erkennen und die Behandlung von AsthmaExazerbationen ist wichtig, um „beinahe-tödliches“
Asthma und einen Atem-Kreislaufstillstand zu vermeiden.
Für das Asthma-Management existieren nationale und
internationale Guidelines (Abb. 13.3). Dieses Manual
konzentriert sich auf die Behandlung von „beinahetödlichem“ Asthma und den Kreislaufstillstand
144 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Gründe
für Kreislaufstillstand
• gastrointestinal
loss (diarrhoea);
Der Kreislaufstillstand beim Asthmatiker ist
oft ein terminales Ereignis nach Hypoxämie,
tritt aber gelegentlich auch plötzlich auf.
Der Kreislaufstillstand ist bei Asthmatikern
verbunden mit:
• Schwerem Bronchospasmus mit
Schleimpfropfen und Ausbildung einer
Asphyxie;
• Herzrhythmusstörungen aufgrund
Hypoxie, stimulierender Medikamente
(z.B. ß-Mimetika, Aminophyllin) oder
Elektrolytstörungen;
• Die mechanische Beatmung von
Asthmapatienten kann zu einer dynamischen
Hyperinflation führen. Die Ursache dafür
ist Gas-Trapping („Luftfalle“) in der Lunge.
Die Erhöhung des intrathorakalen Druckes
vermindert die kardiale Auswurfleistung;
• Spannungspneumothorax (oft beidseits)
Die 4 H’s und HITS der reversiblen Ursachen
sind eine Hilfe, diese Ursachen für den
Kreislaufstillstand zu identifizieren.
Behandlung
Verwenden Sie die ABCDE-Methode, um den
Schweregrad einzuschätzen und die Behandlung
festzulegen.
Spastische Atemgeräusche sind ein häufiger
physikalischer Befund, die Ausprägung korreliert aber
nicht mit dem Grad der Atemwegsobstruktion. Andere
Gründe für spastische Geräusche sind: Lungenödem,
Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD),
Pneumonie, Anaphylaxie, Fremdkörper, Lungenembolie,
Bronchiektasen, subglottischer Tumor.
Die British Thoracic Society (BTS) und Scottish
Intercollegiate Guidelines Network (SIGN) haben
Guidelines zum Management des schweren Asthmas
herausgegeben (Abb. 13.3). Der Schweregrad des
Asthmas ist zusammengefasst in Tabelle 13.2
European Resuscitation Council
Beinahe-tödliches Asthma
Erhöhter PaCO2 und/oder Notwendigkeit mechanischer
Beatmung mit erhöhten inspiratorischen Drücken
Life-threatening asthma
Zumindest einer der folgenden Punkte beim Patienten
mit schwerem Asthma:
- bester oder erwarteter exspiratorischer peak flow
(PEF) <33%
- Bradykardie
- SpO2 < 92%
- Dysrhythmie
- PaO2 < 8 kPa
- Hypotension
- Normaler PaCO2 (4.6 – 6.0 kPa (35-45 mmHg)
- Erschöpfung
- Stumme Lunge
- Verwirrtheit
- Zyanose
- Koma
- Kraftlose Atmung
Akutes schweres Asthma
Zumindest einer der folgenden Punkte:
- bester oder erwarteter PEF 33-50%
-- Atemfrequenz > 25/min
- Herzfrequenz > 110/min
- Unfähigkeit, ganze Sätze in einem Atemzug zu
sprechen
Tab 13.2 Schweregrade des Asthmas nach BTS/SIGN
Guidelines
• Patienten mit akutem schwerem Asthma benötigen
aggressives medizinisches Management, um eine
Verschlechterung zu verhindern. Erfahrene Kliniker
sollten diese Patienten an einer Überwachungs-/
Intensivstation behandeln.
• Sauerstoffgabe mit dem Ziel einer Sauerstoffsättigung
(SpO2) > 92%.
• Salbutamol (5 mg vernebelt) ist die wichtigste
Therapie für das akute Asthma. Wiederholte Dosen alle
15-20 min oder kontinuierliche Gabe kann notwendig
sein. Es sollten Vernebler verwendet werden, die durch
high flow Sauerstoff gesteuert werden. Vernebelte
Medikamente gelangen jedoch nicht effektiv in die
Lungen, wenn der Patient ermüdet und hypoventiliert.
• Corticosteroide (Prednisolon 30-40 mg oral oder
Hydrocortison 200 mg i.v.) sollten früh gegeben
werden. Orale Spezifitäten haben eine längere
Halbwertszeit, der Venenzugang ist aber beim
beinahe-tödlichen Asthma einfacher.
• Vernebelte Anticholinergika (Ipratropium 0,5 mg 4-6
stündlich) bewirkt zusätzliche Bronchodilatation beim
schweren Asthma und bei jenen Patienten, die auf ßMimetika nicht reagieren.
European Resuscitation Council
• Magnesiumsulfat (2 g langsam iv = 8 mmol) ist ein
ebenso wertvoller Bronchodilatator beim schweren
oder nahe-tödlichem Asthma.
• Die intravenöse Gabe von Salbutamol sollte beim
schweren oder beinahe-tödlichen Asthma erwogen
werden. Salbutamol 250 mcg langsam iv kann bei
Patienten, die schon vernebeltes Salbutamol erhalten
haben, einen zusätzlichen Benefit bringen. Die
Dosierung einer eventuell notwendigen Infusion
beträgt 3-20 mcg min-1.
• Aminophyllin sollte nur beim schweren oder beinahetödlichen Asthma überlegt werden. Eine Initialdosis
von 5 mg/kg wird über 20-30 min (sofern nicht
Dauertherapie) verabreicht, gefolgt von einer Infusion
von 500 bis 700 µg/kg/h. Zusätzlich zu hohen Dosen
von ß2-Agonisten verstärkt Aminophyllin eher die
Nebenwirkungen als es zur Bronchodilatation beiträgt.
Zur Vermeidung der Toxizität sollten wiederholt
Theophyllin Plasmaspiegel kontrolliert werden.
• Die Patienten sind oft dehydriert oder hypovoläm und
profitieren vom Flüssigkeitsersatz.
• Helium/Sauerstoffgemische und die intravenöse Gabe
von Ketamin haben keinen bewiesenen Vorteil und
sollten nur von Personen verwendet werden, die mit
diesen Substanzen Erfahrung haben.
• Mechanische Beatmung ist notwendig, wenn die
oben angeführten Therapien versagen und der
Patient sich erschöpft oder das Bewusstsein verliert.
Zur Vermeidung der endotrachealen Intubation ist
der Versuch einer non-invasiven Beatmung mittels
Gesichtsmaske überlegenswert.
Kreislaufstillstand
• Die Basisreanimationsmaßnahmen erfolgen nach
Standard-Guidelines. Die Beatmung wird aufgrund
des erhöhten Atemwegswiderstandes schwierig sein;
Mageninsufflation sollte vermieden werden.
• Die Intubation sollte frühzeitig erfolgen. Die
Beatmung eines schweren Asthmas ohne
endotrachealem Tubus bedeutet ein signifikantes
Risiko einer Mageninsufflation und Hypoventilation
der Lunge.
• Die empfohlene Beatmungsfrequenz (10 Beatmungen
pro Minute) sowie das für eine normale Thoraxhebung
erforderliche Tidalvolumen sollte keine dynamische
Hyperinflation der Lunge nach sich ziehen („gas
trapping“).
• Sollte während der Reanimation eine Hyperinflation
der Lunge vermutet werden, kann die Kompression
der Thoraxwand und/oder eine Apnoe-Phase (TubusDiskonnektion) gas-trapping abbauen. Obwohl
dieses Vorgehen nur geringe Evidenz zeigt, ist es
wahrscheinlich nicht schädlich in einer ansonsten
ausweglosen Situation.
• Dynamische Hyperinflation vergrößert den
transthorakalen Widerstand. Bei VF sollten höhere
Energien zur Defibrillation überlegt werden, wenn die
ersten Defibrillationsversuche fehlschlagen.
• Reversible Ursachen sollten mit der 4 H’s und HITS
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 145
KAP
13
Kapitel 13 Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen
Anaphylactic Reactions: Treatment Algorithm for Adults by First Medical Responders
Consider when compatible history of severe allergic-type
reaction with respiratory difficulty and/or hypotension
especially if skin changes present
Oxygen treatment when available
Stridor, wheeze, respiratory distress or
clinical signs of shock1
Adrenaline2,3
1:1,000 solution
0.5 mL (500 mcg) IM
Repeat in 5 minutes if no clinical improvement
Anitihistamine (chlorphenamine)
10-20 mg IM/or slow IV
IN ADDITION
For all severe or recurrent reactions
and patients with asthma give
hydrocortisone 100-500 mg
IM/or slowly IV
If clinical manifestations of shock do
not respond to drug treatment give
1-2 litres IV fluid.
Rapid infusion or one repeat dose may
be necessary
1. An inhaled beta2-agonist such as salbutamol may be used as an adjunctive measure
if bronchospasm is severe an does not respond rapidly to other traetment.
2. If profound shock judged immediatly life threatening give CPR/ALS if necessary.
Consider slow IV adrenaline 1:10,000 solution. This is hazardous and is recommended
only for an experienced practitioner who can also obtain IV access without delay.
Note the different strength of adrenaline that may be required for IV use.
3. If adults are treated with an adrenaline auto-injector, the 300 micrograms will usually be sufficient.
A second dose may be required. Half doses of adrenaline may be safer for patients on amitriptyline,
imipramine, or beta blocker.
Figure 13.4 Anaphylaxis algorithm
146 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Methode gesucht werden.
• Ein Spannungspneumothorax kann im
Kreislaufstillstand schwierig zu diagnostizieren sein;
Hinweise können eine unilaterale Brustkorbhebung,
Trachealshift oder ein subkutanes Emphysem
darstellen. Notwendig ist eine frühzeitige NadelDekompression (Thorakozentese) mit nachfolgendem
Thoraxdrain. Beim beatmeten Patienten kann die
Thorakostomie (chirurgische Öffnung der Thoraxwand
und Pleura) schneller sein und den Thorax effektiver
entlasten (siehe Abschnitt Trauma)
• Beim Kreislaufstillstand in Zusammenhang mit
Asthma müssen immer bilaterale Pneumothoraces in
Betracht gezogen werden!
Post-Reanimationsphase
• Vorgehen nach Standard Guidelines für die PostReanimationsphase
• Optimieren der medizinischen Strategien für
Bronchospasmus
• Hyperkapnie sollte großzügig erlaubt sein: Normale
Oxygenierung und Ventilation kann bei Patienten
mit schwerem Brochospasmus unter Umständen
nicht erreicht werden. Bemühungen um normale
Blutgaswerte können die Lungenschädigung
verstärken. Milde Hypoventilation reduziert das
Risiko eines Barotraumas, und Hyperkapnie wird im
allgemeinen gut toleriert. Der Zielwert der arteriellen
Sauerstoffsättigung sollte niedriger sein (z.B. 90%),
• Der Patient sollte sediert (und neuromuskulär relaxiert,
falls notwendig) und kontrolliert beatmet werden.
Trotz Fehlen offizieller Studien haben Ketamin und
inhalative Anästhetika bronchodilatatorische Wirkung,
was beim schwer zu beatmenden asthmatischen
Patienten hilfreich sein kann
• Frühzeitige Einbeziehung eines erfahrenen
Intensivmediziners.
Anaphylaxie
Anaphylaxie ist eine seltene aber potentiell reversible
Ursache für einen Kreislaufstillstand. Obwohl das
Management eines der Anaphylaxie zugrunde liegenden
Kreislaufstillstands den Behandlungsprinzipien folgt,
die woanders in diesen Guidelines beschrieben sind,
erfordert der pathophysiologische Prozess im Rahmen
einer Anaphylaxie eine zusätzliche spezifische Therapie.
Anaphylaxie ist eine schwere, lebensbedrohliche,
generalisierte oder systemische hypersensitive Reaktion.
Untersuchungen können zeigen, ob eine allergische
(Immunglobulin E (IgE) oder nicht IgE mediiert) oder
nicht-allergische Reaktion zugrunde liegt. Der Terminus
„Anaphylaktoide Reaktion“ wird nicht mehr verwendet.
Ätiologie
Obwohl allergische Reaktionen relativ häufig sind, ist
die Progression zu einer schweren lebensbedrohlichen
European Resuscitation Council
Reaktion selten. Die häufigsten Gründe
lebensbedrohlicher Reaktionen sind Medikamente,
Insektenstiche und Nahrungsmittel. In 5-20% der Fälle
kann der Trigger für die anaphylaktische Reaktion nicht
identifiziert werden.
• Unter klinischen Bedingungen sind Muskelrelaxantien
(im Speziellen Suxamethonium), Antibiotika und
intravenöse Kontrastmittel die häufigsten Trigger für
Anaphylaxie.
• Prähospital sind Acetylsalicylsäure, nichtsteroidale Antiphlogistika und Antibiotika die
häufigsten Ursachen für medikamenteninduzierte
lebensbedrohliche Anaphylaxie.
• Insektenstiche durch Hymenoptera (z.B. Hornissen,
Wespen, Bienen und Feuerameisen) verursachen
üblicherweise lokale Reaktionen mit Schmerz
und lokaler Schwellung. Tödliche Reaktionen
sind bei Menschen zu beobachten, welche nach
der Induktion von IgE Antikörpern durch einen
früheren Insektenstich neuerlich gestochen
werden. Tödliche Reaktionen treten innerhalb
10-15 min auf, die häufigste Todesursache ist ein
Kreislaufzusammenbruch.
• Lebensbedrohliche allergische Reaktionen auf
Nahrungsmittel sind in Zunahme begriffen. Nüsse
und Meeresfrüchte (im Besonderen Garnelen und
Schalentiere) stellen die häufigsten Trigger dar.
Die häufigsten tödlichen Mechanismen sind dabei
Bronchospasmus, Angio-Ödem, Atemwegsverlegung
und Asphyxie.
• Latex oder natürlicher Gummi ist ein signifikanter
Trigger der Anaphylaxie bei hospitalisierten Patienten
infolge häufiger Anwendung und Operationen,
bei denen Latexprodukte verwendet werden. Die
einzige effektive Therapie ist die Vermeidung von
Produkten, die Latex enthalten. Lebensbedrohliche
anaphylaktische Reaktionen auf Latex sind sehr selten.
Erkennung
Eine anaphylaktische Reaktion ist eine schwere,
systemische allergische Reaktion, welche durch
Involvierung multipler Systeme charakterisiert ist. Es
sollte daran gedacht werden, wenn zwei oder mehr
Körpersysteme betroffen sind (Haut, Atmung, Kreislauf,
Nervensystem oder Gastrointestinaltrakt), mit oder ohne
Einbeziehung von Kreislauf oder Atmung.
Frühzeichen und Symptome sind Urticaria, Rhinitis,
Konjunktivitis, Bauchschmerzen, Erbrechen, Diarrhoe und
Vernichtungsgefühl. Ein Flush ist häufig, aber auch Blässe
ist möglich. Es können sich Ödeme der oberen Atemwege
(laryngeal) und Bronchospasmus entwickeln, gefolgt
von Stridor und Giemen (oder hohe Atemwegsdrücke
bei beatmeten Patienten). Bei Asthmatikern kann
dies besonders ausgeprägt und schwer zu behandeln
sein. Als Todesursache ist ein Atemstillstand durch
Bronchospasmus oder obere Atemwegsokklusion,
ein kardiogener Schock durch den direkten Effekt der
anaphylaktischen Mediatoren auf das Herz oder eine
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 147
KAP
13
Kapitel 13 Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen
Vasodilatation denkbar, welche eine relative Hypovolämie
nach sich zieht (exazerbiert durch den wahren
Volumenverlust bei erhöhter Kapillarpermeabilität, die in
einer Extravasation der intravasalen Flüssigkeit resultiert).
Anaphylaktische Reaktionen variieren im Schweregrad,
und das Fortschreiten kann schnell, langsam oder
(unüblich) biphasisch sein. Selten gibt es verzögerte
Manifestationen (möglicherweise bei Latex-Allergie) oder
solche, die länger als 24 h anhalten.
Das Fehlen übereinstimmender klinischer
Manifestationen und eine große Palette möglicher
Präsentationen kann die Diagnostik schwierig gestalten.
Eine alternative Erklärung für die „Reaktion“ ist häufig.
Die klinische Beurteilung erleichtert die Diagnose. Die
Anamnese früherer allergischer Reaktionen ist genauso
wichtig wie die des aktuellen Ereignisses. Im Besonderen
sollte der Zustand der Haut, Pulsfrequenz, Blutdruck, die
oberen Luftwege beurteilt und die Lunge auskultiert
werden. Wenn möglich sollte der Peak Flow gemessen
und dokumentiert werden. Die Diagnose anderer
Zustände sollte erst nach Ausschluss einer Anaphylaxie
erfolgen; fehlende Identifikation und Behandlung der
Anaphylaxie kann tödlich sein.
• ACE-Hemmer können Angio-Ödeme mit deutlichen
Schwellungen der oberen Atemwege verursachen.
Diese Reaktion kann jederzeit auftreten und steht
nicht in Zusammenhang mit der initialen Einnahme.
Die Schwellung reagiert unter Umständen nicht auf
Adrenalin – die beste Therapie für diese Form des
Angio-Ödems ist unklar. Früherkennung, Bebachtung
und geeignetes Atemwegsmanagement ist
notwendig.
• Hereditäres Angio-Ödem ist familiär und
nicht unterscheidbar vom Frühstadium
eines anaphylaktischen oder eines
medikamenteninduzierten Angio-Ödems. Beim
hereditären Angio-Ödem fehlt die Urticaria. Die
Behandlung erfolgt mit C1 Esterase Inhibitor als
spezifisches Konzentrat.
• Schweres Asthma zeigt Bronchospasmus und
Stridor, welches auch bei der schweren Anaphylaxie
häufig vorkommt. Asthmaanfälle präsentieren sich
üblicherweise nicht mit Urticaria oder Angio-Ödemen.
• Selten kann eine Panikattacke mit funktionalem
Stridor als Ergebnis der forcierten Adduktion der
Stimmbänder assoziiert sein. Wie beim Asthma ist
aber hier keine Urticaria, Angio-Ödem, Hypoxie
oder Hypotension zu beobachten. Die Diagnostik
kann bedeutend erschwert sein, wenn Patienten
nach Auftreten von Urticaria (z.B. nach Latexkontakt)
panisch reagieren oder nach Adduktion der
Stimmbänder hypoxisch werden.
• Vasovagale Reaktionen (z.B. nach einer Impfung)
können einen plötzlichen Kollaps und extreme
Bradykardie verursachen, welche als Anaphylaxie
missgedeutet werden kann. Üblicherweise ist die
Erholungsphase nach einfachen Interventionen (z.B.
Flachlagerung) relativ rasch und nicht assoziiert mit
Urticaria, Angio-Ödem oder Bronchospasmus.
148 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Behandlung (Abb 13.4)
• Lagerung des Patienten in bequemer Position.
Flachlagerung mit oder ohne Erhöhung der Beine
kann bei Hypotension, nicht aber bei Atemnot
hilfreich sein.
• Vermutetes ursächliches Allergen beseitigen (z.B. Stop
einer Infusion oder Bluttransfusion)
• High-flow Sauerstoffgabe (15 l min –1)
• Adrenalin sollte allen Patienten mit Schockzeichen,
Atemwegsschwellung oder tatsächlichen
Schwierigkeiten beim Atmen intramuskulär
verabreicht werden. Inspiratorischer Stridor, Giemen,
Zyanose, offensichtliche Tachykardie und verzögerte
kapilläre Füllung weisen auf eine schwere Reaktion
hin. Erwachsene sollten intramuskulär 0,5 ml
Adrenalin in einer Verdünnung von 1:1000 erhalten
(500 mcg). Bei fehlender Besserung sollte die Dosis
nach 5 min wiederholt werden. Mehrere Dosen
können notwendig sein, insbesondere wenn nur eine
vorübergehende Besserung eintritt. Als α-Agonist
verhindert Adrenalin die periphere Vasodilatation
und reduziert Ödeme. Seine β-Agonisten-Anteile
dilatieren die Atemwege, verbessern die myokardiale
Kontraktion und supprimieren die Ausschüttung von
Histamin und Leukotrienen.
• Die intramuskuläre Gabe von Adrenalin ist sehr
sicher. Unerwünschte Wirkungen sind extrem
selten. Manchmal gab es Unsicherheit darüber, ob
Komplikationen (z.B. myokardiale Ischämie) durch den
Effekt des Allergens oder durch Adrenalin verursacht
wurde.
• Adrenalin intravenös (Verdünnung mindestens
1:10.000) ist potentiell riskant und muss für Patienten
mit unmittelbar lebensbedrohlichem ausgeprägtem
Schock oder für spezielle Indikationen (z.B. während
einer Anästhesie) reserviert bleiben. Eine zusätzlich
zehnfach verdünnte Lösung (1:100.000) ermöglicht
eine bessere Titrierung und erhöht die Sicherheit bei
gleichzeitiger Reduktion des Risikos unerwünschter
Effekte. Dies sollte zumindest unter EKG Überwachung
durchgeführt werden. Bei ausreichender Erfahrung
kann bei allen Patienten mit Zeichen schwerer
Anaphylaxie Adrenalin auch i.v. appliziert werden.
• Adrenalin kann unter Umständen bezüglich
Rückbildung der klinischen Manifestation
der Anaphylaxie versagen, im Speziellen bei
Spätreaktionen oder bei Patienten, die mit β-Blocker
behandelt sind. Andere Maßnahmen (im Besonderen
der Volumenersatz) erhalten dann größere Bedeutung.
• H1-Antihistaminika (z.B. Chlorphenamin 4mg oral
oder 10-20 mg langsam iv.) sollten verabreicht
werden. Ebenso überlegenswert ist ein H2-Blocker, z.B.
Ranitidin 50 mg iv.
• Corticosteroide sollten nach schweren Attacken
gegeben werden, um Folgeschäden zu vermeiden.
Dies ist im Besonderen bei Asthmatikern wichtig
(erhöhtes Risiko einer schweren oder tödlichen
Anaphylaxie), wenn sie schon vorher mit
Corticosteroiden behandelt wurden. Corticosteroide
European Resuscitation Council
können die Behandlung einer akuten Attacke
im Notfall unterstützen und spielen auch in der
Prävention oder Verkürzung von protrahierten
Reaktionen eine Rolle.
• Salbutamol im Vernebler (5mg in wiederholten
Dosen falls notwendig) ist in der Lage, refraktären
Bronchospasmus zu lösen. Ipratropium inhaliert
(500mcg, Wiederholung wenn notwendig) kann im
Speziellen für die Behandlung des Bronchospasmus
bei Patienten mit β-Blocker von Bedeutung
sein. Einige Fälle von nahe-tödlichem Asthma
sind unter Umständen in Wahrheit Anaphylaxie,
resultierend aus einer fälschlichen Überbehandlung
mit konventionellen Bronchodilatatoren anstatt
der spezifischeren Therapie mit Adrenalin.
Überlegenswert ist die intravenöse Gabe von
Salbutamol, Aminophyllin oder Magnesiumsulfat
beim schweren Bronchospasmus (siehe Asthma).
• Volumengabe ist angezeigt, sollte eine schwere
Hypotension nicht rasch auf die Therapie ansprechen;
die rasche Infusion von 1-2 Litern kann erforderlich
sein, häufig sogar mehr. Manche Patienten können
kontinuierliche Adrenalininfusion über mehrere
Stunden benötigen.
