Spezielle Interaktionen zwischen Arzneimitteln und

Werbung
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#119{sid9d7fvM5f}
Spezielle Interaktionen zwischen
Arzneimitteln und Mikronährstoffen
#121.01{sidEBLw6Cw1}
6 Alkohol
#121.02{sidxJbvnUru}
Alkohol (Ethanol) ist kein Arzneistoff, sondern ein Hilfsstoff, der für die Herstellung und Zubereitung von
Arzneimitteln verwendet wird. Aufgrund seiner breiten Anwendung als Genussmittel und seinem ausgeprägtem
Einfluss auf den Haushalt vieler Mikronährstoffe wird er an dieser Stelle mit berücksichtigt. Die Deutschen sind
absolute Spitzenreiter unter den europäischen Ländern, was den jährlichen Alkoholkonsum betrifft: Der ProKopf-Verbrauch reinen Alkohols beträgt ca. 10,8 Liter, Säuglinge und Greise inbegriffen. Nach aktuellen
Schätzungen sind in Deutschland etwa 1,8 Millionen Menschen alkoholabhängig, ein Alkoholmissbrauch liegt
bei 2,8 Millionen Menschen vor. Das „Alkoholproblem“ hat damit hierzulande alarmierende Ausmaße
angenommen, die zu einer erheblichen Belastung der Volkswirtschaft und des öffentlichen Gesundheitswesens
führen. Neben dem Rauchen zählt der Alkoholabusus zu den wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung
chronischer Erkrankungen.
#121.03{sid3BsnWk9q}
6.1 Mikronährstoffmangel durch Alkoholkonsum
#121.04{sidCDynhwn5}
Der regelmäßige Konsum von Alkohol, auch in moderaten Mengen, kann schon ausgeprägte Störungen in der
Verwertung und im Stoffwechsel vieler Mikronährstoffe hervorrufen (z. B. Mangel an Vit​amin B1, B6, B12, Folsäure
und Magnesium). Alkoholkonsum steigert z. B. die renale Exkretion von Magnesium, Phosphat, Kalium und Zink. Die
Verstoffwechselung und Entgiftung von Alkohol erhöht den Bedarf an B-Vit​aminen (z. B. Thiamin, Folsäure). 20–70
% der chronischen Alkoholkonsumenten weisen durch eine Hemmung des aktiven Transportes (Na+/K+-ATPase)
einen Thiaminmangel auf. Etwa 80 % der schweren Trinker weisen eine ausgeprägte Hypovit​aminose B1 auf.
#121.05{sidApBy8wdt}
Bei nahezu jedem zweiten Alkoholiker können daher bereits Zeichen einer alkoholischen Polyneuropathie
nachgewiesen werden. 50–90 % aller Alkoholiker sind unzureichend mit Vit​amin B6 versorgt. Mit bis zu 50 % ist auch
ein Folsäuremangel bei Alkoholikern nachweisbar. 20 % der Alkoholiker ohne und 50 % der Alkoholiker mit
Lebererkrankung weisen erniedrigte Spiegel an Retinol auf. Bei über 50 % der Alkoholiker liegt ein ausgeprägter
Vit​amin-D-Mangel vor. Über ein Drittel aller Alkoholiker sind unzureichend mit Magnesium versorgt. Darüber hinaus
haben Personen mit langjährigem Alkoholabusus in über 90 % der Fälle eine defizitäre Zinkversorgung.
#121.06{sidCOwETCxB}
Chronischer Alkoholkonsum führt früher oder später zu einem Mangel an Vit​aminen und anderen Mikronährstoffen.
Bei alkoholinduzierten Störungen des Mikronährstoffhaushalts spielen verschiedene Faktoren und Mechanismen
eine Rolle, insbesondere eine unzureichende Nährstoffzufuhr mit der Nahrung, Beeinträchtigung der Resorption und
Utilisation sowie erhöhte renale Nährstoffverluste (□ Tab. 6.1)
#121.07{sid5GRyYZie}
Im Hinblick auf die Vorbeugung und Begrenzung alkoholbedingter Schäden sollte im klinischen Alltag einem
alkoholinduzierten Mangel an Mikronährstoffen vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt und rechtzeitig durch eine
spezifische Supplementierung interveniert werden.
#122.01{sidTmrgHIbl}
Tab. 6.1 Mechanismen alkoholbedingter Störungen des Mikronährstoffhaushalts
#122.02{sidwarwxaxt}
Mechanismus
#122.03{sidsDVBilho}
Unzureichende diätetische Zufuhr (wenig frisches Obst und Gemüse)
Betroffene Mikronährstoffe
(Auswahl)
Alle Mikronährstoffe (v. a. Folsäure,
Vit​amin B1, Vit​amin B3, Vit​amin B6,
Magnesium, Antioxidanzien)
#122.04{sidlHba7nty}
Erhöhter Bedarf
#122.05{sidToVXB7Al}
Maldigestion/Malabsorption: alkoholinduzierte Schleimhautschäden,
Gastritis, pathologische bakterielle Besiedlung, intestinale Verluste, (z.
B. Durchfall), exokrine Pankreasinsuffizienz
#122.06{siduNdvwZ6d}
Hemmung aktiver Transport- und Resorptionsmechanismen
Vit​amin B1, Vit​amin B2, Vit​amin B3,
Vit​amin B6, Folsäure, Magnesium,
Zink, Selen
Folsäure, Vit​amin B2, Vit​amin B12,
Folsäure, Vit​amin K, Zink, Eisen,
Selen
Vit​amin B1 (Na+/K+-ATPase),
Vit​amin B12 (Intrinsic-Faktor, IF)
#122.01{sidTmrgHIbl}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 6.1 Mechanismen alkoholbedingter Störungen des Mikronährstoffhaushalts
#122.02{sidwarwxaxt}
Mechanismus
#122.07{sidXGQxKkko}
Störung der biologischen Aktivierung und Metabolisierung (z. B.
Induktion von CYP2E1)
#122.08{sidAEwY9rd4}
Lipidperoxidation (Radikalbildung) durch oxidative Metabolisierung von
Alkohol
#122.09{sid76pzPjtx}
Erhöhte renale Ausscheidung
Betroffene Mikronährstoffe
(Auswahl)
Vit​amin D (Leber: 25-(OH)-D),
Vit​amin B6, (Leber: PALP), Vit​amin
A (Leber: Retinol)
Vit​amin C, Vit​amin E, Glutathion, SAdenosylmethionin, Carotinoide,
Eisen
Zink, Magnesium, Vit​amin C,
Vit​amin B1, Folsäure
#121.08{sidCcPuzN6n}
6.1.1 Alkohol und Vit​amin B1
#121.09{sidMTfHgYPm}
Thiamin-Mangel und alkoholische Polyneuropathie
#121_122{sidRaVU0Dns}
Mechanismus: Alkohol hemmt den aktiven Transport von Vit​amin B1 im Darm (→ Inhibierung der Na+/K+-ATPase);
die Bildung der biologisch aktiven Wirkform Thiamindiphosphat sowie die Speicherung in der Leber und die
Thiaminverwertung werden durch die toxische Wirkung des Alkohols und seines Metaboliten Acetaldehyd gestört;
eine erhöhte renale Ausscheidung bewirkt zusätzliche Thiaminverluste über die Niere.
#122.10{sidRyPgZaDh}
Folgen: Abfall des Thiaminspiegels im Blut, Abnahme der erythrozytären Transketolase-Aktivität (guter
Laborparameter zur Erfassung des Thiaminstatus); Beeinträchtigung Thiamin-abhängiger Stoffwechselprozesse (z.
B. oxidative Decarboxylierung von Pyruvat, Citrat-Zyklus); neuronaler ATP-Mangel; axonale Degeneration und
Demyelinisierung der peripheren Nerven (Markscheidenzerfall durch Thiaminmangel); sensorische, motorische und
autonome Neuropathien des peripheren und vegetativen Nervensystems (z. B. Fußbrennen) sowie alkoholtoxische
Schäden des Klein- und Mittelhirns (Wernicke-Enzephalopathie: Augenmuskellähmung, Ataxie, Verwirrtheit).
#122.11{sidsBCXQOoD}
Hinweis: Die durch die alkoholtoxischen Effekte gestörten zellulären Stoffwechselvorgänge an den Nerven können
bei der alkoholischen Polyneuropathie durch die Gabe von Vit​amin B1 signifikant verbessert werden. Mittel der Wahl
ist das lipidlösliche und hoch bioverfügbare Benfotiamin (150–300 mg tgl., p. o.). In einer Studie an 84 Patienten mit
alkoholischer Polyneuropathie senkte Benfotiamin signifikant den Neuropathie-Gesamtscore und verbesserte das
Vibrationsempfinden.
#122.12{sidchgzTZBd}
Bei Verdacht auf eine Wernicke-Enzephalopathie muss eine sofortige parenterale Vit​amin-B1-Substitution (100–
500 mg Thiamin tgl., 3–5 Tage lang i. v. oder i. m., dann Benfotiamin 300–600 mg tgl., p. o.) erfolgen, da die
Erkrankung unbehandelt zu schweren irreversiblen hirnorganischen Schäden und zum Tode führen kann. Neben
Vit​amin B1 können auch Defizite an Magnesium (aktiviert Thiamin), Kalium und den Vit​aminen B2, B6, B3 und C
bestehen, die durch entsprechende Substitution kompensiert werden sollten. Schleimhautläsionen wie Glossitis oder
Stomatitis sind bei Alkoholabusus häufig und zum Teil auf einen Vit​amin-B2-Mangel zurückzuführen.
#123.01{sidT8EOncxE}
6.1.2 Alkohol und Vit​amin B6
#123.02{sidTVva8zhq}
Vit​amin-B6-Mangel bei chronischem Alkoholkonsum
#123.03{sidM7kU40cg}
Mechanismus: Alkohol stört die Freisetzung aus der Proteinbindung in der Nahrung, die Phosphorylierung zum
stoffwechselaktiven Coenzym Pyridoxalphosphat (PALP) und den Leberstoffwechsel des Vit​amin B6. Der Abbau von
Pyridoxalphosphat zu Pyridoxin und die renale Pyridoxinexkretion ist erhöht; unzureichende diätetische Zufuhr und
Malabsorption von Vit​amin B2 (→ Riboflavin wird in seiner coenzymatisch aktiven Form Flavinadeninmononucleotid
(FMN) für die Metabolisierung von Pyridoxin zu Pyridoxalphosphat benötigt).
#123.04{sidUJrUWYye}
Folgen: Vit​amin-B6-Mangel; Hyperhomocysteinämie (Plasma ≥ 10 µmol/l), Hautveränderungen (seborrhoische
Dermatitis), Mundwinkelrhagaden, Entzündungen der Mundschleimhaut und des Zahnfleisches (Glossitis,
Stomatitis), alkoholische Neuropathie, Störungen des Neutrotransmitterstoffwechsels im ZNS; verminderte Reifung
und Proliferation der T-Lympho​zyten. Hinweis: Vit​amin-B6-Mangel​symptome überschneiden sich zum Teil mit denen
eines Vit​amin-B2-Mangels.
#123.05{sidmWd3fVlo}
Hinweis: Substitution von Vit​amin B6 (50–300 mg tgl., p. o.) vorzugsweise als Vit​amin-B-Komplex; bei
Polyneuropathien in Kombination mit dem Vit​amin-B1-Prodrug Benfotiamin (300–600 mg tgl., p. o.) und Vit​amin B12.
#123.06{sidKnp8aiac}
6.1.3 Alkohol und Vit​amin B12
#123.07{sidgXDzHddi}
Vit​amin-B12-Mangel bei chronischem Alkoholkonsum
#123.08{sidYfUGVLtf}
Mechanismus: Ungenügende diätetische Zufuhr; Malabsorption durch alkoholinduzierte Gastritis
(Proteinmaldigestion, pathologische bakterielle Besiedlung des Magens) und/oder exokriner Pankreasinsuffizienz
(gestörte Freisetzung des Vit​amins aus der Haptocorrin-Bindung); der oxidative Abbau von Acetaldehyd ist im
Magen mit einer erhöhten Bildung von freien Radikalen verbunden, welche die Bindung von Vit​amin B12 an Intrinsic
Factor (IF) und den L-Glutathionstatus reduzieren können.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#123.09{sidZKprkSUB}
Folgen: Vit​amin-B12-Mangel: Vit​amin B12 (Serum): < 450 ng/l; Holo-TC (Plasma): < 70 pmol/l; MMS (Serum): > 40
µg/l; MMS (Urin): ≥ 1,60 mg/g Kreatinin; Hyperhomocysteinämie (Hcy ≥ 10 µmol/l); makrozytäre Anämie;
Empfindungsstörungen (Parästhesien, Sensibilitätsstörungen), Risiko für vorzeitige Hirnatrophie.
#123.10{sidYqf9iSYM}
Hinweis: Parenterale Substitution von Vit​amin B12 (1 000 µg tgl., i. m. über eine Woche, dann 1–2× pro Woche, z.
B. Hydroxocobalamin), zusätzlich Vit​amin-B-Komplex p. o.; bei Parästhesien in Kombination mit Benfotiamin (300–
600 mg tgl, p. o.) und Vit​amin B6. Die chronische Aufnahme von Alkohol (Ethanol) führt im Tierversuch zu einer
Depletion der hepatischen S-Adenosylmethionin (SAM)-Spiegel, Inhibierung der Vit​amin-B12-abhängigen Aktivität
der Methionin-Synthase (MS), Anstieg der Proliferationsrate von Leberzellen sowie zu einer Blockade wichtiger
Methylierungsreaktionen. Aufgrund der Funktion von SAM als wichtigster Methylgruppendonator im
Intermediärstoffwechsel ist bei chronischem Alkoholkonsum (mit Hyperhomocysteinämie) und SAM-Depletion eine
DNA-Hypomethylierung in den peripheren Lymphozyten nachweisbar. Die Hypomethylierung der DNA ist
möglicherweise eine Erklärung für die mit dem Alkoholkonsum in Zusammenhang stehende erhöhte Karzinogenese.
Störungen des Methylgruppenstoffwechsels sind auch mit einem erhöhten Risiko für eine Hirnatrophie verbunden. Im
Tierversuch konnte die orale Aufnahme von SAM die durch Alkohol verursachten Leberschäden verringern und einen
alkoholinduzierten Mangel an L-Glutathion kompensieren. Auch beim Menschen wird SAM erfolgreich zur Therapie
von alkoholinduzierten Leberschäden eingesetzt.
#123.11{sidEbsoJH0t}
6.1.4 Alkohol und Folsäure
#123.12{siduP4VPzXM}
Folsäuremangel bei chronischem Alkoholkonsum
#123_124{sidvBl0Tu9N}
Mechanismus: Mangelernährung (zu wenig frisches Obst und Gemüse); Alkohol stört die intestinale Dekonjugation
von Folsäurepolyglutamaten aus der Nahrung (→ Malabsorption), den Transport in die Gewebe und Organe sowie
die hepatische Speicherung und Freigabe; alkoholinduzierte Störung des Vit​amin-B12-Status; erhöhte renale
Folsäureverluste, Störung der Rückresorption in der Niere; alkoholinduzierte Bildung von freien Radikalen und
Acetaldehyd.
#124.01{sider4nifaZ}
Folgen: Folsäuremangel (Erythrozyten < 250 µg/l), Störungen der Purin- und Pyridimidinsynthese, Hemmung von
Methylierungsreaktionen, Hyperhomocysteinämie (Hcy ≥ 10 µmol/l); hypersegmentierte polymorphkernige
Granulozyten; makrozytäre, hyperchrome Anämie (Megaloblastenanämie, Vit​amin-B12-Mangel ist labordiagnostisch
auszuschließen!); Leuko-, Lympho- und Thrombozytopenie; Stomatitis, Glossitis; neuropsychiatrische
Ausfallerscheinungen (z. B. depressive Verstimmung, Vergesslichkeit).
#124.02{sidFQ1VH6Ob}
Hinweis: Bei Vorliegen einer makrozytären Anämie sollte Folsäure parenteral (10–15 mg Folsäure/d, i. m. über 7
Tage) zusammen mit Vit​amin B12 (500–1 000 µg/d, i. m.) verabreicht werden. Im Anschluss werden 1–3 × 5 mg
Folsäure täglich (p. o. oder i. m.) zusammen mit Vit​amin B12 bis zur Normalisierung des Folsäurestatus (→
erythrozytäre Folsäurespiegel) gegeben.
#124.03{sidzjAUd0mZ}
Studien: Folsäuremangel ist eine der häufigsten Vit​aminmangelerscheinungen bei chronischem Alkoholabusus.
20–50 % der Betroffenen weisen erniedrigte Folsäurekonzentrationen im Plasma und den Erythrozyten sowie
erhöhte Homocysteinspiegel auf. Der dreiwöchige Konsum von Rotwein und Spirituosen erhöhte in Studien an
gesunden Männern bereits die Homocysteinspiegel um bis zu 9 %. Tetrahydrofolsäure (THF) und ihre Derivate
bilden die coenzymatisch aktiven Formen der Folsäure. Die Umwandlung der verschiedenen THF-Derivate
ineinander ist mit Ausnahme der Methylentetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR)-abhängigen Überführung von 5,10Methylen-THF zu 5-Methyl-THF reversibel (○Abb. 3.2). Die einzige Möglichkeit aus 5-Methyl-THF erneut THF zu
bilden besteht in der Vit​amin-B12-abhängigen Remethylierung von Homocystein zu Methionin (MethioninsynthaseReaktion). Ein Mangel an Vit​amin B12 führt zu einer Blockade der Regeneration von THF und einer Akkumulation an
5-Methyl-THF, während der Organismus an der metabolisch aktiven THF verarmt (→ funktioneller Folsäuremangel).
Alleinige Therapie mit Folsäure kann zwar die hämatologischen Symptome eines Vit​amin-B12-Mangels
kompensieren, nicht aber die Synthese von Methionin aus Homocystein normalisieren. Dadurch werden alle von SAdenosylmethionin abhängigen Methylierungsreaktionen (z. B. Synthese von Myelin) gestört mit der Folge von
schweren, zum Teil irreversiblen neurologischen Schäden. Die alkoholinduzierte Störung des Folsäurehaushalts
scheint zudem bei Frauen das Brustkrebsrisiko zu erhöhen. Alkohol induziert die Expression des Cytochrom-P450Isoenzyms CYP2E1, das Ethanol zu mutagenem Acetaldehyd (Karzinogen) metabolisert. Zusätzlich führt chronischer
Alkoholkonsum zu einer hepatischen Depletion der Folsäurereserven. In der Folge wird die folsäurevermittelte
Methionin-Synthese und damit wichtige Methylierungsprozesse im Stoffwechsel gehemmt. Die DNA-Methylierung
spielt eine zentrale Rolle bei der Kontrolle der Transkription und Zellproliferation. Hyper- und hypomethylierte DNA
finden sich als Zeichen einer gestörten DNA-Methylierung in Tumorzellen. In einer aktuellen Studie an Frauen mit
hohem Alkoholkonsum (≥ 40 g/d) konnte das Brustkrebsrisiko durch die tägliche Einnahme von 400 µg Folsäure
signifikant verringert werden.
#124.04{sidFtnSJCKb}
6.1.5 Alkohol und Vit​amin C
#124.05{sid8Lc8uI0l}
Vit​amin-C-Mangel bei chronischem ​Alkoholkonsum
#124.06{sid6QRTGtJp}
Mechanismus: Mangelernährung durch zu wenig frisches Obst und Gemüse; Resorptionsstörungen; stark erhöhte
renale Vit​amin-C-Ausscheidung.
#124_125{sidoto078PI}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Folgen: Vit​amin-C-Mangel (Plasma < 0,4 mg pro dl bzw. 22 µmol/l); Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Muskelschwäche,
Infektanfälligkeit, hämolytische Anämie, Entzündungen des Gaumens und Zahnfleisches, Risiko für alkoholbedingte
Leberschäden, Zahnfleischbluten, lockere Zähne; Skorbut.
#125.01{sidhe9nax9D}
Hinweis: Nahezu alle Alkoholabhängigen weisen als Folge der erhöhten renalen Verluste stark reduzierte Vit​aminC-Konzentrationen im Plasma und Blutzellen (z. B. Leukozyten) auf. Acetaldehyd kann zudem mit L-Glutathion
reagieren und die Produktion an reaktiven Sauerstoffspezies steigern. Als Folge steigt der Bedarf an Antioxidanzien
wie Vit​amin C und L-Glutathion und der antioxidative Zellschutz sinkt. Das Risiko steigt unter anderem für oxidative
Leberzellschäden. Chronischer Alkoholkonsum induziert das im endoplasmatischen Retikulum (ER) lokalisierte
sauerstoffabhängige mikrosomale Ethanol oxidierende System. Dadurch wird die Synthese von reaktiven
Sauerstoffspezies begünstigt (○ Abb. 6.1). Letztere reagieren mit Membranphospholipiden und Organellen der
Leberzellen (z. B. Mitochondrien). Die damit assoziierte Lipidperoxidation mündet im Untergang von Leberzellen mit
dem Endpunkt einer Leberzellnekrose.
#125.02{sidWyI7cNCy}
Abb. 6.1 Alkohol und ROS-assoziierte Stoffwechselwege in der Leber
#125.03{sidnCcUI2wY}
Bei Vit​amin-C-Mangel sollte initial eine parenterale Applikation (z. B. Infusionen mit 5–7,5 g Vit​amin C in 100 ml 0,9
% NaCl, langsam i. v., täglich) und begleitend eine regelmäßige orale Substitution (z. B. 1 000–2 000 mg tgl., p. o.)
erfolgen.
#125.04{sidLZKcghDS}
6.1.6 Alkohol und Vit​amin A
#125.05{sidaYKMbnho}
Vit​amin-A-Mangel bei chronischem Alkoholkonsum
#125.06{sid8DAW6TCD}
Mechanismus: Verminderte diätetische Zufuhr (Obst/Gemüse: Carotinoide); intestinale Resorptionsstörungen;
Inhibierung der Oxidation von Retinol zu Retinsäure durch Mangel an der zinkabhängigen Alkohol-Dehydrogenase;
Leberzellschädigung; Induktion von Cytochrom-P450–2E1 steigert den Retinolabbau; Zinkmangel infolge
Hyperzinkurie führt zu einer Entleerung der hepatischen Vit​amin-A-Speicher (Zn: Alkohol-Dehydrogenase, RBP →
Retinol-Distribution).
#125.07{sidE6XikmwG}
Folgen: Vit​amin-A-Mangel (→ Mangel an retinolbindendem Protein, RBP); Nachtblindheit (Hemeralopie), Schäden
der Horn- und Bindehaut, Erblindung, Schleimhautatrophie (Gingivitis, Stomatitis), Geruchsstörungen, hypochrome
Anämie.
#125.08{sidu0JSyp7V}
Hinweis: Alkoholabhängige weisen häufig erniedrigte Vit​amin-A-Konzentrationen im Blut auf. Da chronischer
Alkoholkonsum die Toxizität von Vit​amin A und das Risiko für eine Leberschädigung erhöht erfolgt die
Supplementierung in einem engen therapeutischen Fenster.
#126.01{sid4p9VwBrb}
6.1.7 Alkohol und Vit​amin D
#126.02{sid8nVdSNbo}
Vit​amin-D-Mangel bei chronischem Alkoholkonsum
#126.03{sidHgD5eeDV}
Mechanismus: Unzureichende Zufuhr mit der Nahrung (z. B. fetter Seefisch); Malabsorption (→ exokrine
Pankreasinsuffizienz); geringe Sonnenlichtexposition; alkoholbedingte Leberschädigung beeinträchtigt Synthese von
Vit​amin-D-Plasmaproteinen (Plasmatransportfähigkeit von Vit​amin Ds) und Vit​amin-D-Metabolisierung; Induktion
von Cytochrom-P450-System steigert Vit​amin-D-Abbau; renale Calciumverluste.
#126.04{sidayc7f8Dw}
Folgen: Vit​amin-D-Mangel [25(OH)D im Serum: < 50 nmol/l bzw. < 20 ng/ml] oder Vit​amin-D-Insuffizienz [25(OH)D
im Serum: < 75 nmol/l bzw. < 30 ng/ml]; Hypocalcämie, Anstieg der Parathormonspiegel; Störungen im Calcium- und
Knochenstoffwechsel, Störung in der Balance zwischen Knochenabbau und -aufbau, Entmineralisierung der
Knochen, Osteopathie und erhöhtes Frakturrisiko. Verstärkt werden die Skelettanomalien durch direkte Effekte des
Alkohols auf die Knochenzellen (z. B. Osteoblasten).
#126.05{sidpeoiN2MR}
Hinweis: Bei einem Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) sollte mithilfe der folgenden Formel zunächst die
Vit​amin-D-Initialdosis (VDI) in I. E. berechnet werden: Vit​amin-D-Initialdosis (VDI) in I. E. = 40 × [Zielwert (nmol/l) – Ausgangswert (nmol/)] × kg Körpergewicht (KG)
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#126.06{sid82CXrHDH}
Die errechnete Vit​amin-D-Initialdosis (VDI) sollte gleichmäßig etwa auf 7–10 Tage verteilt werden (Bsp.: VDI =
405 000 I. E. → 10 Tage lang 40 000 I. E. Vit​amin D täglich).
#126.07{sidj3FfSAcP}
Im Anschluss sollten täglich 40–60 I. E. Vit​amin D pro kg KG eingenommen werden. Eine Erfolgskontrolle der
Vit​amin-D-Therapie sollte frühestens nach 6–8 Wochen labordiagnostisch durch die Messung des 25(OH)D im
Serum (Referenz: 40–60 ng/ml) überprüft werden.
#126.08{sidF8Liu7mm}
6.1.8 Alkohol und Vit​amin E
#126.09{sidqRAWcmyR}
Vit​amin-E-Mangel bei chronischem Alkoholkonsum
#126.10{sid46s6fuz4}
Mechanismus: Unzureichende Zufuhr mit der Nahrung; Malabsorption (→ exokrine Pankreasinsuffizienz); Alkohol
interferiert mit dem Einbau des Vit​amins in die Leber (VLDL) und der Distribution (Blut) im Organismus; die bei der
oxidativen Metabolisierung von Alkohol anfallenden freien Radikale steigern den Vit​amin-E-Verbrauch.
#126.11{sidhiMQbPpa}
Folgen: Vit​amin-E-Mangel (Plasma: ≤ 12 µmol/l); erhöhte Lipidperoxidation (→ MDA, 4-HNE); Neuropathien,
hämolytische Anämie.
#126.12{sidXelT2tiI}
Hinweis: Oxidativer Stress spielt in der Pathogenese alkoholischer Lebererkrankungen eine zentrale Rolle. Bei
Alkoholikern sind die Vit​amin-E-Spiegel in der Leber und im Plasma häufig erniedrigt und korrelieren mit der
Schwere der Leberstörung. Die alkoholtoxischen Effekte auf die Leber und extrahepatischen Gewebe können durch
die Supplementierung von Vit​amin E signifikant verringert werden.
#126.13{sidtA20uDQj}
Zur Kompensation eines Vit​amin-E-Mangels sollte eine Vit​amin-E-Substitution (500–1 000 I. E. α-Tocopherol tgl., p.
o.) zusammen mit Vit​amin C (500–2 000 mg/d), Selen (100–300 µg/d) und anderen Antioxidanzien erfolgen. Bei
Patienten mit Maldigestion oder Malabsorption durch Störungen der Galle- und Pankreassekretion ist eine
intramuskuläre Applikation (200–500 I. E. Vit​amin E tgl., i. m.) empfehlenswert. Eine hochdosierte Langzeitgabe von
Vit​amin E an Alkoholiker kann die Vit​amin-K-abhängige Synthese von Gerinnungsfaktoren verschlechtern und das
Risiko für Koagulopathien erhöhen!
#126.14{sidTZvLhtnC}
6.1.9 Alkohol und Zink
#126.15{sidqKW8GHbl}
Zinkmangel bei chronischem Alkoholkonsum
#126.16{sidZb7A7HaA}
Mechanismus: Mangelernährung; gestörte intestinale Zinkresorption; erhöhte renale Zinkexkretion (Hyperzinkurie);
Leberzellschäden.
#127.01{sidSCqOTktW}
Folgen: Zinkmangel (Serum < 0,75 mg/l, Abfall der Metallothionein-Spiegel); Geschmacksstörungen,
Appetitlosigkeit, Anorexie, Haut-, Schleimhautveränderungen, Einschränkung der Immunkompetenz: Phagozytose,
Chemotaxis und T-Zellaktivität ↓, Infektanfälligkeit; Störungen des Vit​amin-A-Stoffwechsels: Oxidation von Retinol zu
Retinal ↓, Dämmerungssehen ↓, Nachtblindheit, Synthese des RBP ↓, Mangel an zinkabhängiger AlkoholDehydrogenase stört oxidativen Alkoholabbau.
#127.02{sidz0593la9}
Hinweis: Bis zur Kompensation der Zinkmangelsymptomatik werden 20–50 mg Zink tgl., p. o., als Orotat, Gluconat
oder Aspartat empfohlen, im Anschluss Dosisreduktion auf 10–15 mg Zink tgl.
#127.03{sidC4txnnft}
Neben dem Zinkstatus sollte auch der Kupferhaushalt labordiagnostisch erfasst werden, da Kupfer mit dem Zinkund Eisenstoffwechsel in enger Beziehung steht.
#127.04{sidKeAdwGyA}
6.1.10 Alkohol und Magnesium
#127.05{sid13FTdk2a}
Magnesiummangel bei chronischem Alkoholkonsum
#127.06{sid7kOGCcU6}
Mechanismus: Gestörte intestinale Magnesiumresorption; Durchfälle; erhöhte renale Magnesiumexkretion;
häufiger Alkoholkonsum fördert die alkoholinduzierte Magnesiumdiurese und beeinträchtigt zugleich die renale
tubuläre Rückresorption. Die Niere kann die Magnesiumausscheidung bei schlechter Versorgungslage drosseln.
Dieser renale Magnesiumspareffekt wird von Alkohol durchbrochen.
#127.07{sidLOUCQs6g}
Folgen: Magnesiummangel (Serum < 0,76 mmol/l); Muskelkrämpfe, Muskelschwäche, Kardiomyopathie,
Hypomagnesiämie führt zur Hypovit​aminose D durch erhöhte Aktivität der 24-Hydroxylase, Störungen des Vit​aminD-, Calcium- und Knochenstoffwechsels: Aktivität der 25-Hydroxylase ↓, 1α-Hydroxylase ↓, Bildung des VDBP ↓,
Osteopathie, Hypocalcämie → alkoholinduzierte Osteoporose).
#127.08{sidiyvJzJLY}
Hinweis: Der regelmäßige Konsum moderater Alkoholmengen kann bereits durch den renalen Verlust zu einem
Magnesiummangel führen, insbesondere bei magnesiumarmer Ernährung. Der Magnesiumstatus kann im Vollblut
oder im Serum (Referenz: 0,76–1,15 mmol/l) labordiagnostisch kontrolliert werden. Bis zur Kompensation der
Magnesiummangel-Symptomatik sollten täglich 4–8 mg Magnesium pro kg Körpergewicht über den Tag verteilt, z.
B. als Citrat, Orotat oder Aspartat eingenommen werden. Initial sind auch Infusionen mit Magnesiumsulfat sinnvoll.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#127.09{sidkUXQLUX4}
6.1.11 Alkohol und Selen
#127.10{sidB6BUxyjB}
Selenmangel bei chronischem Alkoholkonsum
#127.11{sidMs559U29}
Mechanismus: Verminderte diätetische Selenaufnahme; gestörte intestinale Selenresorption; erhöhter intestinaler
Selenverlust (Durchfall, Erbrechen).
#127.12{sidFeSh6zUI}
Folgen: Selenmangel (Vollblut < 100 µg/l, Abfall der Glutathion-Peroxidase-Aktivität); Abfall der Selenspiegel in
den Leukozyten, Müdigkeit, Infektanfälligkeit, Störungen des Schilddrüsenhormonstoffwechsels; erhöhtes Risiko für
radikalinduzierte Schäden der Leber, des Herzmuskels und der Skelettmuskulatur.
#127.13{sidf7LtqMnn}
Hinweis: Je nach Ausprägung des Selenmangels empfehlen sich initial Kurzinfusionen mit Natriumselenit (z. B.
500 µg Selen) sowie die regelmäßige orale Substitution eines Antioxidanzien-Präparats mit 100 bis 300 µg Selen.
Ein guter Selenstatus im Vollblut liegt bei 130 bis 155 µg/l.
#127.14{sid4lByXlQp}
6.1.12 Alkohol und Eisen
#127.15{sidDmaPV979}
Alkohol erhöht die Eisenspeicher im ​Organismus
#127.16{sidWd4aujRn}
Mechanismus: Die Eisen- und Ferritinspiegel im Serum steigen bereits bei moderatem Alkoholkonsum an.
#127.17{siddvSLx1gs}
Folgen: Eisenakkumulation in den Hepatozyten und Kupfferzellen; eiseninduzierte oxidative Schäden und
Aktivierung von NFκB kann proinflammatorische Prozesse in der Leber fördern und das alkoholbedingte Risiko für
eine Leberfibrose und Leberzirrhose steigern, insbesondere bei chronischem Alkoholabusus.
#128.01{sidDZituSOW}
Hinweis: Eiseninduzierter oxidativer Stress spielt in der Pathogenese alkoholinduzierter Leberschäden eine
zentrale Rolle. Bei chronischem Alkoholkonsum ist eine unkontrollierte Selbstmedikation mit Eisenpräparaten wegen
der Gefahr der Eisenakkumulation in der Leber und hepatotoxischer Schäden zu vermeiden. Die Substitution
antioxidativ wirkender Mikronährstoffe (z. B. Vit​amin C, E, Betacarotin, Selen) ist empfehlenswert.
#128.02{sidiPwRjXcZ}
Literatur
#128.03{sidhpEPEvie}
Abott L et al. Magnesium deficiency in alcoholism: possible contribution to osteoporosis and cardiovascular disease
in alcoholics. Alcohol Clin Exp Res, 18: 1076–1082, 1994
#128.04{sidMNkN39nl}
Allan DT et al. The royal college of physicians report on alcohol, guidelines for managing wernickes’s
encephalopathy in the accident and emergency department. Alcohol & Alcoholism, 37 (6): 513–521, 2002
#128.05{sidrSqHjTgh}
Ayazpoor U. Chronic alcohol abuse. Benfotiamine in alcohol damage is a must. MMW Fortschr Med, 143 (16): 53,
2001
#128.06{sidO3QpZzT2}
Baglietto L et al. Does dietary folate intake modify effect of alcohol consumption on breast cancer risk? Prospective
cohort study. BMJ, 331: 807–810, 2005
#128.07{sidNBvR03Fa}
Baker H et al. Inability of chronic alcoholics with liver disease to use food as a source of folates, thiamin and vit​amin
B6. Am J Clin Nutr, 28 (12): 1377–1380, 1975
#128.08{sidrDsRo4cK}
Bjorneboe GA. Effect of heavy alcohol consumption on serum concentrations of fat-soluble vit​amins and selenium.
Alcohol Suppl, 1: 533–537, 1987
#128.09{sidFJ0q8w38}
Bjorneboe GE. Diminished serum concentration of vit​amin E in alcoholics. Ann Nutr Metab, 32 (2): 56–61, 1988
#128.10{sidd56MbzCj}
Bleich S et al. Elevated homocysteine levels in alcohol withdrawal. Alcohol, 35 (4): 351–354, 2000
#128.11{sidHtP1ykcK}
Bleich S et al. Homocysteine as a neurotoxin in chronic alcoholism. Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry, 28
(3): 453–464, 2004
#128.12{sidNzRmy630}
Bonjour JP. Vit​amins and alcoholism. II. folate and vit​amin B12. Int J Vitam Nutr Res, 50 (1): 96–121, 1980
#128.13{sidvdlXciLV}
Chapman KM et al. Vit​amin A status of alcoholics upon admission and after two weeks of hospitalization. J Am Coll
Nutr, 12 (1): 77–83, 1993
#128.14{sidBYzuCZzu}
Cook CCH et al. B-vit​amin deficiency and neuro-psychiatric syndromes in alcohol misuse. Alcohol & Alcoholism, 33:
317–336, 1998
#128.15{sidcD1fL3Tb}
Cravo ML, Camilo ME. Hyperhomocysteinemia in chronic alcoholism: relations to folic acid and vit​amins B(6) and
B(12) status. Nutrition, 16 (4): 296–302, 2000
#128.16{sidq4rT2X17}
Dingwall KM, Delima JF, Gent D, Batey RG. Hypomagnesaemia and its potential impact on thiamine utilisation in
patients with alcohol misuse at the Alice Springs Hospital. Drug Alcohol Rev, 34 (3): 323–328, 2015
#128.17{sidaS1PgbPG}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Fernandes LMP, Bezerra FR, Monteiro MC et al. Thiamine deficiency, oxidative metabolic pathways and ethanolinduced neurotoxicity: how poor nutrition contributes to the alcoholic syndrome, as Marchiafava-Bignami disease.
Eur J Clin Nutr, 71 (5): 580–586, 2017
#128.18{sid4BJdAfHU}
Garcia-Puges AM et al. Changes in the small intestine mucosa in chronic alcoholism. Gastroenterol Hepatol, 18:
309–314, 1995
#128.19{sidyBPBGnym}
Gueguen S et al. Changes in serum retinol, alpha-tocopherol, vit​amin C, carotenoids, xinc and selenium after
micronutrient supplementation during alcohol rehabilitation. J Am Coll Nutr, 22 (4): 303–310, 2003
#128.20{sidYtmbSMXL}
Heilmann E, Koschatzki J. Folic acid and vit​amin B 12 in chronic alcoholics. Schweiz Med Wochenschr, 108 (48):
1920–1923, 1978
#128.21{sidWbUECxq6}
Hoyumpa AM. Mechanisms of vit​amin deficiencies in alcoholism. Alcohol Clin Exp Res, 10 (6): 573–581, 1986
#128.22{sidNMrJTcNy}
Ijaz S, Jackson J, Thorley H et al. Nutritional deficiencies in homeless persons with problematic drinking: a
systematic review. Int J Equity Health, 16 (1): 71, doi: 10.1186/s12939-017-0564-4, 2017
#128.23{sid1MgjSSLO}
Kalbfleisch JM et al. Effects of ethanol administration on urinary excretion of magnesium and other electrolytes in
alcoholic and normal subjects. J Clin Invest, 42: 1471–1475, 1963
#128.24{sid5238F5vf}
Laitinen K et al. Deranged vit​amin D metabolism but normal bone mineral density in Finnish noncirrhotic male
alcoholics. Alcohol Clin Exp Res, 14 (4): 551–556, 1990
#129.01{sid7u9g67vy}
Laitinen K et al. Effects of 3 weeks moderate alcohol intake on bone and mineral metabolism in normal men. Bone
Miner, 13: 139–151, 1991
#129.02{sidUeM3R3m4}
Lecomte E et al. Effect of alcohol consumption on blood antioxidant nutrients and oxidative stress indicators. Am J
Clin Nutr, 60 (2): 255–261, 1994
#129.03{sidVuBKrwQI}
Lieber CS. The influence of alcohol on nutritional status. Nutr Rev, 46: 241–245, 1988
#129.04{sidsYiMtQ6y}
Lieber CS et al. S-adenosyl-L-methionine attenuates alcohol-induced liver injury in the baboon. Hepatology, 11 (2):
165–172, 1990
#129.05{sid15aC55P3}
Majumdar SK. Vit​amin utilization status in chronic alcoholics. Int J Vitam Nutr Res, 51 (1): 54–58, 1981
#129.06{sidFA6hntIL}
Majumdar SK et al. Vit​amin C utilization status in chronic alcoholic patients after short-term intravenous therapy. Int J
Vitam Nutr Res, 151 (3): 274–278, 1981
#129.07{sidBXqtZEYT}
Majumdar, S. K., et al., Blood vit​amin status (B1, B2, B6, folic acid and B12) in patients with alcoholic liver disease.
Int J Vitam Nutr Res, 52 (3): 266–271, 1982
#129.08{sidPk4lXnWj}
Majumdar SK et al. Vit​amin A utilization status in chronic alcoholic patients. Int J Vitam Nutr Res, 53 (3): 273–279,
1983
#129.09{sid09HPs1Uf}
McChain CJ et al. Zinc deficiency in the alcoholic: a review. Alcohol Clin Exp Res, 7: 5–10, 1983
#129.10{sidhn5HOvYA}
Melchionda D, Martino T, Carapelle E et al. Wernicke‘s encephalopathy following reduced food intake due to
depressive disorders. Nutr Neurosci, 14: 1–4, doi: 10.1080/1028415X.2017.1293761, 2017
#129.11{sidpjAbH42S}
Mezey E. Metabolic effects of alcohol. Fed Proc, 44 (1 Pt 1): 134–138, 1985
#129.12{sidW5Gbhs1O}
Moore AA et al. Alcohol use, comorbidity, and mortality. J Am Geriatr Soc, 54 (5): 757–762, 2006
#129.13{sidsLHbCU4u}
Parker TH et al. Effect of acute alcohol ingestion on plasma pyridoxal 5‘-phosphate. Am J Clin Nutr, 32 (6): 1246–
1252, 1979
#129.14{sid12EL8CZb}
Purohit V et al. Role of iron in alcoholic liver disease: introduction and summary of the symposium. Alcohol, 30 (2):
93–97, 2003
#129.15{sidMBcIfXJO}
Russell RM. Vit​amin A and zinc metabolism in alcoholism. Am J Clin Nutr, 33 (12), 2741–2749, 1980
#129.16{sidA9HN8f5Z}
Roncone DP. Xerophthalmia secondary to alcohol-induced malnutrition. Optometry, 77 (3): 124–133, 2006
#129.17{sidMUt6x7nK}
Shaw S et al. Effect of ethanol-generated free radicals on gastric intrinsic factor and glutathione. Alcohol, 7 (2): 153–
157, 1990
#129.18{sidcU23MErM}
Ströhle A, Wolters M, Hahn A. Alcohol intake – a two-edged sword. Part 1: metabolism and pathogenic effects of
alcohol. Med Monatsschr Pharm, 35 (8): 281–292, 2012
#129.19{sid8MH6RTzu}
Ströhle A, Wolters M, Hahn A. Alcohol intake – a two-edged sword. Part 2: protective effects of alcohol and
recommendations for its safe use. Med Monatsschr Pharm, 35 (9): 314–317, 2012
#129.20{sidzk0SLiIs}
Van der Gaag MS et al. Effect of consumption of red wine, spirits, and beer on serum homocysteine. Lancet, 355
(9214): 1522, 2000
#129.21{sidsvyaItJF}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Vendemiale G et al. Effects of oral S-adenosyl-L-methionine on hepatic glutathione in patients with liver disease.
Scand J Gastroenterol, 24 (4): 407–415, 1989
#129.22{sid9eJkKTLl}
Whitfield JB et al. Effects of alcohol consumption on indices of iron stores and of iron stores on alcohol intake
markers. Alcohol Clin Exp Res, 25 (7): 1037–45, 2001
#129.23{sidWGLuhTMp}
Woelk H et al. Benfotiamine in treatment of alcoholic polyneuropathy: an 8-week randomized placebo controlled
study (BAP I Study). Alcohol & Alcoholism, 33 (6): 631–638, 1998
#130.01{sidLiIgTzer}
7 Analgetika
#130.02{sidXlM889Lx}
Gastrointestinale Störungen durch Acetylsalicylsäure (ASS) und nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) zählen
zu den häufigsten Nebenwirkungen aller Arzneimittel in den modernen Industrienationen. Der Acetylsalicylsäure
(ASS) kommt hierbei nicht zuletzt aufgrund der hohen Verbrauchsrate im Rahmen der Selbstmedikation die
größte Bedeutung zu. Über 25 % aller Nebenwirkungen der Acetylsalicylsäure betreffen den
Gastrointestinaltrakt. Sie reichen von leichten Beschwerden wie Dyspepsie und oberflächlichen Erosionen der
Magenschleimhaut bis hin zu okkulten Blutungen, erosiver Gastritis und Ulzerationen (z. B. Magengeschwür).
Das relative Risiko für gastrointestinale Störungen durch Acetylsalicylsäure steigt mit der Tagesdosis und
Einnahmedauer. Die gleichzeitige Einnahme anderer NSAID verdoppelt das Risiko.
#130.03{sidebvvy0br}
7.1 Gastrointestinale Störungen durch Acetylsalicylsäure und nichtsteroidale
Antirheumatika
#130.04{sidG4ndNlqE}
Die pharmakologischen Eigenschaften der Acetylsalicylsäure beruhen überwiegend auf einer Hemmung von
Cyclooxygenase-(COX)-Isoenzymen und Reduktion der Prostaglandinsynthese. Während die antiphlogistische,
analgetische und antipyretische Wirkung der Acetylsalicylsäure hauptsächlich aus der Hemmung des Enzyms COX2 resultiert, führt die gleichzeitige unselektive Hemmung der COX-1 zu zahlreichen unerwünschten Wirkungen,
insbesondere gastrointestinalen Störungen.
#130.05{sid1GgVQtJT}
Prostaglandine gehören zur Klasse der Gewebshormone, die vielfältige physiologische (z. B.
Magenschleimhautschutz) und pathophysiologische (z. B. Beteiligung an Schmerz, Entzündung) Funktionen im
Organismus ausüben. In der Magenschleimhaut kommen Prostaglandine, v. a. PGE2, in hohen Konzentrationen vor.
Sie stimulieren die Schleimsekretion und schützen die Magenschleimhaut durch einen zytoprotektiven Effekt vor
Nekrosen und Entzündungen. Eine unselektive Hemmung der Prostaglandinsynthese (Magen: PGE2-Synthese ↓)
durch Acetylsalicylsäure verschlechtert nicht nur die Qualität und Menge des schützenden Magenschleims. Auch der
Blutstrom in der Magenmukosa wird verringert und die Salzsäureproduktion erhöht. Das Oberflächenepithel des
Magens ist dadurch ungeschützt dem sauren und enzymreichen Magensaft ausgeliefert. Unter der Einnahme von
Acetylsalicylsäure und anderen nicht selektiven NSAID treten daher häufig Magenbeschwerden und okkulte
Mikroblutungen auf. Seltener, aber dafür gefährlicher sind schwere Magenblutungen und Magengeschwüre.
#130.06{sidM8gUnLUj}
Da gastrointestinale Nebenwirkungen der Acetylsalicylsäure und NSAID über eine Hemmung der konstitutiven COX1 entstehen, setzte man große Hoffnungen in die Entwicklung nebenwirkungsärmerer selektiver COX-2-Hemmer,
wie Rofecoxib und Celecoxib (CLASS study). Der anfänglichen Euphorie folgte jedoch rasche Ernüchterung, als
beim BfArM zahlreiche Meldungen über gastrointestinale Nebenwirkungen dieser „neuen“, für die Therapie von
Schmerzen bei degenerativen Gelenkerkrankungen (→ Osteoarthrose, Rheuma), zugelassenen Arzneimittel
eingingen.
#130_131{sidQOrCh5Hj}
Weitere Komplikationen betrafen das Herz-Kreislauf-System, insbesondere ein Anstieg des Blutdrucks und das
Auftreten peripherer Ödeme. Die COX-2 kann als konstitutives Enzym im Zentralnervensystem, im Magen und den
Nieren nachgewiesen werden. Die über die regulierbare COX-2 gebildeten Prostaglandine sind im Organismus an
wichtigen physiologischen Funktionen, wie der Regulation des renalen Blutvolumens oder der Regeneration der
Magenschleimhaut beteiligt. So erfolgt z. B. die Abheilung bereits bestehender Schäden der Magenwand
vornehmlich über die von COX-2 erzeugten Prostaglandine. Das unerwartete Nebenwirkungsprofil der COX-2Hemmer verdeutlicht die komplexe Natur neuer Arzneimittel mit geringem klinischem Erfahrungsschatz und hebt den
therapeutischen Stellenwert altbewährter Substanzen wie Acetylsalicylsäure hervor (○ Abb. 7.1).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#131{sidnVjpxClH}
Abb. 7.1 NSAID und gastrointestinale Schäden (nach becker et al., 2004)
#131_132{sidUCMKd3j2}
Aktuelle Studien mit Acetylsalicylsäure und Vit​amin C lassen die ASS-induzierten Gastropathien in einem neuen
Licht erscheinen und bieten neue therapeutische Ansätze zur Reduktion der gastrointestinalen Nebenwirkungen.
Danach ist die schädigende Wirkung der ASS auf die Magenmukosa nicht nur auf die Hemmung der die
Magenschleimhaut schützenden Prostaglandine zurückzuführen. Als neuer Pathogenesefaktor rücken freie Radikale
in den Fokus. Oxidativer Stress ist wesentlich an der Pathogenese und Progression gastrointestinaler Störungen
durch ASS beteiligt.
#132.01{sidgZl0qM8m}
7.1.1 Acetylsalicylsäure und Vit​amin C
#132.02{siduvqyvjnB}
Vit​amin C schützt vor Magenschleimhautschäden durch ASS
#132.03{sidp6RVuB5R}
Mit Vit​amin-C-Konzentrationen die bis zu 25-mal höher sind als im Plasma, zählt die Magenmukosa zu den größten
Vit​amin-C-Depots im menschlichen Körper. An den Gastropathien sind neben der Hemmung der protektiven
Prostaglandine vor allem prooxidative Prozesse und Störungen des gastrointestinalen Vit​amin-C-Haushalts durch
ASS beteiligt. Unter einer ASS-Therapie fallen die Vit​amin-C-Spiegel im Magensaft, Plasma und Urin ab. Auch der
Vit​amin-C-Gehalt im Gewebe sinkt unter ASS (□ Tab. 7.1). Durch die Kombination mit Vit​amin C lässt sich die
Inzidenz unerwünschter gastrointestinaler Wirkungen der Acetylsalicylsäure signifikant senken und einer Vit​amin-CDepletion vorbeugen.
#132.04{sid54GFhTP5}
Tab. 7.1 Durch Acetylsalicylsäure induzierte Gastropathien
#132.05{sidIfOHNchP}
Faktor
Mechanismus
Superoxiddismutase (SOD)
Erniedrigung
Gruppe
#132.06{sidr5eF1tCa}
Aktivität anti- und prooxidativer ​Enzyme in der
Magenmukosa
#132.07{sidS6mrnnb4}
Erniedrigung
Glutathionperoxidase
#132.08{sidV1FBJjHA}
Erhöhung
Myeloperoxidase (MPO)
#132.09{sidSyg8v8eO}
Erhöhung
Lipidperoxidation
#132.10{sidzUpyYlmp}
Intragastraler Vit​amin-C-Status
Vit​amin-C-Spiegel
#132.11{sidGSgVw7sS}
Erniedrigung
Erhöhung
Vit​amin-C-Verbrauch
#132.12{sidawHheK2g}
Prostaglandine
Cyclooxygenase 1 (COX 1)
#132.13{sidOCdLsRmF}
Hemmung
Erniedrigung
PGE2-Synthese (Magen)
#132.14{sidbSxITf4Z}
Vit​amin C verbessert Wirkung und Verträglichkeit von Acetylsalicylsäure
#132.15{sidsEXOYH64}
Die Bedeutung reaktiver Sauerstoffspezies und antioxidativer Schutzsysteme für die Pathogenese ASS-induzierter
Magenschäden war Gegenstand einer Studie an gesunden Probanden (Helicobacter negativ), die drei Tage lang
zweimal 800 mg ASS tgl., mit oder ohne Zugabe von jeweils 480 mg Vit​amin C erhielten. Unter der Einnahme von
ASS (2 × 800 mg tgl., p. o.) traten Magenschleimhautschäden auf, die mit einem deutlichen Anstieg der
Lipidperoxidation und Aktivität der Myeloperoxidase (MPO) im Gastrointestinaltrakt assoziiert waren. Die erhöhte
Myeloperoxidase-Aktivität deutet auf eine Beteiligung von aktivierten Neutrophilen als wesentliche Radikalquelle bei
der Schädigung der Magenschleimhaut hin. Darüber hinaus waren bei den Probanden unter ASS eine verringerte
Durchblutung der Magenmukosa, ein Abfall der Vit​amin-C-Konzentrationen im Magensaft sowie eine Suppression
der Superoxiddismutase-(SOD)- und Glutathionperoxidase-(GSHPx)-Aktivität nachweisbar (□ Tab. 7.2).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#133.01{sidTv7nx8Yi}
Tab. 7.2 Intragastrale Vit​amin-C-Spiegel und Aktivität der MPO, SOD und GSHPx
#133.02{sidZMDoIOzb}
Gruppe
#133.03{sidVujm3CPs}
Kontrollen
#133.04{sidLVpEEwrh}
ASS
#133.05{sid3dxQLYit}
ASS + Vit​amin C
Gastrale Vit​amin-CSpiegel (mg/dl)
MPO (ng/g
Gewebe)
SOD (U/g Gewebe
× 103)
GSHPx (mU/g
Gewebe)
23,6 ± 2,4
52
4,37
2 049
16,4 ± 2,7
148
2,18
1 415
36,7 ± 5,3
76
3,39
2 061
#132_133{sidDYVf8ebF}
Die gleichzeitige Einnahme des gastroprotektiven Vit​amin C (2 × 480 mg tgl., p. o.) verhinderte einen
Aktivitätsverlust der beiden antioxidativen Schutzenzyme und verringerte signifikant die durch ASS-induzierten
Magenschleimhautschäden. Die Kombination von Acetylsalicylsäure mit dem gastroprotektiven Vit​amin C (500–2
000 mg tgl., p. o.) kann die Verträglichkeit einer Schmerztherapie signifikant verbessern. In der Therapie
degenerativer und entzündlicher Erkrankungen des Bewegungsapparates mit NSAID wie Diclofenac empfiehlt sich
neben Vit​amin C die zusätzliche Gabe des antiinflammatorisch und antioxidativ wirksamen Vit​amin E (z. B. 200–1
000 I. E. Tocopherole/-trienole tgl., p. o.).
#133.06{sidnUoMjtVD}
7.1.2 Acetylsalicylsäure, NSAID und Folsäure/Vit​amin B12
#133.07{sid4lsVHx3A}
NSAID stören die Resorption und Distribution von Folsäure und Vit​amin B12
#133.08{sidxZlNpN5T}
Mechanismus: NSAID (z. B. Salicylate, Indometacin) können durch gastrointestinale Schäden die Resorption und
Bioverfügbarkeit von Mikronährstoffen, insbesondere von Folsäure und Vit​amin B12 stören. Folsäure kann im
Organismus durch ASS aus seiner Plasmaproteinbindung verdrängt und vermehrt mit dem Harn ausgeschieden
werden.
#133.09{sidRYIool5q}
Folgen: Patienten, die regelmäßig ASS einnehmen, können einen suboptimalen Vit​amin-B12- und/oder FolsäureStatus aufweisen. Unter einer ASS-Therapie kann die renale Folsäure-Exkretion leicht ansteigen. Längerfristig kann
hieraus eine suboptimale Folsäure- und Vit​amin-B12-Bilanz resultieren.
#133.10{sidg1XJoZyQ}
Hinweis: Unter Langzeitmedikation mit ASS ist auf eine ausreichende Folsäure- und Vit​amin-B12-Versorgung zu
achten. Aufgrund der Häufigkeit einer atrophischen Gastritis im Alter (bis zu 40 % der über 60-jährigen) und im
Hinblick auf die hohe Selbstmedikationsrate mit ASS kann älteren Personen eine zusätzliche Aufnahme von
Vit​amin B12 (100–1 000 µg tgl., p. o.) und Folsäure (0,6–1 mg tgl., p. o.) empfohlen werden. Labordiagnostisch ist
eine Erfassung des Homocysteinplasmaspiegels sowie des Folsäure- und Vit​amin-B12-Status (z. B. MMS, Holo-TC)
empfehlenswert.
#133.11{sidcoDk2XrA}
7.1.3 Acetylsalicylsäure und Vit​amin C
#133.12{sidwf4y75ko}
Acetylsalicylsäure steigert die Vit​amin-C-Ausscheidung
#133.13{sidLP4vYREs}
Mechanismus: Salicylate hemmen den aktiven Na-abhängigen Vit​amin-C-Transport durch die Darmwand; die
Ausscheidung von Vit​amin C mit dem Urin und Faeces wird durch ASS erhöht (auch Indometacin steigert die renale
Vit​amin-C-Ausscheidung); die Vit​amin-C-Spiegel im Gewebe, in den Leukozyten, der Magenmukosa, im Magensaft
und im Plasma fallen ab.
#133.14{sidz8JsUR6m}
Folgen: Erhöhtes Risiko für oxidativ induzierte Schäden der Magenschleimhaut (z. B. Mikroblutungen,
Ulzerationen), infolge gesteigerter Lipidperoxidation (z. B. Myeloperoxidase-Aktivität) und Suppression
antioxidativer Enzyme (z. B. SOD, GSH-Px) im Gastrointestinaltrakt durch ASS.
#133_134{sidfjs0QVcp}
Hinweis: Die Kombination von ASS mit Vit​amin C verringert das Risiko für radikalinduzierte
Magenschleimhautschäden und kann gastrointestinalen Vit​amin-C-Verlusten unter einer Therapie mit ASS
vorbeugen; die ASS-induzierte Hemmung der COX-2-Aktivität und damit verbundene Synthese von Prostaglandin
E2 wird durch die Kombination mit Vit​amin C verstärkt; bei Anwendung von ASS (z. B. 400 mg ASS/d bei Fieber
oder Erkältungskrankheiten) ist die zusätzliche Einnahme von Vit​amin C (z. B. 500 mg/d, p. o.) sinnvoll. In den Zellen
der Magenschleimhaut führt die Kombination von ASS und Vit​amin C zu einer überadditiven, synergistischen
Verstärkung der Hämoxygenase-1-Expression und der Bilirubin-Bildung. Für Bilirubin werden antioxidative und
protektive Effekte auf die Zellen der Magenschleimhaut beschrieben. Vit​amin C reichert sich in den Zellen der
spezifischen und unspezifischen (Phagozyten) Immunabwehr an und verhindert durch seine protektiven
antioxidativen Effekte die oxidative Selbstzerstörung und das vorzeitige Absterben der Phagozyten. Die
Funktionsfähigkeit der Immunzellen wird durch Vit​amin C verlängert sowie die Dauer und Schwere der Symptome
bei Erkältungskrankheiten verringert. Aufgrund der erhöhten Induktion von Ferritin in den Phagozyten durch Vit​amin
C und Acetylsalicylsäure ist von einer synergistischen Verstärkung der protektiven Effekte beider Substanzen auf die
Immunkompetenz und die antimikrobielle Funktion auszugehen.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#134.01{sidtyWT4ZRJ}
7.1.4 Acetylsalicylsäure und Eisen
#134.02{sid2Ntg5rd0}
Eisenmangelanämie durch Acetylsalicylsäure
#134.03{sidQQbNAcuH}
Mechanismus: Langfristige Einnahme von Acetylsalicylsäure und anderen NSAID (z. B. Indometacin) kann die
Eisenabsorption beeinträchtigen und durch okkulte Mikroblutungen zu einem Eisenverlust führen.
#134.04{sidSiAfBj25}
Folgen: Eisenmangelanämie (hypochrome, mikrozytäre Anämie); Serumferritin (< 30 µg/l); verringerte physische
und psychische Belastbarkeit (z. B. Müdigkeit, Konzentrationsstörungen), Kälteempfindlichkeit, Blässe der Haut,
Haarausfall.
#134.05{sidqY5HIksM}
Hinweis: Die chronische Einnahme von NSAID kann durch okkulte gastrointestinale Blutungen zu einem
Eisenmangel beitragen. Etwa 70 % aller Patienten, die regelmäßig ASS einnehmen, verlieren täglich mehr als 2 ml
Blut und bis zu 10 % verlieren mehr als 10 ml (1 ml Blut enthält etwa 0,5 mg Eisen).
#134.06{sido0Kwr8TW}
7.1.5 Paracetamol und N-Acetylcystein
#134.07{sidGD4MEwo2}
N-Acetylcystein fördert die Detoxifikation und reduziert die Hepatotoxizität von ​Paracetamol
#134.08{sidOsYrjltm}
Mechanismus: Das GSH-Prodrug NAC stimuliert die endogene Glutathion-Biosynthese und verbessert den
endogenen Glutathionstatus; die hepatozelluläre Entgiftung von Paracetamol wird gefördert und die Lebertoxizität
des antipyretisch wirkenden Analgetikums reduziert (siehe auch S. 76ff.).
#134.09{sidurT45jI3}
Folgen: Verringerung des hepatotoxischen Potenzials von Paracetamol (Acetaminophen); Leberzellschutz.
#134_135{sidxxZfjmAO}
Hinweis: In der Therapie von Paracetamol-Vergiftungen (z. B. Intoxikationen mit suizidaler Absicht) hat sich die
Antidot-Therapie mit NAC 20 % Injektionslösung bewährt. Die Antidot-Therapie erstreckt sich über einen Zeitraum
von 20 Stunden, innerhalb der eine Gesamtdosis von 300 mg NAC/kg Körpergewicht intravenös appliziert werden.
Die Hälfte der Gesamtdosis (150 mg/kg Körpergewicht) wird als Initialdosis innerhalb der ersten 15 Minuten der
Behandlung gegeben. NAC steigert die GSH-Biosynthese und beschleunigt dadurch die Regeneration der
Leberzellen und den Entgiftungsprozess. Neben N-Acetylcystein sind auch die Aminosäure L-Methionin und das
Vit​aminoid α-Liponsäure von zentraler Bedeutung für den Leberzellschutz. Das zentral analgetisch wirksame
Paracetamol wird im Organismus durch Glucuronidierung bzw. Sulfatierung wasserlöslich und damit
ausscheidungsfähig gemacht. Ein Teil kann jedoch über mikrosomale Monooxygenasen (Phase I: Cytochrom-P450System) zu hepatotoxischen Metaboliten wie das N-Acetylchinonimin oxidiert werden, die über die Bildung ungiftiger
Glutathion-S-Konjugate ausgeschieden werden. Sind die hepatozellulären GSH-Speicher erschöpft oder steht GSH
infolge konkurrierender Reaktionen (z. B. durch Induktoren des Cytochrom-P450–2E1-Systems) nicht in
ausreichender Menge zur Verfügung, sind die hepatotoxischen Metaboliten in der Lage, sich kovalent an SHGruppen der Leberzellproteine zu binden mit der Folge tödlicher Leberzellnekrosen. Auch die bei chronischem
Alkoholkonsum gesteigerte Induktion des Cytochrom-P450–2E1(CYP2E1)-Systems erhöht signifikant die Toxizität
des Paracetamols.
#135.01{sidHVpxTKic}
7.1.6 Paracetamol und Nicotinamid
#135.02{sidNMPauFNA}
NAD-Depletion durch Paracetamol
#135.03{sidNO2eIy0G}
Mechanismus: Nicotinamid ist in Form des Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid (NAD) eine Quelle für ADP-Ribose
bei der Poly-ADP-Ribosylierung von Proteinen durch das Enzym Poly(-ADP-Ribose)-Polymerase (PARP); PolyADP-ribosylierte Proteine sind an DNA-Reparaturmechanismen beteiligt; hepatozelluläre DNA-Schäden durch
Paracetamol steigern die Aktivität der PARP, die durch die Übertragung von Poly-ADP-Ribose-Resten von NAD auf
verschiedene DNA-Reparaturenzyme den NAD-Verbrauch erhöht.
#135.04{sidelxBvZZP}
Folgen: Zelluläre Verarmung an NAD (Mangel an Nicotinamid = Präkursor von NAD) und ATP; Verlust des
antioxidativen und energetischen Status der Zelle; hepatozelluläre Nekrose und/oder Apoptose.
#135.05{sidx1voBeqH}
Hinweis: An den hepatotoxischen Effekten des Paracetamols sind verschiedene Mechanismen beteiligt: oxidativer
Stress (GSH-Depletion → NAC), DNA-Fragmentierung und zelluläre Apoptose; der PARP Inhibitor Nicotinamid
beugt durch Paracetamol induzierte Leberzellschäden vor (Leberzelle: Reparaturmechanismen ↑, NAD-Verbrauch ↓,
antioxidativer Status ↑, ATP-Versorgung ↑). Die kombinierte Einnahme von Paracetamol mit hepatoprotektiven
Substanzen wie Nicotinamid, NAC und Vit​amin C kann das Risiko für Leberschäden durch Paracetamol signifikant
vermindern. Auch die Lebertoxizität des Antirheumatikums Methotrexat kann durch Nicotinamid verringert werden.
#135.06{sidBcGadm5N}
7.1.7 NSAID und Eisen
#135.07{sidwSrAF8sw}
Verstärkung der schleimhautreizenden ​Wirkung bei gleichzeitiger Einnahme von Eisenpräparaten und
Salicylaten
#135.08{sidih3TlizQ}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Mechanismus: Lokale Reizungen der Magen- und Darmschleimhaut treten bei der peroralen Einnahme von
Eisenpräparaten häufig (bis zu 20 %) auf. Sie können sich durch Appetitlosigkeit und Übelkeit äußern. Eisen ist ein
Promoter für freie Radikale und oxidativen Stress. Bei den gastrointestinalen Störungen durch NSAID (z. B.
Salicylate, Indometacin) und Eisen spielt oxidativer Stress als Pathogenesefaktor eine zentrale Rolle.
#135.09{sidR9YPDGRF}
Folgen: Die gleichzeitige Einnahme von NSAID und Eisen erhöht das Risiko für oxidativ induzierte
Magenschleimhautreizungen und -schäden (z. B. Gastritis, Ulzerationen).
#135.10{sid3xij5SbG}
Hinweis: NSAID und Eisenpräparate sollten in einem zeitlichen Abstand von 2 bis 3 Stunden von einander getrennt
eingenommen werden. Die Einnahme von Eisen mit Vit​amin C (reduziert 3-wertiges Eisen in die besser
resorbierbare 2-wertige Form, Ascorbat-Komplexe) oder Orangensaft (Vit​amin C und Fruchtsäuren bilden gut
resorbierbare Eisenkomplexe) verbessert die gastrointestinale Eisenresorption und Verträglichkeit.
#135.11{sidPinGysZ0}
7.1.8 Opioid-Analgetika und Mikronährstoffe
#135.12{sidx8uAHVyn}
Opioid-Analgetika beeinträchtigen die Versorgung mit essenziellen Mikronährstoffen
#135.13{sidorGsmgnU}
Mechanismus: Allgemeine Maldigestion und Malabsorption durch opioidinduzierte Appetitlosigkeit, Übelkeit,
Emesis bzw. Obstipation; Opioide haben eine ausgeprägte obstipierende Wirkung, die sowohl durch eine
Herabsetzung der Darmmotilität und der intestinalen Sekretion sowie durch Effekte auf zerebrale und spinale
Rezeptoren bedingt ist. Die zur Obstipationsprophylaxe eingesetzten Laxanzien (z. B. Bisacodyl, Rizinusöl, Sennes)
verursachen zusätzlich Mikronährstoffverluste.
#136.01{sidZwLEc5KA}
Folgen: Mangel an Vit​aminen, Mineralstoffen und anderen Mikronährstoffen; multiple Stoffwechselstörungen;
Malnutrition, v. a. bei Tumorpatienten.
#136.02{sidXDkevnkj}
Hinweis: Die Obstipation ist die wichtigste und hartnäckigste Nebenwirkung bei der Schmerztherapie mit Opioiden
und erfordert fast immer eine Begleitmedikation mit Laxanzien, v. a. in der Tumorschmerztherapie. Unter einer
Schmerztherapie mit Opioiden sollte generell eine Multivit​amin-Mineralstoff-Kombination substituiert werden. Eine
labordiagnostische Erfassung des Mikronährstoffstatus und gezielte Kompensation (auch i. m., enteral, parenteral)
von Mikronährstoffmängeln ist insbesondere bei Tumorpatienten empfehlenswert. Komplexe Störungen des
Mikronährstoffstatus sind vor allem bei einer Tumorschmerztherapie zu erwarten. Tumorpatienten weisen bereits bei
Diagnosestellung häufig klinisch relevante Mikronährstoffdefizite auf. Die Versorgungslage mit immunmodulierend
und antioxidativ wirkenden Mikronährstoffen (z. B. Vit​amin D, Vit​amin A, Vit​amin C, Vit​amin E, Selen, Zink), sowie
solchen mit geringer Speicher- bzw. Reservekapazität (z. B. Vit​amin B1, Vit​amin B6, Vit​amin B12, Folsäure) ist
besonders kritisch (s. auch ▸ Kap. 33). Bei palliativen Krebspatienten kann die Supplementierung von Vit​amin D
auch den Bedarf an Opioid-haltigen Analgetika reduzieren.
#136.03{sidOz0jXYYB}
Literatur
#136.04{sidSUM4ExAT}
Alter HJ et al. Interrelationship of rheumatoid arthritis, folic acid and aspirin. Blood, 38 (4): 405–416, 1971
#136.05{sidhLqnfgav}
Becker JC, Domschke W, Pohle T. Current approaches to prevent NSAID-induced gastropathy-COX selectivity and
beyond. Br J Clin Pharmacol, 58 (6): 587–600, 2004
#136.06{sidao75b9Xb}
Becker JC, Grosser N, Boknik P et al. Gastroprotection by vit​amin C – a heme oxygenase-1-dependent
mechanism? Biochem Biophys Res Commun, 312 (2): 507–512, 2003
#136.07{sid1c8P1TEj}
Bergman P, Sperneder S, Höijer J et al. Low vit​amin d levels are associated with higher opioid dose in palliative
cancer patients – results from an observational study in sweden. PLoS One, 10 (5): e0128223, doi:
10.1371/journal.pone.0128223, 2015
#136.08{sid4uHBXrSI}
Candelario-Jalil, E et al. Ascorbic acid enhances the inhibitory effect of aspirin on neuronal cyclooxygenase-2mediated prostaglandin E2 production. J Neuroimmunol, 174 (1–2): 39–51, 2006
#136.09{sidOPUQp6F5}
Dammann HG et al. Effects of buffered and plain acetylsalicylic acid formulations with and without ascorbic acid on
gastric mucosa in healthy subjects. Aliment Pharmacol Ther, 19 (3): 367–374, 2004
#136.10{sidJXNfNs76}
Deray G. Renal and cardiovascular effects of non-steriodal anti-inflammatories and selective cox 2 inhibitors. Press
Med, 33 (7): 483–489, 2004
#136.11{sid4uE4nB92}
Gröber U, Kisters K, Adamietz IA. Vit​amin D in oncology: Update 2015. Med Monatsschr Pharm, 38 (12): 512–516,
2015
#136.12{sidM3b8ekoa}
Hemilä H. Does vit​amin C alleviate the symptoms of the common cold? A review of current evidence. Scand J Infect
Dis, 26, 1–6, 1994
#136.13{sidy88zoHdE}
Kelly JP et al. Risk of aspirin-associated major upper-gastrointestinal bleeding with enteric-coated or buffered
product. Lancet, 348 (9039): 1413–1416, 1996
#136.14{sidYDKV4lU8}
Kociancic T, Reed MD. Acetaminophen intoxication and length of treatment: how long is long enough?
Pharmacotherapy, 23 (8): 1052–1059, 2003
#136.15{sidVRz70oRS}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Kroger H et al. Protection from acetaminophen-induced liver damage by the synergistic action of low doses of the
poly(ADP-ribose) polymerase-inhibitor nicotinamide and the antioxidant N-acetylcysteine or the amino acid Lmethionine. Gen Pharmacol, 28 (2): 257–263, 1997
#136.16{sidQjcXZ04F}
Kroger H et al. Nicotinamide and methionine reduce the liver toxic effects of Methotrexat. Gen Pharmacol, 33 (2):
203–206, 1999
#136.17{sidr3hdswza}
Lawrence VA et al. Aspirin and folate binding: in vivo and in vitro studies of serum binding and urinary excretion of
endogenous folate. J Lab Clin Med, 103 (6): 944–948, 1984
#136.18{sidgBBqfh73}
Leonards JR et al. Gastrointestinal blood loss during prolonged aspirin administration. N Engl J Med, 289 (19):
1020–1022, 1973
#136.19{sidxAgfoWWE}
Loh HS et al. The effects of aspirin on the metabolic availability of ascorbic acid in human beings. J Clin Pharmacol,
13 (11): 480–486, 1973
#137.01{sid7Y3seCFi}
Monsen ER. Iron – nutrition and absorption. Dietary factors which impact iron bioavailability. J Am Diet Assoc, 88:
786–790, 1988
#137.02{sidtQQBovhg}
Naito Y et al. Role of oxygen radical and lipid peroxidation in indomethacin-induced gastric mucosal injury. Dig Dis
Sci, 43 (9 Suppl): 30–34, 1998
#137.03{sidW0he89nh}
Pohle T et al. Role of reactive metabolites in aspirin-induced gastric damage in humans: gastroprotection by vit​amin
C. Alimentary Pharmacology & Therapeutics, 15 (5): 677–687, 2001
#137.04{sidXUkPDmjO}
Rai SD et al. Ca(2 +)-calmodulin antagonist chlorpromazine and poly(ADP-ribose)polymerase modulators 4aminobenzamide and nicotinamide influence hepatic expression of BCL-XL and P53 and protect against
acetaminophen-induced programmed and unprogrammed cell death in mice. Free Radic Biol Med, 31 (3): 277–
291, 2001
#137.05{sidvyhbwLDO}
Ruiz B et al. Vit​amin C concentration in gastric juice before and after anti-Helicobacter pylori treatment. Am J
Gastroenterol, 89 (4): 533–539, 1994
#137.06{sidIFAHvWFb}
Schiodt FV et al. Acetaminophen toxicity in an urban county hospital. New England Journal of Medicine, 337: 1112–
1117, 1997
#137.07{sidrPY02f5R}
Schröder H, Grosser N. Acetylsalicylic acid and vit​amin C. Med Monatsschr Pharm, 28 (7): 239–242, 2005
#137.08{sidcWGqgaGr}
Schulz HU et al. Effects of acetylsalicylic acid on ascorbic acid concentrations in plasma, gastric mucosa, gastric
juice and urine – a double blind study in healthy subjects. Int J Clin Pharmacol Ther, 42 (9): 481–487, 2004
#137.09{sidVxKTXpiA}
Van Oijen MG et al. Association of aspirin use with vit​amin B12 deficiency (results of the BACH study), Am J
Cardiol, 94 (7): 975–977, 2004
#138.01{sidbAwFDxQU}
8 Antazida und Säureblocker
#138.02{sidd0bxPfox}
Antazida und Säureblocker gehören zu den am häufigsten verordneten Medikamenten überhaupt. In den
zurückliegenden zehn Jahren haben sich die Verordnungen von Ulkustherapeutika mehr als verdoppelt, vor
allem durch den erfolgreichen Einsatz von Protonenpumpenhemmern zur Eradikation des Helicobacter pylori
und zur Behandlung der Refluxkrankheit. Insbesondere die Ulkustherapie im höheren Lebensalter sowie der
hohe Anteil der im Rahmen der Selbstmedikation abgegebenen Antazida sind für potenzielle Störungen des
Mikronährstoffstatus von Bedeutung (□ Tab. 8.1).
#138.03{sidlGtKqhxk}
8.1 Protonenpumpenhemmer und Mikronährstoffe
#138.04{sidlizq8YHH}
Nach den Statinen gehören Protonenpumpenhemmer (PPI) zu den am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln
weltweit. In den zurückliegenden 10 Jahren haben sich die Verordnungen von PPI (z. B. Omeprazol, Esomeprazol,
Pantoprazol) mehr als verfünffacht. Seit 2009 sind einige PPI, wie Omeprazol und Pantoprazol in einer Dosierung
von jeweils 20 mg pro Tag rezeptfrei erhältlich. Auf Protonenpumpenhemmer (PPI) entfallen über 60 % des
Umsatzes der Magen-Darm-Mittel. Bei Patienten, deren Säuregehalt des Magens wegen peptischer Erkrankungen
längere Zeit medikamentös durch Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol) verringert wird, sollte ein besonderes
Augenmerk auf die Versorgung mit Vit​amin B12 und knochenwirksamen Mikronährstoffen wie Calcium, Vit​amin D
und Vit​amin C gerichtet werden.
#138.05{sidYAZLarF0}
Zu den häufigsten Nebenwirkungen einer PPI-Therapie zählen Kopfschmerzen, Durchfall und Übelkeit. Weitere
Nebenwirkungen sind das Auftreten von gastrointestinalen Infektionen und eine Verminderung der Knochendichte.
PPI können zur bakteriellen Besiedlung des normalerweise keimarmen oberen GI-Trakts führen. Im Hinblick auf die
GIT-Infektionen zeigen die Ergebnisse von zwei Metaanalysen ein um 74 % bis 94 % erhöhtes Risiko für
Clostridium-difficile-Infektionen. Die Ergebnisse einer britischen Langzeitstudie mit über 150 000 Probanden
belegt, dass PPI auch den Knochen schädigen und das Risiko für Hüftfrakturen steigern. Besonders ältere
Menschen, die wegen peptischer Beschwerden mit PPI länger als fünf Jahre behandelt werden sind davon betroffen.
#139.01{sid6iltfNHG}
Tab. 8.1 Antazida, die zu einem Mangel bzw. erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen führen
#139.02{sidmHkE1KM8}
Betroffene Mikronährstoffe
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Mechanismus
Antazidum
#139.03{sid1VP4GH3b}
Säureneutralisierende Substanzen
#139.04{sidJj6SfoYh}
Antazida mit Al-/Mg-hydroxid
Zink, Eisen, Kupfer,
Calcium, Phosphor
#139.05{sidhMvZZPOJ}
Folsäure, Vit​amin B12
#139.06{sidCUP7tntY}
Natriumcarbonat
Bildung schwerlöslicher MN-AM-Komplexe
Anstieg des pH-Werts (Sub-/Anazididät → Resorption ↓)
Folsäure, Vit​amin B12, Zink
Anstieg des pH-Werts (Sub-/Anazidität → Resorption ↓)
Folsäure, Vit​amin B12, Zink,
pH-Wert-Verschiebungen (Sub-/Anazidität → Resorption ↓)
#139.07{sidTUNmDlxz}
H2-Blocker
#139.08{sidAYAv3krF}
Ranitidin, Famotidin
#139.09{sidRvATg6El}
Cimetidin
Eisen, Calcium
Vit​amin D, Calcium
Hemmung der hepatischen Hydroxylierung
(25-Hydroxylase-Aktivität ↓) von Vit​amin D
zu 25-(OH)-Vit​amin-D
Vit​amin B12
Hemmung der intestinalen Freisetzung
(Proteolyse und Utilisation des
proteingebundenen Vit​amin B12), Störung
#139.10{sidWJcTf9cg}
Protonenpumpenhemmer
#139.11{sidI6Q59P3g}
Omeprazol, Esomeprazol,
Pantoprazol
der intestinalen Flora (bakterielle
Besiedlung des Magens)
#139.12{sidnhXWQ9Si}
Folsäure, Magnesium,
Calcium
pH-Wert-Verschiebungen, (Sub-/Anazidität → Resorption ↓)
#138.06{sidInEMSgiG}
PPI vermindern die gastrale Säuresekretion und damit die intestinale Resorption von knochenwirksamen und
neurotropen Mikronährstoffen, wie Magnesium, Calcium, Zink, Eisen, Vit​amin D, Vit​amin C, Folsäure und Vit​amin
B12. Bekannt sind vor allem die PPI-induzierte Störungen der aktiven Resorption von Vit​amin B12 (z. B. Reduktion
der pH-abhängigen Proteolyse von Vit​amin B12 aus der R-Protein-Bindung) und Magnesium (z. B. Reduktion der
transzellulären Resorption über den Melastatin-Kanal TRPM-6/-7).
#138.07{sidw6bGJ1cT}
In einer multizentrischen longitudinalen Kohortenstudie an älteren Patienten (n = 3 327, Alter: ≥ 75) war die
Einnahme von PPI gegenüber Nicht-PPI-Anwendern mit einem signifikant erhöhten Risiko für die Entwicklung einer
Demenz [HR 1,38, 95 % CI 1,04–1,83] und Morbus Alzheimer (HR 1,44, 95 % CI 1,01–2,06) assoziiert. Darüber
hinaus konnte gezeigt werden, dass PPI in vitro und in vivo die Akkumulation von Beta-Amyloiden erhöhen und die
Belastung des Gehirns mit Amyloid-beta-Plaques steigern können.
#138_140{sidK89QdgHP}
In einer aktuellen Pilot-Studie an 60 gesunden Frauen und Männern (Alter: 20–26 Jahre) wurde nun der Einfluss
einer kurzfristigen Einnahme (7 Tage) von verschiedenen PPIs, wie Esomeprazol, Lansoprazol, Pantoprazol,
Omeprazol und Rabeprazol auf unterschiedliche kognitive Funktionen (z. B. Aufmerksamkeit, visuelles Gedächtnis,
exekutive Funktionen, Kurzzeitgedächtnis) untersucht. Im Rahmen der Studie wurde das Cambridge
Neuropsychological Test Automated Battery (CANTAB) verwendet, ein Computerprogramm, welches häufig in
wissenschaftlichen Studien zur Erfassung der kognitiven Leistungsfähigkeit eingesetzt wird. Dabei bei zeigte sich,
dass bereits nach 7-tägiger Einnahme eines PPI eine signifikante Verschlechterung der kognitiven
Leistungsfähigkeit nachweisbar war. Die stärksten negativen Effekte auf die kognitiven Funktionen hatten die PPIs
Omeprazol (p = 0,002), Pantoprazol und Lansoprazol. Esomeprazol zeigte die geringsten Auswirkungen auf die
kognitive Leistungsfähigkeit. Diese Studie zeigt zum ersten Mal, dass bereits die kurzfristige Einnahme eines PPI
das Risiko erhöht für Störungen der Kognition. Ob dieser Effekt durch PPI-induzierte kurzfristige Störung im
Nährstoffhaushalt erklärbar ist, kann bezweifelt werden. Grundsätzlich sollte aber unter einer PPI-Therapie,
insbesondere bei Risikofaktoren (z. B. Langzeitmedikation, Diabetes mellitus, Senioren), auf eine adäquate
Versorgung mit neuroprotektiven Mikronährstoffen (z. B. Vit​amin B12, Magnesium) geachtet werden und regelmäßig
durch aussagekräftige Laborparameter (z. B. Holo-TC, Hcy) der Nährstoffhaushalt kontrolliert werden. Die Vit​aminB12-Verteilung im Blutplasma: 70–90 % von Vit​amin B12 sind im Plasma gebunden an Haptocorrin (HC) (=
metabolisch inaktiv) sowie etwa 10–30 % an Transcobalamin (TC) (= metabolisch aktiv). Nach der Resorption als
IF-B12-Kplx erfolgt der Abbau in den Enterozyten und die Übertragung zu TCII (Holo-TCII: HWZ = 6 min., Holo-HC:
HWZ = 240 h).
#140.01{sidfyztZ9QJ}
8.1.1 Protonenpumpenhemmer und Vit​amin B12
#140.02{sidtEsR6Nul}
PPI verhindern Säuresekretion und Freisetzung von Vit​amin B12
#140.03{sidQ0yeo8Gc}
Protonenpumpenhemmer (PPI) vermindern die gastrale Säuresekretion und damit die intestinale Freisetzung von
Vit​amin B12 (Proteolyse) aus Nahrungsmitteln. Unter den Protonenpumpenhemmern kommt es dosisabhängig zur
Reduktion der Vit​amin-B12-Resorption. Besonders gefährdet sind ältere Menschen ab 60 Jahren, strenge
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Vegetarier, Alkoholiker, Patienten mit Magen-Darm-Störungen (z. B. atrophische Gastritis) sowie Typ-2-Diabetiker,
die mit Metformin behandelt werden.
#140.04{sidadcjTsVn}
Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass bis zu 40 % der älteren Menschen ≥ 60 Jahren nicht ausreichend mit Vit​amin
B12 (Cobalamin) versorgt sind. Die Vit​amin-B12-Serumspiegel liegen hier < 300 ng/l. Besonders problematisch
erweist sich die Tatsache, dass ein Vit​amin-B12-Mangel häufig mit einer Folsäure-Unterversorgung assoziiert ist und
das Risiko für einer Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l) signifikant steigert. Homocystein entfaltet eine Reihe
pathobiochemischer Effekte auf das Zentralnervensystem, die wesentlich für die Entwicklung einer Hirnatrophie
sowie die Progression neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer oder vaskuläre Demenz verantwortlich
gemacht werden (○Abb. 13.6).
#140.05{sid7gamzCMZ}
Bei älteren Personen ist ein Vit​amin-B12-Mangel überwiegend auf eine unzureichende Bildung von Magensaft
(Achlorhydrie) zurückzuführen. Hauptursache sind entzündliche Prozesse der Magenmukosa, die primär auf dem
Boden einer atrophischen Gastritis vom Typ B mit Sub- und Anazidität (Salzsäure- und Pepsinogen-Sekretion ↓)
sowie verminderter Intrinsic-Faktor-Produktion entstehen. Proteingebundenes Vit​amin B12 kann dadurch nur noch
unzureichend freigesetzt und absorbiert werden. Die an Protein gebundenen Cobalamine aus der Nahrung werden
im Magen durch Salzsäure und Pepsin freigesetzt und pH-abhängig an Intrinsic-Faktor (IF-B12Komplex) gebunden.