• Weitere mögliche Therapie:
- Glucagon (1 – 2 mg alle 5 min im oder iv) bei
Patienten, bei denen Adrenalin versagt (speziell bei
Patienten mit β-Blockern)
- Sofortige Entfernung aller Insektenteile von der
Einstichstelle unter Vermeidung von Ausquetschen.
Kreislaufstillstand
Zusätzlich zu den Standardmaßnahmen ist folgendes zu
überlegen:
• Eine schwerwiegende Anaphylaxie verursacht
eine ausgeprägte Vasodilatation und eine relative
Hypovolämie. Zur Verabreichung großer Volumina
sind mindestens 2 großlumige Kanülen mit
Druckbeuteln angezeigt (4 bis 8 Liter können allein
in der unmittelbaren Reanimationsphase notwendig
sein);
• Sofern nicht vor dem Stillstand geschehen, sollten
Antihistaminika intravenös verabreicht werden;
• Steroide während der Reanimation werden nur einen
geringen Effekt zeigen, in der Post-Reanimationsphase
sind sie aber möglicherweise effektiv (bei Erreichen
von ROSC);
• Verlängerte Reanimationsmaßnahmen können
erforderlich sein.
Schwellung des Oropharynx.
• Eher früh intubieren; verzögerte Intubation kann sich
extrem schwierig gestalten. Bei fortgeschrittener
Obstruktion ist auch die Platzierung von LMA und
Combitubus wahrscheinlich schwierig. Darüber hinaus
können Intubationsversuche zur Exaberation des
Larynxödem führen – die frühzeitige Einbeziehung
eines erfahrenen Anästhesisten ist im Management
dieser Patienten obligatorisch.
• Ein chirurgischer Atemwegszugang kann erforderlich
sein, falls eine Intubation nicht gelingt.
Überwachung
Selbst Patienten mit nur moderaten Attacken sollten
vor der Möglichkeit des raschen Wiederauftritts der
Symptome gewarnt und unter Umständen für 8-24 h
beobachtet werden. Diese Vorsicht ist im Speziellen
geboten bei:
• Schweren Reaktionen mit langsamem Beginn bei
idiopathischer Anaphylaxie;
• Reaktionen bei schweren Asthmatikern oder mit
schwerer asthmatischer Komponente;
• Reaktionen bei möglicherweise anhaltender
Allergenabsorption;
• Patienten mit biphasischen Reaktionen in der
Anamnese.
Untersuchungen und weiteres
Management
Die Diagnose „Anaphylaxie“ kann durch Bestimmung der
Mastzelltryptase gestützt werden. Drei mal 10 ml Vollblut
sollte abgenommen werden:
1. Sofort nach der Behandlung;
2. ungefähr 1 h nach der Reaktion;
3. ungefähr 6 bis maximal 24 h nach der Reaktion.
Wichtig ist die Identifikation des Allergens, um ein
Wiederauftreten der Anaphylaxie zu verhindern. Der
Patient sollte an eine Spezialabteilung überwiesen
werden. Patienten mit sehr hohem Risiko sollten
eventuell ihre eigene Adrenalinspritze zur Selbstinjektion
erhalten und ein MedicAlert Armband tragen.
Medikamentenreaktionen sollten der dafür vorgesehenen
Behörde gemeldet werden.
Atemwegsobstruktion
• Bei schwerer Anaphylaxie kann sich eine
Atemwegsobstruktion rasch entwickeln, speziell
bei Patienten mit Angio-Ödem. Warnsignale sind
Schwellung der Zunge und der Lippen, Heiserkeit und
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 149
CKAP
13
Kapitel 13 Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen
Kreislaufstillstand nach
herzchirurgischen Eingriffen
Kreislaufstillstand nach großen Herzoperationen ist
ein relativ häufiges Ereignis in der unmittelbaren
postoperativen Phase (eine Inzidenz von 0,7% in den
ersten 24 h und 1,4% innerhalb der ersten 8 Tage wird
berichtet). Der Kreislaufstillstand deutet sich häufig
im Verlauf an, er kann aber auch plötzlich bei stabilen
Patienten auftreten. Kontinuierliches Monitoring auf der
Intensivstation (Intensive Care Unit, ICU) ermöglicht die
sofortige Intervention zum Zeitpunkt des Auftretens
des Stillstands. Die Überlebensrate von Patienten nach
Kreislaufstillstand innerhalb 24 h nach herzchirurgischen
Eingriffen bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus
bewegt sich um 54-79% bei Erwachsenen und 41% bei
Kindern.
Ätiologie
Häufigste Ursache des plötzlichen Kreislaufstillstands
ist ein perioperativer Myokardinfarkt, oftmals sekundär
aufgrund einer Graft-Okklusion. Die wichtigsten Ursachen
eines Kreislaufstillstands in der initialen postoperativen
Phase sind:
• Myokardiale Ischämie;
• Spannungspneumothorax;
• Blutung mit nachfolgendem hypovolämischen Schock
• Herzbeuteltamponade
• Diskonnektion des Schrittmachersystems bei
schrittmacherabhängigen Patienten;
• Elektrolytentgleisungen (im Besonderen Hypo/
Hyperkaliämie)
Diagnose
Um eine rasche Intervention und erfolgreiche
Wiederbelebung zu ermöglichen, muss eine sofortige
Entscheidung über die wahrscheinliche Ursache des
Kreislaufstillstands getroffen werden. Thoraxauskultation,
EKG und Thoraxröntgen, transösophageale/
transthorakale Echokardiographie sowie die Messung des
Blutverlustes aus den Thoraxdrains helfen die Ursache
des Stillstands zu erkennen. Reversible Ursachen für
einen Kreislaufstillstand (die 4 H’s und HITS) sollten
aktiv gesucht und ausgeschlossen werden. Myokardiale
Ischämie verursacht vor einem Stillstand häufig
myokardiale Irritabilität und fortschreitende Hypotension.
Ein Spannungspneumothorax und Herzbeuteltamponade
verursacht fortschreitende Hypotension und
zunehmenden Zentralvenendruck. Aufgrund steigender
Atemwegsdrucke und geringem Eintritt von Luft in
die beteiligte Lunge können diese zwei Zustände
unterschieden werden. Fehlender Blutabfluss aus den
Thoraxdrains schließt aufgrund möglicher Verstopfung
eine Hämorrhagie oder Tamponade nicht aus.
150 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Behandlung
Die Behandlung erfolgt nach Standard ALS Protokoll.
• Kontaktaufnahme mit erfahrenen Kollegen ohne
Verzögerung
• Sofortiger Ausschluss korrigierbarer Ursachen wie
Diskonnektion von Schrittmacherelektroden oder
Spannungspneumothorax. Extreme Bradykardie
oder Asystolie reagiert möglicherweise auf
Schrittmacherimpulse über interne Elektroden (falls
vorhanden), die an einen externen Schrittmacher
angeschlossen werden.
• Korrektur einer Hypo/Hyperkaliämie und
Hypomagnesiämie. Wichtig ist auch der rasche Ersatz
von ausreichend Blutvolumen.
• Vorsicht bei intravenöser Adrenalingabe – die
resultierende Hypertension kann sich katastrophal auf
die Anastomosen auswirken.
• Die Herzdruckmassage kann Sternumsubluxationen,
Rippenbrüche und eine Beschädigung von Grafts
verursachen. Ständige Beobachtung des invasiven
Blutdrucks ermöglicht eine Optimierung der Stärke
der Druckmassage. Effektive Herzdruckmassage sollte
der eventuellen Sorge über mögliche Graftschädigung
vorgezogen werden.
• Mechanische Faktoren (z.B. Hämorrhagie, Tamponade,
Graftokklusion) sind verantwortlich für eine
Reihe von Ursachen des plötzlichen Herztodes
bei hämodynamisch stabilen Patienten in der
unmittelbaren postoperativen Phase. Beseitigung
dieser Ursachen erfordert möglicherweise die
Wiedereröffnung des Thorax und somit eine interne
Herzdruckmassage.
• Sofortige Wiedereröffnung des Thorax im Fall von
fehlendem Output bei der Herzdruckmassage oder
eines schockrefraktären defibrillationswürdigem
Rhythmus. Das Management einer Asystolie erfordert
üblicherweise die prompte Wiedereröffnung des
Sternums. Die Eröffnung des Brustkorbs ist relativ
einfach und sollte, falls indiziert, innerhalb 10 Minuten
Stillstandzeit erfolgen.
• Training von nichtchirurgischem medizinischen
Personal im Hinblick auf Öffnung der Wunde und
Entfernung der Drähte im Sternum bis zum Erscheinen
des Chirurgen sollte überlegt werden. Instrumente
zur Thoraxöffnung müssen an der ICU unmittelbar
verfügbar sein. Invasive Blutdruckmessung zeigt
die Effektivität der internen Herzdruckmassage.
Um eine Beschädigung des Grafts zu vermeiden,
sollten Blutgerinnsel vorsichtig, manuell oder mittels
Absauger, beseitigt werden. Frühzeitige Identifikation
und Behandlung der zugrunde liegenden Pathologie
unter diesen Umständen ist eine Herausforderung und
erfordert einen erfahrenen Chirurgen.
• Überlegenswert ist der notfallmäßige
Wiederanschluss an einen Cardiopulmonalen
Bypass (CPB) zur Blutstillung, zur Wiedereröffnung
eines Graftverschlusses oder auch zur Erholung
eines erschöpften Myokards. Der notfallmäßige
CBP Anschluss sollte an allen herzchirurgischen
European Resuscitation Council
Abteilungen möglich sein. Wichtig ist eine adäquate
Re-Antikoagulation vor Beendigung des CPB oder ein
heparingebundener CPB. Auch wenn die Aorta wieder
abgeklemmt werden muss ist ein gutes Outcome
nicht ausgeschlossen.
• Interne Defibrillation mit Paddles, die direkt an den
Ventrikeln angelegt werden, bedarf wesentlich
weniger Energie als für die externe Defibrillation.
Biphasische Schocks sind bei direkter Defibrillation
effektiver als monophasische. Bei biphasischen
Schocks ist der Beginn mit 5 J optimal bezüglich
niedrigster Schwelle und kumulativer Energie, bei
Beginn mit 10 oder 20 J kann gegebenenfalls rascher
erfolgreich defibrilleirt werden. Bei monophasischen
Schocks sollte die doppelte Energie aufgewendet
werden.
Trauma
Ein sekundärer Kreislaufstillstand aufgrund einer
Verletzung ist mit einer sehr hohen Mortalität behaftet,
die Überlebensrate beträgt 2.2% (0-3,7%). Häufig bleibt
bei Überlebenden eine neurologische Beeinträchtigung.
Kreislaufstillstand durch stumpfes Trauma hat eine sehr
schlechte Prognose. Etwas besser ist die Situation für den
Kreislaufstillstand nach penetrierenden Traumen.
Ein Kreislaufstillstand durch ein primär medizinisches
Problem (z.B. Herzrhythmusstörungen, Hypoglykämie,
Krampfanfälle) kann ein sekundär traumatisches Ereignis
nach sich ziehen (z.B. Herabstürzen, Verkehrsunfall).
Die Verletzungen müssen nicht die primäre Ursache
des Kreislaufstillstandes sein. Das Überleben hängt
üblicherweise von einer frühzeitigen Reanimation durch
erfahrene Retter ab.
Die Ursachen für einen Kreislaufstillstand bei
Traumapatienten umfassen: schwere traumatische
Hirnverletzung, Hypovolämie durch massiven
Blutverlust, Hypoxie durch Atemstillstand, direkte
Verletzung lebenswichtiger Organe und großer Gefäße,
Spannungspneumothorax, Herzbeuteltamponade. Es
gibt keine sicheren Prädiktoren für das Überleben eines
verletzungsbedingten Kreislaufstillstands. Das American
College of Surgeons und die National Association of EMS
physicians empfehlen prähospital in ihren Guidelines ein
zurückhaltendes Vorgehen bei:
• Patienten mit stumpfem Trauma mit Apnoe,
Pulslosigkeit und keiner geordneten EKG-Aktivität
• Patienten mit penetrierendem Trauma ohne Atmung
und Puls nach rascher Beurteilung der Lebenszeichen
wie Pupillenreflexe, Spontanbewegungen oder
organisierte EKG-Aktivität.
Behandlung
• Beurteilung und Behandlung erfolgt nach ABCDE.
Die Behandlung vor Ort sollte sich auf eine qualitativ
gute CPR und erweiterte Reanimation sowie den
European Resuscitation Council
•
•
•
•
•
•
•
•
Ausschluss von reversiblen Ursachen mittels 4 H’s und
HITS konzentrieren.
Vor Ort sollten ausschließlich lebensrettende
Maßnahmen gesetzt werden und, sofern der Patient
Lebenszeichen zeigt, der Transport rasch in das
nächste geeignete Krankenhaus erfolgen. Keine
Verzögerung durch Immobilisation der Wirbelsäule!
Effektives Atemwegsmanagement ist essentiell
für die Aufrechterhaltung der Oxygenierung des
schwer kompromittierten Patienten. Frühzeitige
endotracheale Intubation durch erfahrene Retter
kann einen Benefit bringen. Sollte diese nicht sofort
möglich sein, sollten Basismanöver und alternative
Atemwegszugänge angewandt werden, um die
Oxygenierung aufrecht zu erhalten. Sollten diese
Maßnahmen nicht gelingen, ist ein chirurgischer
Atemwegszugang indiziert.
Hohe inspiratorische Sauerstoffkonzentration!
Exzessive Tidalvolumina sollten zur Beatmung
vermieden werden.
Beginn der Herzdruckmassage nach Feststellen
des Kreislaufstillstands. Bei hypovolämischen
Kreislaufstillständen oder bei Herzbeuteltamponade
ist die Herzdruckmassage weniger effektiv als normal.
Rasche Dekompression eines
Spannungspneumothorax mittels lateraler
Thorakostomie (Inzision der lateralen Thoraxwand bis
in den Pleuraraum). Diese ist wahrscheinlich effektiver
als die Nadelthorakostomie und schneller als eine
Versorgung mittels Thoraxtubus.
Blutstillung und Volumenersatz so früh wie möglich.
Dazu ist je nach Umständen ein direkter Druck,
Schienen von Frakturen oder sofortige chirurgische
Intervention von Nöten.
Falls verfügbar wird bei Hämoperitoneum, Hämooder Pneumothorax und Herzbeuteltamponade die
Diagnose sehr schnell durch Ultraschall gestützt. Dies
erfordert einen erfahrenen Untersucher und sollte die
Behandlung nicht verzögern.
Konservativer Flüssigkeitsersatz bis die Blutung
unter Kontrolle ist. Bei unkontrollierten Blutungen
verstärkt exzessiver Flüssigkeitsersatz die Blutung.
Die Verfügbarkeit von Flüssigkeit und Blutprodukten
hängt von lokalen Gegebenheiten ab.
Notfallthorakotomie
• Vor Ort ist die notfallmäßige Thorakotomie bei
Kreislaufstillstand aufgrund eines penetrierenden
Thoraxtraumas überlegenswert, falls dies innerhalb
10 min nach Verlust des Pulses durchgeführt werden
kann. Diese Maßnahme erfordert einen trainierten
Retter.
• In einer Notaufnahme gelten folgende Überlegungen
(emergency department thoracotomy, EDT):
- Nach stumpfem Trauma bei Patienten mit
beobachtetem Kreislaufstillstand, die bei Eintreffen
Vitalzeichen zeigen
- Nach penetrierenden Herzverletzungen bei
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 151
KAP
13
Kapitel 13 Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen
Patienten, die nach einer kurzen präklinischen
Behandlungs- und Transportzeit mit Vitalzeichen
und EKG-Aktivität eintreffen
- Bei penetrierenden nicht-kardialen
Thoraxverletzungen, auch wenn die
Überlebensraten gering sind.
- Bei Patienten mit exzessivem Blutverlust
aufgrund Bauchgefäßverletzung, auch wenn die
Überlebensraten niedrig sind. Dieses Prozedere
ermöglicht das Abklemmen der thorakalen Aorta
und sollte zusätzlich zur definitiven Versorgung der
abdominalen Gefäßverletzung erfolgen
• Bei traumaassoziierter Herzbeuteltamponade ist eine
Nadelperikardiozentese wahrscheinlich nicht hilfreich.
Sie verlängert die Zeit vor Ort, kann myokardiale
Verletzungen hervorrufen und verzögert effektive
Behandlungen wie die Notfallthorakotomie.
Commotio cordis
Commotio cordis bedeutet einen Zustand von
manifestem oder nahezu manifestem Kreislaufstillstand
aufgrund einer stumpfen Einwirkung auf die
Thoraxwand über dem Herzen. Ein Schlag auf
den Thorax während der vulnerablen Phase des
Herzzyklus kann maligne Arrhythmien hervorrufen
(üblicherweise Kammerflimmern). Eine Synkope nach
wuchtigem Stoß auf die Thoraxwand kann durch
nicht-anhaltende Arrhythmien verursacht sein. Die
Commotio cordis ereignet sich zumeist während Sport
und Freizeitaktivitäten, und die Opfer sind üblicherweise
junge Männer (mittleres Alter 14 Jahre). Vorgehen nach
den Standard-Guidelines für die Reanimation.
Schwangerschaft
Bei Schwangerschaftsnotfällen müssen sowohl die
Mutter als auch der Fötus berücksichtigt werden. Die
effektive Wiederbelebung der Mutter ist oft der beste
Weg, das Ergebnis für den Fötus zu optimieren.
Während der Schwangerschaft kommt es zu signifikanten
physiologischen Veränderungen; zum Beispiel steigen
Herzzeitvolumen, Blutvolumen, Atemminutenvolumen
und Sauerstoffverbrauch. Der gravide Uterus kann, wenn
die Schwangere sich in Rückenlage befindet, iliakale und
abdominelle Gefäße komprimieren, was in einem
reduzierten Herzzeitvolumen und einer Hypotension
resultiert.
152 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Ursachen
für einen Herz-Kreislaufstillstand
•
während der Schwangerschaft
•
•
•
•
•
•
•
•
Vorbestehende Herzerkrankungen
Thromboembolie
Selbstmord
Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie
Sepsis
Bauchhöhlenschwangerschaft
Blutung
Fruchtwasserembolie
Schwangere Frauen können auch dieselben
Ursachen für einen Herz-Kreislaufstillstand
haben wie (nicht schwangere) Frauen derselben
Altersgruppe (z.B. anaphylaktischer Schock,
Drogenintoxikation, Trauma).
Behandlung
• Im Notfall befolgen sie die ABCDE – Regel. Viele
Kreislaufprobleme bei Schwangeren sind durch eine
Kompression der V. cava bedingt
• Wenn sie eine gefährdete oder kompromittierte
schwangere Patientin behandeln:
- Legen sie die Patientin in eine Linksseitenlage oder
lagern sie mit den Händen vorsichtig den Uterus
nach links;
- Geben Sie 100% Sauerstoff;
- Geben Sie einen Flüssigkeitsbolus;
- Ziehen sie sofort eine/n Geburtshelfer/in hinzu.
• Bei einem Herz-Kreislaufstillstand gelten die
Empfehlungen für BLS und ALS
• Fordern sie sofort zusätzliche Hilfe an. Zur effektiven
Wiederbelebung von Mutter und Fötus muss
fachliche Hilfe bereitgestellt werden (Gynäkologe und
Neonatologe)
• Lagern sie die Patientin mindestens 15° nach links,
um die cavale Kompression zu vermindern. Ab der
20. Schwangerschaftswoche kann der Uterus gegen
die V cava inferior und die Aorta drücken und so
den venösen Rückstrom und das Herzzeitvolumen
vermindern. Eine Cava-Kompression vermindert die
Effektivität von Thoraxkompressionen.
• Die Methode der Linksseitenlage ist abhängig von den
Möglichkeiten. Improvisation wird notwendig sein
– der Körper der Patientin muss auf einer Oberfläche
liegen, welche eine effektive Thoraxkompression
erlaubt:
- Linksseitenlage, wenn die Patientin auf dem
Spineboard oder dem OP Tisch liegt
- Platzierung von Sandsäcken, Kissen oder einem für
diesen Zweck gedachten Keil (z.B. Cardiff Keil), falls
verfügbar
- Manuelle Verlagerung des Uterus nach links
European Resuscitation Council
- Anlage des Körpers der Schwangeren an die
Oberschenkel der knieenden Helfer
• Für die Herzdruckmassage kann eine weiter
kraniale Handposition notwendig sein, um dem
höherstehenden Zwerchfell und der, durch den
graviden Uterus verursachten, Verlagerung des
Abdomens Rechnung zu tragen.
• Während der Schwangerschaft besteht ein erhöhtes
Risiko der Aspiration von Mageninhalt. Die frühe
Intubation reduziert dieses Risiko. Die Intubation
bei Schwangeren kann erschwert sein. Alternative
Beatmungshilfen und ein in der Intubation erfahrener
Kollege könnten notwendig sein.
• Wählen sie für die Defibrillation die StandardEnergien. Eine Linksseitenlage und große Brüste
können die Auflage der Paddles erschweren.
Klebeelektroden sind hier deutlich im Vorteil.
Reversible Ursachen
Bedenken sie die reversiblen Ursachen (4 H´s und HITS).
Die Verwendung eines abdominellen Utraschallgerätes
während der Reanimation einer Schwangeren
kann hilfreich sein; es sollten aber andere wichtige
Behandlungen dadurch nicht gestört werden. Spezifische
reversible Ursachen in der Schwangerschaft sind:
• Blutung: Eine Blutung kann vor und nach der
Geburt auftreten, Ursachen können sein: Ektope
Schwangerschaft, Plazentalösung, Plazenta praevia
oder eine Uterusruptur. Entbindungsstationen sollten
einen Notfallplan zur Behandlung von massiven
Blutungen haben. Die Behandlung basiert auf dem
ABCDE-Behandlungspfad. Der entscheidende Schritt
ist, die Blutung zu stoppen. Folgende Punkte sind
überlegenswert: Gabe von intravenöser Flüssigkeit
mittels Druckinfusionssystem, Korrektur von
Gerinnungsstörungen, Oxytocin, Ergometrine und
Prostaglandine zur Beseitigung der Uterusatonie,
Kompressionsnähte des Uterus, radiologische
Embolisation von blutenden Gefäßen und
chirurgische Maßnahmen inklusive Cross clamping
der Aorta und Hysterektomie..
• Medikamente: Patientinnen, die aufgrund einer
Präeklampsie Magnesium erhalten, können
insbesondere in Kombination mit einer Oligurie eine
Überdosierung zeigen. Eine Magnesiumvergiftung
sollte mit Calcium behandelt werden (siehe
lebensbedrohliche Elektrolytverschiebungen). Eine
Blockade des zentralen Nervensystems zur Analgesie
oder Anästhesie kann Probleme aufgrund der
Sympathikusblockade (Hypotension, Bradykardie).
oder auch lokaltoxische Nebenwirkungen
verursachen.
• Herz-Kreislauferkrankungen: Die pulmonale
Hypertension verursacht die meisten Todesfälle
bei angeborenen Herzerkrankungen. Eine
Kardiomyopathie in der Schwangerschaft, der
Herzinfarkt, ein Aneurysma oder eine Dissektion
der großen Gefäße sind die Hauptursache bei den
erworbenen Herzerkrankungen. Schwangere Frauen
mit koronarer Herzkrankheit können ein akutes
European Resuscitation Council
Koronarsyndrom entwickeln. Die perkutane coronare
Intervention ist die Reperfusionsstrategie der Wahl
für einen STEMI während der Schwangerschaft, da die
thrombolytische Therapie relativ kontraindiziert ist.
• Präeklampsie und Eklampsie: Eklampsie ist definiert
als Entwicklung von Krampfanfällen und/oder
unklarem Koma während der Schwangerschaft oder
nach der Geburt bei Patientinnen mit Zeichen der
Präeklamsie. Magnesium kann das Auftreten einer
Eklampsie während der Wehen oder unmittelbar
nach der Geburt in diesen Fällen möglicherweise
verhindern.
• Fruchtwasserembolie kann mit Dyspnoe, Zyanose,
Arrhythmien, Hypotension und Blutungen in
Kombination mit einer disseminierten intravasalen
Gerinnungsstörung einhergehen. Die Symptome
können variieren und auch einer Anaphylaxie
ähneln. Die Therapie ist unterstützend – spezifische
Therapiemaßnahmen gibt es nicht.
Sectio Caesarea
Sollten die ersten Reanimationsversuche scheitern, kann
die Entbindung des Föten die Chancen der erfolgreichen
Wiederbelebung für Mutter und Kind erhöhen.
Die beste Überlebensrate für Kinder ab der 24-25
SSW besteht, wenn sie innerhalb fünf Minuten nach
dem Beginn des Herz-Kreislaufstillstandes der Mutter
entbunden werden. Die Geburt vermindert die CavaKompression und kann die Wahrscheinlichkeit des
Reanimationserfolges der Mutter erhöhen. Gleichzeitig
wird der Zugang zum Kind ermöglicht, sodass mit der
Reanimation des Kindes begonnen werden kann.
In Rückenlage beginnt der Uterus ab der 20 SSW den
Blutfluss der V. cava inferior und der Aorta abdominalis
zu behindern; allerdings beginnt die Überlebensfähigkeit
des Föten nach etwa 24-25 Wochen.
• Gestationsalter < 20 Wochen: notfallmäßige Sectio
caesarea ist nicht notwendig, da die Größe des
Uterus das Herzzeitvolumen der Schwangeren nicht
kompromittiert
• Gestationsalter ungefähr 20-23 Wochen:
Initiieren Sie die notfallmäßige Entbindung um
den Reanimationserfolg der Mutter zu verbessern.
Ein Überleben des Feten zu diesem Zeitpunkt ist
unwahrscheinlich.
• Gestationsalter ungefähr > 23 Wochen: Initiieren
Sie die notfallmäßige Entbindung, um das Leben der
Mutter und des Kindes zu retten.
Vorausplanung
Erweiterte Wiederbelebung bei Schwangeren bedarf
einer Koordination aus Reanimation der Mutter,
Sectio Caesarea zur Entwicklung des Feten und einer
Neugeborenen Reanimation innerhalb von fünf
Minuten. Um dies zu erreichen, gilt für Stationen,
die wahrscheinlich mit Reanimationen in der
Schwangerschaft zu tun haben werden:
• Notfallpläne und das Equipment zur Reanimation für
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 153
Kapitel 13 Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen
die Mutter und das Kind sollten vorhanden sein
• Sicherstellung der frühzeitigen Einbindung eines
geburtshilflichen und neonatologischen Teams
• Sicherstellung von regelmäßigem Training der
Mitarbeiter in geburtshilflichen Notfällen
Stromunfall
Verletzungen durch elektrischen Strom sind relativ selten,
haben jedoch potenziell verheerende Auswirkungen
mit einer hohen Morbidität und Mortalität. Die meisten
Verletzungen durch Strom ereignen sich bei Erwachsenen
am Arbeitsplatz und sind generell mit Hochspannung
assoziiert, während das größte Risiko für Kinder zuhause
besteht, hier ist die Spannung niedriger (220V in Europa,
Australien, Asien; 110 V in den USA und Kanada). Der
Tod durch einen Blitz ist selten, verursacht aber ca. 1000
Todesfälle pro Jahr weltweit.
Zu den Faktoren, welche die Schwere der
Stromverletzung beeinflussen, gehört, ob es sich um
Wechselstrom (alternating current, AC) oder Gleichstrom
(direct current, DC) handelt, die Spannung, die Menge
der verabreichten Energie, der Widerstand zum
Stromfluss, der Weg des Stroms durch den Patienten
sowie der Bereich und die Dauer des Kontakts. Der
Hautwiderstand wird durch Feuchtigkeit herabgesetzt,
wodurch die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung erhöht
wird. Elektrischer Strom folgt dem Weg des geringsten
Widerstands; leitende neurovaskuläre Bündel innerhalb
der Extremitäten sind speziell anfällig für Schädigungen.
Kontakt mit Wechselstrom kann eine tetanische
Kontraktion der Skelettmuskulatur verursachen. Dadurch
kann es unmöglich werden, dass sich das Opfer von der
Stromquelle löst. Myokardiales oder respiratorisches
Versagen kann den plötzlichen Tod verursachen:
• Atemstillstand kann durch eine zentrale
Atemdepression oder eine Lähmung der
Atemmuskulatur hervorgerufen werden;
• Strom kann auch Kammerflimmern auslösen,
wenn er während der vulnerablen Phase auf die
Herzmuskulatur wirkt (analog zu einem R-auf-TPhänomen). Elektrischer Strom kann in Folge eines
Koronararterienspasmus auch eine Myokard-Ischämie
verursachen;
• Eine Asystolie kann primär auftreten, oder sekundär in
Folge eines Atemstillstandes.
Strom, der das Myokard durchquert, ist mit einer höheren
Wahrscheinlichkeit tödlich. Ein transthorakaler Verlauf
des Stroms (Hand zu Hand) ist eher fatal als ein vertikaler
(Hand zu Fuß) oder ein gespreizter Verlauf (Fuß zu Fuß).
Entlang des Stromwegs kann das Gewebe stark zerstört
sein.
Ein Blitzschlag setzt mehr als 300 Kilovolt in wenigen
Millisekunden frei. Der größte Teil der Energie eines
Blitzschlages passiert die Oberfläche des Körpers
154 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
in einem Prozess, der externer Funkenüberschlag
genannt wird. Sowohl Lichtbogen als auch Blitzschlag
verursacht am Kontaktort eine tiefe Verbrennung. Bei
Industrieunfällen sind die Kontaktareale üblicherweise
die obere Extremität, Hände und Handgelenke, während
sie beim Blitzschlag überwiegend am Kopf, Nacken und
den Schultern zu finden sind. Verletzungen können auch
indirekt auftreten durch Bodenströme oder durch Strom‚Splashing’, von einem Baum oder einem anderen Objekt,
das von einem Blitz getroffen wird. Die Sprengkraft, die
durch einen Blitzschlag verursacht wird, kann auch zu
stumpfen Traumen führen.
Das Verletzungsmuster und der Schweregrad einer
Verletzung durch Blitzschlag variiert beträchtlich.
Sowohl beim industriellen als auch beim häuslichen
Stromunfall ist der Tod durch den Kreislaufstillstand oder
Atemstillstand verursacht. Wird der erste Stromschlag
überlebt, kommt es zur extensiven Freisetzung von
körpereigenen Katecholaminen oder einer autonomen
Stimulation, welche Hypertension, Tachykardie,
unspezifischen EKG Veränderungen (inkl. Verlängerung
des QT-Intervalls und kurzzeitiger Umkehrung der
T-Welle, sowie Myokardzellnekrosen verursacht. Der
Anstieg der Kreatin-Kinase kann durch Freisetzung aus
dem Skelettmuskel und aus dem Myokard kommen.
Blitzschlag verursacht darüber hinaus verschiedene
zentrale als auch peripher neurologische Probleme.
Behandlung
Stellen sie sicher, dass jede Stromquelle abgeschaltet
ist, und nähern sie sich dem Opfer erst, wenn Ihre
Umgebung sicher ist. Man sollte auch bedenken,
dass Hochspannungs-Elektrizität (über dem Level
von Haushalten) einen Lichtbogen verursachen und
durch den Boden bis zu ein paar Metern um das Opfer
herum fließen kann. Es ist jedoch sicher, sich nach
einem Blitzschlag den Verletzten zu nähern und sie zu
behandeln, obwohl es auch hier besser wäre, in eine
sicherere Umgebung zu wechseln. Das Vorgehen richtet
sich nach den Standard-Leitlinien zur Wiederbelebung.
• Das Atemwegs-Management kann schwierig
sein, wenn es um Gesicht und Nacken herum
Verbrennungen gibt. Eine frühe endotracheale
Intubation ist in diesen Fällen notwendig, da sich
Ödeme der Weichteile entwickeln können, die
eine Verlegung der Atemwege verursachen. Die
Immobilisation der Halswirbelsäule sollte in Betracht
gezogen werden. Dies sollte jedoch nicht zu einer
Verzögerung der Atemwegssicherung führen.
• Eine Muskellähmung kann, besonders nach
Hochspannungsschocks, bis zu mehreren Stunden
andauern; während dieser Zeit ist eine Unterstützung
der Atmung erforderlich.
• Kammerflimmern ist die häufigste anfängliche
Arrhythmie nach einem Hochspannungs-Schock
mit Wechselstrom; es sollte mit einem sofortigen
Defibrillationsversuch behandelt werden. Nach einem
Gleichstrom-Schlag tritt häufiger eine Asystolie auf;
European Resuscitation Council
•
•
•
•
für diese und andere Arrhythmien sollte man die
Standard-Protokolle verwenden.
Glimmende Kleidungsstücke und Schuhe sollten
entfernt werden, um weitere thermische Verletzungen
zu vermeiden.
Eine ausgiebige Flüssigkeits-Therapie kann bei
signifikanter Gewebszerstörung notwendig sein. Es
ist wichtig, eine gute Urinausscheidung zu erhalten,
um die Ausscheidung von Myoglobin, Kalium
und anderen Produkten des Gewebeschadens zu
verbessern.
Bei Patienten mit schweren thermischen Verletzungen
kann ein frühzeitiger chirurgischer Eingriff notwendig
sein.
Wichtig ist eine sorgfältige zweite Untersuchung,
um Verletzungen auszuschließen, welche durch die
tetanischen Muskelkontraktionen oder durch das
Wegschleudern der Person durch die Gewalt des
Schocks verursacht werden.
Strom kann schwere, tiefe Weichteilwunden mit relativ
geringen Hautläsionen verursachen. Der Grund ist die
Tendenz des Stromes, den neurovaskulären Bündeln
zu folgen; es sollte sorgfältig auf die charakteristischen
Zeichen eines Kompartmentsyndroms geachtet werden,
welche eine Fasziotomie erforderlich machen würden.
Weitere Behandlung und Prognose
Bei jungen Opfern mit Kreislaufstillstand nach einem
Stromunfall kann eine sofortige Reanimation dazu führen,
dass sie überleben. Von erfolgreicher Reanimation nach
längerer Wiederbelebung wird berichtet. Alle, die eine
Stromverletzung überleben, sollten im Krankenhaus
beobachtet werden, wenn sie eine Vorgeschichte mit
kardio-respiratorischen Problemen haben oder sie
folgendes erlitten haben:
• Verlust des Bewusstseins;
• Kreislaufstillstand;
• EKG-Anomalien;
• Weichteilverletzung und Verbrennungen.
Schwere Verbrennungen (thermisch oder elektrisch),
Myokardnekrosen, das Ausmaß der ZNS-Schädigung
sowie sekundäre Multiorganschäden bestimmen die
Morbidität und die Langzeitprognose. Es gibt keine
spezifische Therapie bei elektrischen Verletzungen,
und das Management ist symptomatisch. Vorbeugung
ist offensichtlich der beste Weg, die Prävalenz und die
Schwere von elektrischen Verletzungen zu minimieren.
Zusammenfassung
•Die in diesem Kapitel beschriebenen
Bedingungen sind verantwortlich für eine große
Anzahl an Kreislaufstillständen bei jüngeren
Patienten.
•Verwenden Sie das ABCDE-Schema zur frühen
Erkennung und Behandlung.
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156 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Die Versorgung nach
der Wiederbelebung
14
KAPITEL
Lernziele
■ Die Behandlung des Patienten endet nicht mit
dem Wiedererlangen eines spontanen Kreislaufs.
■ Patientenüberwachung und Untersuchungen.
■ Planung und Durchführung des sicheren
Transports.
■ Sicherstellung der optimalen Organfunktionen
nach einem Kreislaufstillstand.
■ Wertigkeit und Einschränkungen der
Prognoseerstellung nach dem Kreislaufstillstand.
Einleitung
Das Wiedererlangen eines spontanen Kreislaufs (Return
Of Spontaneous Circulation = ROSC) ist ein wichtiges Ziel
einer Reanimation. Der nächste wichtige Schritt ist die
Wiederherstellung einer normalen zerebralen Funktion
und der Erhalt eines stabilen Herzrhythmus und einer
normalen Hämodynamik. Dies erfordert eine an den
jeweiligen Patienten angepasste Therapie. Die Qualität
der Behandlung in der Postreanimationsphase beeinflusst
wesentlich das Outcome des Patienten. Die weitere
Versorgung nach Wiederbelebung ist so bedeutsam, dass
sie als letztes Glied der Rettungskette eingefügt wurde.
Die Phase der Versorgung nach der Wiederbelebung
beginnt bereits an jenem Ort, an dem ein stabiler
Kreislauf wiederhergestellt wurde. Nach der Stabilisierung
muss der Patient jedoch zur weiteren Beobachtung und
Therapie an eine geeignete Abteilung (Intensivstation
– ICU oder kardiologische Überwachungsstation) verlegt
werden.
Fortsetzung der
Therapiemaßnahmen
Der am ABCDE- System (Airway-Breathing-CirculationDisabilitiy-Exposure) orientierte Behandlungszugang
sollte in der Post-Reanimations-Phase bis zur Übergabe
an eine geeignete Abteilung (ICU) weitergeführt werden.
Atemweg und Atmung
Ziel: Sicherung des freien Atemweges, ausreichende
Oxygenierung und Ventilation.
Patienten mit einem kurz dauernden Kreislaufstillstand,
die sofort auf die eingeleitete Behandlung ansprechen
(z.B. beobachtetes Kammerflimmern, das durch
eine frühe Defibrillation in einen Sinusrhythmus
European Resuscitation Council
konvertiert wurde), können sofort wieder eine normale
Hirnfunktion erreichen. Diese Patienten benötigen keine
endotracheale Intubation und Beatmung, sollten aber
trotzdem Sauerstoff über eine Maske oder Sauerstoffbrille
erhalten. Hypoxie oder Hyperkapnie erhöhen die
Wahrscheinlichkeit eines weiteren Kreislaufstillstandes
und können zu einer sekundären Gehirnschädigung
beitragen. Bei Patienten mit eingeschränkter
Bewusstseinslage sollte man eine Intubation mit
Sedierung und kontrollierter Beatmung in Erwägung
ziehen. Eine Hypokapnie durch Hyperventilation nach
dem Kreislaufstillstand kann zu einer Ischämie des
Gehirns führen. Wenn auch keine Daten bei Patienten
nach einem Kreislaufstillstand vorliegen, die einen
bestimmten Zielwert des pCO2 favorisieren, erscheint
es jedoch sinnvoll einen normalen Wert des pCO2 (40
mmHg) anzustreben und diesen mittels Kapnometrie
(end-expiratorisches CO2 in der Ausatemluft) und
arterieller Blutgas-Bestimmung zu überwachen.
Die angebotene Sauerstoffkonzentration sollte
entsprechend angepasst werden, um eine ausreichende
Sauerstoffsättigung zu erreichen.
Der Brustkorb des Patienten sollte in Hinblick auf
symmetrische Brustwandbewegungen untersucht
werden. Zusätzlich sollte der Brustkorb abgehört
werden, um sicher zu gehen, dass die Atemgeräusche
beiderseits hörbar sind. Ein zu weit eingeführter
Endotrachealtubus neigt dazu mit der distalen Öffnung
im rechten Hauptbronchus zu liegen. Es wird dann
die linke Lunge nicht mehr beatmet. Wenn während
der Herzdruckmassage Rippen gebrochen wurden,
kann es zu einer instabilen Thoraxwand oder einem
Pneumothorax kommen (verminderte oder fehlende
Atemgeräusche auf der Seite des Pneumothorax). Beim
Abhören sollte auf Anzeichen eines Lungenödems
oder auf Hinweise für eine Aspiration von Mageninhalt
geachtet werden. Eine Magensonde zu Entlastung sollte
eingeführt werden. Dies führt auch zu einer Reduktion
eines Zwerchfellhochstandes (durch Überblähung des
Magens bei Mund-zu-Mund- oder Masken-Beatmung)
und Ableitung von angesammeltem Mageninhalt.
Bei einem intubierten Patienten, der nach einem ROSC
zügig das Bewusstsein wiedererlangt und spontan
atmet, kann die Extubation notwendig werden. Durch
Husten bei liegendem Tubus wird die KatecholaminAusschüttung des Patienten deutlich gesteigert. Dies
kann Arrhythmien und/oder eine Hypertonie hervorrufen.
Vor und nach der Extubation soll dem Patienten eine
hohe Sauerstoffkonzentration zugeführt werden.
Eine leistungsstarke Absaugung mit großlumigen
Saugkathetern sollte ebenfalls zur Verfügung stehen.
Falls eine Extubation nicht möglich ist (unzureichende
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 157
KAP
14
Kapitel 14 Die Versorgung nach der Wiederbelebung
Oxygenierung, Bewusstseinslage), sollte der Patient
sediert werden, um eine Toleranz des Endotrachealtubus
und der Beatmung zu ermöglichen.
Kreislauf
Ziel: Aufrechterhaltung eines normalen
Sinusrhythmus und einer ausreichenden kardialen
Pumpleistung, die für die Durchblutung der
lebenswichtigen Organe notwendig ist.
Sehr oft sind nach einem Kreislaufstillstand der
Herzrhythmus und die hämodynamische Funktion
instabil. Eine kontinuierliche Überwachung des
EKG ist daher notwendig. Es sollte auf Anzeichen
einer Herzinsuffizienz geachtet werden. Puls- und
Blutdruckwerte, sowie periphere Durchblutung
sollten aufgezeichnet werden. Warme, rosige Finger
mit rascher Kapillarfüllung zeigen eine ausreichende
Durchblutung an. Patienten mit gestauten Halsvenen
in halbaufrechter Position (Oberkörperhochlage)
lassen ein Rechtsherzversagen vermuten, dies
könnte jedoch auch auf eine Perikardtamponade
hinweisen. Ein Linksherzversagen mit Lungenödem
wird beim Abhören durch fein- oder grobblasige
Rasselgeräusche beim Einatmen und/oder durch
blassroten schaumigen Auswurf angezeigt. Der
rechte und linke Herzfüllungsdruck sollte optimiert
werden, dies kann durch die Messung des zentralen
Venendruckes gesteuert werden. Auf der Intensivstation
kann dazu auch der Einsatz von nichtinvasiven Geräten
zur Messung des Herzzeitvolumens hilfreich sein. Um
den rechts-ventrikulären Füllungsdruck zu erhöhen
kann einerseits eine Flüssigkeitsinfusion erforderlich
sein. Andererseits können harntreibende Mittel und
gefäßerweiternde Substanzen notwendig sein, um ein
linksseitiges Herzversagen zu behandeln. Eine frühe
Echokardiographie kann bei der Steuerung der Therapie
günstig sein.
Ein 12-Ableitungs-EKG sollte so früh wie möglich
angefertigt werden. Bei akuten ST-Hebungen oder einem
neu aufgetretenen Linksschenkelblock und typischer
Klinik eines akuten Herzinfarkts sollte eine rasche
Wiedereröffnung des verschlossenen Herzkranzgefäßes
angestrebt werden. Dies kann entweder mit Thrombolyse
oder Ballondehnung (PTCA) erfolgen (siehe auch Kapitel
3).
Suche nach Ursachen des
Kreislaufstillstands und Beurteilung der
Neurologie
Ziel: Erfassung des neurologischen Status und
Ausschluss internistischer oder chirurgischer
Ursachen des Kreislaufstillstandes, die eine sofortige
Behandlung erfordern.
Obwohl ein Kreislaufstillstand häufig durch primäre
Herzerkrankungen verursacht ist, müssen andere
158 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
auslösende Umstände ausgeschlossen werden, ganz
besonders bei Patienten, die den Kreislaufstillstand
im Krankenhaus erleiden (z.B. durch einen massiven
Blutverlust, Ateminsuffizienz). Daher sollte eine
Untersuchung aller wichtigen Organsysteme
durchgeführt werden, um die weitere Behandlung
entsprechend anpassen zu können. Um einen kompletten
Status des Patienten zu erheben, kann es notwendig sein,
den Patienten vollständig zu entkleiden.
Obwohl es vielleicht keine unmittelbare Konsequenz
für die Behandlung des Patienten hat, sollte ein rascher
neurologischer Status erhoben und der Glasgow-KomaSkala Wert dokumentiert werden (Tabelle 14.1). Das
maximal erreichbare Punktzahl beträgt 15, die minimal
erreichbare 3.
Augen öffnen
spontan
auf Ansprache
auf Schmerzreiz
kein
4
3
2
1
Verbale Antwort
orientiert
verwirrt
inadäquate Antwort
unverständliche Laute
keine
5
4
3
2
1
Beste motorische Antwort auf Aufforderung
lokalisiert Schmerzreiz
Wegziehen auf Schmerz pathologische Beugung Strecken auf Schmerz
keine
6
5
4
3
2
1
Tabelle 14.1 Die Glasgow Koma Skala
Weitere Untersuchungen
Anamnese
Ziel: Feststellung des Gesundheitszustandes des
Patienten und die Erfassung der regelmäßigen
Medikamententherapie vor dem Kreislaufstillstand
Man sollte sich so schnell als möglich einen umfassenden
Überblick über die Vorerkrankungen verschaffen.
Personen, die direkt vor dem Kreislaufstillstand an der
Pflege des Patienten beteiligt waren, können wertvolle
Informationen beisteuern (z.B. Rettungsdienst, Hausarzt,
Verwandte etc.). Man sollte besonders nach Anzeichen
einer Herzerkrankung suchen. Falls keine ausreichenden
Hinweise auf eine primäre Herzerkrankung hindeuten,
sollte man andere Ursachen eines Kreislaufstillstandes in
Erwägung ziehen (z.B. Medikamenten-Überdosierung,
Subarachnoidalblutung). Jede zeitliche Verzögerung des
Beginns der Wiederbelebungsmaßnahmen, sowie die
Dauer der Wiederbelebung sollten notiert werden, da
European Resuscitation Council
dies von prognostischer Bedeutung ist.
Monitoring
Ziel: Kontinuierliche Erfassung der Vitalparameter mit
der Möglichkeit Trends zu erfassen.
Eine kontinuierliche Überwachung des EKG, des
arteriellen und möglicherweise zentralvenösen
Blutdrucks, der Atemfrequenz, der Pulsoximetrie,
der Kapnographie, der Körperkerntemperatur
und der Harnausscheidung ist notwendig, um
Veränderungen während der instabilen Phase nach
einem Kreislaufstillstand zu erfassen. Die Auswirkungen
der medizinischen Interventionen (z.B. mechanische
Beatmung, diuretische Therapie etc.) sollten dauernd
kontrolliert werden.
Apparative Diagnostik
Direkt nach einem Kreislaufstillstand kann eine Vielzahl
physiologischer Parameter verändert sein, weswegen
biochemische und kardiologische Untersuchungen rasch
durchgeführt werden sollten (Tabelle 14.2).