Im terminalen Ileum erfolgt die zelluläre Cobalaminaufnahme in das Mukosaepithel mithilfe spezifischer Rezeptoren
der Bürstensaummembran. Der IF-B12-Komplex bindet dabei an Cubilin, das zusammen mit einem weiteren Protein,
dem Megalin, die calciumabhängige, rezeptorvermittelte Endozytose einleitet. Die eingeschränkte Säureproduktion
des Magens im höheren Lebensalter führt zu einer Alkalisierung des Dünndarmmilieus, wodurch die physiologische
Barriere gegenüber Mikroorganismen aufgehoben wird. Bakterien aus tieferen Darmabschnitten, können dadurch
vermehrt ins Jejunum und Illeum übertreten. Die bakterielle Überwucherung mit Clostridien und Campylobacter geht
mit einem Mehrverbrauch an Vit​amin B12 (Umwandlung in unwirksame Cobalamide) als auch mit der bakteriellen
Synthese von Substanzen einher, die in der Illeumschleimhaut mit dem Vit​amin um Rezeptoren konkurrieren. Die
Verfügbarkeit von Vit​amin B12 nimmt dadurch weiter ab. Bei Personen im höheren Lebensalter (≥ 60 Jahre) beruht
die Atrophie der Magenschleimhaut häufig auf einer Infektion mit Helicobacter pylori. Bis zu 60 % der älteren
Menschen weisen einen vermehrten Befall der Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori und hierdurch bedingt ein
hohes Risiko für die Entwicklung einer chronisch atrophischen Gastritis vom Typ B auf.
#140.06{sidZuU0XKwc}
Personen, die regelmäßig H2-Blocker oder Protonenpumpenhemmer zur Senkung der Magensäuresekretion
einnehmen, vor allem ältere Menschen, sollten auf die Bedeutung der Vit​amin-B12-Versorgung und die potenzielle
Störungen durch Säureblocker hingewiesen werden. Da die passive Intinsic-Factor-unabhängige Resorption von
Vit​amin B12 mit nur 1 % sehr niedrig liegt sollte Vit​amin B12 zur oralen Applikation entsprechend hoch dosiert werden
(z. B. 500–1 000 µg tgl.).
#141.01{sidu8BB4JPY}
Vit​amin B12 kann auch über die Mundschleimhaut resorbiert werden. In Studien wurde der Vit​amin-B12-Status auch
durch Applikation in Form einer Lutschtablette verbessert. Die effektivste Methode zur Kompensation des Vit​aminB12-Status ist jedoch die parenterale Applikation (z. B. 1 000 µg/Monat, i. m.). Generell ist bei Personen, die
regelmäßig Antazida einnehmen die Vit​amin-B12-Versorgung engmaschig zu kontrollieren (z. B. MMS, Holo-TC) und
eine regelmäßige Supplementierung von Vit​amin B12 in Kombination mit Folsäure und Vit​amin B6 empfehlenswert.
#141.02{siddFgiYbKb}
Abb. 8.1 Störung des Haushalts knochenwirksamer Mikronährstoffe durch Protonenpumpenhemmer (PPI, Modell)
#141.03{sidDDDcmbLk}
Protonenpumpenhemmer vermindern die Vit​amin-B12-Resorption
#141.04{sidMqWdRbKk}
Mechanismus: Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol, Lansoprazol) vermindern die gastrale Säuresekretion
und damit die Freisetzung (Proteolyse) und Bioverfügbarkeit von an Protein gebundenem Vit​amin B12 aus
Lebensmitteln (○Abb. 14.4).
#141.05{sidRrBGqrGC}
Folgen: Vit​amin-B12-Mangel: Vit​amin B12 (Serum): < 450 ng/l; Holo-TC (Plasma): < 70 pmol/l; MMS (Serum): > 40
µg/l; MMS (Urin): ≥ 1,60 mg/g Kreatinin; intermediäre Verarmung an biologisch aktivem Tetrahydrofolat;
Hyperhomocysteinämie (Hcy ≥ 10 µmol/l); erhöhtes Risiko für kognitive Störungen, Abnahme der geistigen
Leistungsfähigkeit, Hirnatrophie, Demenz, Depressionen. Ältere Personen mit Depressionen haben sehr häufig
einen Mangel an Folsäure und/oder Vit​amin B12.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#141_142{sidF9E72niC}
Hinweis: Unter einer Therapie mit Protonenpumpenhemmern ist generell eine begleitende Gabe von 500 bis 1 000
µg Vit​amin B12 in Kombination mit Folsäure und Vit​amin B6 zu empfehlen (initial: 1 000–2 000 µg Vit​amin B12 i. m.;
danach alle 2–3 Monate 1 000 µg i. m.). Die Freisetzung von Vit​amin B12 aus Nahrungsmitteln kann auch durch H2Blocker (Ranitidin, Famotidin) beeinträchtigt werden. Infolge der hohen Prävalenz des Vit​amin-B12-Mangels im Alter
(≥ 60 Jahre, atrophische Gastritis) und der häufigen Polypharmakotherapie multimorbider älterer Menschen (z. B.
Metformin) sollte im Rahmen einer Ulkustherapie mit Protonenpumpenhemmern und H2-Blockern der Vit​amin B12Status und der Homocysteinspiegel labordiagnostisch überwacht werden.
#142.01{sidepLZntro}
8.1.2 Protonenpumpenhemmer und knochenwirksame Mikronährstoffe
#142.02{sidsDjXnzJY}
PPI verhindern Utilisation und Resorption von knochenwirksamen Mikronähr​stoffen
#142.03{sidGWssZB3A}
Protonenpumpenhemmer vermindern die gastrale Säuresekretion und damit die intestinale Utilisation und
Resorption von knochenwirksamen Mikronährstoffen wie Mikronährstoffen wie Calcium, Vit​amin D, Vit​amin C,
Folsäure und Vit​amin B12 (□ Tab. 8.2).
#142.04{sidzH6gM83Y}
Tab. 8.2 Protonenpumpenhemmer und knochenwirksame Mikronährstoffe
#142.05{sidSFQVmWvM}
Störung durch PPI (Mechanismus)
Mikronährstoff
#142.06{sidPcxyMAjp}
Calcium, (Vit​amin D),
Magnesium
#142.07{sidHkyux3pA}
Vit​amin C
#142.08{sidKesGYLVH}
Eisen
#142.09{sidKCVLXQAg}
Vit​amin B12
#142.10{sidKDUQyOt0}
Folsäure
Beeinträchtigung der pH-abhängigen Resorption und Utilisation von Calcium,
Vit​amin D und Magnesium
Verringerung der Vit​amin-C-Konzentrationen mit Magensaft
Beeinträchtigung der pH-abhängigen Resorption von Nicht-Hämeisen
Hemmung der pH-abhängigen Proteolyse aus der R-Proteinbindung
Störung der pH-abhängigen Resorption
#142.11{sidBCfg20rb}
In einer aktuellen kanadischen Studie wurde die Langzeitwirkung von PPI auf die Knochendichte und das
Frakturrisiko erfasst. Dabei wurden die Daten von 15 792 Patienten mit Osteoporosebedingten Frakturen (z. B.
Wirbelkörper-, Becken- und Hüft-Frakturen), die PPI eingenommen hatten, analysiert. Als Kontrollgruppe dienten 47
289 Patienten ohne Frakturen. Die Studie erfasste einen Zeitraum von 1996 bis 2004. Die Studienergebnisse
belegen, dass die langfristige Einnahme von PPI (z. B. Omeprazol) über einen Zeitraum von sieben Jahren mit
einem stark erhöhten Risiko für Osteoporosebedingte Frakturen assoziiert ist (OR, 1,92, 95 % CI 1,16–3,18, p =
0,011). Darüber hinaus führte eine regelmäßige Einnahme von PPI über einen Zeitraum von 5 Jahren zu einem
signifikant erhöhten Risiko für Hüftfrakturen (OR, 1,62, 95 % CI 1,02–2,58, p = 0,04). Diese Ergebnisse stimmen mit
den Ergebnissen einer früheren Studie überein, die ebenfalls gezeigt hatten, dass ältere Patienten, die wegen
peptischer Magenbeschwerden mit PPI behandelt werden, ein deutlich erhöhtes Frakturrisiko haben. Diese Studie
umfasste einen Zeitraum von 1987 bis 2003. Das Risiko für Osteoporosebedingte Frakturen stieg dabei mit
zunehmender Einnahmedauer von Protonenpumpenhemmern an: 1 Jahr: OR, 1,22, 95 % CI 1,15–1,30; 2 Jahre:
OR 1,41, 95 % CI 1,28–1,56; 3 Jahre: OR 1,54, 95 % CI 1,37–1,73; 4 Jahre: OR 1,59, 95 % CI 1,39–1,80; p <
0,01). Bei Patienten, deren Säuregehalt des Magens wegen peptischer Erkrankungen längere Zeit medikamentös
durch Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol) verringert wird sollte ein besonderes Augenmerk auf eine
adäquate Versorgung mit knochenwirksamen Mikronährstoffen wie Calcium, Vit​amin D und Magnesium gerichtet
werden.
#142_143{sid6q4mcJUS}
Erhöhte Homocysteinspiegel mit Störungen im Methylgruppen-Stoffwechsel scheinen bei der Pathogenese der
Osteoporose eine wichtige Rolle zu spielen. Eine Fraktursenkende Wirkung der Homocysteinregulatoren Vit​amin
B12 und Folsäure konnte in zwei Studien beobachtet werden: In der Rotterdam-Studie waren erhöhte
Homocysteinplasma-Spiegel ein unabhängiger Risikofaktor für osteoporotische Frakturen bei Frauen und Männern
älter als 55 Jahre (RR adjustiert 1,4; 95 % CI 1,2–1,6) pro Standardabweichung der log-transformierten
Homocysteinwerte. Die Relation fand sich unabhängig bei Männern und Frauen. In einer randomisierten und
kontrollierten Studie aus Japan ließ sich die Zahl proximaler Femurfrakturen bei hemiplegischen
Schlaganfallpatienten durch die Supplementierung von 5 mg Folsäure/d und 1 500 µg Methylcobalamin/d, die mit
einer 38%igen Senkung des Homocysteinspiegels assoziiert war, um 80 % reduzieren (RR 0,2; 95 % CI 0,08–0,5).
Vit​amin C wird aktiv in den Magensaft sezerniert. PPI reduzieren die Vit​amin-C-Konzentration im Magensaft und die
Verfügbarkeit seiner antioxidativ wirksamen Form Ascorbinsäure (○Abb. 8.1). Im Magensaft kann dadurch die
Belastung mit Nitrit ansteigen. Die aus Nitrit gebildeten Nitrosaminen sind starke Kanzerogene. Unter einer
kurzfristigen Anwendung von Omeprazol konnte bereits ein Abfall der Vit​amin C-Spiegel im Blut beobachtet werden.
Vit​amin C unterstützt zum einen die Calcium- und Eisenresorption und ist zum anderen an der Hydroxylierung und
damit an der metabolischen Aktivierung von Vit​amin-D-Hormon beteiligt.
#143.01{sidno2C8XwO}
Protonenpumpenhemmer vermindern die Resorption und Utilisation von Calcium und Vit​amin D
#143.02{sid4mC4ImuM}
Mechanismus: Die Magensäure spielt eine wichtige Rolle bei der Calciumresorption. In der Nahrung liegt Calcium
vor allem in der Verbindung des schwerlöslichen Calciumcarbonats vor. Calcium muss daraus zunächst pHabhängig freigesetzt und danach resorbiert zu werden.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#143.03{sidxYhInYtm}
Folgen: Reduzierte Bioverfügbarkeit von diätetischem Calcium, Störungen im Vit​amin-D-Stoffwechsel, Abfall der
Calciumspiegel im Blut, Anstieg der Parathormonspiegel, erhöhtes Risiko für osteoporosebedingte Frakturen
#143.04{sidnvo7ENVN}
Hinweis: Allgemein sollte bei Personen, die regelmäßig Protonenpumpenhemmer zur Senkung der
Magensäuresekretion einnehmen, vor allem bei älteren Menschen (> 60 J.) und Typ-2-Diabetikern (→
Polypharmakotherapie), regelmäßig der Status knochenwirksamer Mikronährstoffe (z. B. 25-OH-Vit​amin D,
Homocystein, Methylmalonsäure) kontrolliert und durch gezielte Supplementierung kompensiert werden, um
potenziellen Störungen der Knochenmineralisation durch PPI entgegenzuwirken. Auf eine ausreichende Versorgung
mit Calcium (z. B. 1 000 mg/d, p. o.) in Form gut verfügbarer organisch gebundener Calciumsalze wie
Lactogluconate oder Citrate ist vor allem zu achten. Der Vit​amin-D-Status sollte engmaschig kontrolliert (Calcidiol im
Serum > 75 nmol/l) und durch gezielte Supplementierung kompensiert werden (z. B. 3 000 I. E./d bzw. 80 000 I.
E./Mo., p. o.).
#143.05{sidR87tHUIm}
8.1.3 Protonenpumpenhemmer und Magnesium
#143.06{sidHYyo9fEv}
Protonenpumpenhemmer können schwere Hypomagnesiämie auslösen
#143.07{sidNBTfS4lv}
Mechanismus: Die Magensäure spielt eine wichtige Rolle bei der Resorption und Utilisation von Mineralstoffen
wie Magnesium und Calcium; Protonenpumpenhemmer können sowohl die aktive, transzelluläre Resorption von
Magnesium über den Melastatin-Kanal TRPM6 und TRPM7 als auch die parazelluläre Magnesiumresorption, die
von der Permeabilität der Tight Junctions abhängig ist beeinträchtigen (möglicherweise spielen zusätzlich auch
genetische Faktoren und Rezeptordefekte eine Rolle), zusätzlich scheinen PPI die renale Magnesiumexkretion zu
steigern, langfristig wird die endogene Magnesium​homöostase gestört und das Risiko für schwere
Magnesiummangelzustände erhöht ○ Abb. 8.2.
#144.01{sidLuIUV5Jx}
#144.02{sidMHtIjVtI}
Abb. 8.2 Protonenpumpenhemmer interferieren mit der Magnesiumresorption über den TRPM-6/-7-Kanal
#143_144{siddmOe3V1L}
Folgen: Abfall der Magnesiumspiegel im Serum (Referenz: 0,76–1,15 mmol/l) und Vollblut, Störung der SekretionResponderrate auf Parathormon, erhöhtes Risiko für milde (0,5–0,7 mmol/l) und schwere Hypomagnesiämie (≤ 0,54
mmol/l), insbesondere bei älteren Personen und Medikation mit Diuretika (z. B. HCT); Hypomagnesiämie führt zu
Hypovit​aminose D durch erhöhte Aktivität der 24-Hydroxylase, Störungen des Vit​amin-D-Calciumstoffwechsels:
Aktivität der 25-Hydroxylase ↓, 1α-Hydroxylase ↓, Bildung des VDBP ↓, Hypocalcämie;
Magnesiummangelsymptome: Antriebs- und Muskelschwäche, Kopfschmerzen, Nervosität, Psychosen, Tremor,
neuromuskuläre Übererregbarkeit, Schlafstörungen, kardiovaskuläre Störungen wie EKG-Veränderungen (z. B.
verbreiterte QRS Komplexe, verlängerte PQ-Zeit), (supra)ventrikuläre Arrythmien.
#144.03{sida9PTbmEN}
Hinweis: Personen, die regelmäßig Protonenpumpenhemmer einnehmen – insbesondere ältere Menschen (> 60
J.) und Diabetiker (→ Stoffwechsel- und medikationsbedingter erhöhter Magnesiumbedarf) sollten regelmäßig gut
verfügbare organisch gebundene Magnesiumsalze (z. B. 300 mg/d, p. o. als Citrat oder Orotat) supplementieren.
Der Magnesiumstatus sollte 1–2× pro Jahr labordiagnostisch überprüft werden! Protonenpumpenhemmer wie
Omeprazol, Esomeprazol, Pantoprazol, Lansoprazol und Rabeprazol können bei Langzeitbehandlung zu einem
Magnesiummangel führen, insbesondere wenn PPI mit weiteren magnesiumspiegelsenkenden Arzneistoffen z. B.
Thiaziden, Schleifendiuretika, Ciclosporin, Carboplatin oder Cisplatin eingesetzt werden. Diskutiert werden durch
PPI-induzierte Störungen der intestinalen Magnesiumresorption. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA
rät dringend dazu, bei Dauertherapie mit PPI den Magnesium-Status regelmäßig zu kontrollieren. Niedrige
Magnesiumspiegel können unter anderem Muskelspasmen, Herzrhythmusstörungen und Krämpfe verursachen. Zu
beachten ist außerdem, dass die Symptome einer Hypomagnesiämie (Serum: < 0,76 mmol/l) denen einer
Hypocalcämie ähneln. Die renale 1α-Hydroxylierung von 25-OH-Vit​amin-D zu 1,25-(OH)2-Vit​amin-D als auch die
Sekretion von Parathormon (PTH) sind magnesiumabhängig. Ein Mangel an Magnesium kann die PTH-Sekretion
beeinträchtigen und dadurch eine Hypocalcämie begünstigen. Magnesiummangel steigert in Studien die
Osteoklastenaktivität, verringert das Knochenwachstum und begünstigt eine Osteoporose.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#145.01{sidfVZvqcXL}
8.1.4 Protonenpumpenhemmer und Eisen
#145.02{sidHLwRVqND}
Protonenpumpenhemmer beinträchtigen die Eisenresorption
#145.03{sidQDHOhJw7}
Mechanismus: Die Magensäure spielt eine wichtige Rolle bei der Resorption und Utilisation von Eisen;
Protonenpumpenhemmer beeinträchtigen die Bioverfügbarkeit und Resorption von diätetischen Nicht-Häm-Eisen.
#145.04{sidFHJpbIsY}
Folgen: Abfall der Eisenspiegel im Blut, prälatenter Eisenmangel (Parameter: Serum-Ferritin < 30 µg/l), langfristig
besteht vor allem bei vegetarischer Ernährung ein erhöhtes Risiko für einen Eisenmangel; Eisenmangelsymptome:
Infektanfälligkeit, Antriebsschwäche, Müdigkeit, Mundwinkelrhagaden, Haarausfall.
#145.05{sidskWA9zB9}
Hinweis: Protonenpumpenhemmer können bei langfristiger Anwendung den Eisen-Haushalt stören. Es empfiehlt
sich den Eisenstatus 1–2× pro Jahr labordiagnostisch (z. B. CRP, Serum-Ferritin, löslicher Transferrin-Rezeptor,
Leberwerte) zu kontrollieren!
#145.06{sidAESEnDnq}
8.2 H2-Blocker und Mikronährstoffe
#145.07{sidvQJaJivO}
8.2.1 H2-Blocker und Zink
#145.08{sidJTIISI3o}
H2-Blocker stören die Zinkresorption
#145.09{sid49I0v7AY}
Mechanismus: H2-Blocker (z. B. Ranitidin) blockieren die H2-Rezeptoren des Histamins an den Belegzellen der
Magenschleimhaut und hemmen dadurch die histaminstimulierte Säuresekretion. Die Blockade der
Magensäuresekretion beeinträchtigt die Bioverfügbarkeit und Resorption von Zink (auch von Eisen und Folsäure).
#145.10{sidRmWSGGnc}
Folgen: Beeinträchtigung des Zinkstatus (bei langfristiger Anwendung); erhöhtes Risiko für Zinkmangel
(Symptome: z. B. erhöhte Infektanfälligkeit, Geruchs- und Geschmacksstörungen).
#145.11{sidsqOJl3Rs}
Hinweis: Unter der häufigen Einnahme von H2-Blockern empfiehlt sich die regelmäßige Supplementierung eines
Multivit​amin-Mineralstoff-Präparats (z. B. mit Folsäure, Vit​amin B6, B12, D, Eisen, Zink), um potenziellen
Nährstoffverlusten vorzubeugen. Entsprechende Supplemente (z. B. Zink, Eisen, Folsäure) und Antazida sollten
grundsätzlich mit einem Einnahmeabstand von > 2h eingenommen werden.
#145.12{sidLMSGXzad}
8.2.2 Cimetidin und Vit​amin D
#145.13{sidSgSib0Fb}
Cimetidin stört den Vit​amin-D-Stoffwechsel
#145.14{sidWQZ1MWSW}
Mechanismus: Cimetidin (Inhibitor von CYP 2C 19) hemmt Cytochrom-P450 abhängige Reaktionen: hepatische
25-Hydroxylase-Aktivität.
#145.15{sid1Jc6ASfj}
Folgen: Verringerte Umwandlung von Vit​amin D3 (Cholecalciferol) in 25(OH)-Vit​amin-D (25-Hydroxycholecalciferol
= Calcidiol); Störungen im Vit​amin-D-Metabolismus und Knochenstoffwechsel (Vit​amin-D-Mangel: 25-(OH)-DSerumspiegel < 50 nmol/l).
#145.16{sidbiDjDSed}
Hinweis: Eine langfristige Ulkustherapie mit Cimetidin ist aufgrund der multiplen Störungen der Nährstoffutilisation
(z. B. Calcium, Zink) ein Risikofaktor für Osteoporose. Die Hemmung mikrosomaler Enzyme durch andere H2Blocker (z. B. Ranitidin) ist im Vergleich zu Cimetidin wesentlich geringer ausgeprägt.
#145.17{sidHvh7pMpm}
8.3 Antazida und Mikronährstoffe
#145.18{sidg2AC9dMh}
8.3.1 Al-/Mg-Hydroxid-haltige Antazida und Mineralstoffe
#145.19{sidv0m1q27j}
Antazida stören den Mineralstoffhaushalt
#145.20{sidtjHLFByU}
Mechanismus: Al-/Mg-Hydroxid-haltige Antazida verringern über pH-Wert-Verschiebungen und die Bildung
schwerlöslicher Pharmakon-Mikronährstoff-Komplexe die Resorption von Mineralstoffen wie Eisen und Zink; von der
Komplexbildung sind auch Calcium und Phosphat betroffen (→ Knochenstoffwechsel).
#145_146{sidny4iWq8L}
Folgen: Beeinträchtigung des Eisen-, Zink- und Calciumstatus; der Erfolg einer oralen Eisen- oder ZinkSubstitution kann ausbleiben; exzessive Anwendung von Aluminiumhydroxid bindet mit der Nahrung zugeführtes
Phosphat, verhindert dessen Resorption und führt zu einer Verarmung des Organismus an Phosphor. Bei
langfristiger Einnahme von Aluminium-/Magnesiumhydroxidenthaltenden Antazida können Störungen im
Knochenstoffwechsel auftreten (→ Osteomalazie).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#146.01{sidkJyrQGHw}
Hinweis: Unter der häufigen Einnahme von Antazida empfiehlt sich die regelmäßige Supplementierung eines
Multivit​amin-Mineralstoff-Präparats mit Folsäure, Vit​amin B6, B12, D, Eisen, Zink, um potenziellen Nährstoffverlusten
vorzubeugen. Entsprechende Supplemente (z. B. Zink, Eisen, Folsäure) und Antazida sollten grundsätzlich mit einem
Einnahmeabstand von > 2h eingenommen werden.
#146.02{sidhq5ppdG2}
8.3.2 Aluminiumhaltige Antazida, ​zitronensäurehaltige Mineralstoffpräparate und Zitrussäfte
#146.03{sid8y2nka8n}
Säuren erhöhen die Resorption von Aluminiumionen
#146.04{sidN1GP5kYk}
Mechanismus: Die in Zitrussäften enthaltenen Säuren wie Zitronensäure und Weinsäure, führen zu einer
verstärkten Lösung von Aluminiumionen aus dem Schichtgitterverband der Antazida.
#146.05{sidDE0onZ6C}
Folgen: Erhöhte Resorption von Aluminiumionen; Konsequenzen sind noch weitgehend ungeklärt; bei
Dialysepatienten äußern sich Aluminium-intoxikationen durch Symptome einer Enzephalopathie, Verschlechterung
einer bestehenden renalen Anämie. Im ZNS üben bereits niedrige Aluminiumkonzentrationen hochtoxische Effekte
aus (Enzephalopathie).
#146.06{sidL0rjAuVK}
Hinweis: Zwischen der Einnahme eines aluminiumhaltigen Antazidums und säurehaltige Brausetabletten (z. B.
Calciumcitrat) sollte mindestens ein zweistündiger Einnahmeabstand eingehalten werden; säurehaltige Getränke (z.
B. Zitrussäfte) sollten gemieden werden.
#146.07{sidFITCroPq}
8.3.3 Natriumhydrogencarbonat und Folsäure/Vit​amin B12
#146.08{sidSqORDhMA}
Verminderung der Folsäure- und Vit​amin-B12-Resorption
#146.09{sidJolwP7ba}
Mechanismus: Anhebung des gastralen pH-Werts (Folsäure-Resorption: optimal im proximalen Jejunum bei pH
6,0; Mikroklimahypothese).
#146.10{sidmLLYykFk}
Folgen: Verminderte Resorption und Bioverfügbarkeit von Folsäure und Vit​amin B12.
#146.11{sidEmP7ktet}
Hinweis: Mindestens zweistündiger Einnahmeabstand zwischen den natriumhydrogencarbonathaltigen Antazida
und Folsäure- und/oder Vit​amin-B12-Präparaten.
#146.12{sidxbqGXrgN}
8.3.4 Calciumcarbonathaltige Antazida und Milch-Alkali-Syndrom
#146.13{sidcug2PuVr}
Milch-Alkali-Syndrom (Burnett-Syndrom) bei exzessiver Aufnahme calciumcarbonathaltiger Antazida
#146.14{sidwyGKpFsk}
Mechanismus: Das Milch-Akali-Syndrom ist eine Stoffwechselstörung, die bei der Kombination von Alkalien (z. B.
Bicarbonate) und Calcium (z. B. aus Milch) auftreten kann. Es kommt dabei zu einer Alkalose und Hypercalciämie
mit der Gefahr einer Niereninsuffizienz. Bekannt wurde das Milch-Alkali-Syndrom Anfang des 20. Jahrhunderts, als
Patienten mit Magengeschwüren mit großen Mengen an Milch und Alkalipulver behandelt wurden. Von dem im
Magen aus Calciumcarbonat gebildeten Calciumchlorid werden etwa 20 % resorbiert. Bei gleichzeitiger Zufuhr
großer Mengen an Milch besteht jedoch die Gefahr einer Hypercalciämie (> 2,6 mmol/l). Die übermäßige Resorption
von Carbonat- und Hydrogencarbonationen kann zu einer Alkalose führen.
#146.15{sidGXEGT1ID}
Folgen: Milch-Alkali-Syndrom: Hypercalciämie (Übelkeit, Erbrechen, abdominale Schmerzen), metabolische
Alkalose, Niereninsuffizienz.
#146_147{sidMDOKWrSP}
Hinweis: Sofortige Behandlung zur Senkung der Calciumplasmaspiegel mit 0,9%iger Kochsalzlösung (2,5–3 l tgl.)
und Furosemid (40 mg tgl.). Durch die Verfügbarkeit von H2-Blockern und anderen Antazida hat die Häufigkeit
dieser seltenen Erkrankung deutlich abgenommen. Nach aktuellen Untersuchungen scheint die Häufigkeit des MilchAlkali-Syndroms jedoch wieder anzusteigen. Schuld an dieser Entwicklung ist nicht der Konsum von Milch, sondern
eine überhöhte und unkontrollierte Einnahme von Calcium- und Vit​amin-D-Präparaten.
#147.01{sidDnHkvV8l}
Literatur
#147.02{sidL96cOLDX}
Akter S, Hassan MR, Shahriar M, et al. Cognitive impact after short-term exposure to different proton pump
inhibitors: assessment using CANTAB software. Alzheimers Res Ther, 2015; 27;7(1):79. doi: 10.1186/s13195015-0164-8
#147.03{sidnUsfx6tD}
Aymard JP, Aymard B, Netter P et al. Haematological adverse effects of histamine H2-receptor antagonists. Med
Toxicol Adverse Drug Exp, 3 (6): 430–448, 1988
#147.04{sidA0vG0gQd}
Badiola N, Alcalde V, Pujol A, et al. The proton-pump inhibitor lansoprazole enhances amyloid beta production.
PLoS One, 2013; 8:58837. doi: 10.1371/journal.pone.0058837.
#147.05{sidGnVTxFmt}
Bengoa JM et al. Hepatic vit​amin D 25-Hydroxylase inhibition by cimetidine and Isoniazid. J Lab Clin Med, 104 (4):
546–552, 1984
#147.06{sidBgdZWmk4}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Benn P et al. Effect of intraluminal pH on the absorption of pteroylmonoglutamic acid. Br Med J, 1: 148–150, 1971
#147.07{sidotEVc7qT}
Bradford GS, Taylor CT. Omeprazole and vit​amin B12 deficiency. The Annals of Pharmacotherapy, 33 (5): 641–643,
1999
#147.08{sid0qke5kc9}
Coburn et al. Calcium citrate markedly enhances aluminum absorption from aluminum hydroxide. Am J Kidney Dis,
17 (6): 708–711, 1991
#147.09{sid1Kqq7mV4}
Cooke N et al. Anacid-induced osteomalacia and nephrolithiasis. Arch Intern Med, 138: 1007–1009, 1978
#147.10{sidzttYwxtd}
Delpre G et al. Sublingual therapy for cobalamin deficiency as an alternative to oral and parenteral cobalamin
supplementation. Lancet, 354 (9180): 740–741, 1999
#147.11{sidpRRXlUks}
Doscherholmen A, Swaim WR. Impaired assimilation of egg Co57-vit​amin B12 in patients with hypochlorhydria and
achlorhydria and after gastric resection. Gastroenterology, 64: 913–919, 1973
#147.12{sid7YokEsJt}
Drasar BS et al. Studies on the intestinal flora. I. The bacterial flora of the gastrointestinal tract in health and
achlorhydric persons. Gastroenterology, 56: 71–79, 1969
#147.13{sidkD1L01XZ}
Ekenved G et al. Influence of liquid antacid on the absorption of different iron salts. Scand J Haematol, Suppl 28: 65–
77, 1976
#147.14{sidghD9MQJy}
Fairweather-Tait S et al. Orange juice enhances aluminium absorption from antacid preparation. Eur J Clin Nutr, 48
(1): 71–73, 1994
#147.15{sid8b3NXKF4}
Fernández-Fernández FJ, Sesma P, Caínzos-Romero T, et al. Hypomagnesemia related to the use of omeprazole
with negative result for mutation in the TRPM6 gene. Med Clin (Barc). 2011; 137(4): 188–189.
#147.16{sidZz64JR1I}
Festen HP, Tuynman HA, Den Hollander W, Menwissen SG. Repeated high oral doses of omeprazole do not affect
intrinsic factor secretion: proof of a selective mode of action. Aliment Pharmacol Ther, 3: 375–379, 1989
#147.17{sidm5NUr7nN}
Fiorino AS. Hypercalcemia and alkalosis due to milk-alkali syndrome: a case report and review. Yale J Biol Med, 69
(6): 517–523, 1996
#147.18{sidh5JGvczV}
Force RW, Nahata MC. Effect of histamine H2-receptor antagonists on vit​amin B12 absorption. Ann Pharmacother,
2(10): 1283–1286, 1992
#147.19{sidkrsYBgK4}
Gröber U, Interaktionen: Arzneimittel und Mikronährstoffe. 2. Aufl., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart,
2015.
#147.20{sidL66GRbq1}
Gröber U. Interactions between drugs and micronutrients. Trace Elements and Electrolytes, 27 (1): 1–9, 2010
#147.21{sidR48ZevPH}
Gröber U. Knochenrelevante Mikronährstoffe. Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 2: 1–5, 2011
#147.22{sidic4TZVhP}
Gröber U. PPI und knochenwirksame Mikronährstoffe. Dtsch Apoth Ztg, 23 (150): 4900–4901, 2010
#147.23{sidMyzfkwEv}
Gröber U. Protonenpumpenhemmer und Vit​amin B12. Dtsch Apoth Ztg, 148 (36): 65–67, 2008
#147.24{sidCjnx6r6e}
Gröber U, Kisters K. Neuroenhancement with vit​amins and other micronutrients?
#147.25{sidCrFlIrPx}
Pharmakon, 2015; 3(3): 231–237.
#147.26{sidYRgf5LRn}
Gröber U, Kisters K, Schmidt J. Neuroenhancement with Vit​amin B12: Underestimated neurological significance.
Nutrients, 2013; 5(12): 5031–5045.
#147.27{sidgkatJYd4}
Gröber U, Schmidt J, Kisters K. Magnesium in Prevention and Therapy. Nutrients, 2015; 7(9):8199–8226.
#147.28{sidJT8d46ZM}
Haenisch B, von Holt K, Wiese B, et al. Risk of dementia in elderly patients with the use of proton pump inhibitors.
Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci, 2015; 265(5): 419–428.
#147.29{siduZjqLAzP}
Henning HV et al. Aluminium-Intoxikation durch Antazida. Dtsch Aerztebl, 84: 1984–1986, 1987
#148.01{sid0b9m9S8p}
Henry EB et al. Proton pump inhibitor reduce the bioavailability of dietary vit​amin C. Aliment Pharmacol Ther, 22 (6):
539–545, 2005
#148.02{sidEvmJVw55}
Herzlich B, Herbert V. The role of the pancreas in cobalamin (vit​amin B12) absorption. Am J Gastroenterol, 79: 489–
493, 1984
#148.03{sidkpTpTYKQ}
Hutchinson C et al. Proton pump inhibitors suppress absorption of dietary non-haem iron in hereditary
haemochromatosis. Gut, 56 (9): 1291–1295, 2007
#148.04{sidjoiQJ16L}
King CE et al. Clinically significant vit​amin B12 deficiency secondary to malabsorption of protein-bound vit​amin B12.
Dig Dis Sci, 24: 397–402, 1979
#148.05{sidacV14NIn}
Kirch W et al. Interactions and non-interactions with ranitidine. Clin Pharmacokin, 9: 493–510, 1984
#148.06{sidOHsbBqGz}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Kittang E et al. The effect of omeprazole on gastric acidity and the absorption of liver cobalamins. Scand J
Gastroenterol, 22: 156–160, 1987
#148.07{sidFlsYelUa}
Kittang E et al. Effect of omeprazole on the secretion of intrinsic factor, gastric acid and pepsin in man. Gut, 26:
594–598, 1985
#148.08{sidXd6mzef8}
Koop H, BachemMG. Serum iron, ferritin and vit​amin B12 during prolonged omeprazole therapy. J Clin Gastroenterol,
14: 288–292, 1992
#148.09{sidcQZbjtXn}
Lanzon-Miller S et al. Twenty-four hour intragastric acidity and plasma gastrin concentration before and during
treatment with either ranitidine or omeprazole. Aliment Pharmacol Ther, 1: 239–251, 1987
#148.10{sidDt6dUmca}
Lindberg JS et al. Effect of citrate on serum aluminum concentrations in hemodialysis patients: a prospective study.
South Med J, 86 (12): 1385–1388, 1993
#148.11{sid15UWhSJe}
Mackay JD et al. Hypomagnesaemia due to proton-pump inhibitor therapy: a clinical case series. QJM, 103 (6):
387–397, 2010
#148.12{sidnYwWI7zs}
Marcuard SP et al. Omeprazole therapy causes malabsorption of cyanocobalamin (vit​amin B12). Ann Intern Med, 120
(3): 211–215, 1994
#148.13{sidUX5WOi2c}
Mauro LS, Kuhl DA, Kirchhoff JR, Mauro VF et al. Impact of oral bases on aluminum absorption. Am J Ther, 8 (1):
21–25, 2001
#148.14{sid3gejAqCb}
McKoll KE. Effect of proton pump inhibitors on vit​amins and iron. Am J Gastroenterol, 104 (Suppl 2): 5–9, 2009
#148.15{sidJXAtNCf7}
Odes HS et al. Effect of cimetidine on hepatic vit​amin D metabolism in humans. Digestion, 46 (2): 61–64, 1990
#148.16{sidv4AFbWsR}
Olschweski P et al. The milk-alkali syndrome – a rare differential diagnosis for hypercalcemia. Dtsch Med
Wochenschr, 121 (33): 1015–1018, 1996
#148.17{sid8jcw30Tg}
Patel AM, Gorldfarb S. Got calcium? Welcome to the calcium alkali syndrome. J Am Soc Nephrol, 21 (9): 1440–
1443, 2010
#148.18{sid3q09T7HA}
Picolos MK et al. Milk-alkali syndrome in pregnancy. Obstet Gynecol, 104 (5 Pt2): 1201–1204, 2004
#148.19{sid789TZ2iz}
Russell RM et al., Effect of antacid and H2 receptor antagonists on the intestinal absorption of folic acid. J Lab Clin
Med, 112 (4): 458–463, 1988
#148.20{sidjMDLsp38}
Salom IL et al. Effect of cimetidine on the absorption of vit​amin B12. Scand J Gastroenterol, 17: 129–131, 1982
#148.21{sidJxDl6NeF}
Satto Y, et al. Effect of folate and mecobalamin on hip fractures in patients with stroke: a randomized controlled trial.
JAMA, 293 (9): 1082–1088, 2005
#148.22{sidDcVxAlZ1}
Shalev H, Quider AA, Harosh MB, Kapelushnik J. Proton pump inhibitors use suppresses iron absorption in
congenital dyserythropoietic anemia. Pediatr Hematol Oncol, 33 (7–8): 457–461, 2016
#148.23{sidAJvIG2v1}
Sheikh MS et al. Gastrointestinal absorption of Calcium from milk and calcium salts. N Engl J Med, 317: 532–536,
1987
#148.24{sidPliDBEiI}
Spencer H et al. Adverse effects of aluminium antacids on mineral metabolism. Gastroenterology, 76: 603–606,
1979
#148.25{sidBcU0tgA8}
Steinberg WM et al. Malabsorption of protein-bound cobalamin but not unbound cobalamin during cimetidine
administration. Dig Dis Sci, 25: 188–191, 1980
#148.26{sidNLJt0pNK}
Streeter AM et al. Cimetidine and malabsorption of cobalamin. Dig Dis Sci, 27: 13–16, 1982
#148.27{sidyMSycTfx}
Ströhle A et al. Cobalamin – ein kritischer Nährstoff im höheren Lebensalter. Med Monatschr Pharm, 28 (2): 60–66,
2005
#148.28{sid6SrRc9TK}
Sturniolo GC et al. Inhibition of gastric Acid secretion reduces zinc absorption in man. J Am Coll Nutr, 10 (4): 372–
375, 1991
#148.29{sidGMUbhmd4}
Suter PM et al. Reversal of protein-bound vit​amin B12 malabsorption with antibiotics in atrophic gastritis.
Gastroenterology, 101: 1039–1045, 1991
#148.30{sidCbt5Z1eH}
Targownik LE et al. Use of proton pump inhibitors and risk of osteoporosis-related fractures. CMAJ, 179 (4):319–
326, 2008
#148_149{sidqbIenhIQ}
Termanini B et al. Effect of long-term gastric acid suppressive therapy on serum vit​amin B12 levels in Patients with
Zollinger Ellison Syndrome. Am J Med, 104 (5): 422–430, 1998
#149.01{sidbni8lQlX}
Thomas L. Labor und Diagnose, 6. Aufl. TH-Books, 2005
#149.02{sidVEJL7vbw}
Toh JW, Ong E, Wilson R, Hypomagnesaemia associated with long-term use of proton pump inhibitors.
Gastroenterol Rep (Oxf), 3 (3): 243–253, 2015
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#149.03{sidbssFUjct}
Van Meurs JB et al. Homocysteine levels and the risk of osteoporotic fracture. N Engl J Med, 350 (20): 2033–2041,
2004
#149.04{sidIMOGCjQj}
Wallmark B et al. Differentiation among inhibitory actions of omeprazole, cimetidine, and SCN- on gastric acid
secretion. Am J Physiol, 245: G64–G71, 1983
#149.05{sidcOgjH3UN}
Woodson GC. An interesting case of osteomalacia due to antacid use associated with stainable bone aluminium in
patient with normal renal function. Bone, 22 (6): 695–698, 1998
#149.06{sidj6NN9vmc}
Yang YX, Lewis JD et al. Long-term proton pump inhibitor therapy and risk of hip fracture. JAMA, 296 (24): 2947–
2953, 2006
#149.07{sidDqjFFNlj}
Yu LY, Sun LN, Zhang XH et al. A Review of the Novel Application and Potential Adverse Effects of Proton Pump
Inhibitors. Adv Ther, 34 (5): 1070–1086, 2017
#150.01{sidTic1OvoZ}
9 Antiadiposita
#150.02{sidiY8spvGj}
Orlistat ist ein Arzneistoff, der in Kombination mit einer ärztlich überwachten Reduktionsdiät zur Therapie der
Adipositas eingesetzt wird.
#150.03{sidSiNt4ylt}
9.1 Orlistat und Mikronährstoffe
#150.04{sid6VTGIq78}
Im Gegensatz zu den Appetitzüglern verringert Orlistat nicht den Appetit, sondern die Fettresorption und damit die
Kalorienaufnahme. Nebenwirkungen, die entsprechend dem Fettanteil in der Nahrung auftreten können sind ein übel
riechender, fettiger und öliger Stuhl, Flatulenz mit Stuhlabgang, Stuhldrang und Stuhlinkontinenz. Im Hinblick auf den
Mikronährstoffhaushalt kann die Einnahme von Orlistat vor allem zu einer Resorptionsstörung fettlöslicher Vit​amine
führen.
#150.05{sidwndxqKSy}
Der Erfolg einer Gewichtsreduktion mit Orlistat ist häufig nur unbefriedigend. Andere Gewichtsreduzierende
Maßnahme wie Ernährungsumstellung und regelmäßige körperliche Aktivität (z. B. gesundheitsorientiertes
Krafttraining) sind langfristig sicher Erfolg versprechender. Generell stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist mit einem
Arzneistoff wie Orlistat eine partielle Pankreasinsuffizienz zu erzeugen, um damit das Körpergewicht zu verringern.
#150.06{sidCEUIdktg}
9.1.1 Orlistat und fettlösliche ​Vit​amine
#150.07{sidElG73gAm}
Orlistat vermindert die Resorption fettlöslicher Vit​amine
#150.08{sidLCmt1xLu}
Mechanismus: Hemmung der pankreatischen Carboxylester-Lipase (gastrointestinale Lipase) durch Orlistat
hemmt die Fettresorption und damit die diätetische Bioverfügbarkeit fettlöslicher Vit​amine.
#150.09{sidaAtDqmAn}
Folgen: Beeinträchtigung der diätetischen Bioverfügbarkeit der fettlöslichen Vit​amine A, D, E und K sowie der
Carotinoide (z. B. Lycopin, Lutein); Abfall der Carotinoid- und 25-(OH)-Vit​amin-D-Spiegel (Vit​amin-D-Mangel:
25(OH)D < 20 ng/ml) im Serum bei langfristiger Anwendung. Auch die Resorption und Utilisation der langkettigen
mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) wird
erheblich beeinträchtigt.
#150_151{sidosTsk5U1}
Hinweis: Unter Therapie mit Orlistat sollten zur Kompensation der medikationsbedingten Verluste ein
Multivit​aminpräparat mit fettlöslichen Vit​aminen (in wasserlöslicher Salzform, z. B. α-Tocopherolacetat) und
Carotinioden supplementiert werden. Zwischen der Einnahme von Orlistat und entsprechenden Vit​aminpräparaten
ist ein Einnahmeabstand von 2–3h einzuhalten. Der Vit​amin-D-Status bedarf bei langfristiger Einnahme von Orlistat
besonderer Aufmerksamkeit, da es in einigen Studien trotz Begleitmedikation mit einem fettlöslichen
Multivit​aminpräparat (5 000 I. E. Vit​amin A, 400 I. E. Vit​amin D, 300 I. E. Vit​amin E und 30 µg Vit​amin K) zu einem
signifikanten Abfall oder Calcidiol-Serumspiegel kam und der Vit​amin-D-Status nicht ausreichend kompensiert
werden konnte. In verschiedenen Untersuchungen korrelierte der Vit​amin-D-Status invers mit der Insulinresistenz und
dem erhöhten Risiko für Adipositas.
#151.01{sidJfHfTEey}
Hinweis: Bei einem Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) sollte mithilfe der folgenden Formel zunächst die
Vit​amin-D-Initialdosis (VDI) in I. E. berechnet werden: Vit​amin-D-Initialdosis (VDI) in I. E. = 40 × [Zielwert (nmol/l) – Ausgangswert (nmol/)] × kg Körpergewicht (KG)
#151.02{sidS7bX4RhB}
Die errechnete Vit​amin-D-Initialdosis (VDI) sollte gleichmäßig etwa auf 7–10 Tage verteilt werden (z. B. VDI = 405
000 I. E. → 10 Tage lang 40 000 I. E. Vit​amin D täglich). Im Anschluss sollten täglich 40–60 I. E. Vit​amin D pro kg
KG eingenommen werden. Eine Erfolgskontrolle der Vit​amin-D-Therapie sollte frühestens nach 6–8 Wochen
labordiagnostisch durch die Messung des 25(OH)D-Werts im Serum überprüft werden.
#151.03{sidplQTk5Cs}
Für die humane Physiologie und Prävention von Erkrankungen gilt derzeit ein 25(OH)D-Status von 40–60 ng/ml bzw.
100–150 nmol/l als optimal. Aktuelle Studien zeigen, dass in Abhängigkeit vom BMI bei Übergewichtigen eine
tägliche Einnahme von 7 000 I. E. und bei Adipösen von 8 000 I. E. Vit​amin D eingenommen werden müssen, um
einen 25(OH)D-Status von 100 nmol/l zu erreichen. In Bezug auf den Vit​amin-D-Status wurde zudem gezeigt, dass
ein 25(OH)D-Spiegel bis zu 300 nmol/l ohne Nebenwirkungen assoziiert ist und als sicher gilt.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#151.04{sidOXF9wHoE}
Literatur
#151.05{sidfUowO9hn}
Borel P, Caillaud D, Cano NJ. Vit​amin D bioavailability: state of the art. Crit Rev Food Sci Nutr, 55 (9): 1193–1205,
2015
#151.06{sidDV4cUytl}
Cruz-Hernandez C et al. Lipase inhibitor orlistat decreases incorporation of eicisapentaenoic and docosahexaenoic
acids in rat tissues. Nur Rev, 30 (2): 134–140, 2010
#151.07{sidU2v4b1Or}
McDuffie JR et al. Effects of orlistat on fat-soluble vit​amins in obese adolescents. Pharmacotherapy, 22 (7): 814–
822, 2002
#151.08{sidbC6s5y6P}
Finer N et al. One-Year treatment of obesity. A randomized, double-blind, placebo-controlled, multicentre study of
orlistat, a gastrointestinal lipase inhibitor. Int J Obes Relat Metab Disord, 24 (3): 306–313, 2000
#151.09{sidj8AJFBtN}
Gotfredsen A, et al. Influence of orlistat on bone turnover and body composition. Int J Obes Relat Metab Disord, 25
(8): 1154–1160, 2001
#151.10{sidmt1s6bTf}
Gröber U, Reichrath J, Kisters K, Holick, MF. Vit​amin D. Update 2013. From rickets prophylaxis to general
healthcare. Dermatoendocrinol, 5: 3, e2: 331–347, 2013
#151.11{sidiVV2xJPF}
Holecki M, Zahorska-Markiewicz B, Nieszporek T et al. Impact of the mass-reductive therapy with orlistat on 25(OH)-D3 and PTH concentration in sera of obese, menopausal women. Endokrynol Pol, 56 (3): 240–245, 2005
#151.12{sidMOlbRo1V}
Kimball SM, Mirhosseini N, Holick MF. Evaluation of vit​amin D3 intakes up to 15,000 international units/day and
serum 25-hydroxyvit​amin D concentrations up to 300 nmol/L on calcium metabolism in a community setting.
Dermatoendocrinol, 9 (1): e1300213, doi: 10.1080/19381980.2017.1300213, 2017
#151.13{sid8ElTKelv}
Melia AT et al. The effect of orlistat, an inhibitor of dietary fat absorption, on the absorption of vit​amins A and E in
healthy volunteers. J Clin Pharmacol, 36 (7): 647–653, 1996
#151.14{sidl3l5KIUt}
Schwartz SM et al. Compliance, behaviour change, and weight loss with orlistat in an over-the-counter setting.
Obesity, 16 (3): 623–629, 2008
#152.01{sidgbOQv856}
10 Antianämika
#152.02{sidVNPhcpRX}
Eine Anämie liegt vor, wenn die Hämoglobinkonzentration (Männer/Frauen: < 14 g/dl/ < 12 g/dl) und die
Erythrozytenzahl (Männer/Frauen: < 4,5 Mio./µl/< 4,0 Mio./µl) unter den Normalbereich abfallen. Die häufigste
Anämieform ist die Eisenmangelanämie, die durch gastrointestinale Blutverluste, vermehrten Eisenverbrauch
während der Gravidität, gesteigerte Mensesblutungen oder durch nutritiven Eisenmangel (z. B. fleisch- und
gemüsearme Kost) bedingt ist. Von klinischer Bedeutung sind neben der Eisenmangelanämie vor allem die
megaloblastäre Anämie durch Vit​amin-B12- und/oder Folsäuremangel, die renale Anämie
(Erythropoetinmangel) bei chronischen Nierenerkrankungen sowie die Tumor- und zytostatikabedingte Anämie.
Zu den am häufigsten verordneten Antianämika zählen Eisen-, Folsäure-, Vit​amin-B12- und ErythropoetinPräparate.
#152.03{sidT535XGeL}
Eine Eisenmangelanämie tritt vermehrt bei Patienten mit Niereninsuffizienz, insbesondere bei HämodialysePatienten auf. Auch Prädialyse-Patienten sind häufig von einem Eisenmangel betroffen, der vor allem auf ein
reduziertes Eisenangebot durch eine proteinarme Ernährung und auf eine verringerte Eisenresorption infolge
von Urämien und/oder die Gabe von Phosphatbindern zurückzuführen ist. Bei Hämodialyse-Patienten steigt
unter dem Einsatz von rekombinantem humanem Erythropoetin (rHuEpo) der Eisenbedarf für die Erythropoese,
was den Eisenmangelzustand zusätzlich verschärfen kann. Der adjuvante Einsatz von Eisen, L-Carnitin und
antioxidativ wirksamen Mikronährstoffen wie Vit​amin E kann die Ansprechrate und Wirksamkeit einer Therapie
mit Erythropoetin oder Darbepoetin alfa signifikant verbessern.
#152.04{sidVVBDswFU}
10.1 Eisen und Mikronährstoffe
#152.05{sidzScHJANn}
Blutbildende Arzneimittel, die sogenannten Antianämika, werden zur Behandlung und Vorbeugung der Blutarmut
(Anämie) eingesetzt. Unter den eingesetzten Medikamenten hat Eisen dabei neben Erythropoetin, Folsäure und
Vit​amin B12 die größte Bedeutung. Mit etwa 4 g ist Eisen das häufigste essenzielle Spurenelement im Körper. Jede
unserer Körperzellen braucht Eisen, da es eine überragende Rolle spielt bei der Blutbildung. Als elementarer
Baustein des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin ist Eisen für den Sauerstofftransport im Blut und die Sauerstoffverwertung im zellulären Energiestoffwechsel unerlässlich.
#152.06{sidYLgT08bA}
Hauptaufgabe des Eisens ist der Sauerstofftransport aus der Lunge zum Ort der verschiedenen Körpergewebe und
Organe. Auch die Neubildung von roten Blutkörperchen, die sogenannte Erythropoese, ist obligat eisenabhängig.
Eine gute Eisenversorgung ist deshalb die Voraussetzung für unsere Vitalität sowie für die optimale Funktion des
Gehirns und Immunsystems. Darüber hinaus ist Eisen auch essenziell für die Verwertung und den Einbau von Iod im
Rahmen der Schilddrüsenhormonsynthese (→ eisenabhängige Thyroid-Peroxidase). Eisen ist zusätzlich an der
Produktion von Hormonen und Neurotransmittern (z. B. Dopamin), der Kollagensynthese sowie zahlreichen
Aktivitäten von Enzymen, die bei Entgiftungsprozessen und der Beseitigung freier Radikale eine Rolle spielen,
beteiligt.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#152.07{sidQYnDF1cy}
Je nach Lebensphase und Lebensstil ist der Eisenbedarf unterschiedlich (□ Tab. 10.1). Eisenmangel tritt vor allem
bei Mädchen, Schwangeren, Stillenden, Frauen mit starken Monatsblutungen und Vegetariern auf. Bis zu 75 % der
Frauen im Alter zwischen 14 und 50 Jahren sind nach aktuellen Studien nicht ausreichend mit Eisen versorgt. Ein
leichter Eisenmangel kann bei Kleinkindern im Alter von 12–18 Monaten bereits zu deutlichen Störungen in der
Intelligenzentwicklung führen.
#153.01{siducENon30}
Bei Sportlern ist Eisenmangel die häufigste Ursache für mäßige Leistungen und eine schlechte
Regenerationsfähigkeit. Eisenmangelsymptome treten bei weiblichen Ausdauersportlern sehr häufig auf und können
sich durch Müdigkeit, Kältegefühl, Infektanfälligkeit, Abnahme der Leistungsbereitschaft/-fähigkeit, vorzeitige
Lactatazidose bis hin zur Blutarmut äußern. Der Eisenbedarf ist bei Ausdauersportlern aus verschiedenen Gründen
erhöht:
#153.02{sidVZmYnQWM}
Eisenverluste über den Schweiß (~ 0,5 mg/l, bei intensiver Belastung: bis zu 5 mg/h), Urin und Stuhl.
#153.03{sidkNDhHAh8}
Erhöhter Muskelaufbau ist verbunden mit Zunahme von Myoglobin und eisenhaltigen Enzymen.
#153.04{sidgKeXPH9v}
Die höhere Gesamtblutmenge beim Sportler mit mehr Erythrozyten und Hämoglobin.
#153.05{sidpVBrfsNW}
Die mechanische Zertrümmerung roter Blutkörperchen in den Gefäßen der Ferse („Marschhämolyse“).
#153.06{sidaqUa75hg}
Ernährung (z. B. vegetarisch).
#153.07{sidoTdRd8eB}
Bei Sportlerinnen erfolgt zusätzlich ein Eisenverlust von 10–20 mg pro Menstruation.
#153.08{sidrJRDUyJQ}
Neben Fehlernährung kann Eisenmangel auch durch eine krankheitsbedingte Störung der Eisenaufnahme (z. B.
Sprue/Zöliakie, Gastritis) und okkulte Blutungen im Magen-Darm-Trakt (z. B. Colitis ulcerosa, Magengeschwüre)
entstehen. 1 ml Blut enthält etwa 0,5 mg Eisen, sodass Blutverluste (z. B. Blutspenden, Hämorrhoiden,
Regelblutungen) zu ausgeprägtem Eisenmangel führen. Auch einige Medikamente wie Magen-Darm-Mittel (z. B.
Säureblocker) und Abführmittel stören die Eisenaufnahme. Krankheiten, die in Verbindung mit einem Eisenmangel
stehen sind ADHS, Restless-legs-Syndrom, Morbus Parkinson.
#153.09{sidNUvAb8Nw}
Tab. 10.1 Risikogruppen und Risikofaktoren für Eisenmangel
#153.10{sidWnUvnoWD}
Ursache
Risikogruppen und Risikofaktoren
#153.11{sidQ3j7B5zF}
Kinder und Jugendliche
#153.12{sid1lG9MR7Y}
Frauen
#153.13{sidtogzLPm2}
Schwangere, Stillende
#153.14{sidf8Hm2i2A}
Vegetarier
#153.15{sidqPbSBfAh}
Ältere Menschen
#153.16{sidPjQRTg72}
Sportler
#153.17{sidgPc1ZimU}
Blutverlust (z. B. Blutspenden, ​Operationen,
Regelblutungen)
#153.18{sidAwGoOURK}
Arzneimittel (z. B. Antazida, ​Schmerzmittel,
Antibiotika, etc.)
#153.19{sid0wq6sacj}
Magen-Darm-Erkrankungen (z. B. Colitis ulcerosa)
Wachstum, geistige Entwicklung
Eisenverluste durch Monatsblutung
Steigerung des Eisenbedarfs um 100 %, Blutverluste bei
der Geburt
Geringer Eisengehalt der Nahrung
Geringe Nahrungsaufnahme bei vermindertem Appetit
Erhöhter Bedarf (z. B. Muskelaufbau) und Verlust (z. B. Marschhämolyse, Urin, Schweiß)
Eisenverlust durch Blutverlust
Störungen der Eisenaufnahme und Eisenverwertung,
erhöhte Eisenverluste
Störungen der Eisenaufnahme und Eisenverwertung,
erhöhte Eisenverluste
#153.20{sida2Tzfmnx}
Wer an Eisenmangel leidet, fühlt sich zunächst müde und erschöpft und wird anfällig für Infekte. Wichtige Organe wie
Gehirn und Herz werden nicht mehr optimal mit Sauerstoff versorgt. Die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit
sinkt. Im Alter von 12–18 Monaten kann eine Unterversorgung mit Eisen die Intelligenzentwicklung irreparabel stören.
Bei Schulkindern können Lern- und Konzentrationsstörungen die Folge sein.
#154.01{sid3YGYcQop}
Eisenmangel beeinträchtigt die Energieproduktion in den Kraftwerken unserer Zellen, den sogenannten
Mitochondrien. Es kommt zum allgemeinen Leistungsabfall. Typische Symptome sind leichte Ermüdbarkeit, innere
Unruhe, Kopfschmerzen, Nervosität, Vergesslichkeit und eine erhöhte Kälteempfindlichkeit. Eine Unterversorgung
mit Eisen kann sich durch Herzklopfen und einen schwachen, schnellen Puls äußern. Die Betroffenen leiden häufig
unter Kurzatmigkeit bei körperlicher Belastung (z. B. Treppensteigen). Besonders sensibel reagiert auch die
Schilddrüse auf Eisenmangel. Haarausfall oder brüchige Fingernägel können bei Frauen die Folge eines
Eisenmangels sein. Schließlich kommt es zum ausgeprägten Eisenmangel mit Blutarmut (Eisenmangelanämie), im
Fachjargon auch mikrozytäre hypochrome Anämie genannt.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#154.02{sidCVyf4zVC}
Wer einen erhöhten Eisenbedarf hat, muss auf die ausreichende Zufuhr dieses essenziellen Spurenelementes
achten. Nicht immer ist dies durch die Ernährung möglich. Eine ergänzende Zufuhr durch ein
ernährungsphysiologisch sinnvoll dosiertes Präparat (z. B. 10–25 mg Eisen/1–3 × pro Tag) hilft bei der Erhaltung
gesunder Eisenwerte. Sind bereits Symptome vorhanden, die auf einen Mangel hinweisen, können höhere
Zufuhrmengen – auch Eiseninfusionen beim Arzt – über mehrere Wochen die Speicher füllen.
#154.03{sidIdKsTTnx}
Die Bestimmung des Ferritins, CRP und löslichen Transferrin-Rezeptors (sTfR) durch den Arzt sind geeignete
Möglichkeiten der labormedizinischen Kontrolle des Eisenstatus. Ferritin ist nur ein Maß für den Eisenspeicher und
kann durch Entzündungsprozesse verfälscht werden. Daher sollten zum Ferritin immer auch der
Entzündungsparameter CRP sowie zur Untermauerung der Eisen-Diagnostik der lösliche sTfR bzw. Ferritin-Index
sowie die Leberwerte (z. B. Gamma-GT) mit gemessen werden. Durch die gemeinsame Bestimmung von Ferritin
und sTfR und nachfolgender Berechnung des Ferritin-Index kann zusätzlich zum Speichereisen auch das
Funktionseisen (→ im Körper in aktiven biologischen Verbindungen gebundenes Eisen) beurteilt werden.
#154.04{sidbpcl842f}
10.1.1 Eisen und Vit​amin C
#154.05{sidulOdo6Au}
Vit​amin C fördert die enterale Eisen​resorption
#154.06{sidvJvbf7Zt}
Mechanismus: Vit​amin C schützt 2-wertiges Eisen vor der Oxidation zum schwerlöslichen und somit schlechter
resorbierbaren 3-wertigen Eisen (Reduktion von Fe3 + → Fe2 +); Bildung von löslichen und resorbierbaren EisenAscorbat-Komplexen (auch Vit​amin A → Eisen-Vit​amin-A-Komplexe); Vit​amin C soll zusätzlich die Stabilität von
intrazellulärem Ferritin erhöhen und dadurch die Phagozytose in die Lysosomen verhindern, in denen Ferritin in
Hämosiderin um gewandelt wird, dessen Eisen nur schwer bioverfügbar ist.
#154.07{sidsjFiinka}
Folgen: Steigerung der enteralen Resorption von Eisen und verbesserte Utilisation im Rahmen der Hämatopoese;
effektiverer Hämoglobin-Anstieg als bei Monotherapie mit Eisen (auch durch Kombination mit Vit​amin A, Vit​amin B2
und Folsäure).
#154.08{sidZLv6b1Pb}
Hinweis: Die Kombination von Eisen (z. B. 2 × 20–40 mg Fe2 +/d) mit Vit​amin C (z. B. 1–2 × 100 mg Vit​amin C/d)
oder Vit​amin-C-haltigen Obstsäften (z. B. Orangensaft) kann die Effektivität einer oralen Eisentherapie verbessern
und ist in der Behandlung einer Eisenmangelanämie empfehlenswert. Neben den Leitparametern der
Eisenmangelanämie (z. B. Ferritin, Transferrin, Hämoglobin, Hämatokrit) ist auch eine labordiagnostische Erfassung
des Folsäure-, Vit​amin-B12- und Kupferstatus sinnvoll.
#154_155{sidj9JRXgYo}
Im Unterschied zu Hämeisen in Lebensmitteln tierischer Herkunft, dessen Verfügbarkeit 10 bis 25 % beträgt, liegt
die Resorptionsquote von Nichthämeisen in pflanzlichen Lebensmitteln durch absorptionshemmende Liganden (z. B.
Tannine, Phytate, Oxalsäuren) nur bei etwa 5 %. Eisen wird im Duodenum und oberen Jejunum als 2-wertiges Eisen
resorbiert. Abgesehen vom Häm gebundenen Fe2 +-Anteil liegt Eisen in Nahrungsmitteln überwiegend in der 3wertigen Form vor. Da 3-wertiges Eisen im schwach alkalischen Milieu des Dünndarms (pH > 3) nicht löslich ist,
muss es vor der Resorption durch Reduktionsmittel wie Vit​amin C reduziert (Fe3 + → Fe2 +) oder über andere
Substanzen in Lösung gehalten werden.
#155.01{sidx1byjlT8}
10.1.2 Eisen und Vit​amin A
#155.02{sid27Hfa5AX}
Vit​amin A kann die Eisenverwertung bei der Hämatopoese verbessern
#155.03{sid5N5ieZz8}
Mechanismus: Vit​amin-A-Mangel (auch Vit​amin B2) beeinträchtigt die Utilisation von Eisen im Organismus; die
Inkorporation und Mobilisation von Eisen kann durch Vit​amin A erhöht werden.
#155.04{sidtT95K5tJ}
Folgen: Utilisation von Eisen im Rahmen der Hämatopoese wird verbessert (wahrscheinlich über die Regulation
der Eisen-Hepcidin-Ferroportin-Achse); effektiverer Hämoglobinanstieg gegenüber einer Monotherapie mit Eisen
(auch durch Kombination mit Vit​amin D, Vit​amin C, Vit​amin B2 und Folsäure).
#155.05{sidhnYqmiOc}
Hinweis: Die Kombination von Eisen mit Vit​amin A scheint in der Therapie der Eisenmangelanämie effektiver zu
sein als die alleinige Gabe von Eisen. Auf den Stellenwert von Vit​amin A für den Eisenstoffwechsel wurde man
aufmerksam, als man beobachtete, dass bei einem Vit​amin-A-Mangel eine Eisenmangelanämie auftreten kann, die
nicht auf die Gabe von Eisen, sondern nur auf Vit​amin A anspricht.
#155.06{sidVBbv8vUO}
Studien: Vit​amin A beeinflusst die Hämatopoese und führt zu einer erhöhten Produktion und Freisetzung von roten
Blutkörperchen. Die Supplementierung von Eisen in Kombination mit Vit​amin A hat in einigen Studien einen
günstigen Einfluss auf die Eisenverwertung und Hämatopoese gezeigt. In einer Studie an 243 indonesischen
schwangeren Frauen (Alter: 17–35; 16. bis 20. SSW), führte die kombinierte Gabe von Eisen mit Vit​amin A und
Folsäure (120 mg Eisen, 4 800 I. E. Vit​amin A, 500 µg Folsäure) zu einem wirkungsvolleren Anstieg der
Hämoglobinwerte als bei der alleinigen Therapie mit Eisen und Folsäure. Bei anämischen Teenagern aus
Bangladesh wurde unter der Einnahme von Eisen (120 mg) zusammen mit Vit​amin A (2,42 mg) und Folsäure (3,5
mg) gegenüber Placebo nach 12 Wochen eine signifikante Abnahme der Anämie um 92 %, des Eisenmangels um
90 % und des Vit​amin-A-Mangels um 76 % beobachtet. Daneben stiegen die Hämoglobinwerte unter der
Kombination von Eisen + Vit​amin A + Folsäure stärker an als unter Eisen + Folsäure.
#155.07{sid34rABcRy}
10.1.3 Eisen und Vit​amin D
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#155.08{sidS02b5LJG}
Vit​amin D kann die Eisenresorption und –utilisation verbessern
#155.09{sidjmy0YnMV}
Mechanismus: Vit​amin D kann die Eisenresorption und –utilisation über die Regulation der Eisen-HepcidinFerroportin-Achse verbessern.
#155.10{sidxCJtgxTh}
Folgen: Utilisation von Eisen im Rahmen der Hämatopoese wird verbessert; effektiverer Hämoglobinanstieg
gegenüber einer Monotherapie mit Eisen.
#155.11{sidu3pJbh6w}
Studien: Aktuelle Studien belegen, dass Vit​amin D auch die Aufnahme und Verwertung von Eisen beeinflusst. Die
Resorption von Eisen erfolgt als zweiwertiges Eisen im Darm. Dabei wird dreiwertiges Eisen (Fe III) durch das
duodenale Cytochrom b (Dcytb) zum zweiwertigen Eisen (Fe II) reduziert und in dieser Form über den divalenten
Metalltransporter 1 (DMT-1) in die Darmzelle aufgenommen (○ Abb. 10.1). In der Darmzelle wird das Fe II entweder
in Form von intrazellulärem Ferritin gespeichert oder zur basolateralen Membran transportiert. An der basolateralen
Membran wird Eisen in Form von Fe II von dem Eisen-Exporter Ferroportin gebunden. Dieser ist für den
Eisentransport aus dem Zellinneren der Darmzellen heraus ins Blut zuständig. Auch in der Membran von Leberzellen
und einigen Zellen des Immunsystems (z. B. Monozyten, Makrophagen) findet sich Ferroportin.
#156{sidAF1VIdr9}
Abb. 10.1 Eisenaufnahme aus dem Darm ins Blut
#155_156{sidvOEASUc9}
Die Aktivität des Ferroportins wird durch das Protein Hepcidin reguliert. Letzteres wird hauptsächlich in der Leber
gebildet und besitzt eine Schlüsselfunktion bei der Regulation der Aufnahme und Gewebeverteilung des Eisens. In
Darmzellen oder in Monozyten bindet Hepcidin an Ferroportin. Dadurch können diese Zellen kein Eisen mehr
ausschleusen und ins Blut abgeben. In der Folge sinkt der Eisenspiegel im Blutserum und eine Blutarmut kann sich
entwickeln. Das HAMP-Gen, welches für die Produktion von Hepcidin verantwortlich ist wird auch bei Infektionen
oder Entzündungen (z. B. Interleukin-6) vermehrt aktiviert und führt zu einem Anstieg der Hepcidinspiegels. Hierdurch
wird die Funktion des Ferroportins blockiert, was dazu beitragen kann, dass sich eine Entzündungsbedingte
Blutarmut (Anämie) entwickelt.
#156_157{sideoSFjoxe}
Lange Zeit hatte man sich gewundert, warum bei Patienten mit Blutarmut aufgrund einer chronischen
Nierenerkrankung erhöhte Hepcidinspiegel und gleichzeitig erniedrigte 25(OH)D-Spiegel gemeinsam im Blut
auftreten. Aktuelle Studien konnten diesen Zusammenhang nun aufklären. Da ein Vit​amin-D-Mangel [25(OH)D < 20
ng/ml] die Produktion von Hepcidin in Leber- und Immunzellen steigert und damit die Aktivität von Ferroportin senkt
kommt es zu einem Abfall des Eisenspiegels im Blut. Demgegenüber senkt ein normaler Vit​amin-D-Status
[25(OH)D: 30–60 ng/ml] die Aktivität des HAMP-Gens und verringert die Hepcidinspiegel im Blut (○ Abb. 10.2).
Somit fördert Vit​amin D die Aktivität des Ferroportins und verbessert die Eisenaufnahme und Eisenverwertung.
Andererseits könnte Eisen über die Aktivität von Hydroxylasen den Vit​amin-D-Stoffwechsel unterstützen.
Ferredoxine sind eisen- und schwefelhaltige Proteine, die als Elektronenüberträger bei metabolischen Reaktionen
mitwirken. Das menschliche Ferredoxin wird Adrenodoxin genannt. Im mitochondrialen Monooxygenasesystemen
überträgt Adrenodoxin ein Elektron von NADPH-Adrenodoxin-Reduktase an die membrangebundene CytochromP450-Cholesterin-Monooxygenase (CYP11A1).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#157.01{sidIRxrHnBW}
Abb. 10.2 Regulation der Eisen-Hepcidin-Ferroportin-Achse
#157.02{sidoXfEftSA}
Der Einfluss von Vit​amin D auf die Eisen-Hepcidin-Ferroportin-Achse wird durch die Ergebnisse einer kürzlich
durchgeführten Pilot-Studie an gesunden Freiwilligen bestätigt. Bei diesen führte eine einmalige orale Gabe von 100
000 I. E. Vit​amin D2 zu einem signifikanten Anstieg des 25(OH)D-Spiegels von 27 ng/ml auf 44 ng/ml. Die
Verbesserung des 25(OH)D-Status war gleichzeitig mit einem 34%igen Abfall der Hepcidin-Spiegel im Blut
innerhalb von 24 Stunden verbunden.
#157_158{sidZ96JngsL}
Auch bei Schwangeren gehen Eisen- und Vit​amin D-Mangel häufig Hand in Hand. In einer aktuellen Studie an 158
Schwangeren (Alter: ≤ 18 Jahre) wurde der mütterliche ​Vit​amin D- und Eisenstatus in der Schwangerschaftsmitte
und bei Geburt untersucht. Dabei war der mütterliche 25(OH)D-Spiegel positiv mit dem Hämoglobinspiegel
verbunden. Das Risiko für eine Anämie war bei den jungen Frauen mit einem 25(OH)D-Spiegel < 20 ng/ml
gegenüber denjenigen mit einem 25(OH)D-Status ≥ 20 ng/ml sogar 8-mal größer. Bei allen Frauen, die schwanger
werden wollen und Schwangeren sollte nicht nur die Folsäureversorgung im Fokus stehen, sondern generell auch der
Vit​amin D-Status labormedizinischen kontrolliert und entsprechend kompensiert werden. Eisen- und Vit​amin-DMangel scheinen in der Schwangerschaft nicht nur das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen (z. B.
Präeklampsie) zu erhöhen, sondern sind nach aktuellen Studien bei Kindern auch mit einem signifikant erhöhten
Risiko an ADHS zu erkranken vergesellschaftet.
#158.01{sidoxzUwv9G}
In der Summe unterstreichen aktuelle Forschungsergebnisse die Bedeutung des Vit​amin-D-Status [25(OH)D, ng/ml]
für die physiologische Verwertung des Eisens. Nach den Ergebnissen der LURIC-Studie sind niedrige 25(OH)D und
1,25(OH)2D-Werte sind unabhängig assoziiert mit einer Anämie. Da Vit​amin D die Schlüsselproteine Hepicidin und
Ferroportin des Eisenstoffwechsels beeinflusst, sollte deshalb bei verschiedenen Formen einer Anämie (z. B.
Schwangerschaft, Nieren-, Krebserkrankung) immer auch auf einen gesunden 25(OH)D-Status [25(OH)D: 40–60
ng/ml] geachtet werden.
#158.02{sidFNdW2CEI}
10.1.4 Eisen und Mineralstoffe
#158.03{sidZjWLf2Yz}
Zink und andere Mineralstoffe hemmen die Eisenabsorption
#158.04{siddCTD8ySI}
Mechanismus: 2-wertige Metalle wie Zink, Kupfer, Mangan und Calcium reduzieren die Eisenabsorption;
diskutierter Mechanismus: kompetitive Interaktion mit dem divalenten Metallionen-Transporter-1 (DMT1) der Fe2 +
transportiert und andere 2-wertige Metalle (Zn, Cu, Mn, Co, Cd und Pb).
#158.05{sidxlAWZZzs}
Folgen: Reduktion der Resorptionsquote von Eisen bei Kombination mit Mineralstoffpräparaten oder Einnahme zu
Mahlzeiten mit hohem Anteil an absorptionshemmenden Substanzen (z. B. Calcium, Phytate, Polyphenole).
#158.06{sidiO3vmEtA}
Hinweis: In der Therapie von Eisenmangelzuständen sollte 2-wertiges Eisen möglichst nüchtern, in einer
dünndarmlöslichen Form (z. B. 1–2 × 60 mg Eisen/d als Eisensulfat) eingenommen werden. Der zeitgleiche Konsum
von Lebensmitteln wie Tee oder Kaffee (Polyphenole), Milchprodukten (Calcium) oder übermäßige Mengen an Kleie
(Phytate) sollte vermieden werden. Ein mehrstündiger Einnahmeabstand (> 2–3h) zu anderen Mineralstoffpräparaten
ist empfehlenswert.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#158.07{sidTgfDYk6M}
Zur besseren Verträglichkeit kann Eisen auch in niedrigeren Dosierungen (z. B. 20 mg/d; Eisen/UL: 45 mg)
nach/oder zu den Mahlzeiten eingenommen werden, dann ist allerdings der Anteil an absorptionshemmenden
Nahrungsbestandteilen (z. B. Phytate, Oxalate, Phosphate) sowie Kaffee, Tee, Milch und Colagetränken wichtig.
Pflanzliche Lebensmittel mit einem hohen Phytatgehalt (z. B. Vollkornprodukte) können zur besseren
Bioverfügbarkeit von Eisen mit Vit​amin-C-reichen Lebensmitteln (z. B. Zitrusfrüchte, Orangensaft) kombiniert
werden. Der Eisenstatus kann durch eine hochdosierte Monotherapie mit anderen Mineralstoffen wie Calcium und
Zink gestört werden. Calcium inhibiert sowohl die Absorption des Hämeisens als auch die des freien Eisens.
#158.08{sidRFrKT14q}
Studien: Die tägliche Zufuhr von 50 mg Zink als Zinkgluconat führte in einer Studie an erwachsenen Frauen bereits
nach zehn Wochen zu einer deutlichen Beeinträchtigung des Eisen- und Kupferhaushalts (→ Reduktion der
Serumferritinspiegel und der Aktivität der zink/kupferabhängigen erythrozytären Superoxiddismutase, SOD).
#158.09{sid2gPAJahj}
10.2 Erythropoetin und Mikronährstoffe
#158.10{sidPCeb1y7K}
10.2.1 Erythropoetin (EPO) und Eisen
#158.11{sidGkXhGSXm}
Eisen(III)-Komplexe verringern den Bedarf an Erythropoetin
#158_159{sidEpHrHUAC}
Mechanismus: Eisen(III)-Komplexe verbessern die Ansprechrate und verringern den Bedarf an rekombinantem
humanem Erythropoetin (rHuEPO). Für eine adäquate Stimulation der Erythropoese durch Erythropoetin sind gut
gefüllte Eisenspeicher wichtig. Eine Therapie mit rekombinantem humanem Erythropoetin (rHuEPO) oder
Darbepoetin alfa steigert den Eisenbedarf und spricht nur an (→ Anstieg des Hämoglobins), wenn ausreichend
Funktionseisen (→ Transferrinsättigung) zur Verfügung steht. Bei Dialysepatienten sollte daher die
Transferrinsättigung ≥ 20 % und die Anzahl der hypochromen Erythrozyten < 10 % betragen.
#159.01{sidYgGWMfQN}
Folgen: Intravenöse Applikation von Eisen(III)-Komplexen verbessert die Ansprechrate und verringert die
therapeutisch notwendige Dosis von rHuEPO: Eisen führt zu einem Anstieg des Hämoglobins, stimuliert
Erythropoese, verbessert Transferrinsättigung (≥ 20 %), verringert Anteil der hypochromen Erythrozyten (< 10 %);
parenterale Eisensubstitution verbessert zudem die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Patienten mit renaler
Anämie.
#159.02{sidYeO0hLuK}
Hinweis: Eine erfolgreiche Therapie mit rekombinantem Erythropoetin oder Darbepoetin alfa (z. B. renale Anämie,
Tumoranämie) bedarf eines adäquaten Eisenstatus (→ Funktionseisen). Aus diesem Grund sind bei einer rHuEPOTherapie häufig Eisengaben (z. B. 100 mg Eisen in Form eines Eisen-(III)-hydroxid-Dextran-Komplex als intravenöse
Infusion, 1–3×/Woche) erforderlich. Die Ferritinspiegel vor Beginn einer EPO-Therapie sollten bei ≥ 100 µg/l liegen.
Bevor mit Erythropoese stimulierenden Agenzien (ESA) behandelt wird, sollten nach den aktuellen KDIGO-Leitlinien
zunächst die Eisenspeicher aufgefüllt werden. Eine Eisengabe sollte demnach erfolgen, wenn die
Transferrinsättigung weniger als 30 % beträgt und die Serum-Ferritin-Spiegel unter 500 µg/l liegen – allerdings sind
dauerhafte Ferritin-Werte über 500 µg/l zu vermeiden. Beim gesunden Erwachsenen korreliert die
Ferritinkonzentration im Serum direkt mit der Gesamtmenge des mobilisierbaren Speichereisens im Organismus. 1
µg/l Serum-Ferritin entsprechen bei Erwachsenen einer Speichereisenmenge von etwa 8 mg. Ein auf unter 30 µg/l
reduzierter Ferritinwert zeigt eine Erschöpfung der für die Hämoglobinbiosynthese zur Verfügung stehenden
Gesamtkörpereisenreserven an. Unter rHuEPO-Therapie muss zusätzlich Eisen gegeben werden, wenn die
Transferrinsättigung < 30 % und der Anteil hypochromer Erythrozyten im Blutausstrich > 10 % ist (normal < 2,5 %).
Ein Hämoglobingehalt der Retikulozyten < 29 pg weist mit einer hohen Spezifität auf einen Eisenmangel hin. Eine
intravenöse Applikation von Eisen(III)-Komplexen verringert bei Patienten mit renaler Anämie den Bedarf an rHuEPO
und verbessert ihre Leistungsfähigkeit und Lebensqualität.
#159.03{sidYT4Q8B1b}
Bei oraler Zufuhr von Eisen sollte die Einnahme getrennt zu Phosphatbindern erfolgen, da diese die Eisenabsorption
beeinträchtigen. Die intravenöse Applikation von Eisen(III)-Komplexen ist der oralen Applikation überlegen, da die
Bioverfügbarkeit oraler Eisenpräparate mit 5 bis 10 % limitiert ist und zudem bei bis zu 20 % der Patienten
gastrointestinale Störungen (z. B. Obstipation) auftreten. Neben einem Eisenmangel verringert auch ein Mangel an
Folsäure, Vit​amin B6, Vit​amin B12, L-Carnitin und Vit​amin C die Wirksamkeit einer Therapie mit rHuEPO. Die
adjuvante Einnahme von Antioxidanzien (z. B. Vit​amin E, Selen) kann den durch intravenöse Eisentherapie
induzierten Anstieg der Lipidperoxidationsrate reduzieren und die Ansprechrate auf die rHuEPO-Therapie
verbessern. Eine Supplementierung von Folsäure, Vit​amin B2, Betain, Vit​amin B6 und B12 (pMethylcobalamin) senkt
bei Dialysepatienten erhöhte Homocysteinspiegel und kann möglicherweise dazu beitragen die erhöhte
kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität zu senken.
#159_160{sidiQTk3RGE}
Erythropoetin (EPO), das primär in den peritubulären Zellen des distalen Tubulus der Niere gebildet wird, ist für die
Erythropoese im roten Knochenmark essenziell. Hierbei wirkt das Glykoprotein als Wachstums- und
Differenzierungsfaktor der erythroiden Vorläuferzellen. Ein Mangel an EPO führt zur normochromen, normozytären,
hyporegenerativen Anämie. Die häufigste Ursache ist die chronische Niereninsuffizienz, da EPO nahezu
ausschließlich in der Niere gebildet wird. Bei einer Dialyse können beträchtliche Eisenverluste von bis zu 10 mg pro
Dialyse auftreten. Hämodialysepatienten leiden daher oft an einer renalen Anämie (Grenzwerte der
Eisenmangelanämie: Frauen: Hb < 11,5 g/dl; Männer: Hb < 13,5 g/dl). Zu den Ursachen/Faktoren für Eisenmangel
bei Hämodialysepatienten zählen proteinarme Ernährung, Blutverluste in das Hämodialysesystem, häufige
Blutentnahme für klinisch-chemische Untersuchungen, Blutverlust durch Antikoagulanzientherapie sowie
gastrointestinale Blutungen. Hämoglobinwerte < 11 g/dl entsprechend einem Hämatokrit von 30 % sind bei
Dialysepatienten mit einem um bis zu 40 % erhöhten Letalitätsrisiko assoziiert. Die Gabe von rekombinantem
humanem Erythropoetin (rHuEPO) führt zu einem Anstieg der Erythrozytenzahl und Verbesserung der
Hämatokritwerte.
#160.01{sidtbOeESD1}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Patienten mit renaler Anämie weisen häufig eine Eisenmobilisationsstörung auf, die durch eine niedrige
Transferrinsättigung (→ Indikator für mobilisiertes Eisen) bei gleichzeitig normalem oder leicht erhöhtem
Serumferritin (→ ausreichende Eisenreserven) gekennzeichnet ist. Während das Serumferritin die Eisenreserven
widerspiegelt (normal oder leicht erhöht), ist für die Verfügbarkeit des Eisens das mobilisierte Transporteisen
entscheidend, welches bei Dialysepatienten häufig vermindert (Transferrinsättigung < 20 %) ist und eine
Unterversorgung der Erythropoese mit Eisen zur Folge hat. Bei Aktivierung der Erythropoese durch EPO wird die
bestehende Eisenmobilisationsstörung als funktioneller Eisenmangel manifest (→ Abfall der Transferrinsättigung).
Der funktionelle Eisenmangel wird mittels Bestimmung der Transferrinsättigung und Messung des Anteils
hypochromer Erythrozyten diagnostisch erfasst.
#160.02{sidwEa4V9hL}
20 bis 60 % der Tumorpatienten sind bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung anämisch. Damit verbunden sind
signifikante Beeinträchtigungen des Allgemeinzustands und der Lebensqualität der Patienten. Die Gabe von
Erythropoese-stimulierenden Agenzien (ESAs, wie rHuEPO, Darbepoetin) kann die Lebensqualität der Betroffenen
bei Tumoranämie und Fatigue-Syndrom signifikant verbessern und die Notwendigkeit von Bluttransfusionen
verringern. Die Tumoranämie kann direkte Folge der Erkrankung sein, aber auch durch einen Eisenmangel,
Blutungen, Malnutrition, Hämolyse sowie durch die Chemo- bzw. Strahlentherapie induziert werden. Die Therapie mit
ESAs sollte frühzeitig bei einem Hämoglobinspiegel von 9 bis 11 g/dl einsetzen und fortgeführt werden, solange der
Hämoglobinspiegel unter 12 bis 13 g/dl liegt.
#160_161{sidqiTDDPwJ}
Zu den Hauptursachen der tumorbedingten Anämie zählt der funktionelle Eisenmangel. Dieser ist durch eine Störung
der Eisenutilisation gekennzeichnet. Aufgrund des hohen Entzündungsstatus wird vermehrt das in der Leber
gebildete Typ-II-Akute-Phase-Peptid Hepcidin ausgeschüttet. Dieses hemmt die intestinale Eisenresorption und die
Eisenmobilisation aus den Eisenspeichern (retikuloendotheliales System, RES). Das bedeutet, dass zwar
genügend Eisen im Organismus vorhanden ist, dieses dem blutbildenden Knochenmark aber nicht zur Verfügung
steht, da es von den Eisenspeichern nicht freigegeben wird. Es kommt zu einer Limitierung der Hämatopoese und
somit zu einem Absinken des Hb-Werts. Die Therapie mit Erythropoetin kann dadurch ganz versagen oder nur
reduziert ansprechen. Vor der Therapie mit erythropoesestimulierenden Angenzien (ESAs) sollte daher immer eine
Eisendiagnostik (z. B. Transferrinsättigung, Serum-Ferritin) durchgeführt werden. Nach den Leitlinien des National
Comprehensive Cancer Network (NCCN) der USA liegt ein absoluter Eisenmangel bei Serum-Ferritin-Werten unter
30 µg/l vor. Normale oder erhöhte Serum-Ferritin-Werte zusammen mit einer Transferrinsättigung (TSAT) unter 20 %
weisen auf einen funktionellen Eisenmangel hin. In diesem Fall ist eine kombinierte Anämie-Therapie mit
intravenösem (i. v.) Eisen (z. B. Intravenöse Bolus-Injektion 2–4 ml Ferinject entsprechend 100–200 mg Eisen
(Ferinject: 185 mg Eisen(III)-hydroxid-Polymaltose-Komplex/ml = 50 mg Eisen/ml), 1–3 × pro Woche) und ESAs zu
erwägen. Eine Einzeldosis Ferinject® sollte 1 000 mg Eisen (20 ml) pro Tag bzw. 15 mg Eisen (0,3 ml) pro kg KG
nicht überschreiten. Die maximale wöchentliche Gesamtdosis beträgt 1 000 mg (20 ml). In verschiedenen klinischen
Studien konnte durch die parenterale Eisenapplikation sowohl die Ansprechrate erhöht als auch die Zeit bis zum
Ansprechen auf Erythropoetin verkürzt werden. Darüber hinaus ließ sich durch die zusätzliche intravenöse
Eisengabe die benötigte EPO-Dosis verringern. In einigen Fällen konnte komplett auf die Gabe von EPO verzichtet
werden.