Arterielle Blutgasanalyse
Hinweise zur Interpretation von arteriellen Blutgasen
finden sich am Ende des Kapitels.
Die Mangeldurchblutung während des Kreislaufstillstands
führt normalerweise zu einer metabolischen Azidose
(Anstieg der Plasma H+-Konzentration), mit niedrigen
pH-Wert (Azidämie), niedrigem Bikarbonat und
einem Basendefizit. Die Geschwindigkeit, mit der sich
die Azidose in der Phase nach der Wiederbelebung
normalisiert, zeigt die Wiederherstellung einer normalen
Gewebedurchblutung an. Die effektivste Art, eine
Azidämie zu beseitigen, ist die zugrundeliegenden
Ursachen zu behandeln. Zum Beispiel wird eine schlechte
periphere Durchblutung besser durch die Verabreichung
von Flüssigkeit und inotroper Substanzen behandelt, als
durch die Verabreichung von Puffer-Lösungen.
Die normale physiologische Antwort auf eine
metabolische Azidose ist eine Reduktion des PaCO2
durch eine Steigerung der Atemtätigkeit (respiratorische
Kompensation). Beim spontan atmenden Patienten
kann dies unter Umständen nicht ausreichend
möglich sein, wenn die Ventilation durch Sedativa,
eine reduzierte Bewusstseinslage oder durch eine
ausgeprägte Lungenerkrankung eingeschränkt ist. In
solchen Fällen kann der PaCO2 sogar ansteigen, was zu
einer kombinierten respiratorischen und metabolischen
Azidose mit einer erheblichen Azidämie führt.
Paradoxerweise kann die Verabreichung von Bikarbonat
zu einer Verstärkung der intrazellulären Azidose führen,
da es innerhalb der Zelle zu CO2 und freien H+-Ionen
gespalten wird. Indikationen für Bikarbonat sind jedoch
weiterhin der Kreislaufstillstand verbunden mit einer
Hyperkaliämie oder einer Überdosierung mit trizyklischen
Antidepressiva.
European Resuscitation Council
KOMPLETTES BLUTBILD
Ausschluss einer Anämie als zusätzlicher Faktor
einer Myokard-Ischämie und Dokumentation
eines Ausgangswerts
KLINISCHE CHEMIE
Erfassung der Nierenfunktion
Erfassung der Elektrolyt-Werte (K+, Mg 2+, und
Ca 2+)*
Kontrolle des Blutzuckers
Beginn serieller Herz-Enzym- und TroponinBestimmungen
Dokumentation eines Ausgangswerts
12-KANAL-EKG
Dokumentation des Herzrhythmus**
Hinweis auf ein akutes Koronarsyndrom
Hinweis auf einen alten Myokardinfarkt
Dokumentation eines Aufnahme-EKGs
RÖNTGEN-THORAX
Lageüberprüfung des Endotracheal-Tubus,
der Magensonde und/oder des zentralen
Venenkatheters
Hinweis auf ein Lungenödem
Hinweis auf eine Aspiration
Ausschluss eines Pneumothorax
Beurteilung von Größe und Form des Herzens (die
exakte Beurteilung der Herzgröße ist nur in einem
stehend aufgenommen p.a. Röntgenbild möglich
– dies ist nach einer Wiederbelebung oft nicht
durchführbar)
ARTERIELLE BLUTGASE
Sicherung einer ausreichenden Beatmung und
Oxygenierung,
Um Störungen des Säure/Basen-Haushalts
auszugleichen
ECHOKARDIOGRAPHIE
Bei entsprechenden Patienten:
Zur Suche nach den Ursachen des
Kreislaufstillstands
Beurteilung der Form und Funktion des re. und li.
Ventrikels.
Table 14.2 Investigations after restoration of
circulation
*Typischerweise tritt nach dem Herzkreislaufstillstand
eine hyperkaliämische Phase auf. Andererseits begünstigt
die endogene Katecholamin-Ausschüttung den KaliumEinstrom in die Zellen, so dass eine Hypokaliämie
auftreten kann. Eine Hypokaliämie kann zu ventrikulären
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 159
KAP
14
Kapitel 14 Die Versorgung nach der Wiederbelebung
Arrhythmien führen. Kalium sollte zugeführt werden,
um den Kalium-Spiegel im Bereich von 4.0-4.5 mmol/l zu
halten.
**Normaler Sinusrhythmus wird für eine optimale
kardiale Funktion benötigt. Die Vorhofkontraktion
hat einen großen Anteil an der ventrikulären Füllung,
besonders bei kardialen Erkrankungen und KlappenFunktionsstörungen. Der Verlust der synchronisierten
Kontraktionen von Vorhof und Kammer bei
Sinusrhythmus kann das Herzminutenvolumen erheblich
reduzieren.
Die Verlegung des Patienten
Ziel: Planung und Durchführung eines sicheren
Patienten-Transportes vom Ort der Wiederbelebung
zu einer geeigneten Behandlungseinheit.
Nach der unmittelbaren Post-Reanimationsphase
und Stabilisierung, sollte der Patient an eine
geeignete intensivmedizinische Behandlungseinheit
(z.B. Intensivstation oder kardiologische
Überwachungsstation) transferiert werden. Die
Entscheidung, den Patienten zu verlegen, sollte nur in
Absprache mit der aufnehmenden Station und den dort
verantwortlichen Mitarbeitern getroffen werden. Die
begonnene Überwachung sollte während des Transports
weitergeführt werden, und alle Kanülen, Katheter,
Sonden und Drainagen müssen sorgfältig fixiert und
gesichert sein. Unmittelbar vor der Verlegung wird der
Patient noch einmal vollständig untersucht. Eine tragbare
Absaugpumpe, eine mobile Sauerstoffversorgung, und
ein Defibrillator/Monitor müssen dem Transport-Team zur
Verfügung stehen.
Die Mitglieder des Transport-Teams sollten in der
Lage sein, den Patienten zu überwachen und auf jede
Veränderung des Zustands entsprechend zu reagieren,
einschließlich der Durchführung einer erneuten
Reanimation. Entsprechende Leitlinien wurden von
den jeweiligen Fachgesellschaften veröffentlicht. Eine
aktuelle Leitlinie der amerikanischen Society of Critical
Care Medicine findet sich unter der Homepage der
deutschen Interdisziplinäre Vereinigung für Intensivund Notfallmedizin (DIVI; http://www.divi-org.de).
Diese Leitlinie listet die erforderlichen Materialien
und personellen Qualifikationen auf, die für einen
Intensivtransport notwendig sind.
Die Optimierung der
Organfunktionen
Ziel: Optimierung der Funktion lebenswichtiger
Organe und Reduktion sekundärer Organschäden.
Das Ausmaß der sekundären Organschäden nach
Wiedererlangen eines spontanen Kreislaufs ist abhängig
von der Fähigkeit des kardiovaskulären Systems,
sauerstoffangereichertes Blut bereitzustellen. Hier
160 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
bieten sich Behandlungsmöglichkeiten, die einer
Organschädigung nach einem Kreislaufstillstand
entgegenwirken können.
Herz und kardiovaskuläres System
Hämodynamische Instabilität tritt häufig nach
einem Kreislaufstillstand auf und präsentiert sich
als Hypotension, niedriges Herzminutenvolumen
und Neigung zu Arrhythmien. Die myokardiale
Funktionsstörung nach dem Kreislaufstillstand ist
teilweise durch einen Reperfusions-Schaden verursacht
und bildet sich üblicherweise innerhalb von 24-48
Stunden zurück. Die Phase nach der Reanimation ist auch
durch einen ausgeprägten Anstieg von Plasma-Zytokinen
gekennzeichnet, die sich als Sepsis-Ähnliches-Syndrom
mit vielzähligen Organstörungen äußert.
An der Intensivstation sollte ein arterieller Katheter
zur kontinuierlichen invasiven Blutdruckkontrolle
gelegt werden. Eine nicht-invasive Messung des
Herzzeitvolumens kann ebenfalls hilfreich sein. Es gibt
nur wenige randomisierte Studien, die den Einfluss des
Blutdrucks auf das weitere Überleben untersucht haben.
Da endgültige Ergebnisse noch ausstehen, sollte der
arterielle Blutdruck in einem Bereich gehalten werden,
der eine adäquate Harnausscheidung gewährleistet.
Dabei sollte auf den üblichen Blutdruck des Patienten
Rücksicht genommen werden.
Implantation eines automatischen internen
Defibrillators (ICD)
Die Implantation eines automatischen internen
Defibrillators (ICD) sollte bei allen Patienten nach einem
Kreislaufstillstand mit einem schockbaren Rhythmus
erwogen werden. Ausgenommen sind Patienten, bei
denen dies im Zusammenhang mit einem akuten STHebungs-Herzinfarkt aufgetreten war. Diese Patienten
sollten vor der Entlassung einem Kardiologen mit
entsprechenden Kenntnissen in Rhythmologie vorgestellt
werden (siehe Kapitel 11).
Das Gehirn: Optimierung der
neurologischen Erholung
Durchblutung des Gehirns
Unmittelbar nach dem Wiedererlangen eines spontanen
Kreislaufs folgt eine Phase der vermehrten zerebralen
Durchblutung. Nach weiteren 15-30 Minuten verringert
sich jedoch der globale zerebrale Blutfluss wieder und
wechselt in eine generalisierte Mangeldurchblutung.
Die Selbstregulierung der zerebralen Blutgefässe geht
verloren, wodurch die zerebrale Durchblutung jetzt
unmittelbar vom arteriellen Mitteldruck abhängig
ist. Unter diesen Umständen führt jede Hypotonie
zu einer Reduktion des zerebralen Blutflusses und zu
einer Verschlimmerung des neurologischen Schadens.
Daher sollte nach dem Wiedererlangen eines spontanen
Kreislaufs der arterielle Mitteldruck innerhalb der für den
European Resuscitation Council
Patienten üblichen Grenzen gehalten werden.
Sedierung
Obwohl es üblich ist Patienten bis zu 24 Stunden nach
Wiedererlangen eines spontanen Kreislaufs zu sedieren
und zu beatmen, gibt es keine Daten, die eine bestimmte
Zeitdauer der Beatmung, Sedierung und Relaxierung
nach dem Kreislaufstillstand unterstützen. Die Dauer der
Sedierung und Beatmung kann durch die Verwendung
therapeutischer Hypothermie (siehe unten) beeinflusst
werden. Ob die Art der Sedierung das Outcome
beeinflusst ist nicht bekannt. Kurzwirksame Medikamente
(z.B. Propofol, Alfentanil, Remifentanil) ermöglichen
jedoch eine frühere neurologische Beurteilung.
Kontrolle von Krampfanfällen
Bei insgesamt 5-15% der erwachsenen Patienten mit
Wiedererlangen eines spontanen Kreislaufs (ROSC) und
bei ungefähr 40% der komatös bleibenden Patienten
kommt es zu zerebralen Krampfanfällen und/oder einem
Myoklonus. Krampfanfälle erhöhen den zerebralen
Stoffwechsel um das Vierfache. Anhaltende Anfälle
können zu einer Gehirnschädigung führen und sollten
mit Benzodiazepinen, Phenytoin, Propofol oder
einem Barbiturat kontrolliert werden. Jedes dieser
Medikamente kann eine Blutdrucksenkung verursachen,
die entsprechend behandelt werden muss. Anfälle
und Myoklonus alleine stehen in keinem besonderen
Zusammenhang mit einem schlechten neurologischen
Ergebnis, jedoch sind der Status epilepticus und ganz
besonders der Status myoklonus mit schlechtem
Outcome vergesellschaftet.
Kontrolle der Körpertemperatur
Therapie von Fieber
Fieber tritt häufig in den ersten 48 Stunden nach einem
Kreislaufstillstand auf. Das Risiko eines schlechten
neurologischen Ergebnisses erhöht sich mit jedem Grad,
um welches die Körpertemperatur über 37°C ansteigt.
Fieber, das in den ersten 72 Stunden nach einem
Kreislaufstillstand auftritt, sollte mit fiebersenkenden
Medikamenten oder aktiver Kühlung behandelt werden.
Therapeutische Hypothermie
Milde Hypothermie scheint eine Vielzahl von chemischen
Reaktionen zu unterdrücken, die zu einem ReperfusionsSchaden führen können. Diese Reaktionen beinhalten
die Produktion von freien Radikalen, Freisetzung von
exzitatorischen Aminosäuren und Kalziumeinstrom. Dies
führt in weiterer Folge zu mitochondrialem Schaden und
Apoptose (programmierter Zelltod). Zwei randomisierte
klinische Studien zeigten eine Verbesserung des
neurologischen Ergebnisses bei komatösen, erwachsenen
Überlebenden eines außerhalb des Krankenhauses
aufgetretenen Kreislaufstillstandes, die innerhalb
von Minuten bis Stunden nach Wiedererlangen eines
spontanen Kreislaufs gekühlt wurden. Der primäre
Rhythmus bei diesen Patienten war Kammerflimmern und
sie wurden auf 32-34°C über 12-24 Stunden abgekühlt.
Eine kleinere Studie zeigte einen Trend zur Verbesserung
des neurologischen Ergebnisses auch bei Patienten
European Resuscitation Council
nach einem nicht durch Kammerflimmern verursachten
Kreislaufstillstand.
Nicht-invasive und/oder invasive Kühlmethoden können
verwendet werden um die Patienten abzukühlen. Eine
Infusion mit 30 ml/kg 4°C kalter Vollelektrolytlösung, die
innerhalb von 30 Minuten infundiert wurde, reduzierte
die Körpertemperatur in einer Studie um 1,5°C.
Intravaskuläre Kühlgeräte mit Temperatur-FeedbackSteuerung ermöglichen eine genauere Kontrolle der
Kerntemperatur als die bisher verfügbaren OberflächenKühlmethoden, aber es ist noch nicht klar, ob dies das
neurologische Ergebnis weiter verbessern kann.
Mögliche Komplikationen milder therapeutischer
Hypothermie sind eine höhere Rate von Infektionen,
kardiovaskuläre Instabilität, Gerinnungsstörungen,
Hyperglykämie oder Elektrolytstörungen wie
Hypophosphatämie oder Hypomagnesiämie.
Bewusstlose erwachsene Patienten mit spontanem
Kreislauf nach einem durch Kammerflimmern
verursachten außerklinischen Kreislaufstillstand sollten
auf 32-34°C gekühlt werden. Die Kühlungsbehandlung
sollte sobald wie möglich begonnen werden und
zumindest 12 bis 24 Stunden fortgeführt werden. Diese
Therapie ist möglicherweise ebenso vorteilhaft bei
Patienten, die den Kreislaufstillstand im Krankenhaus
erlitten hatten und bei Patienten mit nicht-schockbaren
Herzrhythmen. Lokale Richtlinien an den betreuenden
Intensivstationen sollten festlegen, welche Patienten
dann jeweils gekühlt werden sollten. Es besteht derzeit
jedoch Übereinstimmung, dass Patienten mit schweren
systemischen Infektionen, multiplen Organausfällen und
schwerem kardiogenen Schock nicht gekühlt werden
sollten. Kältezittern kann durch eine adäquate Sedierung
und die Gabe von muskelrelaxierenden Medikamenten
verhindert werden. Eine Bolusgabe der relaxierenden
Medikamente ist üblicherweise ausreichend, in einigen
Fällen kann aber eine Dauerinfusion notwendig sein. Die
Wiedererwärmung des Patienten sollte langsam (0,250,5°C/h) erfolgen und Fieber sollte dabei vermieden
werden. Die optimale Zieltemperatur, Kühlrate,
Dauer der Hypothermie und die optimale Rate der
Wiedererwärmung müssen noch bestimmt werden.
Andere unterstützende Therapien
Kontrolle des Blutzuckers
Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen hohen
Blutzuckerwerten nach der Wiederbelebung und
einem schlechten neurologischen Ergebnis. Eine enge
Kontrolle des Blutzuckerwertes (4,4 – 6,1 mmol/l; 80
– 110 mg/dl) mittels Insulin reduziert die KrankenhausSterblichkeit bei Intensivpatienten. Für Patienten nach
einem Kreislaufstillstand wurde dies jedoch noch nicht
direkt nachgewiesen. Der Effekt wird eher durch die
strikte Blutzuckerkontrolle als durch die verabreichte
Insulindosis bewirkt. Es gibt derzeit jedoch noch keine
randomisierten klinischen Studien, die die Auswirkungen
einer strikten Blutzuckerkontrolle bei Patienten nach
einem Kreislaufstillstand untersucht haben.
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 161
KAP
14
Kapitel 14 Die Versorgung nach der Wiederbelebung
Der optimale Zielblutzuckerwert bei kritisch kranken
Patienten konnte bis jetzt noch nicht festgelegt werden.
Bei komatösen Patienten besteht ein besonderes Risiko
einer unerkannten Hypoglykämie und das Risiko dieser
Komplikation steigt je niedriger der Zielblutzuckerwert
gewählt wird.
Patienten zeigt ein Fehlen der Pupillenreaktion auf
Licht und das Fehlen einer motorischen Antwort auf
Schmerzreize am dritten Tag mit sehr hoher Spezifität
ein schlechtes Ergebnis (Tod oder Wachkoma) an. Die
Patienten dürfen dabei jedoch nicht unter dem Einfluss
von sedierenden Medikamenten stehen.
Wie bei allen anderen Intensivpatienten sollte auch
bei Patienten nach einem Kreislaufstillstand, die auf
einer Intensivstation aufgenommen wurden, eine
häufige Kontrolle des Blutzuckerwertes vorgenommen
und hohe Werte mit Insulin behandelt werden. Die
Blutzuckerkonzentration die eine Insulintherapie
erfordert und der Blutzucker-Zielwert sollte den lokalen
Gegebenheiten auf der Intensivstation jeweils angepasst
werden.
Biochemische Tests
Prognosebeurteilung
Ziel: Zum frühestmöglichen Zeitpunkt jene Patienten
nach einem Kreislaufstillstand zu identifizieren, die
trotz Rückkehr eines spontanen Kreislaufs, nicht
überleben werden.
Von 22.105 Patienten, die nach einem Kreislaufstillstand
in Großbritannien auf Intensivstationen aufgenommen
wurden, konnten 9.974 (45%) von der Intensivstation
entlassen werden und 6353 (30%) Patienten konnten
lebend aus dem Krankenhaus entlassen werden [Daten
des Intensive Care National Audit and Research Centre
(ICNARC), London, Dezember 1995 – Oktober 2004].
Sobald ein stabiler Kreislauf mit einem ausreichenden
Herzminutenvolumen wieder hergestellt wurde,
bestimmt hauptsächlich das Ausmaß der Schädigung
des Gehirns das weitere Überleben. Von den Patienten,
die nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand außerhalb des
Krankenhauses auf einer Intensivstation versterben,
sterben zwei Drittel aufgrund der neurologischen
Schädigung. Bei Patienten, die nach einem HerzKreislauf-Stillstand innerhalb des Krankenhauses auf
einer Intensivstation aufgenommen werden, versterben
ein Viertel der Patienten aufgrund der neurologischen
Schädigung.
Zur Prognosebeurteilung wären Tests nötig, die eine
Vorhersage des individuellen neurologischen Ergebnisses
bei Patienten unmittelbar nach Wiedererlangung des
spontanen Kreislaufs ermöglichen. Solche PrognoseTests müssten eine 100-prozentige Spezifität besitzen.
Das heißt, der Test darf kein schlechtes Ergebnis bei
einem Patienten voraussagen, der dann doch noch eine
zufriedenstellende Lebensqualität erreicht.
Klinische Tests
Es gibt keine neurologischen Untersuchungsbefunde
in den ersten Stunden nach Wiedererlangen eines
spontanen Kreislaufs, die das weitere Ergebnis
vorhersagen können. Von komatösen Patienten nach
einem Kreislaufstillstand, die keine Chance auf eine
neurologische Erholung haben, versterben 50 %
innerhalb von 3 Tagen. Bei den verbleibenden komatösen
162 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Die Bestimmung von Neuronen-spezifischer-Enolase
(NSE) und Protein S-100b im Serum können hilfreich
sein, um das neurologische Ergebnis nach einem
Kreislaufstillstand abzuschätzen. Allerdings ist die
Streuung der Werte in den bis jetzt durchgeführten
Studien breit und in vielen Studien wird die
Wiedererlangung des Bewusstseins mit einem „guten“
Ergebnis gleichgesetzt (ohne genauere Angaben der
Funktion).
Elektrophysiologische Tests
Somatosensorisch evozierte Potentiale des Nervus
medianus bei normothermen Patienten, die für zumindest
72 Stunden bewusstlos waren, zeigen ein schlechtes
neurologisches Ergebnis mit 100-prozentiger Spezifität
an. Ein beidseitiger Verlust der N20-Komponente der
evozierten Potentiale in komatösen Patienten, verursacht
durch Hypoxie oder Kreislaufstillstand, führt immer zu
einem schlechten neurologischen Ergebnis.
Das Elektroenzephalogramm (EEG) hat nur geringen
prognostischen Wert, wenn es innerhalb von 24
– 48 Stunden nach Wiedererlangen eines spontanen
Kreislaufs abgeleitet wird. Ein normales oder beträchtlich
abnormales EEG kann das neurologische Ergebnis
zuverlässig vorhersagen, aber ein EEG-Befund, der
zwischen diesen beiden Extremen liegt, ist für die
Vorhersage der Prognose nicht geeignet.
Betreuung des WiederbelebungsTeams
Alle Wiederbelebungsversuche sollten formal erfasst
und ausgewertet werden. Die Daten sollten unter
Verwendung eines standardisierten Utstein-Protokolls
(Reanimationsprotokoll) aufgezeichnet werden, um
so einen Vergleich zwischen den verschiedenen
Institutionen zu erlauben (siehe Kapitel 17). Die
Nachbesprechung der Reanimation mit den TeamMitgliedern sollte in der Form einer positiven Kritik
erfolgen und nicht in einer Auseinandersetzung mit
Fehler- und Schuld-Zuweisungen enden. Unabhängig
davon, ob der Wiederbelebungsversuch erfolgreich
war oder nicht, brauchen die Angehörigen des
Patienten erhebliche psychologische Unterstützung.
Auch die seelsorgerischen Bedürfnisse aller an einer
Wiederbelebung beteiligten Personen sollten nicht
vergessen werden.
European Resuscitation Council
Säure-Basen-Haushalt:
Interpretation von Blutgas-Werten
Wenn ein stabiler Kreislauf nicht sofort wieder hergestellt
wird, kommt es durch den Kreislaufstillstand zu
erheblichen Störungen im Säure-Basen-Haushalt. Um
den Patienten optimal behandeln zu können, ist es
notwendig, Blutgas-Werte in der unmittelbaren Phase
nach einem Kreislaufstillstand beurteilen zu können.
pH
H+ (nmol l-1)
6.8
7.1
7.4
7.7
160
80
40
20
Tabelle 14.3 Beziehung zwischen pH und H+Konzentration
Um optimal zu funktionieren, brauchen zelluläre Enzyme
eine enge Kontrolle der biochemischen Bedingungen. Die
Konzentration der Wasserstoff-Ionen (H+) ist zwar gering,
aber entscheidend für die normale Enzymfunktion. Die
häufigen Ionen des Plasmas wie Natrium und Kalium
kommen in Konzentrationen von Millimol pro Liter
(mmol/l) vor. Die normale Plasma-Konzentration von H+
ist 40 Nanomol pro Liter (nmol/l). Die H+-Konzentration
wird aber meistens als pH-Wert angegeben. Dies ist der
negative Logarithmus der H+-Konzentration. Daher führt
die Verdoppelung oder Halbierung der H+-Konzentration
zu einer Abnahme oder Zunahme des pH-Wertes um ca.
0,3 (Tabelle 14.3). Der normale extrazelluläre pH-Wert ist
7,35 – 7,45.
Oxygen partial presure (kPa)
Abb. 14.1 Oxyhämoglobin-Dissoziations-Kurve
Säure-Basen-Störung
Respiratorische Azidose
Metabolische Azidose
Respiratorische Alkalose
Metabolische Alkalose
Respiratorische Azidose mit renaler
Kompensation
Metabolische Azidose mit respirator.
Kompensation
Respiratorische Alkalose mit renaler Kompensation
Metabolische Alkalose mit respiratorischer
Kompensation
Gemischte metabolische und respiratorische Azidose
Gemischte metabolische und respiratorische Alkalose
pH
PaCO2
HCO3N
N
N
N
*
*
*
*
KAP
14
*Bei fast vollständiger Kompensation kann der pH-Wert im Normalbereich sein
Überkompensation findet nicht statt.
Fett gekennzeichnete Störungen treten besonders häufig im Zusammenhang mit einem Kreislaufstillstand auf.
Tabelle 14.4 Zusammenfassung der Veränderungen des pH, PaCO2 and HCO3- bei Säure-Basen-Störungen
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 163
Kapitel 14 Die Versorgung nach der Wiederbelebung
Definitionen
Säure
Ein Protonen- oder H+-IonenDonator (Spender)
Base
Ein Protonen- oder H+-IonenAkzeptor (Empfänger)
Azidämie
BBlut pH-Wert unter 7,35.
Alkaliämiea
Blut pH-Wert über 7,45.
Azidose
Abnormer Prozess, der zu einer
Abnahme des pH-Wertes führt
Alkalose
Abnormer Prozess, der zu einer
Zunahme des pH-Wertes führt.
Gemischte
Störung
Kombination von 2 oder mehreren
Säure-Basen-Störungen.
Kompensation
Normale Körperfunktion, die den
Blut-pH-Wert wieder normalisiert
(z.B. respiratorisch oder renal).
Puffer
Eine Substanz, die der Wirkung
einer Säure oder Base auf den pHWert entgegenwirkt
FiO2
Anteil des eingeatmeten
Sauerstoffs. Die
Sauerstoffkonzentration ist
unabhängig von der Meereshöhe
und der FiO2 beträgt daher überall
0,21. Dies wird oft als Prozentsatz
angegeben, z.B. 21%
PaO2
Partialer Sauerstoffdruck in
arteriellem Blut. Der PaO2 gibt
nicht den Gesamtgehalt an
Sauerstoff an, sondern nur den
Druck gelöster O2-Moleküle.
Normale PaO2-Werte variieren mit
dem Alter. Im Alter von 20 Jahren
beträgt der normale PaO2 bei
Luftatmung 12,5 – 13,0 kPa (95
– 100 mmHg) und etwa 10.8 kPa
(80 mmHg) im Alter von 65 Jahren.
PaCO2
Partialer Druck von Kohlendioxid
in arteriellem Blut. (Normalwert
5.3 [4.7 – 6.0] kPa oder 40 [35 – 45]
mmHg)
SO2
Hämoglobinsättigung mit
Sauerstoff (SaO2-arteriell,
SvO2-venös, SpO2-peripher,
Pulsoxymeter)
HCO3 -
Bikarbonat-Konzentration
(Normalwert 24 [22 – 26] mmol/l)
BE
Basenüberschuss (base excess)
– die Menge von starker Säure
oder Base, die notwendig wäre
um einen pH-Wert von 7,4 wieder
herzustellen. Der Normalwert
beträgt ±2 mmol/l. Ein positiver
BE zeigt einen Überschuss an Base
(oder Mangel an Säure), während
ein negativer Wert einen Mangel
an Base (oder Überschuss an Säure)
anzeigt.
164 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
An example of a ‘normal’ arterial blood gas
analysis old from a 70 year patient is:
FiO2
0.21 (21%) = Luft
pH 7.39
PaCO2 5.2 kPa (39.2 mmHg)
PaO2
11.2 kPa (85 mmHg)
HCO3
24 mmol l
BE
-0.5 mmol/l
Oxygenierung
Die obere Grenze des arteriellen PO2 (PaO2) ist vom
alveolären PO2 (PAO2’) abhängig. Der arterielle PO2 ist
immer niedriger als der alveoläre PO2 und der Wert dieses
„alveolo-arteriellen-Sauerstoff-Gradienten“ nimmt bei
Lungenerkrankungen zu (schlechter funktionierende
Lungen reduzieren den Übertritt von Sauerstoff von
den Alveolen ins Blut). Der Unterschied zwischen dem
PO2 in der Einatemluft und dem arteriellen PO2 beträgt
etwa 10 kPa bei Gesunden. Auf Meeresniveau entspricht
1% O2 etwa 1 kPa. Daher sollte eine Person, die 21%
Sauerstoff atmet und über gesunde Lungen verfügt,
einen PO2 von über 11 kPa (80 mmHg) (d.h. 21-10 kPa =
11 kPa) erreichen. Beim Atmen von 50% Sauerstoff auf
Meeresniveau erzielen Personen ohne Lungenerkrankung
einen arteriellen PO2 von etwa 40 kPa (300 mmHg) (d.h.
50-10 kPa = 40 kPa).
Die Wiederherstellung einer adäquaten GewebeOxygenierung ist wesentlich. Eine Hypoxämie sollte
durch Erhöhung des FiO2, Sicherung der Atemwege
und ausreichende Beatmung behandelt werden. Es
sollte versucht werden eine Sauerstoff-Sättigung von
zumindest 92% zu erreichen (entspricht einem PaO2 von 8
- 9 kPa, 60 – 70 mmHg). Bei einigen Patienten, wie solchen
mit COPD oder unter lang andauernder Beatmung auf der
Intensivstation, kann eine niedrigere arterielle SauerstoffSättigung (88-89%) angemessen sein.
Wenn zusätzlich Sauerstoff gegeben wird (z.B. über eine
Maske), zeigt ein „normaler“ PaO2 nicht unbedingt eine
ausreichende Ventilation an. Auch eine geringe Erhöhung
des FiO2 kann eine Hypoxämie aufheben, die durch einen
hohen alveolären PCO2-Wert (Hypoventilation) verursacht
ist
Der Zusammenhang zwischen dem Sauerstoff Partialdruck und der prozentualen Sättigung
des Hämoglobins mit Sauerstoff wird durch die
Oxyhämoglobin-Dissoziations-Kurve dargestellt
(Abbildung 14.1). Diese Kurve hat eine Sigmoid-Form.
Der flache obere Teil der Kurve bedeutet, dass, wenn der
PaO2abnimmt, die Sauerstoffsättigung (SaO2) weitgehend
konstant gehalten wird. Ab einem PaO2 von etwa 8 kPa
(ca. SaO2 90%) kommt es aber bei weiterer Verringerung
zu einem abrupten Abfall der SaO2.
European Resuscitation Council
Puffer
Das Haupt-Puffer-System des Körpers beinhaltet
Bikarbonat, Proteine, Hämoglobin und Phosphat. Das
Bikarbonat-Puffer-System ist das bedeutendste und
wird durch die Henderson – Hasselbalch’sche Gleichung
beschrieben:
pH = 6.1 + log
[HCO3-]
PaCO2 x 0.03
(0,03 = Löslichkeits-Koeffizient von CO2 in mmol/mmHg)
Respiratorische und renale
Kompensation
Aus der Henderson – Hasselbalch’schen Gleichung ist
ersichtlich, dass ein Anstieg des PaCO2 zu einer Abnahme
des pH-Wertes und eine Abnahme des PaCO2 zu einer
Zunahme des pH-Wertes führen muss. Auf diese Weise
kann das respiratorische System den pH-Wert regulieren.
Wenn die metabolische Produktion des CO2 konstant
bleibt, ist der einzige Faktor, der den PaCO2 beeinflusst
die alveoläre Ventilation. Eine Zunahme der alveolären
Ventilation vermindert den PaCO2 und eine Abnahme
der alveolären Ventilation erhöht den PaCO2. Das
Atemzentrum im Hirnstamm reagiert sensibel auf die
H+-Konzentration und verändert entsprechend die
alveoläre Ventilation. Falls z.B. der pH-Wert absinkt, würde
unter normalen Umständen durch eine Zunahme der
Ventilation der pH-Wert wieder normalisiert werden. Dies
ist innerhalb weniger Minuten möglich.
Die Nieren regulieren den Säure-Basen-Haushalt durch
eine Änderung der H+-Ausscheidung relativ zur Filtration
von HCO3-. Deswegen scheiden die Nieren entweder
sauren oder alkalischen Harn aus. Die Reaktion der
Nieren ist langsam und die maximale Kapazität der H+Ausscheidung wird erst nach einigen Tagen erreicht.
Einteilung und Beurteilung der SäureBasen-Störungen
Die primäre Störung des Säure-Basen-Haushalts wird
durch den auslösenden Prozess definiert. Dieser kann
entweder metabolisch (Veränderungen des HCO3-) oder
respiratorisch (Veränderungen des PaCO2) verursacht sein.
Die Kompensation ist dann die sekundäre physiologische
Reaktion auf die primäre Störung. Eine Überkompensierung kommt nicht vor.
Respiratorisch
Metabolisch
Azidose
Alkalose
CO2
HCO3oder BE
CO2
HCO3oder BE
und die Plasma-Elektrolyt-Werte gemeinsam mit den
Blutgasen beurteilt werden.
Die 5-Schritt Methode zur Beurteilung
der Blutgas-Werte
1. Beurteilung der Oxygenierung
Ist der Patient hypoxisch?
Besteht ein signifikanter alveolo-arteriellerSauerstoff-Gradient?
2. Bestimmung des pH oder der H+-Konzentration
pH > 7,45 (H+ < 35 nmol/l) – Alkaliämie
pH < 7,35 (H+ > 45 nmol/l) – Azidämie
3. Bestimmung der respiratorischen Komponente
PaCO2 > 6.0 kPa (45 mmHg) – respiratorische
Azidose (oder respiratorische Kompensation einer metabolischen Alkalose)
PaCO2 < 4.7 kPa (35 mmHg) – respiratorische
Alkalose (oder respiratorische Kompensation einer metabolischen Azidose)
4. Bestimmung der metabolischen Komponente
HCO3- < 22 mmol/l – metabolische Azidose (
oder renale Kompensation einer respiratorischen Alkalose)
HCO3- > 26 mmol/l – metabolische Alkalose
(oder renale Kompensation einer respiratorischen Azidose)
Einige Ärzte verwenden lieber den BE anstatt des
HCO3-. Da die Veränderungen des einen Wertes
sich im anderen wiederspiegeln, ergibt sich kein
wesentlicher Unterschied zur Beurteilung der
klinischen Situation. Der Normalbereich des BE ist ± 2
mmol/l.
5. Kombination der Informationen aus Punkt 2 bis 4,
Bestimmung der primären Störung und ob eine
metabolische oder respiratorische Kompensation
existiert. Bei niedrigem pH-Wert (Azidämie) spricht
ein hoher PaCO2 für eine primäre respiratorische
Störung, während ein niedriger PaCO2 eine
respiratorische Kompensation einer primären
metabolischen Störung anzeigt. Bei hohem pH-Wert
(Alkaliämie), spricht ein niedriger PaCO2 für eine
primäre respiratorische Alkalose, während ein hoher
PaCO2 eine respiratorische Kompensation einer
primär metabolischen Alkalose anzeigt. Es gibt auch
gemischte Säure-Basen-Störungen. Zum Beispiel
führt eine Kombination aus respiratorischer und
metabolischer Azidose zu einer Azidämie oder eine
Kombination von respiratorischer und metabolischer
Alkalose zu einer Alkaliämie (Tabelle 14.4).
Wenn man respiratorische- und Säure-Basen-Störungen
beurteilen will, müssen die klinischen Gegebenheiten
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 165
KAP
14
Kapitel 14 Die Versorgung nach der Wiederbelebung
Zusammenfassung
•Die Rückkehr eines spontanen Kreislaufs nach
einem Kreislaufstillstand markiert nur die erste
Phase der Versorgung.
•Die Genesung des Patienten wird erheblich
durch die Qualität der Versorgung nach dem
eigentlichen Kreislaufstillstand beeinflusst.
•Patienten nach einem Kreislaufstillstand
benötigen eine entsprechende Überwachung,
eine sichere Verlegung an eine Intensiv-Einheit
und eine kontinuierliche Unterstützung der
lebenswichtigen Organfunktionen.
•Die Vorhersagequalität des neurologischen
Endstatus von komatös gebliebenen Patienten,
nach einem Kreislaufstillstand, ist weiterhin
unbefriedigend.
Weiterführende Literatur
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out-of-hospital cardiac arrest with induced hypothermia. N Engl J Med
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brain damage. Intensive Care Med 2001; 27: 1661-7.
166 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Ethische und rechtliche
Aspekte der Reanimation
15
Kapitel
Lernziele
■ Vorausverfügungen, Patiententestament.
■ Wann nicht mit Reanimationsversuchen
begonnen wird.
■ Wann Reanimationsversuche beendet werden.
■ Entscheidungen durch Nicht-Ärzte.
Im gesamten Kapitel umfasst der Begriff “Angehörige”
auch enge Freunde und wichtige andere Personen.
Einführung
Erfolgreiche Wiederbelebungsversuche haben vielen
Menschen eine nützliche und wertvolle Verlängerung
des Lebens gebracht. Die Anteile von Überlebenden
mit kompletter physiologischer Wiederherstellung
nach Kreislaufstillstand sind aber niedrig. Gelegentlich
haben Reanimationsversuche nur das Leiden und
den Sterbeprozess verlängert; in einigen Fällen hat
die Reanimation dazu geführt, dass der Patient im
persistierenden vegetativen Zustand geblieben ist. Die
Verlängerung des Lebens um jeden Preis stellt kein
angemessenes Ziel der Medizin dar.
Entscheidungen über Wiederbelebungsversuche
bedeuten für Patienten und Angehörige ein heikles und
potentiell belastendes Thema. Diese Entscheidungen
können durch individuelle, internationale wie lokale
kulturelle, rechtliche, ethische, traditionelle, religiöse,
soziale und ökonomische Faktoren beeinflusst werden.
Einige mental kompetente Patienten treffen die
Entscheidung, dass sie nicht behandelt werden wollen,
und drücken ihren Willen in einer Vorausverfügung
oder einem Patiententestament/ Patientenverfügung
aus. Es ist daher wichtig, dass in der Krankenversorgung
Tätige die in Frage kommenden Prinzipien kennen,
bevor sie einer Situation ausgesetzt werden, in der eine
Reanimationsentscheidung zu treffen ist.
auch, eine kardiopulmonale Reanimation zu unterlassen.
Gutes tun kann ebenfalls heißen, sich mit allgemeinen
Bedürfnissen in der Gemeinde zu befassen, z.B. ein Projekt
zur öffentlich verfügbaren Defibrillation zu etablieren.
Nicht schaden heißt, dass nichts Nachteiliges bewirkt
werden soll. So sollte eine Reanimation weder in
aussichtslosen Fällen versucht werden noch dann, wenn
der Wille des kompetenten Patienten dem entgegensteht.
Gerechtigkeit impliziert die Verpflichtung, Nutzen
und Risiken innerhalb einer Gesellschaft gleichmäßig
zu verteilen. Wenn die Reanimation als Maßnahme
angeboten wird, sollte sie im Rahmen der verfügbaren
Ressourcen allen zur Verfügung stehen, die davon
profitieren könnten.
Autonomie bezieht sich darauf, dass Patienten selbst
ihre eigenen informierten Entscheidungen treffen, statt
dass Ärzte oder Pflegende für sie entscheiden. Dieses
Prinzip wurde besonders während der letzten 30 Jahre
eingeführt, ausgehend von legislativen Akten wie der
Deklaration von Helsinki zu den Menschenrechten
und ihren nachfolgenden Modifikationen und
Ergänzungen. Autonomie verlangt, dass der Patient
angemessen aufgeklärt wird, dass er kompetent ist, frei
von unzulässigem Druck und dass seine Präferenzen
konsistent sind.
Vorausverfügungen
Vorausverfügungen sind in vielen Ländern eingeführt
worden, womit die Bedeutung der Patientenautonomie
betont wird. Eine Reanimation darf nicht begonnen
werden, wenn die CPR dem dokumentierten nachhaltigen
Willen einer erwachsenen Person entgegensteht, die zum
Zeitpunkt, als diese Vorausverfügung erlassen wurde,
mental kompetent und sich der Implikationen bewusst
war.
Die vier Schlüssel-Prinzipien sind: Verpflichtung zur
Fürsorge bzw. Gutes tun (beneficence), nicht schaden
bzw. Schadensvermeidung (non-maleficence),
Gerechtigkeit (justice) und Autonomie (autonomy).
Der Begriff Vorausverfügung bezieht sich auf jede
Äußerung der Präferenzen von Patienten. Eine Ablehnung
bedarf nicht der Schriftform, um gültig zu sein. Falls
Patienten eine klare und konsistente Ablehnung verbal
ausgedrückt haben, sollte dies denselben Status haben
wie eine schriftliche Vorausverfügung. Patienten sollten
sicherstellen, dass ihr Wille dem versorgenden Team
und den Angehörigen bekannt ist, damit er umgesetzt
werden kann.
Gutes tun impliziert, dass in der Krankenversorgung
Tätige einen Nutzen erzielen müssen, wenn sie Nutzen
und Risiken abwägen. Im Allgemeinen bedeutet dies, eine
Reanimation zu versuchen, aber gelegentlich meint es
Beim plötzlichen außerklinischen Kreislaufstillstand
kennen die Helfer gewöhnlich die Situation und den
Willen des Patienten nicht, und eine Vorausverfügung ist
häufig nicht gleich verfügbar. Unter diesen Umständen
Prinzipien
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 167
KAP
15
Kapitel 15 Ethische und rechtliche Aspekte der Reanimation
wird unverzüglich mit der Reanimation begonnen; Fragen
werden später gestellt. Es bedeutet ethisch kein Problem,
einen begonnen Reanimationsversuch abzubrechen,
falls den Helfern später eine gültige, die Therapie
begrenzende Vorausverfügung präsentiert wird.
Hinsichtlich der Haltung in der Medizin gegenüber
schriftlichen Vorausverfügungen gibt es international
noch eine erhebliche Streuung. In einigen Ländern wie
dem Vereinigten Königreich (UK) ist eine schriftliche
Vorausverfügung rechtlich bindend. Wenn keine explizite
Vorausverfügung getroffen wurde und der Wille des
Patienten nicht bekannt ist, sollte davon ausgegangen
werden, dass Helfer alle sinnvollen Bemühungen
unternehmen, den Patienten zu reanimieren.
Wann ein Reanimationsversuch
unterlassen werden soll
Obwohl Patienten das Recht haben, eine Behandlung
abzulehnen, haben sie nicht automatisch das Recht,
eine Behandlung zu verlangen; sie können nicht
darauf bestehen, dass eine Reanimation unter allen
Bedingungen zu versuchen ist. Ärzte können nicht zu
einer Behandlung verpflichtet werden, die ihrer klinischen
Einschätzung widerspricht. Diese Entscheidung ist häufig
komplex und sollte von älteren, erfahrenen Mitgliedern
des Behandlungsteams getroffen werden.
Die Entscheidung, auf einen Reanimationsversuch zu
verzichten, wirft einige ethische und moralische Fragen
auf. Was begründet Sinn- oder Aussichtslosigkeit? Was
genau wird unterlassen? Wer sollte entscheiden und wer
konsultiert werden? Wer sollte informiert werden?
Was begründet Sinnlosigkeit?
Sinnlosigkeit ist gegeben, wenn eine Reanimation
hinsichtlich der Verlängerung eines qualitativ akzeptablen
Lebens keinen Nutzen bringen wird. Prädiktoren für
das Nicht-Überleben nach Reanimationsversuch sind
zwar publiziert worden, aber keiner hat ausreichenden
prädiktiven Wert, wenn er auf eine unabhängige
Kontrollgruppe angewendet wird. Das Outcome in einer
Gruppe, in der Reanimationsversuche durchgeführt
wurden, hängt zudem von Systemfaktoren wie Zeit
bis CPR und Zeit bis Defibrillation ab. Es ist schwierig
vorherzusagen, wie diese Faktoren das individuelle
Outcome beeinflussen.
Unweigerlich müssen Beurteilungen getroffen werden,
und es wird Grauzonen geben, in denen bei Patienten
mit Begleiterkrankungen wie Herzinsuffizienz und
chronischer respiratorischer Beeinträchtigung, mit
Asphyxie, schwerem Trauma, Schädelverletzungen und
neurologischen Erkrankungen subjektive Meinungen
erforderlich sind. Das Alter des Patienten mag bei der
Entscheidung eine Rolle spielen, ist aber nur ein relativ
schwacher, unabhängiger Prädiktor für das Outcome;
dennoch liegen bei Älteren verbreitet bedeutende
168 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
Komorbiditäten vor, die das Outcome beeinflussen.
Was genau sollte unterlassen werden?
Kein Reanimationsversuch (Do not attempt
resuscitation – DNAR) heißt, dass im Falle eines Atemoder Kreislaufstillstandes keine CPR durchgeführt
werden sollte – DNAR bedeutet nur das. Andere
Behandlungen sollten fortgesetzt werden, besonders
zur Schmerzlinderung und Sedierung, falls erforderlich.
Ebenso werden Beatmung und Sauerstofftherapie,
Ernährung, Antibiotika, Flüssigkeit, Vasopressoren
etc. nach Indikation weitergeführt, wenn man davon
ausgeht, dass sie zur Lebensqualität beitragen. Falls nicht,
sollten Anweisungen, irgendeine dieser Therapien nicht
fortzusetzen oder nicht zu beginnen, unabhängig von
DNAR-Anweisungen spezifiziert werden.
Während DNAR-Anweisungen über viele Jahre in vielen
Ländern von einzelnen Ärzten geschrieben wurden,
häufig, ohne den Patienten, die Angehörigen oder
anderes Gesundheitspersonal zu konsultieren, gibt
es jetzt in vielen Ländern klare verfahrenstechnische
Anforderungen oder Richtlinien.
Wer sollte entscheiden, dass kein
Reanimationsversuch unternommen
wird, und wer sollte konsultiert werden?
Die Gesamtverantwortung für diese Entscheidung
bleibt dem erfahrensten Krankenhausarzt oder dem
behandelnden Hausarzt überlassen, nach angemessener
Konsultation anderer an der Versorgung des Patienten
beteiligter medizinischer Dienstleister. Menschen
haben ethische und legale Rechte, in Entscheidungen
einbezogen zu werden, die sie selbst angehen; dies sollte
mit dem Patienten diskutiert werden. Es hat sich bewährt,
auch Angehörige zu beteiligen, selbst wenn diese
hinsichtlich der aktuellen Entscheidung darauf keinen
Rechtsanspruch haben. Falls der Patient kompetent ist,
sollte seine Zustimmung eingeholt werden. Falls ein
kompetenter Patient sich weigert, der Weitergabe von
Informationen an Angehörige zuzustimmen, sollte dies
respektiert werden. Idealerweise werden Entscheidungen
im Voraus getroffen.