#161.01{sidCSv71Vrz}
10.2.2 Erythropoetin und Anti​oxidanzien
#161.02{sidHNbRr5NP}
Antioxidanzien (Vit​amin E, Vit​amin C) ​steigern die Ansprechrate auf rHuEPO
#161.03{sidfIWJiXVG}
Mechanismus: Reduktion der Lipidperoxidation (Ursachen: intravenöse Eisen-Applikation, Urämie, Dialyse) und
EPO-Resistenz (Ursachen: oxidativer Stress, Entzündung) durch Antioxidanzien; Verbesserung der Eisenutilisation
(Vit​amin C); Optimierung der Therapie mit rHuEPO oder Darbepoetin alfa.
#161.04{sidGK292jv7}
Folgen: Dosiseinsparung und erhöhte hämatologische Response auf rHuEPO-Therapie (→ Hämoglobin,
Transferrinsättigung).
#161.05{sidolmHdAI2}
Hinweis: Der gezielte und labordiagnostisch gestützte Einsatz von antioxidativ wirksamen Mikronährstoffen wie
Vit​amin E (z. B. 500 I. E. α-Tocopherol/d, p. o.), Vit​amin C (z. B. 2 000 mg Vit​amin C, i. v., 2–3×/Woche) und Selen
(z. B. 200 µg Selen/d) hat einen günstigen Einfluss auf die Ansprechrate einer Therapie mit humanem
rekombinantem Erythropoetin (rHuEPO) und die Verträglichkeit von intravenösen Eisen(III)-Komplexen bei
Dialysepatienten mit renaler Anämie.
#161_162{sidRM1mJjgI}
Hämodialysepatienten unterliegen aufgrund der Depletion antioxidativ wirksamer Systeme (→ Vit​amin C, Selen,
Glutathion) und erhöhter prooxidativer Aktivität (→ Urämie, Diabetes mellitus, Entzündung, Bioinkompatibilität der
Dialysemembran, Hyperhomocysteinämie) einem gesteigerten oxidativen Stress (□ Tab. 10.2). Die hohe oxidative
Belastung ergibt sich infolge der mit der Niereninsuffizienz assoziierten Akkumulation urämischer Toxine und wird
durch die Dialysebehandlung selbst und die veränderte Stoffwechselsituation noch verstärkt. So kommt es bereits
im Rahmen der Dialyse durch den Blut-Membran-Kontakt zur vermehrten Entstehung von reaktiven
Sauerstoffspezies und Freisetzung von Entzündungsmediatoren. Die hohe oxidative Stoffwechselbelastung ist mit
einer Depletion antioxidativ wirksamer Mikronährstoffe wie Vit​amin C, Vit​amin E und Glutathion verbunden, die
durch die Dialyse noch verstärkt wird. Die Verluste an Vit​amin C können pro Dialyse bis zu 100 mg betragen.
Darüber hinaus wird durch oxidativen Stress die Wirksamkeit einer Therapie mit rHuEPO beeinträchtigt und die
EPO-Resistenz erhöht. Eine intravenöse Eisentherapie kann bei niereninsuffizienten Patienten den oxidativen
Stress steigern. Die durch Eisenionen katalysierte Fenton- und Haber-Weiss-Reaktion führt zur Bildung von
Peroxiden und hochreaktiven Hydroxylradikalen. Eisen kann zudem in den Kupffer-Sternzellen der Leber
akkumulieren, was einen chronischen oxidativen Stress bedeutet. In Studien konnte bei Patienten nach einer
intravenösen Applikation von Eisen anhand erhöhter Plasmaspiegel von Malondialdehyd und F2-Isoprostanen eine
gesteigerte Lipidperoxidation nachgewiesen werden. Die Supplementierung von antioxidativ wirksamen
Mikronährstoffen wie Vit​amin E (z. B. 1 200 I. E. Vit​amin E, p. o., 6–9h vor der Hämodialyse) führt bei anämischen
Dialysepatienten, die eine parenterale Eisentherapie erhalten, zu einer signifikanten Reduktion der
Lipidperoxidation (→ MDA-Plasmaspiegel ↓). Die therapeutisch notwendige Epoetindosis sowie die EPO-
Resistenz kann durch Vit​amin E und Vit​amin C verringert werden. In einer Studie an Hämodialysepatienten war die
tägliche Einnahme von 500 mg α-Tocopherol mit einer signifikanten Reduktion der Epoetindosis (von 93 ± 24 auf 74
± 26 I. E./Kg/Woche) und besseren Ansprechrate auf die Therapie mit rHuEPO verbunden. Die Responderrate auf
eine Therapie mit rHuEPO konnte in Studien auch durch die intravenöse Applikation von Vit​amin C (z. B. 300–500
mg Vit​amin C, i. v., 3×/Woche) bei Hämodialysepatienten mit refraktärer Anämie und Hyperferritinämie verbessert
werden. Die 519-tägige Einnahme von 800 I. E. Vit​amin E (D-α-Tocopherol) führte in einer anderen Studie an
Hämodialysepatienten mit koronarer Herzkrankheit (n= 196) gegenüber Placebo zu einer 54%igen Reduktion des
kombinierten Endpunkts aus koronarem Tod, Schlaganfall, und instabiler Angina pectoris sowie einer 70%igen
Reduktion der Herzinfarktrate.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#161.06{sidMwQsGY91}
Tab. 10.2 Biomarker für oxidativen Stress bei Hämodialysepatienten (Auswahl)
#161.07{sidUXzgKMsV}
Biomarker
Entstehung
7,8-Dihydroxy-8-oxo-Guanin
(8-oxodG)
Oxidationsprodukt der DNA-Base Guanin
F2-Isoprostane (z. B. 8-iso-
Oxidationsprodukte der Arachidonsäure
Gruppe
#161.08{sidUEb8Ja5e}
DNA
#161.09{sidBaLv2yRl}
Lipide
PGF2α)
#161.10{sidlF9J6tSO}
Malondialdehyd (MDA), 4Hydroxynonenal (4-HNE)
#161.11{sidLy9ocWpX}
Kohlenhydrate
#161.12{sidJGQjtvGd}
Aminosäuren
Oxidationsprodukte mehrfach
ungesättigter Fettsäuren
Advanced glycosylation end
products (AGE)
Reaktionsprodukte reaktiver
Carbonylverbindungen mit NH2-Gruppen
3-Nitrotyrosin
Oxidationsprodukt mit Peroxynitrit
(Nitrierung → Proteinoxidation)
#162.01{sidZc4rgSGZ}
10.2.3 Erythropoetin und L-Carnitin
#162.02{siduln0HbNb}
L-Carnitin verringert den Bedarf an rHuEPO bei renaler Anämie und Tumoranämie
#162.03{siduYv7JI9q}
Mechanismus: L-Carnitin kann die therapeutische notwendige Eythropoetindosis zur Stimulierung der
Erythropoese und zur Stützung der Hämatokritwerte bei Dialysepatienten mit renaler Anämie verringern;
Stabilisierung der Erythrozytenmembran (Fragilität ↓); die Aktivität der Hämoxygenase-1 (HO-1) und der
erythrozytären Na+/K+-ATPase wird durch L-Carnitin gesteigert, eine Resistenz auf rHuEPO (EPO-resistente
Anämie) verringert und die Ansprechrate auf die Therapie mit rHuEPO erhöht.
#162.04{sidbIPsFpIL}
Folgen: Reduktion des Erythropoetinbedarfs; additive Effekte: Verbesserung des Ernährungsstatus (Albumin ↑),
des Lipidprofils (z. B. TG ↓, HDL ↑) und der antioxidativen Abwehr; L-Carnitin hat darüber hinaus einen günstigen
Einfluss auf Entzündungsprozesse (z. B. TNF-α, CRP ↓), die Insulinresistenz, die Leistungsfähigkeit und die
Lebensqualität.
#162.05{sidANLNdYAT}
Hinweis: Die parenterale Gabe von L-Carnitin (z. B. 15 bis 30 mg L-Carnitin/kg KG/d, i. v.) kann den Bedarf an
rHuEPO zur Behandlung einer renalen Anämie signifikant reduzieren. Die Responderrate auf eine rHuEPO-Therapie
wird durch L-Carnitin verbessert. Neben der renalen Anämie empfiehlt sich eine parenterale Substitution von LCarnitin auch bei tumor- und/oder zytostatikabedingten Anämien. Cisplatinhaltige Chemotherapien führen z. B. zu
einer verminderten Erythropoetinbildung. Die parenterale Applikation von L-Carnitin (z. B. 2 g L-Carnitin in 250 ml
0,9 % NaCl) vor einer Chemotherapie mit Anthrazyklinen, Cisplatin, Ifosfamid oder Trastuzumab kann die
Nebenwirkungsrate der Zytostatika (z. B. mitochondriale Toxizität, Kardio- und Neurotoxizität) signifikant verringern
(▸ Kap. 34).
#162_163{sidya4ZwZZn}
Studien: Zwischen dem Serumspiegel an freiem und gesamtem Carnitin und der therapeutisch notwendigen
Epoetindosis besteht eine signifikant negative Korrelation. Der durch die Hämodialyse ausgelöste Mangel an LCarnitin trägt zur Verkürzung der Lebensdauer der urämischen Erythrozyten bei. Die Niere spielt eine zentrale Rolle
bei der Aufrechterhaltung der endogenen Carnitin-Homöostase. Über 90 % des freien Carnitins im primären
Nierenfiltrat werden von der gesunden Niere renal rückresorbiert. Hämodialysepatienten weisen häufig aufgrund
erniedrigter endogener Synthese und erhöhter Dialysatverluste einen Carnitinmangel auf. Während einer Dialyse
nimmt der L-Carnitin-Gehalt im Blutplasma um bis zu 75 % ab. Daneben ist bei urämischen Patienten die
mitochondriale Fettsäure-Oxidation gestört, sodass vermehrt Acyl-Reste anfallen, die an Carnitin gebunden werden.
Die Clearancerate für Acyl-Carnitin (> dreifach) liegt signifikant höher als für freies Carnitin (erhöhte Carnitinverluste
als Acyl-Carnitin!). In verschiedenen Studien konnte durch Gabe von rHuEPO in Kombination mit L-Carnitin das
hämatolgische und klinische Bild der renalen Anämie effektiv korrigiert werden. Bei Hämodialysepatienten, die 3×
pro Woche (nach jeder Hämodialyse) 15 mg L-Carnitin pro kg KG intravenös über einen Zeitraum von 6 Monaten
erhielten, konnte der EPO-Bedarf von durchschnittlich 5 000 I. E./Woche auf 3 500 I. E./Woche verringert werden.
Zusätzlich wurde unter der adjuvanten Carnitingabe ein Anstieg der antioxidativen Kapazität des Plasmas sowie
eine Verbesserung des Lipidprofils beobachtet. In einer Doppelblindstudie erhielten Hämodialysepatienten täglich
1,5 g L-Carnitin über einen Zeitraum von neun Monaten. Dies führte in der Carnitingruppe zu einem signifikanten
Anstieg der Hämatokritwerte von 25,5 % auf 37,3 %, während in der Placebo-Gruppe die Hämatokritwerte von 24 %
auf 21,8 % abfielen. Zusätzlich wurde unter L-Carnitin auch ein Anstieg der Hämoglobin-Werte beobachtet.
#163.01{sidLniygAaI}
Literatur
#163.02{sidT5qZUCEO}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Ahmed F, Khan MR, Jackson AA. Concomitant supplemental vit​amin A enhances the response to weekly
supplemental iron and folic acid in anemic teenagers in urban Bangladesh. Am J Clin Nutr, 74 (1): 108–115, 2001
#163.03{sidW5vB4Irb}
Aoun B et al. L-carnitine supplementation and EPO requirement in children on chronic hemodialysis. Pediatr
Nephrol, 25 (3): 557–560, 2010
#163.04{sidF7x1VIrO}
Attallah N et al. Effect of intravenous ascorbic acid in hemodialysis patients with EPO-hyporesponsive anemia and
hyperferritinemia. Am J Kidney Dis, 47 (4): 644–654, 2006
#163.05{sid77nnZRXz}
Auerbach M et al. Intravenous iron optimizes the response to recombinant human erythropoietin in cancer patients
with chemotherapy-related anemia. J Clin Oncol, 22 (7): 1301–1307, 2004
#163.06{sidigSZFCmg}
Azizi-Soleiman F, Vafa M, Abiri B, Safavi M. Effects of Iron on Vit​amin D Metabolism: A Systematic Review. Int J
Prev Med, 2016; 7:126. doi: 10.4103/2008–7802.195212. eCollection 2016.
#163.07{sidYz5Lg0Qm}
Bacchetta J, Zaritsky JJ, Sea JL, et al. Suppression of iron-regulatory hepcidin by vit​amin D. J Am Soc Nephrol,
2014; 25(3):564–572.
#163.08{sidD3vdTHlg}
Bader N et al. Oxidativer Stress bei Hämodialysepatienten – auslösende Faktoren und mögliche Behandlung.
Aktuell Ernähr Med, 5 (29): 254–258, 2004
#163.09{siduCD6BFui}
Balay KS et al. Orange juice but not apple juice enhances ferrous fumarate absorption in small children. J Pediatr
Gastroenterol Nutr, 50 (5): 545–550, 2010
#163.10{sidHzyDEsRf}
Bayes B et al. Oxidative stress, inflammation and cardiovascular mortality in haemodialysis-role of seniority and
intravenous ferrotherapy: analysis at 4 years of follow-up. Nephrol Dial Transplant, 21 (4): 984–990, 2006
#163.11{sidCDwoO79y}
Beck K et al. Gold kiwifruit consumed with an iron-fortified breakfast cereal meal improves iron status in women with
low iron stores. A 16-week randomized controlled trial. Br J Nutr, 23: 1–8, 2010
#163.12{sidhIXPUIB8}
Berard E et al. L-Carnitine in dialyzed patients: The choice of dosage regimen. Int J Clin Pharm Res, 15 (3): 127–
133, 1995
#163.13{sidRginotxQ}
Besarab A et al. Optimization of epoetin therapy with intravenous iron therapy in hemodialysis patients. J Am Soc
Nephrol, 11 (3): 530–538, 2000
#163.14{sidtc4e8D0u}
Boaz M et al. Secondary prevention with antioxidants of cardiovascular disease in endstage renal disease
(SPACE): randomised placebo-controlled trial. Lancet, 356: 1213–1218, 2000
#163.15{sidSAbIdMwz}
Calo LA et al. Antioxidants, carnitine and erythropoietin. G Ital Nefrol, 23 (Suppl 34): 47–50, 2006
#164.01{sidsLdfZWYy}
Calvani M et al. Carnitine replacement in end-stage renal disease and hemodialysis. Ann N Y Acad Sci, 1033: 52–
66, 2004
#164.02{sidchO27cES}
Carlo LA et al. Carnitine-mediated improved response to erythropoietin involves induction of haem oxygenase-1:
studies in humans and in animal model. Nephrol Dial Transplant, 23 (3): 890–895, 2008
#164.03{sidYgmiT0pq}
Collins AJ et al. Trends in anemia treatment with erythropoietin usage and patient outcomes. Am J Kidney Dis, 32 (6
Suppl 4): 133–141, 1998
#164.04{sidLDG8w5SQ}
Conrad ME, Umbreit JN. Pathways of iron absorption. Blood Cells Mol Dis, 29 (3): 336–355, 2002
#164.05{sid4MN3GXVe}
Cristol JP et al. Erythropoetin and oxidative stress in haemodialysis: beneficial effects of vit​amin E supplementation.
Nephrol Dial Transplant, 12: 2312–2317, 1997
#164.06{sidyPW3688D}
Davidsson L. Approaches to improve iron bioavailability from complementary foods. J Nutr, 133 (5 Suppl): 1560–
1562, 2003
#164.07{sidDLEtfRr8}
Drueke T et al. Iron therapy, advanced oxidation protein products, and carotid artery intima-media thickness in endstage renal disease. Circulation, 106 (17): 2212–2217, 2002
#164.08{sidiUUekwXv}
Ernst JB, Tomschitz A, Grübler MR, et al. Vit​amin D Supplementation and Hemoglobin Levels in Hypertensive
Patients: A Randomized Controlled Trial. Int J Endocrinol, 2016; 2016:6836402. doi: 10.1155/2016/6836402
#164.09{sid3czX7LMz}
Ernst JB, Zittermann A, Pilz S, et al. Independent associations of vit​amin D metabolites with anemia in patients
referred to coronary angiography: the LURIC study. Eur J Nutr, 2016 Jan 8. [Epub ahead of print]
#164.10{sidZ0JAb064}
Fishman SM et al. The role of vit​amins in the prevention and control of anaemia. Public Health Nutr, 3 (2): 125–150,
2000
#164.11{sidSEnw4Tjj}
Fumeron C et al. Effects of oral vit​amin C supplementation on oxidative stress and inflammation status in
haemodialysis patients. Nephrol Dial Transplant, 20 (9): 1874–1879, 2005
#164.12{sidzq2GI3ej}
Gallucci MT et al. Red blood cell membrane lipid peroxidation and resistance to erythropoietin therapy in
hemodialysis patients. Clin Nephrol, 52 (4): 239–245, 1999
#164.13{sidmqERRJzC}
Garcia-Casal MN, Layrisse M. Dietary iron absorption. Role of vit​amin A. Arch Latinoam Nutr, 48 (3), 191–196,
1998
#164.14{sidzMvSJWrL}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Giardini O et al. Effects of alpha-tocopherol administration on red blood cell membrane lipid peroxidation in
hemodialysis patients. Clin Nephrol, 21: 174–177, 1984
#164.15{sidbJlrJcWl}
Giordano A et al. Comparison of two iron gluconate treatment modalities in chronic hemodialysis patients: results of
a randomized trial. J Nephrol, 18 (2): 181–187, 2005
#164.16{sidG7xomYZF}
Gleerup A et al. Iron absorption from the whole diet: comparison of the effect of two different distributions of daily
calcium intake. Am J Clin Nutr, 61 (1): 97–104, 1995
#164.17{sidZJrL6Ha5}
Grazi G et al. Can the treatment with L-carnitine improve the inflammation in chronic hemodialysis patients? G Ital
Nefrol, 21 Suppl 30: 204–207, 2004
#164.18{sidr2RqFsOZ}
Gröber U, Kisters K. Vit​amin D und die Regulation der Hepcidin-Ferroportin-Achse. Nieren- und
Hochdruckkrankheiten, 2016; 45(3), 131–133.
#164.19{sid4JAk9i5h}
Guryev O, Carvalho RA, Usanov S et al. A pathway for the metabolism of vit​amin D3: unique hydroxylated
metabolites formed during catalysis with cytochrome P450scc (CYP11A1). Proc Natl Acad Sci USA, 100 (25):
14754–14759, 2003
#164.20{sidNO9mo0hF}
Hallberg L. Iron requirements and bioavailability of dietary iron. Experientia, Suppl 44: 223–244, 1983
#164.21{sidWiERvPcm}
Hallberg L. The role of vit​amin C in improving the critical iron balance situation in women. Intern J Vita Nutr Res, 27
(Suppl.): 177–187, 1985
#164.22{sidKyFNrvGD}
Hallberg L et al. Iron absorption in man: ascorbic acid and dose-dependent inhibition by phytate. Am J Clin Nutr, 49
(1): 140–144, 1989
#164.23{sid3jqrM4gP}
Handelman GJ. Current studies on oxidant stress in dialysis. Blood Purif, 21 (1): 46–50, 2003
#164.24{sid2gTLyjX1}
Heinrich H. Bioverfügbarkeit und therapeutischer Wert oraler Eisen(II)- und Eisen(III)-Präparate. Dtsch Apoth Ztg, 14:
681–690, 1986
#164.25{sididdwhL3q}
Hodges RE et al. Hematopoetic studies in vit​amin A deficiency. Am J Clin Nutr, 31 (5): 876–885, 1978
#164.26{sidG26MZoff}
Hörl WH. Adjunctive therapy in anemia management. Nephrol Dial Transplant, 17 (Suppl 5): 56–59, 2002
#164.27{sidH1tcARMi}
Hoffman KE et al. Ascorbic acid and iron metabolism: alterations in lysosososomal function. Am J Clin Nutr, 54 (6
Suppl): 1188–1192, 1991
#164.28{sidE74Y4qC9}
Hoppe M et al. The relative bioavailability in humans of elemental powders for use in ford fortification. Eur J Nutr, 45
(19): 37–44, 2006
#165.01{sid6voeawV0}
Jahn M et al. Parenterale kolloidale Eisnekomplexpräparate. Dtsch Apoth Ztg, 146 (14): 62–71, 2006
#165.02{sids4BgQTy4}
Keven K. Randomized, crossover study of the effect of vit​amin C on EPO response in hemodialysis patients. Am J
Kidney Dis, 41 (6): 1233–1239, 2003
#165.03{sidDjBd4nII}
Kletzmayr J et al. Anemia and Carnitine supplementation in hemodialyzed patients. Kidney international, 55 (S 69):
93–106, 1999
#165.04{sidQUgsHiG4}
Kletzmayr J, Horl WH., Iron overload and cardiovascular complications in dialysis patients. Nephrol Dial Transplant,
17 (Suppl 2): 25–29, 2002
#165.05{sidu3JEswNo}
Kwack C, Balakrishnan VS. Managing erythropoietin hyporesponsiveness. Semin Dial, 19 (2): 146–151, 2006
#165.06{sidjbUl19nY}
Labonia WD. L-carnitine effcts in anemia in hemodialyzed patients treated with erythropoetin. Am J Kidney Dis, 26
(5): 757–764, 1995
#165.07{sidtw1biKUL}
Lim PS et al. Enhanced oxidative stress in haemodialysis patients receiving intravenous iron therapy. Nephrol Dial
Transplant, 14 (11): 2680–2687, 1999
#165.08{sidS8mSKglv}
Linder MC. Iron and copper homeostasis and intestinal absorption using the Caco2 cell model. Biometals, 16 (1):
145–160, 2003
#165.09{sidCG1BWBqA}
Locatelli F et al. Oxidative stress in end-stage renal disease: an emerging threat to patient outcome. Nephrol Dial
Transplant, 18 (7): 1272–1280, 2003
#165.10{sidxM0f5Jit}
Makrides M et al. Efficacy and tolerability of low-dose iron supplements during pregnancy: a randomized controlled
trial. Am J Clin Nutr, 78 (1): 145–153, 2003
#165.11{sidSVa2Ow2J}
Matsumoto Y et al. Effects of L-Carnitine supplementation on renal anemia in poor responders to erythropoetin.
Blood Purif, 19 (1): 24–32, 2001
#165.12{sid38t137xN}
Mejia LA, Arroyave G. The effect of vit​amin A fortification of sugar on iron metabolism in preschool children in
Guatemala. Am J Clin Nutr, 36 (1): 87–93, 1982
#165.13{sidE7n3XZlf}
Mejia LA, Chew F. Hematological effect of supplementing anemic children with vit​amin A alone and in combination
with iron. Am J Clin Nutr, 48 (3): 595–600, 1988
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#165.14{sidrcck8AEK}
Michelis R et al. Carbonyl stress induced by intravenous iron during haemodialysis. Nephrol Dial Transplant, 18 (5):
924–930, 2003
#165.15{sidwIKNKDvB}
Mimic-Oka J et al. Evaluation of oxidative stress after repeated intravenous iron supplementation. Ren Fail, 27 (3):
345–351, 2005
#165.16{sidGb4TW01Y}
Muslimatun S et al. Weekly supplementation with iron and vit​amin A during pregnancy increases hemoglobion
contentartion but decreases serum ferritin concentration in Indonesian pregnant women. J Nutr, 131 (1): 85–90,
2001
#165.17{sidNY97olQG}
Pollak A et al. Effect of intravenous iron supplementation on erythropoiesis in erythropoietin-treated premature
infants. Pediatrics, 108 (6): 1390–1391, 2001
#165.18{sidlD2aN6AF}
Roob JM et al. Vit​amin E attenuates oxidative stress induced by intravenous iron in patients on hemodialysis. J Am
Soc Nephrol, 11 (3): 539–549, 2000
#165.19{sidaXOGHqw0}
Rossander-Hulten L et al. Competitive inhibition of iron absorption by manganese and zinc in humans. Am J Clin
Nutr, 54 (1): 152–156, 1991
#165.20{sid9tPzlwlG}
Salahudeen AK et al. Increase in plasma esterfied F2-isoprostanes following intravenous iron infusion in patients on
hemodialysis. Kidney Int, 60 (4): 1525–1531, 2001
#165.21{sidiL15CH3P}
Sandstrom B. Micronutrient interactions: effects on absorption and bioavailability. Br J Nutr, 85 (Suppl): 181–185,
2001
#165.22{sidEepre21H}
Savica V et al. Carnitine system in uremic patients: molecular and clinical aspects. Semin Nephrol, 24 (5): 464–468,
2004
#165.23{sidxCE2SE4f}
Schreiber B. Levocarnitine and dialysis: a review. Nutr Clin Pract, 20 (2): 218–243, 2005
#165.24{sidP6KlFCLh}
Steiber AL et al. Carnitine treatment improved quality-of-life measure in a sample of Midwestern hemodialysis
patients. JPEN J Parenter Enteral Nutr, 30 (1): 10–15, 2006
#165.25{sidqYTpAwQk}
Sunder-Plassmann G, Horl WH. Novel aspects of erythropoetin response in renal failure patients. Nephrol Dial
Transplant, 16 (Suppl 5): 40–44, 2001
#165.26{sidK3p17AF1}
Tarng DC et al. Protective effect of vit​amin C on 8-hydroxy-2‘-deoxyguanosine level in peripheral blood lymphocytes
of chronic hemodialysis patients. Kidney Int, 66 (2): 820–831, 2004
#165.27{sidqCPpWuWf}
Temme EH et al. Tea consumption and iron status. Eur J Clin Nutr, 56: 379–386, 2002
#165.28{sid817ERIqJ}
Teschner M et al. Folate metabolism in renal failure. Nephrol Dial Transplant, 17 (Suppl 5): 24–27, 2002
#165.29{sidtU1FKGRq}
Thomas CE, Guillet R, Queenan RA et al. Vit​amin D status is inversely associated with anemia and serum
erythropoietin during pregnancy. Am J Clin Nutr, 102 (5): 1088–1095, 2015
#166.01{sid41sTGlZr}
Thomas L. Labor und Diagnose. Indikation und Bewertung von Laborbefunden für die medizinische Diagnostik. 5.
Aufl., TH-Books, Frankfurt/M. 2000
#166.02{sidFKcr8tEC}
Tovato GM et al. Long-term L-carnitine treatment of chronic anaemia of patients with end-stage renal failure. Curr
Ther Res, 31: 1042–1049, 1982
#166.03{sidwat4qA9F}
Vesela E et al. Effect of L-carnitine supplementation in hemodialysis patients. Nephron, 88 (3) 218–283, 2001
#166.04{sidNPSD7ry3}
Vit​amin C stabilizes ferritin: new insights into iron-ascorbate interactions. Nutr Rev, 45 (7): 217–218, 1987
#166.05{sid4YheFjeq}
Wanner C, Hörl WH. Carnitine abnomalities in patients with renal insufficiency. Nephron, 50: 89–102, 1988
#166.06{sid5GVZdBzB}
Yadrick MK et al. Iron, copper, and zinc status: response to supplementation with zinc or zinc and iron in adult
females. Am J Clin Nutr, 49 (19): 145–150, 1989
#166.07{sidtlFlmqDo}
Zimmermann MB, Köhrle J. The impact of iron and selenium deficiencies on iodine and thyroid metabolism:
biochemistry and relevance to public health. Thyroid, 12 (10): 867–878, 2002
#167.01{sidJTfcbu9O}
11 Antiasthmatika
#167.02{sidhIOnnSt4}
Das Asthma bronchiale gehört aufgrund seiner zunehmenden Häufigkeit zu den Volkskrankheiten der modernen
Industrienationen. In der westlichen Welt leiden etwa 5 % der Erwachsenen und rund 10 % der Kinder an
Bronchialasthma.
#167.03{sidz4p1ugM8}
11.1 Entzündliche Prozesse und Atemwegsobstruktion bei ​Asthma bronchiale
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#167.04{sidueNoeQhR}
Asthma bronchiale ist eine komplexe entzündliche Erkrankung der Atemwege mit Hyperreagibilität des
Bronchialsystems und variabler Atemwegsobstruktion. Der entzündliche Prozess ist mit zunehmender bronchialer
Hyperreaktivität gegenüber einer Vielzahl von Stimuli verbunden, durch die eine Bronchokonstriktion und damit ein
Asthmaanfall ausgelöst werden kann. Je nach Disposition wird die komplexe Entzündungsreaktion z. B. durch
Allergene, Schadstoffe in der Luft (SO2, NO2, Ozon), Rauchen, physikalische Reize, Stress oder körperliche
Belastung ausgelöst. Zu den typischen Symptomen, die besonders nachts und in den frühen Morgenstunden
auftreten, gehören: Anfallsartige Atemnot, Brustenge, Husten und pfeifende Geräusche.
#167.05{sidG9dq1SDW}
Die Wirksamkeit, der bei Asthma bronchiale eingesetzten Arzneimittel (z. B. Glucocorticoide, Montelukast) kann
durch die gezielte Supplementierung von antientzündlich wirkenden Mikronährstoffen wie Omega-3-Fettsäuren
(EPA/DHA), Vit​amin D, Magnesium und Selen verbessert werden.
#167.06{sidcRkMBQwc}
11.1.1 Antientzündliche Mikronährstoffe
#167.07{sid2pmGKdbL}
Antientzündliche Mikronährstoffe (EPA/DHA, Vit​amin D, Selen) können den Bedarf an ​Antiasthmatika
verringern
#167.08{sid8thg5RiG}
Mechanismus: Antientzündliche Mikronährstoffe wie EPA/DHA, Vit​amin D und Selen verringern die Belastung mit
Entzündungsmediatoren (z. B. Histamin, Leukotriene der Serie 4) und greifen regulierend in den Haushalt der Th1und Th2-Zellen ein.
#167.09{sid6B5xe7Ok}
Folgen: Verringerter Bedarf an Antiasthmatika bei regelmäßiger und labordiagnostisch kontrollierten
Supplementierung von antientzündlichen Mikronährstoffen.
#167.10{sido0m5IrYd}
Hinweis: Bei Asthma bronchiale sollte der Haushalt antientzündlicher Mikronährstoffe kontrolliert (z. B. AA:EPAQuotient, 25(OH)D im Serum, Selen im Vollblut) und entsprechend kompensiert werden. Auch eine Kontrolle von
Nahrungsmittelintoleranzen ist sinnvoll. In Verbindung mit einer antientzündlichen Diät (→ Arachidonsäure (AA)Aufnahme < 80 mg/d) können Mikronährstoffe wie EPA/DHA (z. B. 2 000 mg EPA/DHA/d, p. o.), Vit​amin D (z. B.
100 000 I. E./Mo., p. o.) und Selen (z. B. 300 µg/d, p. o.) den Bedarf an Antiasthmatika sowie die Häufigkeit von
Atemwegsinfekten der oberen Atemwege signifikant verringern.
#168.01{sidr7LhlEsI}
11.1.2 Antiasthmatika und Vit​amin C
#168.02{sidYALaATI7}
Vit​amin C kann den Bedarf an Antiasthmatika bei Belastungsasthma verringern
#168.03{sidp5wVU7fw}
Mechanismus: Vit​amin C reduziert als Antioxidans den erhöhten oxidativen Stress bei körperlicher Belastung und
verringert im Lungengewebe die Belastung mit bronchokonstriktorisch wirkenden Prostaglandinen; der
Verminderung des FEV1-Werts (forciertes expiratorisches Volumen oder Einsekundenkapazität) wirkt Vit​amin C
entgegen.
#168.04{sidsDK6yide}
Folgen: Vit​amin C kann den Bedarf an Antiasthmatika (z. B. Beta-Sympathomimetika) bei Belastungsasthma
verringern.
#168.05{sidJwShcc4T}
Hinweis: Bei Belastungsasthma wird unterstützend die Supplementierung von Vit​amin C (z. B. 3 × 500 mg/d, p. o.,
auch in Kombination mit Bioflavonoiden) empfohlen.
#168.06{sidB0fsPKh5}
Studien: Eine aktuelle Metaanalyse von drei randomisierten, placebokontrollierten Studien belegt, dass die
Supplementierung von Vit​amin C in der Lage ist, die Verminderung des FEV1-Werts bei Patienten mit
belastungsinduziertem Asthma zu halbieren (gepoolter Wert der drei Studien: 48 % Reduktion bei Supplementierung
von 500–2 000 mg vor der Belastung; 95 % CI 33–64 %).
#168.07{sid7qo6I9gJ}
11.1.3 Antiasthmatika und Mag​nesium
#168.08{sid07zLyqqZ}
Intravenöse Gabe von Magnesium kann ​Ansprechrate auf Antiasthmatika bei ​schwerem Asthma
verbessern
#168.09{sidVSggHPeO}
Mechanismus: Magnesium wirkt entspannend auf die Bronchialmuskulatur und verringert damit die
Atemwegsobstruktion. Außerdem hemmt Magnesium die durch Calcium vermittelte Histaminausschüttung aus den
Mastzellen und schwächt so den Entzündungsprozess in der Bronchialschleimhaut und damit die bronchiale
Hyperreaktivität ab.
#168.10{sidG3WGvGya}
Folgen: Bei einem schweren Asthmaanfall kann die intravenöse Gabe von Magnesiumsulfat (einmalige Dosis von 2
g innerhalb von 20 min), zusätzlich zu kurz wirkenden Beta-2-Sympathomimetika (short-acting beta-2-agonist,
SABA) und systemischen Glucocorticoiden gegeben, die Lungenfunktion verbessern. Dies gilt insbesondere für
Patienten mit schwerer bronchialer Obstruktion (FEV1 < 20 %).
#168.11{sidKgUMPV1P}
Hinweis: Bei mangelndem Ansprechen auf Ipratropiumbromid wird vor der Gabe von SABA i. v. die Verabreichung
von Magnesium i. v. empfohlen. 50 (25–75) mg/kg KG Magnesiumsulfat i. v. = 0,1 ml/kg der 50 %igen, bzw. 0,5
ml/kg der 10 %igen Magnesiumsulfat-Lösung (maximal 2 g) über 20 min langsam unter Monitorkontrolle applizieren
(Stopp bei Bradykardie, Herzfrequenz < 100 Schläge/min abfallend).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#168.12{sidIJdaDgxS}
Studien: Die Ergebnisse aktueller Studien belegen, dass auch die orale Substitution von Magnesium (z. B. 600 mg
Magnesium/Tag, p. o., als Mg-Citrat, über den Tag verteilt) oder die Inhalation von magnesiumsulfathaltigen
Lösungen (z. B. 2,5 ml isotonische Magnesiumsulfat-Lösung: ca. 150 mg Magnesium pro Dosis) die
Asthmatherapie wertvoll ergänzt und den Bedarf an Antiasthmatika verringern kann.
#168.13{sid3iI1NYYF}
In einer randomisierten placebokontrollierten Studie erhielten 52 Patienten mit schwer exazerbiertem Asthma
entweder 2,5 mg Salbutamol über einen Vernebler, gemischt mit 2,5 ml isotonischem Magnesiumsulfat (250 mmol/l),
oder Salbutamol gemischt mit isotonischer Kochsalzlösung. Gemessen wurde dann die Einsekundenkapazität
(FEV1). Nach dreimaliger Inhalation innerhalb von 90 min betrug das mittlere FEV1 in der Magnesium-Gruppe 1,96 l
(95 % CI 1,68–2,24), in der Kochsalz-Gruppe 1,55 l (1,24–1,87); die Differenz in der durchschnittlichen FEV1
zwischen der Magnesium-Gruppe und Kochsalz-Gruppe war 0,37 l (0,13–0,61, p = 0,003). Nach den Ergebnissen
dieser Studie kann die Kombination von Salbutamol und isotonischem Magnesiumsulfat, über einen Vernebler
appliziert, den bronchodilatatorischen Effekt beim schweren Asthmaanfall optimieren.
#169.01{sidSZowOkSz}
11.1.4 Glucocorticoide und Vit​amin D
#169.02{sidPdxNXzpl}
Systemische und inhalative Corticoide stören den Vit​amin-D- und Knochenstoffwechsel
#169.03{sidfHlziEiY}
Mechanismus: Anti-Vit​amin-D-Effekte: Glucocorticoide wie Dexamethason können unter anderem auch nukleäre
Rezeptoren, wie den Pregnan-X-Rezeptor (PXR) aktivieren. Dadurch erfolgt im Zellkern der Leberzelle eine
vermehrte Transkription, die zu einer gesteigerten Synthese des Cytochrom-P450-Isoenzyms 24A1 (→ 24Hydoxylase) in der Leber führt. Dieses auch als 24-Hydoxylase bezeichnete Enzym beschleunigt in der Leber den
Abbau von 25(OH)D über die Produktion von 24,25(OH)2D und von 1,25(OH)2D über die Bildung von
1,24,25(OH)3D. Es kommt zu einem signifikanten Abfall der 25(OH)D- und 1,25(OH)2-Vit​amin-D-Spiegel im Serum.
Verringerung der intestinalen Calciumresorption, verstärkte renale Calciumexkretion; Suppression der
Osteoblastenaktivität, Osteoblastogenese (Knochenmark); Hemmung der Knochenneubildung, erhöhte
Knochenresorption.
#169.04{sidbRotXr7j}
Folgen: Erhöhtes Risiko für corticoidinduzierte Osteoporose; Abfall der Osteocalcinspiegel; Vit​amin-D-Mangel
(25(OH)D < 20 ng/ml).
#169.05{sidRWoNuIoe}
Hinweis: Unter systemischer oder inhalativer Therapie des Asthma bronchiale mit Corticoiden muss der 25(OH)DStatus labordiagnostisch überprüft (Zielwert 40–60 ng/ml) und ensprechend kompensiert (40–60 I. E. Vit​amin D pro
kg KG/d, p. o.) werden. Eine optimale Calciumresorption und ossäre Claciumutilisation ist erst ab 25(OH)DSpiegeln von ≥ 32 ng/ml bzw. ≥ 80 nmol/l zu erwarten. Bei Patienten mit Asthma bronchiale verringert Vit​amin D
zusätzlich die Häufigkeit von Atemwegsinfekten und kann die Ansprechrate sowie die antientzündliche Wirkung einer
inhalativen Corticoidtherapie verbessern. Letzteres dürfte mit der erhöhten Expression der Zytokine Interleukin 10
(IL-10) und TGF-β1 durch 1α, 25-(OH)2-Vit​amin-D zusammenhängen ○Abb. 11.1). 1α, 25-(OH)2-Vit​amin-D hat einen
regulierenden Einfluss auf die T-Zell-Differenzierung und die Th 1-/Th 2-Zytokine. IL-10 und TGF-β1 besitzen
ausgeprägte antientzündliche und antiallergische Eigenschaften und wirken entzündlichen Prozessen im
Lungengewebe entgegen. Interleukin 10 gilt derzeit als vielversprechender Kandidat für die Therapie von
allergischen Erkrankungen.
#169.06{sidP2zKw0kI}
Abb. 11.1 Einfluss von Calcitriol auf die Th 1-/Th 2-Balance
#170.01{sidYN18lB7r}
Studien: Eine systemische Langzeitmedikation mit Corticoiden (z. B. Prednison) ist mit einem signifikant erhöhten
Risiko für eine corticoidinduzierte Osteoporose assoziiert. Je nach Studie wird der Anteil der Patienten, die eine
Osteoporose entwickeln, dosisabhängig mit bis zu 85 % beziffert. Auch die regelmäßige Anwendung inhalativer
Glucocorticoide führt einigen Studien zufolge ab einer Dosierung (Tagesdosis) von 800 µg Beclomethason oder
Budesonid zu einer Beeinflussung des endogenen Cortisolregelkreises und Beeinträchtigung des
Knochenstoffwechsels. Bei erwachsenen Asthmatikern wird nach 2-jähriger inhalativer Applikation von täglich 800
bis 2 000 µg inhalativer Glucocorticoide eine dosisabhängige Verminderung der Knochendichte beschrieben.
Einige Fall-Kontroll-Studien geben zudem Hinweise darauf, dass bei längerfristiger Anwendung ein leicht erhöhtes
Frakturrisiko besteht. Die Pathogenese der corticoidinduzierten Osteoporose ist multifaktoriell. Im Rahmen der
direkten und indirekten Effekte der Corticoide auf die Osteoblasten und Osteoklasten spielen insbesondere die
Vit​amin-D-antagonistischen Effekte eine wichtige Rolle. Über eine vermehrte Expression von RANK-L und eine
verminderte Osteoprotegerin-Produktion steigern Corticosteroide die Aktivität der Osteoklasten. Die IGF-1-Spiegel
sowie die Osteoblasten-Differenzierung und Osteoblastogenese werden durch Corticoide verringert. Darüber hinaus
führen Corticosteroide über ein negatives Feedback auf die Hypothalamus-Gonaden-Achse (LH/FSH) zu einer
Reduktion der Sexualhormone, die ihrerseits einen positiven Einfluss auf den Knochen ausüben. Die intestinale
Calciumresorption wird durch Corticoide vermindert und gleichzeitig die renale Calciumexkretion verstärkt. Ein
damit verbundener Abfall der Calciumspiegel im Blut kann zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus führen. Ein
PXR-vermittelter Abbau von Vit​amin D (z. B. durch Dexamethason) kann zusätzlich den enzymatischen Abbau von
Vit​amin D steigern (siehe auch S. 183ff.).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#170.02{sidk6UpvPd0}
11.1.5 Theophyllin und Vit​amin B6
#170.03{sidquDGdsdg}
Theophyllin stört den Vit​amin-B6-Stoffwechsel
#170.04{sidoZ1wOiYE}
Mechanismus: Theophyllin (Vit​amin-B6-Antagonist) antagonisiert die Aktivierung von Pyridoxin zum
stoffwechselaktiven Coenzym Pyridoxal-5-phosphat (P-5-P).
#170.05{sidNnoYMWCY}
Folgen: Abfall der Pyridoxin- und Pyridoxal-5-Phosphat-Spiegel im Plasma; Anstieg der
Homocysteinplasmaspiegel (≥ 10 µmol/l).
#170.06{sidHX8fPszj}
Hinweis: Unter Therapie mit Theophyllin ist eine Supplementierung von Vit​amin B6 (20–50 mg tgl., p. o. auch als P5-P) zusammen mit Folsäure und Vit​amin B12 zur Kompensation medikationsbedingter Störungen des Vit​amin-B6Status empfehlenswert.
#170.07{sidU39V5EDF}
Studien: Bei Asthmatikern findet man zum Teil deutlich erniedrigte Vit​amin-B6-Spiegel (Pyridoxal-5-Phosphat) im
Plasma. In einigen Untersuchungen führte die Supplementierung von Vit​amin B6 (2 × 50 mg tgl.) zu einer
Verringerung der Häufigkeit und Schwere der Asthmaanfälle. Die typischen Nebenwirkungen des Theophyllin, wie
Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Übelkeit und Unruhe könnten mit einer Störung des Vit​amin-B6-Haushalts in
Zusammenhang stehen.
#170.08{side4EQzVj3}
Literatur
#170.09{sidUjYDyVbo}
Aloia JF, Li-Ng M Re. Epidemic influenza and vit​amin D. Epidemiol Infect, 135 (7): 1095–1096, 2007
#170.10{sid8bwOiBrX}
Alter HJ, Koepsell TD, Hilty WM. Intravenous magnesium as an adjuvant in acute bronchospasm: a meta-analysis.
Ann Emerg Med 36 (3): 191–7, 2000
#170.11{sidMkRyF2wl}
Bartel PR et al. Vit​amin B6 supplementation and theophylline-related effects in humans. Am Jnl Clin Nutr, 60: 93–99,
1994
#170.12{sida4V35SRi}
Broughton KS et al. Reduced asthma symptoms with n-3 fatty acid ingestion are related to 5-series leukotriene
production. American Journal of Clinical Nutrition, 65 (4): 1011–1017, 1997
#170.13{sid1MkzwiPT}
Delport R et al. Vit​amin B6 nutritional status in asthma: the effect of theophylline therapy on plasma pyridoxal-5‘phosphate and pyridoxal levels. Int J Vitam Nutr Res, 58 (1): 67–72, 1988
#171.01{sidsARYwIHB}
Dinc M, Tchugunova Y, Dinc S, Cinarli B, Atasever T, Oz M. Decreased osteocalcin levels in patients with chronic
obstructive pulmonary disease using long-term inhaled beclomethasone dipropionate. Metabolism, 50 (11):
1336–1339, 2001
#171.02{sidfY18x6OM}
Edwards L, Shirtcliffe P, Wadsworth K et al. Use of nebulised magnesium sulphate as an adjuvant in the treatment of
acute exacerbations of COPD in adults: a randomised double-blind placebo-controlled trial. Thorax, 68 (4): 338–
343, 2013
#171.03{sid2LMDeOTS}
Ginde AA, Mansbach JM, Camargo CA Jr. Association between serum 25-hydroxyvit​amin D level and upper
respiratory tract infection in the Third National Health and Nutrition Examination Survey. Arch Intern Med, 169:
384–390, 2009
#171.04{sidPWmp1bnf}
Gluck O, Colice G. Recognizing and treating glucocorticoid-induced osteoporosis in patients with pulmonary
diseases. Chest, 125: 1859–1876, 2004
#171.05{sidvUeOCFWB}
Goldstein MF et al. Chronic glucocorticoid therapy-induced osteoporosis in patients with obstructive lung disease.
Chest, 116 (6): 1733–1749, 1999
#171.06{sidwz9mQEc6}
Gröber U. Vit​amin D – an old vit​amin in a new perspective. Med Monatsschr Pharm, 33 (10): 376–383, 2010
#171.07{sidFOqbpNqY}
Hanania NA et al. Dose-related decrease in bone density among asthmatic patients treated with inhaled
corticosteroids. J Allergy Clin Immunol, 96 (5 Pt 1): 571–579, 1995
#171.08{sid4NdWZ9qU}
Hemilä H. Vit​amin C may alleviate exercise-induced bronchoconstriction: a meta-analysis. BMJ Open, 3 (6). pii:
e002416. doi: 10.1136/bmjopen-2012–002416, 2013
#171.09{sid9MXtgKCX}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Hughes R, Goldkorn A, Masoli M et al. Use of isotonic nebulised magnesium sulphate as an adjuvant to salbutamol
in treatment of severe asthma in adults: randomised placebo-controlled trial. Lancet, 361 (9375): 2114–2117,
2003
#171.10{sidRC17fXb5}
Lee TA, Weiss KB. Fracture risk associated with inhaled corticosteroid use in chronic obstructive pulmonary
disease. Am J Respir Crit Care Med, 169 (7): 855–859, 2004
#171.11{sidYOmvvkfq}
Lheureux P et al. Pyridoxine in clinical toxicology: a review. Eur J Emerg Med, 12 (2): 78–85, 2005
#171.12{sidwik6O9l1}
Lipworth BJ. Systemic adverse effects of inhaled corticosteroid therapy. Arch Intern Med, 159: 941–955, 1999
#171.13{sidhJHmDDVj}
Martinez de Haas MG et al. Subnormal vit​amin B6 levels in theophylline users. Ned Tijdschr Geneeskd, 14 (45):
2176–2179, 1997
#171.14{sidyuJpWG1c}
Nagakura T et al. Dietary supplementation with fish oil rich in omega-3 polyunsaturated fatty acids in children with
bronchial asthma. Eur Respir J, 16 (5): 861–865, 2000
#171.15{sidSgkv1hXI}
Ram FS, Rowe BH, Kaur B. Vit​amin C supplementation for asthma. Cochrane Database Syst Rev (3):CD000993,
2004
#171.16{sidYip0uxil}
Reynolds RD, Natt CL. Depressed plasma pyridoxal-5-phosphate concentrations in adult asthmatics. Am Jnl Clin
Nutr, 41: 684–688, 1985
#171.17{sidRdmXspQZ}
Rodrigo G, Rodrigo C, Burschtin O. Efficacy of magnesium sulfate in acute adult asthma: a meta-analysis of
randomized trials. Am J Emerg Med 18 (2): 216–21, 2000
#171.18{sidVuDpFSLw}
Rowe BH, Bretzlaff JA, Bourdon C et al. Intravenous magnesium sulfate treatment for acute asthma in the emergency
department: a systematic review of the literature. Ann Emerg Med, 36 (3): 181–90, 2000
#171.19{sidiypiTWWX}
Rowe BH, Bretzlaff JA, Bourdon C et al. Magnesium sulfate for treating exacerbations of acute asthma in the
emergency department. Cochrane Database Syst Rev, (2): CD0014902000
#171.20{sidhxtSv7ei}
Saravi FD et al. Influence of inhaled glucocorticoids on bone mineral density and bone metabolism. Rev Panam
Salud Publica, 7 (4): 211–218, 2000
#171.21{sidPz9VYA7W}
Searing DA et al. Decreased serum vit​amin D levels in children with asthma are associated with increased
corticosteroid use. J Allergy Clin Immunol, 125 (5): 995–1000, 2010
#171.22{sidjOnsF2gO}
Seto H et al. Depression of serum pyridoxal levels in theophylline-related seizures. No To Hattasu, 32 (4): 295–300,
2000
#171.23{sidfZW6G2kX}
Shimizu T et al. Relation between theophylline and circulating vit​amin levels in children with asthma. Pharmacology,
53 (6): 384–389, 1996
#171.24{sidiFN8T1RX}
Silverman RA, Osborn H, Runge J et al. IV magnesium sulfate in the treatment of acute severe asthma: a multicenter
randomized controlled trial. Chest 122 (2): 489–97, 2002
#171.25{sidc4v6Y3iO}
Tamura Y et al. Glucocorticoid-induced osteoporosis. Biomed Pharmacother, 58 (9): 500–504, 2004
#172.01{sid6AR1J26u}
Ubbink JB et al. Relationship between vit​amin B-6 status and elevated pyridoxal kinase levels induced by
theophylline therapy in humans. J Nutr, 120 (11): 1352–1359, 1990
#172.02{sidJMwkpD4b}
Weir Michael RMD et al. Depression of vit​amin B6 levels due to theophylline. Annals of Allergy, 65: 59–62, 1990
#172.03{sidTgVmbRH6}
Wolthers OD et al. Bone turnover in asthmatic children treated with oral prednisolone or inhaled budesonide. Pediatr
Pulmonol, 16 (6): 341–346, 1993
#172.04{sidZSdsL7HR}
Zhang Y, Milojevic D. Protecting Bone Health in Pediatric Rheumatic Diseases: Pharmacological Considerations.
Paediatr Drugs, 19 (3): 193–211, 2017
#173.01{sidHOiKc9GC}
12 Antibiotika
#173.02{sidN33wFiRJ}
Antibiotika sind Arzneimittel, die hauptsächlich zur Bekämpfung von Infektionen durch Bakterien eingesetzt
werden. Häufig von Bakterien verursachte Erkrankungen sind z. B. Blasen-, Lungen-, Mandel- und
Hirnhautentzündungen. Die meisten Erkältungskrankheiten (z. B. Schnupfen, Husten, Halsschmerzen, Fieber)
oder die Grippe (Influenza) werden durch Viren hervorgerufen. Gegen Viren sind Antibiotika allerdings
unwirksam. Bakteriostatisch wirkende Antibiotika (z. B. Tetracycline) hemmen das Wachstum und die
Vermehrung von Bakterien, können die Erreger aber nicht abtöten. Bakterizid wirkende Antibiotika (z. B.
Penicilline) hemmen nicht nur das Wachstum, sondern töten auch die Krankheitserreger ab.
#173.03{sid2MJftB05}
Grundsätzlich gilt für die Anwendung der Antibiotika: „So oft wie nötig, aber so selten wie möglich“. Je häufiger
Antibiotika eingenommen werden, desto größer werden folgende ​Risiken:
#173.04{sidh4j7cvr1}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Antibiotikaresistenz: Es können sich widerstandsfähige (resistente) Bakterien entwickeln und im Körper
ausbreiten. Eine Resistenz gegen Antibiotika verteilt sich leicht auf andere Bakterien, da sie untereinander
Genmaterial austauschen, sobald sich die Gelegenheit bietet. Die Zahl solcher Antibiotikaresistenzen wächst
dramatisch. Die Folge: Schwerkranke Patienten können in Kliniken nicht effektiv behandelt werden. Weltweit
dürften täglich Tausende von Menschen durch multiresistente (gegen mehrere Antibiotika unempfindliche) Keime
sterben.
#173.05{sidypasU4bV}
Schädigung nützlicher Bakterien: Antibiotika unterscheiden nicht zwischen den pathogenen (krankmachenden)
und den nützlichen Bakterien der Haut, der Schleimhäute und der Magen-Darm-Flora, die unsere körpereigenen
Abwehrkräfte unterstützen. Bei Frauen greifen Antibiotika auch die Mikroorganismen an, die für ein
Keimschützendes Klima in der Scheide sorgen. Infolgedessen haben Antibiotika je nach Substanzgruppe viele
Nebenwirkungen. Dazu zählen unter anderem Diarrhöen, Blähungen, Pilzinfektionen der Scheide,
Hautveränderungen, allergische Reaktionen sowie Funktionsstörungen der Nieren oder Leber.
#173.06{sidvPJqyTdm}
12.1 Mikrobiom und Darmbarriere
#173.07{sidFCjGnFSZ}
Der Mensch lebt sozusagen als Holobiont in einer artübergreifenden Lebensform mit über 100 Billionen Bakterien
zusammen. Die Gesamtheit der Organismen (neben Bakterien auch Archaea, Viren, Pilze und Protozoen) bildet
unsere Mikrobiota. Sie kolonisiert alle unsere Schnittstellen zur Umwelt und wird, gemeinsam mit Erbinformation und
Stoffwechsel, als Mikrobiom bezeichnet. Unser Mikrobiom ist durch verschiedene Eigenschaften eines Organs
gekennzeichnet: Es hat eine eigene Morphologie, Pathologie, Physiologie und Pathophysiologie, es wird vererbt, es
kommuniziert im Zellverband nach innen und außen und lässt sich transplantieren. Allerdings bildet es sich erst
postpartum. Auch die Vererbung im Sinne der Kolonisierung durch die maternale Mikrobiota beginnt erst mit der
Geburt. Der Geburtsmodus bestimmt daher die Zusammensetzung der Pionierbakterien auf Haut und Schleimhaut
von Neugeborenen.
#173_174{sid8B7pDlpU}
Man geht derzeit davon aus, dass die bakterielle Kolonisierung in der Kindheit von entscheidender Bedeutung für
die menschliche Gesundheit im gesamten weiteren Lebensverlauf ist. Dabei dürfte die Besiedlung des Darms
bereits schon während der Geburt bei der vertikalen Übertragung von der Mutter zum Kind eine wichtige Rolle
spielen. Bemerkenswert ist, dass die Besiedlung des kindlichen Darms nach einem Kaiserschnitt anders verläuft als
nach einer vaginalen Geburt. Während bei einer vaginalen Geburt eine rasche Besiedlung des kindlichen Darms mit
Bifidobakterien erfolgt, ist diese nach einem Kaiserschnitt gestört. Die ist umso bedeutsamer, da man annimmt,
dass Bifidobakterien wesentlich zur physiologischen Entwicklung des Immunsystems in der Darmschleimhaut
beitragen.
#174.01{sid9df4gUzM}
Welche Bakterienstämme wo im Körper dominieren, unterliegt nach der Geburt vor allem dem Einfluss
unterschiedlicher Umgebungsfaktoren, wie beispielsweise pH-Wert oder Sauerstoffkonzentration. Im Intestinaltrakt
dominieren vier Bakterienstämme die bakterielle Mikrobiota: Grampositive Firmicutes und Actinobakterien sowie
Gramnegative Proteobakterien und Bacteroidetes. Die Oberfläche des Dünndarms beträgt über 200 m2 – etwa
100-mal so groß wie die der Haut – und ist damit das größte Kontaktorgan des Menschen mit der Umwelt. Die
enorme Fläche dient der Resorption von Nährstoffen und Flüssigkeit, sie stellt gleichzeitig aber auch ein großes
Areal dar, über das Mikroorganismen eindringen können. Neben der Absorption von Wasser, Mikro- und
Makronährstoffen sowie der Ausscheidung von Degradationsprodukten des Stoffwechsels erfolgt hier eine
permanente Kontrolle der oral aufgenommen Nahrung auf schädliche Bestandteile (z. B. pathogene
Mikroorganismen, Toxine) und deren Abwehr. Um diese Aufgaben zur Erfüllen verfügt der Darm über mehrere
Verteidigungslinien, die aus der Darmmikrobiota, der Darmschleimhaut und dem Darmassoziierten Immunsystem
(GALT) bestehen. Diese bilden eine funktionelle Einheit, welche heute unter dem Begriff Darmbarriere
zusammengefasst wird.
#174.02{sidY20TILou}
12.2 GALT und Darmmikrobiota
#174_175{sidM15I4P9v}
Die intestinale Mikrobiota besteht überwiegend aus Bakterien, die apathogen oder allenfalls fakultativ pathogen
sind. Die Bakterien der Darmmikrobiota übernehmen zentrale Funktionen für die Gesundheit des Menschen. Sie
konkurrieren zum Beispiel mit Krankheitserregern um Nährstoffe und Adhäsionsstellen an der Darmwand
(Kolonisationsresistenz). Darüber hinaus produzieren sie teilweise antibakterielle Stoffe (z. B. Defensine), die das
Wachstum anderer Bakterien hemmen (○ Abb. 12.1). Darüber hinaus regulieren sie wichtige Barrierefunktionen im
Darm, darunter auch die Funktion des Immunsystems. Das Epithel der Darmschleimhaut ist ein enger und dichter
Zellverbund, der durch sogenannte Tight junctions abgedichtet wird. Dieser dichte Zellverbund verhindert einen
parazellulären Transit von Stoffen und Mikroorganismen. Eine dem Epithel aufliegende Schleimschicht erschwert
Mikroorganismen zudem das Anhaften an Epithelzellen. Neben der Barrierefunktion verfügt der Darm über eine
eigene Immunabwehr, das darmassoziierte Immunsystem (good associated lymphoid tissue, GALT).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#174.03{sid9KrOgSEo}
Abb. 12.1 Aufgaben der Darmmikrobiota
#175.01{sidGneJ08gK}
Das Darmassoziierte Immunsystem (GALT) ist die größte Ansammlung von Immunzellen in unserem Körper. Etwa
70 % der immunologisch aktiven Zellen befinden sich in der intestinalen Mukosa. Über 50 % aller Lymphozyten und
zwei Drittel aller IgA-Plasmazellen sind hier lokalisiert. Damit befindet sich im Darm das größte Immunkompartiment
des menschlichen Körpers. Die gesamte Darmmukosa ist von einer Mikroflora aus aeroben und anaeroben
Bakterien (z. B. Bifidobakterien, Lactobazillen), Pilzen, Hefen (z. B. Candida, Saccharomyces) und Viren besiedelt.
Die Darmflora besteht aus mehr als 1 000 verschiedenen Bakterienarten mit über 7 000 unterschiedlichen Stämmen
insgesamt sind im Darm 1014 bis 1015 Bakterien lokalisiert.
#175.02{sidYXAJ99ze}
Aufgabe des GALT ist es pathogene Bakterien z. B. Clostridien) abzuwehren sowie Bestandteile der äußeren
Zellwand gramnegativer Bakterien (z. B. Pseudomonas, Legionella), sogenannte Endotoxine, die beim Absterben
der Bakterienzellen freigesetzt werden, vom Eindringen in den Körper abzuhalten. Neben der Abwehr von
pathogenen Mikroorganismen hilft das darmassoziierte Immunsystem im gesunden Zustand gegen eine Vielzahl von
Nahrungsmittelantigenen und nützlichen Mikroorganismen der Darmmikrobiota tolerant zu sein. Zum Immunsystem
des Darms zählen die Gaumen- und Rachenmandeln, der Wurmfortsatz des Blinddarms, die Lymphfollikel des
Darms, die Peyerschen Plaques und die Lamina propria. Die Peyerschen Plaques sind in der Schleimhaut des
Krummdarms (Ileum) befindliche Ansammlungen von Lymphfollikeln. Dabei handelt es sich um kugelige Kolonien
von B-Lymphozyten. Die Lamina propria ist eine dünne Bindegewebsschicht, die sich direkt unterhalb des Epithels
befindet. In der Lamina propria befinden sich unter anderem Blutgefäße, Lymphgefäße und Nerven. Die Peyerschen
Plaques und die Lamina propria sind durch Lymphgefäße mit den ableitenden mesenterialen Lymphknoten
verbunden, bei denen es sich um die größten Lymphknoten des Körpers handelt. Die mesenterialen Lymphknoten
wiederum verbinden das GALT mit dem restlichen Immunsystem.
#175.03{sidlvBWlEtd}
Zu den Hauptaufgaben der natürlichen Darmflora zählen
#175.04{sidndKvdjr0}
Aufrechterhaltung der intakten Darmbarriere (→ Transmembranproteine, z. B. Tight Junctions), Stimulierung
der Schleimbildung und Produktion von sekretorischem Immunglobulin A (sIgA), mechanische und
immunologische Schutzbarriere (→ Mukosablock),
#175.05{sid5awJKPss}
Aufrechterhaltung und Reifung des Immunsystems (z. B. Bildung von Antikörpern, Defensinen, Zytokinen),
#175.06{sidyiuH1IHY}
Abwehr pathogener Mikroorganismen, Verhinderung der Kolonisation des Darms mit pathogenen
Mikroorganismen (z. B. Clostridium difficile),
#175.07{sidLZzK6Ghf}
Immunglobulinsynthese, Wachstum und Reifung der Lymphozyten des GALT,
#175.08{sidxgfq0Jaw}
Bereitstellung von Nährstoff- und Energiesubstraten, Produktion von kurzkettigen Fettsäuren (z. B. Butyrat:
Brennstoff für Enterozyten im Darm),
#175.09{sidxFa8NMdB}
Schaffung eines für die Nährstoffabsorption und –utilisation optimalen Darm​milieus,
#175.10{siduLAoSVgm}
Beitrag zur Versorgung mit Vit​amin K und B-Vit​aminen, wie Biotin und Folsäure (z. B. durch Bifidobakterien),
#175.11{sids7bFhpqY}
Abbau von Toxinen,
#175.12{sidkbQYd6wI}
Anregung der Darmmotilität.
#176.01{sidevBTHHyn}
12.2.1 Einfluss der Antibiotika auf die Darmflora und Mikronährstoffversorgung
#176.02{sidlNKoculo}
Laut Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind in Deutschland derzeit an die
2.600 verschiedene Antibiotika-Präparate mit etwa 100 verschiedenen Wirkstoffen zugelassen, die im Allgemeinen
für den Menschen gut verträglich sind. Da der menschliche Körper aber nicht nur aus körpereigenen Zellen besteht,
sondern auch jede Menge bakterielle Mitbewohner in und auf sich trägt, kann es immer wieder zu unerwünschten
Arzneimittelwirkungen (UAW) kommen, wenn ein Antibiotikum eingenommen werden muss. Antibiotika (z. B.
Tetracycline, Clindamycin) stören das biologische Gleichgewicht der Darmflora erheblich und begünstigen durch die
Schädigung der physiologischen Mikroflora die Kolonisation pathogener Fremdkeime (z. B. Clostridium difficile,
Candida albicans). Diese können vielfältige gastrointestinale Beschwerden, wie z. B. Diarrhö, Erbrechen und
Fäulnisprozesse auslösen.
#176.03{sidEt3cBLks}
Wirkprinzipien von Antibiotika (○ Abb. 12.2)
#176.04{sidRS4N7QuV}
Hemmung der bakteriellen Zellwandsynthese
#176.05{sidqay2sLgG}
Hemmung der Proteinbiosynthese am bakteriellen Ribosom
#176.06{sidMMaq3yNJ}
Hemmung der bakteriellen DNA-Replikation
#176.07{sidCu3Yn7ao}
Folsäureantagonisten
#176.08{sidh9JIuNN9}
Hemmung der bakteriellen RNA-Polymerase
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#177.01{sidJoyzPcTc}
Abb. 12.2 Wirkprinzipien von Antibiotika
#176.09{sido53PExU1}
Auch die intestinale Synthese einiger Vit​amine wird durch die Ansiedlung pathogener Keime beeinträchtigt.
Allerdings ist der Beitrag der natürlichen Darmflora (z. B. Bifidobakterien) zur täglichen Vit​aminversorgung mit
Ausnahme von Vit​amin K und Biotin vernachlässigbar. Dagegen können Malabsorption und Maldigestion infolge
antibiotikainduzierter Durchfälle und/oder Veränderungen der gastrointestinalen Motilität die diätetische
Bioverfügbarkeit aller Mikronährstoffe signifikant verringern. Eine Vielzahl von Antibiotika ist gegen anaerobe
Bakterien aktiv, die im menschlichen Darm dominieren. Ein Beispiel für ein solches Antibiotikum ist Clindamycin.
Clindamycin blockiert die Proteinbiosynthese von Bakterien durch Bindung an die 50S-Untereinheit der Ribosomen.
Dadurch wird das Enzym Peptidyltransferase blockiert. Clindamycin hat einen bakteriostatischen
Wirkungsmechanismus. Clindamycin ist gut wirksam gegen
#176.10{sidrYhpZEhG}
Gram-positive Kokken: Clindamycin wirkt gegen Staphylokokken, jedoch auch gegen Streptokokken wie
beispielsweise Streptococcus pyogenes und Streptococcus pneu​moniae,
#176.11{sidCyiOreU8}
Anaerobier: Die Wirksamkeit gegen Anaerobier erfasst Arten von Fusobacterium, Actinomyces, Bacteroides,
Peptostreptococcus und Peptococcus. Anaerobe Bakterien produzieren große Mengen kurzkettiger Fettsäuren und
leisten so einen wichtigen Beitrag zur Darmgesundheit. Gegen Propionibakterien ist Clindamycin ebenfalls wirksam
sowie Corynebacterium diphteriae.
#176.12{sidMJUHHcZ2}
Wie stark ein Antibiotikum die menschliche Darmflora stört, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab:
#176.13{sidsymDmYRB}
Wirkspektrum
#176.14{sid1yPn7Hcf}
Dauer und Dosierung der Anwendung
#176.15{sid0VeF9ghH}
der Darreichungsform
#176.16{sidzf0SBGnS}
phamakokinetischen und -dynamischen Eigenschaften
#176_177{sidXO31ereg}
Während man lange Zeit davon ausging, dass die Darmflora durch die Einnahme von Antibiotika nur kurzfristig
beeinträchtigt wird (□ Tab. 12.1) und nach wenigen Wochen wieder zu ihrem ursprünglichen Gleichgewicht
zurückfindet, beweisen die Ergebnisse aktueller Studien jedoch das Gegenteil. So untersuchten Dethlefsen und
Relman (PNAS, 2011), welche Auswirkungen Antibiotika auf die menschliche Darmbesiedlung haben. Dazu
bestimmten sie das Darmmikrobiom von 3 Probandinnen und untersuchten die Zusammensetzung vor und nach der
5-tägigen Einnahme des Breitbandantibiotikums Ciprofloxacin. Bereits 3 bis 4 Tage nach Beginn der
Antibiotikatherapie war ein Drittel der Bakterienarten nicht mehr nachweisbar. Eine Woche nach Therapieende
fanden die Wissenschaftler jedoch bei 2 der 3 Frauen nahezu die ursprüngliche Zusammensetzung der
Darmbakterien wieder. Jedoch war nach einer zweiten Antibiotikagabe 6 Monate später das nicht mehr der Fall:
Auch 2 Monate nach Therapieende stellte sich bei keiner der Frauen der Ausgangszustand ein. Die wiederholte
Einnahme von Antibiotika scheint die Darmflora also stärker zu schädigen als bisher angenommen.
#178.01{sido5QscgGz}
Tab. 12.1 Einfluss von Antibiotika auf die Zusammensetzung der Darmflora im Überblick
#178.02{sidV7lIwN5H}
Substanz
Reduktion der aeroben
Darmflora
Reduktion der anaeroben
Darmflora
#178.01{sido5QscgGz}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 12.1 Einfluss von Antibiotika auf die Zusammensetzung der Darmflora im Überblick
#178.02{sidV7lIwN5H}
Substanz
#178.03{sidr2VfCNUL}
Ampicillin
#178.04{sidJm5an72L}
Amoxicillin
#178.05{sidRYVRnA0R}
Cefaclor
#178.06{sidR6hLHRDz}
Cefalexin
#178.07{sidsNPMFJLm}
Cefixim
#178.08{sid3lufYgd1}
Cefpodoxim-Proxetil
#178.09{sidMUTAEnIA}
Ceftibuten
#178.10{sidDcUuscaS}
Cefuroxim-Axetil
#178.11{sidQpnV6VLK}
Ciprofloxacin
#178.12{side1YwOlyR}
Clindamycin
#178.13{sidLb7KX4M8}
Cotrimoxazol
#178.14{sidiy4GKfIO}
Dicloxacillin
#178.15{sidi48m50ga}
Doxycyclin
#178.16{sidO01NCuXN}
Erythromycin
#178.17{sidwYgBLuVA}
Levofloxacin
#178.18{sidTeQf3N5e}
Metronidazol
#178.19{sidtWRWo1nv}
Norfloxacin
#178.20{sidnNl7Cc81}
Ofloxacin
#178.21{sidLoiA5UFD}
Penicillin V
#178.22{sidwbFho5SD}
Tetrazykline
Reduktion der aeroben
Darmflora
Reduktion der anaeroben
Darmflora
+++
+++
+
+
+
0
+
0
+++
+++
+++
+++
+
0
+
+
+++
+
+
+++
+++
0
+
++
0
0
+
+++
+++
+
0
+
+++
+
+++
0
++
+
+++
+/0
#178.23{sid86FEhqZj}
+++ starke Keimreduktion, ++ mäßige Keimreduktion, + geringe Keimreduktion, 0 keine signifikante Keimreduktion
#177.02{sidfAPw45M2}
Vit​amine, Mineralstoffe und andere Nährstoffe spielen eine zentrale Rolle bei der Zellregeneration (z. B. Vit​amin A,
Vit​amin D, Folsäure, Zink), der Immunmodulation (z. B. Vit​amin C, Vit​amin D, Zink), dem antioxidativen Zellschutz (z.
B. Selen, L-Glutathion) und als Energieliefernde Substrate (z. B. L-Glutamin, L-Threonin) der Darmschleimhaut. Eine
adäquate Versorgung mit Mikronährstoffen ist daher für die Integrität und physiologische Funktion des
Darmschleimhautsystems essenziell.
#177_178{sid8NAFoNQL}
Ein gesunder Darm ist andererseits Voraussetzung für die Aufnahme und Verwertung von Vit​aminen und anderen
Mikronährstoffen. Infolge der Antibiotikatherapie treten häufig Darmbeschwerden (z. B. Durchfälle, Leaky-GutSyndrom) als Begleiterscheinung auf, weil das Antibiotikum neben den pathogenen auch die nützlichen Bakterien im
Darm, die sogenannte gesunde Darmflora, angreift. Ein Drittel der mit Antibiotika behandelten Patienten entwickelt
innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen eine postantibiotische Diarrhö. Bei etwa 20 % der Betroffenen sind
Toxine von Clostridium difficile nachweisbar. Clostridientoxine können über Aktivierung des redoxsensitven
Transkriptionsfaktor NFкB die Bildung proinflammatorischer Zytokine (z. B. IL-6, TNF-α) steigern und entzündliche
Schäden der Darmschleimhaut (z. B. pseudomembranöse Enterokolitiden) auslösen. Probiotische
Mikroorganismen wirken einer Fremdbesiedlung des Darms mit pathogenen Bakterien entgegen und verringern die
Schwere und Dauer einer antibiotikaassoziierten Diarrhö. Die als Probiotika eingesetzten Kulturen von Lactobazillen
(z. B. Lactobacillus casei), Bifidobakterien (z. B. Bifidobacterium longum) oder Hefen (z. B. Saccharomyces
boulardii) besitzen ausgeprägte immunstimulierende und darmprotektive Eigenschaften.
#178_179{sidReFxBk4D}
Zur Wirksamkeit von Probiotika in der Prävention der Antibiotikaassoziierten Diarrhö liegen sowohl bei Kindern und
Erwachsenen mehrere Metaanalysen vor. Dabei haben sich mit Abstand am häufigsten die Keime Saccharomyces
boulardii und Lactobacillus rhamnosus GG bewährt. Im Hinblick auf Belastungen mit Toxinen von Clostridium
difficile war Saccharomyces boulardii in einer aktuellen Metaanalyse allen anderen probiotischen Stämmen deutlich
überlegen. Von einigen Therapeuten wird bereits routinemäßig zum Antibiotikum ein Probiotikum empfohlen. Hier
sollte auf einen notwendigen 2–3-stündigen Einnahmeabstand zum Antibiotikum geachtet werden. Nach einer
Therapie mit Antibiotika fördert die Einnahme eines Probiotikums (z. B. Acidophilus-, Bifidobakterien, Lactobazillen:
2 × tgl. über 1–2 Monate) die Regeneration der natürlichen Florabalance und des darmassoziierten Immunsystems.
Zur Prophylaxe und Verminderung der Rezidivrate einer postantibiotischen Diarrhö ist die begleitende Gabe von
Saccharomyces boulardii (Dosierung: 2 × 500 mg tgl., über 2–4 Wochen) sinnvoll. Untersuchungen geben darüber
hinaus Hinweise darauf, dass bestimmte Probiotika beim Reizdarmsyndrom, bei chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen, Helicobacter-pylori-Infektionen, Harn- und Atemwegsinfekten, Neurodermitis,
Lactoseintoleranz, manchen Autoimmun​erkrankungen, Hypercholesterinämie und sogar zur Darmkrebs- und
Krebsprävention nützlich sein können.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#179.01{sidf0YEoIYu}
12.3 Einfluss der Antibiotika auf die Darmflora
#179.02{sidS3ye1wZm}
Das darmassoziierte Immunsystem (GALT = gut assciated lymphoid tissue) erfüllt als größtes lymphatisches
Abwehrsystem essenzielle lokale und systemische Abwehr- und Regulationsfunktionen. Über 50 % aller
Lymphozyten und zwei Drittel aller IgA-Plasmazellen befinden sich im Darm. Die gesamte Darmmukosa ist von einer
Mikroflora aus aeroben und anaeroben Bakterien (z. B. Bifidobakterien, Lactobazillen), Pilzen, Hefen (z. B. Candida,
Saccharomyces) und Viren besiedelt. Die Darmflora besteht aus mehr als 500 verschiedenen Bakterienspezies,
insgesamt sind im Darm 1013 bis 1014 Bakterien lokalisiert.
#179.03{sidofj5BNRD}
Zu den Hauptaufgaben der natürlichen Darmflora zählen:
#179.04{sidX7O7CzWV}
mechanische und immunologische Schutzbarriere (Mukosablock), Verhinderung der Kolonisation des Darms mit
pathogenen Mikroorganismen (z. B. Clostridium difficile),
#179.05{sidK9gozZKr}
Immunglobulinsynthese, Wachstum und Reifung der Lymphozyten des GALT,
#179.06{sidGRC0FcC8}
Bereitstellung von Nährstoff- und Energiesubstraten (z. B. Butyrat) für die Zellen der Dickdarmschleimhaut,
#179.07{sidbhImIGsj}
Schaffung eines für die Nährstoffabsorption und -utilisation optimalen Darmmilieus,
#179.08{sid8eGc7gE1}
Beitrag zur Versorgung mit Vit​amin K und B-Vit​aminen wie Biotin und Folsäure (z. B. durch Bifidobakterien),
#179.09{sidTdlgWR3W}
Anregung der Darmmotilität.
#179.10{siduNRxdGcY}
Antibiotika (z. B. Tetracycline) stören das biologische Gleichgewicht der Darmflora erheblich und begünstigen durch
die Schädigung der physiologischen Mikroflora die Kolonisation pathogener Fremdkeime (z. B. Clostridium difficile,
Candida albicans, □ Tab. 12.2). Diese können vielfältige gastrointestinale Beschwerden auslösen, z. B. Diarrhö,
Erbrechen und Fäulnisprozesse. Auch die intestinale Synthese einiger Vit​amine wird durch die Ansiedlung
pathogener Keime beeinträchtigt. Allerdings ist der Beitrag der natürlichen Darmflora (z. B. Bifidobakterien) zur
täglichen Vit​aminversorgung mit Ausnahme von Vit​amin K und Biotin vernachlässigbar. Dagegen können
Malabsorption und Maldigestion infolge antibiotikainduzierter Durchfälle und/oder Veränderungen der
gastrointestinalen Motilität die diätetische Bioverfügbarkeit aller Mikronährstoffe signifikant verringern.
#180.01{sidyN0BBoxk}
Tab. 12.2 Antibiotikainduzierte Störungen der Darmflora (Auswahl)
#180.02{sidespfqWhG}
Störung
Antibiotikum
#180.03{sidkfb0hJpb}
Breitspektrumpenicillin (z. B. Ampicillin, Amoxicillin)
#180.04{sid3uUCx4OM}
Tetracycline (z. B. Doxycyclin)
#180.05{sidYjiBRrrg}
Cephalosporine (z. B. Cefuroximaxetil), Lincomycin-Antibiotika (z. B.
Clindamycin), Makrolid-Antibiotika (z. B. Roxithromycin)
Gastrointestinale Beschwerden (z. B. Durchfall, Übelkeit, Appetitlosigkeit)
Candidabefall
Pseudomembranöse Enterokolitiden (z. B. durch Superinfektion mit Candida albicans, Clostridium
difficile)
#179.11{sidYLk4eduq}
12.4 Antibiotika und Mikro​nährstoffe
#179_180{sidJQLy6HDQ}
Vit​amine, Mineralstoffe und andere Nährstoffe spielen eine zentrale Rolle bei der Zellregeneration (Vit​amin A,
Folsäure, Zink), der Immunmodulation (Vit​amin C, Zink), dem antioxidativen Zellschutz (Selen, Glutathion) und als
energieliefernde Substrate (Glutamin) der Darmschleimhaut. Eine adäquate Versorgung mit Mikronährstoffen ist
daher für die Integrität und physiologische Funktion des Darmschleimhautsystems essenziell.
#180.06{sid82Uqiiaq}
Hinweis
#180.07{sidazpDsV57}
Eine intakte Darmflora ist eine wesentliche Voraussetzung für die physiologische Digestion, Absorp​tion und
Utilisation von essenziellen Mikronähr​stoffen.
#180.08{sidex0XbCCh}
Ein Drittel der mit Antibiotika behandelten Patienten entwickelt innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen eine
postantibiotische Diarrhö. Bei etwa 20 % der Betroffenen sind Toxine von Clostridium difficile nachweisbar.
Clostridientoxine können über die Aktivierung des redoxsensitven Transkriptionsfaktor NFкB die Bildung
proinflammatorischer Zytokine (z. B. IL-8, TNF-α) steigern und entzündliche Schäden der Darmschleimhaut (z. B.
pseudomembranöse Enterokolitiden) auslösen. Probiotische Mikroorganismen wirken einer Fremdbesiedlung des
Darms mit pathogenen Bakterien entgegen und verringern die Schwere und Dauer einer antibiotikaassoziierten
Diarrhö.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#180.09{sid77Q55x7Z}
Die als Probiotika eingesetzten Kulturen von Lactobazillen (z. B. Lactobacillus casei), Bifidobakterien (z. B.
Bifidobacterium longum) oder Hefen (z. B. Saccharomyces boulardii) besitzen ausgeprägte immunstimulierende
und darmprotektive Eigenschaften.
#180.10{sidZnUdTJ63}
Darmprotektive und immunologische Eigenschaften von Probiotika (Auswahl):
#180.11{sidzMIiEkmv}
Synthese antimikrobieller Substanzen,
#180.12{sidujRV5tfO}
Hemmung der bakteriellen Translokation,
#180.13{sidH6YQ9S6H}
Stimulierung der intestinalen Immunität (z. B. Steigerung der IgA-Sekretion),
#180.14{sidXTD4zXGB}
Synthese von kurzkettigen Fettsäuren und Muzinen,
#180.15{sidBXsEDFWH}
konkurrierende Adhäsion mit pathogenen Erregern an Kolonozyten,
#180.16{sidhFg22ODD}
Normalisierung der Darmpermeabilität,
#180.17{sidTLv4QcnR}
Verbesserung intestinaler Stoffwechselfunktionen,
#180.18{sidDbBFDcxt}
Reduktion der Rezidivrate bei antibiotikaassoziierten Diarrhöen,
#180.19{sidfwC1L7tU}
Resistenzsteigerung gegen Candida-Infektionen.
#180.20{sidbaVuD2K2}
Von einigen Therapeuten wird bereits routinemäßig zum Antibiotikum ein Probiotikum empfohlen. Hier sollte auf
einen notwendigen 2–3-stündigen Einnahmeabstand zum Antibiotikum geachtet werden. Nach einer Therapie mit
Antibiotika fördert die Einnahme eines Probiotikums (z. B. Acidophilus-, Bifidobakterien, Lactobazillen: 2 × tgl. über
14 Tage) die Regeneration der natürlichen Florabalance und des darmassoziierten Immunsystems. Zur Prophylaxe
und Verminderung der Rezidivrate einer postantibiotischen Diarrhö ist die begleitende Gabe von Saccharomyces
boulardii (Dosierung: 2 × 500 mg tgl., über vier Wochen) sinnvoll.
#180_181{sid9Z38jou1}
Untersuchungen geben Hinweise darauf, dass bestimmte Probiotika beim Reizdarmsyndrom, bei chronisch
entzündlichen Darmerkrankungen, Helicobacter-pylori-Infektionen, Harn- und Atemwegsinfekten, Neurodermitis,
Lactoseintoleranz, manchen Autoimmunerkrankungen, Hypercholesterinämie und sogar zur Darmkrebs- und
Krebsprävention nützlich sein können.
#181.01{sidBGDM042N}
12.4.1 Aminoglykoside und Magnesium
#181.02{sidrNtQUjs1}
Erhöhte renale Magnesiumexkretion
#181.03{sidNdNF2ZmT}
Mechanismus: Aminoglykosidinduzierte Nierenschäden sind mit Störung der renal tubulären Rückresorption von
Magnesium (renaler Magnesiumspareffekt) assoziiert (Magnesium-Wasting); erhöhte Kalium- und Calciumexkretion.
#181.04{sidXyxybKOp}
Folgen: Hypomagnesiämie (< 0,8 mmol/l), Hypokaliämie (< 3,5 mmol/l), Hypocalcämie; erhöhtes Risiko für
Gleichgewichts- und Hörstörungen, Herzrhythmusstörungen, Muskelschwäche, Tetanie.
#181.05{sidsOQl3Bmi}
Hinweis: Bei parenteraler Applikation (i. m., i. v.) von Aminoglykosiden sollten die Serumelektrolyte (z. B.
Magnesium, Calcium, Kalium) engmaschig kontrolliert und gegebenenfalls durch Supplementierung (p. o., i. v.)
kompensiert werden. Magnesiummangel scheint die toxischen Wirkungen der Aminoglykoside auf die Niere und
das Innenohr zu verstärken.
#181.06{sidc0zJve6A}
Aminoglykosid-Antibiotika (z. B. Amikacin, Gentamicin, Streptomycin) sind aufgrund ihrer hohen Oto- und
Nephrotoxizität in der Regel nur Spezialindikationen (z. B. Tuberkulose, Infektionen mit Pseudomonaden)
vorbehalten. Während die Nierenschäden aufgrund der Regenerationsfähigkeit des Tubulusepithels meist reversibel
sind, sind die aminoglykosidinduzierten Hörstörungen (Ohrensausen, Tinnitus, Hörverlust der hohen Frequenzen)
häufig irreversibel (▸ Kap. 5.6.4).
#181.07{sidKa76UT2O}
12.4.2 Gentamicin und L-Carnitin
#181.08{sidR893F0tS}
L-Carntin verringert gentamicininduzierte Nierenschäden (Tierversuch)
#181.09{sidSPAuJeqn}
Mechanismus: L-Carnitin (200 mg/kg/d) verringert im Tierversuch die gentamicinassoziierte mitochondriale
Toxizität (z. B. Inhibierung der oxidativen Phosphorylierung, ATP-Depletion) und metabolische Störungen (z. B.
oxidativer Stress) durch das Aminoglykosid-Antibiotikum.
#181.10{sidyiJtthqM}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Folgen: Geringere Schädigung der proximalen Nierentubuli; Verbesserung der Nierenfunktionswerte (z. B.
Harnstoff, Kreatinin, Kreatininclearance).
#181.11{sidKgpsso81}
Hinweis: L-Carnitin besitzt aufgrund seiner zentralen Stellung im Stoffwechsel wichtige protektive Funktionen
gegen metabolische Störungen der Zelle, die auch bei den gentamicininduzierten Nierenschäden eine Rolle spielen.
#181.12{sidolkrrgmX}
12.4.3 Neomycin B und Mikronährstoffabsorption
#181.13{sidyXytwM07}
Malabsorption von Vit​aminen und Mineralstoffen
#181.14{sidAJ4Ykies}
Mechanismus: Neomycin kann bei peroraler Applikation die Darmflora schädigen und ein Malabsorptionssyndrom
mit Steatorrhö auslösen.
#181.15{sidsDtAqvKp}
Folgen: Malabsorption von Vit​aminen (vor allem Vit​amin A, Vit​amin K, Vit​amin B12) und Mineralstoffen (z. B.
Kalium, Magnesium).
#181.16{sid8FQKM1aO}
Hinweis: Bei peroraler Einnahme von Neomycin sollte auf gastrointestinale Nebenwirkungen und auf einen
ausgewogenen Mikronährstoffhaushalt geachtet werden. Probiotika können zur Regeneration der natürlichen
Darmflora nach der Einnahme beitragen.
#181.17{sidahGGpvze}
12.4.4 Pivalinsäurehaltige Antibiotika und L-Carnitin
#181.18{sidofYi2u68}
Erhöhte renale Carnitinexkretion unter ​Cefetamet-Pivoxil
#181.19{sidClpu3HMw}
Mechanismus: Nach der Hydrolyse des Pivaloyloxymethyl-Esters von Beta-Lactam-Antibiotika bindet die
Pivalinsäure an L-Carnitin und wird als Pivaloyl-L-Carnitin renal ausgeschieden.
#181_182{sidHxJ7renh}
Folgen: Carnitinmangel, insbesondere bei Langzeittherapie (auch neue Virustatika wie Adefovir-Dipivoxil);
Carnitinserumspiegel ≤ 30 µmol/l, AC:FC-Quotient (postprandial) ≥ 0,4 (AC: Acyl-Carnitin, FC: freies Carnitin);
Risiko für Myopathien (z. B. Muskelschwäche), Störungen der Ketogenese und/oder Hypoglykämien.
#182.01{sidvOcIV5r4}
Hinweis: Unter der antibiotischen Therapie mit pivalinsäurehaltigen Antibiotika (auch Virustatika wie AdefovirDipivoxil) sollte an eine rechtzeitige und adäquate Kompensation (1 000–3 000 mg tgl., p. o.) der iatrogenen
Carnitinverluste gedacht werden.
#182.02{sid5I6IaupX}
Studien: Studien zum Einfluss von Cefetamet-Pivoxil auf den L-Carnitin-Status und den Fettsäurestoffwechsel
haben gezeigt, dass unter einer Standard-Dosierung von 2 × 500 mg tgl. des Ester-Prodrugs die Plasmaspiegel an
freiem L-Carnitin auf etwa 40 % der Ausgangswerte abfallen und sich erst sieben Tage nach der Antibiotikatherapie
wieder normalisieren.
#182.03{sid0myhaQWy}
12.4.5 Chloramphenicol und ​Vit​amin B12
#182.04{sidLeiRKdfR}
Hemmung der Vit​amin-B12-Wirkung durch Chloramphenicol
#182.05{sidktBi9xFG}
Mechanismus: Chloramphenicol kann den therapeutischen Effekt von Vit​amin B12 vermindern, indem es die
Erythrozytenreifung hemmt. Das Ansprechen auf eine Folsäuretherapie wird ebenso verhindert.
#182.06{sidQTqBMkhL}
Hinweis: Chloramphenicol sollte nicht an Patienten mit Folsäuremangelanämie verabreicht werden. Diese
Kombination sollte vermieden werden.
#182.07{sidoyAj5aFm}
12.4.6 Gyrasehemmer, Tetracycline und Mineralstoffe
#182.08{sidXZ7svING}
Zwei- und dreiwertige Kationen (Calcium, Magnesium, Eisen, Zink) beeinträchtigen die antibiotische
Wirksamkeit
#182.09{sidr4GjFl8K}
Mechanismus: Bildung schwer resorbierbarer Mineralstoff-Antibiotika-Komplexe bei gleichzeitiger Einnahme.
#182.10{sidRrawtsE0}
Folgen: Verminderte Resorption und Bioverfügbarkeit der Antibiotika; Verlust der antibiotischen Wirksamkeit.
#182.11{sidDGq0Fncs}
Hinweis: Bei Einnahme von Mineralstoff- bzw. Multivit​amin-Mineralstoff-Präparaten (auch Milchprodukten) sollte zu
einer antibiotischen Therapie mit Gyrasehemmern oder Tetracyclinen ein Einnahmeabstand von mehreren Stunden
(etwa 3 h; zu Moxifloxacin etwa 6 h) eingehalten werden.
#182.12{sid1V5x7SRz}
12.4.7 Urologische Antiinfektiva und Methionin
#182.13{sidHlvOAosC}
Optimierung der Wirkung von Antibiotika (z. B. Nalidixinsäure, Carbenicillin, ​Nitrofurantoin, Sulfonamide)
mit Wirkungsoptimum im sauren Harn
#182.14{sidlYQ9pIeP}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Mechanismus: Methionin führt zu einer Absenkung des Harn-pH-Werts; infolge der Harnansäuerung (pH 4–6)
erfolgt eine verstärkte tubuläre Rückresorption der Antibiotika und Hemmung des Bakterienwachstums.
#182.15{sidyqh1ivA2}
Folgen: Verlängerung der Plasma-Halbwertszeit und Wirkoptimierung der Antibiotika im sauren Harn.
#182.16{sidG5mTsf0Y}
Hinweis: Bei antibiotischer Therapie von Harnwegsinfekten kann Methionin (3 × 0,5–1 g/d, p. o.) die Effektivität der
eingesetzten Antibiotika verbessern und das Risiko für rezidivierende Infekte verringern. Begleitend sollte eine
Kombination von Folsäure, Vit​amin B6 und B12 gegeben werden, da Methionin als Vorläufer des Homocysteins den
Homocysteinspiegel erhöhen kann.
#182_183{sidXUrXBV3h}
Das physiologische Urologikum L-Methionin wird als harnansäuernde Substanz zur Prophylaxe und Therapie von
Harnwegsinfektionen eingesetzt, die durch alkalisierende Bakterienstämme verursacht werden. Die Urease dieser
Bakterien (z. B. Proteus) spaltet den im Urin enthaltenen Harnstoff in Kohlendioxid und Ammoniak und führt dadurch
zu einer Alkalisierung des Urins. Durch Ansäuerung des Urins mit Methionin wird das Bakterienwachstum gehemmt.
Gleichzeitig wird die Effektivität von Antibiotika (z. B. Nalidixinsäure, Nitrofurantoin) gesteigert, die ihr
Wirkungsoptimum im sauren Harn bei pH 4–6 besitzen und durch die Ansäuerung in der Niere verstärkt
rückresorbiert werden. Eine Therapie mit Methionin eignet sich vor allem zur Reinfektionsprophylaxe bei Patienten
mit chronisch rezidiverenden Harnwegsinfekten. Zur Harnansäuerung werden in der Regel 3 × täglich 500–1 000 mg
L-Methionin vor den Mahlzeiten gegeben.
#183.01{sidzWfndmu1}
12.4.8 Amphotericin B und Magnesium/Kalium
#183.02{sid3oD6V4DT}
Amphotericin B erhöht die renale Magnesium- und Kaliumexkretion
#183.03{sidJpmqYME0}
Mechanismus: Die durch Amphotericin B induzierte Nephrotoxizität ist mit einer Störung der renal tubulären
Rückresorption von Magnesium (renaler Magnesiumspareffekt) und Kalium assoziiert; Magnesium-Wasting.
#183.04{sid7k68SF7p}
Folgen: Erhöhte renale Magnesium- und ​Kaliumexkretion; Hypomagnesiämie (< 0,8 mmol/l), Hypokaliämie (< 3,5
mmol/l), Risiko für Herzrhythmusstörungen, Adynamie, Krämpfe, Muskelschmerzen, Tetanie.
#183.05{sidNKtc64I2}
Hinweis: Bei einer parenteralen Therapie mit Amphotericin B sollten die Serumelektrolyte (z. B. Magnesium,
Kalium) engmaschig kontrolliert und gegebenenfalls substituiert (p. o., i. v.) werden.
#183.06{sid43gbYVVw}
Amphotericin B ist das einzige Polyenantibiotikum, das bei generalisierten Pilzinfektionen auch parenteral (z. B.
Dauertropfinfusion) gegeben wird. Problematisch ist die bei intravenöser Applikation von Amphotericin B hohe
Nephrotoxizität. Bei mehr als 80 % der Behandelten treten Nierenschäden auf, die sich durch renal tubuläre Azidose,
Prote​in​urie, Hämaturie, Anstieg des Serumkreatinins und Elektrolytstörungen (z. B. Hypokaliämie) manifestieren.
#183.07{sidVIPhCQUr}
12.4.9 Cotrimoxazol und Folsäure
#183.08{sid91pR8FEh}
Cotrimoxazol (Trimethoprim und Sulfamethoxazol) stört den Folsäurestatus
#183.09{sidnGROOSXX}
Mechanismus: Antibakteriell wirksame Diaminopyridine wie Trimethoprim und Tetroxoprim sind Hemmstoffe der
Dihydrofolat-Reduktase (Folsäureantagonisten). Gastrointestinale Störungen beeinträchtigen die diätetische
Folsäureaufnahme.
#183.10{sidxPfnroO4}
Folgen: Folsäuremangel (Serum-Folat < 3,5 ng/ml; Erythrozyten-Folat < 250 ng/ml); hypersegmentierte
Granulozyten, Störungen der Hämatopoese (megaloblastäre Anämie); Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l).
#183.11{sid9MJFTdLI}
Hinweis: Bei einer antibiotischen Therapie mit Tetroxoprim (→ Cotetroxazin) oder Trimethoprim (→ Cotrimoxazol)
ist eine Folsäuresubstitution (0,4–1 mg tgl., p. o. zusammen mit Vit​amin B12) sinnvoll, insbesondere bei Patienten
mit schlechtem Ernährungsstatus (z. B. HIV-Infizierte → Toxoplasmosetherapie).
#183.12{sidYnyLDsoS}
12.4.10 Tetracycline und Vit​amin C
#183.13{sidDX3wAh2x}
Tetracycline erhöhen die renale Vit​amin-C-Ausscheidung
#183.14{sidqZSUQatk}
Mechanismus: Tetracycline hemmen den intrazellulären Stoffwechsel und die tubuläre Rückresorption von Vit​amin
C.
#183.15{sideen1O3UU}
Folgen: Erhöhte renale Vit​amin-C-Exkretion, Abfall der Vit​amin-C-Konzentrationen in den Leukozyten.
#183.16{sidCB1IaVTP}
Hinweis: Bei einer Therapie mit Tetracylinen empfiehlt sich eine zusätzliche Gabe von 200–500 mg Vit​amin C tgl.,
p. o. zur Kompensation des therapiebedingten erhöhten Vit​amin-C-Umsatzes (▸ Kap. 5.6.1).
#183.17{sidXGYQd8zc}
12.4.11 Antibiotika und Zink
#183.18{sidLMNbflQJ}
Zink verbessert die Antibiotikatherapie
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#183.19{sid5FjTVWRK}
Mechanismus: Zink stärkt die humorale und zelluläre Immunkompetenz (→ Aktivität der T-Helfer-, TK-, NK-Zellen
und Lymphokine); Produktion von Thymushormonen, Regulierung der T-Zelldifferenzierung (→ Thymulin =
zinkabhängiges Peptid: Transformation der Thymozyten in aktive T-Zellen; Zinkmangel führt zur Thymusatrophie).
#183.20{sid6UzE0nuq}
Folgen: Zink verbessert die antibakterielle Therapie mit Antibiotika.
#183_184{sidLSPo2LW0}
Hinweis: Bei Kindern wird Zink begleitend zur Antibiotikatherapie in Abhängigkeit vom Körpergewicht in
Dosierungen von 10–20 mg pro Tag (ca. 0,5 mg Zink pro kg KG/Tag) und bei Erwachsenen 20–50 mg pro Tag
empfohlen. Die Zinkeinnahme sollte im Zeitabstand zur Einnahme des Antibiotikums erfolgen. Zink kann auch als
Lutschtablette 2–3 × täglich supplementiert werden.
#184.01{sidAjTLcqCq}
Studien: In einer doppelblinden und randomisierten Studie wurde der Einfluss einer Zinksubstitution (10 mg/Tag, p.
o.) auf die Häufigkeit von akuten Atemwegsinfektionen bei Kindern im Vorschulalter untersucht. 609 Kinder im Alter
von 6–35 Monaten wurden über einen Zeitraum von 6 Monaten beobachtet (Zink: 298 Kinder, Placebo: 311 Kinder).
Nach 120 Tagen ging der Anteil der Kinder mit Zinkblutspiegeln unter 60 µg/dl (→ Hinweis auf Zinkmangel) in der
Zink-Gruppe von 35,6 auf 11,6 % zurück, in der Kontrollgruppe stieg er von 36,8 auf 43,6 % an. Die Rate der akuten
Infektionen der unteren Atemwege war bei Kindern der Zink-Gruppe deutlich reduziert: Sie betrug bei ihnen 0,19
Episoden pro Kind und Jahr im Vergleich zu 0,35 Episoden bei Kindern der Kontrollgruppe. Eine um 45 %
verminderte Häufigkeit akuter Atemwegsinfektionen konnte bei Kindern durch die regelmäßige Zinksubstitution
erzielt werden. In einer weiteren klinischen Studie an Erwachsenen, die innerhalb von 24 Stunden nach Einsetzen
der ersten Erkältungssymptome alle 2–3 Stunden während der Wachzeit eine Zinklutschtablette („Zinc Lozenges“)
mit 12,8 mg Zink (als Zinkacetat) erhielten, wurde die Erkältungsdauer sowie Symptome wie Schnupfen und Husten
signifikant durch Zink im Vergleich zu Placebo verringert.
#184.02{sidDxo1lTTD}
Dass Zink die Dauer einer Erkältung verkürzen und deren Symptome lindern kann, wird aktuell auch durch eine
Metaanalyse von 15 Studien mit 1 360 Teilnehmern zum Thema Zink und Erkältungskrankheiten der Cochrane
Kollaboration bestätigt. Wird Zink bereits bei Beginn der ersten Erkältungssymptome eingenommen, reduziert sich
die Erkältungsschwere und -dauer. So waren bei den Teilnehmern, die Zink in Form von Tabletten, Sirup oder
Lutschtabletten supplementierten, bereits nach einer Woche Beschwerden wie Halsschmerzen, Rhinitis oder Fieber
verschwunden – nicht so in der Placebo-Gruppe. Kinder, die mindestens 5 Monate regelmäßig Zinklutschtabletten
oder -sirup einnahmen, erkrankten seltener und hatten weniger erkältungsbedingte Schulfehlzeiten. Zudem
reduzierte die Zinksubstitution die Häufigkeit von Antibiotikaverordnungen.
#184.03{siduldI2wgz}
In einer aktuellen randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studie mit 655 Kleinkindern (Alter: 7–120
Tage) aus Indien erhielten die Probanden nach dem Zufallsprinzip ergänzend zur Antibiotikatherapie entweder 10
mg Zink täglich oder Placebo. Dabei kam es innerhalb der Zink-Gruppe (n = 332) zu einer signifikant geringeren
Rate an Therapieversagern als in der Placebo-Gruppe (n = 323; 10 versus 17 %; relative Risikoreduktion: 40 %, p =
0,0113). Innerhalb der Zink-Gruppe starben 10 Kinder und innerhalb der Placebo-Gruppe 17 Kinder (relative
Risikoreduktion: 43 %, p = 0,15). Die Wirksamkeit war bei Kindern mit Diarrhö höher als bei solchen ohne Diarrhö
(p = 0,0260). Eine Supplementierung von Zink stellt eine kostengünstige Möglichkeit dar, um die Antibiotikatherapie
zu verbessern und das Mortalitätsrisiko bei Kleinkindern zu senken.
#184.04{sidus5ZTPlG}
Literatur
#184.05{sidZAmlQmi8}
Ademuyiwa O et al. Vit​amin E and selenium in gentamicin nephrotoxicity. Human Exp Toxicol, 9: 281–288, 1990
#184.06{sidPdJgFh5D}
Atsmon J, Dolev E. Drug-induced hypomagnesaemia: scope and management. Drug Saf, 28 (9): 763–788, 2005
#184.07{sidRTieDu6S}
Baliga R et al. Oxidant mechanisms in toxic acute renal failure. Am J Kidney Dis, 29: 465–477, 1997
#184.08{sidAfxzaqJC}
Barrowman JA et al. Impairment of vit​amin A absorption by neomycin. Clin Sci, 42 (4): 17P, 1972
#184.09{sid3yEONr9i}
Barton CH et al. Renal magnesium wasting associated with amphtericin B therapy. Am J Med, 77 (3): 471–474,
1984
#184.10{sidFZKE3Uhr}
Becattini S, Taur Y, Pamer EG. Antibiotic-Induced Changes in the Intestinal Microbiota and Disease. Trends Mol
Med, 22 (6): 458–478, 2016
#185.01{sidlqpBGPGB}
Ben-Ismail TH et al. Influence of iron, deferoxamine and ascorbic acid on gentamicin-induced nephrotoxicity in rats.
Gen Pharmacol, 25: 1249–1252, 1994
#185.02{sidBZdgM4PP}
Bhatnagar S, Wadhwa N, Aneja S et al. Zinc as adjunct treatment in infants aged between 7 and 120 days with
probable serious bacterial infection: a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet, 379 (9831):
2072–2078, 2012
#185.03{sidW3uceqgY}
Bischoff SC, Meuer S. Darm und Immunsystem. Abwehr aus dem Bauch heraus. Der Allgemeinarzt, 16: 50–55,
2012
#185.04{sidb26ob06r}
Cullmann W et al. Cefetamet pivoxil: a review of its microbiology, toxicology, pharmacokinetics and clinical efficacy.
Int J Antimicrob Agents, 1: 175–197, 1992
#185.05{sid6KqsCqsD}
Cummings JH et al. Role of intestinal bacteria in nutrient metabolism. J Parenter Enteral Nutr, 21 (6): 357–365, 1997
#185.06{sid3jrkaG92}
Deguchi Y et al. Comparative studies on synthesis of water-soluble vit​amins among human species of
bifidobacteria. Argic Biol Chem, 19 (1): 13–19, 1985
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#185.07{sidNOVFRrrV}
Dethlefsen L, Relman DA. Incomplete recovery and individualized responses of the human distal gut microbiota to
repeated antibiotic perturbation. Proc Natl Acad Sci USA; 108 Suppl 1: 4554–4561, 2011
#185.08{sidotNPg9XD}
Diep QN et al. Slow replenishment of carnitine deficiency after cessation of long-term treatment with pivaloylcontaining antibiotics. Pharmacy World and Science, 15: 225–229, 1993
#185.09{sidiyxyrFEx}
Friedrichsen HP. Darmschleimhaut-Barriere, intestinale Immunregulation und Mikronährstoffe. Zs f Orthomol Med, 2
(3): 4–9, 2004
#185.10{siduMPcjy1A}
Gomez de Agüero M, Ganal-Vonarburg SC, Fuhrer T et al. The maternal microbiota drives early postnatal innate
immune development. Science, 351 (6279): 1296–1302, 2016
#185.11{sidPtfyV1kw}
Gröber U. Die Darmflora: Schutz und Immunsystem. PTAheute, 2014
#185.12{sidpg2s2n2I}
He D et al. Clostridium difficile toxin A triggers human colonocyte IL-8 release via mitochondrial oxygen radical
generation. Gastroenterology, 122: 1048–1057, 2002
#185.13{sidaq9ODggw}
Homma N. The effect of lactic acid bacteria, part 1: Biological Significance. New Medicines and Clinics, 35 (12): 1–
3, 1986
#185.14{sidxPhrIqvs}
Jacobsen ED et al. Depletion if vit​amin B12, Iron, Beta-Carotene, and fat. Malabsorptive effects of neomycin in
commonly used doses. JAMA, 175: 187–190, 1961
#185.15{sidhC2nc7kO}
Kahlerta C, Müller P. Mikrobiom – die Entdeckung eines Organs. Schweiz Med Forum, 14 (16–17): 342–344, 2014
#185.16{sidkmpVM7k0}
Kelnar CJ et al. Hypomagnesaemic hypocalcaemia with hypokalaemia caused by treatment with high dose
gentamicin. Arch Dis Chil, 53 (10): 817–820, 1978
#185.17{sidWT2ieo6t}
Kopple JD et al. L-carnitine ameliorates gentamicin-induced renal injury in rats. Nephrol Dial Transplant, 17: 2122–
2131, 2002
#185.18{sidPQWNrqsl}
McFarland LV et al. Prevention of β-Lactam-associated diarrhea by saccharomyces boulardii in combination with
standard antibiotics for clostridium difficile disease. JAMA, 271: 1913–1918, 1994
#185.19{sidpHbLW6Bv}
Narita M et al. Hypomagnesaemia-associated tetany due to intravenous administration of amphotericin. B. Eur J
Pediatr, 156 (5): 421–422, 1997
#185.20{sidjxG4jbyu}
Ovesen L. Drugs and vit​amin deficiency. Drugs, 18 (4): 278–298, 1979
#185.21{sidVm9eNBKV}
Sabra R, Branch RA. Amphotericin B nephrotoxicity. Drug Saf, 5 (2): 94–108, 1990
#185.22{sidZ3h935yy}
Sazawal S, Black RE, Jalla S et al. Zinc supplementation reduces the incidence of acute lower respiratory infections
in infants and preschool children: a double-blind, controlled trial. Pediatrics, 102 (1Pt.1): 1–5, 1998
#185.23{sidu4Ow1I7W}
Sekirov I, Russell SL, Antunes LCM, Finlay BB. Gut Microbiota in Health and Disease. Physiol Rev, 90: 859–904,
2010
#185.24{sidxwXQXQhQ}
Singh M, Das RR. Zinc for the common cold. Cochrane Database Syst Rev, 2: CD 001364, 2011
#185.25{sidp8P0pRx3}
Von Vigier RO et al. Aminoglycosides and renal magnesium homeostasis in humans. Nephrol Dial Transplant, 15
(6): 822–826, 2000
#185.26{sidKF2zDlb3}
Walker PD et al. Oxidant mechanisms in gentamicin nephrotoxicity. Renal Failure, 21: 433–442, 1999
#185_186{sidS1mDN8D9}
Wang H, Lee IS, Braun C, Enck P. Effect of Probiotics on Central Nervous System Functions in Animals and
Humans: A Systematic Review. J Neurogastroenterol Motil, 22 (4): 589–605, 2016
#186.01{sidcXCozJOl}
Watson A et al. Severe hypomagnesaemia and hypocalcaemia following gentamicin therapy. Ir Med J, 76 (9): 381–
383, 1983
#186.02{sidJtCaJwBH}
Weinberg JM, Humes HD. Mechanisms of gentamicin-induced dysfunction of renal cortical mitochondria – I. Effects
on mitochondrial respiration. Arch Biochem Biophys, 205: 222–231, 1980
#187.01{sidOKcfPyzt}
13 Antidementiva
#187.02{sidVIwd8WGN}
Die Demenz vom Alzheimer-Typ (DAT) ist eine progrediente neurodegenerative Erkrankung des ZNS, die mit
einem irreversiblen Verlust intellektueller und kognitiver Fähigkeiten sowie mit wechselnden
psychopathologischen Symptomen assoziiert ist. Bereits 15 % aller 65-Jährigen leiden in irgendeiner Form
unter einer Demenz, im Alter von 85 Jahren sogar jeder Dritte. Im statischen Mittel stellt sich bei jedem dritten
Menschen, der ein Alter von 65 Jahren erreicht im weiteren Altersverlauf eine Demenz ein. Dabei ist die 1901
erstmals von dem Neurologen Alois Alzheimer beschriebene Demenz vom Alzheimer-Typ (DAT) mit rund 60 %
mit Abstand die häufigste Demenzform. Allein in Deutschland wird derzeit die Zahl der Betroffenen auf über 1,2
Millionen geschätzt. Die Neuerkrankungsrate pro Jahr liegt bei etwa 300 000. Nach aktuellen Erhebungen wird
sich die Zahl der Alzheimer-Patienten bis zum Jahr 2040 verdoppeln.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#187.03{sidxmjZATfX}
Die Alzheimer-Demenz ist das Ergebnis eines multifaktoriellen Prozesses, an dem eine Vielzahl
neuropathologischer und neuroimmunologischer Reaktionen im ZNS beteiligt sind (siehe Kasten).
Histopathologische Merkmale im ​Gehirn sind senile Plaques (β-Amyloid-Ablagerungen) und intrazelluläre
Neurofibrillenbündel (Tau-Proteine). Diese Proteinablagerungen sind nicht nur die Folge des primären Demenz
auslösenden Prozesses, sondern auch direkt für den Verlust der Gehirnsubstanz (→ Hirnatrophie) verantwortlich.
Die Neurotoxizität der β-Amyloid-Aggregate wird vor allem durch Proteinglykosilierungsprodukte und
proinflammatorische Zytokine vermittelt. Diese lösen eine übermäßige Produktion von freien Sauerstoff- und
Stickstoff-Radikalen aus und führen zum oxidativen Nervenzelltod. Eine wichtige Rolle bei der Entstehung und
Progression der Demenz spielt auch die pathologisch erhöhte Konzentration mit dem NMDA-Agonisten Glutamat.
Der Nervenzelluntergang betrifft überwiegend die cholinergen Neurone im basalen Vorderhirn (Nucleus basalis
Meynert) und die cholinergen Axone im Cortex, deren Ausfall mit ausgeprägten Lern- und Gedächtnisstörungen
verbunden ist.
#187.04{sidgumpToSm}
Pathogenetische Faktoren der Alzheimer-Demenz (Auswahl)
#187.05{sidWg6xOtH7}
Proteinglykosilierungsprodukte (AGEs: Advanced Glycation Endproducts) in senilen Plaques (→ β-AmyloidAblagerungen),
#187.06{sidZfjwt7yc}
chronische Entzündungsprozesse durch neuroinflammatorische (→ Zytokine: IL-1, IL-6, TNF-α) und
neuroimmunologische Prozesse (→ Mikroglia- und Astroglia-Zellen),
#187.07{sidQaZ3UNsi}
oxidativer/nitrosativer Stress (→ Aktivierung des redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFkappa B und
Produktion neuroinflammatorische Zytokine wie IL-1, IL-6 und TNF-α),
#187.08{sidqecAAE3c}
Störungen des zerebralen Energie- und Glucosestoffwechsels (→ Dysfunktion der mitochondrialen ATPProduktion: Aktivitätsminderung der PDH, KGDH und des Komplex IV),
#187.09{sidV8iZhfkU}
Mangel an Acetylcholin (z. B. durch verminderte Cholin-Acetyltransferase-Aktivität),
#187.10{sidxC00M2lm}
pathologisch erhöhte Belastung mit dem NMDA-Rezeptor-Agonisten Glutamat (z. B. durch Hypoxie), der zu
Störungen der intrazellulären Calcium-Homöostase und der Neuroplastizität führt (→ glutamaterge Exotoxizität mit
neuronaler Apoptose),
#187.11{sidoJQd0h6D}
Hyperhomocysteinämie bzw. Störung des neuronalen Methylgruppenstoffwechsels (→ Demyelinisierung,
Hypomethylierung),
#187.12{sidDEyH2RC1}
weitere: genetische Faktoren (z. B. ApoE), Vit​amin-D-Mangel.
#188.01{sidz9Dfrs2t}
13.1 Antidementiva und Mikro​nährstoffe
#188.02{sidYI8fvuVT}
13.1.1 Cholinesterasehemmer und NMDA-Antagonisten
#188.03{sidxiodRECU}
Für die Pharmakotherapie des Morbus Alzheimer sind derzeit folgende Arzneistoffe zugelassen: für die leichte und
mittelschwere Alzheimer-Demenz die Cholinesterasehemmer Donepezil, Rivastigmin und Galantamin und für die
moderate und schwere Form der Krankheit der NMDA-(N-Methyl-D-Aspartat-)Antagonist Memantine. Die
pharmakologische Wirkung der drei Cholinesterasehemmer beruht darauf, dass sie im Gehirn den Abbau des für
die Gedächtnisleistung und Konzentration verantwortlichen Neurotransmitters Acetylcholin verhindern, der durch das
Enzym Acetylcholinesterase (AChE) abgebaut wird. Memantine ist ein selektiver nicht-kompetitiver NMDARezeptor-Antagonist, der durch die Blockade des NMDA-Rezeptors die pathologisch erhöhte Glutamatfreisetzung
verringert. Zu den neuroprotektiven Wirkungen des Memantins tragen auch antioxidative Eigenschaften bei.
#188.04{sidmz6W03Oh}
Die gegenwärtig in der Alzheimer-Therapie eingesetzten Medikamente (→ Cholinesterasehemmer, NMDAAntagonisten) verfügen nur über einen begrenzten Nutzen und sind zum Teil mit erheblichen Nebenwirkungen (z. B.
Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Diarrhö, Depressionen, Anorexie, Gewichtsverlust, Herzrhythmusstörungen,
Albträume) vergesellschaftet. In Studien zum Nutzen von Galantamin bei leichter kognitiver Beeinträchtigung war die
Mortalität im Vergleich zu Placebo zum Teil um das 3-fache erhöht.
#188.05{sidJZh94472}
13.1.2 Neuroregulative und neuro​protekive Funktionen der α-Liponsäure
#188_189{sidOlxZHGW7}
Einen möglichen neuen Ansatz in der frühen Alzheimer-Therapie liefern aktuelle Studienergebnisse der geriatrischen
Klinik der Henriettenstiftung in Hannover mit dem Vit​aminoid α-Liponsäure, das auf verschiedenen Ebenen kausal in
die Pathomechanismen der Neurodegeneration und des gestörten neuronalen Energiestoffwechsels eingreift. Die
potenziellen Wirkmechanismen der α-Liponsäure bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer sind
vielfältig. Unter den biochemischen Wirkungen müssen vor allem proenergetische, antioxidative und
antiinflammtorische erwähnt werden (○Abb. 13.1).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#188.06{sidH47jRGRJ}
Abb. 13.1 α-Liponsäure: Pathobiochemische Rationale bei Alzheimer-Demenz
#189.01{sidC1qX1xfH}
Die Deckung des neuronalen Energiebedarfs erfolgt durch die oxidative Verwertung von Glucose. Hierbei
übernimmt α-Liponsäure, zusammen mit Vit​amin B1, als Coenzym der mitochondrialen Enzyme PyruvatDehydrogenase (PDH) und α-Ketoglutarat-Dehydrogenase (KGDH) eine wesentliche regulative Funktion. Eine
Aktivitätsabnahme dieser Enzymkomplexe beeinträchtigt die Glucoseverwertung mit der Folge, dass auch die
mitochondriale Atmungskette und der neuronale Energiestoffwechsel (Adenosin-Tri-Phosphat, ATP) gestört werden.
Die proenergetische Wirkung der α-Liponsäure auf die Glucoseutilisation kann nicht nur die neuronale Verfügbarkeit
von Energieäquivalenten, sondern auch die Synthese von Neurotransmittern günstig beeinflussen.
#189.02{sid7MQBKBH8}
Neben der Störung des neuronalen Energiestoffwechsels spielt die irreversible Glykosilierung von ZNS-Proteinen (=
Proteinglykosilierung) und deren Ablagerungen in senilen Plaques bei der Demenz vom Alzheimer-Typ eine
ätiologische Schlüsselrolle. Proteinglykosilierungsprodukte, auch Advanced Glycation Endproducts (AGEs) genannt,
fördern über die Wechselwirkung mit dem Transkriptionsfaktor NFkappaB die Bildung proinflammatorischer
Zytokine und reaktiver Sauerstoffspezies (ROS). In seiner Eigenschaft als Antioxidanz und
Pro​teinglykosilierungshemmer (AGE-Inhibitor) wirkt α-Liponsäure der neuronalen Schädigung durch freie Radikale
und AGEs entgegen (○Abb. 13.2).
#189.03{sidtckONMRH}
Abb. 13.2 Proteinglykosilierung und Neurodegeneration
#190.01{sidiiDGstIx}
13.1.3 Cholinesterasehemmer und α-Liponsäure
#190.02{sidxel7TePY}
α-Liponsäure erweitert die antidementive Wirkung von Cholinesterasehemmern (z. B. Donepezil,
Rivastigmin)
#190.03{sid4XZvw4Ye}
Mechanismus: α-Liponsäure wirkt aufgrund seiner antioxidativen, antiinflammatorischen und proenergetischen
Wirkungen (→ mitochondrialer Energiestoffwechsel) neuroprotektiv; Inhibierung der Proteinglykosilierung und der
AGE-abhängigen Aktivierung des redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFkappaB.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#190.04{sidpV0a6l5k}
Folgen: Synergismus und Erweiterung der Pharmakotherapie mit Cholinesterasehemmern, Stabilisierung und
moderate Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz.
#190.05{sidayqZqrIx}
Hinweis: Bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz kann die begleitende Gabe von Antioxidanzien, wie αLiponsäure (2 × 600 mg/d, p. o. zusätzlich: 2–3×/Wo. für 2 Wochen: 600 mg i. v.) auch in der Kombination mit
Omega-3-Fettsäuren das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und die kognitive Leistungsfähigkeit
stabilisieren und zum Teil verbessern. In diesem Zusammenhang sind vor allem die neuroprotektiven
Mikronährstoffe, wie langkettige Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA) von hohem Stellenwert, wie die Ergebnisse
zweier aktueller randomisierter Studien belegen: Darunter wurden zum einen die Effekte einer täglichen
Supplementierung von 2.200 mg langkettiger Omega-3-Fettsäuren bei 44 gesunden älteren Menschen (Alter: 50–
75) auf die kognitive Leistungsfähigkeit im Vergleich zu Placebo (Sonnenblumenöl) über einen Zeitraum von 26
Wochen untersucht. Dabei verbesserte sich im Vergleich zu Placebo die kognitive Leistungsfähigkeit in Form eines
Gehirntests zur Bewältigung einer Gedächtnisaufgabe statistisch signifikant. Zusätzlich war in der Verum-Gruppe ein
Anstieg des Omega-3-Index als valider Blutparameter für die diätetische Omega-3-Fettsäure-Versorgung
nachweisbar.
#190.06{sidJYXJb9O3}
In einer weiteren randomisierten und placebokontrollierten Doppelblindstudie an 219 Probanden (Alter: ± 65) mit
einer leichten kognitiven Beeinträchtigung wurde der Einfluss von Docosahexaensäure (2 g DHA/Tag, Zeitraum: 12
Monate) auf die kognitive Leistungsfähigkeit und die hippokampale Atrophierate erfasst (DHA: n=110, Placebo:
n=109). Bei Probanden aus der DHA-Gruppe war nach 12 Monaten gegenüber denjenigen aus der Placebo-Gruppe
eine signifikant bessere kognitive Leistungsfähigkeit anhand verschiedener Gehirntests (z. B. Intelligenz,
Informationsverarbeitung) nachweisbar. In Bezug auf das Volumen des Hippokampus führte die Einnahme von DHA
im Vergleich zu Placebo zu einer signifikanten Verlangsamung der Progression der hippokampalen Atrophie.
Grundsätzlich sollte bei Alzheimer-Patienten auch der Methylgruppen- bzw. Homocystein-Stoffwechsel überprüft (→
Laborparameter: Homocystein, Methylmalonsäure) und gegebenenfalls kompensiert werden (z. B. 1 000 µg
Hydroxocobalamin i. m./Monat), da eine unzureichende Versorgung mit Vit​amin B12 und Folsäure Studien zufolge
bei älteren Menschen mit einem 6-fach erhöhten Risiko für eine Hirnatrophie assoziiert ist.
#190.07{sidh6q5YIAq}
Studien: In einer aktuellen Anwendungsbeobachtung der neurologischen und geriatrischen Klinik der
Henriettenstiftung in Hannover wurde der Einfluss von α-Liponsäure auf die kognitiven Fähigkeiten und die
Krankheitsprogression mithilfe standardisierter Diagnoseverfahren bei 43 Patienten mit milder bis moderater
Alzheimer-Demenz erfasst. Als kognitive und neuropsychologische Tests wurde der Mini-Mental State Examination
(MMSE) und der Alzheimer‘s disease assessment score cognitive subscale (ADAScog) eingesetzt. Der MMSE ist
nicht nur ein bewährtes Screeningverfahren zur Erfassung kognitiver Defizite sondern auch für die Verlaufskontrolle
bei demenziellen Erkrankungen geeignet. Der ADAScog ist einer der häufigsten Tests der in klinischen Studien zur
Wirksamkeitsprüfung von Anitdementiva und Nootropika eingesetzt wird.
#191.01{sidOz9iptAj}
Die Patienten erhielten täglich zusätzlich zur Standardtherapie mit Cholinesterasehemmern (Donepezil oder
Rivastigmin) 600 mg α-Lipon​säure peroral. In der Zeit vor Behandlungsbeginn hatte sich der Zustand der Patienten
stetig verschlechtert, sodass in einem Beobachtungszeitraum von bis zu 48 Monaten eher mit einer weiteren
Verschlechterung der kognitiven Tests zu rechnen war. Überraschenderweise konnte jedoch unter der Komedikation
mit α-Lipon​säure eine Stabilisierung der kognitiven Fähigkeiten und vor allem ein extrem verlangsamtes
Fortschreiten der Erkrankung beobachtet werden. Im Vergleich zu den Ergebnissen aus Studien mit unbehandelten
Patienten oder Patienten, die nur mit einem Cholinesterasehemmer behandelt werden, war die
Krankheitsprogression „dramatisch“ verlangsamt. Obwohl diese Anwendungsbeobachtung nicht doppel-blind,
placebokontrolliert und randomisiert durchgeführt wurde, dürfte die adjuvante Supplementierung von α-Liponsäure
nach Aussage der Studienleiter eine hilfreiche „neuroprotektive“ Therapieoption in der frühen Phase der AlzheimerTherapie darstellen.
#191.02{sidhdBmjaMf}
13.1.4 Antidementiva und Vit​amin D
#191.03{sidW6109PSE}
Vit​amin D unterstützt antidementive Wirkung von Cholinesterasehemmern (z. B. Donepezil, Rivastigmin)
#191_192{sidJim4tmFO}
Mechanismus: Vit​amin D wirkt aufgrund seiner antioxidativen und antiinflammatorischen Wirkung neuroprotektiv
(○ Abb. 13.3); Inhibierung der Proteinglykosilierung und der AGE-abhängigen Aktivierung des redoxsensitiven
Transkriptionsfaktors NFkappaB; 1,25(OH)2D3 reguliert zudem über VDR die mitochondriale Biogenese und den
Sauerstoffverbrauch, die mitochondriale Dynamik und Enzymfunktionen (z. B. PDH-Kinase) sowie die Expression
nukleärer Gene, die für mitochondriale Proteine codieren.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#191.04{sidZYecuchM}
Abb. 13.3 Wirkungen von 1,25(OH)2 D
#192.01{sidUd5KwBAb}
Folgen: Synergismus und Erweiterung der Pharmakotherapie mit Cholinesterasehemmern, Vit​amin D kann bei
leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz den Verlust alltagspraktischer Fertigkeiten hinauszögern.
#192.02{sidCAsh1fny}
Hinweis: Bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz kann die begleitende Gabe von Vit​amin D (z. B. 40–
60 I. E. pro kg KG/d, p. o.) das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.
#192.03{sidL2xkX7NF}
13.1.5 Cholinesterasehemmer und ​Vit​amin E
#192.04{sidUlH0GjwC}
Vit​amin E erweitert die antidementive Wirkung von Cholinesterasehemmern (z. B. Donepezil, Rivastigmin)
#192.05{sidkzOye2RV}
Abb. 13.4 Der Neurotransmitter-Stoffwechsel: Quelle für oxidativen Stress
#192.06{sidkeVvSNgG}
Mechanismus: Vit​amin E wirkt aufgrund seiner antioxidativen und antiinflammatorischen Wirkung neuroprotektiv (○
Abb. 13.4); Inhibierung der Proteinglykosilierung und der AGE-abhängigen Aktivierung des redoxsensitiven
Transkriptionsfaktors NFkappaB.
#192.07{sidcVwkXHK0}
Folgen: Synergismus und Erweiterung der Pharmakotherapie mit Cholinesterasehemmern, Vit​amin E kann bei
leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz den Verlust alltagspraktischer Fertigkeiten hinauszögern.
#192.08{sidS8Jdhf8H}
Hinweis: Bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz kann die begleitende Gabe von Vit​amin E (2 000 I.
E./d, p. o.) das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.
#192_193{sidkVDyLhkH}
Studien: In einer aktuellen randomisierten Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie (JAMA 2014) konnte die
tägliche Einnahme von 2 000 I. E. Vit​amin E bei Patienten mit leichter bis mittelgradiger Demenz vom Alzheimer-Typ
(DAT) den Verlust alltagspraktischer Fertigkeiten hinauszögern. An der Doppelblindstudie nahmen 613 Patienten
mit DAT teil, die im Mini-Mental State Examination (MMSE) 12 bis 26 Punkte erreichten (im Mittel 21 Punkte) und
bereits mit einem Cholinesterase-hemmer behandelt wurden. Die tägliche Studienmedikation bestand aus 2 000 IU
α-Tocopherol (n = 152), 20 mg Memantin (n = 155), α-Tocopherol plus Memantin (n = 154) oder Placebo (n = 152).
Primärer Studienendpunkt war der ADCS-ADL-Score (Alzheimer‘s Disease Cooperative Study/Activities of Daily
Life), der die Fähigkeit zur Bewältigung von Alltagsaufgaben bewertet. Im besten Fall kann ein Score von 78 erreicht
werden; der mittlere Wert zu Studienbeginn lag bei 56,8. Nach einer Beobachtungszeit von im Mittel 2,3 Jahren hatte
der ADCS-ADL-Score in der Vit​amin-E-Gruppe signifikant weniger abgenommen als in der Placebogruppe, um
13,81 statt um 16,96 Einheiten. Pro Jahr war der Rückgang damit um 19 % geringer als unter Placebo. Das
entspricht einer klinisch bedeutsamen Verzögerung der Krankheitsprogression um 6,2 Monate unter α-Tocopherol.
Die Alltagskompetenz von Patienten, die Memantin oder die Kombination erhalten hatten, unterschied sich dagegen
nicht signifikant von der der Placebo-Gruppe (○ Abb. 13.5). Auch bezüglich der Nebenwirkungsraten und der
Mortalität unterschieden sich 4 Interventionsarme. Die jährliche Mortalitätsrate in der α-Tocopherol lag bei 7,3 %, in
der Placebo-Gruppe bei 9,4 %, in der Memantin + Vit​amin E-Gruppe bei 9 % und in der Memantin-Gruppe bei 11,3
%.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#193.01{sid03eGZAet}
Abb. 13.5 Vit​amin E verzögert Demenz vom Alzheimer-Typ
#193.02{sidJU2Dprxd}
Die Ergebnisse legen nahe, dass α-Tocopherol bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz von Nutzen ist,
indem es den funktionellen Abbau verlangsamt und die Belastung der Betreuungspersonen reduziert. Die mit
Vit​amin E zu erzielende Reduktion des Betreuungsaufwands lässt außerdem erhebliche Kosteneinsparungen
erwarten. Dass die Therapie mit Memantin keine Verbesserung bewirkte, steht im Einklang mit den Ergebnissen
anderen Studien an Patienten mit leichter Alzheimer-Erkrankung. Die Zulassung des NMDA-Antagonisten ist in
Deutschland ohnehin auf moderate bis schwere Alzheimer-Stadien beschränkt. Wieso allerdings Memantin plus
Vit​amin E keine Vorteile gegenüber der Placebo aufweist, bleibt unverständlich, da bisher keine Interferenzen des
Antidementivums mit dem Vit​amin beschrieben wurden.
#194.01{sid2lCi4UTM}
13.1.6 Antidementiva und Benfotiamin
#194.02{sidUD7lkPeW}
Benfotiamin erweitert die antidementive Wirkung von Cholinesterasehemmern (z. B. Donepezil,
Rivastigmin)
#194.03{sidyDCAsoYz}
Mechanismus: Benfotiamin wirkt aufgrund seiner antioxidativen, antiinflammatorischen und proenergetischen
Wirkungen (→ mitochondrialer Energiestoffwechsel) neuroprotektiv. Als lipidlösliches B1-Prodrug verbessert
Benfotiamin die Aktivität der PDH und KGDH, hemmt die Proteinglykosilierung und die AGE-abhängige Aktivierung
des redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFkappaB.
#194.04{sidMr5pzqaQ}
Folgen: Synergismus und Erweiterung der Pharmakotherapie mit Cholinesterasehemmern, Stabilisierung und
moderate Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz.
#194.05{siddTS5PIDK}
Hinweis: Der physiologische Hirnstoffwechsel ist entscheidend abhängig von der Energiegewinnung aus
Kohlenhydraten (z. B. Glucose) und wesentlich für den mitochondrialen Energiestoffwechsel der Neuronen. Die
beiden Coenzyme Thiamin und α-Liponsäure regulieren dabei Schrittmacherfunktionen durch die Aktivität der
Pyruvat-Dehydrogenase (PDH) und α-Ketoglutarat-Dehydrogenase (KGDH). Die PDH verbindet beispielsweise die
Glykolyse mit dem Citratzyklus und befindet sich in der mitochondrialen Matrix. Die Aktivität dieser beiden
Schrittmacherenzyme im mitochondrialen Stoffwechsel ist bei Patienten mit Morbus Alzheimer um bis zu 57 %
verringert. Bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz kann aktuellen Studien zufolge die adjuvante Gabe von
Benfotiamin (z. B. 600 mg/d, p. o.) und/oder α-Liponsäure das Fortschreiten der demenziellen Erkrankung
verlangsamen und die kognitive Leistungsfähigkeit stabilisieren und zum Teil verbessern.
#194.06{sidAFvzOWcj}
13.1.7 Antidementiva und B-Vit​amine
#194.07{sid9Yq6Z98r}
Vit​amin B12, Folsäure und andere B-Vit​amine unterstützen die Wirkung von Antidementiva
#194.08{sidcW1gnXEh}
Mechanismus: Die Vit​amine der B-Gruppe regulieren auf zahlreichen Ebenen den neuronalen Energie- und
Neurotransmitterstoffwechsel. Die intakte Funktion der Nervenzellen und die Synthese von Phospholipiden (z. B.
Phosphatidylserin) ist von einer optimalen Versorgung mit Methyl- bzw. Homocystein-Stoffwechsel regulierenden BVit​aminen wie Vit​amin B12 abhängig.
#194.09{sidPyGMgkxo}
Folgen: B-Vit​amine unterstützen die Wirksamkeit von Antidementiva und können bei leichter Demenz zu einer
Stabilisierung der kognitiven Leistungsfähigkeit beitragen.
#194.10{sidDjZS00Wm}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Hinweis: Bei kognitiven Störungen ist die begleitende Supplementierung von einem Vit​amin-B-Komplex mit den
aktivierten Methylgruppen übertagenden B-Vit​aminen Methyl-THF (z. B. 0,4 mg/d, p. o.) und Methylcobalamin (z. B. 1
000 µg/d, p. o.) sinnvoll. Zur labordiagnostischen Kontrolle sollte neben dem Homocysteinspiegel (Hcy < 10 µmol/l)
auch der Vit​amin-B12-Status anhand funktioneller Parameter wie Methylmalonsäure oder Holo-Transcobalamin
gemessen werden.
#194.11{sidJl4f8ti6}
Studien: Studien zufolge ist im fortgeschrittenen Lebensalter eine latente Unterversorgung mit Vit​amin B12 sowie
ein erhöhter Homocystein-Plasmaspiegel (≥ 10 µmol/l) mit einer Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit
verbunden. Die Varianz in kognitiven Leistungstests wird bei älteren Personen, unabhängig vom
Intelligenzquotienten, zu etwa 11 % auf die Homocysteinwerte zurückgeführt. Auch das Auftreten von Depressionen
ist im Alter häufig mit einem niedrigen Vit​amin-B12-Status und erhöhten Homocysteinwerten assoziiert.
#194_195{sidKo4KmHhU}
Im Intermediärstoffwechsel spielen Vit​amin-B12-abhängige Methylierungsreaktionen eine zentrale Rolle. Vit​amin B12
reguliert zusammen mit 5-Methyl-Tetrahydrofolsäure die Remethylierung von Homocystein zu L-Methionin und die
darauf folgende ATP-abhängige Bildung von S-Adenosylmethionin (SAM). SAM ist für die meisten biologischen
Methylierungsreaktionen essenziell, u. a. die Methylierung von Myelin, Neurotransmittern und Phospholipiden (z. B.
Phosphatidylcholin). Ein diätetischer Mangel an Vit​amin B12 und/oder Folsäure ist einer der häufigsten Ursachen für
eine Hyperhomocysteinämie. Ein Anstieg des Homocystein-Plasmaspiegels ist ein Hinweis für eine Störung des
Methylgruppen-Stoffwechsels, der mit einem erhöhten Risiko für neuronale Schäden, Beeinträchtigung der
Zellproliferation und erhöhten Neigung zu Chromosomenstrangbrüchen einhergeht.
#195.01{sidZaGDSoYT}
Eine Hyperhomocysteinämie und die damit verbundene Hypomethylierung des ZNS gilt als unabhängiger
Risikofaktor für eine Demenz von Alzheimer-Typ (DAT). Homocystein wirkt zum einen direkt toxisch auf das
vaskuläre Endothel und zum anderen kann es in exzitatorisch wirkende Agonisten (z. B. Cystein-, Homocysteinsäure)
des N-Methyl-D-Aspartat-(NMDA)-Rezeptors umgewandelt werden. Die Stimulierung von NMDA-Rezeptoren und
damit einhergehende übermäßige neuronale Erregung dürfte wesentlich zu den neuronalen Schäden beitragen
(○Abb. 13.6). In der großen Framingham-Studie war das Risiko für Morbus Alzheimer bei einem
Homocysteinspiegel > 14 µmol/l nahezu verdoppelt. Erhöhte Homocysteinspiegel sind bei älteren Personen mit
einem kleineren Hippokampus und einer erhöhten Atrophierate des medialen Temporallappens und der weißen
Substanz verbunden.
#195.02{sid9JngyF9E}
Abb. 13.6 Homocystein und neurotoxische Wirkungen (Modell)
#195_196{sidOvUpITag}
In einer prospektiven Studie der Universität Oxford, die an 107 Personen im Alter zwischen 61 und 87 Jahren
durchgeführt wurde, konnte eine signifikante Assoziation zwischen dem Vit​amin-B12-Status und der Hirngröße
nachgewiesen werden. Neben kognitiven Tests und Messung der Hirngröße mittels Kernspintomographie wurde bei
den gesunden Probanden zu Beginn der Studie und danach jährlich auch die Vit​amin B12- und die HoloTranscobalamin-(holoTC)-Spiegel im Plasma erfasst. Nach fünf Jahren war die altersbedingte Hirnatrophie bei den
Probanden mit den niedrigsten Vit​amin-B12-Status am stärksten fortgeschritten. Im Vergleich zu Studienteilnehmern
mit den höchsten Vit​amin B12-Ausgangswerten war die niedrigste Tertile (Vit​amin B12-Plasmaspiegel < 308 pmol/l,
Holo-Transcobalamin-Plasmaspiegel < 54 pmol/l) mit einem mehr als 6-fach erhöhten Risiko für den Verlust von
Hirnvolumen assoziiert (Odds-Ratio 6,17; 95 % Konfidenzintervall, 1,25–30,47). Bemerkenswert ist dabei, dass die
Atrophie des Gehirns bereits bei einem marginalen und nicht nach heutiger Definition manifesten Vit​amin-B12Mangel auftrat.
#196.01{sidY4SlcII5}
In einer aktuellen randomisierten und doppelblinden Interventionsstudie (VITACOG-Studie) an 168 älteren Personen
mit milder kognitiver Beeinträchtigung (Alter: ≥ 70 Jahre) konnte durch die Supplementierung von Vit​amin B12 (500
µg/d, p. o.), Folsäure (0,8 mg/d, p. o.) und Vit​amin B6 (20 mg/d, p. o.) über einen Zeitraum von 24 Monaten
gegenüber der Placebogruppe, bei den Probanden mit Homocysteinwerten > 13 µmol/l das Fortschreiten der
Hirnatrophie und Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit signifikant (um 53,3 %) verringert bzw. verlangsamt
werden.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#196.02{sidcJJBAJ7K}
13.1.8 Antidementiva und Phosphatidylserin
#196.03{sidTuR2MV44}
Phosphatidylserin unterstützt die Wirkung von Antidementiva
#196.04{sidV7XuhRiT}
Mechanismus: Phosphatidylserin (PS) ist das dominierende Phospholipid im Gehirn, reguliert die Freisetzung und
Signaltransduktion von Neurotransmittern (z. B. Acetylcholin, Dopamin, Serotonin). Unzureichende Versorgung mit
PS begünstigt eine Abnahme der NGF-Rezeptor-Dichte im Cerebellum und Hippokampus, Beeinträchtigung der
zerebralen Glucoseverwertung, Anfälligkeit für oxidative Nervenzellmembranschäden, Gedächtnis-, Konzentrationsund Lernstörungen sowie Neigung zu Depressionen.
#196.05{sidvmpR1Brv}
Folgen: Phosphatidylserin unterstützt die Wirksamkeit von Antidementiva und kann bei leichter Demenz zu einer
Stabilisierung der kognitiven Leistungsfähigkeit beitragen.
#196.06{sidlLOIDu3u}
Hinweis: Bei kognitiven Störungen ist die begleitende Supplementierung von Phosphatidylserin (z. B. 3 × 100
mg/d, p. o.) mit einem Vit​amin-B-Komplex sinnvoll. Zur labordiagnostischen Kontrolle sollte neben dem
Homocysteinspiegel (Hcy < 10 µmol/l) auch der Vit​amin-B12-Status anhand funktioneller Parameter wie
Methylmalonsäure oder Holo-Transcobalamin gemessen werden.
#196.07{sidHdqwzoMn}
Studien: Phosphatidylserin (PS) zählt wie Lecithin zu den für jede Körperzelle essenziellen Phospholipiden.
Phospholipide verleihen den Zellmembranen ihre unentbehrliche Grundstruktur und Membranfluidität.
Phosphatidylserin ist das dominierende Phospholipid im Gehirn. Dort ermöglicht es die Kommunikation zwischen
den Nervenzellen und fördert die Bildung der zur Reizweiterleitung wichtigen Neurotransmitter Serotonin,
Noradrenalin, Dopamin und Acetylcholin. Auch die synaptischen Aktivitäten der Neurotransmitter und der damit
verbundene Informationsaustausch zwischen den Neuronen im Gehirn und Nervensystem wird durch
Phosphatidylserin reguliert. Speziell die kognitiven Prozesse der Speicherung und des Abrufens von Informationen
werden verbessert. Aktuell dokumentieren zahlreiche wissenschaftliche Studien die Wirksamkeit von
Phosphatidylserin zur Steigerung kognitiver Fähigkeiten wie Gedächtnis-, Lern-, Konzentrations-, Aufmerksamkeitsund Sprachvermögen insbesondere im Alter sowie zur Erhöhung der Stressresistenz. Phosphatidylserin wird zudem
bei Depression, Prüfungsstress, Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS), Angststörungen und
Demenz eingesetzt.
#196_197{sidLW1zxzBL}
In einer aktuellen 12-wöchigen Pilotstudie mit 30 älteren Personen mit Gedächtnisstörungen (Alter: 50–90 Jahre)
wurde der Einfluss von Soja-Phosphatidylserin (300 mg PS/d, p. o.) auf die kognitive Leistungsfähigkeit untersucht.
Dabei zeigte sich über den gesamten Interventionszeitraum eine signifikante Verbesserung der kognitiven
Leistungsfähigkeit bei folgenden Parametern: Gedächtnis: Wiedererkennen (p = 0,004), Gedächtnis:
Erinnerungsvermögen (p = 0,006), Ausführungsfunktion (p = 0,004) und mentale Flexiblität (p = 0,01), siehe
(○Abb. 13.7. Vor allem das Lernvermögen und das unmittelbare Abrufen von Informationen verbesserten sich
signifikant. Überraschenderweise wurde auch der diastolische (6,8 ± 2,1 mmHg; p = 0,003) und systolische (8,9 ±
4,2 mmHg; p = 0,043) Blutdruck bei den Probanden signifikant gesenkt.
#197.01{sidNkzO0wFN}
Abb. 13.7 Effektivität von Phosphatidylserin (300 mg PS/d, p. o. aus Soja) in der Verbesserung verschiedener kognitiver
Leistungsparameter bei 30 älteren Personen (Alter 50–90 Jahre) mit Gedächtnisstörungen über einen Zeitraum von zwölf
Wochen. Nach Richter 2013
#197.02{sid5lzqYgfb}
In einer weiteren aktuellen doppelblinden placebokontrollierten Studie an 70 älteren japanischen Personen mit
Gedächtnisstörungen (Alter: 50–69 Jahre) konnte ebenfalls durch die Supplementierung von Phosphatidylserin (100
oder 300 mg PS/d, p. o.; gewonnen aus Sojabohnen) über einen Zeitraum von sechs Monaten die kognitive
Leistungsfähigkeit signifikant verbessert werden.
#197.03{sid3em6DRGt}
Literatur
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#197.04{sidEUUOmBMY}
Dysken MW, Sano M, Asthana S et al. Effect of vit​amin E and memantine on functional decline in Alzheimer disease:
the TEAM-AD VA cooperative randomizied trial. JAMA, 311 (1): 33–44, 2014
#197.05{sideEjgT663}
Estrada DE et al. Stimulation of glucose uptake by the natural coenzyme alpha-lipoic acid/thioctic acid: participation
of elements of the insulin signaling pathway. Diabetes, 45: 1798–1804, 1996
#197.06{sidq3vPXiLy}
Gibson GE, Hirsch JA, Cirio RT et al. Abnormal thiamine-dependent processes in Alzheimer‘s Disease. Lessons
from diabetes. Mol Cell Neurosci, 55: 17–25, 2013
#197.07{sidbLJ0g7rH}
Gröber U. Alzheimer: Neuroenhancement mit alpha-Liponsäure. Zeitschrift für Komplementärmedizin (ZKM), 1: 45–
49, 2012
#197.08{sid036KPQAC}
Gröber U. α-Liponsäure bei Alzheimer-Demenz. Deutsche Apotheker Zeitung, 149 (3): 67–70, 2009
#198.01{sidcPmnhWCz}
Gröber U. Folsäure zur Prophylaxe gegen Schlaganfall. Dtsch Apoth Ztg, 18: 92–96, 2009
#198.02{sidiqF0oBmM}
Gröber U. Morbus Alzheimer – Stellenwert von Mikronährstoffen in der Therapie. Zs f Orthomol Med, 4: 5–11, 2006
#198.03{sidDTzJHXxP}
Hager K et al. Alpha-lipoic acid as a new treatment option for Alzheimer‘s disease–a 48 months follow-up analysis. J
Neural Transm Suppl, 72: 189–193, 2007
#198.04{sid224maMsL}
den Heijer et al. Homocysteine and brain atrophy on MRI of non-demented elderly. Brain, 126 (Pt 1): 170–175, 2003
#198.05{sidzXUN8YJO}
Jacob S et al. Enhancement of glucose disposal in patients with type 2 diabetes by alpha-lipoic acid. ArzneimittelForschung, 45: 872–874, 1995
#198.06{sidviK2gAcA}
Kato-Kataoka A, Sakai M, Ebina R et al. Soybean-derived phosphatidylserine improves memory function of the
elderly Japanese subjects with memory complaints. J Clin Biochem Nutr, 47 (3): 246–255, 2010
#198.07{sidm4LOErW9}
Külzow N, Witte AV, Kerti L, et al., Impact of Omega-3 Fatty Acid Supplementation on Memory Functions in Healthy
Older Adults. J Alzheimers Dis, 2016; 51(3):713–725.
#198.08{sid4bcP6rqx}
Mayor S. Regulatory authorities review use of galantamine in mild cognitive impairment. BMJ, 330 (7486): 276,
2005
#198.09{sidjs0EruNU}
Münch G et al. Demenz-Therapie – erste Erfolge mit α-Liponsäure. Geriatrie Journal, 10: 21–23, 2000
#198.10{sidSqKc20cq}
Münch G et al. Alzheimer’s disease – synergistic effects of glucose deficit, oxidative stress and advanced glycation
endproducts. J Neural Transm, 105: 439–461, 1998
#198.11{sidiDxVo5pE}
Pan X, Chen Z, Fei G et al. Long-Term Cognitive Improvement After Benfotiamine Administration in Patients with
Alzheimer‘s Disease. Neurosci Bull, 32 (6): 591–596, 2016
#198.12{sidrE6tUklE}
Richter Y, Herzog Y, Lifshitz Y et al. The effect of soybean-derived phosphatidylserine on cognitive performance in
elderly with subjective memory complaints: a pilot study. Clin Interv Aging, 8: 557–563, 2013
#198.13{sidoB0aJbYE}
Riggs KM et al. Relations of vit​amin B12, vit​amin B6, folate, and homocysteine to cognitive performance in the
Normative Aging Study. Am J Clin Nutr, 63: 306–314, 1996
#198.14{siditYTK17m}
Salinthone S et al. Lipoic acid: a novel therapeutic approach for multiple sclerosis and other chronic inflammatory
diseases of the CNS. Endocr Metab Immune Disord Drug Targets, 8: 132–142, 2008
#198.15{sidtSmSGNtW}
Scott TM et al. Homocysteine and B vit​amins relate to brain volume and white-matter changes in geriatric patients
with psychiatric disorders. Am J Geriatr Psychiatry, 12: 631–638, 2004
#198.16{sidyAINlkPy}
Seshadri S et al. Plasma homocysteine as a risk factor for dementia and Alzheimer’s disease. N Engl J Med, 346:
476–483, 2002
#198.17{sidQDvJ2adv}
Shinto L, Quinn J, Montine T, et al., A randomized placebo-controlled pilot trial of omega-3 fatty acids and alpha
lipoic acid in Alzheimer‘s disease. J Alzheimers Dis, 2014; 38(1):111–120.
#198.18{sidDZXGWfra}
Smith AD et al. Homocysteine-lowering by B vit​amins slows the rate of accelerated brain atrophy in mild cognitive
impairment: a randomized controlled trial. Plos One, 5 (9): 1–10, 2010
#198.19{sidTVYEQSuk}
Williams JH et al. Minimal hippocampal width relates to plasma homocysteine in community-dwelling older people.
Age Ageing, 31 (6): 440–444, 2002
#198.20{sidOZeqMHfh}
Vogiatzoglou A et al. Vit​amin B12 status and rate of brain volume loss in community–dwelling elderly. Neurology, 71:
826–832, 2008
#198.21{sidGEqVXXdz}
Zhang YP, Miao R, Li Q, et al., Effects of DHA Supplementation on Hippocampal Volume and Cognitive Function in
Older Adults with Mild Cognitive Impairment: A 12-Month Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Trial. J
Alzheimers Dis, 2016; 55(2):497–507. Budge M et al. Plasma total homocysteine and cognitive performance in a
volunteer elderly population. Ann N Y Acad Sci, 903: 407–410, 2000
#199.01{sidQrzhJDrd}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
14 Antidiabetika
#199.02{sidCRqnI2xI}
Das Schicksal des Diabetikers wird maßgeblich von diabetisch bedingten Mikro- und Makroangiopathien
bestimmt. Sie führen zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Lebensqualität und sind Ursache der im
Mittel um 30 Prozent verringerten Lebenserwartung. Spätschäden an den kleinen Gefäßen der Augen, Nieren
oder Nerven sind vor allem bei Typ-1-Diabetes und insbesondere den oftmals multimorbiden Typ-2-Diabetikern
mit einem deutlich erhöhten Risiko zu erblinden, chronisches Nierenversagen zu entwickeln oder an
Neuropathien zu erkranken, assoziiert.
#199.03{sidDN8919NA}
14.1 Diabetes mellitus und Mikronährstoffbedarf
#199.04{sid1HVsAttC}
Oxidativer Stress spielt bei beiden Formen des Diabetes mellitus eine pathogenetische Rolle bei der Entstehung
vaskulärer Komplikationen in Form von Makro- (Arteriosklerose) und Mikroangiopathien (diabetische Retino-,
Nephro-, Neuropathie). Glucose und die im Rahmen der Proteinglykosilierung gebildeten Ketoamine (AGEs) sind
leicht oxidierbar und fördern zusätzlich die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS).
#199.05{sidReUzIBcy}
Mikronährstoffe besitzen in der Prävention und Therapie ernährungsassoziierter Krankheiten wie Diabetes mellitus
ein hohes präventivmedizinisches und therapeutisches Potenzial. Eine Unterversorgung mit Vit​aminen und
Mineralstoffen kann bei diabetischer Stoffwechsellage die Einstellbarkeit beeinträchtigen und das Risiko für
diabetische Folgeerkrankungen steigern. Im Hinblick auf die Stoffwechsellage und den medikationsbedingten
erhöhten Mikronährstoffbedarf muss bei Diabetikern vor allem die diätetische Versorgung mit Vit​amin B1,
Magnesium, Vit​amin B12, Vit​amin D, Vit​amin C, Folsäure, Kalium, Zink und Kupfer als kritisch bewertet werden (□
Tab. 14.1).
#200.01{sidjHr76mC8}
Tab. 14.1 Erhöhter Mikronährstoffbedarf bei Diabetes mellitus
#200.02{sidX8NoWw3g}
Faktoren, die den Bedarf erhöhen
Mikronährstoffe
#200.03{sidzoO4HfYb}
Vit​amin B1
#200.04{sidje96u5Z2}
Magnesium
#200.05{sidFIk3lWjm}
Vit​amin B12
#200.06{sidsXbDmLK5}
Vit​amin C
#200.07{sidZGr4RLO4}
Vit​amin D
#200.08{sidrhqQQm2i}
Folsäure
#200.09{sidayUjqKkH}
Coenzym Q10
#200.10{sidn20Mr0vB}
Kalium
#200.11{sidIZligSXL}
Zink
#200.12{sid5XcWwgp5}
Kupfer
Hyperglykämie, erhöhte renale Verluste, medikationsbedingte Verluste (z. B.
thiazidhaltige Antihypertonika)
Hyperglykämie, erhöhte renale Verluste, medikationsbedingt Verluste (z. B.
thiazidhaltige Antihypertonika), niedrige diätetische Aufnahme
Erhöhte renale Verluste, Resorptionsstörungen alters- und
medikationsbedingt (z. B. Metformin, Protonenpumpenhemmer, thiazidhaltige
Antihypertonika)
Hyperglykämie, oxidative Belastung
Stoffwechselbedingt (z. B. Dyslipoproteinämie, Insulinresistenz),
medikationsbedingt (z. B. Glitazone)
Erhöhte renale Verluste, niedrige diätetische Aufnahme, medikationsbedingte
Verluste (z. B. Diuretika)
Medikationsbedingte mitochondriale Toxizität (z. B. CSE-Hemmer,
Metformin, Glitazone), oxidative Belastung
Niedrige diätetische Aufnahme, erhöhte renale Verluste, Magnesiummangel,
medikationsbedingt (z. B. thiazidhaltige Antihypertonika)
Oxidative Belastung, erhöhte renale Verluste, niedrige diätetische Aufnahme,
medikationsbedingt (z. B. thiazidhaltige Antihypertonika),
Wundheilungsstörungen
Hyperglykämie, erhöhte renale Verluste, medikationsbedingt Verluste (z. B.
thiazidhaltige Antihypertonika), oxidativer Stress
#199.06{sidLF2mHpvH}
B-Vit​amine spielen eine zentrale Rolle im Energie- und Kohlenhydratstoffwechsel. Ihre Aufgaben in unserem Körper
reichen von der Steuerung der Nerven- und Herzfunktion über die Blutbildung und Energiegewinnung in unseren
Körperzellen bis zur Abwehrfunktion und Gesunderhaltung von Haut und Haaren. Da die B-Vit​amine wasserlöslich
sind, gehen sie bei Diabetikern vermehrt infolge der häufig gestörten Nierenfunktion und/oder medikamentös
bedingt über den Urin verloren. Eine aktuelle Studie belegt, dass bei Diabetikern eine um 75 % reduzierte
Konzentration von Vit​amin B1 im Blut vorliegt und die renale Ausscheidung 16- bzw. 24-fach (Typ-2 bzw. Typ-1)
erhöht ist. Die Überladung der Nerven- und Gefäßzellen mit Glucose und/oder Fettsäuren (Substrat-Stress) lässt bei
hyperglykämischer Stoffwechsellage den mitochondrialen Elektronentransport in einem Ausmaß ansteigen, dass der
kritische Grenzwert für das Membranpotenzial überschritten wird und es zu einer massiven Bildung reaktiver
Sauerstoffspezies (ROS) kommt (○Abb. 14.1). Als Folge der mitochondrialen ROS-Bildung werden
diabetesspezifische Signalwege (z. B. Bildung von AGE, Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB) aktiviert, die
wesentlich an der Pathogenese der hyperglykämiebedingten Nerven- und Gefäßschäden beteiligt sind. Das
antineuropathisch und endothelprotektiv wirkende Thiamin-Prodrug Benfotiamin greift kausal-therapeutisch in diese
Stoffwechselprozesse ein und hat sich in verschiedenen klinischen Studien an Diabetikern mit schmerzhaften
peripheren Neuropathien bewährt.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#201{sidC5TYg8NW}
Abb. 14.1 Benfotiamin moduliert hyperglykämiebedingte Stoffwechselstörungen
#200_201{sidwOcWtMpQ}
Magnesiummangel spielt bei der Entstehung von Diabetes mellitus eine wichtige Rolle. Eine erniedrigte
intrazelluläre Magnesiumkonzentration ist eine wesentliche pathophysiologische Ursache für die Insulinresistenz.
Durch Beeinflussung der Tyrosinkinase-Aktivität des Insulinrezeptors und der Signalweiterleitung auf
Postrezeptorebene kann Magnesium beim Diabetiker die Parameter der glykämischen Kontrolle verbessern.
Diabetiker, besonders jene mit nicht optimaler metabolischer Kontrolle, weisen durch die erhöhte osmotische
Diurese zum Teil schwere renale Magnesiumverluste auf, die zu chronischem Magnesiummangel führen. Zahlreiche
Studien zeigen eine erhöhte Insulinresistenz bzw. schlechtere Glucosetoleranz bei Personen mit einem
Magnesiummangel (○Abb. 14.2). Die diabetische Retinopathie ist bei Diabetikern mit niedrigem Magnesium-Status
häufiger und der Schweregrad höher als bei Diabetikern mit gutem Magnesium-Status. Ebenso tritt die diabetische
Polyneuropathie häufiger bei schlechtem Magnesium-Status auf und die Supplementierung von Magnesium zeigt
eine signifikante Verbesserung der Symptome. Der gleiche Zusammenhang zeigt sich für das Auftreten einer
Depression bei Diabetikern. Eine Supplementierung von Magnesium (450 mg/d, p. o.) war bei Diabetikern mit
depressiver Symptomatik gleich wirksam wie das Antidepressivum Imipramin (50 mg/d, p. o.). Bei Typ-1- und Typ-2Diabetikern ist eine regelmäßige Supplementierung von 300–900 mg Magnesium pro Tag (z. B. als
Magnesiumorotat, -citrat oder -aspartat) empfehlenswert. In Einzelfällen kann auch eine höhere Dosierung
erforderlich sein. In diesem Zusammenhang ist Magnesium gut kombinierbar mit den gängigen Antidiabetika
(Metformin, Glitazone, Sulfonylharnstoffe, Glinide, Insulin) und Antihypertensiva.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#202.01{sidGQbkVji7}
Abb. 14.2 Magnesiummangel und Diabetes mellitus
#201_202{sidWGubz1g3}
Studien geben Hinweise darauf, dass ein Vit​amin-D-Mangel als pathogenetischer Faktor für Typ-1-Diabetes und
das metabolische Syndrom gezählt werden muss, da er die Insulinresistenz erhöht und die Insulinsekretion der
Betazellen im Pankreas verringert. Zwischen dem Vit​amin-D-Status und der Diabetes-Prävalenz, der
Glucosekonzentration und der Insulinresistenz besteht zudem eine inverse Relation. Eine Normalisierung des
Vit​amin-D-Status könnte bei Diagnose eines Typ-1-Diabetes dazu beitragen, die noch vorhandenen Betazellen vor
der weiteren Zerstörung zu schützen. Bei Typ-2-Diabetikern zeigen einige Studien, dass die Supplementierung von
Vit​amin D die Glucosetoleranz verbessert und die Insulinresistenz verringert. Erhöhten Spiegeln an Parathormon und
Triglyceriden wirkt Vit​amin D entgegen. Die Einstellbarkeit mit oralen Antidiabetika wird möglicherweise durch die
gezielt Optimierung des Vit​amin-D-Status verbessert.
#202.02{sidGCoA3WzU}
Stoffwechsel- und therapiebedingt kann auch der Bedarf an Vit​amin B12 und Folsäure erhöht sein, insbesondere bei
Typ-2-Diabetikern, die mit Metformin und Protonenpumpenhemmern behandelt werden. Nach den Ergebnissen der
Hoorn-Studie ist eine Hyperhomocysteinämie bzw. Störung im Methylgruppenstoffwechsel bei Typ-2-Diabetikern
gegenüber Nicht-Diabetikern mit einem zweifach erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert. Eine Hyperhomocysteinämie
geht bei Typ-2-Diabetes auch häufig mit einer Mikroalbuminurie einher. Medikationsbedingte Störungen der
Vit​amin-B12-abhängigen Methylierung durch Metformin steigern beim Diabetiker zusätzlich das Risiko für
mikrovaskuläre Angiopathien wie die diabetische Retino- und Nephropathie sowie für Demenz und Hirnatrophie.
#202_203{sidqdo2Fv4x}
Metformin wird vor allem in der Therapie übergewichtiger Typ-2-Diabetiker eingesetzt, da es im Gegensatz zu den
insulinotropen Antidiabetika in der Regel keine Gewichtszunahme und/oder hypoglykämischen Attacken auslöst. In
früheren klinischen Studien wurde beobachtet, dass es unter der Langzeittherapie mit Metformin zu einer Vit​aminB12-Malabsorption und zu einem Abfall der Vit​amin-B12-Serumspiegel um bis zu 30 % kam. Diese Daten werden
durch aktuelle Studien bekräftigt. In einer Fall-Kontroll-Studie wurden 155 Diabetiker, die unter Metformin einen
Vit​amin-B12-Mangel entwickelt hatten (durchschnittliche Vit​amin-B12-Serumspiegel 148,6 ± 40,4 pg/ml; 110 ± 30
pmol/l) mit 310 Kontrollpersonen (466,1 ± 330,4 pg/ml; 344 ± 244 pmol/l) verglichen, die unter der entsprechenden
Medikation keinen Mangel an Vit​amin B12 aufwiesen. Dabei ergab sich nach Angleichung möglicher
Einflussfaktoren eine statistisch signifikante Korrelation zwischen der Dauer und Dosis der Metformintherapie und
einem Mangel an Vit​amin B12. Jede Dosissteigerung um 1 g/d erhöhte das Risiko für einen Vit​amin-B12-Mangel um
mehr als das zweifache (Odds-Ratio 2,88; 95 %-Konfidenzintervall, 2,15–3,87; p < 0,001). Verglichen mit einer
Therapiedauer von weniger als drei Jahren, war die Odds-Ratio bei einer Therapiedauer von drei Jahren und mehr
2,39 (95 %-Konfidenzintervall, 1,46–3,91; p = 0,001). Ähnliche Ergebnisse zeigt eine weitere Studie an 165 Typ-2
Diabetikern, die den Einfluss von Metformin und Rosiglitazon auf den Vit​amin-B12- und Folsäure-Status und der
Homocysteinspiegel erfasste. In dieser Studie kam es unter der 6-wöchigen Therapie mit Metformin zu einem
Anstieg der Homocysteinspiegel um 2,36 µmol/l sowie zu einem Abfall der Folsäure- und Vit​amin-B12-Blutspiegel.
Rosiglitazon hatte dagegen keinen Einfluss auf den Vit​amin-B12- und Folsäure-Status.
#203.01{sidYNtV34R5}
Vit​amin C stellt für den Diabetiker eines der wichtigsten antioxidativ wirksamen und Endothelprotektiven Vit​amine
dar. Im Vergleich zu gesunden Personen weisen Diabetiker signifikant reduzierte Vit​amin C-Spiegel im Plasma (um
über 30 Prozent) und intrazelluläre Vit​amin-C-Konzentrationen auf. Nach den Ergebnissen der EPIC-Norfolk-Studie,
einer multizentrischen Kohorten-Studie an 2 898 Männern und 3 560 Frauen (Alter: 45–74) korreliert der HbA1C-Wert
invers mit Vit​amin-C-Status: Personen mit niedrigem HbA1C-Wert (< 7 %) haben signifikant höhere Vit​amin-CPlasmaspiegel als solche mit einem hohem HbA1C-Wert (≥ 7 %). Eine Erhöhung der Vit​amin-C-Plasmaspiegel um
20 µmol/l reduziert das Risiko einer nicht diagnostizierten Hyperglykämie um nahezu ein Drittel. Bemerkenswert ist,
dass sogar bei gleicher oraler Supplementierung (1 g Vit​amin C/Tag, p. o.) die Vit​amin-C-Plasmaspiegel von
Diabetikern mit und ohne Angiopathie gegenüber Stoffwechselgesunden signifikant erniedrigt sind. Die erhöhte
oxidative Belastung und der beeinträchtigter Vit​amin-C-Metabolismus erfordern bei diabetischer Stoffwechsellage
zum Erreichen präventiv wirksamer Vit​amin-C-Plasmaspiegel eine zusätz​liche regelmäßige Supplementierung (z. B.
1 000 mg Vit​amin C/d, p. o.).
#203.02{sidzrP85lEX}
Fallbeispiel
#203.03{sidkMIwqSaE}
Joseph K., ein 55-jähriger übergewichtiger Typ-2-Diabetiker wird seit Jahren mit dem oralen Antidiabetikum
Metformin behandelt. Wegen erhöhten Blutdrucks nimmt K. zusätzlich eine Diuretika-Kombination aus
Hydrochlorothiazid und Triamteren ein. Während seines letzten Termins bei der Hausärztin berichtet K., dass er
seit einiger Zeit häufiger unter Empfindungsstörungen in den Händen und kribbelnden, teilweise brennenden
Füßen leidet. Seiner Ärztin Frau Dr. med. V. ist das hohe Risiko des Diabetikers für Störungen des Vit​amin-BHaushalts und den damit assoziierten Neuropathien bekannt. Frau Dr. med. V. lässt daher den Thiamin- und
Vit​amin-B12-Status sowie den Homocysteinplasmaspiegel ihres Patienten labordiagnostisch untersuchen.
Tatsächlich zeigen die Laborwerte bei Herrn K. eine Mangelversorgung an Vit​amin B12, Thiamin und eine
Hyperhomocysteinämie (18 µmol/l). Die Hausärztin empfiehlt Herrn K. gegen die Sensibilitätsstörungen eine
sechswöchige Behandlung mit Benfotiamin und zusätzlich die regelmäßige Einnahme eines B-Vit​aminKomplexes mit Folsäure, Vit​amin B6 und Vit​amin B12. Zur Kompensation des Vit​amin-B12-Mangels (→ Labor:
Methylmalonsäure) wird Vit​amin B12 als Hydroxocobalamin intial mehrfach intramuskulär appliziert. Die
Homocysteinwerte von Herrn K. möchte sie in sechs Wochen noch einmal kontrollieren.
#203_204{sidMjp05hG8}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Im Hinblick auf die diabetische Stoffwechsellage kommt dem Spurenelement Zink eine zentrale Rolle zu, da es für
die Synthese, die Speicherung und die Sekretion von Insulin essenziell ist, für die Integrität des Insulinmoleküls
Bedeutung hat und als Cofaktor der Superoxiddismutase und des Metallothioneins antioxidative Wirkungen aufweist.
Infolge der Hyperglykämie und Proteinurie kommt es sowohl bei Typ-1- als auch Typ-2-Diabetes zur erhöhten
renalen Zinkexkretion. In Abhängigkeit der Krankheitsdauer und der nachlassenden Nierenfunktion steigen die
Zinkverluste zunehmend an. Bei inadäquater Zinkaufnahme kann sich daraus schnell eine Mangelsituation
entwickeln. Zink (z. B. 25 mg/d, p. o.) sollte bei erhöhtem Bedarf bzw. Mangelversorgung in Form gut bioverfügbarer
Zinksalze (z. B. Zinkorotat), auch in Kombination mit Chrom und Kupfer, supplementiert werden.
#204.01{sidwnhlcYE0}
14.2 Orale Antidiabetika und Mikronährstoffe
#204.02{sid7JYvPzs4}
14.2.1 Orale Antidiabetika, Insulin und Vit​amin D
#204.03{sidRQPI10oM}
Vit​amin D verbessert metabolische Kontrolle und Insulinsensitivität
#204.04{sidZEd2U3y3}
Mechanismus: Vit​amin D in seiner hormonaktiven Form 1,25(OH)2D unterstützt die Insulinsekretion im Pankreas
#204.05{sidK5dCTL3X}
Folgen: Die Insulinsensitivität und Stoffwechsellage bei Typ-1 und Typ-2-Diabetikern wird durch Vit​amin D
verbessert, der Insulinbedarf gesenkt
#204.06{sidKcfC2gkM}
Hinweis: Bei Typ-1 und Typ-2-Diabetikern sollte grundsätzlich der 25(OH)D-Status (Referenz: 40–60 ng/ml)
kontrolliert und durch adäquate Supplementierung (z. B. 40–60 I. E. pro kg Körpergewicht pro Tag) kompensiert
werden.
#204.07{sidlMZGClsY}
In der Praxis hat sich zum schnellen Ausgleich eines Vit​amin-D-Mangels initial die hoch dosierte Einnahme von
Vit​amin D bewährt. Bei einem Auto, das wegen Ölmangels kurz vor einem Kolbenfresser steht, würde man ja auch
nicht an je 100 Tankstellen Tropfenweise Öl nachfüllen, um das Schlimmste zu vermeiden.
#204.08{sidhOh2EAHv}
Mithilfe einer einfachen Formel, welche das Körpergewicht mit einbezieht, lässt sich die initiale Vit​amin-DDosierung (VDI) einfach berechnen: Vit​amin-D-Initialdosis (VDI) in I. E. = 40 × [Zielwert (nmol/l) – Ausgangs¬wert (nmol/)] × kg Körpergewicht (KG).
#204.09{sidepalDccV}
Beispiel: Zielwert = 150 nmol/l, Ausgangswert = 15 nmol/l, Körpergewicht = 75 kg → Vit​amin-D-Initialdosis = 40 ×
[150–15] × 75 = 405 000 I. E. Vit​amin D.
#204.10{sidHodYumF8}
Die errechnete Vit​amin-D-Initialdosis (VDI) sollte etwa auf 7–10 Tage verteilt werden (Bsp.: VDI = 405 000 I. E. →
10 Tage lang 40 000 I. E. Vit​amin D täglich). Im Anschluss sollten täglich 40–60 I. E. Vit​amin D pro kg KG
eingenommen werden. Eine Erfolgskontrolle der Vit​amin-D-Therapie sollte frühestens nach 6–8 Wochen
labordiagnostisch durch die Messung des 25(OH)D im Serum überprüft werden
#204.11{sidVvK3tkkB}
Studien: In einer aktuellen Studie der Universität Piemont an 141 Typ-1-Diabetikern (Alter: 13.3 ± 4.3 Jahre,
Krankheitsdauer: 5,6 ± 3,9 Jahre) mit Vit​amin D-Insuffizienz [25(OH)D < 75 nmol/l] wurde der Einfluss einer täglichen
Supplementierung von 1 000 I. E. Vit​amin D über einen Zeitraum von 18 Monaten auf die metabolische Kontrolle (z.
B. Insulinsensitivität, HbA1c) untersucht. Dabei führte die Supplementierung von Vit​amin D und Verbesserung des
25(OH)D-Status zu einer signifikanten Abnahme des HbA1c-Wertes (8,1 ± 11 vs 9,0 ± 2,0 %; p< 0,05) sowie zu
einer signifikanten Reduktion des täglichen Insulinbedarfs (0,68 ± 0,22 vs 0,81 ± 0,26 IU/Kg/d; p< 0,05) (○ Abb.
14.3).
#205.01{sid2BRUCFsl}
Abb. 14.3 Vit​amin-D-Status entsprechend dem Status an glykosyliertem Hämoglobin
#204_205{sidTkj6k1Vm}
Ein Vit​amin D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) und eine Vit​amin D-Insuffizienz (21–29 ng/ml) zählen zu den häufigsten
Gesundheitsproblemen unserer Zeit. Nach aktuellen Studien dürfte eine insuffiziente Versorgung mit Vit​amin D nicht
nur die allgemeine und die kardiovaskuläre Mortalität erhöhen, sondern auch ein wichtiger ätiologischer Faktor bei
der Pathogenese zahlreicher chronischer Erkrankungen, wie Diabetes mellitus Typ-1 und Typ-2 sein. Sowohl in-
vitro- als auch In-vivo-Studien belegen, dass Vit​amin D in seiner hormonaktiven Form 1,25(OH)2D in der Lage ist die
Zerstörung der Insulinproduzierenden Beta-Zellen im Pankreas zu verhindern und somit die Prävalenz des Typ-1Diabetes, der durch eine Autoimmunreaktion ausgelöst wird, verringern kann. Dies dürfte überwiegend auf der
Immunmodulierende Wirkung des 1,25(OH)2D auf die Immunantwort der T-Helfer(Th)-Zellen und der Suppression
von proinflammatorischen Zytokinen wie TNFα beruhen. Bekanntlich begünstigt ein niedriger 25(OH)D-Status
Entzündungsprozesse in den β-Zellen des Pankreas und verschlechtert die Insulinsensitivität. Die Ergebnisse einer
aktuelle Metaanalyse [11 Studien mit 1 900 Probanden (Kinder + Erwachsene), 13 Studien mit 3 494 Probanden
(Erwachsene)] aus dem Jahr 2015 zeigen, dass Kinder mit Typ-1-Diabetes im Vergleich zu gesunden Kontrollen
einen um 5.69 ng/ml (≈ 14,2 nmol/l) niedrigeren 25(OH)D-Status aufweisen [95 % CI 2,82–8,55, p< 0,0001]. Der
25(OH)D- und 1,25(OH)2D-Spiegel korrelieren invers mit der Produktion von TNFα. TNFα beeinträchtigt die
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Insulinsekretion und fördert die Insulinresistenz. 1,25(OH)2D scheint die Th2-Immunantwort zu begünstigen und somit
einer Zytokin-induzierten Zerstörung von Inselzellen des Pankreas entgegen zu wirken. Eine Normalisierung des
Vit​amin-D-Status könnte bei Diagnose eines Typ-1-Diabetes dazu beitragen, die noch vorhandenen Betazellen vor
der weiteren Zerstörung zu schützen.