Entscheidungen von gesetzlichen Einrichtungen sind mit
Verzögerungen und Unsicherheiten behaftet, besonders
bei entgegenstehendem Rechtssystem, und sollten nur
herbeigeführt werden, falls zwischen den beteiligten
Parteien unüberbrückbare Gegensätze bestehen. In
besonders schwierigen Fällen könnte der erfahrene
Arzt seine Standesorganisation um eine rechtliche
Einschätzung ersuchen.
Wer sollte informiert werden?
Wenn die Entscheidung erst einmal getroffen ist, muss
sie deutlich an alle kommuniziert werden, die beteiligt
European Resuscitation Council
sein können, dies schließt den Patienten mit ein. Falls der
Patient es nicht ablehnt, sollte die Entscheidung auch
seinen Angehörigen mitgeteilt werden. Die Entscheidung,
die dafür sprechenden Gründe sowie eine Aufstellung der
an den Diskussionen beteiligten Personen sollten in der
Patientenakte dokumentiert werden – idealerweise auf
einem speziellen DNAR-Formular –; dabei sollte exakt das
Datum festgehalten werden, an dem die Entscheidung
gefällt wurde. Die Entscheidung sollte ebenfalls im
Pflegebericht dokumentiert werden. Die Entscheidung
muss allen mitgeteilt werden, die an der Versorgung des
Patienten beteiligt sind.
Wann sollte der Reanimationsversuch
abgebrochen werden
Die Mehrheit der Reanimationsversuche bleibt erfolglos
und muss abgebrochen werden. Die Entscheidung,
die Reanimationsbemühungen zu beenden, wird
von etlichen Faktoren beeinflusst. Dazu gehören
die Anamnese und die zu erwartende Prognose, die
Periode zwischen Kreislaufstillstand und Beginn der
CPR, das Intervall bis zur Defibrillation und die Phase
mit erweiterten lebensrettenden Maßnahmen (ALS) bei
anhaltender Asystolie und nicht zu behebender Ursache.
In vielen Fällen, besonders bei außerklinischem
Kreislaufstillstand, kann die zugrunde liegende Ursache
unbekannt sein oder nur vermutet werden, und die
Entscheidung zum Beginn der Reanimation wird
getroffen, während weitere Informationen gesammelt
werden. Falls sich herausstellt, dass die zugrunde
liegende Ursache die Situation aussichtslos macht, sollte
die Reanimation abgebrochen werden, falls der Patient
trotz aller ALS-Maßnahmen in der Asystolie bleibt.
Eventuell werden zusätzliche Informationen (etwa eine
Vorausverfügung) verfügbar und bestätigen, dass der
Abbruch des Reanimationsversuchs ethisch korrekt ist.
Im Allgemeinen sollte eine Reanimation fortgesetzt
werden, so lange Kammerflimmern andauert. Es
ist generell akzeptiert, dass eine Asystolie, die bei
nicht reversibler Ursache trotz ALS-Maßnahmen
länger als 20 Minuten andauert, einen Abbruch des
Reanimationsversuchs begründet.
Falls sich beim außerklinischen Kreislaufstillstand
kardialer Ursache überhaupt eine Besserung einstellt,
kommt es meist an Ort und Stelle zur Wiederkehr
eines Spontankreislaufs. Normotherme Patienten
mit primär kardialem Stillstand, die fortdauernd CPR
benötigen, ohne dass der Puls während des Transports
ins Krankenhaus wieder einsetzt, überleben fast nie
neurologisch intakt.
Die Entscheidung, den Reanimationsversuch
abzubrechen, wird vom Leiter des Teams getroffen,
allerdings nach Konsultation der anderen Teammitglieder.
Letztendlich basiert die Entscheidung auf der klinischen
Einschätzung, dass der Stillstand des Patienten auf
erweiterte lebensrettende Maßnahmen nicht anspricht.
European Resuscitation Council
Entscheidungen durch Nicht-Ärzte
Viele Fälle eines außerklinischen Kreislaufstillstandes
werden von Rettungssanitätern (emergency medical
technicians) oder Rettungsassistenten/ Notfallsanitätern
(paramedics) versorgt, die bei der Festlegung, ob eine
Reanimation aussichtslos ist und wann sie abgebrochen
werden sollte, ähnlichen Dilemmas gegenüberstehen.
Häufig wird beim außerklinischen Kreislaufstillstand
mit der Reanimation begonnen, es sei denn, dass eine
gültige gegenteilige Vorausverfügung vorliegt oder dass
die Aussichtslosigkeit der Reanimation eindeutig ist,
etwa in Fällen tödlicher Verletzungen wie Dekapitation,
Hemikorporektomie, bekannter längerer Submersion,
Verbrennung bis zur Unkenntlichkeit, Leichenstarre,
Leichenflecken. In derartigen Fällen diagnostiziert der
Nicht-Arzt den Tod, trifft aber keine Todesfeststellung
(die in den meisten Ländern nur durch einen Arzt oder
Leichenbeschauer erfolgen kann).
Wann aber soll die Entscheidung, einen
Reanimationsversuch abzubrechen, getroffen werden?
Sollten in ALS ausgebildete Paramedics in der Lage sein,
den Tod zu erklären, wenn der Patient nach 20 Minuten
trotz durchgeführten ALS-Maßnahmen in der Asystolie
bleibt? In einigen Ländern, einschließlich UK, dürfen
Paramedics in dieser Situation den Reanimationsversuch
beenden. Das strikt zu befolgende Protokoll verlangt, dass
gewisse Faktoren, die auf eine geringe Überlebenschance
hinweisen könnten (wie Hypothermie), nicht vorhanden
sind. Die Diagnose der Asystolie muss ebenfalls ohne
jeden Zweifel gestellt und mit EKG-Aufzeichnungen
dokumentiert werden.
Ähnliche Entscheidungen darüber, eine Reanimation zu
beginnen oder zu erkennen, dass der Tod eingetreten
ist, müssen eventuell von Pflegenden in Pflegeheimen
bei alten und terminal erkrankten Personen getroffen
werden. Es ist zu hoffen, dass eine Entscheidung über den
Wert eines Reanimationsversuchs vorher erfolgt ist; das
Thema DNAR sollte stets bei allen Patienten in derartigen
Einrichtungen angesprochen werden.
Relativierende Umstände
Gewisse Bedingungen, etwa eine Hypothermie zum
Zeitpunkt des Kreislaufstillstandes, steigern die Chancen
der Wiederherstellung ohne neurologische Schäden, und
normale Prognosekriterien (z.B. eine über 20 Minuten
andauernde Asystolie) sind nicht anwendbar.
Sedativa und Analgetika verschleiern beim Patienten, der
wieder einen Spontankreislauf aufweist, die Einschätzung
des Bewusstseinszustandes.
KAP
Abbruch der Behandlung nach einem
Reanimationsversuch
Es ist schwierig, während der ersten 3 Tage das endgültige
neurologische Ergebnis bei Patienten vorherzusagen, die
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 169
15
Kapitel 15 Ethische und rechtliche Aspekte der Reanimation
nach Wiedererlangung eines Spontankreislaufs komatös
bleiben. Spezifische klinische Zeichen, die in den ersten
wenigen Stunden nach Rückkehr des Spontankreislaufs
das Outcome vorhersagen können, gibt es nicht. Dieser
Punkt wird ausführlicher in Kapitel 14 behandelt.
Zusammenfassung
•Eine Reanimation sollte normalerweise sofort
und effektiv begonnen werden, aber wir
müssen erkennen, wann diese Maßnahmen
unangemessen sind und wann sie beendet
werden sollten.
Weiterführende Literatur
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170 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Unterstützung von
Angehörigen während
der Reanimation
Lernziele
■ Unterstützung von Angehörigen, die Zeuge eines
Reanimationsversuchs sind.
■ Die Betreuung von Personen, die kürzlich einen
Trauerfall hatten.
■ Religiöse und ethnische Erfordernisse, wenn ein
Patient verstorben ist.
■ Den Ablauf von rechtlichen und praktischen
Vorkehrungen nach einem Todesfall.
In diesem Kapitel schließt der Terminus „Angehörige“
auch enge Freunde / wichtige andere Personen mit ein.
Einleitung
Beim außerklinischen Kreislaufstillstand wird häufig die
Reanimation von einem engen Freund oder Verwandten
des Patienten begonnen. Mittlerweile wird der Wunsch
der Angehörigen im weiteren Verlauf bei dem Patienten
bleiben zu wollen, zunehmend beachtet und respektiert.
Für viele Angehörige ist es belastender, in
diesen kritischen Momenten von ihrem
Familienmitglied getrennt zu sein, als Zeuge des
Wiederbelebungsversuches zu werden. Auf dem
Weg zu einer Ethik der offeneren Medizin sollten von
professionellen Helfern die Prioritäten von Patienten und
Verwandten berücksichtigt werden.
Verwandte empfinden in mehrfacher Hinsicht
Erleichterung, wenn sie während der Reanimation
anwesend sein können.
• Es hilft ihnen, mit der Realität des Todes fertig zu
werden, verhindert eine anhaltende Verleugnung und
trägt zu einer gesünderen Trauer bei.
• Sie können zu ihrem Verwandten sprechen, während
der Sterbende sie vielleicht noch hören kann.
• Sie werden nicht dadurch belastet, dass sie von einem
geliebten Menschen getrennt sind, während sie das
Bedürfnis haben, anwesend zu sein.
• Sie können wahrnehmen, dass alles, was möglich war,
für den Sterbenden getan wurde.
• Sie können den Verstorbenen berühren und mit ihm
sprechen, während der Körper noch warm ist.
Die Anwesenheit von Angehörigen beinhaltet allerdings
auch potenzielle Nachteile.
• Der Reanimationsversuch kann Belastungen
hervorrufen, besonders wenn die Verwandten nicht
ausreichend informiert werden.
• Sie könnten das Team, das den
European Resuscitation Council
16
KAPITEL
Wiederbelebungsversuch durchführt, physisch oder
emotional behindern. Beobachtete Handlungen
oder Bemerkungen des Personals können trauernde
Familienangehörige verletzen.
• Die Erinnerung an die Ereignisse kann Verstörungen
hervorrufen, obwohl sich gezeigt hat, dass die
Phantasie schlimmer ist als Fakten. Das Team sollte
während und nach dem Eintritt des Todes auf die
Erwartungen der Trauernden und ihren kulturellen
Hintergrund Rücksicht nehmen.
• Angehörige zeigen ihre Gefühle vielleicht in Worten
oder Gesten, während andere den Wunsch haben
können, ruhig da zu sitzen oder religiöse Texte zu
lesen. Das Team muss genügend Einsicht, Kenntnis
und Fähigkeiten haben, um diese Bedürfnisse zu
antizipieren und potenzielle Probleme zu erkennen.
Die Einbindung von Verwandten und
Freunden
Die Betreuung und Rücksichtnahme auf die Angehörigen
während der Reanimation wird immer wichtiger,
je invasiver das Vorgehen wird. Ein Mitglied des
Notfallteams, das nicht aktiv in den Reanimationsversuch
eingebunden ist, sollte Angehörigen, die während der
Wiederbelebung anwesend sein wollen, zur Seite stehen.
Folgende Schutzmaßnahmen sollten beachtet werden:
• Erklären Sie die Schwierigkeit der Situation. Stellen
Sie sicher, dass die Angehörigen verstehen, dass sie
die Wahl haben, ob sie während der Wiederbelebung
anwesend sein wollen oder nicht. Vermeiden Sie es,
Schuldgefühle hervorzurufen, wie die Entscheidung
auch immer ausfallen mag.
• Erklären Sie den Angehörigen, dass man sich um
sie kümmern wird, unabhängig davon, ob sie den
Reanimationsraum betreten oder nicht. Stellen Sie
sicher, dass eine Vorstellung stattfindet und die
Namen bekannt sind.
• Erklären Sie ganz deutlich, was in Bezug auf die
Krankheit oder Verletzung vorgefallen ist und welcher
Anblick die Angehörigen erwartet, wenn sie den Raum
betreten.
• Vergewissern Sie sich, dass die Angehörigen
verstanden haben, dass sie jederzeit weggehen und
wiederkommen können und immer begleitet werden.
• Bitten Sie die Verwandten, nicht in den Ablauf der
Reanimation einzugreifen, aber geben Sie ihnen die
Möglichkeit, den Patienten zu berühren, wenn ihnen
gesagt wird, dass dabei keine Gefahr besteht.
• Erklären Sie die Maßnahmen in einfachen Worten.
Letztlich kann dies bedeuten zu erklären, dass der
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 171
KAP
16
Kapitel 16 Unterstützung von Angehörigen während der Reanimation
Wiederbelebungsversuch erfolglos war und beendet
wird.
• Wenn der Patient verstirbt, erklären Sie den
Angehörigen, dass es eine kurze Phase geben kann,
in der die Geräte entfernt werden, nach der sie
aber wieder in Ruhe unter sich sein können. Unter
Umständen kann es auch vorkommen, dass der
Gerichtsmediziner verlangt, gewisse Zugänge an
ihrem Platz zu belassen.
• Geben sie dem Verwandten Zeit, über das Geschehene
nachzudenken, und die Möglichkeit, weitere Fragen
zu stellen.
Krankenhäuser sollten entsprechend ihren jeweiligen
Gegebenheiten Verfahrensweisen entwickeln,
um Angehörigen die Möglichkeit zu geben, den
Reanimationsversuch an ihrem Familienmitglied
beobachten zu können.
Betreuung der kürzlich
Hinterbliebenen
Eine mitfühlende Betreuung der Hinterbliebenen
erleichtert den Trauerprozess. Die folgenden
Überlegungen müssen an die jeweilige Familie und deren
kulturelle Bedürfnisse angepasst werden:
• Früher Kontakt mit einer Person, üblicherweise einer
Pflegekraft;
• Bereitstellung eines passenden Zimmers für die
Angehörigen;
• Mitfühlende Mitteilung schlechter Nachrichten und
angepasste Unterstützung der Trauerreaktion;
• Für Angehörige die Möglichkeit schaffen, den Toten
noch einmal zu sehen;
• Religiöse und seelsorgerische Bedürfnisse;
• Rechtliche und praktische Vorkehrungen;
• Follow-up und Unterstützung des Teams.
Früher Kontakt mit einer Person
Idealerweise sollte dies die Person sein, welche die
Angehörigen während des Wiederbelebungsversuches
betreut hat. Falls die Angehörigen bei dem
Reanimationsversuch nicht dabei waren, muss ihnen
trotzdem ein Mitglied des Teams zur Unterstützung
zugewiesen werden. Bei der Kommunikation zwischen
Rettungsdienst und aufnehmendem Krankenhaus
sollte sichergestellt werden, dass die Ankunft der
Angehörigen erwartet wird. Eine warme, freundliche und
vertrauensvolle Begrüßung wird dazu beitragen, eine
offene und ehrliche Beziehung herzustellen.
Bereitstellung eines passenden Raums
Dieser sollte das angemessene Ambiente, Platz und
Privatsphäre bieten, damit die Verwandten Fragen stellen
172 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
und ihre Gefühle offen ausdrücken können.
Mitteilung schlechter Nachrichten und
Unterstützung der Trauerreaktion
Eine unkomplizierte und ehrliche Herangehensweise
hilft, konfuse Mitteilungen zu vermeiden. Schlechte
Nachrichten sollten von der am besten geeigneten
Person überbracht werden; das muss nicht unbedingt ein
Arzt sein. Es ist auch möglich, dass das Teammitglied, das
sich um die Angehörigen gekümmert hat, die Nachricht
mitteilt, obwohl es für die Verwandten hilfreich sein
kann, auch noch mit einem Arzt zu sprechen. Dazu sollte
immer Gelegenheit geboten werden. Beachten Sie die
folgenden Punkte, wenn Sie sich auf das Gespräch mit
den Angehörigen vorbereiten:
• Bereiten Sie sich selbst physisch und mental vor.
Kontrollieren Sie Ihre Kleidung auf Blut, waschen Sie
ihre Hände und bringen Sie Ihre Kleidung in Ordnung.
• Vergewissern Sie sich, dass Sie mit den richtigen
Verwandten sprechen, und stellen sie deren
Beziehung zum Verstorbenen fest. Finden Sie heraus,
was diese wissen, und bauen Sie darauf das Gespräch
auf.
• Setzen Sie Tonfall und non-verbalen Ausdruck zur
Unterstützung dessen ein, was Sie sagen. Lächeln,
Nicken, Blickkontakt, Körperkontakt, Gesichtsausdruck
und Gesten können die verbale Kommunikation
unterstützen.
• Verwenden Sie einfache Wörter und vermeiden Sie
medizinische Fachausdrücke und Plattitüden, die für
den Angehörigen bedeutungslos sind.
• Setzen oder positionieren Sie sich so neben den
Angehörigen, dass sie auf der gleichen Höhe sind.
• Beginnen Sie nicht mit einer langen Einleitung oder
einer Befragung der Verwandten etwa über den
Gesundheitszustand vor dem Tod. Die Angehörigen
wollen sofort wissen, ob ihr Familienmitglied noch
lebt oder nicht.
• Verwenden Sie Wörter wie „tot“, „gestorben“ oder „Tod“
zum frühest möglichen Zeitpunkt und wiederholen
sie diese mindestens noch bei einer weiteren
Gelegenheit, damit es keine Unklarheiten gibt.
• Haben Sie keine Angst vor einer Pause mit Schweigen,
wenn die Nachricht ausgesprochen ist und die Fakten
verarbeitet werden.
• Seien Sie auf die verschiedenen Möglichkeiten von
Reaktionen / Emotionen vorbereitet, mit denen Sie
nach Mitteilung der Nachricht konfrontiert werden
können.
Mögliche Reaktionen auf Trauer beinhalten:
• akute emotionale Belastung / Schock;
• Wut;
• Verleugnung / Zweifel;
• Schuld;
• Katatonie.
European Resuscitation Council
Diese Stadien sind nicht linear und Einzelpersonen
können von einem zum anderen springen oder zu einem
wiederholt zurückgehen. Das Geschlecht der Person, das
Alter und der kulturelle Hintergrund beeinflussen die
Trauerreaktion.
Kulturelle Bedürfnisse müssen respektiert werden, und
wo möglich sollten schriftliche Leitlinien bezüglich
bestimmter ethnischer Minderheiten verfügbar sein.
Die Möglichkeit schaffen, den Toten
noch einmal zu sehen
Geben sie Angehörigen die Möglichkeit, den Toten noch
einmal zu sehen. Klären sie Angehörige darüber auf, was
sie erwartet, wenn sie den Toten sehen. Die Betroffenheit
angesichts medizinischer Geräte und Ausrüstung ist
geringer, als das Personal gemeinhin glaubt. Falls der
Verstorbene verstümmelnde Verletzungen erlitten
hat, warnen sie die Angehörigen vor. Die physische
Anwesenheit bei ihrem Familienmitglied wird den
Hinterbliebenen helfen, sich durch den Trauerprozess
zu arbeiten. Stellen sie sicher dass der Tote berührt
bzw. gehalten werden kann. Ein Mitarbeiter sollten die
Angehörigen während der Verabschiedung begleiten
und in der Nähe bleiben, um bei Bedarf Unterstützung
anzubieten oder Informationen zu geben.
Religiöse Erfordernisse, rechtliche und
praktische Verfahrensweisen
Unterschiede im Umgang mit der Leiche und im Ausdruck
von Trauer werden von der religiösen Gesinnung des
Patienten bestimmt. Üblicherweise sind religiöse Vertreter
des Glaubens oder der Konfession des Patienten im
Krankenhaus verfügbar. Krankenhausseelsorger sind eine
wichtige Quelle der Kraft und Information für die Familien
und das Personal. Gebete, Segnungen, religiöse Akte und
Prozeduren sind wichtig, um sicherzustellen, dass die
Angehörigen nicht noch weiter belastet werden.
Rechtliche und praktische Verfahrensweisen sind genauso
wichtig. Diese beinhalten:
• Verständigung des Leichenbeschauers oder einer
anderen Behörde
• Verständigung des Hausarztes des Patienten
• Entscheidung über Organspende
• Bereitstellung von Informationen über „Was ist bei
einem Todesfall zu tun“
• Einbeziehung eines Geistlichen
• Rückgabe von Eigentum und Wertsachen des
Patienten nach Krankenhausrichtlinien
• Information über die verfügbaren Sozialdienste
• Follow-up-Vereinbarungen, die langfristige
Beratungen beinhalten können
• Informationen hinsichtlich einer Autopsie, wo
angezeigt
• Name und Telefonnummer eines Mitarbeiters als
Kontaktperson für Angehörige, sollten diese weitere
European Resuscitation Council
Fragen haben.
Unterstützung des Teams und
Debriefing
Wo und wann möglich, sollten für das Personal
Vorkehrungen getroffen werden, dass mit dem gesamten
Team Fragen besprochen werden können, die sich aus
der Reanimationssituation ergeben haben. Dies ist ein
äußerst wirksames pädagogisches Mittel.
Zusammenfassung
•Viele Angehörige wünschen sich
die Möglichkeit, während des
Reanimationsversuchs an ihrem
Familienmitglied dabei zu sein. Das kann den
Trauerprozess fördern.
•Die Kommunikation mit trauernden
Angehörigen sollte ehrlich, einfach und
unterstützend sein.
Weiterführende Literatur
Adams S, Whitlock M, Bloomfield P, Baskett PJF. Should relatives watch
resuscitation? BMJ 1994;308:1687-9.
Axelsson A, Zettergren M, Axelsson C. Good and bad experiences of
family presence during acute care and resuscitation. What makes the
difference? Eur J Cardiovasc Nurs 2005;4:161-9.
Kent H, McDowell J. Sudden bereavement in acute care settings. Nursing
Standard 2004;19:6.
McLauchlan CAJ. Handling distressed relatives & breaking bad news.
In: Driscoll P, Skinner D, Earlam R (editors) ABC of Major Trauma Third
Edition. London, BMJ Books, 2000.
Royal College of Nursing. Witnessing Resuscitation: Guidance for Nursing
staff. Royal College of Nursing, London, April 2002
KAP
16
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 173
Kapitel 16 Unterstützung von Angehörigen während der Reanimation
174 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Analyse und Outcome
nach einem Kreislaufstillstand
17
KAPITEL
Lernziele
■ Die Gründe für die augenscheinlichen
Unterschiede in den Erfolgsquoten nach einem
Kreislaufstillstand.
■ Warum es notwendig ist, ein einheitliches
„Protokoll“ des Outcome nach einem
Kreislaufstillstand einzuführen.
■ Welche Daten sind zu sammeln.
■ Wie man die Daten sammelt.
Variabilität des Outcome nach einem
Kreislaufstillstand
Die Überlebensraten nach einem außerklinischen
Kreislaufstillstand schwanken zwischen verschiedenen
Gesundheitssystemen deutlich. Eine Überprüfung
von Rettungsdiensten (EMS) mit der Möglichkeit einer
Defibrillation, die 33.124 Patienten umfasste, berichtete
von einer durchschnittlichen Überlebensrate bis zur
Krankenhausentlassung von 6,4% mit einem Spanne
zwischen 0% und 20,7%.
Zusammenfassende Daten aus 37
Rettungsdienstbereichen in Europa zeigen, dass die
Überlebensrate bis zur Krankenhausentlassung nach
einem vom Rettungsdienst behandelten präklinischen
Kreislaufstillstand 10,7% beträgt.
Nach einem innerklinischen Kreislaufstillstand liegt
die Überlebensrate innerhalb der ersten 24 Stunden
zwischen 13% und 59% und das Überleben bis zur
Entlassung zwischen 3% und 27%. Die durchschnittliche
Überlebensrate bis zur Entlassung nach einem
innerklinischen Kreislaufstillstand, liegt bei 15%. Es gibt
zwei Hauptgründe für diese Verteilungsbreite;
Viele verschiedene Variable beeinflussen das Ergebnis
nach einem Kreislaufstillstand. Dazu gehören:
• Unterschiede in der Art des „EMS“ Systems (z.B.