#205.02{sidBGlgunUC}
14.2.2 Metformin und Vit​amin B12
#205.03{sideLLetdCP}
Metformininduzierter Vit​amin-B12-Mangel
#205.04{sidHPSFoMJB}
Mechanismus: Metformin verringert die intestinale Verfügbarkeit der zur Absorption von Vit​amin B12 notwendigen
freien Calciumionen und antagonisiert damit die calciumabhängige Rezeptor vermittelte Endozytose des IntrinsicFaktor-Vit​amin-B12-Komplexes im terminalen Illeum (○Abb. 14.4).
#206.01{siddGwwx4uw}
Abb. 14.4 Störung der Vit​amin-B12-Resorption durch Metformin und Protonenpumpenhemmer (PPI)
#205.05{sid7BkrvVOa}
Folgen: Abfall der Vit​amin-B12-Serumspiegel (Vit​amin-B12-Mangel: Vit​amin B12 (Serum): < 450 ng/l; Holo-TC
(Plasma): < 70 pmol/l; MMS (Serum): > 40 µg/l; MMS (Urin): ≥ 1,60 mg/g Kreatinin), Hyperhomocysteinämie (≥ 10
µmol/l). Auch der Folsäurestatus kann durch Metformin verschlechtert werden. Neuropsychiatrische (z. B.
Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, depressive Verstimmungen, Demenz, Risiko für Hirnatrophie)
und neurologische Störungen (z. B. Neuropathien).
#205.06{sidxb9g0RRj}
Hinweis: Unter der Langzeittherapie mit dem Biguanid Metformin sollte regelmäßig Vit​amin B12 (500–1 000 µg
tgl.) zusammen mit Folsäure und Vit​amin B6 supplementiert werden. Personen ≥ 60 Jahre, die häufig unter einer
atrophischen Gastritis leiden, wird eine Vit​amin-B12-Supplementierung von wenigstens 100 µg tgl. empfohlen. Initial
sollte Vit​amin B12 parenteral appliziert werden (z. B. 1 000 µg, i. m.).
#205_206{sidFH0bPAbd}
Der Beeinträchtigung der calciumabhängigen endozytotischen Resorption von Vit​amin B12 durch Metformin kann
durch die Aufnahme Vit​amin-B12-reicher Lebensmittel oder Supplemente zusammen mit Calcium-Supplementen
oder calciumreichen Lebensmitteln (z. B. Milchprodukte) entgegengewirkt werden. Da Diabetiker stoffwechsel- und
krankheitsbedingt häufig einen suboptimalen B-Vit​amin-Status aufweisen (vor allem Vit​amin B1, B12, B6, Folsäure)
ist allgemein eine Supplementierung eines Multi​vit​amin-Mineralstoff-Präparats mit Antioxidanzien und B-Vit​aminen
sinnvoll, um Mangelzuständen vorzubeugen, die Glucosehomöostase zu optimieren und das Risiko für diabetische
Folgekomplikationen zu verringern (siehe auch S. 83ff.).
#206.02{sidTuuuJXfF}
14.2.3 Metformin und Magnesium
#206.03{sidgXCqifG5}
Metforminassoziierte Störungen im Magnesiumhaushalt
#206.04{sidI5mnizr0}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Mechanismus: Langzeitmedikation mit Metformin ist mit erniedrigten Magnesiumspiegeln im Blutserum und
erhöhter renaler Exkretion von Magnesium assoziiert.
#206.05{siditpNUE5j}
Folgen: Abfall der Magnesium-Serumspiegel (Referenz für Diabetiker: ≤ 0,85 mmol/l), Störungen der
Stoffwechsellage (z. B. Insulinresistenz ↑, Einstellbarkeit ↓), Risiko für Angiopathien.
#206_207{sidG5YEkta5}
Hinweis: Bei Diabetikern ist der Magnesiumstatus häufig defizitär, da sie einerseits weniger von dem Mineralstoff
mit der Nahrung aufnehmen und andererseits der Bedarf deutlich erhöht ist, da Polyurie und Azidose Magnesium
aus dem Körper ausschwemmen. Untersuchungen zeigen zudem, dass häufig verwendete orale Antidiabetika
neben Diuretika den Magnesiumstatus negativ beeinflussen. Die Kombination von Sulfonylharnstoff und Metformin
führte besonders häufig zu niedrigen Serumwerten. Bei verminderten Magnesiumspiegeln im Serum steigt die
Konzentration des C-reaktiven Proteins (CRP) an, insbesondere bei Patienten mit schlechter
Stoffwechseleinstellung. Erhöhte CRP-Werte gelten als wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung von
Gefäßkomplikationen wie Thrombosen und Herzinfarkten. Unter Metformin sollte der Magnesium-Status kontrolliert
und Magnesium (z. B. 4–6 mg Magnesium pro kg Körpergewicht täglich) regelmäßig supplementiert werden.
Aufgrund ihrer Stoffwechsellage haben Diabetiker generell einen erhöhten Magnesium-Bedarf.
#207.01{sidFCKCjnHY}
14.2.4 Glitazone und Knochen​frakturen
#207.02{sidSsXPZRTj}
Glitazoninduzierte Störungen im Knochenstoffwechsel
#207.03{sidvfFbAZSN}
Mechanismus: Thiazolidindione wie Rosiglitazon sind selektive Peroxisomale Proliferator-Activated-Receptor
Agonisten (PPAR-gamma). Eine Therapie mit diesen auch als Insulin-Sentisizer bezeichneten oralen Antidiabetika
ist erheblicher Risikofaktor für Knochenfrakturen; weitere häufige Nebenwirkungen wie Myalgien,
Dyslipoproteinämie, kardiale Ischämie, Kardiomyopathie und Leberfunktionsstörungen sind eng mit der
mitochondrialen Toxizität dieser Arzneimittelgruppe assoziiert (siehe auch S. 83ff.).
#207.04{sidk9XqApzN}
Folgen: Stark erhöhtes Risiko für Knochenfrakturen, insbesondere bei Frauen; Risiko für Störungen des
mitochondrialen Energiestoffwechsels.
#207.05{sidHIyJI5Lj}
Hinweis: Unter der Therapie mit Glitazonen sollte grundsätzlich der Vit​amin-D-Status (Referenz im Serum:
25(OH)D: 30–60 ng/ml) kontrolliert und gezielt kompensiert werden. Generell sollte auch auf eine adäquate
Versorgung mit knochenwirksamen Mikronährstoffen wie Calcium, Vit​amin D, Magnesium, Vit​amin K und Zink
geachtet werden. Studien geben Hinweise darauf, dass ein Vit​amin-D-Mangel als pathogenetischer Faktor für
Diabetes mellitus Typ 2 und das metabolische Syndrom gezählt werden muss, da ein Vit​amin-D-Mangel die
Insulinresistenz erhöht und die Insulinsekretion der Betazellen im Pankreas verringert. Zwischen dem Vit​amin-DStatus und der Diabetes-Prävalenz, der Glucosekonzentration im Blut und der Insulinresistenz besteht eine inverse
Relation. Eine Supplementierung von Vit​amin D kann bei Typ-2-Diabetikern die Glucosetoleranz verbessern,
erhöhte Triglyceride senken sowie die Insulinresistenz und den systolischen Blutdruck verringern. Insbesondere bei
einer Therapie mit Glitazonen sollte aufgrund des erhöhten Osteoporoserisikos auf eine adäquate Versorgung mit
Vit​amin D und Calcium geachtet werden (siehe auch S. 193ff.).
#207.06{sidKhgYfubw}
Studien: Eine Therapie mit Glitazonen ist ein starker Risikofaktor für Frakturen bei Frauen (relatives unadjustiertes
Frakturrisiko: 2,2). Für Männer wurde in den bisherigen Studien kein erhöhtes Frakturrisiko nachgewiesen. Die
Interaktionen mit anderen Frakturrisiken sind unzureichend bekannt. Eine Reversibilität des erhöhten Frakturrisikos
nach Beendigung der Glitazontherapie oder nach Einleitung einer Substitution ist anzunehmen, aber nicht explizit
gezeigt. In einer randomisierten Langzeitstudie (vier bis sechs Jahre) an Patienten mit kürzlich diagnostiziertem Typ2-Diabetes wurde eine erhöhte Inzidenz an Knochenfrakturen nach dem ersten Jahr der Therapie bei Patientinnen,
die Rosiglitazon einnahmen, festgestellt (9,3 %, 2,7 Patienten pro 100 Patientenjahre), verglichen mit Metformin (5,1
%, 1,5 Patienten pro 100 Patientenjahre) oder Glyburid/Glibenclamid (3,5 %, 1,3 Patienten pro 100 Patientenjahre).
Das erhöhte Risiko blieb auch während des weiteren Studienverlaufs bestehen. Die Mehrzahl der Frakturen bei
Frauen, welche Rosiglitazon einnahmen, betraf die Arme, Hände und Füße.
#207.07{sidE7LDjyQZ}
14.2.5 Orale Antidiabetika und Chrom
#207.08{sid59pfsdmr}
Chrom (III) kann die blutzuckersenkende Wirkung von oralen Antidiabetika steigern
#207.09{sidLiczczAh}
Mechanismus: Chrom kann über das chromabhängige Oligopeptid Chromodulin die zelluläre Insulinwirkung
steigern.
#207_208{sid9sPkMC5B}
Folgen: In Einzelfällen: Abfall der Blutzuckerspiegel aufgrund der verbesserten Glucoseverwertung (additive
blutzuckersenkende Wirkung).
#208.01{sidb4YA2L4S}
Hinweis: Die Einnahme von Chrom(III)-Supplementen kann die blutzuckersenkende Wirkung von Insulin oder oralen
Antidiabetika verstärken. Der Blutzucker sollte zur Vermeidung von Unterzuckerungserscheinungen engmaschig
kontrolliert werden.
#208.02{sidgovJoKch}
Das Spurenelement Chrom hat bei diabetischer Stoffwechsellage eine besondere Bedeutung, da es direkt an der
Übermittlung der zellulären Insulinwirkung beteiligt ist. Insulin übt seine Wirkungen durch Wechselwirkung mit seinem
membranständigen Insulinrezeptor aus, der in die Familie der Tyrosinkinase-Rezeptoren gehört. Dieser Effekt wird
auf molekularer Ebene durch das chrombindende Oligopeptid Chromodulin, das auch als low molecular weight
chromium binding substance (LMWCr) bezeichnet wird, vermittelt. Dabei bildet Chrom zusammen mit apoChromodulin die biologisch aktive Form holo-Chromodulin, das an der zytosolischen Seite an den Insulinrezeptor
bindet und hierüber die tyrosinkinasevermittelte Transduktion des Insulinsignals ins Zellinnere ermöglicht
(○Abb. 14.5). Bei Diabetikern wurden erniedrigte Chromgehalte im Blut und eine erhöhte renale Chromexkretion
beobachtet. In Studien an Typ-2-Diabetikern konnte Chrom (200–1 000 µg/d, p. o.) die Glucosetoleranz, den
Nüchternblutzucker und die HbA1cWerte verbessern. Bei Patienten mit „Steroid-Diabetes“ verbesserte Chrom die
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Nüchternblutzuckerspiegel und verringerte den Bedarf oralen Antidiabetika.
#208.03{sidQ2jjoTHv}
Abb. 14.5 Aktivierung der Insulinrezeptor-Aktivität durch Chromodulin. Nach Vincent 2000
#209.01{sidii4cYoDG}
14.2.6 Orale Antidiabetika und α-Liponsäure
#209.02{sidSMxzNO98}
Verstärkung der blutzuckersenkenden ​Wirkung möglich
#209.03{sidw1RBeor5}
Mechanismus: α-Liponsäure stimuliert als Coenzym der Pyruvat-Dehydrogenase (PDH) und α-KetoglutaratDehydrogenase (KDGH) die Glucoseutilisation.
#209.04{sidb9NDohwf}
Folgen: In Einzelfällen (insbesondere bei α-Liponsäure-Infusionen) Abfall der Blutzuckerspiegel aufgrund der
verbesserten Glucoseverwertung (additive blutzuckersenkende Wirkung).
#209.05{sidLARKNzbY}
Hinweis: Die Einnahme von α-Liponsäure (z. B. 2 × 600 mg/d, p. o. bei diabetischer Polyneuropathie) hat bei
Diabetikern einen günstigen Einfluss auf die oxidative Stoffwechsellage und kann möglicherweise die
blutzuckersenkende Wirkung von Insulin oder oralen Antidiabetika verstärken. Der Blutzucker sollte daher
insbesondere im Anfangsstadium zur Vermeidung von Hypoglykämien engmaschig kontrolliert werden.
#209.06{sidMXww52Hm}
14.2.7 Sulfonylharnstoffe und ​Coenzym Q10
#209.07{sidaLgrVEBV}
Sulfonylharnstoffe können Coenzym-Q10-Status stören
#209.08{sideA1PYuxV}
Mechanismus: Sulfonylharnstoffe (z. B. Glibenclamid) können die Aktivität Coenzym-Q10-abhängiger
mitochondrialer Enzymkomplexe der Atmungskette (z. B. Succinat: Coenzym-Q10-Oxidoreduktase) hemmen.
#209.09{sidFTzxWugi}
Folgen: Risiko für Störungen des mitochondrialen Energiestoffwechsels (z. B. Herzmuskel, Pankreas) und der
antioxidativen Kapazität der Insulin produzierenden B-Zellen; Hypothese: möglicherweise Beeinträchtigung der
Insulinsekretion und erhöhte kardiale Nebenwirkungsrate bei wiederholtem Sauerstoffmangel des Myokards (→
ischämische Präkonditionierung).
#209.10{sidKAcbUGRd}
Hinweis: Oxidativer Stress ist am Untergang der Insulin sezernierenden B-Zellen und den hyperglykämiebedingten
Spätfolgen beim Typ-1- und Typ-2-Diabetiker maßgeblich beteiligt. Daraus ergibt sich für den Diabetiker ein
Mehrbedarf an antioxidativ wirksamen Mikronährstoffen wie Coenzym Q10 und Vit​amin C. Generell ist aufgrund der
mitochondrialen Toxizität und der damit verbundenen Nebenwirkungen verschiedener Arzneimittel wie Metformin,
Glitazonen, Sulfonylharnstoffen oder Statinen auf eine adäquate Versorgung des Diabetikers mit mitotropen
Mikronährstoffen zu achten.
#209.11{sidE0h0F80l}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Sulfonylharnstoffe können nicht nur die K+-Kanäle der B-Zellen des Pankreas blockieren, sondern auch die anderer
Zellen, so z. B. diejenigen des Myokards. Dadurch wird ein wichtiger Schutzmechanismus des Herzmuskels, die
sogenannte ischämische Präkonditionierung, beeinträchtigt. Die ischämische Präkonditionierung schützt das Herz
bei einer Ischämieperiode (z. B. Angina-pectoris-Anfall) vor einem späteren Infarkt. ATP-abhängige K+-Kanäle sind
wesentlich an diesem kardialen Schutzmechanismus beteiligt. Eine aktuelle Studie an Typ-2-Diabetikern, in der die
Sulfonylharnstofftherapie mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert war, diskutiert als eine wesentliche
Ursache für die erhöhte Mortalität die durch Sulfonylharnstoffe induzierte Blockade der ischämischen
Präkonditionierung.
#209.12{sidNKfqbsfx}
Hypothese: Coenzym Q10 kann Störungen der oxidativen Phosphorylierung und einer intrazellulären ATP-Depletion
(→ Modulierung ATP-sensitiver K+-Kanäle) vorbeugen und die kardiale Bioenergetik verbessern. Möglicherweise
hat eine gute Coenzym-Q10-Versorgung auch einen günstigen Einfluss auf die ischämische Präkonditionierung und
verringert bei Typ-2-Diabetikern das erhöhte kadiovaskuläre Risiko unter einer Sulfonylharnstofftherapie.
#210.01{sidxUr5dYHo}
Patientin mit diabetischer Polyneuropathie
#210.02{sidHcgG6xxg}
Fallbeispiel
#210.03{sidtnkmwRPW}
Johanna S. ist eine 61 Jahre alte Typ-2-Diabetikerin (HbA1C: 7,4; BMI 24,6), die seit zwei Jahren aufgrund des
Typ-2-Diabetes und assoziierter Komorbiditäten u. a. mit den folgenden Medikamenten behandelt wird:
Metformin, Pantoprazol, Atorvastatin, Amlodipin, Valsartan/HCT 160/25 mg und Allopurinol. Seit etwa vier
Wochen klagt die Patientin zunehmend über körperliche Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen,
depressive Verstimmungen, Empfindungsstörungen in den Fingern, Taubheitsgefühle in den Füßen, rechts
stärker als links, teilweise auch Schmerzen.
#210.04{sidiAPBCFs0}
Die Beschwerden der Patientin weisen auf eine diabetische Polyneuropathie hin, die stoffwechselbedingt, aber
auch medikationsbedingt sein kann. Die jahrelange Medikation mit Metformin und Pantoprazol ist mit einer
starken Beeinträchtigung der Vit​amin B12-Resorption assoziiert. Die Einnahme von 25 mg Hydrochlorothiazid
führt zu renalen Verlusten wasserlöslicher Mikronährstoffe, vor allem von Magnesium, Kalium und Vit​amin B1.
Statine führen zu einem dosisabhängigen Abfall des Coenzym-Q10-Status, was zu Antriebsschwäche und
körperlicher Abgeschlagenheit führen kann. Eine unzureichende Versorgung mit Vit​amin B12, Folsäure,
Vit​amin B1 und Magnesium begünstigt das Auftreten von Polyneuropathien und depressiven Episoden bei
Diabetikern.
#210.05{sidUc1YZf6K}
Die labormedizinische Kontrolle ergibt neben einem Mangel an Vit​amin D, Magnesium und Coenzym Q10,
einen erhöhten Homocysteinplasmaspiegel 17,4 µmol/l (Referenz: 5–9 µmol/l) sowie erniedrigte HoloTranscobalaminwerte 36 pmol/l (→ Referenz: > 70 pmol/l; früher Marker für Mangel an metabolisch
verfügbarem Vit​amin B12).
#210.06{sidycIl0MnJ}
Parenterale Therapie
#210.07{sidfn4H7g5Z}
Tab. 14.2 Mischinfusion bei Diabetes mellitus, zweimal pro Woche, zwei Wochen lang
#210.08{sidc1oLp1JS}
Konzentration
Infusionslösung
7,5 g
250 ml 0,9 % NaCl
100 mg + 50 mg
2 der Lösung 1 zuspritzen
1 000 µg
3 der Lösung 1–2 zuspritzen
403,7 mg Mg = 16,6
mmol
4 der Lösung 1–3 zuspritzen
20 mg Zink
5 der Lösung 1–4 zuspritzen
Vit​amin C, B1, B6,
In 250 ml 0,9 % NaCl, Infusionsgeschwindigkeit:
~0,5 g Vit​amin C pro Minute
Mikronährstoff
#210.09{sidpe728URq}
Vit​amin C (1)
#210.10{sidiVOAw0Qu}
Vit​amin B1 und B6 (2)
#210.11{sidyttpA8zp}
Vit​amin B12 (3)
#210.12{sidYNQrbOol}
Magnesium (4)
#210.13{sidDoPc2Z8a}
Zink (5)
#210.14{sidWC523eb4}
Infusionslösung
B12, Mg und Zn
#210.15{sid2XMZCIOM}
Tab. 14.3 Infusion mit Alpha-Liponsäure, zweimal pro Woche, zwei Wochen lang
#210.16{sidaDmj8LBi}
Konzentration
Infusionslösung
600 mg
100 ml 0,9 % NaCl
Mikronährstoff
#210.17{sidfYxzFVSo}
Alpha-Liponsäure
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#211.01{sidwqotxRoH}
Tab. 14.4 Intramuskuläres Depot mit Vit​amin B12 und Folsäure
#211.02{sidn7w9nFak}
Konzentration
Häufigkeit
1 000 µg Hydroxocobalamin
Einmal pro Woche, zwei Wochen
lang
15 mg Folsäure + 100 µg
Cyanocobalamin
Einmal
Mikronährstoff
#211.03{sidk5peZYee}
Vit​amin B12
#211.04{sidVaVqszNa}
Folsäure
#211.05{sid5mOOtIjb}
Orale Supplementierung
#211.06{sidh3tIE0KV}
Zusätzlich supplementiert die Patientin täglich 100 mg Coenzym Q10 als Ubiquinol und 400 mg Magnesium sowie
das analgetisch und neuroprotektiv wirkende Benfotiamin nach folgendem Dosierungsschema:
#211.07{sid1GKcXX0l}
zwei Wochen lang 2 × 300 mg Benfotamin pro Tag,
#211.08{sido4V9r9rb}
danach vier Wochen lang 300 mg Benfotamin pro Tag.
#211.09{sidKpL8R0u4}
Vit​amin-D-Dosierungsschema:
#211.10{sidsRKHFbs9}
200 000 I. E.
Vit​amin D, p. o. (einmalige Dosis),
20 000 I. E.
Vit​amin D pro Tag, p. o.,
20 000 I. E.
Vit​amin D jeden 2. Tag, p. o.,
4 000 I. E.
Vit​amin D pro Tag, p. o.
Initial:
#211.11{sidSPpmPFns}
Woche:
#211.12{sidpHLl7l5Q}
2. Woche:
#211.13{sidDpTGfnju}
3.–5. Woche:
#211.14{sidGuIde4Yb}
Ergebnis: Die Patientin berichtet bereits nach 14 Tagen über einen deutlichen Rückgang der Nervenstörungen.
Nach subjektiver Einschätzung fühlt sie sich vor allem in Bezug auf den Antrieb und die mentale Verfassung besser.
Auch die Kontrolle der Laborwerte zeigt nach fünf Wochen eine Verbesserung ihres Mikronährstoff-Status:
Homocystein im Plasma: 9,8 µmol/l, Holo-Transcobalamin: 146 pmol/l, 25(OH)D: 9,6 → 48 ng/ml.
#211.15{sidxPH3VoB5}
Anmerkung: Neben Antioxidanzien sollten Diabetiker insbesondere auf eine gute Versorgung mit Magnesium, BVit​aminen, Vit​amin D, Zink und Chrom achten, um krankheitsbedingten Mangelzuständen vorzubeugen, den
Glucosestoffwechsel zu optimieren und diabetischen Folgekomplikationen vorzubeugen.
#211.16{sidJYWIAbN9}
Literatur
#211.17{sidV8aPGRTh}
Barragan-Rodriguez L et al. Depressive symptoms and hypomagnesemia in older diabetic subjects. Arch Med Res,
38 (7): 752–756, 2007
#211.18{sidJNZBGVMT}
Barragan-Rodriguez L et al. Efficacy and safety of oral magnesium supplementation in the treatment of depression in
elderly type 2 diabetes: a randomized, equivalent trial. Magnes Res, 24 (4): 218–223, 2008
#211.19{sidGTcK3VJl}
Bauman WA et al. Increased intake of calcium reverses vit​amin B12 malabsorption induced by metformin. Diabetes
Care, 2(9): 1227–1231, 2000
#211.20{sidbHfaq8qO}
Bell DS. Metformin-induced vit​amin B12 deficiency presenting as a peripheral neuropathy. South Med J, 103 (3):
265–267, 2010
#211.21{sidMhP9NTbU}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Bruckner I et al. Diabetic neuropathy-choices of treatment. Rom J Intern Med, 4(1–4): 53–60, 2002
#211.22{sidszxjSo6M}
Calvo Romero JM, Ramiro Lozano JM. Vit​amin B(12) in type 2 diabetic patients treated with metformin. Endocrinol
Nutr, 2012; 59 (8): 487–490
#211.23{sid0aO3Bmy3}
Carlsen SM et al. Metformin increases total serum homocysteine levels in non-diabetic male patients with coronary
heart disease. Scand J Clin Lab Invest, 57: 521–527, 1997
#211.24{sidACLIL6Da}
Chiu KC et al. Hypovit​aminosis D is associated with insulin resistance and beta cell dysfunction. Am J Clin Nutr, 79:
820–825, 2004
#211.25{sidsnmkHkSv}
Cho EH et al. Homocystein as a risk factor for development of microalbuminuria in type 2 diabetes. Korean
Diabetes J, 34 (3): 200–206, 2010
#211.26{sidItyXcAY1}
Classen HG, Gröber U et al. Zinc deficiency. Symptoms, causes, diagnosis and therapy. Med Monatsschr Pharm, 34
(3): 87–95, 2011
#211.27{sidgGFLthFF}
De Jager J et al. Long term treatment with Metformin in patients with type 2 diabetes and risk of vit​amin B12
deficiency: randomized placebo controlled trial. BMJ, 340: c2181, 2010
#212.01{sidPmPAgjOc}
Dominguez LJ et al. Age, homocysteine, and oxidative stress: relation to hypertendion and type 2 diabetes mellitus.
J Am Coll Nutr, 29 (1): 1–6, 2010
#212.02{sidbXAe5ptR}
Dosa MD et al. Influence of therapy with Metformin on the concentration of certain divalent cations in patients with
non-inuslin-dependent diabetes mellitus. Biol Trace Elem Res (Epub ahead of print), 2010
#212.03{sidn7wkAXcs}
El Oudi M et al. Effect of lipopenic and hypotensive treatment on homocysteine levels in type 2 diabetics. Vasc
Health Risk Manag, 6: 327–332, 2010
#212.04{siddmdO5Dtj}
Feng R, Li Y, Li G, et al. Lower serum 25 (OH) D concentrations in type 1 diabetes: A meta-analysis. Diabetes Res
Clin Pract, 2015; 108: e71–75.
#212.05{sidPr586uaA}
Garratt KN et al. Sulfonylurea drugs increase early mortality in patients with diabetes mellitus after direct angioplasty
for acute myocardial infarction. J Am Coll Cardiol, 33 (1): 119–124, 1999
#212.06{sidfnzT7Ndp}
Goldstein M et al. Hyperhomocysteinemia in patients with diabetes mellitus with and without diabetic retinopathy.
Eye, 18 (5): 460–465, 2004
#212.07{sidmXdlupny}
Gröber U. Vit​amin D – an old vit​amin in a new perspective. Med Monatsschr Pharm, 33 (10): 376–383, 2010
#212.08{sidG2ajpM7K}
Gröber U. Benfotiamin und Diabetes. Dtsch Apoth Ztg, 145 (37): 123–125, 2005
#212.09{sidulrQZIHC}
Gröber U. Diabetes mellitus – Metabolic Tuning mit Benfotiamin. Dtsch Apoth Ztg, 148 (4): 125–128, 2008
#212.10{sidZXFtxAbg}
Gröber U, Kisters K, Diabetes und Vit​amin D. Supplementierung verringert das Erkrankungsrisiko. Dtsch Apoth Ztg,
152 (31): 351–354, 2012
#212.11{sidDqI6TdRr}
Gröber U, Kisters K, Schmidt J, Micronutrients in diabetology: complementary medicine update 2014. Med
Monatschr Pharm, 37 (8): 284–292, 2014
#212.12{sidtuwuWuyo}
Gröber U, Schmidt J. Vit​amin B12 fürs Gehirn. Die Folgen eines Vit​amin-B12-Mangels werden unterschätzt.
Deutsche Apotheker Zeitung, 2012; 152 (8): 70–77
#212.13{sidNo5odu8g}
Gröber U, Schmidt J, Kisters K. Magnesium in Prevention and Therapy. Nutrients, 7 (9): 8199–8226, 2015
#212.14{sidKTxiCdca}
Guerro-Romero F et al. Hypomagnesaemia and risk for metabolic glucose disorders: a 10-year follow-up study. Eur
J Clin Invest, 38 (6): 389–396, 2008
#212.15{sid9PjQj5PW}
Guerro-Romero F et al. Oral magnesium supplementation improves insulin sensitivity in non-diabetic subjects with
insulin resistance. A double-blind placebo-controlled randomized trial. Diabetes Metab, 30 (3): 253–258, 2004
#212.16{sidsmyLHWum}
Guerrero-Romero F, Rodríguez-Morán M. Hypomagnesemia, oxidative stress, inflammation, and metabolic
syndrome. Diabetes Metab Res Rev, 22: 471–476, 2006
#212.17{sidJRvBwG29}
Henriksen EJ. Exercise training and the antioxidant alpha-lipoic acid in the treatment of insulin resistance and type 2
diabetes. Free Radic Biol Med, 40 (1); 3–12, 2006
#212.18{sidTh5R7zRy}
Holick, MF, Nutrition: D-iabetes and D-eath D-efying vit​amin D. Nat Rev Endocrinol, 2012; 8(7): 388–390. Anderson
RA et al. Elevated intakes of supplemental chromium improve glucose and insulin variables in individuals with type
2 diabetes. Diabetes, 46 (11): 1786–1791, 1997
#212.19{sidXlFXM8bu}
Hoogeveen EK et al. Hyperhomocysteinemia increases risk of death, especially in type 2 diabetes: 5-year follow-up
of the Hoorn Study. Circulation, 101 (13): 1506–1511, 2000
#212.20{sidydQIeJqm}
Ito H et al. Coenzyme Q10 attenuates cyanide-activation of the ATP-sensitive K+ channel current in single cardiac
myocytes of the guinea-pig. Naunyn Schmiedebergs Arch Pharmacol, 344 (1): 133–136, 1991
#212.21{sidlUrsfEIy}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Kilicdag EB et al. Homcoysteine levels in women with polycystic ovary syndrome treated with metformin versus
rosiglitazone: a randomized study. Hum Reprod, 20 (4): 894–899, 2005
#212.22{sidQ9vOoXzt}
Kim DJ, Xun P, Liu K et al. Magnesium intake in relation to systemic inflammation, insulin resistance, and the
incidence of diabetes. Diabetes Care, 33: 2604–2610, 2010
#212.23{sid57E1USEb}
Kishi T et al. Bioenergetics in clinical medicine.XI. Studies on coenzyme Q and diabetes mellitus. J Med, 7 (3–4):
307–321, 1976
#212.24{sidEwe3DPEO}
Kisters K, Gröber U. Magnesium Update 2010. Anwendung bei Hypertonie und Diabetes mellitus. Dtsch Apoth Ztg,
150 (25): 46–55, 2010
#212.25{sidGBW5e4iq}
Kuettner A et al., Influence of coenzyme Q10 and cerivastatin on the flow-mediated vasodilation of the brachial artery:
results of the ENDOTACT study. Intern Jnl of Cardiol, 98: 413–419, 2005
#212.26{sid2qjVh2wE}
Larsson SC, Wolk A. Magnesium intake and risk of type 2 diabetes: a meta-analysis. J Intern Med, 262: 208–214,
2007
#213.01{sidB9rKMdKO}
Long AN, Atwell CL, Yoo W, Solomon SS, Vit​amin B(12) deficiency associated with concomitant metformin and
proton pump inhibitor use. Diabetes Care, 35 (12):e84. doi: 10.2337/dc12–0980, 2012
#213.02{sidKFPDxCeK}
Marriage BJ et al., Cofactor treatment improves ATP synthetic capacity in patients with oxidative phosphorylation
disorders. Mol Genet Metab, 81 (4): 263–272, 2004
#213.03{sidQUkNQ5Dl}
Martin M, Gröber U, Ploss O. Komplementäre Verfahren in der Diabetologie. Labordiagnostik, Mikronährstoffe,
Phytotherapie. Hippokrates Verlag, Stuttgart 2007
#213.04{sidWVfbaWDt}
Moore E, Mander A, Watters D. More adverse neurological consequences of metformin-induced vit​amin B12
deficiency. South Med J, 2011, 104 (7): 541–542
#213.05{sidCpvY3tIL}
Palmer BF, Clegg DJ. Electrolyte and acid-base disturbances in patients with diabetes mellitus. N Engl J Med, 373
(6): 548–559, 2015
#213.06{sidNU3w4V1U}
Pei D et al. The influence of chromium chloride-containing milk to glycemic control of patients with type 2 diabetes
mellitus: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Metabolism, 55 (7): 923–927, 2006
#213.07{sidWJc1Zdqz}
Peters KE, Chubb SA, Davis WA, Davis TM. The relationship between hypomagnesemia, metformin therapy and
cardiovascular disease complicating type 2 diabetes: the Fremantle Diabetes Study. PloS One, 8 (9): e74355,
2013
#213.08{sid5omGX9GZ}
Peters KE, Chubb SA, Davis WA et al. The relationship between hypomagnesemia, metformin therapy and
cardiovascular disease complicating type 2 diabetes: the Fremantle Diabetes Study. PLoS One, 8: e74355, 2013
#213.09{sidgHBLSoD9}
Ravina A et al. Reversal of corticosteroid-induced diabetes mellitus with supplemental chromium. Diabet Med, 16:
183–190, 1999
#213.10{sidQrzUVXDD}
Riche DM, Travis King S. Bone loss and fracture risk associated with thiazolidinedione therapy. Pharmacotherapy,
30 (7): 716–727, 2010
#213.11{sid8Rrl8o7Z}
Rodriguez-Moran M et al. Oral magnesium supplementation improves insulin sensitivity and metabolic control in
type-2 diabetic subjects: a randomized double-blind controlled trial. Diabetes Care, 26 (4): 1147–1152, 2003
#213.12{sidZtYI7AaR}
Rude RK. Magnesium deficiency and diabetes mellitus. Causes and effects: Postgraduate Medicine, 92: 217–219,
1992
#213.13{sidJLIhZ6kG}
Sahin M et al. Effects of metformin or rosiglitazone on serum concentrations of homocysteine, folate, and vit​amin
B12 in patients with type 2 diabetes mellitus. J Diabetes Complications, 21 (2): 118–123, 2007
#213.14{sidWnn6jjuW}
Satyanarayana A, Balakrishna N, Pitla S et al. Status of B-vit​amins and homocysteine in diabetic retinopathy:
association with vit​amin-B12 deficiency and hyperhomocysteinemia. PLoS One, 2011; 6 (11): e26747
#213.15{sidBYdzdXVa}
Savastio S, Cadario F, Genonis G, et al., Vit​amin D Deficiency and Glycemic Status in Children and Adolescents
with Type 1 Diabetes Mellitus. PLos One, 2016; 11(9):e0162554.
#213.16{sideHIFByot}
Simpson SH et al. Dose-response relation between sulfonylurea drugs and mortality in type 2 diabetes mellitus: a
population-based cohort study. CMAJ, 174 (2): 169–174, 2006
#213.17{sidcgbRB9qK}
Soinio M et al. Elevated plasma homocysteine level is an independent predictor of coronary heart disease events in
patients with type 2 diabetes mellitus. Ann Intern Med, 140 (2): 94–100, 2004
#213.18{sid9HHEY0Mw}
Thornalley PJ et al. High prevalence of low plasma thiamine concentration in diabetes linked to marker of vascular
disease. Diabetologia, 50 (10): 2164–2170, 2007
#213.19{sidzGXAKFRk}
Timoshin AA et al. Effect of ischemic preconditioning on free radical centers of the isolated rat heart during ischemia
and early reperfusion. Biofizika, 45 (1): 112–118, 2000
#213.20{sidoxs8WMqN}
Ting RZ et al. Risk factors of vit​amin B(12) deficiency in patients receiving metformin. Arch Intern Med, 166
(18):1975–1979, 2006
#213.21{sidUKA1vulp}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tomkin G. Malabsorption of vit​amin B12 in diabetic patients treated with phenformin: a comparison with Metformin.
Br Med J, 3: 673–675, 1973
#213.22{sidCk5bbutI}
Tomkin GH et al. Vit​amin B12 status of patients on long-term Metformin therapy. Br Med J, 2: 685–687, 1971
#213.23{sidhvptKFJl}
Vincent JB. The biochemistry of chromium. J Nutr, 130: 715–730, 2000
#213_214{sid7kmRao9x}
William MD et al. The effect of different doses of vit​amin D3 on markers of vascular health in patients with type 2
diabetes: a randomized controlled trial. Diabetologia, 53 (10): 2112–2119, 2010
#214.01{sid7GMnYtem}
Wohllk N et al. A human succinate-ubiquinone oxidoreductase CII-3 subunit gene ending in a polymorphic
dinucleotide repeat is located within the sulfonylurea receptor (SUR) gene. Mol Genet Metab, 6 (3): 187–190,
1998
#214.02{sids3kvKzkv}
Wulffle MG et al. Effects of short-term treatment with metformin on serum concentrations of homocysteine, folate and
vit​amin B12 in type 2 diabetes mellitus: a randomized, placebo-controlled trial. J Intern Med, 254 (5): 455–463,
2003
#215.01{sid0PzrOv5J}
15 Antiepileptika
#215.02{sid3mUKQWcY}
Antiepileptika gehören zu den Arzneimitteln mit den meisten und am schwersten verlaufenden Nebenwirkungen
(z. B. Hepatotoxizität). Bei einer Monotherapie liegt die Nebenwirkungshäufigkeit bei etwa 20 %, bei ZweifachKombinationen bei 30 % und bei Dreifach-Kombinationen bei 40 %. Bei Kindern liegt die Häufigkeit von
Nebenwirkungen bei 75 %.
#215.03{sid8qULPQ5W}
15.1 Beeinflussung des Vit​amin-D-Haushalts durch Antiepileptika
#215.04{sidRBxD0vRw}
Seit der Entdeckung seiner antirachitischen Wirkung in den 1920er Jahren hat man das Sonnenvit​amin lange Zeit
nur im Hinblick auf seine Funktion im Calcium- und Knochen-stoffwechsel betrachtet. Eine Vielzahl von
Forschungsergebnissen der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass Vit​amin D in seiner hormonaktiven Form 1,25(OH)2-Vit​amin D (1,25(OH)2D, Calcitriol) nicht nur ein Regulator der Calcium- und Phosphathomöostase ist, sondern
zahlreiche extraskelettäre Wirkungen aufweist. Darunter sind von besonderer Bedeutung der Einfluss des Vit​aminD-Hormons auf das Herz-Kreislauf-System, das endokrine System, das Immunsystem sowie auf die
Zelldifferenzierung und das Zellwachstum.
#215.05{sid40IU19iH}
1,25(OH)2D entfaltet seine vielfältigen biologischen Wirkungen (endokrin, autokrin, parakrin) über die Bindung an
Vit​amin-D-Rezeptoren (VDR), die in den meisten Körperzellen vorkommen (○Abb. 15.1). So wurden Vit​amin-DRezeptoren in über 35 Zielgeweben gefunden, die nichts mit dem Knochenstoffwechsel zu tun haben. Dazu gehören
Endothelzellen, Inselzellen des Pankreas, hämatopoetische Zellen, Herz- und Skelettmuskelzellen, Monozyten,
Neuronen, Zellen der Plazenta und T-Lymphozyten. 1,25-(OH)2-Vit​amin-D reguliert direkt oder indirekt mehr als 2
000 der 20 488 Gene des Menschen. Da der Vit​amin-D-Rezeptor von zahlreichen Geweben exprimiert wird,
resultiert daraus auch die ausgeprägte pleiotrope Wirkung des Vit​amin-D-Hormons.
#215.06{sidVMOO5mZ6}
15.1.1 Funktionen von Vit​amin D
#215.07{sidggp7sODb}
Physiologische und biochemische Funktionen von Vit​amin D
#215_218{sid2C5EPVp6}
Vit​amin D (Calciferol) ist der Oberbegriff für verschiedene Steroidderivate: Ergocalciferol (Vit​amin D2) und
Cholecalciferol (Vit​amin D3). Im engeren Sinne ist Vit​amin D kein Vit​amin, da es im Körper selbst gebildet werden
kann. Vit​amin D3 (Cholecalciferol) wird im Körper in verschiedenen Schritten in das biologisch aktive
Secosteroidhormon 1α,25-(OH)2-Vit​amin-D (Calcitriol) umgewandelt (○Abb. 15.1, 15.2). Vit​amin D – das
Sonnenvit​amin – wird mithilfe des Sonnenlichts (UV-B: 290–315 nm) in der Haut aus der Vorstufe 7Dehydrocholesterin (7-DHC) über die Zwischenstufe Provit​amin D gebildet. Provit​amin D wird durch Körperwärme
in Vit​amin D3 (Cholecalciferol) umgewandelt. Bei exzessiver Sonnenlicht-Exposition werden Provit​amin D und
Vit​amin D in inaktive Photoprodukte (z. B. Lumisterol) abgebaut, sodass eine übermäßige Bildung des
Sonnen​vit​amins in der Haut verhindert wird. Der erste Hydroxylierungsschritt erfolgt durch die mitochondriale und
mikrosomale 25-Hydroxylase (CYP27A, CYP2R1) in der Leber. Dabei wird Vit​amin D in 25-OH-Vit​amin D
(Calcidiol) umgewandelt. 25-OH-Vit​amin-D ist der überwiegend im Blut zirkulierende Vit​amin-D-Metabolit und das
Barometer zur labormedizinischen Beurteilung des Vit​amin-D-Status (ng/ml oder nmol/l). In der Niere wird 25-OHVit​amin-D in der Position 1α durch das Enzym renale 1α-Hydroxylase (CYP27B1) magnesiumabhängig in die
hormonell aktive Wirkform 1α,25-(OH)2-Vit​amin-D (Calcitriol) hydroxyliert (→ endokrine Wirkung). Neben den Nieren
besitzen die meisten anderen Zell- und Organsysteme eine lokale 1-alpha-Hydroxylase (1-OHase). Diese Zellen
können in Abhängigkeit von der 25(OH)D-Verfügbarkeit und dem Bedarf das biologisch aktive Vit​amin-D-Hormon
mithilfe ihrer lokalen 1-OHase selber bilden (→ autokrine und parakrine Wirkung). 1,25(OH)2D gehört, wie auch die
Sexualhormone (z. B. Estradiol) oder die Corticosteroide (z. B. Cortison) zu den Steroidhormonen.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#216{sidjJUV1dTC}
Abb. 15.1 Synthese und Metabolismus von Vit​amin D
#218.01{sidkKFfcB7B}
Tab. 15.1 Physiologische und biochemische Eigenschaften von Vit​amin D beziehungsweise Vit​amin-D-Hormon
(Calcitriol) im Überblick (Forts.)
#218.02{sidNIIOntqp}
Indikationen
Physiologische und biochemische Eigenschaften
#217.01{sidI5pJOaJu}
Tab. 15.1 Physiologische und biochemische Eigenschaften von Vit​amin D beziehungsweise Vit​amin-D-Hormon
(Calcitriol) im Überblick
#217.02{sidhWFqyBPH}
Physiologische und biochemische Eigenschaften
Indikationen
#217.03{sidWwEOMyzU}
Haut
#217.04{sidQjpc6A9c}
Differenzierung und Reifung der Keratinozyten,
antiproliferative und immunregulative Wirkung auf Th 1- und Th 2-Zellen
Potenziell: Psoriasis, Neurodermitis,
Lupus erythematodes
#217.05{sid8LLM4yoB}
Herz-Kreislauf-System
#217.06{sidBDdNOLqE}
Kardiozyten exprimieren Vit​amin-D-Rezeptoren.
Die Aktivität der Adenylatcyclase in den Kardiozyten ist
abhängig von Calcitriol. Eine verminderte Aktivität ist infolge
einer intrazellulären ​Akkumulation von Calciumionen mit einem
Blutdruckanstieg und einer erhöhten Gefäßreaktvität assoziiert.
Hemmung der Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems.
Potenziell: Herzinsuffizienz, Hypertonie,
Triglyceridämie, Schlaganfallprävention,
Prävention des plötzlichen Herztods,
Therapie mit Statinen
#218.01{sidkKFfcB7B}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 15.1 Physiologische und biochemische Eigenschaften von Vit​amin D beziehungsweise Vit​amin-D-Hormon
(Calcitriol) im Überblick (Forts.)
#218.02{sidNIIOntqp}
Indikationen
Physiologische und biochemische Eigenschaften
Inverse Korrelation des Blutdrucks mit dem Vit​amin-D-Status,
Reduktion des systolischen Blutdrucks.
Wirkt einer linksventrikulären Hypertrophie des Herzens
entgegen.
Triglycerid- und Parathormonsenkende Wirkung
#217.07{sidjV1eHOdn}
Immunsystem
#217.08{sidpzvgiVmZ}
Immunmodulation: antiinflammatorische und
immunstabilisierende Wirkungen:
Vit​amin-D-Rezeptoren werden von Monozyten und Leukozyten
mit der höchsten Phagozytoserate exprimiert,
Verstärkung der Differenzierung von Monozyten zu
Makrophagen, Erhöhung der Phagozytoseaktivität und -rate,
Verstärkung der Aktivtität lysosomaler Enzyme in Makrophagen,
Regulation der Th 1-/Th 2-Zellen: Unterdrückung der Produktion
proinflammatorischer Zytokine (z. B. TNF-α) und Steigerung der
Produktion antiinflammatorischer Zytokine (z. B. TGF-β1, IL-10),
Vit​amin-D-Hormon stimuliert die genetische Expression von
antimikrobiellen Peptiden (z. B. Cathelicidin) in humanen
Monozyten,
Verminderung der Infektanfälligkeit (z. B. Atemwegsinfekte),
Senkung des Risikos für Kolon-, Mamma- und
Prostatakarzinom
Potenziell: Allergien, Asthma bronchiale,
chronisch-entzündliche
Darmerkrankungen, HIV-Infektion,
multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis,
Psoriasis, Tuberkulose
#217.09{sid1zeci2Zg}
Knochenstoffwechsel
#217.10{sidmTzaErOq}
Regulation der Calcium- und Phosphathomöostase:
Steigerung der Calciumresorption in Duodenum und Jenum,
Verringerung der Calciumausscheidung über die Niere,
Aktivierung von Osteoklasten,
Suppression der Nebenschilddrüsenfunktion (→PTH),
Steigerung des Einbaus von Calcium in den Knochen,
Stimulierung der Transkription von Osteocalcin, Osteopontin
Rachitis, Osteomalazie, Osteoporose
#218.03{sidSUhjN4dH}
Muskel- und Nervenzellen
#218.04{sidywaH3pyz}
Regulation der neuromuskulären Funktion,
Zunahme von Muskelmasse und Muskelkraft,
Verbesserung der muskulären Koordination (Sturzprophylaxe)
Muskelschwäche, multiple Sklerose,
Myopathien, Osteoporose, Demenz
#218.05{sidkRUR31zx}
Pankreasfunktion
#218.06{sidDG4PqKQA}
Regulation der Insulinsekretion der Beta-Zellen des Pankreas,
Schutz humaner Pankreasinselzellen vor zytokininduzierter
Apoptose (Herunterregulierung des Fas-Rezeptors),
Verhinderung der Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 1 im
Maus-Modell,
Senkung des Risikos für Diabetes mellitus Typ1 durch Vit​aminD-Supplemente in der frühen Kindheit
Potenziell: Insulinresistenz,
metabolisches Syndrom, Diabetes
mellitus Typ 2
#218.07{sid7hbZsqwg}
Tumorzellen
#218.08{sidp5Qo2m2k}
Vit​amin-D-Rezeptoren finden sich auch in Brustdrüse, Darm und
Prostata (die meisten Krebszellen exprimieren PTHRezeptoren),
Hemmung der Tumorzellproliferation, chemopräventive
Wirkung,
Induktion der Differenzierung und Apoptose von malignen
Zellen,
Downregulation der Telomerase, Metastasierung ↓
Tumorzell-Invasivität ↓, tumorinduzierte Angiogenese ↓
Potenziell: Kolon-, Mamma- und
Prostatakarzinom, Therapie mit
Tamoxifen, Bisphosphonaten und/oder
Aromatasehemmern
#218_219{sidNeroZZv5}
Der Abbau von 25-OH-Vit​amin-D und 1α,25-(OH)2-Vit​amin-D erfolgt über die multifunktionelle 24-Hydroxylase
(CYP24A1). CYP24A1 steuert dabei die Seitenketten-Oxidation und Spaltung von 25-OH-Vit​amin-D und 1α,25(OH)2-Vit​amin-D zu Carbonsäure-Endprodukten (○Abb. 15.11). Eine Hypocalcämie supprimiert infolge erhöhter
Parathormon-Spiegel die 24-Hydroxylase-Aktivität und lässt über die Stimulierung der 1α-Hydroxylase die CalcitriolSerumspiegel ansteigen. Eine Hypercalcämie oder eine Hypomagnesiämie können dagegen die Aktivität der 1αHydroxylase reduzieren und gleichzeitig die Aktivität des Vit​amin-D-abbauenden Enzyms 24-Hydroxylase steigern
(→ Hypovit​aminose D). Hohe Spiegel an 1α,25-(OH)2-Vit​amin-D induzieren die 24-Hydro​xylase (CYP24A1) über
Vit​amin-D-Rezeptoren (VDR) und fördern somit den Abbau des Hormons (○Abb. 15.11). Dieser Prozess kontrolliert
streng das Zirkulationsniveau des 1α,25-(OH)2-Vit​amin-D (Calcitriol) und damit die Calcium- und PhosphatHomöostase im Blut. 1α,25-(OH)2-Vit​amin-D wird nach Hydroxylierung über die 24-Hydroxylase überwiegend als
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
calcitroische Säure ausgeschieden.
#219{sid2WdMxjZ6}
Abb. 15.2 Extrarenale Synthese und extraskelettale Funktionen von Calcitriol. 25(OH)D: 25-Hydroxyvit​amin D; 1-OHase: 25Hydroxyvit​amin-D-1α-Hydroxylase; 1,25(OH)2 D: 1,25-Dihydroxyvit​amin D, VDR: Vit​amin-D-Rezeptor, RXR: RetinsäureRezeptor; TLR: Toll-like-Rezeptor; p21, p27: Inhibitoren cyclinabhängier Kinasen. Nach Holick 2007
#220.01{sidpH6iwZKx}
Das Barometer der Vit​amin-D-Gesundheit: 25-OH-Vit​amin D
#220.02{sidSnZAKUpL}
Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sollte der 25(OH)D-Spiegel im Serum zwischen 30–60 ng/ml
liegen, um langfristig negative Folgen auf die Gesundheit zu vermeiden. Für die humane Physiologie und Prävention
von Erkrankungen gilt derzeit ein 25(OH)D-Status von 40–60 ng/ml bzw. 100–150 nmol/l als optimal. Der optimale
25(OH)D-Spiegel von 40–60 ng/ml wird durch die folgenden drei Tatsachen untermauert:
#220.03{sideCCRCS3a}
Nach aktuellen Forschungsergebnissen ist ein 25(OH)D-Spiegel zwischen 48–52 ng/ml notwendig, um einen
Anstieg des Parathormons aus der Nebenschilddrüse möglichst gering zu halten.
#220.04{sidzFzBSNCm}
Untersuchungen an in Afrika lebenden Naturvölkern (z. B. Masai, Hadzabe) zeigen, dass diese ganzjährlich einen
natürlichen und gesunden 25(OH)D-Status von etwa 46 ng/ml aufweisen.
#220.05{sidi53wkAsA}
Damit eine stillende Mutter den Vit​amin-D-Bedarf ihres Säuglings mit der Muttermilch abdecken kann, muss sie
einen Colecalciferol-Spiegel von über 10 ng/ml im Blut haben. Das ist in der Regel nur dann der Fall, wenn ihr
25(OH)D-Spiegel im Blut bei über 48 ng/ml liegt.
#220.06{sidmPDr68IZ}
Bei 25(OH)D-Spiegeln unter 20 ng/ml liegt ein ausgeprägter Vit​amin-D-Mangel und bei Werten, die kleiner als 30
ng/ml bzw. 75 nmol/l liegt ein mäßiger Vit​amin-D-Mangel vor, der auch als Vit​amin-D-Insuffizienz bezeichnet wird.
Die labordiagnistische Objektivierung des Vit​amin-D-Status (25(OH)D: 40–60 ng/ml) und Kompensation potenzieller
Mikronährstoffdefizite wird empfohlen. Eine Vit​amin-D-Intoxikation ist erst ab Werten von 25(OH)D > 150 ng/ml zu
erwarten. Zur Vermeidung eines Anstiegs des Parathormon (PTH)-Spiegels sind 25(OH)D-Werte von ≥ 40 ng/ml
bzw. 100 nmol/l notwendig. Allerdings konnte in einer kürzlich publizierten Analyse von mehr als 312 962 gepaarten
PTH- und 25(OH)D-Spiegeln kein Schwellenwert des 25(OH)D-abhängigen Parathormon-Status beobachtet
werden, bei dem eine Steigerung des 25(OH)D-Werts den PTH-Anstieg supprimiert, sogar bei 25(OH)D-Spiegeln >
60 ng/ml. Bemerkenswert bei dieser Analyse war der hohe Anteil an Blutproben, die einen Vit​amin-D-Mangel und
sekundärem Hyperparathyreoidismus anzeigten. Das aktive 1,25(OH)2D sollte zur Einschätzung des Vit​amin-D-
Status nicht gemessen werden, da es bei einem Vit​amin-D-Mangel oft aufgrund erhöhter Parathormonspiegel
normal oder sogar kompensatorisch erhöht ist!
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#220.07{sidH24GhQHn}
Wie sollte man Vit​amin D einnehmen?
#220.08{sidNlfnoKkI}
Obwohl Vit​amin D zu den fettlöslichen Vit​aminen gehört, kann der Körper es nur begrenzt speichern. Nach den
Leitlinien der US-amerikanischen Endocrine Society und dem renommierten Vit​amin-D-Forscher Prof. Bruce Hollis
von der Medical University in South Carolina beträgt die Halbwertszeit (HWZ) von Vit​amin D nur 12–24 Stunden, die
von 25(OH)D etwa 2–3 Wochen und die von 1,25(OH)2D etwa 2–3 Stunden. Wegen der kurzen Halbwertszeit
werden hohe Dosierungen von 50 000–100 000 I. E. Vit​amin D rasch abgebaut und sind bereits nach einer Woche
nicht mehr nachweisbar. Die regelmäßige tägliche Dosierung von der Muttersubstanz Vit​amin D führt dagegen zu
einem gleichmäßigen Anstieg der 25(OH)D-Spiegel, die nach etwa 3–4 Monaten ein Gleichgewichtsniveau
erreichen. Demgegenüber resultiert die akute oder hoch dosierte Intervalltherapie mit Vit​amin D in starken
Schwankungen des Vit​amin-D-Status.
#220_221{sidmOg3ajRb}
Nach Forschungsarbeiten von Prof. Hollis kann ein Großteil des Vit​amin D auch über passive Diffusion direkt und
unabhängig vom Vit​amin-D-bindenden Protein (VDBP) in verschiedene Zellen und Gewebe eindringen. Viele
Zellsysteme, wie zum Beispiel das Gehirn, die Brust, der Dickdarm, die Zellen des Immunsystems, das Pankreas,
die Ovarien oder die Haut können so direkt Vit​amin D aufnehmen, welches in den jeweiligen Zielzellen dann über
ihre lokale 25-OHase und 1α-OHase direkt zum 1,25(OH)2D aktiviert wird und seine autokrine Wirkung entfaltet. Der
einzige Weg gleichmäßige und physiologische Konzentrationen an Vit​amin D und 25(OH)D im Blut
aufrechtzuerhalten ist daher die tägliche Einnahme (z. B. 40–60 I. E. Vit​amin D pro kg Körpergewicht pro Tag).
#221.01{sid7DD5vTEQ}
Vit​amin D in der Schwangerschaft und Stillzeit
#221.02{sidKeGKjFYX}
Ein anschauliches Beispiel ist der Vit​amin-D-Gehalt in der Muttermilch. In der Muttermilch ist in der Regel der Gehalt
an Vit​amin D mit 12–60 I. E. pro Liter sehr gering. Aus dem mütterlichen Blut werden 25(OH)D und der 25(OH)DVDBP-Komplex in die Muttermilch nur schlecht aufgenommen. Im Gegensatz dazu wird die Muttersubstanz Vit​amin
D direkt und unabhängig vom Transportprotein VDBP in die Muttermilch aufgenommen. Eine stillende Frau kann
folglich einen guten 25(OH)D-Status im Blut haben, aber der Vit​amin-D-Gehalt in ihrer Muttermilch bleibt gering. Ein
einfaches Rechenbeispiel von Prof. Hollis soll diesen Sachverhalt unterstreichen: Pro 1 000 I. E. Vit​amin D, die von
der stillende Mutter supplementiert (z. B. Tropfen, Kapseln) werden, steigt der Vit​amin-D-Gehalt in ihrer Muttermilch
um etwa 80 I. E. pro Liter an. Dementsprechend muss eine stillende Mutter täglich etwa 6 000 I. E. Vit​amin D
einnehmen, damit ihr Säugling am Tag zwischen 400 bis 500 I. E. Vit​amin D über einen Liter Muttermilch beim
Stillen auf natürliche Art und Weise und noch dazu komplett nebenwirkungsfrei und sicher erhält.
#221.03{sidTbTKJq7W}
Deutschland: D-Mangelland
#221.04{sidqIzwjJxW}
Nördlich des 35. Breitengrads steht im Zeitraum von Oktober bis März die Sonne nicht hoch genug am Himmel, um
unsere Haut mit den notwendigen UV-B-Strahlen von 290–315 nm zu versorgen. Der zu flache Einfallswinkel der
Sonne ist für die zu geringe Intensität der Sonnenstrahlen verantwortlich. Deutschland befindet sich zwischen dem
47–55. Breitengrad, also in der Nordhalbkugel der Erde, auf der Höhe von Kanada. Das erklärt auch, warum so viele
Menschen gerade in den Wintermonaten von einem Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml bzw. 50 nmol/l)
betroffen sind. Auch der UV-Index kann zur Einschätzung der sonnenabhängigen Vit​amin-D-Bildung in der Haut
herangezogen werden. Bei einem UV-Index kleiner 3 ist keine Vit​amin-D-Synthese über die Haut möglich. Die
Vit​amin-D-Zufuhr über die Ernährung spielt nur eine untergeordnete Rolle für die Vit​amin-D-Versorgung. Anhand der
Ergebnisse von aktuellen Studien sind weltweit etwa 1 Milliarde Menschen von einem Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D:
< 20 ng/ml) oder einer Vit​amin-D-Insuffizienz (25(OH)D: 21–29 ng/ml) betroffen.
#221.05{sidCGx9pW4Z}
Gesundheitsrisiko: Vit​amin-D-Mangel
#221_222{sidIrVMGCjR}
Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) und -Insuffizienz (25(OH)D 20–29 ng/ml) sind weltweit ein großes
Gesundheitsproblem und mit dem Risiko für viele chronischen Erkrankungen assoziiert. Dazu gehören
Erkrankungen des Skeletts wie Rachitis, Osteomalazie und Osteoporose sowie Erkrankungen ohne Beteiligung des
Skeletts, einschließlich Autoimmunerkrankungen (z. B. multiple Sklerose, Typ-1-Diabetes), entzündliche
Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn), Infektionen (z. B. Infektionen der oberen Atemwege), Immunschwäche,
kardiovaskuläre Erkrankungen (z. B. koronare Herzerkrankung, Hypertonie, Herzinsuffizienz, plötzlicher Herztod),
Krebserkrankungen (z. B. Darmkrebs, Brustkrebs, Non-Hodgkin-Lymphom) und neurokognitive Erkrankungen (z. B.
Morbus Alzheimer). Laut Metaanalysen sind sowohl niedrige wie auch hohe 25(OH)D-Spiegel mit einem erhöhten
Mortalitätsrisiko assoziiert. UV-Strahlung kann unabhängig von der Vit​amin-D-Produktion viele Vorgänge im
menschlichen Körper beeinflussen. UV-Licht-Exposition durch Sonnenlicht kann für die Vorteile erhöhter 25(OH)DSerumspiegel verantwortlich sein, sodass die 25(OH)D-Konzentration als Maß für die Sonnenlicht-Exposition gelten
kann. Allerdings kann nur sehr schwer oder möglicherweise gar nicht bestimmt werden, welche Vorgänge durch UVLicht allein und welche durch Vit​amin D vermittelt sind. Somit wird umfassend diskutiert, ob überhaupt ein
Zusammenhang zwischen Vit​amin-D-Status und Gesamtmortalität besteht.
#222.01{sidl4cREQgv}
Die Häufigkeit des Vit​amin-D-Mangels in der europäischen Bevölkerung und das damit verbundene gesundheitliche
Gefährdungspotenzial wird durch die Daten der gerade publizierten ODIN-Studie (www.odin-vitd.eu) untermauert. In
dieser Studie wurde der 25(OH)D-Status von 55 844 Europäern ausgewertet. Die Ergebnisse dieser Studie sind
alarmierend und stellen die Handlungskompetenz und das Verantwortungsbewusstsein der nationalen sowie der
europäischen Gesundheitspolitik in Bezug auf die gesundheitliche Bedeutung des Sonnenvit​amins in Frage:
#222.02{sidks8MuPO5}
13 % der Untersuchten hatten einen 25(OH)D-Status < 30 nmol/l bzw. < 12 ng/ml,
#222.03{sidlMalRvDH}
40,4 % der Untersuchten hatten einen 25(OH)D-Status < 50 nmol/l bzw. < 20 ng/ml,
#222.04{sidXOBHVoYF}
80 % der Untersuchten hatten einen 25(OH)D-Status < 75 nmol/l bzw. < 30 ng/ml.
#222.05{sidEK73roNx}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
In den Monaten Oktober bis März war ein Vit​amin-D-Mangel deutlich häufiger nachweisbar als im Zeitraum April bis
November. Bei ethnischen Gruppen mit dunkler Hautfarbe trat ein 25(OH)D-Status < 30 nmol/l sogar bis zu 71-mal
häufiger auf. Legt man als gesunden Normalwert einen 25(OH) D-Status von 40–60 ng/ml fest, so wird nach den
Ergebnissen der ODIN-Studie die Volksgesundheit von Millionen Europäern und Deutschen durch einen Mangel an
Vit​amin D gefährdet.
#222.06{sidXFnO0YNy}
Im Dezember 2013 berichteten Zheng et al. über eine Metaanalyse von 42 randomisierten, kontrollierten Studien, in
denen die Kurzzeit- und Langzeit-Vit​amin-D-Supplementierung hinsichtlich Gesamtmortalität untersucht wurde. Wie
die Studie zeigt, führte eine Kurzzeit-Vit​amin-D-Therapie (weniger als drei Jahre) in 29 Studien zu keiner Reduktion
der Gesamtmortalität. Allerdings ergab die Subanalyse von 13 randomisierten und placebokontrollierten Studien mit
Verlauf über drei oder mehr Jahre, dass die Vit​amin-D-Supplementierung die Gesamtmortalität signifikant um 6 %
verringerte (RR 0,94; 95 % KI = 0,90–0,98; p = 0,001). Die Auswertung der Studien zeigte, dass eine LangzeitVit​amin-D-Supplementierung (z. B. 800 I. E./Tag) die Gesamtmortalität effizient senkt, sofern Vit​amin D mindestens
drei Jahre eingenommen wird.
#222.07{sidNDEAoaLV}
Neben dem Einfluss der Dauer der Vit​amin-D-Supplementierung auf die Reduktion des Mortalitätsrisikos zeigten
Chowdhury et al., dass die Vit​amin-D-Dosis, die Veränderung des 25(OH)D-Serumspiegels und die
Darreichungsform des eingenommenen D-Vit​amins auch einen wesentlichen Einfluss auf das Risiko für Versterben
aufgrund verschiedener Todesursachen haben. Der systematische Überblick mit Metaanalyse enthielt 73
Beobachtungskohorten und 22 randomisierte, kontrollierte Studien mit 849 412 bzw. 30 716 Teilnehmern. Für die
Beobachtungskohorten zeigte sich beim Vergleich von Patienten mit 25(OH)D-Serumlevel im unteren versus oberen
Drittel des Ausgangswerts [25(OH)D ≥ 30 versus < 10 ng/ml] ein gepooltes relatives Risiko von 1,14 für Tod
aufgrund von Krebserkrankung, 1,3 für anderen nicht vaskulär bedingten und nicht Krebs-Tod, 1,35 für Tod aufgrund
von kardiovaskulärer Erkrankung und 1,35 für die Gesamtmortalität. Zusätzliche Analysen mit verschiedenen Cut-offWerten für 25(OH)D-Serumspiegel ergaben eine signifikante inverse Assoziation mit der Gesamtmortalität (p <
0,05). Jedes Absinken des 25(OH)D-Spiegels um 10 ng/ml war mit einem 16 %igen Risikoanstieg für
Gesamtmortalität assoziiert. In den randomisierten, kontrollierten Studien mit Vit​amin D2 (Dosisbereich 208–4 500 I.
E./Tag) oder Vit​amin D3 (Dosisbereich 10–6 000 I. E./Tag) alleine versus Placebo oder keine Behandlung wurde
die Mortalität durch Vit​amin D3 signifikant um 11 % verringert, wohingegen Vit​amin D2 die Mortalität um 4 %
steigerte. Das erhöhte Mortalitätsrisiko unter Vit​amin D2 zeigte sich in Studien mit niedrigeren Interventionsdosen (≤
600 I. E./Tag) und kürzeren durchschnittlichen Interventionsperioden (< 1,5 Jahre).
#222_223{sidTrLz63WC}
Der Zusammenhang zwischen 25-Hydroxy-Vit​amin-D [25(OH)D]-Serumspiegel und Gesamtmortalität wurde in einer
Metaanalyse von Garland et al. erneut untersucht und im Juni 2014 publiziert. Die Metaanalyse schloss insgesamt 32
Studien zwischen Januar 1966 und Januar 2013 mit mehr als 500 000 Teilnehmern ein (Alter etwa 55 Jahre). 25 der
32 Studien zeigten einen signifikanten Zusammenhang zwischen erhöhtem 25(OH)D-Serumspiegel und verringerter
Gesamtmortalität (○ Abb. 15.3). Die Ergebnisse der Metaanalyse bestätigen den inversen Zusammenhang
zwischen 25(OH)D-Spiegel und altersadaptierter Gesamtmortalitätsrate. Personen mit Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D:
0 bis 9 ng/ml; 0–22,5 nmol/l) hatten ein 90 % höheres Risiko (Hazard Ratio 1,9; 95 % KI = 1,6; 2,2; p < 0,001) für
vorzeitiges Versterben als Personen mit normalem 25(OH)D-Status (25(OH)D > 30 ng/ml; > 75 nmol/l).
Entsprechend einer abnehmenden exponentiellen Kurve auf Basis der Daten aller Studien war bei einem 25(OH)DSerumspiegel von 36 ng/ml (90 nmol/l) die geschätzte Hazard Ratio nicht mehr signifikant abweichend von 1,0. Im
Vergleich zu 25-OH-D-Serumspiegel > 30 ng/ml (75 nmol/l) waren Spiegel ≤ 30 ng/ml (75 nmol/l) im Allgemeinen mit
einer signifikant gesteigerten Gesamtmortalität assoziiert. Garland und Kollegen betonten in ihrer Publikation, dass
der von der US-Gesundheitsorganisation IOM (US Institute of Medicine) vorgeschlagene 25-OH-D-Cut-off-Level für
Vit​amin-D-Mangel von 20 ng/ml (50 nmol/l) zu niedrig sei, um den prophylaktischen Gesundheitseffekt des
Sonnenvit​amins hinsichtlich Gesamtmortalität und Risiko für eine Reihe von Erkrankungen (z. B. Krebs,
Autoimmunerkrankung etc.) ausnützen zu können. Der Cut-off-Level für den 25-OH-D-Status sollte deshalb nicht bei
20 ng/ml, sondern bei 30 ng/ml gesetzt werden.
#223{sidxUke4ddp}
Abb. 15.3 25(OH)D und Mortalität
#223_224{sidkTWNVSxO}
Der Hinweis des IOM-Berichts auf eine U-Form der Mortalitätskurve in Abhängigkeit vom 25(OH)D-Blutspiegel ließ
Bedenken aufkommen. So hatte sich nämlich ein verringertes Mortalitätsrisiko mit steigendem 25(OH)D-Blutspiegel
bis zu einem Level von etwa 30 ng/ml gezeigt, darüber hinaus aber wieder ein leichter Anstieg des Risikos. Dies
wies auf ein schmales Fenster hin, in welchem durch Verbesserung des Vit​amin-D-Status das Mortalitätsrisiko
gesenkt werden kann, ein Vorteil, der bei Werten über 30 ng/ml 25(OH)D wieder verloren ging. In zwei neueren
Metaanalysen dagegen war die Verbesserung des 25(OH)D-Serumspiegels auf mindestens 36 ng/ml bzw. 70 nmol/l
auch weiterhin mit einem verringerten Mortalitätsrisiko assoziiert. Die Vit​amin-D-Supplementierung mit täglich 2
000–4 000 I. E. Vit​amin D3 steigerte die 25(OH)D-Serumspiegel über 30 ng/ml. Anzumerken ist hierbei die
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Empfehlung des Institute of Medicine (IOM) hinsichtlich der täglichen tolerablen maximalen Aufnahmedosis von
Vit​amin D für Personen von mindestens neun Jahren von 4 000 I. E. und die Empfehlung der Gesellschaft für
Endokrinologie von 10 000 I. E. Vit​amin D als Maximaldosis für Erwachsene. Wissenschaftler sprechen sich für eine
Supplementierung mit täglich mindestens 1 000 I. E. Vit​amin D zur Verbesserung des Vit​amin-D-Status der USBevölkerung aus, solange noch keine Ergebnisse aus randomisierten Studien vorliegen. Allerdings deuten neueste
Studien darauf hin, dass die tägliche Aufnahme von 1 000 I. E. Vit​amin D, insbesondere während des Winters und
bei übergewichtigen und adipösen Personen, den 25-OH-D-Blutspiegel bei den meisten Erwachsenen nicht über 30
ng/ml (75 nmol/l) anheben wird. Deshalb sollten Erwachsene aller ethnischen Gruppen und > 18 Jahre den
Empfehlungen der Gesellschaft für Endokrinologie zur Prävention von Vit​amin-D-Mangel folgen und eine tägliche
Supplementierung von 1 500–2 000 I. E. durchführen. Dabei besteht kein Unterschied in den Empfehlungen zur
Behandlung oder Prävention eines Vit​amin-D-Mangels von Weißen und Schwarzafrikanern. Beide reagieren
gleichermaßen auf Vit​amin D und haben auch den gleichen Bedarf. Außerdem brauchen adipöse Kinder und
Erwachsene sowie Kinder und Erwachsene, die Medikamente wie Antikonvulsiva, Glucocorticoide oder AIDSMedikamente einnehmen müssen, mindestens zwei- bis dreimal mehr Vit​amin D als andere in der entsprechenden
Altersgruppe, um den Vit​amin-D-Bedarf ihres Körpers zu decken. Als Hauptquelle für Vit​amin D gilt die natürliche
Sonnenlicht-Exposition. Personen mit einer von Natur aus dunklen Hautfarbe besitzen einen natürlichen
Sonnenschutz und haben damit ein höheres Risiko für einen Vit​amin-D-Mangel [25(OH)D < 20 ng/ml]. Sie benötigen
eine mindestens drei- bis fünffach längere Sonnenlicht-Exposition zur Produktion derselben Menge an Vit​amin D,
verglichen mit Personen mit einer weißen Hautfarbe. Aktuelle Studien zeigen, dass in Abhängigkeit vom BMI bei
Übergewichtigen eine tägliche Einnahme von 7 000 I. E. und bei Adipösen von 8 000 I. E. Vit​amin D eingenommen
werden müssen, um einen 25(OH)D-Status von 100 nmol/l zu erreichen. Deshalb empfehlen wir den 25(OH)DSerumspiegel als Bestimmungsmaß. Dieser lässt sich mit einem zuverlässigen Test messen, um so den Vit​amin-DStatus von Personen mit erhöhtem Risiko für Vit​amin-D-Mangel zu untersuchen (z. B. Hispanoamerikaner bzw.
Mexikaner, nicht-hispano-amerikanische dunkelhäutige Menschen).
#224_225{siddSZLFXnU}
Auch eine weitere aktuelle Metaanalyse des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg fand einen
signifikanten inversen Zusammenhang zwischen 25(OH)D-Serumspiegel und Gesamtmortalitätsrisiko. Die
Metaanalyse basierte auf den 25(OH)D-Serumspiegeln von einzelnen Teilnehmern aus sieben
bevölkerungsbasierten Kohorten des Consortium on Health and Ageing (Konsortium Gesundheit und Altern), einem
Netzwerk von Kohorten aus Europa und den USA (CHANCES, www.chancesfp7.eu), zusammen mit dem dritten USamerikanischen National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES III). Im Rahmen der Metaanalyse
wurden acht prospektive Kohortenstudien aus Europa und den USA mit über 26 000 Männern und Frauen
ausgewertet (Alter 50–79 Jahre). Alle einzelnen Studien zeigten gleichermaßen, dass Personen mit den niedrigsten
25(OH)D-Spiegeln ≤ 4 ng/ml (≤ 10 nmol/l) eine signifikant höhere Gesamtmortalität hatten (1,57-fach) als Personen
mit einem 25(OH)D-Status ≥ 36 ng/ml (90 nmol/l) (gepooltes relatives Risiko: 1,57; 95 % KI 1,36–1,81). Außerdem
zeigte eine unabhängige Analyse der Krebsmortalität, dass Krebspatienten mit einem 25(OH)D-Spiegel ≤ 4 ng/ml
(≤ 10 nmol/l) ein 1,7-fach gesteigertes Risiko für Versterben aufgrund der Erkrankung hatten im Vergleich zu
Krebspatienten mit einem 25(OH)D-Spiegel ≥ 36 ng/ml (≥ 90 nmol/l) (relatives Risiko: 1,70; 95 % KI 1,00 bis 2,88).
#225.01{sidwSoV5YHi}
Trotz dieser Ergebnisse empfehlen die Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum Personen mit
niedrigem 25(OH)D-Spiegel nicht die Einnahme von Vit​amin-D-Supplementen. In der original
Presseveröffentlichung zur Studie von Schöttker et al. empfahl das Deutsche Krebsforschungszentrum vorerst, bis
gesicherte Erkenntnisse zur Vit​amin-D-Supplementierung vorliegen, in den Sommermonaten „wohldosiert Sonne zu
tanken, am besten in der Kombination mit Sport und Bewegung im Freien. So kann jeder eine ausreichende
Vit​amin-D-Versorgung sicherstellen und ein Depot für den Winter anlegen.“ Unrealistisch ist die Ansicht, mit
Bewegung im Freien während des Sommers könnte der 25(OH)D-Serumspiegel so deutlich angehoben werden,
dass er über den Winter erhalten bliebe. Typischerweise steigen die 25(OH)D-Serumspiegel bis zum Ende des
Sommers bei weißen Europäern mit einer Sonnenlicht-Exposition von mehr als 300 Stunden pro Monat um etwa
10–20 ng/ml auf einen Bereich um 35 ng/ml. Aufgrund einer Halbwertszeit von 25(OH)D von etwa 2–3 Wochen
sinken die Serumspiegel ab Oktober innerhalb von 1–2 Monaten unter die angestrebten 30 ng/ml, wenn oberhalb
des 34. nördlichen Breitengrads das Sonnenlicht zur Produktion von Vit​amin D in der Haut nicht mehr ausreicht.
Bedauerlicherweise gibt das Deutsche Krebsforschungszentrum keine Empfehlung hinsichtlich der Vit​amin-DSupplementierung von Krebspatienten.
#225.02{sidVgKCN50C}
In der Leitlinie der Gesellschaft für Endokrinologie wird die Supplementierung mit täglich 400–1 000 I. E. Vit​amin D
für Kinder von 0–1 Jahren, 600–1 000 I. E. für das Alter von 1–18 Jahren und 1 500–2 000 I. E. für die Altersgruppe
von 19–70 Jahren sowie für Personen ab 70 Jahren angegeben. Mithilfe dieser Empfehlung lässt sich ein 25(OH)DSerumspiegel von über 30 ng/ml und ein bevorzugter Bereich zwischen 40–60 ng/ml aufrechterhalten. Anmerkung:
Vit​amin D ist nur begrenzt speicherbar: Die Halbwertszeit von Colecalciferol beträgt nur 12–24 h, die von 25(OH)D
etwa 2–3 Wochen und die von 1,25(OH)2D etwa 3 h. Darüber hinaus scheint nach aktuellen Untersuchungen
Colecalciferol auch über passive Diffusion direkt in verschiedene Zellen und Gewebe eindringen zu können. Hier
wird es dann von der lokalen 25-OHase und 1-OHase zum aktiven 1,25(OH)2D aktiviert. Für einen guten Vit​amin-DStatus (25-OH-D: 40–60 ng/ml) muss ein gesunder Mensch in unseren Breiten täglich 40–60 I. E. Vit​amin D pro kg
Körpergewicht einnehmen. Eine 70 kg schwere Person müsste demnach täglich zwischen 2 800–4 200 I. E.
Vit​amin D supplementieren.
#225.03{sidW3cIqw5L}
Knochen- und Muskelstoffwechsel: Fraktur- und Sturzrisiko
#225.04{sid4tWVQXem}
Ein schwerer Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D < 10 ng/ml) führt bei Kindern zu Rachitis und bei Erwachsenen zu einer
Osteomalazie. Klinisch gehört neben einer Mineralisationsstörung eine proximal betonte Myopathie, die sich in
Muskelschwäche und -schmerzen äußern kann, zu den Symptomen eines schweren Vit​amin-D-Mangels. Die
Mineralisationsstörung kann zudem zu Knochenschmerzen und Frakturen führen. Bei älteren Erwachsenen führt ein
Mangel an Vit​amin D zu einem erhöhten Sturz- und Fraktur​risiko.
#225_226{sid513zyjp2}
In der neusten im Juli 2012 im New England Journal of Medicine von Frau Prof. Heike Bischoff-Ferrari publizierten
Metaanalyse wurden die Originaldaten von 30 011 Studienteilnehmern aus elf doppelblinden und randomisierten
Studien gepoolt. Die klassische Intent-to-Treat-Analyse der 30 011 Personen zeigte eine statistisch nicht
signifikante Reduktion der Hüftfrakturen um 10 %. Wenn man jedoch den Effekt in Abhängigkeit von der tatsächlich
eingenommenen Vit​amin-D-Menge untersuchte, dann zeigt sich in der Gruppe mit der höchsten Dosierung (792–2
000 I. E. Vit​amin D pro Tag; im Median: 800 I. E. Vit​amin D pro Tag) eine statistisch signifikante Reduktion der
Hüftfrakturen um 30 %, verglichen mit den Personen der Kontrollgruppe. Bei jenen Personen, die pro Tag weniger
als 792 I. E. Vit​amin D supplementierten war keine statistisch signifikante Reduktion der Hüftfrakturen nachweisbar.
Eine vergleichbare Dosis-Wirkungsabhängigkeit war für alle nichtvertebralen Frakturen nachweisbar (○Abb. 15.4).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#226.01{sidwMLoCnT7}
Abb. 15.4 Risikoreduktion von nichtvertebralen Frakturen in Studien, die in der Therapie​gruppe einen Zielwert von ≥ 30 ng/ml
bzw. 75 nmol/l erreicht haben. Nach Bischoff-Ferrari 2012
#226.02{sidvacc7oId}
Die Subgruppenanalyse zeigte in allen Altersgruppen, bei zu Hause lebenden Senioren und bei Senioren im
Pflegeheim mit der höchsten Vit​amin-D-Dosierung eine signifikante Reduktion der Frakturen. Die Ergebnisse einer
Knochenbiopsie Studie an 675 Patienten geben einen Schwellenwert der 25(OH)D-Spiegel ≥ 75 nmol/l bzw. ≥ 30
ng/ml als Zielwert für einen gesunden Knochenstoffwechsel an, ab dem keine Mineralisationsstörungen mehr
nachweisbar sind.
#226_227{sid4IHDPXQu}
Neben einer positiven Wirkung auf die Knochendichte hat Vit​amin D einen unmittelbaren, stärkenden Effekt auf die
Muskulatur, was neben einer Begünstigung des Calciumeinstroms in die Muskelzelle durch eine rezeptorvermittelte
Stimulation der Muskelproteinsynthese erklärt wird. Möglicherweise ist dieser Zusatzeffekt für die Frakturreduktion
unter Vit​amin-D-Supplementierung entscheidend, da Stürze den primären Risikofaktor für Frakturen darstellen. Dies
untermauern auch Studienergebnisse, wonach es bereits nach 2–3 Monaten der Supplementierung von Vit​amin D
zu einer signifikanten Reduktion des Sturzrisikos kommt, die Muskulatur also sehr schnell auf eine Vit​amin-D-Zufuhr
reagiert, und dass sich die Frakturreduktion bereits nach etwa 6 Monaten bemerkbar macht. In der Reanalyse einer
2009 publizierten Metaanalyse von 8 doppelblinden und randomisierten Studien mit einer hochwertigen
Sturzerfassung, zeigte Vit​amin D über alle Studien hinweg einen Benefit (OR = 0,73; 0,62¸0,87; p = 0,0004). Zudem
konnte die Relevanz der Vit​amin-D-Dosierung auch bezüglich der Sturzreduktion bestätigt werden: in der höheren
Dosis (700–1 000 I. E. Vit​amin D pro Tag) reduzierte Vit​amin D das Sturzrisiko um 34 % (OR = 0,66; 0,53; 0,82; p =
0,0002), während in der niedrigeren Dosierung keine Sturzreduktion auftrat (OR = 1,14; 0,69; 1,87).
#227.01{sidtOxLpAPO}
Hinweis: Die 25(OH)D-Status orientierte Supplementierung von Vit​amin D ist eine wichtige präventivmedizinische
Strategie, um die Knochengesundheit in allen Altersstufen zu fördern sowie das Fraktur und Sturzrisiko bei älteren
Menschen zu vermindern. Die Supplementierung sollte sich im Hinblick auf die ossäre Wirkung und intestinale
Calciumresorption an einem 25(OH)D-Status von ≥ 75 nmol/l bzw. ≥ 30 ng/ml orientieren, dies gilt insbesondere in
der Pharmakotherapie der Osteoporose, bei der unter anderem auch Bisphosphonate eingesetzt werden.
#227.02{sid8uBUV1H7}
Genexpression: Bindeglied zwischen Vit​amin D und Prävention
#227.03{sid9V0RIhqB}
In einer aktuellen randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudie wurde nun erstmals der Einfluss einer
Supplementierung von täglich 400 I. E. oder 2 000 I. E. Vit​amin D für zwei Monate auf die Genexpression der weißen
Blutkörperchen (Leukozyten) bei gesunden Erwachsenen im Winter untersucht. Dabei war die Verbesserung des
25(OH)D-Status mit einer mindestens 1,5-fachen Änderung der Genexpression in 291 Genen assoziiert. Die
Ergebnisse dieser Studie lassen vermuten, dass jegliche Verbesserung des Vit​amin-D-Status signifikant die
Expression von Genen beeinflusst, die eine Vielzahl von biologischen Funktionen haben und in mehr als 160
Stoffwechselwegen verbunden sind mit der Pathogenese von Autoimmunerkrankungen, Krebserkrankungen und
kardiovaskulären Erkrankungen. Diese Studie deckt zum ersten Mal genetische Fingerabdrücke auf, die auf
molekularbiochemischer Ebene einen wichtigen Beitrag liefern, die nicht skelettären Wirkungen des
Sonnenvit​amins auf die Gesundheit zu verstehen.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#227.04{sidlgxsxcYJ}
Herz-Kreislauf-System: Bluthochdruck und Herzinsuffizienz
#227.05{sidq7hSMQoN}
Ein Mangel an Vit​amin D (25(OH)D < 20 ng/ml bzw. 50 nmol/l) steigert signifikant die allgemeine und die
kardiovaskuläre Mortalität. In der Intermountain Heart Collaborative Study, einer prospektiven Studie mit 41 504
Teilnehmern konnte bei 63,6 % ein unzureichende Vit​amin-D-Versorgung (25(OH)D: < 30 ng/ml) nachgewiesen
werden. Ein 25(OH)D-Spiegel von < 15 ng/ml im Vergleich zu einem 25(OH)D-Spiegel > 30 ng/ml war mit einem
hoch signifikanten Anstieg der Prävalenz für Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Dyslipoproteinämie, peripher vaskuläre
Erkrankungen, koronare Herzkrankheit, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz und Schlaganfall assoziiert (p < 0,0001), wie
auch die Inzidenz der allgemeinen Mortalität, Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit/Myokardinfarkt (p < 0,0001),
Schlaganfall (p = 0,003), und deren Kombination (p < 0,0001). Die Ergebnisse einer Metaanalyse, die den Vit​aminD-Status mit dem Risiko für cerebrovaskuläre Ereignisse, einschließlich von > 1 200 Fällen von Schlaganfall
erfasste, ergab, dass ein 25(OH)D-Spiegel von ≤ 12,4 ng/ml gegenüber einem 25(OH)D-Spiegel von > 18,8 ng/ml
mit einem um 52 % erhöhten Risiko für Schlaganfall assoziiert war.
#227_228{sidgDhsTl54}
Ein systematischer Review und eine Metaanalyse kommen zu dem Schluss, dass Vit​amin D den systolischen
Blutdruck nicht signifikant um – 3,6 mm Hg und den diastolischen Blutdruck signifikant um – 3,1 mm Hg bei
Hypertonikern senkt. Keine Veränderung des Blutdrucks konnte bei Normotonikern beobachtet werden. Schwarze
US-Amerikaner leiden signifikant häufiger unter hohem Blutdruck als Weiße. Eine geringere Bildung von Vit​amin D
könnte mitverantwortlich sein für diese unterschiedlichen Blutdruckwerte, da Menschen mit dunklerer Hautfarbe
aufgrund des höheren Melanin-Gehalts generell weniger Vit​amin D in der Haut produzieren und somit niedrigere
Spiegel an 25(OH)D aufweisen. In einer aktuellen 4-armigen, doppelblinden, placebokontrollierten und
randomisierten Studie an 283 Schwarzen (Alter: ± 51) wurde der Einfluss von 1 000 I. E., 2 000 I. E. und 4 000 I. E.
Vit​amin D pro Tag oder Placebo über einen Zeitraum von 3 Monaten auf den Blutdruck untersucht. Der Blutdruck
wurde zu Beginn, nach 3 Monaten und 6 Monaten sowie der 25(OH)D-Spiegel erfasst. Der Unterschied zwischen
dem systolischen Blutdruck zu Studienbeginn und nach drei Monaten in der Placebo-Gruppe betrug + 1,7 mm Hg, in
der Gruppe mit 1 000 I. E. Vit​amin D pro Tag – 0,66 mg Hg, in der Gruppe mit 2 000 I. E. Vit​amin D pro Tag – 3,44
mg Hg und in der Gruppe mit 4 000 I. E. Vit​amin D pro Tag – 4,0 mm Hg (– 1,4 mm Hg für jede zusätzlich
eingenommenen 1 000 I. E. Vit​amin D, p = 0,04). Pro Anstieg des 25(OH)D-Spiegels um 1 ng/ml war eine
signifikante Reduktion des systolischen Blutdrucks um 0,2 mm Hg nachweisbar (p = 0,02). Allerdings konnte keine
signifikante Reduktion des diastolischen Blutdrucks nachgewiesen werden (p = 0,37).
#228{sid56jmovQm}
Abb. 15.5 Vit​amin-D-Mangel, Bluthochdruck und Insulinresistenz
#228_229{sidnfljMrhE}
Die seit langem bekannte Suppression von Parathormon (PTH) durch Vit​amin D muss heute in neuem Licht
betrachtet werden, seitdem in den letzten Jahren PTH zunehmend als ein wichtiger Risikofaktor für kardiovaskuläre
Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Herzinsuffizienz erkannt wurde. PTH kann auf verschiedenen Ebenen direkt
oder indirekt das Herz-Kreislauf-System schädigen. Erhöhte PTH-Spiegel sowie eine Hypercalzämie können die
Entwicklung einer Hypertonie fördern. Darüber hinaus ist ein Hyperparathyreoidismus mit einer gehäuften Inzidenz
der Hyperkontraktilität des Herzmuskels mit konsekutiver linksventrikulärer Hypertrophie sowie mit Calzifizierung des
Myokards assoziiert. Vit​amin D wirkt diesen Prozessen entgegen, indem es u. a. die Synthese der
antiinflammatorischen Zytokine wie Interleukin 10 und anderer Substanzen fördert, die eine Gefäßcalzifizierung
verringern (z. B. Matrix-Gla-Protein). Zusätzlich wirkt Vit​amin D den schädlichen Wirkungen der sogenannten
„Advanced Glycation Endproducts“ (AGEs) auf das Endothel entgegen. In einer aktuellen placebokontrollierten
Doppelblind-Studie an 80 Kleinkindern mit Herzinsuffizienz führte die tägliche Supplementierung von 1 200 I. E.
Vit​amin D über einen Zeitraum von 12 Wochen bei den 42 Kindern aus der Vit​amin-D-Gruppe im Vergleich zu den
38 Kindern aus der Placebogruppe neben einem signifikanten Anstieg des 25(OH)D-Status (13,4 → 32,89 ng/ml) zu
einer signifikanten Verbesserung der Herzmuskelleistung (z. B. LVEFi) und Verringerung verschiedener
kardiovaskulärer Risikoparameter (z. B. PTH-, IL-6,- TNF-α-Spiegels; p < 0,001).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#229.01{sidr07kuFqU}
Hinweis: Nach den bisher vorliegenden Daten aus epidemiologischen und prospektiven Kohorten-Studie sowie
kleineren Interventionsstudien sollte der Vit​amin-D-Status bei kardiovaskulären Erkrankungen wie Hypertonie und
Herzinsuffizienz grundsätzlich labordiagnostisch kontrolliert und entsprechend durch Supplementierung kompensiert
werden. Die Normalisierung des 25(OH)D-Status könnte auch dazu beitragen den therapeutischen Bedarf an
Antihypertonika und Kardiaka (z. B. Diuretika, ACE-Hemmer, Calciumantagonisten) zu verringern.
#229.02{sidYx22U8Wv}
Diabetologie
#229.03{sid9HBTESXa}
Typ-1-Diabetes
#229.04{sidIIIm10aU}
In einer finnischen Kohortenstudie an 12 058 Kindern wurde der Einfluss der Supplementierung von Vit​amin D im
ersten Lebensjahr auf die Diabetesinzidenz über einen Zeitraum von 30 Jahren verfolgt. Dabei zeigte sich, dass
Neugeborene, denen im ersten Lebensjahr täglich 2 000 I. E. Vit​amin D im Rahmen der Rachitis-Prophylaxe
gegeben wurde, im Vergleich zu denjenigen mit geringer dosierten Supplementen ein 78 % niedrigeres Risiko für
Diabetes mellitus Typ 1 hatten. Kinder, bei denen im ersten Lebensjahr Rachitis auftrat, hatten im Vergleich zu nicht
erkrankten Kindern ein 3-fach höheres Risiko für Typ-1-Diabetes. In einer Metaanalyse von vier Fall-Kontroll-Studien
war das Risiko für Typ-1 Diabetes bei Säuglingen, die ein Vit​amin-D-Supplement erhielten im Vergleich zu denen,
die kein Vit​amin D bekamen um 29 % verringert (Odds-Ratio 0,71, 95 % CI 0,60–0,84). Die Bedeutung des
maternalen Vit​amin-D-Status auf die spätere Entstehung von Typ-1-Diabetes beim Neugeborenen beschreibt eine
norwegische Kohorten-Studie an 20 072 Frauen. Dabei war ein niedriger maternaler 25(OH)D-Status (≤ 54 nmol/l
bzw. 21,6 ng/ml) in der Schwangerschaft gegenüber einem guten 25(OH)D-Status (> 89 nmol/l bzw. 35,6 ng/ml) mit
einem mehr als zweifach erhöhten Risiko verbunden, dass der Nachwuchs im späteren Leben Typ-1-Diabetes
entwickelt.
#229.05{sid065uaeU4}
Typ-2-Diabetes und metabolisches Syndrom
#229.06{sidb6TaghhM}
In einer randomisierten, placebokontrollierten Studie mit insulinresistenten südasiatischen Frauen (Alter: 23–68
Jahre), die im Median einen 25(OH)D-Ausgangswert von < 10 ng/ml aufwiesen, führte die tägliche
Supplementierung von 4 000 I. E. Vit​amin D gegenüber Placebo zu einer signifikanten Verbesserung der
Insulinsensitivität und Reduktion der Insulinresistenz (p = 0,003 bzw. p = 0,02). Die Insulinresistenz nahm
insbesondere dann ab, wenn die 25(OH)D-Spiegel über 32 ng/ml (= 80 nmol/l) anstiegen. Optimale Konzentrationen
an 25(OH)D für die Verbesserung der Insulinresistenz lagen zwischen 32–47,6 ng/ml (= 80–119 nmol/l).
#229_230{sidvOo3WHog}
In einer prospektiven Studie wurde die Assoziation des 25(OH)D-Spiegels (ng/ml) und die Inzidenz des
metabolischen Syndroms bei 4 164 australischen Erwachsenen (Alter ± 50 Jahre) erfasst. Dabei wurden von allen
Studienteilnehmern neben dem Taillenumfang auch die klassischen Risikofaktoren des metabolischen Syndroms
erfasst. Nach 5 Jahren Follow-up beobachteten die Wissenschaftler bei den Studienteilnehmern mit einem
25(OH)D-Spiegel < 18 ng/ml und 18–23 ng/ml eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit (Odds-Ratio 1,41 und
1,74; CI 95 %) im Vergleich zu denjenigen mit einem guten Vit​amin-D-Status von > 34 ng/ml am metabolischen
Syndrom zu erkranken. Sie schlussfolgerten daraus, dass bei australischen Erwachsenen ein Vit​amin-D-Mangel
(25(OH)D < 20 ng/ml) sowie eine Vit​amin-D-Insuffizienz (25(OH)D: 21–29 ng/ml) mit einem signifikant erhöhten
Risiko für das metabolische Syndrom (p < 0,01), Insulinresistenz (p < 0,01), hohem Taillenumfang (P < 0,001) sowie
erhöhten Glucose- und Triglyceridspiegeln (p < 0,01) assoziiert ist. Die Ergebnisse einer weiteren prospektiven
Studie liefern zusätzlich aussagekräftige Ergebnisse dafür, dass ein Vit​amin-D-Mangel die Progression eines
Prädiabetes zum manifesten Typ-2-Diabetes beschleunigt. Die Wissenschaftler untersuchten hierbei die
Glucosetoleranz und 25(OH)D-Spiegel von 980 Frauen und 1 398 Männern (Alter: 35–56 Jahre), bei denen vor
Studienbeginn kein Typ-2-Diabetes vorlag. Nach 8–10 Jahren Follow-up wurden die Studienteilnehmer mit
Prädiabetes oder Typ-2-Diabetes mit alters- und geschlechtskorrelierten Kontrollen verglichen, die eine normale
Glucosetoleranz aufwiesen. Nach Bereinigung von potenziellen Störvariablen hatten die männliche
Studienteilnehmer aus der höchsten Quartile gegenüber denjenigen aus der niedrigsten Quartile des 25(OH)DSpiegels ein 48 % verringertes Risiko für die Progression vom Prädiabetes zum Typ-2-Diabetes (OR 0,52, 95 % CI
0,30; 0,90). Bei Frauen und Männern, die zu Studienbeginn einen Prädiabetes aufwiesen, war pro Anstieg des 25OH-Spiegels um 4 ng/ml (= 10 nmol/l) eine bemerkenswerte 25%ige Reduktion der Typ-2-Diabetes-Inzidenz
nachweisbar.
#230_231{sidLOP2HtMw}
Ein Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) scheint nach den aktuellen Daten nicht nur die Progression vom
Prädiabetes zum manifesten Typ-2-Diabetes zu steigern, sondern hat beim metabolischen Syndrom auch einen
Einfluss auf die Mortalität: in der LURIC-Studie an 1 801 Patienten mit metabolischem Syndrom war ein guter
Vit​amin-D-Status (25(OH)D ≥ 30 ng/ml) gegenüber einem schweren Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D < 10 ng/ml) mit
einer Reduktion von 66 % der kardiovaskulären Mortalität und einer Reduktion von 75 % der Gesamtsterblichkeit
verbunden (○Abb. 15.6). Patienten mit einem guten Vit​amin-D-Status (25(OH)D ≥ 30 ng/ml) hatten gegenüber
denjenigen mit einem schweren Vit​amin-D-Mangel ein um 85 % bzw. 76 % reduziertes Mortalitätsrisiko durch
plötzlichen Herztod bzw. Herzinsuffizienz. Selbst wenn Patienten mit Typ-2-Diabetes aus der Analyse heraus
genommen wurden, wiesen diejenigen mit einem optimalen Vit​amin-D-Status im Vergleich zu denen mit einem
schweren Vit​amin-D-Mangel eine um 64 % reduzierte Gesamtmortalität auf.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#230{sidcXQap6Sl}
Abb. 15.6 Gesamtmortalität in Abhängigkeit vom 25(OH)D-Status bei Patienten mit metabolischem Syndrom (LURIC-Studie; p <
0,001)
#231.01{sidMGolz7XV}
In einer soeben publizierten Interventionsstudie an 100 Patienten (Alter: 54, 11 ± 11) mit Typ-2-Diabetes führte die
orale Supplementierung von 50 000 I. E. Vit​amin D pro Woche über einen Zeitraum von acht Wochen neben einem
Anstieg der 25(OH)D-Werte (43,03 ± 19,28 p 60,12 ± 17,2; p = 0,02) zu einer signifikanten Verbesserung des
HOMA-Index (HOMA-IR: 3,57 ± 3,18 p 2,89 ± 3,28; p = 0,008), der Insulinresistenz (Insulin: 10,76 ± 8,9 p 8,6 ± 8,25
µ I. E. ◀/ml; p = 0,02) und der Nüchternglucosespiegel (FPG; mg/dl: 138,48 ± 36,74 p 131,02 ± 390,05; p = 0,05).
#231.02{sidaNemSvZ8}
Hinweis: Patienten mit Diabetes mellitus, Insulinresistenz und metabolischem Syndrom scheinen nach der
aktuellen Datenlage im Hinblick auf die metabolische Kontrolle, den Komorbiditäten und dem erhöhten
Mortalitätsrisiko im besonderen Maße von der labordiagnostisch validierten Supplementierung von Vit​amin D zu
profitieren.
#231.03{sid42IW1gjU}
Autoimmunerkrankungen: Multiple Sklerose
#231.04{sid8YKuyNCl}
In einer prospektiven Studie mit mehr als 7 Mio. Angehörigen des US-Militärs von 1992–2004 wurde der
Zusammenhang des 25(OH)D-Status mit dem Risiko an Multipler Sklerose (MS) zu erkranken erfasst. Bei den
weißen Amerikanern (n = 148, 296 Kontrollen) nahm das Risiko für MS mit steigendem 25(OH)D-Spiegel signifikant
ab (OR für einen 25(OH)D-Anstieg um 20 ng/ml: 0,59, 95 % CI 0,36–0,97). Vergleicht man die Odds-Ratio (OR) für
die Entwicklung von MS in der höchsten Quintile (25(OH)D: 99,1–152 nmol/l) mit der niedrigsten Quintile (25(OH)D:
15,2–63,2 nmol) so zeigt sich ein um 62 % verringertes Erkrankungsrisiko (OR 0,38, 95 % CI: 0,19–0,75; p = 0,006).
Die positiven Effekte des Vit​amin-D-Hormons bei Autoimmunerkrankungen werden vor allem mit seiner
immunmodulierenden Wirkung (z. B. Th1-/Th2-Balance, Zytokine) in Verbindung gebracht (○Abb. 15.7). In kleineren
Interventionsstudien konnte die Supplementierung von Vit​amin D bei MS die Schub-/Rezidivrate und
Entzündungsaktivität verringern sowie die Muskelfunktion und Lebensqualität verbessern. In einer Studie an 49 MSPatienten wurde der Einfluss des Sonnenvit​amins auf die Schubrate und den Behinderungsgrad untersucht. Dabei
erhielt die Vit​amin-D-Gruppe durchschnittlich 14 000 I. E. Vit​amin D und 1 200 mg Calcium pro Tag. Unter Vit​amin D
sank die Schubrate nach einem Jahr um 41 % und der Behinderungsgrad, gemessen mit der Skala EDSS, war
auch leicht zurückgegangen. Aufgrund der kleinen Patientenzahl waren die Ergebnisse jedoch nicht signifikant. In der
Vit​amin-D-Gruppe wurde zudem ein signifikanter Abfall autoreaktiver T-Zellen beobachtet. In einer randomisierten,
placebokontrollierten Doppelblindstudie an 66 MS-Patienten zeigte die Supplementierung von Vit​amin D als Addon-Therapie zu Interferon beta-1b einen günstigen Einfluss auf die Krankheitsaktivität (z. B. T1-Läsionen). Ob
Polymorphismen im VDR bei der Entwicklung der MS und anderer Autoimmunerkrankungen eine Rolle spielen
müssen die Forschungen der nächsten Jahre zeigen. Auch ob der anzustrebende 25(OH)D-Zielwert bei MSPatienten, um einen positiven Effekt auf die Erkrankung zu erreichen, höher liegen sollte (z. B. 60–90 ng/ml), muss
durch Studien belegt werden. Derzeit sollte man sich bei MS und anderen Autoimmunerkrankungen (z. B. M. Crohn)
auch im Hinblick auf die Medikation (z. B. Corticoide) und den PTH-Spiegel an einem 25(OH)D-Status von 40–60
ng/ml orientieren.
#231.05{siduJgudZRR}
Immunsystem
#231_232{sid1rJPfrrJ}
Neben den endokrinen Effekten übt Vit​amin-D-Hormon auch auto- und parakrine Wirkungen aus. Zahlreiche
Körperzellen, darunter auch immunkompetente Zellen wie dendritische Zellen, Makrophagen, B- und T-Lymphozyten,
verfügen über VDR und die enzymatische Ausstattung zur Synthese von Calcitriol aus seinem Präkursor 25(OH)D.
1,25(OH)2D ist ein potenter Modulator der erworbenen Immunität und der Immunbalance zwischen Th1- und Th2Zellen (○Abb. 15.7). Lokal oder systemisch gebildetes Vit​amin-D-Hormon inhibiert u. a. die Reifung der
dendritischen Zellen, reduziert die Th1-vermittelte Sekretion proinflammatorischer Zytokine wie TNF-α, steigert die
Differenzierung von Monozyten zu Makrophagen und deren Phagozytoserate sowie die Aktivität lysosomaler Enzyme
in Makrophagen.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#232.01{sidelcZ1LlM}
Abb. 15.7 Effekte des Vit​amin-D-Hormons auf humorale und zelluläre Faktoren im Rahmen des angeborenen und erworbenen
#232.02{sidAlWHHook}
Atemwegserkrankungen
#232_233{sidtvM1UhTR}
Eine Reihe von Beobachtungs- und epidemiologischen Studien, unterstützt von Interventionsstudien und dem
ubiquitären Nachweis des Vit​amin-D-Rezeptors in allen wichtigen Organsystemen, zeigen eine Assoziation
zwischen dem 25(OH)D-Spiegel und einer verminderten Inzidenz von Infektionen der oberen Atemwege. In einer USamerikanischen Studie an 18 883 Personen (Alter > 12 Jahre) – repräsentativer Querschnitt der US-Bevölkerung
(3rd National Health and Nutrition Examination Survey) – wurde der Zusammenhang zwischen dem 25(OH)DSpiegel im Serum und der Anfälligkeit für Infekte der oberen Atemwege in Bezug auf die Jahreszeit untersucht.
Dabei korrelierte der Vit​amin-D-Status invers mit der Infektrate der oberen Atemwege (○Abb. 15.8): Gegenüber den
Probanden mit einem normalen 25(OH)D-Status (≥ 30 ng/ml) hatten die Probanden mit einem insuffizienten Status
(10–30 ng/ml) eine 1,24-fach erhöhte Infektrate und die Probanden mit einem ausgeprägten Vit​amin-D-Mangel (< 10
ng/ml) eine 1,36-fach erhöhte Infektrate (Odds-Ratio, OR), 1,36; 95 % CI, 1,01–1,84 bei < 10 ng/ml und 1,24; 1,07–
1,43 bei 10–29 ng/ml). Bei Patienten mit Asthma bronchiale oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)
war die Infektrate sogar 2,26-fach bzw. 5,67-fach erhöht (p = 0,007; OR, 5,67 und 2,26). Der durchschnittliche
25(OH)D-Spiegel aller Studienteilnehmer lag bei 29 ng/ml.
#233.01{sidD2mNHQPW}
Abb. 15.8 Effekt einer Vit​amin-D-Supplementierung auf die Erkrankungshäufigkeit (​Influenza A und Asthma) bei Schulkindern
#233.02{sidWcdDbTGU}
In einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie an 334 japanischen Schulkindern wurde der
Einfluss von Vit​amin D auf Atemwegserkrankungen wie Influenza A und Asthma untersucht. Die Kinder erhielten
während des Interventionszeitraums von Dezember 2008 bis März 2009 täglich ein Placebo oder 1 200 I. E.
Vit​amin D (○Abb. 15.8). Das Risiko, an Influenza A zu erkranken, wurde durch die Supplementierung von Vit​amin D
gegenüber Placebo um 42 % verringert (RR: 0,58; 95 % CI: 0,34, 0,99; p = 0,04). Der protektive Effekt war
insbesondere bei denjenigen Kindern ausgeprägt, die keine anderen Vit​amin-D-haltigen Supplemente einnahmen
(RR: 0,36; 95 % CI: 0,17, 0,79; p = 0,006). Noch beeindruckender ist jedoch bei dieser Untersuchung das Ergebnis
in Bezug auf die Asthmaanfallshäufigkeit: in der Vit​amin-D-Gruppe reduzierte sich die Anfallshäufigkeit um 83 %
(RR: 0,17; 95 % CI: 0,04, 0,73; p = 0,006). Auch in Interventionsstudien mit Erwachsenen führte die
Supplementierung von Vit​amin D zu einer signifikanten Reduktion der jahreszeitlich bedingten grippalen Infekte.
#233.03{sidWPmZu6Ko}
Die Ergebnisse zweier aktueller Metaanalysen aus den Jahren 2013 und 2016 (○ Abb. 15.9) belegen, dass die
Supplementierung von Vitamin D im Vergleich zu Placebo bei Kindern und Erwachsenen das Infektionsrisiko
signifikant um 36 % senkt (OR: 0,64; 95 % CI, 0,49–0,84) bzw. um 35 % (OR: 0,65; 95 % CI, 0,50–0,85). Dabei war
die tägliche Einnahme von Vitamin D effektiver als die hochdosierte Intervalltherapie.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#234.01{sidMjzMRYOo}
Abb. 15.9 Vitamin D und Atemwegsinfekte
#234.02{sidRAJEhn6m}
Hinweis: Im Hinblick auf die Vorbeugung von Atemwegsinfektionen können Kinder und Erwachsene anhand der
Daten von Interventionsstudien von einer Normalisierung des Vit​amin-D-Status profitieren. Weitere
Interventionsstudien müssen in den nächsten Jahren zeigen, ob Patienten mit Asthma und COPD im Hinblick auf die
Wirksamkeit der Medikation (z. B. Corticoide) und den Krankheitsverlauf auch von der Supplementierung von
Vit​amin D profitieren können.
#234.03{sidsBv8BGFd}
Neurodermitis
#234_235{sidVR0F3ihJ}
Vit​amin-D-Hormon besitzt eine ausgeprägte modulierende Wirkung auf die Balance zwischen den Th1- und Th-2Zellen. Störungen in der Th1:Th2-Balance spielen neben Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose auch bei
atopischen Erkrankungen eine pathogenetische Rolle. In zwei randomisierten placebokontrollierten
Doppelblindstudien führte die Supplementierung von Vit​amin D alleine (1 600 I. E./Tag, p. o.) als auch in der
Kombination mit Vit​amin E (600 I. E./Tag, p. o.) über einen Zeitraum von 60 Tagen zu einer signifikanten
Verbesserung des Hautbilds bei Patienten (Alter: 13–45 Jahre) mit milder, moderater und schwerer atopischer
Dermatitis. Zur Beurteilung der Ausdehnung und Intensität des atopischen Ekzems wurde dabei der SCORADScore (Scoring Atopic Dermatitis) herangezogen. Bei atopischer Dermatitis sind die entzündlichen Prozesse in der
Haut mit einer intensiven Infiltration von Lymphozyten und Eosinophilen assoziiert, die proinflammatorische Zytokine,
Superoxid-Radikale, Hydrogenperoxide und Peroxynitrit freisetzen. Bemerkenswerter Weise konnte in diesen
Studien nachgewiesen werden, dass nicht nur Vit​amin E, sondern auch Vit​amin D die oxidative Belastung und
entzündlichen Prozesse in der Haut senkt sowie die Aktivität der erythrozytären Superoxid-Dismutase (SOD; p =
0,002) und der Catalase (CAT; p = 0,004) signifikant erhöht.
#235.01{sid6CloaYSA}
Krebserkrankungen
#235.02{sidHy0eFRHv}
Vit​amin-D-Mangel findet sich häufig bei Krebspatienten und korreliert mit der Krankheitsprogression. In
Beobachtungsstudien ist ein Vit​amin-D-Mangel mit dem vermehrten Auftreten von Brust- und Dickdarmkrebs sowie
mit einem ungünstigen Verlauf von Non-Hodgkin-Lymphomen assoziiert. In einer placebokontrollierten
Doppelblindstudie an 1 179 postmenopausalen Frauen im Alter von über 55 Jahren wurde der Einfluss von täglich 1
400 mg Calcium, der Kombination von 1 400 mg Calcium und 1 100 I. E. Vit​amin D oder Placebo auf das
Krebsrisiko über einen Zeitraum von 4 Jahren erfasst. Unter der Kombination von Calcium und Vit​amin D stieg der
25(OH)D-Spiegel von 28,7 ng/ml auf 38,4 ng/ml an. In den beiden anderen Gruppen blieb der Vit​amin-D-Status
unverändert. Nach Ablauf der vier Jahre war im Vergleich zur Placebo-Gruppe das relative Risiko (RR) an Krebs zu
erkranken in der Calcium-Vit​amin-D-Gruppe um 60 % reduziert (RR: 0,402, CI: 0,20, 0,82; p = 0,013), in der
Calcium-Gruppe alleine um 47 % (RR: 0,532, CI: 0,27, 1,03; p = 0,063). Eine erneute Auswertung mithilfe der
logistischen Regression zum krebsfreien Überleben nach 12 Monaten zeigte, dass das relative Risiko in der
Calcium-Vit​amin-D-Gruppe sogar signifikant um 77 % reduziert worden war (RR 0,232, CI: 0,09, 0,60, p < 0,005,
○Abb. 15.10). Die Daten in der Calcium-Gruppe alleine blieben allerdings nahezu unverändert (RR: 0,587, CI: 0,29,
1,21; p = 0,147).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#236.01{sidQ3KnS0Ch}
Abb. 15.10 Überlebensraten nach Kaplan-Meier. In der Kohorte der Frauen, die nach einem Jahr der Intervention frei von
Krebs waren (n = 1 085) zeigte sich, dass signifikant mehr Frauen (n = 403) länger überlebten als unter Placebo (n = 266) und
unter Calciumsupplementation (n = 416)
#235.03{sidMqNq09Kd}
In einer prospektiven Kohorten-Studie beobachteten kanadische Wissenschaftler vom Mount Sinai Hospital in
Toronto den Krankheitsverlauf von 512 Frauen mit Brustkrebs etwa zwölf Jahre lang, von 1997–2008. Das
Durchschnittsalter der Frauen betrug bei Diagnosestellung 50,4 Jahre. 37,5 Prozent der Patientinnen mit Brustkrebs
hatten bei Diagnosestellung einen Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml bzw. < 50 nmol/l). Nur 24 Prozent der
betroffenen Frauen hatten einen fast normalen Vit​amin-D-Status (25(OH)D > 29 ng/ml bzw. 72 nmol/l). Ein Vit​aminD-Mangel war mit dem Auftreten aggressiverer Brustkrebsformen verbunden. Nach zwölf Jahren war bei Frauen mit
einem Vit​amin-D-Mangel das Risiko für eine Metastasierung gegenüber denjenigen mit normalem Vit​amin-D-Status
um 94 Prozent erhöht (Hazard-Ratio, HR = 1,94; 95 % CI; 1,16–3,25). Die Wahrscheinlichkeit, vorzeitig an der
Erkrankung zu versterben, stieg bei einem Vit​amin-D-Mangel um 73 Prozent (HR = 1,73; 95 % CI; 1,05–2,86).
#235_236{siditKDY5iH}
Bei Brustkrebspatientinnen konnte unter einer anthrazyklin- und taxanhaltigen Polychemotherapie ein deutlicher
Abfall des 25(OH)D-Spiegels beobachtet werden. Einige Zytostatika (z. B. Cyclophosphamid, Paclitaxel) sind
Liganden des Pregnan-X-Rezeptors und können dadurch über die Induktion der 24-Hydroxylase den enzymatischen
Abbau von 25(OH)D und 1,25(OH)2D im Verlauf der Chemotherapie steigern. Docetaxel ist ein bekannter Auslöser
kutaner Nebenwirkungen und Geschmacksstörungen. Ein Vit​amin-D-Mangel kann das Auftreten einer
chemotherapieinduzierten Mukositis und Dysgeusie begünstigen. In Fallberichten konnten mukokutane
Nebenwirkungen (z. B. Stomatitis) und Geschmacksstörungen, die bei Krebspatienten unter einer
Polychemotherapie mit TCH (T: Docetaxel, C: Carboplatin, H: Trastuzumab) oder FOLFOX6 auftraten, erfolgreich
durch die Supplementierung mit Vit​amin D behandelt werden. Auch Arthralgien und Fatigue unter der Therapie mit
Aromatasehemmern wie Letrozol konnten durch die labordiagnostisch validierte Supplementierung von Vit​amin D (z.
B. 50 000 I. E. Vit​amin D/Woche für 12 Wochen, p. o.) bei Brustkrebspatientinnen mit Vit​amin-D-Mangel deutlich
gelindert werden. Ähnliche Ergebnisse liegen zum Einsatz von Bisphosphonaten vor. Die ossäre Wirksamkeit der
Bisphosphonate wird bei einem adäquaten Vit​amin-D-Status (25(OH)D ≥ 33 ng/ml) verbessert. Dies könnte damit
zusammenhängen, dass erst ab einem 25(OH)D-Spiegel von ≥ 40 ng/ml kein Anstieg der Parathormonspiegel mehr
nachweisbar ist.
#236.02{sidJpbIrRvr}
Hinweis: Der Vit​amin-D-Status sollte bei allen Krebspatienten (25(OH)D, Serum) kontrolliert und durch adäquate
Supplementierung kompensiert werden (25(OH)D-Zielwert: 40–60 ng/ml bzw. 100–150 nmol). Dies gilt
insbesondere für Krebspatienten mit schlechtem Ernährungsstatus, Therapien mit anthrazyklin- und taxanhaltigen
CTX sowie bei muskulären, mukokutanen Störungen, Fatigue und Tumorkachexie.
#236.03{sidZUY4dXbY}
Arzneimittel und Vit​amin D
#236.04{siddYOH0dKj}
Arzneimittelinduzierte Störungen des Vit​amin-D-Haushalts erscheinen im Hinblick auf das hohe
präventivmedizinische Potenzial des Sonnenvit​amins im neuen Licht. Von zahlreichen Arzneimitteln ist bekannt,
dass sie mit dem Vit​amin-D-Stoffwechsel interferieren. Ein arzneimittelinduzierter Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D < 20
ng/ml) kann sich unter anderem in einem sekundären Hyperparathyreoidismus, Störungen der
Knochenmineralisierung bis hin zur Osteoporoseentstehung äußern. Bekannte Beispiele hierfür sind die
antiepileptika-, corticoid- oder virustatikainduzierte Osteopathie.
#237.01{sidUFKKAw9N}
Arzneistoffe, wie das Antiepileptikum Phenytoin oder das Glucocorticoid Dexamethason können den Pregnan-XRezeptor stimulieren und hierüber die 24-Hydroxylase (24-OHase) aktivieren. Die 24-OHase baut 25-OH-Vit​amin D
und 1,25-(OH)2-Vit​amin D in nicht mehr Stoffwechselaktive Vit​amin-D-Metaboliten ab. Vit​amin D wird dadurch
inaktiviert und verliert seine Stoffwechselfunktion. Das bedeutet: Arzneistoffe, die den Pregnan-X-Rezeptor
stimulieren können potenziell alle negativen Folgen auslösen, die mit einem Vit​amin-D-Mangel assoziiert sind. Ein
arzneimittelbedingter Vit​amin-D-Mangel äußert sich vor allem auf der Ebene des Knochen- und
Muskelstoffwechsels, kann aber auch das Immunsystem und das Herz-Kreislauf-System betreffen.
#237.02{sidTGRQfJug}
Tab. 15.2 Arzneistoffe, die den Pregnan-X-Rezeptor (PXR) aktivieren können (Auswahl)
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#237.03{sid1DzBG8D5}
Beispiele
PRX-Liganden
#237.04{sidFmWZDkzP}
Cyproteronacetat
Androgenrezeptor-Antagonisten
#237.05{sid3bbSH3rA}
Phenytoin, Carbamazepin
Antiepileptika
#237.06{sidKxKJeTE4}
Tamoxifen
Antiestrogene
#237.07{sidhZjp5ZpA}
Nifedipin, Spironolacton
Antihypertonika
#237.08{sidZPYvwvvG}
Clotrimazol
Antimykotika
#237.09{sidXhHm8FiB}
Antiretrovirale AM (NNRTI/Proteasehemmer)
#237.10{sid2pBI1nC6}
Efavirenz, Nevirapin/Ritonavir, Saquinavir
Rifampicin
Antituberkulotika
#237.11{sid2tJWWvY3}
Dexamethason
Glucocorticoide
#237.12{sid08AWNSPG}
Kava kava, Johanniskraut (Hyperforin)
Phytopharmaka
#237.13{sidH94C0GWj}
Cyclophosphamid, Paclitaxel
Zytostatika
#237.14{sid6EGQY28K}
Hinweis: Grundsätzlich sollte bei jeder Langzeitmedikation der Vit​amin-D-Status des behandelten Patienten
kontrolliert werden, da bisher noch nicht alle Agonisten des Pregnan-X-Rezeptors unter den Arzneistoffen, die
Vit​amin D abbauen können, beschrieben worden sind. Ein optimaler 25-OH-Vit​amin-D-Status liegt bei 40–60 ng/ml
bzw. 100–150 nmol/l!
#237.15{sidBf7XR6ny}
Schlussbemerkung: Dem Vit​amin-D-Mangel sollte in der ärztlichen und pharmazeutischen Praxis größere
Aufmerksamkeit als bisher geschenkt werden. Die bisher vorliegenden Daten zu Vit​amin D aus experimentellen,
ökologischen, Fall-Kontroll-, Retro- und prospektiven Beobachtungsstudien sowie kleineren Interventionsstudien sind
beachtlich und bescheinigen dem Sonnenvit​amin eine essenzielle Rolle bei einer Vielzahl von physiologischen und
präventivmedizinischen Funktionen, inklusive neuropsychiatrischer Erkrankungen. Die Ergebnisse dieser Studien
rechtfertigen in jedem Fall die Empfehlung den Vit​amin-D-Status bei Kindern und Erwachsenen allgemein durch
einen gesunden Umgang mit der Sonnenlicht-Exposition, dem Verzehr Vit​amin-D-haltiger Lebensmittel und der
Supplementierung von Vit​amin-D-Präparaten zu verbessern. Insbesondere die Wechselwirkung zwischen Vit​amin D
und Arzneistoffen muss labordiagnostisch kontrolliert und durch ausreichend hohe Vit​amin-D-Dosierung (40–60 I. E.
Vit​amin D pro kg KG/d, p. o.) kompensiert werden.
#238.01{sidvc0S3R0C}
Antiepileptikainduzierte Hypovit​aminose D
#238.02{sidGYGk4j2G}
In der Klinik und Praxis werden Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Vit​amin D viel zu wenig
berücksichtigt. Selbst beim Auftreten arzneimittelinduzierter Knochenschäden werden therapeutische Strategien nur
unzureichend umgesetzt. Patienten mit Epilepsie haben ein zwei- bis sechsmal höheres Risiko für Knochenfrakturen
als die Normalbevölkerung. Das erhöhte Frakturrisiko ist vergleichbar mit demjenigen unter einer
Steroidlangzeittherapie. Bei bis zu 50 % der langfristig mit Antiepileptika behandelten Patienten ist eine
antiepileptikainduzierte Osteopathie nachweisbar. Antiepileptika können über verschiedene Mechanismen die
Pathogenese einer antiepileptischen Osteopathie (Osteopathia antiepileptica) begünstigen □ Tab. 15.3).
#238.03{sid3Hq1aKXR}
Tab. 15.3 Mechanismen der antiepileptikainduzierten Osteopathie (Auswahl)
#238.04{sidYlh6Pf0Q}
Mechanismus
Antiepileptika (Beispiele)
#238.05{sid1GS8iatb}
Enzyminduktoren (PXRLiganden): Carbamazepin,
Phenobarbital, Phenytoin,
Primidon
PXR vermittelte Induktion mikrosomaler Enzyme in der Leber: 24-Hydroxylase
(CYP24A1) steigert den Abbau von 25(OH)D und 1,25(OH)2D
#238.06{sidqwqCDjUn}
Reduktion der intestinalen Calciumresorption und der renalen
Calciumrückresorption, Hypocalcämie, sekundärer HPTH, Hemmung der
Osteoblasten-Aktivität, erhöhte biliäre Vit​amin-D-Exkretion (Ausscheidung mit
Gallensäuren)
#238.07{sid5Ku1NX2x}
Suppression der Vit​amin-D-25-Hydroxylase durch Phenobarbital
#238.08{sidLNHWR8VV}
Hemmung des Vit​amin-K-Metabolismus, Reduktion von IGF-1 und IGFB-3,
Erhöhung von SHBG
#238.09{sidmJi2nAdb}
Carbamazepin, Phenytoin
#238.10{sido06wTfw4}
Phenytoin
Toxische Effekte auf die Osteoblasten
Hemmung der Calcitonin-Sekretion, Hemmung der Osteocalcin-Sekretion in
Osteoblasten, Vit​amin-K-Mangel
#238.03{sid3Hq1aKXR}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 15.3 Mechanismen der antiepileptikainduzierten Osteopathie (Auswahl)
#238.04{sidYlh6Pf0Q}
Mechanismus
Antiepileptika (Beispiele)
#238.11{siduMohupZY}
Valproinsäure,
Carbamazepin
#238.12{sid8T0EDxWV}
Valproinsäure
Erhöhte Osteoklastenaktivität: Verschiebung des Aktivierungsgleichgewichts
zwischen Osteoblasten und Osteoklasten zugunsten der Osteoklasten
Renal-tubuläre Dysfunktion, erhöhte renale Calcium- und Phosphatverluste,
Reduktion von IGF-1, erhöhter Knochenturnover
#238.13{sidsLVNX91W}
Antiepileptikabedingte Störungen der Knochenintegrität werden wesentlich von der Art, der Dosierung und der
Dauer der antiepileptischen Therapie beeinflusst. Ein dosisabhängig erhöhtes Risiko für Frakturen wird vor allem
unter Carbamazepin, Oxcarbazepin, Clonazepam, Phenobarbital, Phenytoin, Primidon und Valproinsäure
beobachtet. Bei der Pathogenese antiepileptikainduzierten Osteopathien spielt die Interaktion mit dem Vit​amin-DHaushalt eine zentrale Rolle. Die Enzyminduktoren Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin und Primidon sind
Liganden des Pregnan-X-Rezeptors (PXR) und können auf diese Weise die Expression des 24-Hydroxylase-Gens
hochregulieren (○Abb. 15.11). Der PXR weist zu 60 % eine Homologie in der DNA-bindenden Domäne mit dem
Vit​amin-D-Rezeptor (VDR) auf und wird vom GIT, den Nieren und der Leber exprimiert. PXR vermittelt die Induktion
von CYP2 und CYP3, den Cytochrom-P450-abhängigen Enzymen, die an der Biotransformation zahlreicher
Arzneimittel beteiligt sind.
#239.01{sidmszLVHyn}
Abb. 15.11 Induktion der 24-Hydroxylase durch PXR-Liganden mit der Folge des Abbaus von Vit​amin D
#238_239{sids4eO4dSL}
Die 24-Hydroxylase steigert den Abbau von 25-OH-Vit​amin-D und 1α,25-(OH)2-Vit​amin D. Pathobiochemisch
machen sich die PXR-​Liganden vor allem durch einen Abfall der 25-OH-Vit​amin-D- bzw. 1α,25-(OH)2-Vit​amin-DSpiegel, Hypocalcämie, sekundärem Hyperparathyreoidismus (PTH) und erhöhtem Knochenturnover mit Abnahme
der Knochendichte bemerkbar. Die Exkretion von Pyridinium-Crosslinks kann als Zeichen der erhöhten
Knochenresorption ansteigen. Abnehmende Knochendichte (Lendenwirbelsäule L 2–L 4) und
Knochenzellproliferation sind mit einem signifikant erhöhten Frakturrisiko verbunden. Außer den genannten
Antiepileptika zählen auch folgende Arzneistoffe zu den PXR-Liganden: Dexamethason, Clotrimazol,
Cyclophosphamid, Nifedipin, Paclitaxel, Rifampicin, Tamoxifen und Troglitazon.
#239.02{sidsX545qIV}
Auch unter den moderneren Antiepileptika wie Gabapentin, Lamotrigin und Leviracetam kann eine
medikationsinduzierte Osteopathie nicht ausgeschlossen werden. Generell sollte bei einer Therapie mit
enzyminduzierenden bzw. nichtenzyminduzierende Antiepileptika ein- bis zweimal jährlich der Vit​amin-D-Status
anhand der 25(OH)D-Spiegel im Serum (Referenz: 40–60 ng/ml) kontrolliert und gegebenenfalls durch gezielte
Supplementierung (z. B. 4 000 I. E. Vit​amin D/Tag, p. o.) ausgeglichen werden, um eine antiepileptikainduzierte
Osteopathie oder Myopathie zu vermeiden.
#239.03{sidxQqUavVF}
15.1.2 Antiepileptika und Vit​amin D
#239.04{sid92gJ7id9}
Vit​amin-D-Mangel durch Antiepileptika
#239_240{sidvLmJNz2H}
Mechanismus: Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital und Primidon steigern als Enzyminduktoren die
Metabolisierung und den Abbau von Vit​amin D durch Induktion mikrosomaler P450-Enzyme in der Leber (→ PXRinduzierte Aktivierung der 24-Hydroxylase) und erhöhen die biliäre Vit​amin-D-Ausscheidung. Weitere durch
Antiepileptika induzierte Störungen: Verringerung der intestinalen Calciumabsorption und renalen
Calciumrückresorption; Hemmung der Calcitoninsekretion (z. B. Phenytoin); direkt toxische Effekte auf Osteoblasten
(z. B. Carbamazepin, Phenytoin); Störungen der Knochenmineralisation (Osteocalcin ↓).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#240.01{sidVY2wCGOE}
Folgen: Abfall der 25-(OH)-D- (< 75 nmol/l) und 1,25-(OH)2D-Serumspiegel; erhöhte renale und intestinale
Calciumverluste; Hypocalcämie (→ Anstieg des Parathormonspiegels: Osteolyse). Erhöhte Ausscheidung von
Pyridinium-Crosslinks im Urin (Marker für die Knochenresorption); Osteocalcinkonzentration im Serum ↓; Anstieg
der alkalischen Serum-Phosphatase; Hypophosphatämie (Carbamazepin); Abnahme der Knochendichte und zellproliferation; erhöhtes Frakturrisiko, antiepileptische Osteopathien (Osteopathia antiepileptica), proximale
Muskelschwäche.
#240.02{sidsCc97DAI}
Hinweis: Bei einem Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) sollte die Vitamin-D-Initialdosis (VDI) in I. E.
berechnet werden: Die errechnete Vitamin-D-Initialdosis (VDI) sollte gleichmäßig etwa auf 10 Tage verteilt werden.
Im Anschluss sollten täglich 50–60 I. E. Vitamin D pro kg KG eingenommen werden. Eine Erfolgskontrolle der
Vitamin-D-Therapie sollte frühestens nach 6–8 Wochen labordiagnostisch durch die Messung des 25(OH)D im
Serum überprüft werden. Da Antiepileptika auch mit dem Haushalt anderer knochenwirksamer Mikronährstoffe
(Vitamin K, Calcium, Zink) interferieren, empfiehlt sich als Basis ein oral einzunehmendes Kombinationspräparat
von Vitamin D mit z. B. Calcium (600–1 000 mg tgl.), Vitamin K (als MK-7 µg pro kg KG/d), Vitamin C (200–500 mg
tgl.) und Zink (20–50 mg tgl.).
#240.03{sidwFlZIUz5}
Unter der Therapie mit Antiepileptika, auch den neueren Antiepileptika wie Lamotrigin, sollte regelmäßig die
Knochendichte (DXA-Messmethode) und alle 6 Monate der 25-(OH)-D-Serumspiegel (optimal: 100–160 nmol/l)
kontrolliert werden. Eine Hypercalcämie wurde in seltenen Fällen bei Calcidiol-Werten > 220 nmol/l beobachtet. Mit
dem Auftreten toxischer Wirkungen ist erst ab 25(OH)D-Spiegeln > 150 ng/ml (375 nmol/l) zu rechnen.
#240.04{sidJDPXAS1b}
Neben Mangel an Vit​amin D und Calcium sind auch erhöhte Homocysteinspiegel ein Risikofaktor für Osteoporose
(Rotterdam-Studie). Valproinsäure führt ebenfalls zu Störungen der Knochenmineralisation. Im Unterschied zu
anderen Antiepileptika weist Valproinsäure jedoch keine enzyminduzierenden Eigenschaften auf. Die Serumspiegel
von Carbamazepin, Primidon, Phenytoin und Phenobarbital können bei Kombination mit Valproinsäure ansteigen (z.
T. Abbauhemmung infolge Inhibition metabolisierender Enzyme).
#240.05{sidKV9DFO0S}
Fallbeispiel
#240.06{sidqAsTHAyr}
Ein 6-jähriges Mädchen, das seit etwa zwei Jahren mit Phenytoin (Dosierung: 5 mg/kg KG/d) aufgrund einer
generalisierten Epilepsie behandelt wird, hat Schwierigkeiten beim Gehen und Treppensteigen, ein breitbasiges
Gangbild und leidet unter Muskelschwäche der unteren Extremitäten (→ proximale Muskelschwäche). Die
körperliche Untersuchung ergibt einen normalen Muskeltonus und keinerlei äußere Anzeichen eines Vit​amin-DMangels. Im Rahmen der Muskelfunktionsprüfung der Hüftflexoren/-extensoren wird eine verminderte Muskelkraft
festge stellt (→ 3/5 der normalen Muskelkraft). Die neurologische Untersuchung weist auf Gowers Zeichen einer
Rumpfmuskelschwäche hin. Bei der Knochendichte-Bestimmung (DXA: Becken, Handgelenk) finden sich keine
Anzeichen von Rachitis oder Osteoporose. Die Messung knochenspezifischer Laborparameter ergibt einen
ausgeprägten Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D: 5 ng/ml) mit sekundärem Hyperparathyreoidismus (488 ng/l, □ Tab.
15.4). Erhöhte PTH-Spiegel wirken im Tierversuch muskelkatabol. Nach der 1. Messung wird das Mädchen mit 60
000 I. E. Vit​amin D/d, p. o. für einen Zeitraum von zehn Tagen behandelt (kumulative Dosis: 600 000 I. E. Vit​amin
D/10 Tage). Phenytoin wurde langsam abgesetzt. Nach einer Woche war das Mädchen wieder in der Lage normal
zu gehen und Treppen zu steigen. Nach drei Wochen ging die Muskelschwäche deutlich zurück und es verbesserte
sich auch ihr Gangbild. Eine Kontrolle des Vit​amin-D-Status und anderer Laborparameter (2. Messung) erfolgte
nach vier Wochen. Bemerkenswert ist, dass die Patientin auch ein Jahr später nach Absetzen des Phenytoins in
guter Verfassung ist.
#241.01{sidN8NAauRn}
Tab. 15.4 Messung knochenspezifischer Laborparameter
#241.02{sidDVXurQJF}
Referenzbereich
1. Messung
2. Messung
30–60
5
39,11
10–69
488
25,5
8,8–10,8
8,1
9
223–635
1 622
809
Parameter
#241.03{sidQBuBlc18}
25(OH)D (ng/ml)
#241.04{sidqXFBosO3}
Parathormon (ng/l)
#241.05{sidWmpfqxOU}
Calcium (mg/dl)
#241.06{sidVdlvktYM}
Alkalische Phosphatase (U/l)
#241.07{sidXL43xTGd}
15.2 Antiepileptika und Mikronährstoffe
#241.08{sid8UgSufKF}
15.2.1 Antiepileptika und Folsäure
#241.09{sidOnZZNpOk}
Folsäuremangel durch Antiepileptika (z. B. Primidon, Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital)
#241.10{sidtRY4eFa8}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Mechanismus: Störungen der intestinalen Folsäureresorption und Hemmung der intestinalen Dekonjugation.
(Mikroklimahypothese: Folsäureresorption ist bei pH von 6,0 optimal; zwischen 6,3 und 7,6 fällt Resorption
signifikant ab); Phenytoin hemmt die Dekonjugase im Bürstensaum der Mukosazellen, die Folsäurepolyglutamate in
bioverfügbare Monoglutamate überführt; verminderte diätetische Folsäurezufuhr; erhöhter Katabolismus durch
enzyminduzierende Antiepileptika; Primidon interferiert mit der Konversion von Folsäure in 5-MethylTetrahydrofolsäure (5-Methyl-THF); Lamotrigin ist ein schwacher Inhibitor der Dihydrofolat-Reduktase.
#241.11{sidRlFzUxWy}
Folgen: Abfall der Folsäurespiegel im Plasma und Erythrozyten (< 250 ng/ml); Hyperhomocysteinämie (≥ 10
µmol/l); hypersegmentierte neutrophile Granulozyten; makrozytäre hyperchrome Anämie (Megaloblasten-Anämie);
Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit, depressive Verstimmungen (→ Homocystein); Myelopathien;
Polyneuropathien; Symptome zerebraler Atrophie; Entzündungen der Mund- und Lippenschleimhaut;
Gingivahyperplasien (zu etwa 25–40 % bei Phenytoin): Zahnfleischwucherungen, vor allem am Oberkiefer.
#241.12{sidMFy34aWg}
Hinweis: Über die Hälfte der mit Antiepileptika behandelten Patienten weist Störungen im Folsäurehaushalt auf.
Unter antikonvulsiver Therapie sollte daher eine regelmäßige Supplementierung von Folsäure bzw. 5-Methyl-THF
(0,4–1 mg tgl., p. o.) erfolgen. Da auch der Vit​aminstatus anderer Vit​amine aus der Gruppe der B-Vit​amine (z. B.
Thiamin, Riboflavin, Pyridoxin, Biotin, Cobalamin) durch Antiepileptika gestört wird empfiehlt sich generell die
Folsäuresubstitution in Form eines Vit​amin-B-Komplexes.
#241.13{sid5Mpi4svr}
Cave
#241.14{sidFzMRzCvK}
Folsäure kann in Dosen über 1 mg täglich den oxidativen Phenytoinabbau beschleunigen und dadurch die
antiepileptische Wirkung abschwächen.
#241.15{sidFlCkGvwR}
Frauen mit Kinderwunsch: Bei mit Antiepileptika behandelten Frauen mit Kinderwunsch wird zur Prävention von
Neuralrohrdefekten eine Folsäuregabe von 5 mg tgl. (Anfangsdosis: 0,8–1 mg; Beginn: drei Monate vor Konzeption)
und wenigstens während des gesamten ersten Schwangerschaftsdrittels empfohlen (siehe ▸ Kap. 4.1.1). Das Risiko
einer Spina bifida ist gegenüber der Normalbevölkerung bei epileptischen Schwangeren erheblich erhöht!
Fruchtschädigungen nach Einnahme von Valproinsäure werden auch mit einem Zinkdefizit in Zusammenhang
gebracht.
#241_242{sidJYTdqA6I}
Phenytoininduzierte Gingivahyperplasie: Die häufig unter Phenytoin auftretende Gingivahyperplasie ist mit
einer Verminderung der Folsäure- und Biotinspiegel assoziiert. Die Häufigkeit und Schwere der durch Phenytoin
induzierten Zahnfleischwucherungen kann durch begleitende Folsäuregabe und gute Mundhygiene verringert
werden. Folsäure sollte im Abstand von wenigstens zwei Stunden zu Phenytoin eingenommen werden. Auch die
topische Applikation auf die Mundschleimhaut in Form folsäurehaltiger (0,1%iger) Mundspülungen und Salben
eignet sich zu Behandlung der Gingivahyperplasie.
#242.01{siduwvr7kae}
15.2.2 Phenytoin und Folsäure
#242.02{sid5Dcx4wuQ}
Folsäure schwächt die antiepileptische ​Wirkung von Phenytoin ab
#242.03{sidRAFifVov}
Mechanismus: Folsäure kann in hoher Dosierung (> 1 mg tgl.) den oxidativen Phenytoin-Metabolismus (→ paraHydroxylierung) in der Leber steigern und damit die antikonvulsive Wirkung des Antiepileptikums abschwächen.
#242.04{sid5JJceOvs}
Folgen: Abfall der Phenytoinplasmaspiegel; erhöhte renale Exkretion von Phenytoinmetaboliten (5-(phydroxyphenyl)-5-phenylhydantoin, 5-(3,4-dihydroxyphenyl)-5-phenylhydantoin); erhöhtes Risiko für epileptische
Anfälle.
#242.05{sid2SHs7RCq}
Hinweis: Unter der Therapie mit Phenytoin sollten möglichst keine Folsäuredosen über 1 mg tgl. gegeben werden,
da die antiepileptische Wirkung dadurch abgeschwächt und damit das Risiko für epileptische Anfälle erhöht werden
kann! Folsäure sollte mit einem Abstand von wenigstens zwei Stunden zu Phenytoin eingenommen werden.
#242.06{sidSZPyEVLG}
Studien: In einer Studie an Frauen unter antiepileptischer Therapie mit Phenytoin wurde der Einfluss einer
täglichen Supplementierung von 1 mg Folsäure auf die Steady-state-Plasmaspiegel des Antiepileptikums sowie auf
die Ausscheidung von Phenytoinmetaboliten untersucht. Die Phenytoinplasmaspiegel sanken nach Gabe von 1 mg
Folsäure zwischen 7,5 und 47,6 %. Der Quotient aus Phenytoinmetaboliten und Phenytoin im Urin stieg als Zeichen
einer erhöhten oxidativen Metabolisierungsrate bei den Probanden mit verringertem Plasmaspiegel an Phenytoin
deutlich an. Der antiepileptische Wirkspiegel von Phenytoin oder Phenobarbital kann auch durch hohe Vit​amin-B6Dosen (80–400 mg tgl.) abfallen (→ Induktion Vit​amin-B6-abhängiger Biotransformationen der Antiepileptika).
#242.07{sidWNSAwiix}
15.2.3 Antiepileptika und Homocystein
#242.08{sid0NO4Ezcy}
Antiepileptikainduzierte Hyperhomocysteinämie
#242.09{sidJ1GwHewn}
Mechanismus: Abfall der Folsäurespiegel in Plasma und Erythrozyten. Einschränkung der zellulären
Entgiftungskapazität durch antiepileptikabedingten Mangel an Riboflavin (→ MTRF-Reduktase), Vit​amin B6 (→
Cystathionin-β-Synthase) und Vit​amin B12 (→ Methionin-Synthase).
#242.10{sid9oyvKLMa}
Folgen: Beeinträchtigung der Folsäure- und Vit​amin-B12-abhängigen Methylierungsreaktionen mit
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l); Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit, depressive Verstimmungen;
erhöhtes Risiko für Thromboembolien, Schlaganfall, mentale Retardierung und/oder Demenz, Osteoporose.
#242.11{sidrCysVvIC}
Hinweis: Unter der Therapie mit Antiepileptika (Carbamazepin, Primidon, Phenytoin, Phenobarbital) empfiehlt sich
die regelmäßige Supplementierung von Folsäure (0,4–1 mg tgl., p. o.) zusammen mit Vit​amin B6 und B12 (siehe
auch ▸ Kap. 15.2.1, 15.2.4). Neben einem Mangel an Vit​amin D und Calcium bilden auch ein Mangel an Vit​amin B12
sowie erhöhte Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für Osteoporose.
#242.12{sidET9Zm02K}
15.2.4 Antiepileptika und Thiamin
#242.13{sidD5qZ73f8}
Thiaminmangel unter Phenytoin und/oder Phenobarbital
#242.14{sid8xxalnLR}
Mechanismus: Unzureichende diätetische Zufuhr; Störung der Resorption/Utilisation; möglicherweise erhöhte
Metabolisierung und Abbau durch antiepileptikabedingte Enzyminduktion in der Leber.
#242_243{sidXBlktUZ8}
Folgen: Abfall der Thiaminblutspiegel und verminderte Aktivität der erythrozytären Transketolase. Multiple
neurologische Störungen: Abfall der geistigen Leistungsfähigkeit, Muskelschwäche, Müdigkeit, zentral bedingte
Koordinationsstörungen, Neuropathien, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Merkfähigkeitsstörungen.
#243.01{siddG4iDFCr}
Hinweis: Unter der Langzeittherapie mit Antiepileptika wie Phenytoin und Phenobarbital ist eine regelmäßige
Supplementierung von Thiamin (10–50 mg tgl., p. o.) in Form eines Vit​amin-B-Komplexes sinnvoll.
#243.02{sidP29m6n1l}
Studien: Zum Ausgleich eines Thiaminmangels, insbesondere bei Polyneuropathien, empfiehlt sich die Gabe des
lipidlöslichen und hoch bioverfügbaren Thiamin-Prodrugs Benfotiamin (300–600 mg tgl., p. o.). Polyneuropathien
treten nach Phenytoin, Phenobarbital, Carbamazepin und Valproinsäure mit einer Häufigkeit von etwa 50 % auf.
Neben Vit​amin B1 sollte hierbei auch an eine ausreichende Zufuhr der neurotropen Vit​amine Folsäure, Pyridoxin und
Cobalamin gedacht werden. In einer Studie an 72 Patienten, die Phenytoin alleine oder in Kombination mit
Phenobarbital über vier Jahre eingenommen hatten, wiesen über 30 % verringerte Thiaminblutspiegel auf. Die
mentalen und neuropsychologischen Funktionen der Epileptiker wurden durch die Gabe von 50 mg Thiamin tgl. (p.
o.) signifikant verbessert. Vit​amin B1 ist an der Reizleitung und -übertragung von Nervenimpulsen im zentralen und
peripheren Nervensystem sowie am Neurotransmitterstoffwechsel des adrenergen, cholinergen und serotonergen
Systems beteiligt. Da Nervenzellen ihren Energiebedarf überwiegend durch Oxidation von Kohlenhydraten decken,
ist Thiamin für den neuronalen Energiestoffwechsel unentbehrlich.
#243.03{sid12dqUvKZ}
15.2.5 Antiepileptika und Biotin
#243.04{sid3b6NEbb4}
Biotinmangel unter Phenytoin und/oder Phenobarbital
#243.05{sidVI8udumE}
Mechanismus: Inhibierung der intestinalen Biotinresorption (kompetitive Hemmung durch Carbamazepin,
Primidon) sowie Störungen der metabolischen Funktion und Utilisation; erhöhter Biotinkatabolismus und renale
Exkretion​rate.
#243.06{sidqNqiUANm}
Folgen: Abfall der Biotinblutspiegel. Verminderte Aktivtät biotinabhängiger Carboxylasen (z. B. PyruvatCarboxylase, Acetyl-CoA-Carboxylase). Anstieg der Lactatserumspiegel (v. a. Carbamazepin);
Biotinmangelsymptome: Dermatitis, Haarausfall, brüchige Nägel, Anämie, Ataxie, Neuropathien, zerebrale
Störungen; möglicherweise auch Gingivahyperplasie und erhöhte Fehlbildungsrate bei Kindern, deren Mütter in der
Schwangerschaft mit Antiepileptika behandelt wurden.
#243.07{sid4pkowjup}
Hinweis: Unter der Langzeittherapie mit Antiepileptika wird eine regelmäßige Supplementierung von Biotin (0,5–5
mg tgl., p. o.) in Form eines Vit​amin-B-Komplexes empfohlen.
#243.08{sidnL1Auua6}
Unter Langzeittherapie mit Antiepileptika wird ein Abfall der Biotinblutspiegel, eine verringerte renale Exkretion von
Biotinmetaboliten sowie eine eingeschränkte Aktivität biotinabhängiger Carboxylasen beobachtet. Die
Antiepileptika Carbamazepin und Primidon hemmen die intestinale Biotinabsorption. Phenobarbital, Phenytoin und
Carbamazepin steigern die renale Biotinausscheidung. Die antiepileptische Therapie mit Valproinsäure führte bei
Kindern zu einer verminderten Biotinidase-Aktivität.
#243.09{sid3secpQs6}
15.2.6 Antiepileptika und Vit​amin K
#243.10{sidzb2Bnyka}
Vit​amin-K-Mangel durch Antiepileptika (insbesondere bei Schwangeren, Vit​amin-K-Prophylaxe für
Neugeborene)
#243.11{sidy2RgHlAE}
Mechanismus: Abbaubeschleunigung infolge der Induktion metabolisierender Enzyme (Phenytoin, Phenobarbital).
Der Mechanismus ist jedoch noch weitgehend unbekannt; möglicherweise besteht eine enge Relation zum
Stoffwechsel von Folsäure (→ Einfluss auf Vit​amin-K-Epoxidreduktase) und Biotin (→ Carboxylierung von
Blutgerinnungsfaktoren).
#243.12{sidzzxAAmzx}
Folgen: Gestörte Synthese von Blutgerinnungsfaktoren, Vit​amin-K-Mangelblutungen beim Neugeborenen (Morbus
hämorrhagicus); Anstieg des untercarboxylierten Osteocalcins (Marker für latenten Vit​amin-K-Mangel; erhöhtes
Risiko für Frakturen).
#244.01{sidUgug2uQ8}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Hinweis: Zur Prävention von Blutungen beim Neugeborenen, die durch einen Mangel an Vit​amin K bedingt sind,
sollten Schwangere, die Antiepileptika (auch Antituberkulotika) einnehmen, 48 Stunden bis einige Stunden vor der
Entbindung 10–20 mg Vit​amin K1 oral erhalten. Neugeborene sollten 1 mg pro kg KG intramuskulär am 1. und 2.
Lebenstag erhalten. Empfohlen wird auch eine Bestimmung der Konzentration des Prothrombinkomplexes im
Nabelschnurblut. Da Vit​amin K nicht nur für die normale Blutgerinnung, sondern auch für den Knochenstoffwechsel
von Bedeutung ist, wird unter antepileptischer Therapie generell eine regelmäßige Vit​amin-K-Zufuhr (100–500 µg
tgl., p. o.) zusammen mit anderen knochenwirksamen Mikronährstoffen (Vit​amin D, Calcium, Zink) empfohlen.
#244.02{sidrT5gOu9p}
15.2.7 Antiepileptika und Vit​amin E
#244.03{sidMh8rzzoU}
Vit​amin E kann die antiepileptische Wirksamkeit verbessern
#244.04{sidmMoR2IPl}
Mechanismus: Mögliche Ursachen sind anti​epileptikabedingte Störungen antioxidativer Schutzmechanismen
sowie erhöhte Lipidperoxidationsrate.
#244.05{sidMqlDtAhL}
Folgen: Erniedrigte Vit​amin-E-Serumspiegel; Abfall der SOD-Aktivität; Anstieg der Malondialdehyd-(MDA)Konzentrationen im Serum. Möglicherweise Zunahme der Anfallshäufigkeit und Therapieresistenz sowie erhöhtes
neurotoxisches Risiko (z. B. psychomotorische Störungen).
#244.06{sidfzWo73zo}
Hinweis: Unter der antiepileptischen Therapie ist ein adjuvante Gabe von Vit​amin E (500 I. E. tgl., p. o.) zusammen
mit anderen Antioxidanzien (Vit​amin C, Selen, Coenzym Q10) sinnvoll. Gleichzeitig sollte auf eine gute Versorgung
mit den Cofaktoren antioxidativer Schutzenzyme wie Selen (GSH-Px), Zink und Kupfer (SOD) geachtet werden.
Phenytoin kann aufgrund seiner chelatisierenden Eigenschaften zu einer Verarmung an Zink und Kupfer beitragen.
#244.07{sid5kHsJn21}
Studien: Bei Kindern mit Epilepsie werden unter Langzeitmedikation mit Antiepileptika niedrige Vit​amin-EPlasmaspiegel beobachtet. In einer randomisierten und doppelblinden Studie an Epilepsiepatienten einer
pädriatischen Klinik konnte durch die adjuvante Gabe von 293 mg Vit​amin E (α-Tocopherolacetat) tgl. über einen
Zeitraum von drei Monaten die Anfallshäufigkeit im Vergleich zu Placebo erheblich (60–90 %) reduziert werden.
Tiermodelle zeigen, dass Injektionen von Eisensalzen in die Hirnrinde und Hippokampus oxidative Kettenreaktionen
auslösen können, die zur Lipidperoxidation von Nervenzellmembranen und zur Epilepsie führen.
#244.08{sidruBCsW8b}
Vorbehandlung mit oral verabreichtem Vit​amin E und Selen kann die histopathologischen Veränderungen als auch
die elektrographische und klinische Manifestation der Anfallaktivität verhindern. Die Nervenzellmembranen des ZNS
bilden aufgrund ihres hohen Gehalts an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ein reichhaltiges Substrat für
Lipidperoxidationen. Oxidativer Stress spielt in der Pathogenese und Progression neurodegenerativer
Erkrankungen wie Epilepsie eine wichtige Rolle. Als kettenbrechendes Antioxidans besitzt Vit​amin E ausgeprägte
neuroprotektive Eigenschaften. Unter einer antikonvulsiven Therapie mit Valproinsäure kann auch ein Abfall der
Selenspiegel im Plasma auftreten.
#244.09{sid36vqBIiG}
15.2.8 Valproinsäure und L-Carnitin
#244.10{sideKhhEiI4}
Iatrogener Carnitinmangel durch Valproinsäure ▸ Kap. 5.6.1)
#244.11{sidRlo1mvrv}
Mechanismus: Valproinsäure (VPS) führt zu renalen Carnitinverlusten durch erhöhte Ausscheidung von ValproylCarnitin-Estern; VPS bindet Coenzym A (als Thioester: Valproyl-CoA) und blockiert Coenzym-A-abhängige
Stoffwechselwege. VPS stört die zelluläre Carnitinaufnahme über Hemmung der Aktivität membranständiger
Carnitin-Transporter (z. B. Carnitin-Acylcarnitin-Translokase, CAT); Lipidperoxidation.
#244_245{sidzFtc2Kvi}
Folgen: Abfall der Plasmaspiegel an freiem Carnitin (< 35 µmol/l); erhöhte Acyl-Carnitin: Gesamt-Carnitin-Ratio im
Urin sowie verminderte tubuläre Rückresorption von freiem Carnitin. Valproyl-Carnitin-Ausscheidung führt zu
iatrogenem Carnitinmangel. Mitochondriale Dysfunktion: Carnitinmangel reduziert Energiebereitstellung aus BetaOxidation und hemmt CoA-abhängige Stoffwechselprozesse (z. B. Gluconeogenese).
#245.01{sid6oXURRcb}
Erhöhtes Risiko für valproinsäureinduzierte Leberschäden; Hyperammonämie (vor allem bei Kindern);
Muskelschwäche, Myalgien, Fatigue, Kardiomyopathie.
#245.02{sidFQ0nnFq4}
Hinweis: Unter der Therapie mit Valproinsäure (vor allem bei Kindern) empfiehlt sich die regelmäßige adjuvante
Gabe von L-Carnitin (25–100 mg pro kg KG tgl., p. o.).
#245.03{sidumnZ9biu}
Studien: In einer Studie an 92 Patienten mit schweren Leberschäden durch Valproinsäure überlebten 42 % der mit
Carnitin (i. v.) behandelten Patienten gegenüber 10 % der Patienten, die kein Carnitin erhielten. Die adjuvante Gabe
von Carnitin beugt iatrogenen Carnitinverlusten vor und kann das hepatotoxische Potenzial der Valproinsäure
verringern.
#245.04{sidydy8skGF}
In einer Studie an Erwachsenen war bei 76,5 % der mit Valproinsäure behandelten Epileptiker ein Carnitinmangel
nachweisbar, gegenüber 21,5 % derjenigen, die mit anderen Antikonvulsiva behandelt wurden. Zu den häufigsten
Nebenwirkungen der Valproinsäure zählen Antriebslosigkeit, Müdigkeit, gastrointestinale Beschwerden,
Hyperinsulinämie sowie eine Hyperammonämie. Bei Kindern können unter Langzeittherapie mit Valproinsäure
Störungen des Leberstoffwechsels mit Hyperammonämie, Erhöhung der Lebertransaminasen, Enzephalopathien
bis hin zu toxischen Lerberschäden auftreten. Die Kombination mit anderen Antikonvulsiva steigert das
hepatotoxische Risiko erheblich. Diese Nebenwirkungen werden mit einer durch die langjährige Valproinsäure-
Therapie induzierten Störung des Carnitinstoffwechsels in Verbindung gebracht (siehe S. 69ff.).
#245.05{sidmiZxbo4h}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
15.2.9 Phenobarbital und Nicotinamid
#245.06{sidQemfK2oE}
Nicotinamid kann antikonvulsive Wirkung von Phenobarbital verstärken
#245.07{sidpj2ljY5M}
Mechanismus: Nicotinamid verringert über eine Hemmung Cytochrom-P450-abhängiger Enzyme die Konversion
von Primidon zu Phenobarbital.
#245.08{sidcVJ5XedT}
Folgen: Mögliche Verbesserung des therapeutischen Index von Phenobarbital durch Nicotinamid, Halbwertszeit
von Primidon kann sich verlängern.
#245.09{sidgG9R37MB}
Hinweis: Das Desoxybarbiturat Primidon wird im Organismus zu Phenobarbital metabolisiert. Nicotinamid kann
den therapeutischen Index von Phenobarbital steigern und könnte ein nützliches Adjuvans in der antiepileptischen
Therapie mit Primidon und Phenobarbital darstellen.
#245.10{sid68PGKF2K}
Literatur
#245.11{sid625hBS4S}
Antico A, Tampoia M, Tozzoli R, Bizzaro N. Can supplementation with vit​amin D reduce the risk or modify the course
of autoimmune diseases? A systematic review of the literature. Autoimmun Rev, 12 (2): 127–136, 2012
#245.12{sidlv8Uhrsc}
Apeland T et al. Antiepileptic drugs as independent predictors of plasma total homocysteine levels. Epilepsy Res, 47
(1–2): 27–35, 2001
#245.13{sidjohFveZq}
Berg MJ et al. Phenytoin and folic acid interaction: a preliminary report. Ther Drug Monit, 5 (4): 389–394, 1983
#245.14{sidNIczUeAW}
Berg MJ et al. Utilization of Km for phenytoin dosage after folate addition to patient regimen. Ther Drug Monit, 9 (3):
304–305, 1987
#245.15{sid3ku7hiiR}
Bergman P et al. Vitamin D and Respiratory Tract Infections: A Systematic Review and Meta-Analysis of
Randomized Controlled Trials. PloS One, 8 (6): e65835, 2013
#245.16{sidTybzJlvx}
Bischoff-Ferrari H. Vit​amin D und seine Wirkungen auf den Knochen. OM – Zs f Ortho Med, 10 (4): 7–11, 2012
#245.17{sidZ7tP4l8I}
Bischoff-Ferrari HA, Willett WC, Orav EJ et al. A pooled analysis of vit​amin D dose requirements for fracture
prevention. N Engl J Med, 367 (1): 40–49, 2012
#246.01{sidl2xYiP2u}
Bischoff-Ferrari HA, Fischer K, Orav EJ et al. Statin Use and 25-Hydroxyvitamin D Blood Level Response to Vitamin
D Treatment of Older Adults. J Am Geriatr Soc, doi: 10.1111/jgs.14784, Epub ahead of print, 2017
#246.02{sidNQwjc2Ay}
Bischoff-Ferrari HA, Willett WC, Orav EJ et al. Re: Fall prevention with Vit​amin D. Clarifications needed.
http://wwwbmjcom/content/339/bmjb3692?tab=responses (access: Feb 132012), 2011
#246.03{sidJAAc8Hgr}
Bohan TP et al. Effect of L-carnitine for valproate-induced hepatotoxicity. Neurology, 56 (10): 1405–1409, 2001
#246.04{sidRu8pQsp6}
Botez MI et al. Cerebrospinal fluid and blood thiamine concentrations in phenytoin-treated epileptics. Can J Neurol
Sci, 9 (1): 37–39, 1982
#246.05{sid95b7tWbg}
Botez MI et al. Thiamine and folate treatment of chronic epileptic patients: a controlled study with the Wechsler IQ
scale. Epilepsy, 16 (2): 157–161, 1993
#246.06{sidS8HwFkym}
Bourgeois BF et al. Interactions between primidon, carbamazepine, and nicotinamide. Neurology, 32 (10): 1122–
1126, 1982
#246.07{sidO2j8PIo9}
Bourgeois BP et al. Potentiation of the antiepileptic activity of phenobarbital by nicotinamid. Epilepsia, 24 (2): 238–
244, 1983
#246.08{sidu0YDq0PO}
Burton JM, Kimball S, Vieth R et al. A phase I/II dose-escalation trial of vit​amin D3 and calcium in multiple sclerosis.
Neurology, 74 (23): 1852–1859, 2010
#246.09{sidGIKnAsBO}
Bykov IL et al. Biochemical basis of valproic acid toxicity: role of oxidative stress and effects of L-carnitine. Biomed
Khim, 50 (4): 384–389, 2004
#246.10{sidUGQwALyo}
Cashman KD, Dowling KG, Škrabáková Z et al. Vitamin D deficiency in Europe: pandemic? Am J Clin Nutr, 103 (4):
1033–1044, 2016
#246.11{sid7fDNHZmy}
Chowdhury R, Kunutsor S, Vitezova A et al. Vitamin D and risk of cause specific death: systematic review and metaanalysis of observational cohort and randomised intervention studies. BMJ, 348 g: 1903, 2014
#246.12{sidv8URYOaM}
Coppola G et al. Plasma free carnitine in epilepsy children, adolescents and young adults treated with old and new
antiepileptic drugs with or without ketogenic diet. Brain Dev, 28 (6): 358–365, 2006
#246.13{sidrJ9igFCn}
Drezner MK. Treatment of anticonvulsant drug-induced bone disease. Epilepsy Behav, 5 (Suppl 2): 41–47, 2004
#246.14{siduS4hmpNo}
Faridi MMA, Aggarwal A. Phenytoin induced Vit​amin D deficiency presentig as proximal muscle weakness. Indian
Pediatrics, 47 (7): 624–625, 2010
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#246.15{sidDp7Pawob}
Garland CF, Kim JJ, Mohr SB et al. Meta-analysis of all-cause mortality according to serum 25-hydroxyvitamin D Am
J Public Health, 104, e43-e50, 2014
#246.16{sidwacB85YA}
Gough H et al. A comparative study of the relative influence of different anticonvulsant drugs, uv ex-posure and diet
on vit​amin D and calcium metabolism in outpatients with epilepsy. Q J Med, 59 (230): 569–577, 1986
#246.17{sidVMAyHjmN}
Goggin T et al. A comparative study of the relative effects of anticonvulsant drugs and dietary folate on the red cell
folate status of patients with epilepsy. Q J Med, 65 (247): 911–919, 1987
#246.18{sidi1KTUFcL}
Gröber U. Vit​amin D – an old vit​amin in a new perspective. Med Monatsschr Pharm, 33 (10): 376–383, 2010
#246.19{sidqHyXaJwd}
Gröber U. Vit​amin D gegen Nebenwirkungen von Arzneimitteln: Interview. Seite 19, Salzburger Nachrichten, 12.
Januar 2012
#246.20{siddnnz7uAs}
Gröber U, Holick MF, Kisters K. Vit​amin D and drugs. Med Monatsschr Pharm, 34 (10): 377–387, 2011
#246.21{sidIvvZAtKC}
Gröber U, Holick MF. Vit​amin D – Die Heilkraft des Sonnenvit​amins. 3. Aufl., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
Stuttgart, 2015
#246.22{sid0hyBIpuy}
Gröber U, Kisters K. Influence of drugs on vit​amin D and calcium metabolism. Dermatoendocrinol, 4(2): 158–166,
2012
#246.23{sidw948cqxw}
Gröber U, Mücke R, Adamietz IA et al. Komplementärer Einsatz von Antioxidanzien und Mikronährstoffen in der
Onkologie – Update 2013. Der Onkologe, 19 (2): 136–143, 2013
#246.24{sidiUezG28i}
Gröber U, Reichrath J, Holick MF. Live longer with vitamin D? Nutrients, 7 (3): 1871–1880, 2015
#246.25{sidmmFCcGtZ}
Gröber U, Spitz J, Holick MF, Wacker M, Kisters K. Vit​amin-D-Update 2013. Von der Rachitis-Prophylaxe zur
allgemeinen Gesundheitsvorsorge. Dtsch Apoth Ztg, 153 (15): 28–36, 2013
#246.26{sidkLqQMQcv}
Hansson O, Sillanpaa M. Pyridoxine and serum concentrations of Phenytoin and phenobarbitone. Lancet, 1 (7953):
256, 1976
#247.01{sid3I4rgP1B}
Holick MF. Sunlight „D“ilemma: risk of skin cancer or bone disease and muscle weakness. Lancet, 357 (9249): 4–6,
2001
#247.02{siduNRD5dvD}
Holick MF. Vit​amin D deficiency. N Engl J Med, 357 (3): 266–281, 2007
#247.03{siduN6BhS0K}
Holick MF, Binkley NC, Bischoff-Ferrari HA et al. Endocrine Society. Evaluation, treatment, and prevention of vitamin
D deficiency: an endocrine society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab, 96, 1911–1930, 2011
#247.04{sid0vAbEDCY}
Hollis BW, Wagner CL, Clinical review: The role of the parent compound vitamin D with respect to metabolism and
function: Why clinical dose intervals can affect clinical outcomes. J Clin Endocrinol Metab, 98 (12): 4619–4628,
2013
#247.05{sid9gc7TzlD}
Hossein-Nezhad A, Spira A, Holick MF. Influence of vit​amin D status and vit​amin D3 supplementation on genome
wide expression of white blood cells: a randomized double-blind clinical trial. PLoS One, 8 (3): e58725, 2013
#247.06{sidx2CS7QpF}
Keith DA et al. Vit​amin-K-dependent proteins and anticonvulsant medication. Clin Pharmacol Ther, 34 (4): 529–532,
1983
#247.07{sidL56eanBp}
Nulman I et al. Treatment of epilepsy in pregnancy. Drugs, 57: 535–544, 1999
#247.08{sidPoxlmRNZ}
Martinez-Ballesteros C et al. Lipid peroxidation in adult epileptic patients treated with valproic acid. Rev Neurol, 38
(2): 101–106, 2004
#247.09{sidXyqxaGEp}
Matsuzaki H, Katsumata S, Kajita Y et al. Magnesium deficiency regulates vitamin D metabolizing enzymes and type
II sodium-phosphate cotransporter mRNA expression in rats. Magnesium Research, 26 (2): 83–86, 2013
#247.10{sidht9C6dhh}
Mock DM et al. Biotin catabolism is accelerated in adults receiving long-term therapy with anticonvulsants.
Neurology, 49: 1444–1447, 1997
#247.11{sidQti0FUh6}
Mock DM et al. Disturbances in biotin metabolism in children undergoing long-term anticonvulsant therapy. J Pediatr
Gastroenterol Nutr, 26 (3): 245–250, 1998
#247.12{sidBf5ewYCe}
Moreno FA et al. Carnitine levels in valproic acid-treated psychiatric patients: a cross-sectional study. J Clin
Psychiatry, 66 (5): 555–558, 2005
#247.13{sidFgZfGCQp}
Ogunmekan AO. Relationship between age and vit​amin E level in epileptic and normal children. Am J Clin Nutr, 32
(11): 2269–2271, 1979
#247.14{siduSpkUYoX}
Ogunmekan AO, Hwang PA. A randomized double-blind, placebo-controlled, clinical trial of D-alpha-tocopherylacetate (vit​amin E), as add-on-therapy for epilepsy in children. Epilepsia, 30 (1): 84–89, 1989
#247.15{sidq5xxaDSD}
Pack AR, Thomson ME. Effects of Topical and systemic folic acid supplementation on gingivitis in pregnancy. J Clin
Periodontal, 7 (5): 402–414, 1980
#247.16{sidbOhRgQH4}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Pack AM. The association between antiepileptic drugs and bone disease. Epilepsy Currents, 3 (3): 91–95, 2003
#247.17{sidvXnYAdFL}
Patrini C et al. Effects of phenytoin on the in vivo kinetics of thiamine and its phosphoesters in rat nervous tissues.
Brain Res, 628 (1–2): 179–186, 1993
#247.18{sid4WADVcKS}
Peters KE, Chubb SA, Davis WA, Davis TM. The relationship between hypomagnesemia, metformin therapy and
cardiovascular disease complicating type 2 diabetes: the Fremantle Diabetes Study. PloS One, 8 (9): e74355,
2013
#247.19{sidhVYCy6Yt}
Pierrot-Deseilligny C, Rivaud-Péchoux S, Clerson P et al. Relationship between 25(OH)D serum level and relapse
rate in multiple sclerosis patients before and after vit​amin D supplementation. Ther Adv Neurol Disord, 5 (4): 187–
198, 2012
#247.20{sidpIureKst}
Prasad VN et al. Folic acid and phenytoin induced gingival overgrowth – is there a preventive effect. J Indian Soc
Pedod Prev Dent, 22 (2): 82–91, 2004
#247.21{sidK8pzwJzh}
Rathman SC et al. Pharmacological biotin supplementation maintains biotin status and function in rats administered
dietary carbamazepine. J Nutr, 133 (9): 2857–2862, 2003
#247.22{sidSfah5o9S}
Rodriguez-Segade S et al. Carnitine deficiency associated with anticonvulsant therapy. Clin Chim Acta, 181 (2):
175–181, 1989
#247.23{sid9Y3bhhWI}
Said HM et al. Biotin transport in the human intestine: inhibition by anticonvulsant drugs. Am J Clin Nutr, 49 (1): 127–
131, 1989
#247.24{sidduklDn67}
Schöttker B, Haug U, Schomburg L et al. Strong associations of 25-hydroxyvit​amin D concentrations with all-cause,
cardiovascular, cancer, and respiratory disease mortality in a large cohort study. Am J Clin Nutr, 97 (4): 782–793,
2013
#247_248{sidEba3HPQn}
Schöttker B, Jorde R, Peasey A et al. Consortium on Health and Ageing: Network of Cohorts in Europe and the
United States. Vitamin D and mortality: meta-analysis of individual participant data from a large consortium of
cohort studies from Europe and the United States. BMJ, 348: g3656, doi: 10.1136/bmj.g3656, 2014
#248.01{sidQhVeQpdq}
Schulpis KH et al. Low serum biotinidase activity in children with valproic acid monotherapy. Epilepsia, 42 (10):
1359–1362, 2001
#248.02{sidR2vjhvY8}
Seligmann H et al. Phenytoin-folic acid interactions: a lesson to be learned. Clin Neuropharmacol, 22 (5): 268–272,
1999
#248.03{sidwzJ2aOCi}
Soilu-Hänninen M, Aivo J, Lindström BM et al. A randomised, double blind, placebo controlled trial with vit​amin D3 as
an add on treatment to interferon β-1b in patients with multiple sclerosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry, 83 (5):
565–571, 2012
#248.04{sidyoZBQzxa}
Solowiej E, Sobaniec W. The effect of antiepileptic drug therapy on antioxidant enzyme activity and se-rum lipid
peroxidation in young patients with epilepsy. Neurol Neurochir Pol, 37 (5): 991–1003, 2003
#248.05{sidVsWyaziF}
Tucker KL. Low plasma vit​amin B12 is associated with lower BMD: the Framingham Osteoporosis Study. J Bone
Miner Res, 20 (1): 152–158, 2005
#248.06{sideSjh4zYa}
van Groningen L, Opdenoordt S, van Sorge A et al. Cholecalciferol loading dose guideline for vitamin D-deficient
adults. Eur J Endocrinol, 162: 805–811, 2010
#248.07{sidikRe6xKZ}
van Meurs JB et al. Homocysteine levels and the risk of osteoporotic fracture. N Engl J Med, 350 (20): 2033–2041,
2004
#248.08{sidNYwxdrup}
van Orten-Luiten AC, Janse A, Dhonukshe-Rutten RA et al. Vitamin D deficiency as adverse drug reaction? A crosssectional study in Dutch geriatric outpatients. Eur J Clin Pharmacol, 72 (5): 605–614, 2016
#248.09{sid53wuAyyp}
Wacker M, Holick MF. Vit​amin D-Effects on skeletal and extraskeletal health and the need for supplementation.
Nutrients, 5 (1): 111–148, 2013
#248.10{sid8aKuEDHU}
Waltl H et al. Hämorrhagische Diathese bei einem Neugeborenen einer Mutter mit antiepileptischer Therapie. Dtsch
Med Wschr, 99: 1315–1317, 1974
#248.11{sidx1eJcu2O}
Wegner C et al. Alteration of embryonic folate metabolism by valproic acid during organogenesis: Implications for
mechanism of teratogenesis. Neurology, 42 (Suppl.5): 17–24, 1992
#248.12{sidL2HmBihw}
Wilmore LJ et al. Recurrent seizures induced by cortical iron injection: a model of posttraumatic epilepsy. Ann
Neurol, 4: 329, 1978
#248.13{sidmjis9tU4}
Wilmore LJ, Rubin JJ. Antioxidant pretreatment and iron-induced epileptiform discharges in the rat: EEG and
histopathologic studies. Neurology, 31: 63, 1989
#248.14{sidsrovCiC5}
Zheng Y, Zhu J, Zhou M et al. Meta-analysis of long-term vitamin D supplementation on overall mortality. PLoS One, 8
(12): e82109, doi:10.1371/journal.pone.0082109. eCollection, 2013
#248.15{sidhOzvNXP3}
Zittermann A, Pilz S, Hoffmann H, März W. Vitamin D and airway infections: a European perspective. Eur J Med
Res, 21: 14, doi: 10.1186/s40001-016-0208-y, 2016
#249.01{sidRAIGkrlx}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
16 Antihypertonika
#249.02{sidLk90qR5N}
In jeder Lebensdekade besteht eine enge und unabhängige Korrelation zwischen der Höhe des Blutdrucks und
dem Entstehen von atherosklerotischen Erkrankungen. In Deutschland leiden über 50 % der 35- bis 64-Jährigen
an einer arteriellen Hypertonie (> 139/89 mm Hg), einem wesentlichen Schrittmacher für die Entwicklung einer
Atherosklerose. Bluthochdruck begünstigt das Auftreten von Apoplexie, Demenz, Myokardinfarkt,
Nierenversagen, peripherer arterieller Verschlusskrankheit sowie eine Myokardhypertrophie und damit das
Risiko einer Herzinsuffizienz. Kontrollierte klinische Studien belegen, dass eine antihypertensive Therapie auch
im Alter die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität senkt.