Verfügbarkeit von Defibrillatoren, Unterschiede in den
Hilfsfristen);
• Unterschiede in der Häufigkeit einer
Ersthelferreanimation;
• Unterschiede in den Gesamtpatientenzahlen (Studien
können auf innerklinische Kreislaufstillstände
beschränkt sein oder auch Kreislaufstillstände
einschließen, die vor einer Einlieferung stattfanden);
• Bestehende Begleiterkrankungen;
• Die Häufigkeit, mit der „do-not-attempt-resuscitation“
•
•
•
•
(DNAR) Richtlinien angewendet werden;
Der primäre Rhythmus des Kreislaufstillstandes;
Die Definition von Kreislaufstillstand (z.B.
Einbeziehung von primären Atemstillständen);
Verfügbarkeit von Herzalarm- und medizinischen
Notfallteams (MET);
Die Definition von Überleben (z.B. Rückkehr eines
spontanen Kreislaufs, 5 Minuten, 24 Stunden,
Entlassung aus dem Krankenhaus).
Es besteht ein Mangel an Einheitlichkeit bei der
Dokumentation des Ablaufs und des Ergebnisses eines
Reanimationsversuchs. Zum Beispiel wird die Definition
des Überlebens unterschiedlich dokumentiert als
Rückkehr eines Spontankreislaufs oder Überleben
nach 5 min, 1 h, 24 h, oder bis zur Entlassung aus
dem Krankenhaus. Der Mangel an Einheitlichkeit bei
der Dokumentation von Kreislaufstillständen macht
es schwierig, den Einfluss einzelner Faktoren auf das
Überleben zu evaluieren, wie z.B. neue Medikamente
oder Techniken.
Neue Maßnahmen, auch wenn diese die Überlebensrate
nur geringfügig verbessern, sind angesichts der großen
Anzahl der jährlichen Opfer eines Kreislaufstillstands
wichtig. Es ist unwahrscheinlich, dass regionale
Krankenhäuser oder Gesundheitssysteme ausreichend
Patientenzahlen behandeln können, um relevante
Effekte ein- oder ausschließen zu können. Ein möglicher
Lösungsansatz ist es, einheitliche Definitionen
einzuführen und standardisierte Daten, sowohl zum
Ablauf als auch zum Ergebnis, einer Wiederbelebung bei
einer großen Patientenzahl in unterschiedlichen Zentren
zu sammeln. Änderungen im Ablauf der Wiederbelebung
können dann eingeführt und evaluiert werden, wenn
eine einheitliche und verlässliche Dokumentation
des Outcome verwendet wird. Dies ist eine wichtige
Voraussetzung um Medikamente oder Techniken, die in
experimentellen Studien entwickelt wurden, verlässlich in
klinischer Umgebung zu evaluieren.
Leitlinien zur einheitlichen
Dokumentation von
Reanimationsdaten: der „Utstein
Style“
1991 und 1997 entwickelte eine Projektgruppe der
American Heart Association, des European Resuscitation
Council, der Heart and Stroke Foundation of Canada
und des Australian Resuscitation Council Leitlinien zur
einheitlichen Dokumentation von Daten präklinischer
KAP
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 175
17
Kapitel 17 Analyse und Outcome nach einem Kreislaufstillstand
und innerklinischer Kreislaufstillstände. Nach der
historischen Utstein-Abtei nahe Stavanger in Norwegen,
in der sich die Arbeitsgruppen trafen wurden diese
Utstein-Leitlinien genannt. Kernbestandteile dieser
Leitlinien sind klare und genaue Definitionen von
Maßnahmen, Intervallen und Outcomes sowie die
Entwicklung von Formularen zur Dokumentation von
Reanimationsversuchen. Die Reanimationsterminologie
konnte dank dieser Leitlinien erfolgreich standardisiert
werden. Es ergaben sich aber 2 Hauptprobleme: viele
dieser Datenelemente konnten nicht ausreichend
genau festgehalten werden (z.B. der Zeitpunkt des
Kollapses) und der Schwerpunkt lag bei Patienten
mit Kammerflimmern. 2002 bearbeitete eine ILCORProjektgruppe die Utstein-Definitionen und Formulare
und veröffentlichte 2004 eine überarbeitete Version.
Diese enthält:
• 29 Kerndatenelemente, die als Minimum zur Analyse
und Qualitätsverbesserung betrachtet werden;
• Überarbeitete und erneuerte Definitionen der KernDatenelemente;
• Identifikation von zusätzlich benötigten Daten für die
Reanimations-Forschung;
• Identifikation der zu sammelnden und
aufzuzeichnenden Kern-Zeitpunkte und Intervalle;
• Ein überarbeitetes Formular zum Aufzeichnen von
Daten eines Kreislaufstillstandes.
Rettungsdienst (EMS)
Ende des Ereignisses
Erster dokumentierter Rhythmus
Ort des Stillstands
Neurologisches Outcome zum Zeitpunkt der
Krankenhausentlassung
Patienten-Kennzeichnung
Wiederbelebung
Wiederbelebungsversuch durch
Rettungspersonal
Kein Wiederbelebungsversuch durch
Rettungspersonal
Wiederherstellung Spontankreislauf (ROSC)
Geschlecht
Schockbarer/nicht schockbarer Rhythmus
Erfolgreiche Wiederbelebung vor Eintreffen des
Rettungsdienstes
Ereignis überlebt
Überleben bis Krankenhausentlassung
Anhaltend wiederhergestellter Spontankreislauf
Tabelle 17.1 Kerndatenelemente im Utstein-Formular
2004
Die überarbeiteten Leitlinien beziehen sich auf
präklinische und innerklinische Kreislaufstillstände bei
Erwachsenen und Kindern.
Im Utstein Formular 2004 definierte
Kerndatenelemente
Die 29 definierten Kern-Datenelemente sind in Tabelle
17.1 in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet. Die
genauen Definitionen sind in der entsprechenden
Veröffentlichung nachzulesen.
Stillstand, beobachtet
Assistierte Beatmung
Defibrillationsversuch
Ersthelfer-Wiederbelebung (Bystander CPR)
Kreislaufstillstand
Ursache des Kreislaufstillstands / Ätiologie
Herzdruckmassage
Kardiopulmonale Reanimation
Datum des Kreislaufstillstands
Geburtsdatum / Alter
Datum der Entlassung / Tod
Defibrillationsversuch vor Ankunft des
Rettungsdienstes
Medikamente
176 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Datenerfassungsblatt Kreislaufstillstand
JJJJ/MM/TT
Datum des Kreislaufstillstands
Patientenidentifikation
(Vorname, Name oder ID-Nummer)
Geschlecht
Jahre (geschätzt)
Alter
oder Geburtsdatum
JJJJ/MM/TT
MM/TT
Kreislaufstillstand festgestellt von
Ursache des Kreislaufstillstands
Maßnahmen vor Eintreffen des Rettungsdienstes
Ersthelfer-Reanimation
Defibrillation durch Ersthelfer
oder implantierten Defibrillator
Reanimationsversuch durch Rettungsdienst
Ort des Kreislaufstillstands
präklinisch
Beobachtet
innerklinisch
wenn beobachtet, Zeitpunkt des Kreislaufstillstands hh:mm
Initialer Rhythmus
Thoraxkompressionen
Defibrillationsversuch
Beatmung
Medikamente
Zeitpunkt des Kollaps
hh:mm
Zeitpunkt Notrufeingang
hh:mm
Zeitpunkt Fahrzeug vor Ort
hh:mm
Zeitpunkt erste Rhythmusanalyse
hh:mm
(geschätzt)
Spontankreislauf bei Eintreffen in der Notaufnahme
Krankenhausaufnahme
Krankenhausentlassung
Datum Krankenhausentlassung (oder Tod)
Neurologischer Status bei Entlassung (CPC)
JJJJ/MM/TT
Abb. 17.1 Das Utstein 2004 Kreislaufstillstand Datenerfassungsblatt
KAP
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 177
17
Kapitel 17 Analyse und Outcome nach einem Kreislaufstillstand
Fehlen von Kreislaufzeichen und/oder geeignet zur Reanimation
n=
Keine Reanimationsversuche n=
DNAR
n=
Als sinnlos eingeschätzt
n=
Ort des Kreislaufstillstands
Präklinisch
Zu Hause
Öffentlicher Raum
Sonstiges
n=
n=
n=
Innerklinisch
Station
Notaufnahme
Operationssaal
Intensivstation
Sonstige
n=
n=
n=
n=
n=
n=
Reanimationsversuch
Gesamt
Mit Defibrillationsversuch
Thoraxkompressionen
Beatmung
n=
n=
n=
n=
Erster aufgezeichneter
Rhythmus
Defibrillierbar
n=
VF
VT
Nicht defibrillierbar
Asystolie
PEA
unbekannt
n=
n=
n=
n=
n=
n=
Stillstand beobachtet/unter Monitoring n=
Von Ersthelfer
n=
Von prof. Helfer
n=
CPR vor Eintreffen Rettungsdienst n=
Ätiologie
Vermutl. kardial
Trauma
Ertrinken
Atmung
Andere nicht-kardial
Unbekannt
n=
n=
n=
n=
n=
n=
Outcome (für alle Kategorien)
Ja
n=
Nein
n=
unbekannt
n=
Ereignis überlebt
n=
Lebend entlassen
n=
Neurolog. Outcome bei Entlassung
CPC 1 od. 2
n=
CPC 3 od. 4
n=
CPC 5
n=
Figure 17.2 The 2004 Utstein template for recording cardiac arrest data
178 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Zentrale Zeitpunkte und Intervalle
Formulare zur Datenerfassung
Obwohl manche Zeitintervalle bekanntermaßen
Schlüsselfaktoren für ein erfolgreiches Outcome sind (z.B.
Kollaps bis erster Schock bei Kammerflimmern), ist das
Erheben dieser Daten oft schwierig und ungenau. Grund
dafür sind Faktoren wie die Dringlichkeit der Situation
und die Verwendung nicht abgeglichener Uhren. Folglich
wurde in den überarbeiteten Leitlinien die Anzahl der
zentralen Zeitpunkte deutlich reduziert.
• Zeitpunkt des beobachteten oder aufgezeichneten
Stillstands;
• Zeitpunkt Anruf/Alarmierung erhalten;
- Durch den Rettungsdienst-Disponenten
- Reanimationsteam aktiviert
• Zeitpunkt der ersten Rhythmus-Analyse oder
Feststellen des Kreislaufstillstands;
• Zeitpunkt des ersten Reanimationsversuchs;
• Zeitpunkt des ersten Defibrillationsversuchs bei
schockbarem Rhythmus;
• Todeszeitpunkt.
Kerndatenelemente für jeden Wiederbelebungsversuch
werden manuell und/oder elektronisch notiert. Die Daten
sollten einfach zu erheben und zuverlässig sein und
Patienten-, Prozess- und Outcome-Elemente einschließen.
Indem man Kerndaten nach den oben genannten
Definitionen sammelt, können dann nicht nur innerhalb,
sondern auch zwischen Krankenhäusern Vergleiche
angestellt werden - lokal, national und international. Ein
vereinfachtes, standardisiertes Datenerfassungsblatt ist
in Tabelle 17.1 dargestellt. Wenn neue Techniken oder
Medikamente untersucht werden, können spezifische
Datenblätter benötigt werden, diese sollten die im
Utstein-Schema definierten Kerndatenpunkte umfassen.
Zahlreiche zusätzliche Zeiten wurden festgelegt, in
dem Wissen, dass sie als Marker der Qualitätssicherung
verwendet werden können, wenn sie im Bezug auf das
Outcome vermutlich auch recht unwichtig sind:
• Abfahrtszeit des ersten Rettungsmittels;
• Eintreffen des Fahrzeugs;
• Zeitpunkt Wiederherstellung Spontankreislauf (ROSC);
• Zeitpunkt der erfolgreichen Venenpunktion und
Medikamentengabe;
• Zeitpunkt des Reanimationsendes/Todeszeitpunkt.
Versorgung nach Reanimation
Es wurde inzwischen weitgehend erkannt, dass die
Qualität der Behandlung in der Post-Reanimationsphase
ein bestimmender Faktor für das Outcome ist. Viele
Intensivstationen sammeln umfassende Daten
über alle Aufnahmen, einschließlich Überlebender
nach Kreislaufstillstand. Ein Utstein-Formular ist vor
kurzem definiert worden, um die Daten in der PostReanimationsphase standardisiert zu sammeln. Dies soll
einen sinnvollen Vergleich zwischen Zentren ermöglichen
und kann helfen, die Auswirkung auf das Outcome
der unterschiedlichen Behandlungsstrategien (z.B.
therapeutische Hypothermie) festzustellen.
Datenerhebung
Nachdem die Kernprozesse und –resultate, die es
ermöglichen die Effekte von Änderungen in der
Behandlung des Kreislaufstillstands zu untersuchen, klar
definiert wurden, wird eine Methode für das Sammeln
dieser Daten benötigt. Die Outcome-Daten nach
Kreislaufstillstand können in unterschiedliche Berichte
und Register eingegeben werden.
Reanimations-Register
Bisher wurden unterschiedliche Formulare oder Register
für innerklinische und präklinische Kreislaufstillstände
verwendet. Sie umfassten die wesentlichen und
erforderlichen Datenpunkte und konzentrierten
sich auf Patienten, die einen Kreislaufstillstand mit
Kammerflimmern erlitten hatten. Diese wurden jetzt
durch ein einzelnes Formular ersetzt, mit dem alle
Kerndaten erfasst werden. Alle Ausgangsrhythmen
sind enthalten, die Möglichkeit zur getrennten Analyse
des Kreislaufstillstands durch Kammerflimmern wird
beibehalten. Da das Register Details vieler Stillstände
enthält, ist es vor allem ein Werkzeug, das benutzt
wird, um den Effekt von Änderungen in der Praxis
zu überwachen oder Bereiche zu kennzeichnen, die
Verbesserungen erfordern. Das Utstein-Schema für diesen
Prozess wird in Tabelle 17.2 dargestellt
Kein Formular wird allgemeine Zustimmung erhalten.
Krankenhäuser und Rettungsdienst-Systeme mit einer
etablierten Dokumentation werden einer Änderung
ungern zustimmen. Werden die oben beschriebenen
Formulare nicht übernommen, sollten Krankenhäuser
und Rettungsdienst-Systeme die zentralen UtsteinVariablen in ihre Dokumentation einarbeiten.
Zusammenfassung
•Versuche, die Wiederbelebung zu verbessern,
werden durch den Mangel an einheitlichen Definitionen und durch uneinheitliche Dokumentation von Ablauf und Outcome behindert.
•Uneinheitlichkeit bei der Dokumentation macht
es unmöglich, die Ergebnisse aus verschiedenen
Studien und Gesundheitssystemen verlässlich zu
vergleichen.
•Die Wissenschaft der Wiederbelebung wird verbessert, indem man die essentiellen Daten, die
zu sammeln sind, definiert und in ein einheitliches Dokumentationssystem eingibt.
KAP
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 179
17
Kapitel 17 Analyse und Outcome nach einem Kreislaufstillstand
Weiterführende Literatur
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Gabbott D, Smith G, Mitchell M, Colquhoun M, Nolan J, Soar J, Pitcher D,
Perkins G, Phillips B, King B, Spearpoint K. Cardiopulmonary resuscitation
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British hospitals (the BRESUS study): methods and overall results. BMJ
1992;304:1347-51.
180 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Appendix 1.
Basiswiederbelebung für Laien
Introduction
Dieses Kapitel umfasst die Richtlinien für die
lebensrettenden Basismaßnahmen (Basic Life Support
– BLS) für den Laienhelfer, der alleine außerhalb des
Krankenhauses ist. BLS bedeutet auch, dass, abgesehen
von schützenden Hilfsmitteln, keine Ausrüstung
verwendet wird.
Es ist gut dokumentiert, dass Unterbrechungen der
Herzdruckmassage häufig vorkommen und mit einer
Verringerung der Überlebensrate assoziiert sind. Die
‚perfekte’ Lösung wäre, die Thoraxkompressionen
kontinuierlich durchzuführen während unabhängig
davon die Beatmung stattfindet. Dies ist dann möglich,
wenn beim Patienten der Atemweg durch einen
Endotrachealtubus oder ein ähnliches Hilfsmittel
gesichert ist und wird im Kapitel Advanced Life Support
(ALS) Algorithmus besprochen. CPR ausschließlich
mit Herzdruckmassage ist eine weitere Möglichkeit
die Anzahl der Thoraxkompressionen zu erhöhen
da die Beatmungspausen wegfallen. Das ist für eine
begrenzte Zeit (ungefähr 5 Minuten) effektiv, ist aber
nicht als Standardmaßnahme für die Durchführung der
Basiswiederbelebung außerhalb des Krankenhauses
empfohlen.
Die folgenden Änderungen in den BLS Richtlinien
betonen die Wichtigkeit der Thoraxkompressionen
und den Versuch die Anzahl und Dauer der Pausen zu
reduzieren:
1. Die Diagnose Kreislaufstillstand wird gestellt sobald
ein Patient nicht ansprechbar ist und nicht normal
atmet
2. Der Ersthelfer soll gelehrt werden bei der
Herzdruckmassage die Hände in der Mitte des
Brustkorbes aufzusetzen; dies ist besser, als viel Zeit
für die bisher gelehrte ‘Rippenrand’-Methode zu
verschwenden
3. Jede Notfall-Beatmung dauert 1 Sekunde, nicht wie
bisher 2 Sekunden
4. Für Erwachsene im Kreislaufstillstand beträgt das
Verhältnis von Kompressionen zu Beatmungen 30:2.
Dasselbe Verhältnis soll auch bei Kindern angewendet
werden, wenn die Reanimation von einem Laienhelfer
begonnen wird
5. Beim erwachsenen Patienten entfallen die bisher
gelehrten 2 Initialbeatmungen; sofort nach
Feststellen des Kreislaufstillstandes wird mit 30
Thoraxkompressionen begonnen.
Um das Lehren und Lernen zu erleichtern wurde der
Ablauf der BLS-Sequenz vereinfacht. In einigen Fällen
beruht diese Vereinfachung auf evidenz-basierten Daten,
in anderen Fällen fehlte die Evidenz, dass die bisherigen,
komplizierteren Abläufe das Überleben nach einem
Kreislaufstillstand verbessern.
European Resuscitation Council
Eine weitere Änderung betrifft die Beatmung,
isnbesondere für den Helfer, der die Notfallbeatmung
nicht ausführen kann oder will. Es ist gut dokumentiert,
dass die Abneigung gegen die Mund-zu-Mund
Beatmung viele mögliche Helfer von jeder Form der
Reanimationsmaßnahmen abhält, obwohl es keine
evidenzbasierten Daten für ein Infektionsrisiko gibt.
Diese Richtlinien bestärken den Helfer in solchen Fällen
ausschließlich Thoraxkompressionen durchzuführen.
Die Richtlinien 2000 führten das Konzept der Kontrolle
der ‘Kreislaufzeichen’ ein. Diese Änderung fand aufgrund
der Evidenz statt, dass das Vertrauen auf die Pulskontrolle
zur Diagnose eines Kreislaufstillstandes unzuverlässig und
zeitverschwendend ist. Diese gilt vor allem, aber nicht
ausschließlich, wenn die Pulskontrolle von Laienhelfern
ausgeführt wird. Nachfolgende Studien haben gezeigt,
dass die Atemkontrolle ebenfalls zu Fehleinschätzungen
führt. Häufig wird eine Schnappatmung als normale
Atmung fehlgedeutet. In den Richtlinien 2005 ist die
fehlende Atmung bei einem nicht reagierenden Patienten
das Hauptmerkmal eines Kreislaufstillstandes. Auch das
Erkennen einer Schnappatmung als zusätzliche Indikation
für den Start der Reanimation wird hervorgehoben.
Schließlich wurde erkannt, dass die Durchführung der
Thoraxkompressionen ermüdet. Wenn mehr als ein Helfer
vor Ort ist wird daher empfohlen sich alle 2 Minuten
abzuwechseln (mit möglichst geringer Zeitverzögerung).
So soll eine frühzeitige Ermüdung verhindert und die
Qualität der Thoraxkompressionen beibehalten werden.
Erwachsenen BLS Sequenz
Basic life support besteht aus dem folgenden
Handlungsablauf: )
1. Vergewissern Sie sich, dass Patient, Anwesende
und Sie nicht gefährdet sind.
2.Prüfen Sie, ob der Patient reagiert.
• Schütteln Sie ihn leicht an den Schultern und
fragen Sie laut: „Ist alles in Ordnung?“
3 A. Wenn er reagiert:
• Lassen Sie ihn in der Lage, in der Sie ihn
vorgefunden haben, vorausgesetzt, dass keine
weitere Gefahr besteht.
• Versuchen Sie herauszufinden, was dem
Patienten fehlt, und holen Sie Hilfe falls
erforderlich.
• Untersuchen Sie ihn regelmäßig erneut.
3 B. Wenn er nicht reagiert
• Rufen Sie um Hilfe.
• Drehen Sie den Patienten auf den Rücken
und öffnen Sie dann den Atemweg durch
Überstrecken des Halses und Anheben des Kinns.
- Legen Sie Ihre Hand auf seine Stirn und
wenden Sie seinen Kopf leicht nach hinten.
- Mit Ihren Fingerspitzen unter dem Kinn des
Patienten heben Sie das Kinn an, um den
Atemweg zu öffnen.
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 181
Basiswiederbelebung für Laien
Adult Basic Life Support
UNRESPONSIVE
Shout for HELP
Open airway
NOT BREATHING NORMALLY?
Call 112*
30 chest compressions
2 rescue breaths
30 compressions
*OR APPROPRIATE EMERGENCY TELEPHONE NUMBER
182 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
4. Während Sie den Atemweg offen halten, sehen,
hören und fühlen Sie nach normaler Atmung.
• Sehen Sie nach Bewegungen des Brustkorbes.
• Hören Sie am Mund des Patienten nach
Atemgeräuschen.
• Fühlen Sie nach einem Luftstrom an Ihrer Wange.
Während der ersten wenigen Minuten nach einem
Kreislaufstillstand ist es möglich, dass ein Patient
kaum atmet oder vereinzelte, geräuschvolle
Atemzüge macht. Verwechseln Sie dies nicht mit
normaler Atmung.
Sehen, hören und fühlen Sie nicht länger als 10
Sekunden, um festzustellen, ob der Patient normal
atmet. Wenn Sie irgendwelche Zweifel haben, ob die
Atmung normal ist, dann handeln so, als sei sie nicht
normal.
5 A. Falls der Patient normal atmet:
• Bringen Sie ihn in die stabile Seitenlage (siehe
unten).
• Schicken Sie jemanden oder gehen Sie selbst,
um Hilfe zu holen oder den Rettungsdienst zu
alarmieren
• Überprüfen Sie kontinuierlich die Atmung.