#249.03{sid7b430x25}
Für die medikamentöse Hochdrucktherapie steht heute, der komplexen Blutdruckregulation entsprechend, eine
große Zahl von Arzneistoffen mit vielfältigen Angriffspunkten zur Verfügung. Zu den eingesetzten Mitteln (nicht
mehr alle aufgeführten sind 1. Wahl, z. B. Ca-Antagonisten) zählen Thiazide, Betablocker, ACE-Hemmer, AT1Blocker und Calciumantagonisten. Bei der Verordnung von Antihypertonika werden Interaktionen mit dem
Elektrolythaushalt häufig übersehen. ACE-Hemmer und Diuretika (▸ Kap. 21) besitzen aufgrund ihres
Wirkmechanismus ein hohes Interaktionspotenzial mit Magnesium, Kalium und anderen Elektrolyten.
#249.04{sidzLWGJFcD}
16.1 Antihypertonika und Kaliumhaushalt
#249.05{sidwz2lfyPe}
Nach der Veröffentlichung der RALES-Studie über die günstigen Effekte von Spironolacton bei der Herzinsuffizienz
ist die Verordnungshäufigkeit des kaliumsparenden Diuretikums in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen.
Die RALES-Studie hatte ergeben, dass die Einnahme von Spironolacton zusätzlich zur Standardtherapie mit einem
ACE-Hemmer, Diuretikum oder Herzglykosid bei der schweren Herzinsuffizienz die Mortalität verringert.
#249.06{sidp8hRxBzk}
Allerdings besteht die Gefahr einer Hyperkaliämie (Kaliumserumspiegel > 5,0 mmol/l), wenn Spironolacton mit
einem ACE-Hemmer oder AT1-Blocker kombiniert wird. Hyperkaliämien treten dementsprechend häufig bei
Patienten mit Herzinsuffizienz auf, die neben der Therapie mit einem ACE-Hemmer ein Spironolactonpräparat
erhalten. Die möglichen Folgen für die Patienten können gravierend sein. Sie reichen von neuromuskulären
Symptomen (z. B. Muskelschwäche, schwere Beine) über Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand. Unter
einer Therapie mit Spironolacton sollte daher grundsätzlich der Kaliumserumspiegel kontrolliert werden,
insbesondere dann, wenn Spironolacton mit anderen Arzneimitteln, die zusätzlich die Entwicklung einer
Hyperkaliämie begünstigen können, kombiniert wird (□ Tab. 16.1).
#250.01{sidFRKjGhXu}
Tab. 16.1 Arzneimittel, die eine Hyperkaliämie verursachen bzw. begünstigen können
#250.02{sidZdRYHh4e}
Arzneistoff (Beispiel)
Arzneimittelgruppe
#250.03{sid61b66e3V}
ACE-Hemmer
#250.04{sidNBWkmSa7}
Analgetika/NSAID
#250.05{sidrpBsSlhB}
Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonsiten (AT1-Blocker, Sartane)
#250.06{sids8ItkXcx}
Antibiotika (Sulfonamide)
#250.07{sidDlCVbQ0n}
Antikoagulanzien
#250.08{sidHWr7j3A9}
Antimykotika (Polyenantimykotika)
#250.09{sid00eRHmlI}
Herglykoside (bei Intoxikationen)
#250.10{sidmw4QkFRh}
Immunsuppressiva
#250.11{sidTwtBe3SO}
Kaliumsparende Diuretika
#250.12{sid9YQdroh0}
Mineralstoffpräparate
Captopril, Enalapril. Fosinopril
Indometacin, Ibuprofen
Losartan, Valsartan, Candesartan
Cotrimoxazol (Trimethoprim + Sulfametoxazol)
Heparine
Amphotericin B
Digoxin, Digitoxin
Ciclosporin, Tacrolimus
Spironolacton, Triamteren, Amilorid
Kaliumchlorid, -citrat
#249.07{sid6MV0tK0Y}
Die Kombination eines ACE-Hemmers mit dem Antibiotikum Cotrimoxazol steigert ebenfalls das Risiko für eine
Hyperkaliämie. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit mit Triamteren, einem kaliumsparenden Diuretikum, kann auch
Trimethoprim den Kaliumspiegel erhöhen. Bei Patienten, die ACE-Hemmer einnehmen und aufgrund einer
Harnwegsinfektion mit Cotrimoxazol behandelt werden, empfiehlt es sich den Kaliumspiegel sorgfältig zu
überwachen.
#249.08{sidwQDAnI3a}
Ein erhöhtes Risiko für eine medikationsbedingte Hypokaliämie (Kaliumserumspiegel < 3,5 mmol/l) besteht vor
allem unter der Therapie mit Thiaziden und Schleifendiuretika (□ Tab. 16.2). Auch Mineralstoffstörungen (z. B.
Hypomagnesiämie) können zu einer Hypokali​ämie führen.
#250.13{sidfd1wpIeK}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 16.2 Arzneimittel, die eine Hypokaliämie verursachen bzw. begünstigen können
#250.14{sidb41Ye2tn}
Arzneistoff (Beispiel)
Arzneimittelgruppe
#250.15{sidgBPcgWHv}
Antiasthmatika (Bronchospasmolytika)
#250.16{sidFoo6zJ4s}
Antibiotika (Aminoglykoside)
#250.17{sid3AHzQcSg}
Antibiotika (Penicilline, hohe Dosierung)
#250.18{sidtqZW74hs}
Cortisone (hohe Dosierung)
#250.19{sidcx1XS0fl}
Diuretika (Thiazide)
#250.20{sidOKDo3fyV}
Diuretika (Schleifendiuretika)
#250.21{sidovfimZUu}
Laxanzien
#250.22{sidO5DWBbeN}
Mineralocorticoide
#250.23{sid8eFec75S}
Nahrungsmittel (Lakritz, größere Mengen)
#250.24{sidbwmSKB8w}
Zytostatika (Platinkomplexe)
Theophyllin, Fenoterol, Terbutalin
Streptomycin, Gentamicin
Ampicillin, Amoxicillin
Cortison, Hydrocortison (Cortisol)
Hydrochlorothiazid, Xipamid, Indapamid, ​Chlortalidon
Furosemid, Torasemid, Piretanid, Bumetanid
Bisacodyl, Natriumpicosulfat, Anthrachinon​drogen
Fludrocortison
Glycyrrhetinsäure, siehe ▸ Kap. 2.5
Cisplatin
#251.01{sidfMshJKGW}
16.1.1 ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten und Kalium
#251.02{sidnF8R71E6}
Gefahr der Hyperkaliämie bei unkontrollierter Selbstmedikation mit Kaliumpräparaten
#251.03{sidnumnaJot}
Mechanismus: Additive Kaliumretention bei Einnahme von Kalium unter blutdrucksenkender Therapie mit ACEHemmern (z. B. Captopril) oder AT1-Antagonisten (z. B. Losartan).
#251.04{sideXgEDE4S}
Folgen: Hyperkaliämie (Serumkaliumspiegel > 5,0 mmol/l); Bradykardien, Arrythmien, Parästhesien,
Muskelschwäche (z. B. schwere Beine).
#251.05{sidwY0AIvGJ}
Hinweis: Unter der Bluthochdrucktherapie mit ACE-Hemmern oder AT1-Antagonisten sollte eine unkontrollierte
Einnahme hochdosierter Kaliumpräparate (> 600 mg tgl.) im Rahmen der Selbstmedikation vermieden werden.
#251.06{sidNKs3mTna}
16.2 Antihypertonika und andere Arzneistoffe/Mikronährstoffe
#251.07{sidYw3nKHOU}
16.2.1 ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten und Lithium
#251.08{sidRTItXoFG}
Verringerung der renalen Lithium-Clearance
#251.09{sidTN1yDLjh}
Mechanismus: ACE-Hemmer und AT1-Antagonisten verringern die renale Ausscheidung von Lithium.
#251.10{sidR8hDWiAi}
Folgen: Anstieg der Lithiumspiegel im Organismus; erhöhtes Risiko für neurotoxische (z. B. Tremor) und
kardiotoxische (z. B. Arrhythmien) Wirkungen des Lithiums.
#251.11{sidWXYmrfFl}
Hinweis: Bei Patienten, die mit Lithiumsalzen therapiert werden und zusätzlich zur Blutdruckkontrolle einen ACEHemmer oder AT1-Antagonisten erhalten, sollte der Lithium-Serumspiegel engmaschig kontrolliert werden und
gegebenenfalls eine Dosisanpassung erfolgen.
#251.12{sidBkaOii59}
16.2.2 AT1-Antagonisten und Zink
#251.13{sidUM6BtPTX}
Renale Zinkverluste unter Losartan und Losartan/HCT
#251.14{sidLsTU6PUP}
Mechanismus: Erhöhte renale Zinkexkretion durch 50 mg Losartan, insbesondere unter die Fixkombination von 50
mg Losartan/12,5 mg HCT.
#251.15{sidmNmOZqar}
Folgen: Abfall der Zinkspiegel im Blut und in den peripheren mononukleären Blutzellen (z. B. Monozyten, T-Zellen),
bei Langzeitmedikation erhöhtes Risiko für Störungen des Zinkstatus mit unspezifischen Zinkmangelsymptomen (z.
B. Infektanfälligkeit).
#251.16{sidFR1Aa7lt}
Hinweis: Bei Langzeitmedikation mit Losartan, insbesondere Kombinationen mit einem Diuretikum sollte
begleitend Zink (z. B. 15 mg Zink/d, p. o.) supplementiert werden, um medikationsbedingten Störungen des
Zinkhaushalts entgegenzuwirken.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#251.17{sidbo8jJpuK}
16.2.3 Antihypertonika und Magnesium
#251.18{sidKiSnDoKR}
Dosisabhängige Senkung des Blutdrucks durch Magnesium unterstützt antihypertensive Medikation
#251.19{sidlWLoEEgx}
Mechanismus: Additive blutdrucksenkende Wirkung; als natürlicher Calciumantagonist wirkt Magnesium
gefäßerweiternd und blutdrucksenkend; die kardiale Bioenergetik und Endothelfunktion wird verbessert und die
Bioverfügbarkeit des gasförmigen Neurotransmitters Stickstoffmonoxid (→ antithrombotisch, vasodilatatorisch)
durch Magnesium erhöht.
#251.20{sidi23RBYey}
Folgen: Der Bedarf an antiyhypertensiv wirksamen Medikamenten kann verringert und medikationsbedingte
Magnesiumverluste (z. B. durch Diuretika) durch Supplementierung von Magnesium kompensiert werden.
#251.21{sidmYiqsEXj}
Hinweis: Neben der klassischen antihypertensiven Therapie (z. B. ACE-Hemmer, Calciumantagonisten, Diuretika)
kann die Supplementierung von Magnesium (z. B. 4–6 mg Magnesium pro kg Körpergewicht pro Tag) den Bedarf
an Antihypertonika verringern sowie die kardiale und vaskuläre Funktion verbessern. Optimale therapeutisch
wirksame Magnesiumserumspiegel liegen bei etwa ≥ 0,85 mmol/l (Referenz: 0,76–1,15 mmol/l).
#252.01{sid257INng3}
Studien: Eine aktuelle Metaanalyse (○Abb. 16.1) belegt, dass der blutdrucksenkende Effekt von oral zugeführtem
Magnesium dosisabhängig ist. Dabei waren Dosierungen von 20–40 mmol pro Tag (= 486–927 mg Magnesium tgl.)
antihypertensiv wirksam. Mit jeder Zunahme der Magnesiumdosis um 10 mmol pro Tag sank der systolische
Blutdruck um 4,3 mm Hg und der diatolische Blutdruck um 2,3 mm Hg. Die Erfassung des Magnesiumstatus in einer
Studie an Patienten mit Hypertonie, die zuvor über sechs Monate mit einem ACE-Hemmer, Betablocker,
Calciumantagonisten oder einem Diuretikum behandelt wurden, ergab gegenüber Kontrollen signifikant reduzierte
Magnesiumserumspiegel. Die Supplementierung von Magnesium (326 mg tgl., p. o.) führte neben einem hoch
signifikanten Anstieg der Magnesiumkonzentrationen im Serum zu einer durchschnittlichen Abnahme des
systolischen Blutdrucks um 15–20 mm Hg und des diastolischen Blutdrucks um 5–9 mm Hg. Auch die Häufigkeit von
typischen Beschwerden, wie unregelmäßiger Herzrhythmus, Herzschmerzen, Schlafstörungen, Reizbarkeit oder
Nervosität nahm nach Berichten der Patienten unter Magnesium ab.
#252.02{sidelVbPHOj}
Abb. 16.1 Magnesium senkt dosisproportional den diastolischen und systolischen Blutdruck.
#252.03{sid2eZVgJJB}
Die in der Bluthochdrucktherapie eingesetzten Diuretika (z. B. Hydrochlorothiazid, HCT) steigern zusätzlich den
Verlust an Magnesium. Da Magnesium für die Steuerung des Insulins wichtig ist, können Diuretika den Zucker- und
Fettstoffwechsel bis hin zur Entstehung eines Typ-2-Diabetes verschlechtern. In einer aktuellen randomisierten
Doppelblind-Studie an Frauen (Alter 40–65 Jahre) mit Bluthochdruck unter der Therapie mit Hydrochlorothiazid
(HCT) führte die Supplementierung mit Magnesium (600 mg/d als organisch gebundenes Mg-Chelat) gegenüber
Placebo nach 6 Monaten zu einer signifikanten Reduktion des systolischen Blutdrucks (144 ± 17 versus 134 ± 14
mmHg, p = 0,036) sowie einer signifikanten Reduktion des diastolischen Blutdrucks (88 ± 9 versus 81 ± 8 mmHg, p
= 0,005). Zusätzlich konnte im Vergleich zu Placebo eine signifikante Verbesserung der flussvermittelten
Vasodilatation (FMD) als Zeichen einer besseren Endothelfunktion durch Magnesium nachgewiesen werden.
#252_253{sidMeeTarjT}
In einer eigenen Beobachtungsstudie an 21 Patienten mit hypertensiver Herzerkrankung und Herzinsuffizienz NYHA
III-IV wurde der Einfluss von Magnesiumorotat (3× 2 610 mg Magnesiumorotat/d p. o.) auf die Blutdruck- und die NTproBNP-Werte untersucht. Bereits nach 7 Tagen sanken dabei die Blutdruckwerte (vorher: 145 ± 3,4 syst/91,2 ± 5,3
mmHg, versus nachher 134 ± 4,0 syst/84,5 ± 2,8 mmHg) und die NT-proBNP-Werte (4,761 ± 2,114 pg/ml auf 3,516
± 2,1, p < 0,01) signifikant in der Magnesium-Gruppe (n = 11). Zudem gaben 7 von 11 Patienten in dieser Gruppe
eine Verbesserung der Lebensqualität an.
#253.01{sid4O2Od5YZ}
Eine weitere Metaanalyse von 12 randomisierten, kontrollierten Studien ergab, dass eine 8–26-wöchige
Magnesiumsupplementierung bei 545 hypertonen Teilnehmern den systolischen Blutdruck nicht signifikant reduzierte
(mittlerer Unterschied: – 1,3 mmHg, 95 % CI: – 4,0 bis 14,5, I(2) = 67 %), wohl aber zu einer signifikanten Senkung
des diastolischen Blutdrucks führte (mittlerer Unterschied: – 2,2 mmHg, 95 % CI: – 3,4 bis – 0,9, I(2) = 47 %). Eine
vor kurzem publizierte Metaanalyse von 22 Studien mit 1 173 normotonen und hypertonen Erwachsenen folgerte,
dass eine Magnesiumsupplementierung über einen Nachbeobachtungszeitraum von 3–24 Wochen den systolischen
Blutdruck um 3–4 mmHg und den diastolischen Blutdruck um 2–3 mmHg senkte. Die zusätzlich verabreichte
Magnesiumdosis lag zwischen 120–973 mg/Tag. Die Effekte waren etwas stärker, wenn die Teilnehmer mehr als
370 mg/Tag einnahmen.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#253.02{sidYcKIswrM}
In einer aktuellen Metaanalyse wurden 44 Humanstudien ausgewertet, in denen Magnesium wegen Hypertonie oral
supplementiert wurde und die entsprechend Hypertoniestatus, Magnesiumdosis und Einnahme von Antihypertonika
geordnet wurden. Unter der Supplementierung mit Magnesium wurde eine signifikante Blutdrucksenkung festgestellt,
wobei in einigen Studien keine Wirkung des Magnesiums beobachtet wurde. Aus dieser Metaanalyse wurde eine
einheitliche Teilgruppe von 7 Studien mit 135 Hypertonikern, die seit mindestens 6 Monaten kontinuierlich mit
blutdrucksenkenden Arzneimitteln behandelt wurden, eine Auswaschphase von nicht mehr als 2 Wochen durchliefen
und bei denen ein durchschnittlicher systolischer Ausgangsblutdruck (RR syst.) von > 155 mmHg vorlag, getrennt
ausgewertet. Es ergab sich eine durchschnittliche Veränderung von – 18,7 mmHg (95 % CI = – 14,95 bis – 22,45, p
< 0,0001) und eine Effektstärke (Cohen‘s d) gleich 1,19, d. h., ein großer und hochsignifikanter Effekt. Die
Auswertung derselben 7 Studien hinsichtlich des diastolischen Blutdrucks (RR diast.) zeigte eine durchschnittliche
Veränderung des RR diast. von – 10,9 mmHg (95 % CI = – 8,73 bis – 13,1), p < 0,0001), mit einer Effektstärke
(Cohen‘s d) gleich 1,19.
#253.03{sidDl8n8W5j}
Kürzlich wurden bei Borderline-Hypertonie niedrige intrazelluläre Magnesiumkonzentrationen beschrieben. Bei
Patienten mit leichter unkomplizierter Hypertonie bzw. mit Borderline-Hypertonie können die Blutdruckwerte durch
eine Magnesiumbehandlung normalisiert werden. Die Supplementierung mit Magnesium könnte außerdem bei
aerobem Sport und Widerstandstraining eine positive Wirkung auf den systolischen Blutdruck in Ruhe und in der
Erholungsphase haben. Die Magnesiumsupplementierung kann mithelfen, den Blutdruck zu kontrollieren und die
durch Hypertonie bedingten kardiovaskulären Risikofaktoren (z. B. Atherosklerose) zu reduzieren. Dies gilt vor allem
für Hypertoniker, die aufgrund einer chronischen Einnahme von Diuretika, unzureichender Zufuhr oder beidem,
entleerte Magnesiumspeicher haben.
#253.04{sidpMR2WvXI}
Magnesium ist zudem wichtig für die enzymatische Aktivierung des Sonnenvitamins D zum Sonnenhormon
(1,25(OH)2D) und seine Wirkung über Vitamin-D-Rezeptoren. Dabei reguliert Magnesium durch drei Enzyme den
Vitamin-D-Haushalt im Körper: Die 25-Hydroxylase, die 1-alpha-Hydroxylase und die 24-Hydroxylase. Die 24Hydroxylase kann 25(OH)D und 1,25(OH)2D durch Einfügen einer weiteren OH-Gruppe in Position 24 zu
24,25(OH)2D und 1,24,25(OH)3D abbauen. Im Tierversuch führt ein Magnesiummangel zu einer verminderten
Aktivität der 1-alpha-Hydroxylase und einer erhöhten Aktivität der 24-Hydoxylase in den Nieren. Ein Mangel an
Magnesium ist infolgedessen mit einer Hypovitaminose D verbunden.
#254.01{sid246x7EWK}
16.2.4 Antihypertonika und Vit​amin D
#254.02{sidQVdkX014}
Vit​amin D unterstützt antihypertensive ​Wirkung
#254.03{sidkWyS9TDX}
Mechanismus: Der Vit​amin-D-Status korreliert invers mit dem Blutdruck, hs-CRP, TNF-α und NT-proANP; die
Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems wird durch Vit​amin D supprimiert; die Aktivität der Adenylatcyclase in
den Kardiozyten ist abhängig von Calcitriol. Eine verminderte Aktivität ist infolge einer intrazellulären Akkumulation
von Calcium mit einem Blutdruckanstieg und erhöhten Gefäßreaktivität assoziiert.
#254.04{sidyUwQyvhO}
Folgen: Optimaler Vit​amin-D-Status (25(OH)D: 40–60 ng/ml) kann die Blutdruckregulation bei Hypertonikern
optimieren und den Bedarf an Antihypertonika verringern.
#254.05{sidXOvONH4d}
Hinweis: Ein Mangel an Vitamin D (25(OH)D: < 20 ng/ml) ist bekanntlich ein unabhängiger Risikofaktor für
Bluthochdruck sowie für die allgemeine und kardiovaskuläre Mortalität. In seiner hormonaktiven Form 1,25(OH)2D
greift das Sonnenhormon über Wechselwirkung mit Vitamin-D-Rezeptoren in der Gefäßwand in die
Blutdruckregulation ein und wirkt Entzündungsprozessen entgegen. 1,25(OH)2D senkt die übermäßige
Calciumaktivität in der Gefäßzelle und verbessert hierüber die Elastizität der Gefäßwand. Darüber hinaus verringert
1,25(OH)2D die Synthese des gefäßverengenden und blutdruckerhöhenden Hormons Renin. Als natürlicher
Gegenspieler hält Vitamin D (VD) zudem das atherothrombotisch wirkende Parathormon in Schach. Grundsätzlich
sollte bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Hypertonie) der Vitamin-D-Status kontrolliert und durch gezielte
Supplementierung (z. B. 40–60 I. E. Vitamin D/d pro kg Körpergewicht pro Tag, p. o.) kompensiert werden.
#254.06{sid2rcGbpwz}
Das Renin-Angiotensin-System spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation des Blutdrucks, der Elektrolyte und der
Volumenhomöostase. Renin ist eine Protease, die in den juxta-glomerulären Zellen der Niere gebildet und dort ans
Blut abgegeben wird. Es spaltet aus dem Glykoprotein Angiotensinogen das Angiotensin I ab. Durch eine weitere
Peptidase, das sog. Angiotensin Converting Enzym (ACE), wird ein Dipeptid von Angiotensin I abgespalten, sodass
Angiotensin II entsteht. Die Umwandlung von Angiotensin I in Angiotensin II erfolgt vor allem an den
Gefäßendothelien. Im Tierversuch zeigte sich, dass Vit​amin-D-Mangel über eine Wechselwirkung mit dem ReninAngiotensin-System den Blutdruck erhöht. Bei genetisch veränderten Mäusen, sog. Vit​amin-D-Rezeptor-NullMäusen, die kein Vit​amin D synthetisieren können, wird eine drastisch erhöhte Renin-Expression, Aktivität des
Renin-Angiotensin-Systems und Angiotensin-II-Produktion beobachtet (○Abb. 16.2). Die Mäuse entwickelten eine
Hypertonie, kardiale Hypertrophie und Ödeme. Auch bei normalen Mäusen konnten ähnliche Beobachtungen
gemacht werden. Eine Hemmung der Vit​amin-D-Biosynthese führte zu einem Anstieg der Renin-Expression,
während die Injektion von Calcitriol die Renin-Expression supprimierte. Vit​amin D hat einen regulierenden Einfluss
auf die Herzmuskelleistung, die myokardiale Calcium-Homöostase und den Blutdruck.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#255.01{sidOvVmOc9h}
Abb. 16.2 Einfluss von Calcitriol auf die Blutdruckregulation (Modell)
#254.07{sidmxVHIEvu}
Studien: Epidemiologische und klinische Studien lassen seit Langem eine Assoziation vermuten zwischen
niedrigem 25(OH)Vit​amin-D-Spiegel und Hypertonie bzw. einer erhöhten Plasma-Renin-Aktivität. Die Auswertung
verschiedener Kohorten-Studien ergab, dass bei einem 25(OH)D-Status < 15 ng/ml gegenüber ≥ 30 ng/ml bei
Männern das Risiko für Bluthochdruck sechsfach und bei Frauen 2,5-fach steigt (▸ Kap. 15.1.)
#254.08{sidzL20beeJ}
In älteren Metaanalysen führen Vitamin D2 und Vitamin D3 im Vergleich zu Placebo zu einer nicht signifikanten
Senkung des systolischen Blutdrucks von –3,6 mmHg (–3,6 mmHg, 95 % CI: –8,0 bis 0,7). und zu einer signifikanten
Senkung des diastolischen Blutdrucks von –3,1 mmHg (–3,1 mmHg, 95 % CI: –5,5 bis 0,6).
#254_255{sidB3wZpZlF}
In einer aktuellen Interventionsstudie erhielten hypertensive Patienten mit Hypovitaminose D (< 20 ng/ml) im
Vergleich zu einer Kontrollgruppe 8 Wochen lang 50 000 I. E. Vitamin D/Woche. Nach 8 Wochen normalisierte sich
der 25(OH)D-Status bei allen Patienten unter der Supplementierung. Darüber konnte gezeigt werden, dass Vitamin
D die Aktivität des Renins im Plasma signifikant senkt (1,17 ± 0,3 vs 1,51 ± 0,4 ng/ml per h, p = 0,02) als auch die
Reninspiegel (13,4 ± 1,7 vs 19,2 ± 2,9 pg/ml, p < 0,001) und Angiotensin-II-Spiegel (11,6 ± 1,6 vs 15,8 ± 2,7 pg/ml, p
= 0,02). Als Zeichen einer besseren Endothelfunktion wurde zusätzlich eine signifikante Verbesserung der
flussvermittelten Vasodilatation, FMD (4,4 ± 2,6 vs 3,3 ± 2,1 %, p < 0,05) beobachtet (○ Abb. 16.3).
#256.01{sidzsGzRByj}
Abb. 16.3 Antihypertonika, Magnesium und Vitamin D
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#255.02{sidUOI4yHgC}
16.2.5 Antihypertonika und Pycno​genol
#255.03{sidZzbiJGzx}
Pycnogenol verringert den Bedarf an Antihypertonika (z. B. Nifedipin)
#255.04{sidRmyovStA}
Mechanismus: Der standardisierte OPC-Extrakt Pycnogenol steigert aufgrund seiner antioxidativen und
antientzündlichen Eigenschaften die Bioverfügbarkeit von NO und Aktivität der endothelialen NO-Synthase (eNOS);
die Thromboxan A2- und Endothelin-1-Spiegel werden gesenkt; die Mikrozirkulation verbessert, erhöhte
Blutdruckwerte gesenkt; eine inhibierende Wirkung auf das Angiotensin-Konversions-Enzyms (ACE) konnte auch
beobachtet werden.
#255.05{sidKFJAEFw3}
Folgen: Die endothel- und koronarprotektiven Eigenschaften von Pycnogenol unterstützen die blutdrucksenkende
Wirkung und verringern den Bedarf an Antihypertonika (z. B. Nifedipin).
#255.06{sidU32U3hkb}
Hinweis: Die begleitende Einnahme von Pycnogenol (100–300 mg/d, p. o.) kann die Effektivität einer
antihypertensiven Therapie erweitern und den Bedarf an Antihypertonika senken.
#255_256{sidxowfHQtn}
Cave: Im Hinblick auf den Einfluss des Pycnogenols auf die NO-Bioverfügbarkeit und das AngiotensinKonversions-Enzym muss davon ausgegangen werden, dass der Polyphenol-Extrakt den blutdrucksenken Effekt der
Antihypertonika (z. B. ACE-Hemmer) ohne entsprechende Dosisanpassung so weit verstärkt, dass eine Hypotonie
(Symptome: Schwindel, Ohrensausen, Kopfschmerzen) begünstigt wird.
#256.02{sidREu0J1wd}
16.2.6 Antihypertonika und L-Arginin
#256.03{siddr1hKibZ}
L-Arginin verringert den Bedarf an Antihypertonika
#256.04{sids3HM9VAV}
Mechanismus: L-Arginin ist die Vorstufe des gasförmigen Neurotransmitter Stickstoffmonoxid NO (→ Biosynthese
aus L-Arginin über ​endotheliale NO-Synthase, ○Abb. 16.4, ○Abb. 16.5): NO-Bioverfügbarkeit ↑, Vasodilatation,
Thrombozytenaggregation ↓, Adhäsion von Monozyten and Endothelzellen und Proliferation von glatten
Gefäßmuskelzellen ↓, ADMA:Arginin-Ratio ↓
#257.01{sidAigPGkPg}
Abb. 16.4 Biosynthese von Stickstoffmonoxid aus L-Arginin. 1. Umwandlung von L-Arginin in Stickstoffmonoxid (NO) durch das
Enzym endotheliale NO-Synthase (ecNOS). 2. Wanderung (Diffusion) von NO aus der Endothelzelle in die glatte
Gefäßmuskulatur. 3. Aktivierung des Enzyms lösliche Guanylatcyclase durch NO und Bildung des Botenstoffes cyclo
Guanosinmonophosphat (cGMP). 4. NO-bedingte Gefäßerweiterung. 5. Schnelles abfangen und inaktivieren von NO durch
Sauerstoffradikale bzw. oxidativen Stress
#256.05{sidletkzoEU}
Folgen: Die endothel- und koronarprotektiven Eigenschaften von L-Arginin unterstützen die blutdrucksenkende
Wirkung und verringern den Bedarf an Antihypertonika.
#257.02{sid2ux0CFB4}
Hinweis: Die begleitende Einnahme von L-Arginin (z. B. 2–3 × 2 g L-Arginin/d, p. o.) kann die Effektivität einer
antihypertensiven Therapie erweitern und den Bedarf an Antihypertonika senken.
#257.03{sidR5vTtSDJ}
Cave: Bei Erkrankungen (z. B. Hypertonie, Diabetes mellitus), die mit einer erhöhten Belastung an SuperoxidanionRadikalen einhergehen sollte auf eine adäquate Versorgung mit Antioxidanzien wie Vit​amin C oder Pycnogenol
geachtet werden, da L-Arginin als Vorläufer von NO mit Superoxidradikalen reagieren und die Produktion von
Peroxynitrit (→ nitrosativer Stress) anregen kann. Omega-3-Fettsäuren, Coenzym Q10, Folsäure und Vit​amin B12
unterstützen die Endothelprotektive Wirksamkeit von L-Arginin.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#258.01{sido5Ix5NX0}
Abb. 16.5 Störung der Endothelfunktion durch ADMA
#257.04{sid4CzqQQH7}
16.2.7 ACE-Hemmer und Zink
#257.05{sidKhNqU1lK}
Renale Zinkverluste durch Captopril und Enalapril
#257.06{sidTEFJscMi}
Mechanismus: Komplexierung von Zink durch Captopril (mit Sulfhydryl-(-SH)Gruppe) oder Enalapril (mit
Carboxyalkyl-Gruppe-(COOR)Gruppe) und vermehrte renale Ausscheidung.
#257.07{sidzdCq7L0a}
Folgen: Erhöhte renale Zinkexkretion; Abfall der intrazellulären Zinkkonzentrationen in den Erythrozyten und
Monozyten (vor allem bei Captopril). Verminderung/Verlust der Geschmacksempfindung, Appetitlosigkeit, oder
Exantheme können mit einer Störung des Zinkhaushalts in Zusammenhang stehen.
#257_258{sidesILIE5J}
Hinweis: Unter einer blutdrucksenkenden Therapie mit ACE-Hemmern (v. a. Captopril, Enalapril) ist eine adäquate
Zinkversorgung (z. B. 20 mg Zn tgl., p. o.) empfehlenswert, um medikationsbedingte Störungen des Zinkhaushalts zu
vermeiden. Insbesondere bei Diabetikern mit Bluthochdruck, die einen erhöhten Zinkbedarf aufweisen können, sollte
an die Supplementierung von Zink gedacht werden. Die Einnahme eines Zinkpräparats sollte zeitlich versetzt zum
ACE-Hemmer erfolgen.
#258.02{sid9zyCKOx7}
Captopril ist der einzige ACE-Hemmer mit einer Sulfhydryl-Gruppe, die gegenüber der Carboxylgruppe des
Enalaprils eine höhere Affinität zu zweiwertigen Metallionen wie Zink aufweist. Der renale Zinkexkretion und der
Abfall der intrazellulären Zinkkonzentrationen (Erythrozyten, Monozyten) sind daher bei Captopril stärker ausgeprägt
als beim Enalapril.
#259.01{sidWM9D3sSD}
16.2.8 Antihypertonika und Coenzym Q10
#259.02{sidel31uLbS}
Antihypertonika können Coenzym-Q10-Status stören
#259.03{sidvcAQOlYm}
Mechanismus: Antihypertonika wie Clonidin, Diazoxid, Hydralazin, Hydrochlorothiazid und Metoprolol interferieren
mit Coenzym-Q10-abhängigen mitochondrialen Enzymkomplexen der Atmungskette (z. B. NADH: Coenzym-Q10Oxidoreduktase).
#259.04{sidZ567Gf2V}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Folgen: Störungen des mitochondrialen Energiestoffwechsels; möglicherweise Beeinträchtigung der kardialen
Bioenergetik.
#259.05{sidKrvnKCty}
Hinweis: Unter Therapie mit Antihypertonika kann eine adjuvante Gabe von Coenzym Q10 (2–10 mg/kg KG tgl., p.
o.) die kardiale Bioenergetik verbessern und den Bedarf an blutdrucksenkenden Arzneimitteln verringern. Der
Richtwert für therapeutisch wirksame Coenzym-Q10-Plasmaspiegel in der adjuvanten Therapie kardiovaskulärer
Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz, Bluthochdruck) dürfte nach einigen Studien bei ≥ 2,5 mg/l liegen. Für die
Erhöhung der Coenzym-Q10-Plasmaspiegel von 1 mg/l auf 2 mg/l ist eine Dosis von täglich mindestens 100 mg
Coenzym Q10 erforderlich.
#259.06{sidNUNXW2P5}
Timolol: Der Betablocker Timolol zählt zu den Mitteln der Wahl in der Therapie des Offenwinkelglaukoms. Obwohl
Timolol hierbei lokal (in 0,1–1%iger Lösung) appliziert wird, kann es zu den für Betablocker typischen systemischen
Nebenwirkungen am Herzen wie AV-Überleitungsstörungen oder Bradykardie kommen. Coenzym Q10 (z. B. 100
mg/d, p. o.) wirkt diesen negativ inotropen und chronotropen Effekten entgegen und kann die Verträglichkeit des
Timolols verbessern.
#259.07{sidsmPSLllh}
16.2.9 Dihydralazin und Vit​amin B6
#259.08{sidJH3iPdoH}
Vit​amin-B6-Mangel durch Dihydralazin
#259.09{sidV8yJrlZ9}
Mechanismus: Das in Kombinationsantihypertonika eingesetzte Dihydralazin ist ein Vit​amin-B6-Antagonist, der
mit Pyridoxal-5-Phosphat (P-5-P) einen Komplex (Hydrazon) bildet und vermehrt renal ausgeschieden wird;
Hemmung der Aktivität der Pyridoxal-Phosphatkinase.
#259.10{sidfc7IndpG}
Folgen: Abfall der P-5-P-Konzentrationen im Serum/Plasma bzw. Vollblut; Risiko für Vit​amin-B6-Mangel und
neurologische Störungen (z. B. Polyneuropathien).
#259.11{sidGmpeItYp}
Hinweis: Unter Therapie mit Kombinationsantihypertonika, die Dihydralazin oder Hydralazin enthalten, sollte auf
einen adäquaten Vit​amin-B6-Status geachtet werden. Eventuell auftretende Neuropathien sprechen in der Regel gut
auf Vit​amin-B6-Gaben an.
#259.12{sidQbjIP1XG}
16.2.10 Calciumantagonisten und Grapefruitsaft
#259.13{sid4dpEvDz8}
Grapefruitsaft erhöht die Blutspiegel von Calciumantagonisten
#259.14{sidAuzTbhac}
Mechanismus: Das wasserlösliche Furanocumarin Dihydroxy-Bergamottin aus dem Grapefruitsaft vermindert die
bei der Resorption im Darm erfolgende Metabolisierung von Calciumantagonisten (z. B. Nifedipin) durch die
Oxygenase CYP3A4 und erhöht dadurch die resorbierte Menge.
#259.15{sidQyzrkYrj}
Folgen: Anstieg der Wirkspiegel an Calciumantagonisten und verstärkte Blutdrucksenkung; erhöhte
Nebenwirkungsrate (z. B. Schwindel).
#259.16{sidQe42SnRI}
Hinweis: Unter einer Therapie mit Calciumantagonisten sollte Grapefruitsaft vermieden werden. Durch den
Konsum größerer Mengen Saft (≥ 500 ml tgl.) werden auch die für die CYP3A4-Hemmung verantwortlichen
Inhaltsstoffe vermehrt resorbiert und damit zusätzlich der Abbau des Calciumantagonisten in der Leber gehemmt.
#259.17{sidQ0sfTWbW}
16.2.11 Calciumantagonisten und ​Calcium
#259.18{sidQUXfkD7P}
Wirksamkeitsverlust von Calciumantagonisten durch hohe, v. a. parenterale ​Calciumgaben
#259.19{sidAaQaOt3e}
Mechanismus: Direkter pharmakodynamischer Antagonismus von Calcium mit Calciumantagonisten.
#260.01{sidjsO6FoZl}
Folgen: Verringerte antihypertensive und vasodilatatorische Wirksamkeit der Calciumantagonisten; Risiko für
Blutdruckanstieg.
#260.02{sidVGlM55xD}
Hinweis: Unter einer Therapie mit Calciumantagonisten sollten parenterale Calciumgaben nur unter ärztlicher
Blutdruckkontrolle erfolgen. Auch eine hochdosierte orale Calciumsubstitution (z. B. bei Sonnenallergie-Prophylaxe)
kann mit der antihypertensiven Wirksamkeit interferieren.
#260.03{sid6uoJh84q}
16.2.12 Kombinationen von ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten mit Hydrochlorothiazid
#260.04{sidDm1hT0Y3}
Erhöhte renale Verluste an wasserlöslichen Mikronährstoffen
#260.05{sidOkfWtB4I}
Dies betrifft z. B. die B-Vit​amine (siehe ▸ Kap. 21, Diuretika).
#260.06{sid2l1E5kaU}
16.2.13 ACE-Hemmer und Eisen
#260.07{sidrchp3XAu}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Eisen kann ACE-Hemmer-induzierten Reizhusten verringern
#260.08{sidHbcKR33j}
Mechanismus: Hemmung des Angiotensin-Conversions-Enzyms (ACE) führt zur Akkumulation von Kininen in der
Bronchialschleimhaut (Bradykinin kann trockenen Reizhusten auslösen); ACE-Hemmer erhöhen über Induktion der
induzierbaren NO-Synthase (iNOS) die Bioverfügbarkeit von NO (Stickstoffmonoxid) im Bronchialepithel, wodurch
zusätzlich die Reagibilität der Bronchien gesteigert wird; erhöhte Konzentrationen von nicht ferritingebundenem
Eisen verringern massiv die transkriptionelle Expression der iNOS.
#260.09{sidYgrH2UyG}
Folgen: Eisen hemmt Aktivität der iNOS und verringert NO-Generierung im Bronchialepithel.
#260.10{sidWZIrojka}
Hinweis: Eine kurzfristige Eisensupplementierung kann NO-Bildung im Bronchialepithel und damit den durch ACEHemmer ausgelösten Reizhusten verringern. Allerdings sollte eine Eisensubstitution, wenn überhaupt, nur zeitlich
begrenzt und unter Kontrolle der Serumferritin-Werte erfolgen, da Eisen ein starkes prooxidatives Potenzial
(Fenton–, Haber-Weiß-Reaktion) besitzt. Eine hohe Eisenaufnahme ist mit einem erhöhten Risiko für
kardiovaskuläre und neoplastische Erkrankungen assoziiert. In einer finnischen Studie war das Risiko für
Herzinfarkte bei mäßig erhöhten Eisenspeicherbeständen (Plasmaferritinkonzentration > 200 µg/l) um das Doppelte
(2,2-fache) erhöht.
#260.11{sid0TivbL2a}
Studien: Eine der häufigsten Nebenwirkungen der ACE-Hemmer (5–10 % der Behandelten) ist hartnäckiger
trockener Reizhusten. In einer randomisierten Studie an mit ACE-Hemmern therapierten Patienten führte die
Supplementierung von täglich 268 mg Eisensulfat über einen Zeitraum vom vier Wochen gegenüber Placebo zu
einer signifikanten Reduktion des trockenen Reizhustens. Bei einigen Probanden verschwand unter der
Eisentherapie der Husten vollständig. Dabei steigen die Serumferritinwerte unter der kurzfristigen Einnahme von
Eisen in der Verumgruppe (68,15 ± 32,86 p 86,03 ± 25,78 µg/l) nur marginal an und lagen nach der
Supplementierung unterhalb der Werte in der Placebogruppe (98,97 ± 41,58 µg/l).
#260.12{sidyAJJuq1e}
Literatur
#260.13{sidpAHGGEHK}
Alappan R et al. Hyperkalemia in hospitalized patients treated with trimethoprim-sulfamethoxazole. Ann Intern Med,
124: 316–320, 1996
#260.14{sidozWS668p}
Braun LA, Rosenfeldt F. Pharmaco-nutrient interactions – a systematic review of zinc and antihypertensive therapy.
Int J Clin Pract, 67 (8): 717–725, 2013
#260.15{sidWknrKzzj}
Carrara D, Bruno RM, Bacca A et al. Cholecalciferol treatment downregulates renin-angiotensin system and
improves endothelial function in essential hypertensive patients with hypovitaminosis D. J Hypertens, 34 (11):
2199–2205, 2016
#260.16{sidZsgx7qjF}
Classen HG, Gröber U, Kisters K. Drug-induced magnesium deficiency. Med Monatsschr Pharm, 35 (8): 274–280,
2012
#260.17{sidPwBnfzx1}
Cruz CS et al. Hyperkalaemia in congestive heart failure patients using ACE inhibitors and spironolactone. Nephrol
Dial Transplant, 18: 1814–1819, 2003
#260_261{siddRtQO9pk}
Dickinson, HO, Nicolson DJ, Campbell F et al. Magnesium supplementation for the management of essential
hypertension in adults. Cochrane Database Syst. Rev, 2006
#261.01{sidscLJlQ6n}
Fliser D. Symptomatische Hyperkaliämie. Dtsch Aerztebl, 100 (24): A1657–A1659, 2003
#261.02{sidPzKCBIa6}
Forman JP et al. Plasma 25-hydroxyvit​amin D levels and risk of incident hypertension. Hypertension, 49 (5): 1063–
1069, 2007
#261.03{sidW91o6PTl}
Gennari FJ. Disorders of potassium homeostasis. Hypokalemia and hyperkalemia. Crit Care Clin, 18 (2): 273–288,
2002
#261.04{sideDooDmOh}
Golik A et al. Effects of captopril and enalapril on zinc metabolism in hypertensive patients. Am J Coll Nutr, 17 (1):
75–78, 1998
#261.05{sidL4X66omv}
Golik A et al. Zinc metabolism in patientes treated with captopril versus enalapril. Metabolism, 39 (7): 665–667,
1990
#261.06{sidWAnBllDK}
Gröber U. Vit​amin D und das Herz-Kreislauf-System. Zs f Orthomol Med, 3: 26, 2003
#261.07{sidsy8x7Wl9}
Gröber U, Kisters K, Holick MF. Magnesium und Vit​amin D bei Hypertonie. Nieren- und Hochdruckkrankheiten, 41
(2): 78–80, 2012
#261.08{sidku2IdYJf}
Gröber U. Antihypertensives and magnesium – Update 2007. Trace elements & electrolytes, 26 (1): 15–16, 2009
#261.09{sid8pMqHvNt}
Gröber U, Schmidt J, Kisters K. Magnesium in Prevention and Therapy. Nutrients, 7 (9): 8199–8226, 2015
#261.10{sidc5DhgOwp}
Hatzistavri, LS, Sarafidis PA, Georgianos, PI et al. Oral magnesium supplementation reduces ambulatory blood
pressure in patients with mild hypertension. Am J Hypertens, 22, 1070–1075, 2009
#261.11{sidaEmILTiz}
Jee SH, Miller ER 3rd, Guallar E et al. The effect of magnesium supplementation on blood pressure: a meta-analysis
of randomized clinical trials. Am J Hypertens, 15 (8): 691–696, 2002
#261.12{sidqY39LHpT}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Kakar S et al. 6’7’-Dihydroxybergamottin contributes to the grapefruit juice effect. Clin Pharmacol Ther, 75: 569–579,
2004
#261.13{sidPEhHkPII}
Kass L, Weekes J, Carpenter L. Effect of magnesium supplementation on blood pressure: A meta-analysis. Eur J
Clin Nutr, 66, 411–418, 2012
#261.14{sidxBjyOZpy}
Kass LS, Skinner P, Poeira F. A pilot study on the effects of magnesium supplementation with high and low habitual
dietary magnesium intake on resting and recovery from aerobic and resistance exercise and systolic blood
pressure. J Sports Sci Med, 12, 144–150, 2013
#261.15{sidShq3Z2Sn}
Kishi T et al. Bioenergetics in clinical medicine. IIII. Inhibition of coenzyme Q10-enzymes by clinically used
antihypertensive drugs. Res Commun Chem Pathol Pharmacol, 12 (3): 533–540, 1975
#261.16{sidqxle0CMw}
Kisters K, Gröber U. Magnesium Update. Anwendung bei Hypertonie und Diabetes mellitus, 150 (25): 46–55, 2010
#261.17{sidb3Q6Hq9m}
Kisters K, Gröber U. Lowered magnesium in hypertension. Hypertension, doi:
10.1161/HypertensionAHA.113.02060, 2013
#261.18{sidTusxZcEl}
Kisters, K. Oral magnesium supplementation improves borderline hypertension. Magnes Res, 24, 17, 2011
#261.19{sidpckNh93Y}
Kisters K, Gröber U. Magnesium in health and disease. Plant Soil, 368: 155–165, 2013
#261.20{sidjw6CadD7}
Koren-Michowitz M et al. The effect of losartan and losartan/hydrochlorothiazide fixed-combination on magnesium,
zinc, and nitric oxide metabolism in hypertensive patients: a prospective open-label study. Am J Hypertens, 18 (3):
358–363, 2005
#261.21{sidyP5Y6MV8}
Kuettner A et al. Influence of coenzyme Q10 and cerivastatin on the flow-mediated vasodilation of the brachial artery:
results of the ENDOTACT study. Intern Jnl of Cardiol, 98: 413–419, 2005
#261.22{sidf5pth7rA}
Langsjoen P et al. Treatment of essential hypertension with coenzyme Q10. Mol Aspects Med, 15 (Suppl.): 265–272,
1994
#261.23{sidD3llFpxt}
Lee SC et al. Iron supplementation inhibits cough associated with ACE inhibitors. Hypertension, 38: 166–170, 2001
#261.24{sid5cO72pvh}
Liu X et al. Pycnogenol, French maritime pine bark extract, improves endothelial function of hypertensive patients.
Life Sci, 74 (7): 855–862, 2004
#261.25{sidi6WMiLFt}
Mandal AK. Hypokalemia and hyperkalemia. Med Clin North Am, 81 (3): 611–639, 1997
#261.26{sidCALJLQFH}
Michon P. Level of total and ionized magnesium fraction based on biochemical analysis of blood and hair and effect
of supplemented magneiusm (Slow Mag B6) on slected parameters in hypertension of patients treated with
various groups of drugs. Ann Acad Med Stetin, 48: 85–97, 2002
#261.27{sidrq2hHnPB}
Nguyen H, Odelola OA, Rangaswami J, Amanullah A. A review of nutritional factors in hypertension management. Int
J Hypertens, 2013: 698940. doi: 10.1155/2013/698940, 2013
#262.01{sidLJeJXvIj}
Nurnberger J et al. A patient with severe hyperkalaemia – an emergency after RALES. Dtsch Med Wochenschr, 130
(36): 2008–2011, 2005
#262.02{sidQSCbCFLq}
Pilz S et al. Vit​amin D status and arterial hypertension: a systematic review. Nat Rev Cardiol, 6 (10): 621–630, 2009
#262.03{sid36rUZV4N}
Raskin NH, Rishman RA. Pyridoxine-deficiency neuropathy due to hydralazine. N Engl J Med, 273: 1182–1185,
1965
#262.04{sidMLfit3dL}
Rosanoff A, Plesset MR. Oral magnesium supplements decrease high blood pressure (SBP > 155 mmHg) in
hypertensive subjects on anti-hypertensive medications: A targeted meta-analysis. Magnes Res, 26, 93–99, 2013
#262.05{sidpbozJdn8}
Salonen JT et al. High stored iron levels are associated with excess risk of myocardial infarction in eastern Finnish
men. Circulation, 86 (3): 803–811,1992
#262.06{sidD4BYWaoK}
Sang-Chol L et al. Iron supplementation inhibits cough associated with ACE inhibitors. Hypertension, 38: 166–170,
2001
#262.07{sidDFBG6f8F}
Takabashi N et al. Effect of coenzyme Q10 on hemodynamic response to ocular timolol. J Cardiovasc Pharmacol, 14
(3): 462–468, 1989
#262.08{sidzs6iBQL0}
Tuomainen TP et al. Association between body iron stores and the risk of acute myocardial infarction in men.
Circulation, 97 (15):1461–1466, 1998
#262.09{sid7xDXLFmk}
Witham MD, Nadir MA, Struthers AD. Effect of vitamin D on blood pressure: a systematic review and meta-analysis.
J Hypertens, 27 (10): 1948–1954, 2009
#263.01{sid8wD7BnwM}
17 Antikoagulanzien
#263.02{sidrdJXI88I}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Ein normal funktionierendes Blutstillungssystem ist für den Organismus lebensnotwendig, da beim Ausbleiben
der Hämostase (Blutstillung) schon kleinere Verletzungen zu schweren Blutungen führen können, andererseits
bei erhöhter Gerinnungsneigung die Bildung von Thromben begünstigt und damit die Thrombose- und
Emboliegefahr erhöht ist. Abhängig von der Indikation werden Arzneimittel eingesetzt, welche die Hämostase
fördern (z. B. Vit​amin-K-Antagonisten) oder hemmen (z. B. Heparine).
#263.03{sidPM1ieyj2}
Die Vit​amin-K-Antagonisten Warfarin und das in Deutschland hauptsächlich gebräuchliche Phenprocoumon
sind wohl die bekanntesten Arzneistoffe zur Blutverdünnung. Schon seit den 1940er Jahren haben sie einen
festen Stellenwert als Gerinnungshemmer in der Schulmedizin. Sie unterdrücken dosisabhängig die hepatische
Synthese der Vit​amin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X.
#263.04{sid0FwiXnka}
Die gerinnungshemmende Wirkung von Phenprocoumon setzt erst einige Zeit nach dem Beginn der
Behandlung ein, wenn die vorhandenen Gerinnungsfaktoren verbraucht oder abgebaut sind und dann
entsprechend weniger Nachschub aus der Leber kommt. Ebenso dauert es mehrere Tage, bis nach dem
Absetzen von Phenprocoumon die Gerinnungsfaktoren wieder in ihrer normalen Menge nachgebildet wurden.
Die Zufuhr von Vit​amin K kann die Erholung der Gerinnungsfunktion beschleunigen. Die Wirkung von
Phenprocoumon muss der Arzt in regelmäßigen Abständen u. a. durch die Messung des INR-Wertes
überprüfen. Unter bestimmten Voraussetzungen können Betroffene den Gerinnungswert auch selbst messen
und nach einer Schulung die Dosis entsprechend anpassen. Besonders Vit​amin-K-haltige Nahrungsmittel aber
auch Nahrungsergänzungsmittel können die Wirkung von Vit​amin-K-Antagonisten abschwächen.
#263.05{sidQXMIzNRA}
Lange Zeit waren Heparin und Vit​amin-K-Antagonisten (z. B. Phenprocoumon, Warfarin) die einzigen
Substanzen, die zur Hemmung der plasmatischen Gerinnung zur Verfügung standen. In den vergangenen Jahren
wurden die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) Apixaban (z. B. Eliquis), Dabigatran (z. B. Pradaxa),
Rivaroxaban (z. B. Xarelto) und Edoxaban (z. B. Lixiana) entwickelt. Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban sind
selektive und reversible Inhibitoren des aktivierten Faktor Xa, der für die Bildung von Thrombin aus Prothrombin
verantwortlich ist. Dabigatran führt zu einer reversiblen, kompetitiven Hemmung des Thrombins (Faktor IIa) und
hemmt damit die Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin. Darüber hinaus wird die Thrombininduzierte
Thrombozytenaggregation durch Dabigatran verhindert (○ Abb. 17.1). Die NOAK sind in Deutschland als
Antikoagulanzien vor allem bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern zugelassen und werden zudem in der Therapie
und Rezidivprophylaxe venöser Thromboembolien sowie zur Prävention venöser Thromboembolien (Hüft/Kniegelenksersatz) eingesetzt. Für Dabigatran steht seit kurzem ein spezifisches Antidot zur Verfügung, mit
dem die Wirkung im Notfall aufgehoben werden kann. Dabei handelt es sich um ein humanisiertes
Antikörperfragment namens Idarucizumab.
#264.01{sidDzyJ1l90}
Die Vorteile der NOAK im Vergleich zu Vit​amin-K-Antagonisten sind:
#264.02{sidzVFu3mvd}
Wirksamkeit: Ähnlich gute Wirksamkeit, rascher Wirkungseintritt und bessere Steuerbarkeit;
#264.03{sidemXeJiLx}
Halbwertszeit (HMZ): Insgesamt kurze HWZ, was bei kurzfristigen Operationen vorteilhaft ist;
#264.04{sidj1m2flWQ}
Blutungsrisiko: Das Blutungsrisiko ist vergleich mit dem von Phenprocoumon, aber schwere Blutungen sind
tendenziell seltener (insbesondere unter Rivaroxaban);
#264.05{sidnt5cIYZh}
INR-Kontrollen: Ein INR-Monitoring ist nicht notwendig;
#264.06{sidQZ1ehUKA}
Nahrungsmitteln: Vit​amin K-haltige Nahrungsmittel (z. B. Leber, Spinat, Rosenkohl) haben keine Auswirkung auf
die Wirkung.
#264.07{sidZl6v5JR1}
Zu den Nachteilen der NOAK zählen: Höhere Kosten (14–16fach höher), klinische Langzeit-Erfahrungen fehlen.
Bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen ist aufgrund der reduzierten Arzneimittel-Clearance eine
Dosisanpassung notwendig. ansonsten besteht bei den neuen Antikoagulanzien Kumulationsgefahr mit
Zunahme des Blutungsrisikos. Darüber hinaus bestehen Interaktionen mit CYP3A4-Inhibitoren und CYP3A4Induktoren. CYP3A4-Inhibitoren wie Ketoconazol und Itraconazol können die Wirkung verstärken und
beispielweise durch eine Hemmung von CYP3A4 und P-Glykoprotein zu erhöhten Blutspiegeln von Rivaroxaban
und damit zu einer erhöhten Blutungsneigung führen. CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin, Carbamazepin und
Johanniskraut können dagegen zu einer verminderten Wirkung von Rivaroxaban führen.
#264.08{sid6gYvCk3V}
17.1 Blutgerinnung und Mikronährstoffe
#264.09{sidSAEH2BiW}
17.1.1 Phenprocoumon und Vit​amin K
#264.10{sidKYk1DbdO}
Vit​amin-K-Antagonisten stören den ​Knochenstoffwechsel
#264.11{sidtbp2vtFO}
Einfluss von Vit​amin K1 und Vit​amin K2 (z. B. MK-7) auf die Antikoagulanzienwirkung, Vit​amin-K-Antagonisten stören
die Gefäß- und Knochengesundheit.
#264.12{sidO8xIdsjO}
Mechanismus: Direkter pharmakodynamischer Antagonismus von Vitamin-K-Antagonisten (z. B. Phenprocoumon,
Warfarin) mit Vit​amin K (siehe ○Abb. 3.6).
#264.13{sidmtOIKas1}
Vit​amin-K-Antagonisten: Blutgerinnungshemmende Wirkung ↓, INR-/Quick-Wert: Erniedrigung/Erhöhung. Die INR
verhält sich umgekehrt proportional zum Quickwert, d. h. dass mit steigendem Quickwert (Thromboplastinzeit) die
INR kleiner wird, die Gerinnungszeit sich verkürzt und die Thrombosegefährdung zunimmt.
#264.14{sidnL7vqETe}
Gerinnungszeit: Verkürzte Gerinnungszeit, erhöhte Thrombose- bzw. Emboliegefahr.
#264.15{sidWoAT1EVN}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Folgen: Vit​amin-K-Mangel; Verringerte Carboxylierung und Aktivierung des nicht kollagenen Knochenproteins
Osteocalcin (Oc) sowie des Matrix-Gla-Proteins (MGP); Anstieg des untercarboxylierten Osteocalcins (ucOc) und
MGP im Blut, erhöhtes Risiko für Gefäßkomplikationen und osteoporotische Frakturen.
#265{sid506Hrmyw}
Abb. 17.1 Angriffspunkte der NOAK (→ Synthese von Faktor II, VI, IX und X)
#266.01{sid0SgD4aNw}
Tab. 17.1 Pharmakologische Kenndaten der Noak
#266.02{sid6L2rYgYK}
#266.03{sidsx7ZRhXx}
Wirkprinzip
#266.04{sidkPHFFiOJ}
Tagesdosis (VHF)
#266.05{sid27QjxUI1}
Bioverfügbarkeit
#266.06{sidZI2RVRVP}
Tmax, h
#266.07{sidX6ABQn0Z}
HWZ, h
#266.08{side7u5f31O}
EW-Bindung
#266.09{sidcFdAtlZY}
Metabolisierung,
Transporter
#266.10{sidM3CdTOjY}
renale Elimination
#266.11{sid9V3KDQz7}
Antidot
Dabigatran
Rivaroxaban
Apixaban
Edoxaban
Flla-Hemmer
FXaHemmer
FXaHemmer
FXaHemmer
2 × 150 mg
2 × 110 mg
1 × 20 mg
(1 × 15 mg)
2 × 5 mg
(2 × 2,5
mg)
1 × 60 mg
(1 × 30 mg)
6 %
70–100 %
50 %
62 %
2
3
3
2
12–17
5–9
9–14
10–14
34–35 %
92–95 %
87 %
55 %
Glukuronidierung, pGP
CYP3A4/2j2,
p-GP
CYP3A4/5,
p-GP
CYP3A4,
p-GP
80 %
33 %
27 %
50 %
bald (?)
(noch) nein
(noch)
nein
(noch)
nein
#266.12{sidxWBXr46i}
Tab. 17.2 NOAK: Interaktionspotential (Auswahl)
#266.13{sid9WnBGq6f}
Dabigatran
#266.14{siddM04rNrx}
Rivaroxaban
#266.15{sidbTbFMjZ5}
Apixaban
#266.16{sidZfmq3dJo}
Edoxaban
Kontraindikation: Ciclosporin, Itraconazol, Ketoconazol, Tacrolimus,
Dronedaron
Vorsicht: Clarithromycin, Chinidin, Amiodoron, Verapamil
Kontraindikation: Ritonavir, Ketoconazol, Itraconazol, Voriconazol
Vorsicht: andere Azole, andere Proteasehemmer, Makrolide, Amiodaron,
Dronedaron, Diltiazem
Vorsicht: Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin, Hypericin
Kontraindikation: Ketoconazol, Itroconazol, Voriconazol, Posaconazol, HIVProtease-Hemmer wie Ritonavir
Vorsicht: Naproxen, Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin, Hypericin,
Diltiazem, Amiodaron, Verapamil, Chinidin
Dosisreduktion: Ciclosporin, Dronedaron, Erythromycin, Ketoconazol
Vorsicht: Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin, Hypericin
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#264_265{sid5Zcn4Tyb}
Hinweis: Unter einer Langzeittherapie mit Antikoagulanzien vom Dicoumarol-Typ können Störungen der
Knochenmineralisation und ein erhöhtes Osteoporoserisiko nicht ausgeschlossen werden. Da die Aufnahme großer
Mengen an Vitamin K (z. B. Vitaminpräparate, Gemüse) die Wirksamkeit der Vit​amin-K-Antagonisten abschwächen
kann, sollte die Einnahme von Vit​amin-K-haltigen Supplementen (z. B. Vit​amin K1, MK-7) unter einer Therapie mit
Cumarin-Antikoagulanzien entsprechend angepasst und die Gerinnungsparameter engmaschig bestimmt werden
oder ein Medikament aus der Gruppe der NOAK (z. B. Dagibatran) verordnet werden. Unter oraler
Antikoagulanzientherapie braucht Vit​amin-K-reiche Kost (z. B. Gemüse, Leber, Käse) nicht eingeschränkt zu
werden, jedoch sollte die Nahrungszusammensetzung diesbezüglich weitgehend konstant sein. Generell sollte bei
Patienten unter Therapie mit oralen Antikoagulanzien aufgrund des erhöhten Risikos einer
antikoagulanzieninduzierten Osteoporose auch der Vit​amin-D-Status (25(OH)D im Serum) kontrolliert und durch
gezielte Supplementierung ausgeglichen werden.
#265_266{sid4ysU91Fe}
Studien: Neben der Blutgerinnung ist Vit​amin K essenziell für die γ-Carboxylierung des Knochenmatrixproteins
Osteocalcin, das vor allem in den schnell wachsenden Knochenabschnitten vorkommt. Osteocalcin (Oc) ist ein nicht
kollagenes Glykoprotein, das in den Osteoblasten gebildet wird und die Knochenneubildung stimuliert. Wenn unter
Vit​amin-K-Mangel oder unter einer Therapie mit Vit​amin-K-Antagonisten die γ-Carboxylierung unterbleibt, steigt der
Anteil des nicht carboxylierten Osteocalcins (ucOc) im Plasma an. Nicht carboxyliertes Osteocalcin ist ein wichtiger
Indikator für Störungen im Knochenstoffwechsel. Aktuelle Studien belegen, dass eine Langzeittherapie (> 12
Monate) mit einem Cumarinderivat als unabhängiger Risikofaktor für osteoporotische Frakturen, insbesondere für
Wirbelkörper- und Rippenfrakturen, einzustufen ist. In einigen Studien war das Risiko für schwere
Wirbelkörperdeformierungen bei Patienten unter oralen Antikoagulanzien sogar um das Dreifache erhöht. Bekannt
ist auch, dass die Gabe von Warfarin während der fetalen Entwicklung zu schweren Skelettanomalien führen kann,
sodass sich der Einsatz oraler Antikoagulanzien in der Schwangerschaft verbietet. Eine Metaanalyse von neun
Studien, die die Knochendichte von Patienten unter oralen Antikoagulanzien untersuchte, konnte zeigen, dass die
Knochendichte vor allem im ultradistalen Radius erniedrigt ist. Tierversuche geben zudem Hinweise, dass vor allem
qualitative Veränderungen des Knochengewebes zu einer geringeren Knochenfestigkeit und damit zu einem
erhöhten Frakturrisiko führen. In einer Studie an acht gesunden Probanden im Alter von 60–80 Jahren stieg nach nur
7-tägiger Einnahme von 1 mg Warfarin der Anteil an nicht carboxyliertem Osteocalcin um 170 % an. Nach 2-tägiger
Repletion mit 5 mg Vit​amin K1 fielen die erhöhten Spiegel an ucOC auf die Ausgangwerte zurück. Die
Prothrombinzeit wurde durch die Vit​amin-K-Substitution nicht beeinflusst. In Dosis-Wirkungs-Studien an gesunden
Probanden, die mit dem Cumarinderivat Acenocoumarol auf einen INR von 2,0 eingestellt waren und dann über 7
Wochen lang täglich ansteigende Dosen von 50, 100, 150, 200, 250, 300 bzw. 500 µg synthetisches Vit​amin K1 (in
Tablettenform) erhielten, wurde als Schwellenwert eine Dosis von 150 µg/d ermittelt, bei der noch eine statistisch
nachweisbare Erniedrigung des INR-Werts festgestellt wurde.
#266_267{sidSbcvq7xP}
Von den verschiedenen K-Vitameren sind als Nahrungsergänzungsmittel vor allem Vit​amin K1 und Menaquinon-7
(MK-7) interessant. Dabei weist das aus Natto gewonnene MK-7 einige physikochemische Vorteile gegenüber dem
Vit​amin K1 auf. MK-7 ist aufgrund seiner Molekülstruktur lipophiler und besitzt im Vergleich zu Vit​amin K1 eine
deutlich längere Halbwertszeit (HWZ: 3 Tage). Bei regelmäßiger Zufuhr von MK-7 resultieren daher nicht nur
stabilere, sondern auch etwa 7–8-fach höhere Blutspiegel. MK-7 ist daher auch effizienter in der Carboxylierung
extrahepatischer (z. B. Osteocalcin) und hepatischer Proteine (z. B. Prothrombin). Aufgrund der höheren
Bioverfügbarkeit von MK-7 ist auch das Risiko für Interaktionen mit Vit​amin-K-Antagonisten deutlich (~3–4mal)
höher als bei Vit​amin K1. Während man in Studien eine Senkung des INR-Werts (INR-Senkung von 2 auf 1,5) bei
Einnahme von Vit​amin K1 > 300 µg täglich beobachten konnte, trat diese bei MK-7 bereits bei ≤ 100 µg auf. Aktuelle
Dosis-Findungs-Studien der Universität Maastricht Theuwissen et al., 2013), die den Einfluss von 10 µg, 20 µg und
45 µg MK-7 pro Tag auf die gerinnungshemmenden Eigenschaften von Vit​amin-K-Antagonisten untersucht haben
zeigen, dass sogar bereits unter der täglichen Supplementierung von 10 µg MK-7 mit einer signifikanten Störung der
Blutgerinnungseinstellung gerechnet werden muss.
#267.01{sidFoFjcOfu}
17.1.2 Vit​amin-K-Antagonisten und Coenzym Q10
#267.02{sidy6qoK9pm}
Coenzym Q10 kann die Wirkung von Vit​amin-K-Antagonisten beeinträchtigen
#267.03{sidkfI54WSU}
Mechanismus: Coenzym Q10 ist strukturell mit Menachinon (Vit​amin K2) verwandt und weist in vitro Vit​amin-Kagonistische Wirkungen auf.
#267.04{sidrYG0ZPFf}
Folgen: Mögliche Beeinträchtigung der antikoagulatorischen Wirkung von oralen Antikoagulanzien vom
Dicoumarol-Typ, den sogenannten Vit​amin-K-Antagonisten (Warfarin, Phenprocoumon); Abfall der INR-Werte.
#267.05{sidYvUG9WZ5}
Hinweis: Bei einer Langzeittherapie mit Antikoagulanzien vom Dicoumarol-Typ wie Warfarin sollte bei
kardiovaskulären Erkrankungen unter der Begleitmedikation mit Coenzym Q10 der INR-Wert engmaschig kontrolliert
werden (INR 2,5–3,5 = Quick 28–20 %). Da es Hinweise gibt, dass Vit​amin E in hohen Dosierungen (≥ 800 I. E. tgl.)
mit der Wirkung von Vit​amin K bei der Synthese von Gerinnungsfaktoren interferiert, sollte auch bei Patienten, die
gleichzeitig Vit​amin-K-Antagonisten und Vit​amin E einnehmen, der Gerinnungsstaus (INR-Wert) sorgfältig überwacht
werden. Möglicherweise stellt Vit​amin E aufgrund der Strukturanalogie zu Vit​amin K einen kompetitiven Inhibitor der
Vit​amin-K-abhängigen Carboxylierung (→ Verlängerung der Blutungszeit) dar.
#267.06{sidWEWPlali}
Studien: In vitro sind für Coenzym Q10 Vit​amin-K-artige Wirkungen nachgewiesen worden. Bei gleichzeitiger
Einnahme von Coenzym Q10 wird in einigen Fällen über eine signifikant verminderte Wirkung von Warfarin berichtet.
Bei den Betroffenen sank der INR-Wert unter den therapeutischen Bereich und normalisierte sich nach Absetzen des
Coenzym Q10 wieder. In einer aktuellen randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie mit Coenzym Q10
(100 mg tgl.) oder Ginkgo biloba konnte allerdings keine Beeinträchtigung der Warfarinwirkung (INR-Wert)
nachgewiesen werden.
#267.07{sidsM1cS4Q5}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
17.1.3 Warfarin und Omega-3-Fettsäuren
#267.08{sidgJV6YqCN}
Fischöl steigert antikoagulative Wirkung von Warfarin
#267.09{sidcYUwtogr}
Mechanismus: Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) greifen regulierend in den Stoffwechsel der Omega-6-Fettsäure
Arachidonsäure ein und verringern bei Langzeiteinnahme die Plättchenaggregation, die Bildung des
thrombozytenaggregationsfördernden Thromboxans A2 (TXA2) und senken den Spiegel des plasmatischen Faktors
VII sowie des Fibrinogens; die Blutgerinnung wird moderat verlängert.
#267.10{sidXGLSwiwE}
Folgen: Additive antikoagulative Effekte; Steigerung der Warfarinwirkung; Anstieg des INR-Werts; verringerter
Bedarf an Warfarin oder Phenprocoumon.
#267.11{sidOn6osZ6p}
Hinweis: Werden unter einer Therapie mit Antikoagulanzien vom Dicoumarol-Typ wie Warfarin zusätzlich
regelmäßig Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) in Mengen von 1 000 mg tgl. und mehr eingenommen, kann sich der
INR-Wert verändern. Die INR-Werte sollten hierbei engmaschig kontrolliert und die Dosierung der Antikoagulanzien
entsprechend der Einnahme von Omega-3-Fettsäuren angepasst werden.
#268.01{sidAZA7NYtr}
Fallbeispiel
#268.02{sidHTuykYZ2}
Bei einer 67-jährigen Patientin, die aufgrund eines erhöhten atherothrombotischen Risikos seit 1½ Jahren
Warfarin (1,5 mg tgl.) einnimmt, steigt unter der Verdoppelung der Fischölmenge von 1 000 mg auf 2 000 mg
tgl. der INR-Wert innerhalb eines Monats von 2,8 auf 4,3 an. Die Reduktion der Fischölmenge auf die
Ausgangsmenge führt nach einer Woche zu einem Abfall des INR-Werts auf 1,6. In hoher Dosierung kann die
Einnahme von Omega-3-Fettsäuren eine Dosisanpassung der klassischen antikoagulativen Therapie
erforderlich machen.
#268.03{sidlebTpiXG}
17.1.4 Heparin und Calcium/Vit​amin D
#268.04{sidL5VUdGVf}
Konventionelles Heparin steigert bei langfristiger Anwendung das Osteoporoserisiko
#268.05{sidGdBsmU7N}
Mechanismus: Parathormonspiegel ↑; Knochenresorption ↑; Osteoblasten-Prolifera-tion ↓; Stimulierung der
Osteoklastenaktivität.
#268.06{sidUkOCqPT2}
Folgen: Risiko für Spontanfrakturen ↑; heparininduzierte Osteoporose.
#268.07{sidU9NpIkpl}
Hinweis: Unter einer Langzeittherapie (z. B. ≥ 20 000 I. E. tgl., über vier Monate) mit konventionellem Heparin ist
Risiko für eine Osteoporose erhöht.
#268.08{sidKVLc8yrx}
Studien: Die Anwendung von 15 000 I. E. und mehr an unfraktioniertem Heparin täglich über einen Zeitraum von
mehr als drei Monaten ist mit schädlichen Folgen für den Knochen assoziiert. Die Knochendichte am Femur nimmt
bei einem Drittel der Patienten um mehr als 10 % ab. Die klinische Relevanz manifestiert sich durch eine erhöhte
Wirbelkörper- und Rippenfrakturrate. Ob niedermolekulare Heparinoide hier weniger schädlich wirken, ist nicht
hinreichend geklärt. Im Tierversuch zeigten niedermolekulare Heparinoide einen ähnlich schädlichen Einfluss auf die
mechanische Belastbarkeit des Knochens wie unfraktioniertes Heparin. Auch bei Schwangeren und Stillenden
besteht ein erhöhtes Risiko für Störungen des Knochenstoffwechsels. Gefährdet sind vor allem Schwangere, die
infolge eines systemischen Lupus erythematodes einer regelmäßigen Antikoagulanzientherapie mit Heparin
bedürfen. Unter einer Langzeittherapie mit Heparinen sollte daher auf gute Versorgung mit knochenwirksamen
Mikronährstoffen wie Vit​amin D (z. B. 2 000–4 000 I. E. tgl.) und Calcium (z. B. 500–1 000 mg tgl.) geachtet werden.
#268.09{sidRIcKa6c7}
Literatur
#268.10{sidedgJYAqe}
Barbour LA et al. A prospective study of heparin-induced osteoporosis in pregnancy using bone densitometry. Am J
Obstet Gynecol, 170 (3): 862–869, 1994
#268.11{sidter5GWqf}
Bardin T, Lequesnem M. The osteoporosis of heparinotherapy and systemic mastocytosis. Clin Rheumatol, 8: 119–
123, 1989
#268.12{siddMcRGnvX}
Bartl R et al. Drug-induced Osteopathies. Z Rheumatol, 69: 135–151, 2010
#268.13{sidrLSIbPbm}
Buckley MS et al. Fish oil interaction with warfarin. Ann Pharmacother, 38 (1): 50–52, 2004
#268.14{sid8qy3JdQ7}
Chigot P et al. Osteoporosis induced either by unfractionated heparin or low molecular weigth heparin. J Mal Vasc,
21 (3): 121–125, 1996
#268.15{sidRdgL38lE}
Engelsen J et al. Effect of coenzyme Q10 and gingko biloba on warfarin dosage in patients on long-term Warfarin
treatment. A randomized, double-blind, placebo-controlled cross-over trial. Ugeskr Laeger, 165 (18): 1868–1871,
2003
#268.16{sidDr2CTlKM}
Folwarczna J et al. Effects of heparin and low-molecular-weight heparins on bone mechanical properties in rats.
Thromb Haemost, 92 (5): 940–946, 2004
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#268.17{sidNvohVLg4}
Gröber U, Kisters K. Vit​amin K in der Prävention und Therapie. EHK, 2016; 65: 184–191.
#268.18{sid8GFUX7eN}
Gröber U, Reichrath J, Holick MF, Kisters K. Vit​amin K: an old vit​amin in a new perspective. Dermatoendocrinology,
2014; 10: 1–6
#268.19{sidYGGp8hhr}
Handschin AE et al. Effect of low molecular weight heparin (dalteprin) and fondaparinox (Arixtra) on human
osteoblasts in vitro. Br J Surg, 92 (2): 177–183, 2005
#268.20{sidwEpni5DX}
Heck AM et al. Potential interactions between alternative therapies and Warfarin. Am J Health Syst Pharm, 57 (13):
1221–1227, 2000
#269.01{sidk0PvtZsx}
Landbo C, Almdal TP. Interaction between warfarin and coenzyme Q10. Ugeskr Laeger, 160: 3226–3227, 1998
#269.02{sidKGQLu8m4}
Mutoh S et al. Characterization of heparin-induced osteopenia in rats. Endocrinology, 133 (6): 2743–2748, 1993
#269.03{sidI9pcJ97d}
Pilon D et al. Oral anticoagulants and the risk of osteoporotic fractures among elderly. Pharmacoepidemiol Drug
Saf, 13: 289–294, 2004
#269.04{sidr1IcZBn6}
Resch H et al. Decreased peripheral bone mineral content in patients under anticoagulant therapy with
phenprocoumon. Eur Heart J, 12 (3): 439–441, 1991
#269.05{sidsfwBoZyB}
Ruiz-Irastorza G et al. Heparin and osteoporosis during pregnancy: 2002 update. Lupus, 11 (10): 680–682, 2002
#269.06{sidyYDhFrSl}
Saynor R, Gillot T. Changes in blood lipids and fibrinogen with note on safety in long term study on the effects on n-3
fatty acids in subjects receiving fish oil supplements and followed for seven years. Lipids, 27 (7): 533–538, 1997
#269.07{sid13qpdWxb}
Schurgers LJ, Shearer MJ, Hamulyak K, et al. Effect of vit​amin K intake on the stability of oral anticoagulant
treatment: dose–response relationships in healthy subjects. Blood 2004; 104: 2682–2689.
#269.08{sidX3CiyiWt}
Schurgers LJ, Teunissen KJ, Hamulyak K, et al. Vit​amin K-containing dietary supplements: comparison of synthetic
vit​amin K1 and natto-derived menaquinone-7. Blood 2007; 109: 3279–3283.
#269.09{sidD56YPF6R}
Sokol LJ et al. Undercarboxylated osteocalcin and development of a method to determine vit​amin K status. Clin
Chem, 41 (8 Pt1): 1121–1128, 1995
#269.10{sid63QfmG9J}
Theuwissen E, Teunissen KJ, Spronk HM, et al. Effect of low-dose supplements of meaquinone-7 on the stability of
oral anticoagulant treatment: dose-response relationship in healthy volunteers. J Thromb Haemost, 2013;
11(6):1085–1092.
#270.01{sidSIZurg0d}
18 Antirheumatika und Antiphlogistika (NSAID)
#270.02{sidEc62a180}
In der Therapie rheumatischer Erkrankungen, einschließlich degenerativer Gelenkerkrankungen werden
überwiegend nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID), wie Diclofenac, Ibuprofen und Indometacin, eingesetzt (□
Tab. 18.1). Daneben haben die Indikationen für eine niedrig dosierte Therapie mit Glucocorticoiden (siehe
Corticosteroide, ▸ Kap. 20) in den letzten Jahren zugenommen.
#270.03{sidljt7pjsw}
18.1 Arzneistoffe in der Therapie rheumatischer Erkrankungen
#270.04{sid3izAZSkY}
Unter den remissionsinduzierenden antirheumatischen Arzneimitteln hat der Folsäureantagonist Methotrexat (MTX)
zunehmend an Bedeutung gewonnen und zählt heute in der Gruppe der Basisantirheumatika als ein Mittel der ersten
Wahl. Methotrexat besitzt aufgrund seiner folsäureantagonistischen Wirkung ein hohes Interaktionspotenzial mit
Folsäure, die ein wichtiges Coenzym bei der DNA-Synthese, Zellteilung und der Homocystein-Entgiftung ist.
#271.01{sidueFGstij}
Tab. 18.1 Antirheumatika und Antiphlogistika
#271.02{sid4PKaDRnz}
Wirkstoffe
Arzneistoffgruppe
#271.03{siddKWJlNpI}
Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID)
Essigsäurederivate: Diclofenac, Acemetacin, Indometacin
#271.04{sidnVrOpJnX}
Propionsäurederivate: Ibuprofen, Naproxen
#271.05{sidWLEjEcDk}
Oxicame: Piroxicam
#271.06{sid90An3sYJ}
Glucocorticoide (siehe ▸ Kap. 20)
#271.07{sidqbywVLMu}
Remissionsinduktoren (DMARD)
Prednison, Prednisolon, Dexamethason
Methotrexat (MTX), Ciclosporin, Azathioprin (Immunmodulatoren/Immunsupressiva)
#271.01{sidueFGstij}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 18.1 Antirheumatika und Antiphlogistika
#271.02{sid4PKaDRnz}
Wirkstoffe
Arzneistoffgruppe
#271.08{sidyJLymjhv}
Sulfasalazin
#271.09{sidbGd7CNT4}
Hydroxychloroquin, Chloroquin
#271.10{sidk2DKPtRo}
D-Penicillamin
#270.05{sidhmD4Q6JS}
Nebenwirkungen des Antirheumatikums Methotrexat
#270.06{sidcNnWtZvf}
Der Folsäureantagonist Methotrexat (MTX) zählt zu den Arzneimitteln mit der höchsten Wirksamkeit auf die klinische
und humorale Entzündungsaktivität der rheumatoiden Arthritis (RA). Als antirheumatischer Mechanismus wird unter
anderem eine selektive Hemmung der Zytokinsynthese (z. B. TNF-α) und Reduktion der Lymphozytenproliferation
sowie der Bildung von Rheumafaktoren diskutiert. Allerdings wird die Anwendung häufig durch gastrointestinale
Nebenwirkungen (z. B. schmerzhafte, ulzeriererende oder nicht ulzerierende Stomatitis) begrenzt. Folsäuremangel
tritt bei Patienten mit rheumatoider Arthritis relativ häufig auf und wird zusätzlich durch die MTX-bedingte Hemmung
des Enzyms Dihydrofolat-Reduktase (DHFR) verstärkt.
#270.07{sid8BOLjELq}
Fallbeispiel
#270.08{sid3Yeqtsot}
Die 48-jährige Patientin Petra S. wird seit einem halben Jahr wegen einer rheumatoiden Arthritis mit dem
remissionsinduzierenden Basisantirheumatikum Methotrexat (MTX) behandelt. Seit einiger Zeit klagt Frau S.
häufig über Entzündungen der Mundschleimhaut, Übelkeit, Durchfälle sowie leichte Ermüdbarkeit und
Schwäche. Eine Blutuntersuchung ergibt erniedrigte Folsäurespiegel in den Erythrozyten, einen HomocysteinPlasmaspiegel von 20 µmol/l und hypersegmentierte neutrophile Granulozyten. Diese klinischen Anzeichen
weisen auf eine Unterversorgung mit Folsäure hin.
#270_271{sidg9eVnSLl}
Methotrexat besitzt eine hohe Strukturanalogie zur Folsäure, bindet jedoch mit einer 10 000-fach höheren Affinität an
die Dihydrofolat-Reduktase (DHFR) als das physiologische Substrat, die Dihydrofolsäure. Dadurch wird die
Umwandlung zur Tetrahydrofolsäure (THF), die biologische aktive Form der Folsäure, blockiert. Es kommt zu einem
Mangel an THF. Da THF eine zentrale Rolle im Organismus bei der Übertragung von Methylgruppen spielt und
essenziell für die Nukleinsäuresynthese ist, werden Wachstum und Proliferation sich schnell teilender Zellen
beeinträchtigt. Davon sind vorrangig die Zellen der Schleimhäute, des Blutes und des Immunsystems betroffen. Bis
zu 60 % der mit MTX behandelten Rheumapatienten leiden durch iatrogenen Folsäuremangel unter leichten bis
mittelschweren Nebenwirkungen, wie Stomatitis, gastrointestinale Störungen (z. B. Durchfälle) und nachlassende
körperliche Belastbarkeit. Die Ergebnisse einer Metaanalyse von sieben randomisierten, placebokontrollierten
Doppelblindstudien bestätigen, dass eine regelmäßige Folsäuresubstitution die mukosale und gastrointestinale
Nebenwirkungsrate einer MTX-Therapie gegenüber Placebo signifikant reduzieren kann (um bis zu 79 %).
#271.11{sidf30IGQns}
MTX-induzierte Hyperhomocysteinämie
#271.12{sidxzBJgLT6}
In Form der 5-Methyl-THF wird Tetrahydrofolsäure für die Remethylierung und Entgiftung der angio- und
neurotoxischen Aminosäure Homocystein benötigt (○Abb. 3.2). Die Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l) ist eine
häufige, allzu oft nicht diagnostizierte, Nebenwirkung der antirheumatischen Therapie mit MTX. Verschiedene
Studien zeigen, dass die adjuvante Gabe von Folsäure den durch MTX induzierten Anstieg des Homocysteins
effektiv senkt sowie die Verträglichkeit und therapeutische Breite des Antirheumatikums verbessert.
#271.13{sidMjr0ih4i}
In einer Studie an 15 Patienten mit rheumatoider Arthritis (n = 13) oder psoriatischer Arthritis (n= 2) wurde vor dem
Beginn einer MTX-Therapie, nach vier Wochen der MTX-Therapie (mit im Mittel 10 mg pro Woche) und nach
weiteren vier Wochen der Therapie mit adjuvanter Folsäuregabe (15 mg pro Woche) der Homocysteinspiegel und
Folsäuregehalt der Erythrozyten gemessen (○Abb. 18.1). Die Homocysteinwerte stiegen in der Phase der MTXTherapie ohne begleitende Folsäuregabe deutlich an (p < 0,05) und korrelierten negativ mit dem Erythrozyten-Folat.
Die adjuvante Gabe von Folsäure führte zu einer Normalisierung der Homocysteinspiegel.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#272.01{sid4LyIG2Nw}
Abb. 18.1 Homocysteinplasmaspiegel bei Patienten mit rheumatoider Arthritis unter MTX-Therapie (10 mg pro Woche, p. o.) mit
und ohne Folsäure-Supplementierung (15 mg pro Woche, p. o.)
#271.14{sidU6QWvpSt}
18.2 Mikronährstoffe in der Therapie mit Antirheumatika und ​Antiphlogistika
#271.15{sidvaK9yCTw}
18.2.1 Methotrexat und Folsäure
#271.16{sid8IA1vcAJ}
Folsäuremangel und Hyperhomocysteinämie durch Methotrexat
#271_272{sidWnbLszQa}
Mechanismus: Der Folsäureantagonist Methotrexat ist in der Therapie der rheumatoiden Arthritis ein Mittel der
ersten Wahl. Folsäuremangel ist bei Patienten mit rheumatoider Arthritis häufig und wird als Folge der MTXTherapie durch die Hemmung der Tetrahydrofolat-Reduktase verstärkt.
#272.02{sidjcSeeVGK}
Folgen: Abfall der Folsäurespiegel im Plasma und den Erythrozyten; gastrointestinale Störungen (z. B. Übelkeit,
Durchfall), Schleimhautschäden (z. B. schmerzhafte, ulzerierende Stomatitis), Störungen der Erythropoese,
Leukozytopenie, Thrombozytopenie; Anstieg der gefäß- und neurotoxischen Aminosäure Homocystein im Plasma.