5 B. Falls der Patient nicht normal atmet:.
• Schicken Sie jemanden fort um Hilfe zu holen
oder, falls Sie allein sind, verlassen Sie den Patient
und alarmieren Sie den Rettungsdienst; gehen
Sie zurück und beginnen Sie wie folgt mit der
Herzdruckmassage:
- Knien Sie seitlich des Patienten;
- Legen Sie den Ballen einer Hand in die Mitte
der Brust des Patienten;
- Legen Sie den Ballen Ihrer anderen Hand auf
die erste Hand;
- Verschränken Sie die Finger Ihrer Hände und
vergewissern Sie sich, dass der Druck nicht auf
die Rippen des Patienten ausgeübt wird. Üben
Sie keinerlei Druck auf den Oberbauch oder
das untere Ende des Brustbeins aus;
- Bringen Sie sich senkrecht über den
Brustkorb des Patienten und drücken Sie mit
gestreckten Armen das Brustbein um 4-5 cm
nach unten;
- Entlasten Sie nach jeder Thoraxkompression
den Druck auf dem Brustkorb, ohne den
Kontakt zwischen Ihren Händen und dem
Brustbein zu verlieren; wiederholen Sie dies
mit einer Rate von rund 100 pro Minute
(etwas weniger als 2 Kompressionen pro
Sekunde);
- Druck und Entlastung sollten gleich lang sein.
6 A. Kombinieren Sie die Herzdruckmassage mit
künstlicher Beatmung.
• Öffnen Sie nach 30 Kompressionen wieder
den Atemweg, mit Hals überstrecken und Kinn
European Resuscitation Council
anheben.
• Verschließen Sie mit Daumen und Zeigefinger
Ihrer auf der Stirn liegenden Hand die Nase.
• Lassen Sie den Mund sich öffnen, aber heben Sie
weiterhin das Kinn an.
• Atmen Sie normal ein und legen Sie Ihre Lippen
um den Mund des Patienten, wobei auf eine gute
Abdichtung zu achten ist.
• Blasen Sie gleichmäßig in den Mund, achten Sie
währenddessen darauf, dass sich der Brustkorb
wie bei normaler Atmung über rund eine
Sekunde hebt; dies ist eine effektive künstliche
Beatmung .
• Während Sie den Hals überstreckt und das Kinn
angehoben halten, nehmen Sie Ihren Mund von
dem des Patienten ab und beobachten Sie, wie
sich der Brustkorb bei Entweichen der Luft senkt.
• Atmen Sie erneut normal ein und blasen Sie noch
einmal in den Mund des Patienten, um insgesamt
zwei effektive Beatmungen zu erzielen. Legen
Sie dann ohne Verzögerung Ihre Hände auf die
korrekte Stelle auf dem Brustbein und führen Sie
weitere 30 Thoraxkompressionen durch.
• Fahren Sie mit Thoraxkompressionen und
Beatmungen im Verhältnis von 30:2 fort.
• Unterbrechen Sie nur, um den Patienten erneut
zu untersuchen, falls er wieder normal zu atmen
beginnt; unterbrechen Sie ansonsten die
Reanimation nicht.
Falls Ihre erste Beatmung den Brustkorb nicht wie bei
einer normalen Atmung anhebt, gehen Sie vor dem
nächsten Versuch folgendermaßen vor:
• Überprüfen Sie den Mund des Patienten und
entfernen Sie mögliche Fremdkörper;
• Vergewissern Sie sich, dass der Hals ausreichend
überstreckt und das Kinn angehoben ist;
• Führen Sie jedes Mal höchstens zwei
Beatmungsversuche durch, bevor Sie wieder die
Thoraxkompressionen aufnehmen.
Falls mehr als ein Helfer anwesend ist, sollte man sich
alle 2 Minuten in der Reanimation abwechseln, um
Ermüdungen vorzubeugen. Stellen Sie sicher, dass es
beim Helferwechsel zu nur minimaler Verzögerung
kommt.
6 B. Eine CPR ausschließlich mit Herzdruckmassage
kann wie folgt durchgeführt werden:
• Falls Sie nicht in der Lage oder nicht willens sind,
eine künstliche Beatmung durchzuführen, dann
wenden Sie nur die Herzdruckmassage an
• Bei ausschließlicher Herzdruckmassage sollten
die Kompressionen kontinuierlich mit einer
Frequenz von 100 pro Minute erfolgen
• Unterbrechen Sie die Maßnahmen nur, um
den Patienten erneut zu untersuchen, wenn er
wieder normal zu atmen beginnt; anderenfalls
unterbrechen Sie die Reanimation nicht.
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 183
Basiswiederbelebung für Laien
7. Fahren Sie mit der Reanimation fort, bis
• qualifizierte Hilfe eintrifft und den Patienten
übernimmt ;
• der Patient normal zu atmen beginnt;
• Sie erschöpft sind.
Erläuternde Angaben
Risiken für den Helfer
Die Sicherheit sowohl des Helfer als auch des Patienten
während der Reanimation hat Vorrang. Es hat nur wenige
Vorfälle gegeben, bei denen es bei Helfern durch die
Reanimation zu nachteiligen Folgen gekommen ist, mit
vereinzelten Berichten über Infektionen wie Tuberkulose
(TB) und dem schweren akuten Atemstörungssyndrom
(SARS). Über eine Übertragung von HIV während der CPR
ist nie berichtet worden. Untersuchungen an Menschen
zur Effektivität von Schutzvorkehrungen während CPR
hat es nicht gegeben, jedoch haben Laborstudien
gezeigt, dass bestimmte Filter oder Schutzvorkehrungen
mit Einwegventilen eine orale bakterielle Übertragung
vom Patienten auf den Helfer während der Mund-zuMund-Beatmung verhindern. Wenn möglich sollten
Helfer angemessene Sicherheitsvorkehrungen treffen,
besonders dann, wenn bekannt ist, dass der Patient eine
ernsthafte Infektion, wie zum Beispiel TB hat.
Initiale Beatmung
Während der ersten wenigen Minuten nach
nicht asphyktischem Kreislaufstillstand bleibt der
Sauerstoffgehalt im Blut hoch. Daher ist die Ventilation
initial weniger wichtig als Thoraxkompressionen.
Es ist gut belegt, dass der Erwerb und das Behalten
von Fertigkeiten durch eine Vereinfachung des BLSHandlungsablaufs erleichtert werden. Es ist ebenfalls
bekannt, dass Helfer aus einer Vielzahl von Gründen,
einschließlich der Angst vor Infektion und Ekel gegenüber
der Maßnahme, unwillig sind, eine Mund-zu-MundBeatmung durchzuführen. Aus diesen Gründen und
um den Vorrang der Thoraxkompressionen zu betonen,
wird empfohlen, dass bei Erwachsenen die CPR mit der
Herzdruckmassage begonnen wird statt mit der initialen
Beatmung.
Esmarch Handgriff
Der Esmarch Handgriff wird für Laienhelfer nicht
empfohlen, weil er schwierig zu erlernen und
anzuwenden ist. Daher sollten Laienhelfer bei Patienten
den Atemweg mit Überstrecken des Halses und Anheben
des Kinns öffnen.
Schnappatmung
Eine Schnappatmung findet man in bis zu 40% der
Patienten mit Kreislaufstillstand.
Daher sollten Laienhelfer geschult werden, dass sie mit
der CPR beginnen sobald ein Patient nicht ansprechbar
ist und nicht normal atmet. In CPR-Trainings sollte
darauf hingewiesen werden, dass eine Schnappatmung
üblicherweise in den ersten Minuten nach einem
184 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
plötzlichen Kreislaufstillstand auftritt. Dies ist eine
Indikation zum sofortigen Start der CPR und darf nicht
mit einer normalen Atmung verwechselt werden.
Mund-zu-Nase-Beatmung
Die Mund-zu-Nase-Beatmung stellt eine effektive
Alternative zur Mund-zu-Mund-Beatmung dar. Sie kann
erwogen werden, falls der Mund des Patienten ernsthaft
verletzt ist oder nicht geöffnet werden kann, falls der
Helfer einem im Wasser befindlichen Opfer hilft oder falls
eine Mund-zu-Mund-Abdichtung nur schwer erreicht
werden kann.
Mund-zu-Tracheostoma-Beatmung
Mund-zu-Tracheostoma-Beatmung kann bei Patienten
mit liegender Trachealkanüle oder Tracheostoma
angewendet werden.
Beutel-Masken-Beatmung
Die Durchführung der Beutel-Masken-Beatmung
erfordert beträchtliche Praxis und Fertigkeiten. Der
einzelne Helfer muss in der Lage sein, den Atemweg
mit Vorschieben des Unterkiefers zu öffnen, während er
simultan die Maske auf das Gesicht des Patienten hält.
Diese Technik kommt nur für Laienhelfer in Frage, die in
hoch spezialisierten Bereichen arbeiten, etwa dort, wo
das Risiko einer Zyanidvergiftung oder der Exposition
mit anderen giftigen Stoffen besteht. Daneben gibt
es weitere spezielle Umstände, unter denen nichtprofessionelle Anwender eine erweiterte Ausbildung
in Erster Hilfe erhalten, die auch die Ausbildung und
Auffrischung im Gebrauch der Beutel-Masken-Beatmung
umfasst. Hier sollte die gleiche strikte Ausbildung wie bei
Profis zugrunde gelegt werden und die Zwei-Personen
Methode bevorzugt werden.
Thoraxkompressionen
In den meisten Fällen wird es möglich sein den korrekten
Druckpunkt für die Thoraxkompressionen zu finden
ohne dabei die Kleidung des Patienten zu entfernen.
Falls irgendein Zweifel besteht, soll die Oberbekleidung
entfernt werden.
In den Richtlinien 2000 wurde eine Methode zur
korrekten Auffindung der Handposition für die
Thoraxkompressionen empfohlen, bei der ein Finger auf
das untere Brustbeinende gelegt und dann die andere
Hand daran geschoben wurde. Es wurde gezeigt, dass
Helfer dieselbe Handposition schneller finden, wenn
sie unterrichtet werden: „Legen Sie den Ballen Ihrer
Hand in die Mitte der Brust, mit der anderen Hand
darauf“, vorausgesetzt, die Ausbildung beinhaltet eine
Demonstration, bei der die Hände in der Mitte der
unteren Brustbeinhälfte platziert werden.
Während der Durchführung der Thoraxkompressionen:
a) Jedes Mal, wenn der Helfer wieder mit
Thoraxkompressionen beginnt, sollte er seine Hände
ohne Verzögerung „in der Mitte der Brust“ platzieren;
b) Komprimieren Sie den Brustkorb mit einer Frequenz
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von rund 100 pro Minute;
c) Achten Sie darauf, dass Sie die volle Kompressionstiefe
von 4-5 cm (beim Erwachsenen) erreichen;
d) Entlasten Sie den Brustkorb völlig nach jeder
Kompression;
e) Verwenden Sie für Kompression und Entlastung
ungefähr die gleiche Zeit;
f ) Minimieren Sie Unterbrechungen bei der
Thoraxkompression;
g) Verlassen Sie sich nicht auf einen palpablen Karotisoder Femoralis-Puls als Zeichen für einen effektiven
arteriellen Fluss;
h) Die Kompressionsfrequenz bezieht sich auf die
Geschwindigkeit, mit der die Kompressionen
durchgeführt werden, nicht auf die Gesamtanzahl
pro Minute. Die verabreichte Anzahl wird nicht nur
durch die Frequenz bestimmt, sondern auch durch
die Anzahl der Unterbrechungen, um den Atemweg
zu öffnen, um zu beatmen und um eine AED-Analyse
durchzuführen.
CPR ausschließlich mit Herzdruckmassage
Studien haben gezeigt, dass die CPR ausschließlich
mit Herzdruckmassage während der ersten Minuten
nach einem nicht-asphyktischem Stillstand ebenso
effektiv sein kann wie die Kombination aus Ventilation
und Kompression. Laienhelfer sollten daher ermutigt
werden, die CPR ausschließlich mit Herzdruckmassage
durchzuführen, falls sie unfähig oder unwillig sind,
eine künstliche Beatmung anzuwenden, obwohl die
Kombination von Thoraxkompressionen und Ventilation
die bessere CPR-Methode darstellt.
Über-Kopf-CPR (CPR in beengten Räumen)
Unter beengten Bedingungen kann bei einem Helfer
die Über-Kopf-CPR, bei zwei Helfern die CPR in
Grätschstellung erwogen werden.
Seitenlage
Es gibt mehrere Variationen der Seitenlage, von denen
jede ihre Vorteile hat. Keine einzelne Lagerung ist für
alle Patienten am besten geeignet. Die Lagerung sollte
stabil sein, annähernd einer Seitenlage entsprechen, mit
überstrecktem Hals und ohne Druck auf den Thorax, der
die Atmung beeinträchtigen könnte.
•
•
•
•
•
liegende Bein knapp über dem Knie und ziehen Sie es
hoch, wobei der Fuß auf dem Boden bleibt;
Während Sie die Hand des Patienten weiterhin gegen
die Wange gedrückt halten, ziehen Sie am entfernt
liegenden Bein, um die Person zu Ihnen heran auf die
Seite zu rollen;
Richten Sie das oben liegende Bein so aus, dass Hüfte
und Knie jeweils rechtwinklig abgewinkelt sind;
Wenden Sie den Kopf nach hinten, um sicherzustellen,
dass der Atemweg offen bleibt;
Richten Sie die Hand unter der Wange wenn nötig so
aus, dass der Hals überstreckt bleib;
Überprüfen Sie regelmäßig die Atmung.
Falls der Patient länger als 30 Minuten in der stabilen
Seitenlage bleiben muss, dann drehen Sie ihn auf die
andere Seite, um den Druck auf den unteren Arm zu
entlasten.
Verlegung des Atemweges durch
Fremdkörper (Ersticken)
Erkennung
Weil der Schlüssel zum erfolgreichen Outcome in der
Erkennung einer Atemwegsverlegung liegt, ist es
wichtig, diesen Notfall nicht mit einer Ohnmacht, einem
Herzanfall, einem Krampfanfall oder anderen Zuständen
zu verwechseln, die ebenfalls eine plötzliche Atemnot,
Zyanose oder Verlust des Bewusstseins hervorrufen
können.
Fremdkörper können eine milde oder eine schwere
Atemwegsverlegung verursachen. Die Zeichen und
Symptome, anhand derer zwischen einer milden und
einer schweren Atemwegsverlegung differenziert
werden kann, sind in der unten angeführten Tabelle
zusammengefasst. Es ist wichtig, die ansprechbare Person
zu fragen: „Haben Sie einen Erstickungsanfall?“
Handlungsablauf, um einen Patienten in die Seitenlage zu
bringen:
• Nehmen Sie dem Patienten die Brille ab;
• Knien Sie seitlich neben dem Patienten und
vergewissern Sie sich, dass beide Beine ausgestreckt
sind;
• Legen Sie den Arm, der Ihnen am nächsten ist,
rechtwinklig zum Körper, den Ellenbogen angewinkelt
und mit der Handfläche nach oben;
• Legen Sie den entfernt liegenden Arm über den
Brustkorb und halten Sie den Handrücken gegen die
Ihnen zugewandte Wange des Patienten;
• Greifen Sie mit Ihrer anderen Hand das entfernt
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Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 185
Basiswiederbelebung für Laien
Allgemeine Zeichen einer
Atemwegsverlegung durch Fremdkörper
• Anfall ereignet sich während des Essens
• Person greift sich ev. an den Hals
Zeichen einer
milden Obstruktion
Zeichen einer
schweren
Obstruktion
Antwort auf die Frage:
‘Haben Sie einen Erstickungsanfall?’
•Person spricht und antwortet ‘Ja’
Antwort auf die Frage:
‘Haben Sie einen
Erstickungsanfall?’
•Person ist unfähig zu
sprechen
•Person reagiert ev. mit
Nicken
Weitere Anzeichen
•Person kann sprechen,
husten und atmen
Weitere Anzeichen
•Person kann nicht
sprechen
•keuchende Atmung
•stille Hustenversuche
•Person kann bewußtlos
sein
Handlungsablauf bei Ersticken Erwachsener
(dieser Ablauf ist ebenfalls für Kinder über 1 Jahr
geeignet)
1. Falls die betroffene Person Zeichen einer milden
Atemwegsverlegung zeigt:
• Ermutigen Sie die Person, mit Husten fortzufahren,
aber tun Sie sonst nichts.
2. Falls die Person Zeichen einer schweren
Atemwegsverlegung zeigt und ansprechbar ist:
• Verabreichen Sie bis zu fünf Rückenschläge.
- Stellen Sie sich seitlich etwas hinter die Person
- Halten Sie mit einer Hand den Brustkorb und
lassen Sie die Person sich nach vorne beugen,
damit der Fremdkörper, wenn er sich löst, aus dem
Mund herauskommt und nicht etwa weiter den
Atemweg hinunter rutscht
- Verabreichen Sie mit dem Ballen Ihrer anderen
Hand bis zu fünf kräftige Schläge zwischen die
Schulterblätter
• Prüfen Sie nach jedem Schlag, ob die
Atemwegsverlegung beseitigt ist. Das Ziel ist, die
Verlegung durch jeden Schlag zu beseitigen, und
nicht, unnötig alle fünf Schläge auszuführen.
• Falls die Atemwegsverlegung mit fünf
Rückenschlägen nicht beseitigt werden kann,
geben Sie bis zu fünf abdominelle Kompressionen
wie folgt:
- Stellen Sie sich hinter die Person und legen Sie
186 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
beide Arme um deren Oberbauch;
- Lehnen Sie den Patienten nach vorn;
- Ballen Sie eine Hand zur Faust und legen Sie
diese zwischen Nabel und Xyphoid;
- Greifen Sie diese Hand mit Ihrer anderen und
ziehen Sie kräftig nach innen und oben;
- Wiederholen Sie dies wenn notwendig bis zu
fünfmal.
• Falls die Verlegung immer noch nicht beseitigt ist,
fahren Sie abwechselnd mit fünf Rückenschlägen
und fünf abdominellen Kompressionen fort.
3. Falls der Patient bewusstlos wird:
• Legen Sie die Person vorsichtig auf den Boden
• Alarmieren Sie unverzüglich den Rettungsdienst.
• Beginnen Sie mit der CPR (ab 5B des
Handlungsablaufs für Erwachsene). Professionelle
Helfer, die im Tasten des Karotispulses ausgebildet
und erfahren sind, sollten selbst dann mit
Thoraxkompressionen beginnen, wenn beim
bewusstlosen Erstickungsopfer ein Puls vorhanden
ist.
Erläuternde Angaben
Nach erfolgreicher Beseitigung einer Atemwegsverlegung
können immer noch Fremdkörper im oberen oder
unteren Respirationstrakt verblieben sein und später
zu Komplikationen führen. Patienten mit anhaltendem
Husten, Schluckbeschwerden oder dem Gefühl, dass sich
immer noch ein Fremdkörper im Hals befindet, sollten
daher einem Arzt vorgestellt werden.
Abdominelle Kompressionen können ernsthafte innere
Verletzungen verursachen, alle Patienten, bei denen
abdominelle Kompressionen angewendet wurden, sollten
von einem Arzt auf Verletzungen untersucht werden.
Reanimation von Kindern und
Ertrinkungsopfern
Sowohl Beatmung als auch Kompressionen sind wichtig,
wenn sich bei Patienten mit einem Kreislaufstillstand die
Sauerstoffreserven erschöpfen – ungefähr 4-6 Minuten
nach Kollaps durch VF und unmittelbar nach Kollaps
durch asphyktischen Stillstand. Die früheren Richtlinien
versuchten, die Unterschiede in der Pathophysiologie zu
berücksichtigen. Die Empfehlungen waren bei Patienten
mit einer erkennbaren Asphyxie (Ertrinken, Trauma,
Intoxikation) und bei Kindern zuerst eine Minute CPR
durchzuführen, bevor der einzelne Helfer den Patienten
verlässt, um Hilfe zu holen. Die Mehrzahl der Fälle
außerklinischen plötzlichen Herztodes betrifft jedoch
Erwachsene und ist durch eine kardiale Ursache bedingt.
Diese zusätzlichen Empfehlungen erhöhten daher noch
die Komplexität der Richtlinien, obwohl sie nur auf eine
Minderheit von Patienten abzielten.
Außerdem muss man sich darüber im Klaren sein, dass
viele Kinder nicht reanimiert werden, weil potentielle
Helfer fürchten, Schaden anzurichten. Diese Furcht ist
unbegründet; es ist weitaus besser, bei einem Kind den
European Resuscitation Council
BLS-Ablauf für Erwachsene anzuwenden, als nichts zu tun.
Zur Vereinfachung des Lernens und des Behaltens sollten
Laien daher unterrichtet werden, dass der Ablauf für
Erwachsene auch bei Kindern angewandt werden kann,
die nicht ansprechbar sind und nicht atmen.
Die folgenden geringen Modifikationen der
Erwachsenen-Sequenz machen den Ablauf indes noch
geeigneter für Kinder:
• Geben Sie fünf Initialbeatmungen, bevor Sie mit
Thoraxkompressionen beginnen (Handlungsablauf für
Erwachsene, 5B);
• Ein einzelner Helfer sollte ungefähr eine Minute lang
CPR-Maßnahmen durchführen, bevor er Hilfe holen
geht;
• Komprimieren Sie den Brustkorb um ungefähr ein
Drittel; verwenden Sie zwei Finger bei einem Kleinkind
unter 1 Jahr; verwenden Sie bei einem Kind über 1
Jahr eine Hand oder beide, je nach Erfordernis, um die
erforderliche Kompressionstiefe zu erreichen.
Weiterführene Literatur
International Liaison Committee on Resuscitation. Part 2. Adult Basic
Life Support. 2005 International Consensus on Cardiopulmonary
Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care Science with
Treatment Recommendations. Resuscitation 2005;67:187-201.
Handley AJ, Koster R, Monsieurs K, Perkins GD, Davies S, Bossaert L.
European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2005.
Section 2 Adult basic life support and use of automated external
defibrillators. Resuscitation 2005;67 Suppl 1:S7-23.
Die gleichen Modifikationen, also fünf Initialbeatmungen
sowie eine Minute CPR vor dem Hilfeholen durch einen
einzelnen Helfer können das Outcome von Patienten
nach Beinahe-Ertrinken verbessern. Diese Modifikation
sollte nur an Personen vermittelt werden, die eine
spezielle Verpflichtung haben, sich um potentielle
Ertrinkungsopfer zu kümmern (z.B. Rettungsschwimmer).
Beinahe-Ertrinken ist leicht zu erkennen. Für einen
Laien kann es andererseits jedoch schwierig sein zu
bestimmen, ob ein Kreislaufstillstand Folge eines Traumas
oder einer Intoxikation ist. Diese Patienten sollten daher
entsprechend dem Standardablauf behandelt werden.
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 187
Basiswiederbelebung für Laien
188 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
European Resuscitation Council
Appendix 2.
Useful Websites
www.erc.edu
European Resuscitation Council
www.resus.org.uk
Resuscitation Council UK
www.c2005.org
2005 International Consensus on CPR and ECC Science with Treatment Recommendations
www.bcs.com
British Cardiac Society
www.escardio.org
European Society of Cardiology
www.americanheart.org
American Heart Association
www.ics.ac.uk
Intensive Care Society
www.esicm.org
European Society of Intensive Care Medicine
www.aagbi.org
Association of Anaesthetists of Great Britain and Ireland
www.cochrane.org
Cochrane Collaboration
www.bestbets.org
Best evidence topics in emergency medicine
www.eaaci.net
The European Academy of Allergology and Clinical Immunology
European Resuscitation Council
Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen 189
Personal Notes
Contact data
European Resuscitation Council Secretariat VZW
BE 2610 Antwerp - Belgium
[email protected] - www.erc.edu
Medigraf
Jean-Marie Brisart
[email protected]
190 Erweiterte Lebensrettende Maßnahmen
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