#272.03{sidI9IikLWY}
Hinweis: Eine Folsäuresubstitution reduziert die Nebenwirkungen bei Erhalt der Wirksamkeit der MethotrexatBehandlung. Bei MTX-Therapie der rheumatoiden Arthritis sollte von Beginn an eine adjuvante Supplementierung
von Folsäure (z. B. 1 mg tgl. oder 5 mg 2–3× pro Woche, p. o.) erfolgen. Die Nebenwirkungsrate kann dadurch
verringert, die Verträglichkeit erhöht und einer durch MTX induzierten Hyperhomocyteinämie effektiv vorgebeugt
werden. Folsäure sollte grundsätzlich in Kombination mit Vit​amin B6 und Vit​amin B12 gegeben werden!
#272.04{sidyqNNOSg9}
Die MTX-Wirksamkeit wird unter Folsäuredosen bis zu 27,5 mg wöchentlich, entsprechend einem Folsäure: MTXDosis-Verhältnis bis zu 3:1 nicht beeinträchtigt, da MTX weitere vom Folsäureantagonismus unabhängige
Wirkmechanismen aufweist. Im Gegensatz dazu vermag Folinsäure (Leucovorin) zwar auch die MTX-Toxizität zu
senken, führt aber bei höheren Dosen, entsprechend einem Leucovorin: MTX-Dosis-Verhältnis von 1:1 oder mehr,
zu einer Einschränkung der MTX-Wirksamkeit.
#272.05{sididFfuZ1r}
18.2.2 Diclofenac und Vit​amin E
#272.06{sidBi1172vm}
Adjuvante Wirksamkeit von Vit​amin E mit NSAID (z. B. Diclofenac)
#272.07{sidBZhgO9d1}
Mechanismus: Vit​amin E reduziert die oxidative Belastung im entzündeten Gelenk und greift regulierend in den
Arachidonsäure-Stoffwechsel ein. Die Aktivität proinflammatorischer Enzyme (z. B. COX, PLA2) sowie die
Produktion entzündungsfördernder Zytokine (z. B. IL-1, TNF-α) werden durch Vit​amin E herunterreguliert
(Synergismus mit NSAID); die Sensitivität der Cyclooxygenase-2 gegenüber einer Enzymhemmung durch ASS bzw.
NSAID kann durch Vit​amin E erhöht werden (additive Reduktion der lipopolysaccharidinduzierten Prostaglandin-E2Synthese).
#273.01{sidq1xot8dQ}
Folgen: Vit​amin E unterstützt die antiinflammatorische Wirksamkeit und verringert die gastrointestinale
Nebenwirkungsrate (z. B. Ulzerationen) der NSAID wie Diclofenac; die adjuvante Gabe von Vit​amin E kann zudem
eine Dosisreduktion der nebenwirkungsreichen nichtsteroidalen Antiphlogistika ermöglichen, ohne Verlust ihrer
antiinflammatorischen Wirksamkeit.
#273.02{sidCIpdrAG9}
Hinweis: Bei einer Therapie mit NSAID (z. B. Diclofenac) empfiehlt sich die Einnahme von Vit​amin E (z. B. 500 I.
E./d). Die Präparate sollten neben α- auch γ-Tocopherol sowie natürliche Tocotrienole enthalten, vorzugsweise in
Kombination mit anderen Antioxidanzien wie Vit​amin C, Pycnogenol, Selen und Zink.
#273.03{sidV8cHdNw8}
Eine lacto-vegetabile, arachidonsäurearme Kost (< 80 mg Arachidonsäure/Tag) plus Omega-3-Fettsäuren (30–35
mg EPA/DHA pro kg KG tgl.) unterstützt generell eine antirheumatische Therapie.
#273.04{sid0y4nl2av}
18.2.3 Antirheumatika und Omega-3-Fettsäuren
#273.05{sidrIoflGtY}
Einsparung von Antirheumatika (z. B. NSAID) durch adjuvante Gabe von Omega-3-Fettsäuren
#273.06{sidJIbwVQG0}
Mechanismus: Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) greifen synergistisch mit Antirheumatika in die pathogenetischen
Stoffwechselprozesse der rheumatoiden Arthritis ein. Eicosapentaensäure hemmt die Bildung proinflammatorischer
Eicosanoide (z. B. Leukotrien B4), indem sie Arachidonsäure kompetitiv von den eicosanoidbildenden Enzymen (z.
B. Lipoxygenase, Cyclooxygenase) verdrängt.
#273.07{siduqEP8DEv}
Folgen: Die regelmäßige Einnahme von Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) kann den Bedarf an und die
Nebenwirkungen (z. B. Schädigung der Magen-Darm-Schleimhaut) einer antirheumatischen Medikation verringern.
#273.08{sidJB25L53Y}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Hinweis: Bei einer Therapie mit Antirheumatika empfiehlt sich die regelmäßige Einnahme von Omega-3Fettsäuren (30–35 mg EPA/DHA pro kg KG tgl.) in Form von Fischölkapseln in Kombination mit Antioxidanzien (z.
B. Vit​amin C, E, Selen und Zink). Eine lacto-vegetabile, arachidonsäurearme Kost (AA < 80 mg/d) unterstützt
generell die antirheumatische Therapie.
#273.09{sidiEg0NHPk}
Das Risiko für Nierenfunktionsstörungen und Triglyceridämie unter dem Immunsuppressivum Ciclosporin, das seit
einigen Jahren auch für die Therapie der rheumatoiden Arthritis zugelassen ist, kann durch Omega-3-Fettsäuren
verringert werden.
#273.10{sidsV3e4DDj}
18.2.4 Antirheumatika und Chondroprotektiva
#273.11{sidvHU61ozD}
Einsparung von NSAID (z. B. Diclofenac) durch adjuvante Gabe von Chondroprotek​tiva wie
Glucosaminsulfat
#273.12{sidCOm1tmTz}
Mechanismus: Chondroprotektiva wie Glucosaminsulfat (GS) und Chondroitinsulfat (CS) sind Komponenten der
extrazellulären Matrix der Gelenkknorpel, D-Glucosamin ist der Hauptbaustein für die Synthese der Proteoglykane,
der Grundbaustoffe der Knorpel, Sehnen und Bänder: Stimulation anaboler Prozesse (→ Proteoglykansynthese) und
Hemmung kataboler Vorgänge im Knorpel (→ Knorpelprotektion), antientzündliche und analgetische Wirkung
(proinflammatorische Zytokine ↓), synergistische Wirkung mit Omega-3-Fettsäuren und NSAID
#273.13{sidKQirIJTm}
Folgen: Die regelmäßige Einnahme von Chondroprotektiva wie Glucosaminsulfat (z. B. 1 500 mg/d, p. o.),
Chondroitinsulfat (z. B. 800 mg/d, p. o.) und Methylsulfonylmethan (z. B. 3 600 mg/d, p. o.) kann den Bedarf und die
Nebenwirkungen (z. B. Schädigung der Magen-Darm-Schleimhaut) von NSAID wie Ibuprofen, Piroxicam oder
Diclofenac verringern; Abnahme der COMP-Serumspiegel (COMP = Spezifischer Marker für
Gelenkknorpeldestruktionen, Verlaufsdiagnostik).
#273.14{sidGZoxxdZ6}
Studien: In kontrollierten Studien konnte durch die Einnahme von Glucosaminsulfat und/oder Chrondroitinsulfat der
Bedarf an nebenwirkungsreichen NSAID (z. B. Ulkuserkrankungen) wie Diclofenac verringert werden.
#274.01{sidmlxii1sc}
Abb. 18.2 Wirkungen von Glucosaminsulfat (1 500 mg/d p. o.) im Vergleich zu Ibuprofen (1 200 mg/d p. o.) auf den
modifizierten Lequesne-Index
#274.02{sidfuLowlOj}
Während bei den klassischen Antirheumatika (z. B. COX-Inhibitoren, NSAID) mit einem raschen Wirkungseintritt und
den typischen Nebenwirkungen (z. B. Magenschleimhautschäden) zu rechnen ist, setzt die Wirkung von DGlucosaminsulfat eher langsam ein (○Abb. 18.2). Eine akute Wirkung wie Reduktion von Schmerzen oder
entzündlicher Prozesse ist von den Chondroprotektiva GS und/oder CS bei Arthrose nicht zu erwarten. Bei
langfristiger Anwendung zeigte sich in kontrollierten Studien unter der Einnahme von täglich 1 500 mg
Glucosaminsulfat (Zeitraum: drei Jahre) gegenüber Placebo in Röntgenuntersuchungen der betroffenen Kniegelenke
eine geringere Gelenkspaltverengung, was auf eine Hemmung der Krankheitsprogression hinweist. Zusätzlich
konnte durch Glucosaminsulfat eine Verbesserung klinischer Symptome mithilfe des WOMAC-Scores (= Western
Ontario and McMaster Universities-Arthrose-Index, ein Score zur Bewertung von Schmerzempfinden, Steifheit und
Funktionsfähigkeit der Gelenke) festgestellt werden. Die Notwendigkeit eines Knie- oder Hüftgelenkersatzes konnte
auch verringert werden. Es empfiehlt sich die Tagesdosierung über den Tag verteilt zu den Mahlzeiten (z. B. 2 × 750
mg GS/d oder 3 × 1 250 mg MSM/d) einzunehmen. Auch eine Intervalltherapie (z. B. 1 500 mg Glucosaminsulfat/d
für sechs bis acht Wochen gefolgt von einer dreiwöchigen Therapiepause) ist sinnvoll. Bemerkenswert ist, dass die
europäische Gesellschaft für Osteoporose- und Osteoarthritis-Therapie (ESCEO) in ihren Leitlinien aus dem Jahre
2016 im ersten Schritt der Behandlung der Kniegelenksarthrose den Einsatz von Glucosaminsulfat und/oder
Chondroitinsulfat neben Paracetamol empfiehlt.
#274.03{sidANyXpmu8}
18.2.5 NSAID (z. B. Ibuprofen) und ​Kalium
#274.04{sidxfVvxI3d}
NSAID erhöhen die Kaliumserumspiegel
#274.05{sidiqPMuhV0}
Mechanismus: Nichtsteroidale Antiphlogistika (z. B. Ibuprofen, Indometacin) können durch Beeinträchtigungen der
Nierenfunktion (z. B. Hemmung der Prostaglandinsynthese → hyporeninämischer Hypoaldosteronismus) einen
Anstieg der Kaliumspiegel im Serum hervorrufen; bei gleichzeitiger Einnahme kaliumhaltiger Präparate kann als
Folge einer additiven Kaliumretention eine Hyperkaliämie auftreten.
#274.06{sidZ9hHQ9CX}
Folgen: Anstieg der Kaliumspiegel; Risiko für neuromuskuläre Störungen (z. B. Muskelschwäche, Parästhesien),
Bradykardie oder AV-Block durch Hyperkaliämie (Kaliumserumspiegel > 5,0 mmol/l).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#274.07{sidw1oP0Xr9}
Hinweis: Eine Selbstmedikation mit kaliumhaltigen Elektrolyt- oder Vit​aminpräparaten sollte unter einer Therapie
mit NSAID unterbleiben.
#274_275{sidvHRid1rD}
Nichtsteroidale Antiphlogistika können die Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate) beeinträchtigen (Indometacin
bis zu 50 %) und die Entwicklung einer Hyperkaliämie begünstigen. Durch die Hemmung der Prostaglandinsynthese
werden zudem der renale Blutfluss und die intrarenale Modulation des Renin-Angiotensin-Systems gestört.
Normalerweise führen Prostaglandine als Vasodilatatoren zu einem Anstieg des Renins im Plasma. Als
Prostaglandinsynthese-Inhibitoren können NSAID einen hyporeninämischen Hypoaldosteronismus auslösen
(Aldosteron steigert die renale Kaliumexkretion). Der hyporeninämische Hypoaldosteronismus führt häufig zu einer
Hyperkaliämie, vor allem bei älteren Diabetikern. Diese Störung bewirkt bei gleichzeitiger Gabe von NSAID,
Betablockern oder ACE-Inhibitoren einen signifikanten Anstieg der Kaliumspiegel im Blut.
#275.01{sidfIgtFVql}
18.2.6 Sulfasalazin und Folsäure
#275.02{sid3ZOdHR2G}
Sulfasalazin vermindert die Folsäure-Resorption
#275.03{sidpTVIgs7K}
Mechanismus: Die in der Nahrung dominierenden Polyglutamatverbindungen der Folsäure müssen vor der
Resorption mithilfe einer zinkabhängigen γ-Glutamyl-Carboxypeptidase im Bürstensaum der Mucosazellen des
Duodenums und oberen Jejunums in resorbierbare Monoglutamatverbindungen gespalten werden. Sulfasalazin, das
zur Basistherapie der rheumatoiden Arthritis und zur Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (z. B. M.
Crohn) eingesetzt wird, hemmt die Aktivität der Peptidasen und beeinträchtigt die Bioverfügbarkeit von
Nahrungsfolaten.
#275.04{sidrV63gq23}
Folgen: Ein Anstieg der Homocystein-Plasmaspiegel (≥ 10 µmol/l), Störungen des Blutbilds (z. B.
hypersegmentierte neutrophile Granulozyten, Megaloblastenanämie) sowie gastrointestinale
Schleimhautveränderungen (z. B. Durchfälle) können die Folge sein.
#275.05{sidvbUjjEf4}
Hinweis: Unter einer Langzeitmedikation mit Sulfasalazin empfiehlt sich die regelmäßige Einnahme eines
Folsäurepräparats (0,6–1 mg Folsäure tgl.) in Kombination mit Vit​amin B6 und B12. Zur Kontrolle des Folsäurestatus
ist die Bestimmung der erythrozytären Folsäurekonzentration und der Homocystein-Plasmaspiegel sinnvoll.
#275.06{sidNe1gnWUg}
18.2.7 NSAID und Glutamin
#275.07{siddItSGyFI}
Glutamin verringert die gastrointestinalen Nebenwirkungen von NSAID
#275.08{sidfCWcG7xz}
Mechanismus: Eine erhöhte intestinale Permeabilität und Schleimhautschäden im Magen-Darm-Trakt durch
NSAID, wie Indometacin oder Diclofenac sind häufig. L-Glutamin ist das primär energieliefernde Substrat der sich
rasch teilenden Zellen der Dünndarmschleimhaut und ist ein essenzieller Nährstoff zur Aufrechterhaltung der
normalen Darmfunktion. Permeabilitätsveränderungen des Darms werden durch Glutamin verringert und die
gastrointestinale Mukosa geschützt.
#275.09{sid36d4dlWQ}
Folgen: Die gastrointestinale Verträglichkeit von NSAID kann durch begleitende Gabe von L-Glutamin verbessert
werden.
#275.10{sidzXPkDiQ5}
Hinweis: Gastrointestinale Nebenwirkungen der NSAID können durch die adjuvante Einnahme (30 Minuten vorher)
von L-Glutamin (5–10 g) verringert werden.
#275.11{sidWHGGkm1w}
18.2.8 D-Penicillamin und Vit​amin B6
#275.12{sidNkWh3ErU}
Inaktivierung und erhöhte renale Exkretion von Vit​amin B6 durch D-Penicillamin
#275.13{sidUDYLGjPU}
Mechanismus: D-Penicillamin reagiert mit der reaktiven Aldehyd-Gruppe von Pyridoxal unter Bildung einer
Schiff’schen Base (Vit​amin-B6-Antagonismus). Das Vit​amin wird dadurch physiologisch inaktiviert und verstärkt
renal ausgeschieden (○Abb. 18.1).
#275.14{sidPcp3Pded}
Folgen: Vit​amin-B6-Mangel (erhöhte Xanthurensäure-Exkretion nach Tryptophanbelastung); periphere
Neuropathien (z. B. Taubheitsgefühl, Kribbeln in den Füßen und Händen).
#275.15{sidEYpJLnTg}
Hinweis: Unter einer Medikation mit D-Penicillamin ist auf eine ausreichende Substitution mit Vit​amin B6 (25–100
mg tgl., p. o.) zu achten. Bei Neuropathien empfiehlt sich die kombinierte Gabe von Vit​amin B6 mit Benfotiamin und
Vit​amin B12. D-Penicillamin kann auch die Exkretion von Zink und Kupfer steigern. Die Zinkkonzentration in
immunkompetenten Zellen kann dadurch abfallen.
#275.16{sid2vV2s23s}
Literatur
#275.17{sidaPbwyh0c}
Abate A et al. Synergistic inhibition of cyclooxygenase-2 expression by vit​amin E and aspirin. Free Radic Biol Med,
29 (11): 1135–1142, 2000
#275.18{sidYRheLmgp}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Ann JY et al. Effect of glutamine on the non-steroidal anti-inflammatory drug-induced bacterial translocation. Korean
J Gastroenterol, 44 (5): 252–258, 2004
#275_276{sidpxSH7wMI}
Blankenhorn G. Klinische Wirksamkeit von Vit​amin E bei aktivierten Arthrosen. Eine multizentrische Placebokontrollierte Doppelblindstudie. Z Orthopädie, 124: 340–343, 1986
#276.01{sidUy2kuEqi}
Bruyère O, Cooper C, Pelletier JP et al. A consensus statement on the European Society for Clinical and Economic
Aspects of Osteoporosis and Osteoarthritis (ESCEO) algorithm for the management of knee osteoarthritis-From
evidence-based medicine to the real-life setting. Semin Arthritis Rheum, 45 (4 Suppl): S3-S11, 2016
#276.02{sidTHbCenmk}
Butawan M, Benjamin RL, Bloomer RJ. Methylsulfonylmethane: Applications and Safety of a Novel Dietary
Supplement. Nutrients, 9 (3), pii: E290, doi: 10.3390/nu9030290, 2017
#276.03{siduNbQSQS1}
Debbi EM, Agar G, Fichman G et al. Efficacy of methylsulfonylmethane supplementation on osteoarthritis of the
knee: a randomized controlled study. BMC Complement Altern Med, 11: 50, doi: 10.1186/1472-6882-11-50, 2011
#276.04{sidjlwt18Yh}
Deray G. Renal and cardiovascular effects of non-steroidal anti-inflammatories and selective cox 2 inhibitors. Presse
Med, 33 (7): 483–489, 2004
#276.05{sidoKGckjo8}
Fransen M, Agaliotis M, Nairn L et al. Glucosamine and chondroitin for knee osteoarthritis: a double-blind
randomised placebo-controlled clinical trial evaluating single and combination regimens. Ann Rheum Dis, 74 (5):
851–858, 2015
#276.06{sidd6AvB7zx}
Hond ED et al. Effect of glutamine on the intestinal permeability changes induced by indomethacin in humans.
Aliment Pharmacol Ther, 13 (5): 679–685, 1999
#276.07{sidTIaX3aO5}
Hornung N et al. Folate, homocysteine, and cobalamin status in patients with rheumatoid arthritis treated with
methotrexate, an the effect of low dose folic acid supplement. J Rheumatol, 31(12): 2374–2381, 2004
#276.08{sidwe55EVv3}
Jaffe IA. The antivit​amin B6 effect of penicillamine: clinical and immunological implications. Adv Biochem
Psychopharmacol, 4: 217–226, 1972
#276.09{sidxgxQDeCj}
Jepsen LV, Eggert J. Zinc and zinc-dependent enzymes in penicillamine-treated patients with generalized
scleroderma. Acta Derm Venerol, 64 (5): 424–427, 1984
#276.10{sidhPgO6r5K}
Joung YH, Darvin P, Kang DY et al. Methylsulfonylmethane Inhibits RANKL-Induced Osteoclastogenesis in BMMs by
Suppressing NF-κB and STAT3 Activities. PLoS One, 11 (7): e0159891, doi: 10.1371/journal.pone.0159891,
2016
#276.11{sidJhzTJfAj}
Lau CS et al. Effects of fish oil supplementation on non-steroidal anti-inflammatory drug requirement in patients with
mild rheumatoid arthritis – a double blind placebo controlled study. Br J Rheumatol, 31 (11): 982–989, 1993
#276.12{sidcVAHI2eK}
Martel-Pelletier J, Roubille C, Abram F et al. First-line analysis of the effects of treatment on progression of structural
changes in knee osteoarthritis over 24 months: data from the osteoarthritis initiative progression cohort. Ann
Rheum Dis, 74 (3): 547–556, 2015
#276.13{sidnczADZtR}
Müller-Fassbender H et al. Glucosamine sulfate compared to ibuprofen in osteoarthritis of the knee. Osteoarthritis
Cartilage, 2 (1): 61–69, 1994
#276.14{sidiAmgIG7t}
Notarnicola A, Maccagnano G, Moretti L et al. Methylsulfonylmethane and boswellic acids versus glucosamine
sulfate in the treatment of knee arthritis: Randomized trial. Int J Immunopathol Pharmacol, 29 (1): 140–146, 2016
#276.15{sidx1Z2Vow2}
Ortiz Z et al. The efficacy of folic acid and folinic acid in reducing methotrexate gastrointestinal toxicity in rheumatoid
arthritits. A metaanalysis of randomized controlled trials. J Rheumatol, 25 (1): 36–43, 1998
#276.16{sidx4lFq2ML}
Petersen SG et al. Glucosamine but not ibuprofen alters cartilage turnover in osteoarthritis patients in response to
physical training. Osteoarthritis Cartilage, 18 (1): 34–40, 2010
#276.17{sidZy2X4Eas}
Rumsby PC et al. The effect of penicillamine on vit​amin B6 function in man. Biochem Pharmacol, 30: 3051–3053,
1981
#276.18{sidsXmOVAHY}
Sarah L et al. Supplementation with folic acid during methotrexate therapy for rheumatoid arthritis. Annals of Internal
Medicine, 121 (11): 833–841, 1994
#276.19{sidVpkY6lFi}
Seelig MS. Auto-immune complications of D-penicillamine – a possible result of zinc and magnesium depletion and
of pyridoxine inactivation. J Am Coll Nutr, 1 (2): 207–214, 1982
#276.20{sidLfVtAQw9}
Selhub J et al. Inhibition of folate enzymes by sulfasalazine. J Clin Invest, 61, 221–224, 1978
#276.21{sidwftBcBGs}
Slot O. Changes in plasma homocysteine in arthritis patients starting treatment with low dose methotrexate
subsequently supplemented with folic acid. Scand J Rheumatol, 30 (5): 305–307, 2001
#276.22{sid0tWuMkB7}
Van Ede AE et al. Homocysteine and folate status in methotrexate-treated patients with rheumatoid arthritis.
Rheumatology, 41: 658–665, 2002
#277.01{sidxNJskcUI}
19 Antituberkulotika
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#277.02{sid9TdMsOFB}
Die Tuberkulose (TBC) ist eine weltweit verbreitete bakterielle Infektionskrankheit, die durch verschiedene
Arten von Mykobakterien (v. a. Mycobacterium tuberculosis, MTB) verursacht wird und beim Menschen am
häufigsten die Lungen befällt. Sie führt die weltweite Statistik der tödlichen Infektionskrankheiten an. Nach
Schätzungen der WHO starben 2008 durch die Tuberkulose über 1,8 Millionen Menschen. Aufgrund der
schnellen Resistenzentwicklung der Tuberkelbakterien gegen einzelne Antituberkulotika erfolgt in der Regel
eine Kombinationstherapie aus bakteriziden und bakterio​statisch wirkenden Antituberkulotika: Isoniazid,
Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol.
#277.03{sid44FkQHKO}
19.1 Antituberkulotika und Mikronährstoffe
#277.04{sidfx9yPqpp}
19.1.1 Bedeutung von Vit​amin D bei Tuberkulose
#277.05{sid2rGmawTC}
Die heilsame Wirkung des Sonnenlichts bei Tuberkulose beschreibt Thomas Mann 1924 in seinem TuberkuloseRoman „Der Zauberberg“. Inspiriert wurde er zu diesem Werk, als seine Frau Katia 1912 in einem Davoser
Lungensanatorium weilte. Kuraufenthalte in Sonnensanatorien hochalpiner Regionen zählten vor der Entdeckung der
Antibiotika zur Standardtherapie der Tuberkulose (→ Heliotherapie der TBC). Die Heliotherapie (UV-B 280–315
nm) regt im Körper die Produktion von 25-OH-Vit​amin-D an, welches von Immunzellen (z. B. Makrophagen, B- und TLymphoyzten) in 1,25-(OH)2-Vit​amin-D (Calcitriol, Vit​amin-D-Hormon) umgewandelt wird. Für die unspezifische
Immunabwehr und die MTB-Resistenz ist vor allem die calcitriolinduzierte Synthese antimikrobiell wirksamer Peptide
(AMP), der sogenannten Cathelicidine von Bedeutung. AMP unterstützen als Effektormoleküle auch die einzellige
Epithelschicht des Darms, die als Mukosabarriere unseren Körper vor dem Eindringen pathogener Keime bewahrt.
Im Kolon stellt die Expression des antimikrobiellen Peptids LL-37 eine Strategie des angeborenen Immunsystems
zur Abwehr von Mikroorganismen (z. B. E. coli) dar. 1,25(OH)2D regt dabei die Expression des Cathelicidin Gens
camp an. Die Induktion der camp-Expression durch 1,25-(OH)2D wird durch die Existenz eines Vit​amin-DResponse-Elements (VDRE) in der Promoterrregion des camp-Gens begründet, an das der Vit​amin-D-RezeptorKomplex als ligandenabhängiger Transkriptionsfaktor bindet und die Genexpression vermittelt. Neben der
eigentlichen antimikrobiellen Aktivität besitzen Cathelicidine einige andere Funktionen. So können sie z. B.
Lipopolysaccharide binden, neutralisieren und einem Endotoxinschock vorbeugen. In In-vitro-Studien mit synthetisch
hergestelltem LL-37 zeigten sich Stämme von E. coli, Klebsiella pneumoniae, Neisseria gonorrhoeae,
Enterobacter, Lactobacillus casei, A-Streptokokken, Helicobacter pylori, Shigellen, Salmonellen und Candida
albicans empfindlich gegenüber Cathelicidinen. Das Vit​amin-D-Hormon spielt eine wichtige Rolle für die Integrität
des darmassoziierten Immunsystems. Evtl. begünstigt ein Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) auch die
Suszeptibilität für Darmentzündungen mit blutigen Durchfällen durch EHEC (enterohämorrhagische Escherichia
coli).
#277_278{sid0omoTJau}
Im Vergleich zu Antibiotika sind Resistenzen gegenüber AMP sehr selten. Beim Menschen werden AMP wie das
Cathelicidin LL-37 (○Abb. 19.1) in Epithelzellen (z. B. Respirations-, Gastrointestinal-, Urogenitaltrakt) und in
spezialisierten Abwehrzellen wie Makrophagen oder Neutrophilen gebildet. AMP besitzen eine mikrobizide Wirkung
gegenüber einer Vielzahl von gramnegativen und grampositiven Bakterien, Viren und Protozoen. Selbst resistente
Pathogene wie der methillicinresistente Staphyloccocus aureus (MRSA), vancomycinresistente Enterokokken
(VRE) und Extended-Spectrum-Beta-Lactamase(ESBL)-bildende Erreger werden erfasst.
#278.01{sidQLJ7laVc}
In Makrophagen löst die Stimulierung des Toll-like-Rezeptors (TLR 2) durch Lipopolysaccharide des MTB (Antigene)
eine Hochregulierung von Vit​amin-D-Rezeptoren (VDR) und eine vermehrte Expression der CYP27B1 (1αHydroxylase) aus. Dieses Enzym katalysiert die Aktivierung von 25(OH)D (Calcidiol) in 1,25(OH)2D (Calcitriol). Nach
Bindung an den Vit​amin-D-Rezeptor (VDR) wird der aus Calcitriol und VDR bestehende Komplex in den Zellkern
transloziert. Hier induziert dieser als Transkriptionsfaktor die Expression von Cathelicidin LL-37. Die antimikrobielle
Aktivität von Cathelicidin LL-37 wird über die Interaktion mit der bakteriellen Membran erklärt. Aufgrund der positiven
Nettoladung kommt es zur Anlagerung des Peptids an die negativ geladenen Komponenten der Bakterienmembran.
LL-37 kann die Zellmembran des MTB penetrieren. Durch Porenbildung kommt es zum Einstrom wasserlöslicher
Bestandteile, die das Membranpotenzial zusammenbrechen lassen und damit den Tod des Bakteriums auslösen.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#278.02{sidXZwRfMH1}
Abb. 19.1 Calcitriolinduzierte Cathelicidin-Expression in Makrophagen
#278.03{sidttgnbSu4}
19.1.2 Antituberkulotika und ​Vit​amin D
#278.04{sid5vUKIf10}
Vit​amin D verbessert die Wirksamkeit von Antituberkulotika und beschleunigt die Heilung bei
Tuberkulose
#278.05{sidC0MggKMN}
Mechanismus: Calcitriol fördert die Differenzierung von Monozyten zu Makrophagen, erhöht die Phagozytoserate
und die Aktivität lysosomaler Enzyme in Makrophagen; der Calcitriol-VDR-Komplex induziert in Makrophagen die
Synthese des mikrobiziden Cathelicidin LL-37.
#278.06{sid3V25yEvV}
Folgen: Steigerung der antimykobakteriellen Immunität und MTB-Resistenz, Verbesserung der Wirksamkeit von
Antituberkulotika, Heilung der Tuberkulose ↑.
#279.01{sid1vRws3XU}
Hinweis: Bei Patienten mit Tuberkulose sollte grundsätzlich der Vit​amin-D-Status kontrolliert und bei einem Mangel
(25(OH)D < 20 ng/ml) Vit​amin D gezielt supplementiert werden (z. B. 40 000 I. E./Woche, p. o.). Eine
Supplementierung von Vit​amin D wirkt zudem antituberkulotikainduzierten Störungen des Vit​amin-D-Status
entgegen.
#279.02{sidr6pODHvt}
Studien: Nehmen Patienten mit Lungentuberkulose zusätzlich zur Therapie mit Antituberkulotika Vit​amin D in hoher
Dosierung ein, kann das die Heilung der Tuberkulose beschleunigen. Der hormonell aktive Metabolit des Vit​amin D,
das Calcitriol (1,25(OH)2D) besitzt ausgeprägte immunmodulierende Eigenschaften. Als Ligand des nukleären
Viamin-D-Rezeptors (VDR) steuert es die Transkription zahlreicher Gene. Der humane Vit​amin-D-Rezeptor ist
polymorph. In-vitro-Untersuchungen haben gezeigt, dass das t-Allel des TaqI-VDR-Polymorphismus einen Anstieg
der calcitriolinduzierten Phagozytose der Tuberkulosebakterien bewirkt. Dies ist mit einer rascheren
Sputumkonversion assoziiert, das bedeutet, es wird rascher der Zustand erreicht, dass in der Sputumkultur keine
lebensfähigen Mykobakterien mehr nachgewiesen werden können.
#279.03{sidnUbwqs1e}
In einer aktuellen multizentrischen, doppelblinden und randomisierten Studie erhielten 146 Patienten mit offener
Lungentuberkulose zusätzlich zur Standardtherapie mit Antituberkulotika (→ Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid,
Ethambutol) entweder viermal 2,5 mg (= 100 000 I. E.) Vit​amin D im Abstand von 14 Tagen (Tag 7, 14, 28 und 42)
oder Placebo. Primärer Endpunkt war die Zeit vom Beginn der tuberkulostatischen Therapie bis zur
Sputumkonversion. Zusätzlich wurden die Patienten hinsichtlich der TaqI-VDR-Varianten (tt, Tt, TT) genotypisiert und
der Einfluss des VDR-Genotyps auf die Vit​amin-D-Reaktion in einer Interaktionsanalyse untersucht.
#279.04{sidV7fwSdBV}
In die primäre Wirksamkeitsanalyse waren 126 Patienten eingebunden (62: Vit​amin D, 64: Placebo). Bei den
Patienten, die zusätzlich 400 000 I. E. Vit​amin D erhielten, war das im Schnitt schon nach fünf Wochen (36,0 Tagen)
der Fall. In der Placebo-Gruppe dauert dies eine Woche länger (43,5 Tage). Der Unterschied war allerdings nicht
signifikant (p = 0,41). Die Interaktionsanalyse zeigte, dass nur die Patienten mit dem tt-Genotyp des VDR von der
Supplementierung von Vit​amin D profitierten (Hazard-Ratio 8,09, 95 %-Konfidenzintervall 1,36–48,01; p = 0,02).
Dieser Genotyp liegt bei weniger als 10 % der Bevölkerung vor. Der durchschnittliche 25(OH)D-Spiegel im Serum
nach 56 Tagen lag in der Verum-Gruppe bei 101,4 nmol/ (= 40,56 ng/ml) und in der Placebo-Gruppe bei 22,8 nmol/l
(= 9,12 ng/ml). Bemerkenswert ist, dass 97 % der Probanden zu Studienbeginn einen Vit​amin-D-Mangel aufwiesen.
#279.05{sidgLLEOIJr}
19.1.3 Isoniazid und Vit​amin B6
#279.06{sidQbuV3Fml}
Isoniazid induziert Vit​amin-B6-Mangel
#279.07{sidFdyrPOc5}
Mechanismus: Isoniazid (INH) hemmt Pyridoxal über die Bildung einer metabolisch inaktiven Schiff‘schen Base
(Hydrazon): die NH2-Gruppe des Isoniazid bindet die Aldehyd-Gruppe des Pyridoxal (chemischer Antagonismus)
und vermindert dadurch die Bildung des metabolisch aktiven Pyridoxal-5-Phosphat (○Abb. 19.2); die
chemotherapeutische Wirksamkeit von INH bleibt erhalten.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#280.01{sidqzcuCbtw}
Abb. 19.2 Biotransformation von Isoniazid und Interaktion mit Pyridoxal. Mutschler 2001
#279.08{sidKLiSgj4P}
Folgen: Vit​amin-B6-Blutspiegel ↓; Pyridoxin-Phosphokinase ↓; renale Pyridoxin-Exkretion ↑; Vit​amin-B6-Mangel;
Neuritiden, Krämpfe, pellagraähnliche Dermatitiden (durch sekundären Niacinmangel), sideroblastische Anämie,
Kopfschmerzen, Schwindel.
#279_280{sidCh7DW3wO}
Hinweis: Unter einer Medikation mit Isoniazid sollte zur Prophylaxe von Polyneuropathien eine Einnahme von 50–
100 mg Vit​amin B6 tgl. erfolgen (pro 100 mg INH ≥ 10 mg Vit​amin B6). Zur Therapie INH-induzierter Neuropathien ist
eine Dosierung von 300–1 000 mg tgl. erforderlich. Bei INH-Vergiftungen wird 1 g Pyridoxin-HCl i. v. als Bolus pro g
Isoniazid (bzw. 5 g initial) gegeben. Auch das bakteriostatisch wirkende Antibiotikum D-Cycloserin bildet wie INH mit
Pyridoxal metabolisch inaktive Vit​amin-B6-Metabolite, die vermehrt renal ausgeschieden werden und zu einem
Vit​amin-B6-Mangel führen.
#280.02{sid4FJBGikx}
Eine Chemoprophylaxe der Tuberkulose erfolgt bei Personen, deren Tuberkulinhauttest innerhalb der letzten zwei
Jahre von negativ zu positiv gewechselt ist. Die Chemoprophylaxe besteht im Allgemeinen aus Isoniazid, wenn keine
Resistenz vermutet wird. Die Dosis beträgt für Erwachsene 300 mg tgl. über einen Zeitraum von 6–9 Monaten. Für
Kinder beträgt die Dosierung 10 mg pro kg KG tgl., bis zu 300 mg, die als Einzeldosis am Morgen gegeben wird. In
der Therapie der Tuberkulose werden verschiedene bakterizide (z. B. Isoniazid) und bakteriostatische (z. B.
Ethambutol) Antibiotika und Chemotherapeutika eingesetzt. Zur Verzögerung einer sekundären
Resistenzentwicklung werden anfänglich Dreier- oder Vierer-Kombinationen eingesetzt, wobei Isoniazid,
Ethambutol, Pyrazinamid und Rifampicin die Mittel der ersten Wahl sind.
#280.03{sidTTcrqdon}
19.1.4 Isoniazid und Niacin
#280.04{sidNdnJ9OBT}
Niacinmangel durch Isoniazid
#280.05{sidw1mv3ENQ}
Mechanismus: Isoniazid hemmt durch Bindung von Pyridoxal alle Pyridoxal phosphat​abhängigen Reaktionen des
Tryptophanstoffwechsels, sodass weniger Chinolinsäure als Ausgangsstoff für die Niacin-Synthese zur Verfügung
steht (sekundärer Niacinmangel).
#280.06{sidXkYvL9XF}
Folgen: Risiko für Niacinmangel; Manifestierung pellagraähnlicher Dermatitiden durch sekundären Niacinmangel.
#281.01{sidvQD7GsvI}
Hinweis: Neben der Substitution von Vit​amin B6 (siehe ▸ Kap. 19.1.3) ist unter der Medikation mit Isoniazid die
Supplementierung eines Vit​amin-B-Komplexes (mit z. B. Niacin, Folsäure, Vit​amin B12) in physiologischer
Dosierung sinnvoll.
#281.02{sidpH1QxXC4}
19.1.5 Isoniazid und Vit​amin D
#281.03{sidpP9oUwPZ}
Vit​amin-D-Mangel durch Isoniazid
#281.04{sidlSou2dBY}
Mechanismus: Isoniazid hemmt die hepatische Hydroxylierung (25-Hydroxylase) von Vit​amin D3 (Cholecalciferol)
zu 25-(OH)-Vit​amin-D (Calcidiol = Hauptmetabolit von Vit​amin D).
#281.05{sidZSIeEJ9o}
Folgen: Abfall 25-(OH)-Vit​amin-D-Serum​spiegel (Vit​amin-D-Mangel: < 50 nmol/l); Abfall der Serumcalcium- und
Phosphatspiegel; Anstieg der Parathormonspiegel; erhöhtes Risiko für Osteomalazie.
#281.06{sidYpZ7XslV}
Hinweis: Unter der Therapie mit Isoniazid sollte der Vit​amin-D-Status und die Calciumhomöostase sorgfältig
kontrolliert werden. Zur Vorbeugung potenzieller Störungen des Vit​amin-D-Stoffwechsels ist eine Supplementierung
von täglich 2 000–5 000 I. E. Vit​amin D (auch 60 000–150 000 I. E./Monat) und Calcium empfehlenswert.
#281.07{sidOstDN3Eo}
Studien: Epidemiologische Studien zeigen eine signifikante Korrelation zwischen einem niedrigen Vit​amin-DStatus und erhöhtem Infektionsrisiko, insbesondere Infektionen des Respirationsraktes sowie Tuberkulose.
#281.08{sid7VnwNQln}
19.1.6 Rifampicin und Vit​amin D
#281.09{sidSHyFQFNo}
Vit​amin-D-Mangel durch Rifampicin
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#281.10{sidRmmDsmMI}
Mechanismus: Der Enzyminduktor Rifampicin beschleunigt den Abbau und die Metabolisierung von Vit​amin D in
der Leber.
#281.11{sidfzBIv45P}
Folgen: Abfall 25-(OH)-Vit​amin-D-Serum​spiegel (Vit​amin-D-Mangel: < 50 nmol/l); Störungen der Calcium- und
Phosphathomöostase; intestinale Calciumabsorption ↓; erhöhtes Risiko für Osteomalazie.
#281.12{sidbZDKSR6s}
Hinweis: Unter der Therapie mit Rifampicin sollte der Vit​amin-D-Status und die Calciumhomöostase sorgfältig
kontrolliert werden. Zur Vorbeugung potenzieller Störungen des Vit​amin-D-Stoffwechsels ist eine Supplementierung
von täglich 2 000–5 000 I. E. Vit​amin D (auch 60 000–150 000 I. E./Monat) und Calcium empfehlenswert.
#281.13{sidGWxumfCi}
Unter einer kurzfristigen Therapie mit Rifampicin kann bereits der 25-(OH)-Vit​amin-D-Serumspiegel um bis zu 60 %
abfallen. Bemerkenswert ist, dass die Kombination von Rifampicin mit Isoniazid geringere Auswirkungen auf den
Vit​amin-D-Stoffwechsel hat als die Summe der Einzeleffekte erwarten lassen würden. Möglicherweise
kompensieren sich teilweise die Einzeleffekte. Dennoch sollte der Calcium- und Vit​amin-D-Stoffwechsel bei der
Wirkstoffkombination sorgfältig kontrolliert werden.
#281.14{sidwzsADcIk}
19.1.7 Ethambutol und Zink
#281.15{sidgK4gpLKI}
Ethambutol stört den Zink- und Kupferhaushalt
#281.16{sidtuatCpyq}
Mechanismus: Ethambutol kann mit zweiwertigen Kationen wie Zink und Kupfer Chelate bilden.
#281.17{sid07mTNTEn}
Folgen: Abfall der Zinkplasmaspiegel, erhöhte renale Zinkexkretion (möglicherweise Schäden am Sehnerv infolge
Zinkmangel in Form einer axialen oder periaxialen retrobulbären Neuritis N. optici; Sehleistung ↓; Schleiersehen).
#281.18{sidoTUnBPIj}
Hinweis: Unter der Therapie mit Ethambutol sollte der Haushalt der essenziellen Spurenelemente Zink und Kupfer
kontrolliert werden. Störungen der Sehfunktion (Sehleistung ↓) und Schäden des Sehnervs könnten mit einem durch
Ethambutol induzierten Zinkmangel in Verbindung stehen und möglicherweise durch eine Zinksubstitution gebessert
werden. Der Sehnerv braucht Zink für den Erhalt seiner Zellstruktur. Die gleichzeitige orale Einnahme von
Ethambutol mit Mineralstoffpräparaten (z. B. Zink, Eisen) sollte vermieden werden (Komplexbildung →
Einnahmeabstand).
#282.01{sidtsG4nL19}
19.1.8 Antituberkulotika, Vit​amin A und Zink
#282.02{sidZLd9U779}
Vit​amin A und Zink verbessern die Wirksamkeit von Antituberkulotika
#282.03{sidqEYhjsEy}
Mechanismus: Patienten mit Tuberkulose weisen häufig, neben einem Vit​amin-D-Mangel, verminderte Zink- und
Vit​amin-A-Plasmaspiegel auf. Vit​amin A besitzt immunoprotektive Eigenschaften gegen humane
Tuberkulosebakterien; Zinkmangel beeinträchtigt das humorale und zelluläre Immunsystem. Zink spielt eine zentrale
Rolle bei der hepatischen RBP-Synthese und ist essenzieller Bestandteil der Retinoldehydrogenase (z. B.
Magenschleimhaut, Netzhaut). Zinkmangel führt daher zu Störungen des Vit​amin-A-Haushalts.
#282.04{sidY6Dx0y7S}
Folgen: Ein Mangel an Vit​amin A und Zink führt zu einer ausgeprägten Schwächung der zellulären und humoralen
Immunkompetenz und steigert erheblich die Infektanfälligkeit (z. B. Atemwegsinfekte); Vit​amin-A-Mangel erhöht die
bakterielle Adhäsion am Bronchialepithel und stört die Integrität der epithelialen Barriere (v. a. Respirationstrakt); die
Synthese von Antikörpern, NK-Zellen und die T-Zellproliferation werden beeinträchtigt.
#282.05{sidt5y4N74T}
Hinweis: In der Therapie der Tuberkulose ist eine adjuvante Gabe von Zink (15–20 mg tgl., p. o.) und Vit​amin A (5
000–10 000 I. E. tgl., p. o.) zur Unterstützung der antituberkulostatischen Therapie in jedem Fall sinnvoll. Eine
labordiagnostische Erfassung des Zinkstatus kann sinnvoll sein.
#282.06{sidH1ln905c}
Studien: Studien haben gezeigt, dass Vit​amin A gegenüber der Tuberkulose immunoprotektive Eigenschaften
besitzt und die Immunantwort bei Patienten mit Tuberkulose steigert. Vor der Einfuhr der modernen Chemotherapie
der Tuberkulose wurde häufig Lebertranöl (reich an Vit​amin A und D) eingesetzt. In einer aktuellen doppelblinden,
placebokontrollierten Studie an Patienten mit Tuberkulose führte die adjuvante Gabe von Vit​amin A (5 000 I. E. tgl.,
p. o.) und Zink (15 mg tgl., p. o.) zu einer deutlichen Wirksamkeitsverbesserung der antituberkulotischen Medikation
(→ beschleunigte Konversion in negativen Sputumausstrich).
#282.07{sidCSD8z8ao}
Literatur
#282.08{sidMTOJ164T}
Balcells ME, García P, Tiznado C et al. Association of vitamin D deficiency, season of the year, and latent
tuberculosis infection among household contacts. PLoS One, 12 (4): e0175400, doi:
10.1371/journal.pone.0175400, 2017
#282.09{sidWV3oCePl}
Bottomley S. Sideroblastic anaemia. Clin Haematol, 11: 389–409, 1982
#282.10{sidFqnXjrrL}
Brodie MJ et al. Effect of isoniazid on vit​amin D metabolism and hepatic monooxygenase activity. Clin Pharmacol
Ther, 30 (3): 363–367, 1981
#282.11{sidd3QbMAy9}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Brodie MJ et al. Effect of rifampicin and isoniazid on vit​amin D metabolism. Clin Pharmacol Ther, 32 (4): 525–530,
1982
#282.12{sidmRUPnAsS}
Demiroglu H, Dundar S. Vit​amin B6 responsive siderblastic anaemia in a patient with tuberculosis. Br J Clin Pract,
51: 51–52, 1997
#282.13{sidxaRikY3y}
Gois PHF, Ferreira D, Olenski S, Seguro AC. Vitamin D and Infectious Diseases: Simple Bystander or Contributing
Factor? Nutrients, 9 (7). pii: E651, doi: 10.3390/nu9070651, 2017
#282.14{sidX1pMRgYF}
Gong H, Amemiya T. Optic nerve changes in zinc-deficient rats. Exp Eye Res, 72 (4): 363–369, 2001
#282.15{sidWkqdFRVH}
Holick MF. Vit​amin D deficiency. N Engl J Med, 357 (3): 266–281, 2007
#282.16{sidkvFQjvZ0}
Karyadi E et al. A double-blind, placebo-controlled study of vit​amin A and zinc supplementation in persons with
tuberculosis in Indonesia: effects on clinical response and nutritional status. Am J Clin Nutr, 75: 720–727, 2002
#282.17{sid0UUbUzff}
Martineau AR et al. High-dose vit​amin D(3) during intensive-phase antimicrobial treatment of pulmonary
tuberculosis: a double-blind randomised controlled trial. Lancet, 377 (9761): 242–250, 2011
#282.18{sidFLRVOHiq}
Matsui MS, Rozovski SJ. Drug-Nutrient interaction. Clin Ther, 4 (6): 423–440, 1982
#282.19{sidwJrhvnbA}
Mutschler E. Arzneimittelwirkungen. 10. Aufl., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2013
#282.20{sidfe8TBN88}
Saiga H et al. Innate immune effectors in mycobacterial infection. Clin Dev Immunol, 2011: 1–8, 2011
#282.21{sid5aqCTFGO}
Snider DEJr. Pyridoxine supplementation during isoniazid therapy. Tubercle, 61 (4): 191–196, 1980
#283.01{sidVumEHnLd}
Solecki TJ et al. Effect of chelating drugs on balance and tissue distribution of four essentiel metals. Toxicology, 31
(304): 207–216, 1984
#283.02{sidIfht6010}
Sudfeld CR, Mugusi F, Aboud S et al. Efficacy of vitamin D3 supplementation in reducing incidence of pulmonary
tuberculosis and mortality among HIV-infected Tanzanian adults initiating antiretroviral therapy: study protocol for a
randomized controlled trial. Trials, 18 (1): 66, doi: 10.1186/s13063-017-1819-5, 2017
#283.03{sidOlCkxO8J}
Tenforde MW, Yadav A, Dowdy DW et al. Vitamin A and D Deficiencies Associated With Incident Tuberculosis in
HIV-Infected Patients Initiating Antiretroviral Therapy in Multinational Case-Cohort Study. J Acquir Immune Defic
Syndr, 75 (3): e71-e79, 2017
#283.04{sidxRVlmlsf}
Vieth R. Vit​amin D nutrient to treat TB begs the prevention question. Lancet, 377: 189–190, 2011
#283.05{sidTZTlAkvQ}
Workineh M, Mathewos B, Moges B et al. Vitamin D deficiency among newly diagnosed tuberculosis patients and
their household contacts: a comparative cross-sectional study. Arch Public Health, 75: 25, doi: 10.1186/s13690017-0195-7, 2017
#284.01{sidkKz9L1SP}
20 Corticosteroide
#284.02{sidF5HBYf3W}
Die Entdeckung der antiinflammatorischen und immunsuppressiven Eigenschaften der Corticosteroide zählt zu
den Meilensteinen in der Rheumatherapie. Glucocorticoide bilden heute eine unverzichtbare Wirkstoffklasse zur
Therapie akut und chronisch entzündlicher Erkrankungen wie:
#284.03{sidbMcgS3pg}
der rheumatoiden Arthritis,
#284.04{sidKVGy5ZtM}
Morbus Crohn,
#284.05{sidaZfJn51y}
chronisch-obstruktiver Lungenerkrankungen (COPD),
#284.06{sidwyglghFA}
Kollagenosen, sowie
#284.07{sidRHinBFcc}
allergischer Erkrankungen wie Asthma bronchiale und topische Dermatitis.
#284.08{sidKTfYkdka}
Nachteil der Corticosteroide sind verschiedene, zum Teil gravierende Nebenwirkungen (z. B. SteroidOsteoporose) mit denen vor allem bei längerer Therapie zu rechnen ist. Neben der Optimierung von
Therapieschemata bildet die therapiebegleitende Supplementierung von Mikronährstoffen (z. B. Vit​amin D)
eine sinnvolle Maßnahme, um die corticoidbedingten Nebenwirkungen zu reduzieren.
#284.09{sid5FxSjgtn}
20.1 Corticosteroide und Mikro​nährstoffe
#284.10{sid9OsljsA6}
20.1.1 Corticosteroide und Calcium
#284.11{sidsdzUasd2}
Corticosteroide stören den Calciumhaushalt
#284.12{sid7lntZgBN}
Mechanismus: Corticoide (z. B. Prednison, Prednisolon) hemmen die intestinale Calciumabsorption und steigern
die renale Calciumexkretion (Anti-Vit​amin-D-Wirkung); Osteoblastenaktivität ↓, Osteoklastenaktivität ↑.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#284.13{sid0lVku236}
Folgen: Calciumserumspiegel ↓; Parathormonspiegel i (Osteolyse); Serumspiegel an Osteocalcin ↓, erhöhtes
Osteoporoserisiko.
#284.14{sidhLJyyIdC}
Hinweis: Bei einer Langzeittherapie mit Corticosteroiden sollte generell auf eine calciumreiche Ernährung sowie
die regelmäßige Supplementierung von Calcium (z. B. 600–1 000 mg tgl., p. o.) in Kombination mit anderen
knochenwirksamen Mikronährstoffen (z. B. Vit​amin K2, C, Zink) geachtet werden, um einer corticoidinduzierten
Osteo​porose vorzubeugen.
#284_285{sidRSGdM8Fs}
Die corticoidinduzierte Osteoporose zählt zu den bedeutendsten Formen der medikamentös bedingten Osteopathie.
Bei chronischer, alternierender oder inhalativer Corticoidtherapie ist immer mit Störungen der
Knochenmineralisation zu rechnen. Eine Beeinträchtigung des Knochenstoffwechsels kann auch bei niedrigen oder
intermittierend applizierten Corticoiddosen nicht ausgeschlossen werden. Eine sichere Schwellendosis unterhalb
derer Corticoide keinen Einfluss auf die Knochenintegrität ausüben, existiert nach den derzeitigen Erkenntnissen
nicht. 30–50 % der Patienten entwickeln unter einer Langzeittherapie mit Corticoiden eine corticoidinduzierte
Osteoporose. Besonders vulnerabel sind Kinder, Heranwachsende und postmenopausale Frauen. Das Frakturrisiko
steigt mit Zunahme der täglichen Corticoiddosis an. Selbst unter niedrigen Tagesdosen < 2,5 mg
Prednisolonäquivalent (Cushing-Schwelle) ist das relative Risiko für Wirbelkörperfrakturen bereits um den Faktor
1,55 erhöht. Unter Dosen von 2,5 bis 7,5 mg steigt es auf mehr als das Doppelte (RR: 2,6). Oberhalb von 7,5
mg/Tag erhöht sich das Frakturrisiko für die Wirbelkörper über fünffach und für die Hüfte um das 2,3-fache. Bei
inhalativer Glucocorticoidtherapie, z. B. bei Asthma bronchiale, gelangen zum Teil nur 30 % des Wirkstoffs in die
Atemwege, der Rest lagert sich im Oropharynx ab und wird verschluckt. Systemische Nebenwirkungen,
insbesondere Störungen des Knochenstoffwechsels können bei langfristiger inhalativer Anwendung deshalb nicht
ausgeschlossen werden.
#285.01{sid9H95fNx5}
Die Pathogenese der corticoidinduzierten Osteoporose ist multifaktoriell. Im Rahmen der direkten und indirekten
Effekte der Corticoide auf die Osteoblasten und Osteoklasten spielen insbesondere die Vit​amin-D-antagonistischen
Effekte eine wichtige Rolle □ Tab. 20.1). Über eine vermehrte Expression von RANK-L und eine verminderte
Osteoprotegerin-Produktion steigern Corticosteroide die Aktivität der Osteoklasten. Die IGF-1-Spiegel sowie die
Osteoblasten-Differenzierung und Osteoblastogenese werden durch Corticoide verringert. Darüber hinaus führen
Corticosteroide über ein negatives Feedback auf die Hypothalamus-Gonaden-Achse (LH/FSH) zu einer Reduktion
der Sexualhormone, die ihrerseits einen positiven Einfluss auf den Knochen ausüben. Die intestinale
Calciumresorption wird durch Corticoide vermindert und gleichzeitig die renale Calciumexkretion verstärkt. Ein
damit verbundener Abfall der Calciumspiegel im Blut kann zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus führen. Ein
PXR-vermittelter Abbau von Vit​amin D (z. B. durch Dexamethason) kann zusätzlich den enzymatischen Abbau von
Vit​amin D steigern. Unter einer Therapie mit Corticoiden sollte grundsätzlich der Vit​amin-D-Status (25(OH)D im
Serum) labordiagnostisch überprüft und durch gezielte Supplementierung kompensiert werden, um das Risiko einer
corticoidinduzierten Osteoporose zu verringern.
#285.02{sidnZIbfUVC}
Tab. 20.1 Einfluss von Corticoiden und Vit​amin D auf den Knochenstoffwechsel (Auswahl)
#285.03{sidGlgNalIS}
Corticoide
Vit​amin D
Differenzierung ↓,
Osteoblastogenese ↓
Differenzierung ↑,
Osteoblasteogenese ↑
Intestinale Resorption ↓,
renale Exkretion ↑
Intestinale Resorption ↑, renale
Exkretion ↓
Erhöhung (→ sek. PTH)
Suppression
Reduktion
Erhöhung
Abfall
Erhöhung
Knochenresorption ↑
Knochenformation ↑
Parameter mit Einfluss auf die
Knochenintegrität
#285.04{sid3EZuZ7qi}
Osteoblasten
#285.05{sido7WVBgZN}
Calciumstoffwechsel
#285.06{sidDe7WQ0sc}
Parathormon (→ sek. PTH)
#285.07{sidsfHZp9F0}
Calcitonin
#285.08{sidfum7OadF}
Sexualhormone (z. B. Testosteron)
#285.09{sid89LAwOpw}
Knochen
#285.10{sidOxa2ojjd}
20.1.2 Corticosteroide und Vit​amin D
#285.11{sidJgM2XsFV}
Corticosteroide erhöhen den Vit​amin-D-Bedarf
#285.12{sid08wM9LxK}
Mechanismus: Corticoide (z. B. Prednison, Prednisolon) hemmen die intestinale Calciumabsorption und steigern
die renale Calciumexkretion (Anti-Vit​amin-D-Wirkung); corticoidinduzierte Calciumdepletion steigert den Vit​amin-DBedarf.
#285.13{sidaeVXRRca}
Folgen: Abfall der 25(OH)Vit​amin-D-Serum​spiegel (25(OH)D < 30 ng/ml bzw. < 75 nmol/l); Calciumserumspiegel
↓; Parathormonspiegel ↑ (Osteolyse); Serumspiegel an carboxyliertem Osteocalcin ↓; vorzeitige Knochenalterung,
erhöhtes Osteoporoserisiko.
#285_286{sidtDk5ZmFQ}
Hinweis: Bei einer Langzeittherapie mit Corticosteroiden sollte generell auf eine calciumreiche Ernährung sowie
die regelmäßige Supplementierung von Calcium (z. B. 600–1 000 mg tgl., p. o.) und Vit​amin D (40–60 I. E. pro Tag
KG tgl., p. o.) in Kombination mit anderen knochenwirksamen Mikronährstoffen (z. B. Vit​amin K2, C, Bor, Zink)
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
geachtet werden, um einer corticoidinduzierten Osteoporose vorzubeugen (siehe ▸ Kap. 20.1.5). Es empfiehlt sich,
den Vit​amin-D-Status (z. B. 25-(OH)-D, Parathormonspiegel) regelmäßig zu kontrollieren.
#286.01{sidl5C40pVp}
Studien: Studien geben Hinweise darauf, dass die regelmäßige Zufuhr von Calcium (1 200 mg/d) und Vit​amin D
(800 I. E./d) auch die Sturzrate bei älteren Frauen verringert. Corticosteroide greifen in den Prozess der
Zelldifferenzierung von mesenchymalen Stammzellen ein. Aus diesen entwickeln sich über unterschiedliche
Differenzierungswege hauptsächlich zwei Zelllinien: Osteoblasten und Adipozyten. Während Vit​amin D und
bestimmte knochenspezifische Proteine (BMP = bone morphogenetic proteins) zur Ausbildung von Osteoblasten
führen, bewirken Dexamethason und Insulin die Entwicklung von Adipozyten. Daneben scheinen Corticoide auch
eine verstärkte Apoptose von osteocalcinproduzierenden Osteoblasten und Osteozyten einzuleiten.
#286.02{sidRkhixQzS}
20.1.3 Corticosteroide und Vit​amin K
#286.03{sidwalq3WqM}
Vit​amin K (z. B. MK-4) wirkt corticoidinduzierter Osteoporose entgegen
#286.04{sidYWKINTeP}
Mechanismus: Vit​amin K (Coenzym der γ-Glutamyl-Carboxylase): γ-Carboxylierung Vit​amin-K-abhängiger
Knochenproteine, die an der Knochenmineralisation beteiligt sind (Osteocalcin, Matrix-Gla-Protein (MGP),
Knochenprotein S); Stimulation der Knochenneubildung und Reduktion der renalen Calcium- und HydroxyprolinAusscheidung.
#286.05{sidYQx2JMGb}
Folgen: Erhöhung des Carboxylierungsgrades des Osteocalcins (→ untercarboxyliertes Osteocalcin ucOC =
Risikofaktor für Osteoporose), verringertes Risiko für corticoidinduzierte Osteopathie.
#286.06{sidrJrAIhlt}
Hinweis: Unter der Therapie mit Corticosteroiden sollte neben dem Vit​amin-D-Status auch der Vit​amin-K-Status
(Parameter: untercarboxyliertes Osteocalcin, ucOc) kontrolliert und unter Berücksichtigung potenzieller
Kontraindikationen ausgeglichen werden.
#286.07{sidABkZCVNl}
Studien: In verschiedenen Studien wirkte die Supplementierung von Vit​amin K (z. B. 45 mg Vit​amin K2/d, p. o.)
einer corticoidinduzierten Störungen des Knochenstoffwechsels entgegen. Die Knochendichte verbesserte sich
dabei zum Teil unter der adjuvanten Gabe von Vit​amin K. Als K-Vitamer kann auch MK-7 eingesetzt werden im
Dosierungsbereich von täglich 2–5 μg/kg KG.
#286.08{sidjF1kQ0Yz}
20.1.4 Corticosteroide und Kalium
#286.09{sidw85xG8tY}
Kaliumverluste durch Corticosteroide mit mineralocorticoidartiger Wirkkomponente
#286.10{sidKvLBZn9P}
Mechanismus: Corticoide mit mineralocorticoidartiger Wirkungskomponente (z. B. Hydrocortison) steigern bei
Langzeittherapie die Rückresorption von Natrium- und die Exkretion von Kaliumionen; Mineralocorticoide (z. B.
Fludrocortison) können deutlichen Kaliumverlust hervorrufen.
#286.11{sidMy5hU5JU}
Folgen: Abfall der Kaliumserumspiegel; Hypokaliämie (< 3,5 mmol/l); Ödeme; Muskelschwäche.
#286.12{sidxW5uKdzc}
Hinweis: Bei einer Langzeittherapie mit Corticoiden mit mineralocorticoidartiger Wirkungskomponente sollte der
Kaliumhaushalt engmaschig kontrolliert und gegebenenfalls durch Kaliumpräparate kompensiert werden,
insbesondere wenn gleichzeitig Diuretika eingenommen werden.
#286.13{sidUq6gXsxb}
20.1.5 Corticosteroide und Vit​amin C
#286.14{sidQIhvdR6R}
Corticosteroide beeinträchtigen den Vit​amin-C-Status
#286.15{sidxW56K7pd}
Mechanismus: Corticosteroide interferieren mit dem Vit​amin-C-Status vermutlich durch eine erhöhte
Oxidationsrate von Ascorbinsäure zu Dehydoascorbinsäure und renale Vit​amin-C-Exkretion sowie durch Störung
zellulärer Transportmechanismen.
#286.16{sidJL5TArxt}
Folgen: Abfall der Vit​amin-C-Spiegel; erhöhter Vit​amin-C-Bedarf möglich.
#286_287{sid64I79aZS}
Hinweis: Unter Langzeittherapie mit Corticosteroiden ist eine begleitende Supplementierung von Vit​amin C (200–
500 mg tgl., p. o.) empfehlenswert. Aufgrund der Vit​amin-C-abhängigen Katecholamin-Synthese ist in StressSituationen der Vit​amin-C-Bedarf deutlich erhöht. Bei Stress fällt die Vit​amin-C-Konzentration in der
Nebennierenrinde ab.
#287.01{sidQljAMR6b}
20.1.6 Corticosteroide und Magnesium
#287.02{sidlC6qx7LE}
Corticosteroide beeinträchtigen den Magnesiumstatus
#287.03{sidZ5uq209O}
Mechanismus: Corticosteroide (z. B. Prednison) interferieren mit dem Haushalt essenzieller Elektrolyte (z. B.
Kalium, Magnesium); erhöhte renale Magnesiumausscheidung.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#287.04{sid4nl6r2DK}
Folgen: Abfall der Magnesiumserumpiegel; erhöhter Magnesiumbedarf.
#287.05{sidQgthzSN0}
Hinweis: Unter Langzeittherapie mit Corticosteroiden sollte der Elektrolythaushalt kontrolliert und gegebenenfalls
durch Supplementierung kompensiert werden.
#287.06{sidHhbkbBye}
Studien: Untersuchungen an Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung haben eine negative
Korrelation zwischen der Länge der oralen Corticoidtherapie und dem Magnesiumserumspiegel gezeigt.
#287.07{sidsK37eEtj}
20.1.7 Corticosteroide und Omega-3-Fettsäuren
#287.08{sidRvErui7a}
Omega-3-Fettsäuren verringern den Bedarf an Corticosteroiden
#287.09{sid0gCc2QDh}
Mechanismus: Antiinflammatorische und immunmodulierende Eigenschaften der Omega-3-Fettsäuren
unterstützen nebenwirkungsfrei die Wirksamkeit von Corticoiden in der Therapie chronisch entzündlicher
Erkrankungen (z. B. Rheuma, Asthma, Psoriasis).
#287.10{sid7AE67thG}
Folgen: Additive antiinflammotrische Wirkung; verringerter Bedarf (Dosisreduktion) und verbessertes
Nebenwirkungsprofil der Corticosteroide.
#287.11{sidjtM8TukF}
Hinweis: Die adjuvante Gabe von Omega-3-Fettsäuren (30–45 mg EPA/DHA pro kg KG tgl., p. o.) in Kombination
mit einer lacto-vegetabilen, arachidonsäurearmen Kost (< 80 mg Arachidonsäure pro Tag) kann den
therapeutischen Bedarf an Corticosteroiden signifikant reduzieren.
#287.12{sidvzCsvxR9}
Der redoxsensitive Transkriptionsfaktor NFkappaB (NFкB) spielt eine zentrale Rolle bei der Genregulation
entzündlicher Prozesse. Im inaktivierten Zustand ruht NFкB im Zytosol immunkompetenter Zellen gebunden an das
inhibitorische Protein IкB-α. Eine Phosphorylierung des NFкB-Inhibitors IкB-α löst eine Aktivierung des
Transkriptionsfaktors aus, die eine vermehrte Produktion proinflammatorisch wirkender Zytokine wie
Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) oder Interleukin 1 (IL-1) auslöst. Corticosteroide hemmen die Aktivierung von
NFкB. Dabei interagiert der Corticoidrezeptor direkt mit der NFкB-Untereinheit p65 (NFкB besteht aus einer p50und p65-Untereinheit) und blockiert hierüber die transaktivierende Eigenschaft von NFкB. Auch Omega-3-Fettsäuren
und Vit​amin D können die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFкB hemmen. Eicosapentaensäure (EPA)
verringert die Phosphorylierung des NFкB-Inhibitors IкB-α und dadurch die NFкB-induzierte Bildung
proinflammatorischer Zytokine (z. B. TNF-α).
#287.13{sidw3W598Qw}
20.1.8 Corticosteroide und Zink
#287.14{sidc57al2gj}
Zinkverlust durch Corticosteroide
#287.15{sidJUYPg5li}
Mechanismus: Corticosteroide steigern die renale Zinkexkretion; Zinkdepletion.
#287.16{sid6yvEgN2n}
Folgen: Abfall der Zinkkonzentrationen im Serum, Erythrozyten und Leukozyten.
#287.17{sidBeRSptsZ}
Hinweis: Unter Langzeittherapie mit Corticosteroiden sollte neben Calcium und Vit​amin D auch auf eine adäquate
Versorgung mit Zink geachtet werden.
#287_288{sidxet6n2za}
Alimentärer Zinkmangel verursacht bei wachsenden Ratten eine Osteopenie, die sich u. a. in einem signifikanten
Abfall der osteoblastären Knochen-formation und verringerten Aktivität der alkalischen Phosphatase im Plasma
äußert. Ein Mangel an Zink reduziert die hepatische Genexpression des Insulin-like-Growth-Factors-1 (IGF-1) und
reduziert die IGF-1-Serumspiegel. IGF-1 ist der physiologisch wichtigste Wachstumsfaktor, der in allen Körperzellen
die Zellteilung anregt. Der Aufbau und das Wachstum des Knochens werden durch IGF-1 stimuliert und die
Osteoblasten aktiviert. Die renale Zinkexkretion ist bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose deutlich erhöht
und wird durch Estrogensubstitution verringert. Zinkmangel scheint auch beim Menschen ein eigenständiger
Risikofaktor bei der Entwicklung der Osteoporose zu sein.
#288.01{sidYCfF7oWf}
20.1.9 Corticosteroide und Selen
#288.02{sidLoOGZuDc}
Selen kann Corticoidbedarf verringern
#288.03{sidvi7DR0fw}
Mechanismus: Selen besitzt antiinflammatorische und ausgeprägte immunmodulierende Eigenschaften. GSHPeroxidase: Entgiftung von Peroxiden → Peroxide sind an Aktivierung der Arachidonsäurekaskade beteiligt. Selen
kann Expression von Adhäsionsmolekülen (z. B. VCAM1, E-Selectin), die bei Entzündungsprozessen eine zentrale
Rolle spielen, verringern.
#288.04{sidKoTEdA4S}
Folgen: Der Corticoidbedarf kann durch Selen verringert werden.
#288.05{sidh5rlIKgc}
Hinweis: Die Supplementierung von Selen (100–300 µg Selen als Natriumselenit oder -selenat tgl., p. o.) und
anderen antiiflammatorisch wirkenden Nährstoffen (z. B. Omega-3-Fettsäuren) kann den therapeutischen Bedarf an
Corticosteroiden reduzieren.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#288.06{sidDRnoxtnA}
Studien: In einer Pilotstudie an Patienten mit Asthma bronchiale konnte der inhalative und systemische
Glucocorticoidbedarf durch die adjuvante Gabe von täglich 200 µg Selen p. o. signifikant verringert werden. Dabei
korrelierten die Ergebnisse direkt mit dem Anstieg der Selenspiegel im Plasma und in den Erythrozyten. Der
Selenstatus sollte bei Asthmatikern labordiagnostisch objektiviert (Selen im Vollblut: 130–155 µg/l) und gezielt
kompensiert werden.
#288.07{siduFIB2jNG}
Literatur
#288.08{siduOPGtdoM}
Adam O et al. Anti-inflammatory effects of low arachidonic acid diet and fish oil in patients with rheumatoid arthritis.
Rheumatol Int, 23: 27–36, 2003
#288.09{sidXDHDVUjw}
Amin S et al. The comparative efficacy of drug therapies used for the management of corticosteroid-induced
osteoporosis: a meta-regression. J Bone Miner Res, 17 (8): 1512–1526, 2002
#288.10{sidSIiIdWPb}
Atkinson SA et al. Bone and mineral abnormalitis in childhodd acute lymphoblastic leukemia: Influence of disease,
drugs, and nutrtiion. Int J Cancer, Suppl 11: 35–39, 1998
#288.11{sidSFW92lsC}
Bischoff HA et al. Effects of vit​amin D and calcium supplementation on falls: a randomized controlled trial. J Bone
Miner Res, 18: 343–351, 2003
#288.12{sidtFZgeTZQ}
Buckley LM et al. Calcium and vit​amin D3 supplementation prevents bone loss in the spine secondary to low-dose
corticosteroids in patients with rheumatoid arthritis. A randomized, double-blind, placebocontrolled trial. Ann Intern
Med, 125 (12): 961–966, 1996
#288.13{sidkztv64Nf}
Devine A et al. Effects of zinc and other nutritional factors on insulin-like growth factor I and insulinlike growth factor
binding proteins in postmenopausal women. Am J Clin Nutr, 68 (1): 200–206, 1998
#288.14{sidIyUNUAij}
Eberle J et al. Skeletal effects of zinc deficiency in growing rats. Trace Elem Med Biol, 13 (1–2): 21–26, 1999
#288.15{sid0vnOwsmc}
Ferstl A et al. Vit​amin C consumption during treatment with adrenal cortex hormones. Wien Klin Wochenschr, 63 (2):
28–30, 1951
#288.16{sidp3qB8W2I}
Fontaine J et al. Effects of acute and chronic prednisolone treatment on serum zinc levels in rats with adjuvant
arthritis. Agents Actions, 33 (3–4): 247–253, 1991
#288.17{sidK3s57Nh0}
Gazdik F et al. Decreased consumption of corticosteroids after selenium supplementation in corticoiddependent
asthmatics. Bratisl Lek Listy, 103 (1): 22–25, 2002
#288.18{sidnUUVZqSV}
Gennari C. Differential effect of glucocorticoids on calcium absorption and bone mass. Br J Rheumatol, 32 (Suppl 2):
11–14, 1993
#288.19{sidflQjCtqV}
Goldberg ED et al. The effect of immunosuppressive substances on the zinc content in cells. Bull Eksp Biol Med, 116
(10): 412–413, 1993
#288.20{sid4Wp4l7xE}
Gröber U. Vit​amin D und Arzneimittel. Dtsch Apoth Ztg, 151 (12): 92–95, 2011
#288.21{sidCcDDo439}
Hahn TJ et al. Altered mineral metabolism in glucocorticoid-induced osteopenia. Effect of 25 hydroxyvit​amin D
administration. J Clin Invst, 64: 655–665, 1979
#289.01{sid9edxqVrC}
Harwood RH et al. A randomised, controlled comparison of different calcium and vit​amin D supplementation
regimens in elderly women after hip fracture: The Nottingham Neck of Femur (NONOF) Study. Age Ageing. 33 (1):
45–51, 2004
#289.02{sid0dvt1wmV}
Homik J et al. Calcium and vit​amin D for corticosteroid-induced osteoporosis. Cochrane Database Syst Rev 4,
2000
#289.03{siddex9xBhC}
Hüfner M, Siggelkow H. Neuere Erkenntnisse zur Pathogenese der Steroidosteoporose. Dtsch Med Wochenschr,
128: 1602–1608, 2003
#289.04{sidkXjBUgcF}
Inoue T et al. Inverse correlation between the changes of lumbar bone mineral density and serum undercarboxylated
osteocalcin after vit​amin K2 (menatetrenone) treatment in children treated with glucocorticoid and alfacalcidol.
Endocr J, 48: 11–18, 2001
#289.05{sidkS3dEXEH}
Jahnova E. Effects of selenium supplementation on expression of adhesion molecules in corticoid-dependent
asthmatics. Bratisl Lek Listy, 103 (1): 12–16, 2002
#289.06{sidJ3KkXeD2}
Kennedy AC et al. Proceedings: Plasma zinc in rheumatoid arthritis. Its relationship to corticoid therapy and
osteoporosis. Ann Rheum Dis, 34 (2): 201, 1975
#289.07{sidGIEyZWMd}
Lau CS et al. Effects of fish oil supplementation on non-sterioidal anti-inflammatory drug requirement in patients with
mild rheumatoid arthritis – a double blind placebo controlled study. Br J Rheumatol, 32: 982–989, 1993
#289.08{sidlg0z9aBa}
Lems WF et al. Pharmacological prevention of osteoporosis in patients on corticosteroid medication. Ned Tijdschr
Geneeskd, 142 (34): 1904–1908, 1998
#289.09{sidf3VIFMX4}
Levine MA, Pollard HB. Hydrocortisone inhibition of ascorbic acid transport by chromaffin cells. FEBS Lett, 158 (1):
134–138, 1983
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#289.10{sidRIi2bAvI}
Mehra KS et al. The effect of vit​amin A and cortisone on ascorbic acid content in the aqueous humor. Ann
Opththalmol, 14 (11): 1013–1015, 1982
#289.11{sidk5T5p7nH}
Nathani MG, Nath MC. Effect of corticosteroids on ascorbic acid metabolism in rats. Metabolism, 21 (8): 779–786,
1972
#289.12{sid9Uzi60UZ}
Nielsen HK et al. The effect of single oral dose of prednisone on the circadian rhythm of serum osteocalcin in normal
sujects. J Clin Endocrinol Metab, 67 (5): 1025–1030, 1988
#289.13{sidfXAX05Aj}
Prummel MF et al. The course of biochemical parameters of bone turnover during treatment with corticosteroids. J
Clin Endocrinol Metab, 72: 382–386, 1991
#289.14{sidUX6VX025}
Refofo D et al. Transcription factor-mediated molecular mechanisms involved in the functional crosstalk bewteen
cytokines and glucocorticoids. Immunol Cell Biol, 79: 385–394, 2001
#289.15{sid0YGK6vcX}
Rolla G et al. Hypomagnesemia in chronic obstructive lung disease: Effect of therapy. Magnes Trace Elem, 9 (3):
132–136, 1990
#289.16{sidgB7Elnx2}
Saito JK et al. Users of low-dose glucocorticoids have increased glucocorticoid-induced bone loss rates: a
longitudinal study. Calcif Tissue Int, 57: 115–119, 1995
#289.17{sidLD80IWvG}
Shenfield GM et al. Potassium supplements in patients treated with corticosteroids. Br J Dis Chest, 60: 171–176,
1975
#289.18{sidprqs6g1V}
Simopoulos AP. Omega-3-fatty acids in inflammation and autoimmune diseases. J Am Coll Nutr, 21 (6): 495–505,
2002
#289.19{sidDSKFUS7A}
Van Staa TP et al. Use of oral corticosteroids and risk of fractures. J Bone Miner Res, 15: 993–1000, 2000
#289.20{siddX3IWhIX}
Widmer P et al. Diuretic-realted hypokalaemia: The role of diuretics, potassium supplements, glucocorticoids and
beta-2-adrenoceptor agonist. Results from the Comprehensive Hosptial Drug monitoring Programme, Berne
(CHDM). Eur J Clin Pharmacol, 49 (1–2): 31–36, 1995
#289.21{sidc4S4oQx4}
Yonemura K et al. Short-term effect of vit​amin K administration on prednisolone induced loss of bone mineral density
in patients with chronic glomerulonephritis. Calcif Tissue Int, 66: 123–128, 2000
#289.22{sidUKOhZB5F}
Yonemura K et al. Protective effect of vit​amins K2 and D3 on prednisolone induced loss of bone mineral density in
the lumbar spine. Am J Kidney Dis, 43: 53–60, 2004
#289.23{sidae29asPO}
Zhao Y et al. Eicosapentaenoic acid prevents LPS-induced TNF-alpha expression by preventing NF-kappaB
activation. J Am Coll Nutr, 23 (1) 71–78, 2004
#290.01{sidBw2Gv8rZ}
21 Diuretika
#290.02{sid16tx8Fe1}
Aus der Gruppe der Diuretika (□ Tab. 21.1) werden hauptsächlich Thiazide und Schleifendiuretika verordnet.
Hauptindikationen sind arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz sowie Ödeme kardialer, hepatischer und renaler
Genese.
#290.03{sid0l5bsCCp}
21.1 Diuretika und Mikronährstoffe
#290.04{sidzlPFLOMu}
In Deutschland hat fast jeder Dritte einen zu hohen Blutdruck und damit ein erhöhtes Risiko für HerzkreislaufErkrankungen (z. B. Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzmuskelschwäche). Experten vermuten, dass die Zahl der
Betroffenen mit zunehmender Überalterung der Gesellschaft in den kommenden 20 Jahren um 2 Millionen ansteigen
wird. Thiazid-Diuretika werden neben Angiotensin-Rezeptorblockern, Calciumantagonisten, ACE-Hemmern oder
Betablockern bevorzugt in den Hypertonieleitlinien als Initialtherapie empfohlen, insbesondere als Monotherapie bei
Patienten mit milder Blutdruckerhöhung oder niedrigem bis moderatem kardiovaskulärem Risiko. Die Kombination
aus zwei antihypertensiven Medikamenten ist bei Patienten mit deutlich erhöhten Blutdruckwerten oder hohem bis
sehr hohem kardiovaskulärem Risiko zu erwägen (z. B. Angiotensin-Blocker + HCT).
#290.05{sidaN8aboro}
Tab. 21.1 Diuretikagruppen
#290.06{sidBrTY0KGK}
Arzneistoffbeispiele
Diuretikagruppe
#290.07{sidogCYbI1y}
Thiazide und Thiazidanaloga
#290.08{sidD0S8CktE}
Schleifendiuretika
#290.09{sidjTocxzHV}
Kaliumsparende Diuretika
Hydrochlorothiazid (HCT), Xipamid, Indapamid
Furosemid, Torasemid, Piretanid, Etacrynsäure
Aldosteronantagonisten: Spironolacton (auch in Kombination mit
Furosemid); Cycloamidinderivate: Triamteren, Amilorid
#290.05{sidaN8aboro}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 21.1 Diuretikagruppen
#290.06{sidBrTY0KGK}
Arzneistoffbeispiele
Diuretikagruppe
#290_291{sid0G3WaMu4}
Thiazide werden aufgrund neuerer Studienergebnisse in aktuellen Hypertonieleitlinien vermehrt als Initialtherapie
empfohlen. Die ALLHAT-Studie, eine große US-Studie an insgesamt 42 418 Patienten bescheinigte den Diuretika
im Vergleich zu anderen blutdrucksenkenden Medikamenten eine überraschend gute Wirksamkeit. Eine erhebliche
Unterstützung haben die ALLHAT-Ergebnisse durch die Empfehlungen des amerikanischen National High Blood
Pressure Education Program (JNC 7 Report) erhalten, Thiaziddiuretika initial für die Behandlung der meisten
Patienten mit unkomplizierter Hypertonie allein oder in Kombination mit anderen Antihypertonika einzusetzen. In
Anbetracht des enormen Kostendrucks im Gesundheitswesen wird die Verordnung der preisgünstigen Diuretika
insbesondere von Seiten der Kostenträger nun vielfach propagiert. So empfiehlt das Institut für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in seinem Abschlussbericht vom 16. September 2009 Thiazide als
Arzneimittel der 1. Wahl zur Behandlung von Patienten mit Bluthochdruck einzusetzen, insbesondere zur Prävention
der Hypertoniebedingten Folgeerkrankungen (z. B. Schlaganfall).
#291.01{sidHyNWCKWK}
Fallbeispiel
#291.02{sidjCl7WnLU}
Der 55-jährige Patient Peter H. wird aufgrund seines zu hohen Blutdrucks seit Längerem mit einem ThiazidDiuretikum behandelt. Seit einiger Zeit berichtet Herr H., dass er vor allem nachts häufig unter Wadenkrämpfen
leidet. Apotheker G. ist bekannt, dass Thiazid- und Schleifendiuretika zu einem ausgeprägten Verlust an den
Mineralstoffen Magnesium und Kalium führen können. Störungen im Magnesium- und Kaliumhaushalt können
nicht nur Muskelkrämpfe zur Folge haben, sondern auch Herz und Kreislauf belasten und damit dem
gewünschten therapeutischen Effekt entgegenwirken. Apotheker G. erklärt Herrn H. die Wechselwirkung des
Arzneimittels mit dem Magnesiumhaushalt und empfiehlt ihm, regelmäßig ein Magnesiumpräparat
einzunehmen. Beim nächsten Arztbesuch sollte H. unbedingt auf die Problematik hinweisen. Eine Kontrolle der
Serumelektrolyte Magnesium (besser: Erythrozytengehalt) und Kalium beim Arzt ist sicherlich sinnvoll.
#291.03{sidRtGO6Ydb}
Thiazide (z. B. Hydrochlorothiazid, HCT) reduzieren im frühdistalen Tubulus die Aufnahme von NaCl aus dem
Tubuluslumen in die Tubulusepithelzellen durch Hemmung des Na’/Cl-Kotransportes. Eine bedeutsame
Nebenwirkung der Thiazide und Schleifendiuretika ist der ​Verlust an Magnesium- und Kaliumionen (○ Abb. 21.1).
Dem Magnesiummangel kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu, da er den Kaliummangel nach sich zieht und
Magnesium eine Vielzahl von kardioprotektiven Wirkungen aufweist Bei Magnesiummangel strömen Kaliumionen
wie aus einem löchrigen Eimer aus den Zellen und gehen mit dem Urin verloren. Die Folgen sind Störungen der
Erregbarkeit des Herz- und Skelettmuskels, die sich häufig zuerst in Form von nächtlichen Wadenkrämpfen äußern.
Bei diesen Warnsignalen sollten zunächst die Magnesiumdepots wieder aufgefüllt werden, da Magnesium über die
Na+/K+-ATPase die zelluläreKaliumhomöostase reguliert. Diese Störeffekte beruhen einerseits auf einer
gesteigerten Austausch von Na+ gegen Mg2+- bzw. K+-Ionen im spätdistalen Tubulus andererseits auf einer durch
NaCl-Verlust induzierten Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems mit der Entwicklung eines
sekundärer Hyperaldosteronismus. Aldosteron steigert die renale Magnesiumexkretion und erhöht gleichzeitig die
Natrium-Reabsorption.
#292.01{sid8dcZtQSS}
Abb. 21.1 Interaktionen von Thiaziden und Schleifendiuretika mit dem Elektrolythaushalt
#291.04{sid4Pk0DqqL}
Auch mit Störungen der Glucosetoleranz und des Lipidstoffwechsels muss sowohl bei einem Diuretikabedingten
Magnesium- als auch bei einem Kaliummangel gerechnet werden, wodurch weiteren kardiovaskulären
Risikofaktoren und dem metabolischen Syndrom Vorschub geleistet wird (○ Abb. 21.2). Ein Magnesiummangel (<
0,76 mmol/l) ist wie auch ein Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) eine wesentliche pathophysiologische
Ursache für die Insulinresistenz und müssen als eigenständige Risikofaktoren dem metabolischen Syndrom zu
geordnet werden. Über die Beeinflussung der Tyrosinkinase-Aktivität des Insulinrezeptors und der
Signalweiterleitung auf Postrezeptorebene verbessert Magnesium die Parameter der glykämischen Kontrolle und
des Lipidstoffwechsels. Die Thiazid-bedingte Störung im Magnesium-Haushalt dürfte auf Dauer auch eine Störung
im Vit​amin-D-Haushalt nach sich ziehen, da Magnesium an zahlreichen enzymatischen Prozessen im Stoffwechsel
des Vit​amins bzw. Prohormons beteiligt ist. Neben Störungen des Elektrolythaushalts ist unter einer Therapie mit
Diuretika als Folge des vergrößerten Harnflusses mit einem Verlust an wasserlöslichen Spurenelementen (z. B. Zink)
und Vit​aminen (v. a. Vit​amin B1, Folsäure) zu rechnen.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#292.02{sidlD2t9Vz2}
Abb. 21.2 Störungen des Magnesiumhaushalts durch Thiazide und Schleifendiuretika und kardiovaskuläre Folgen
#293.01{sidM53X0LM8}
21.1.1 Thiazide, Schleifendiuretika und Magnesium, Kalium
#293.02{sidvQXbmhux}
Thiazid- und Schleifendiuretika erhöhen das Risiko einer Hypomagnesiämie und/oder Hypokaliämie
#293.03{sid4Kpm9k84}
Mechanismus: Thiazide und Schleifendiuretika führen zu einem renalen Verlust an Magnesium und Kalium (→
sekundärer Hyperaldosteronismus).
#293.04{sidt9nz4Jzj}
Folgen: Hypokaliämie (< 3,5 mmol/l), Hypomagnesiämie (< 0,76 mmol/l; ein guter Magnesiumstatus liegt im Serum
bei ≥ 0,85 mmol/l); nächtliche Wadenkrämpfe, Muskelschwäche, Obstipation, Begünstigung von Arrhythmien,
Störungen der Glucosetoleranz und des Lipidstoffwechsels.
#293.05{sidOjIr1QGG}
Hinweis: Grundsätzlich empfiehlt sich die regelmäßige Einnahme eines Magnesiumpräparats (z. B. 400–1 200 mg
Magnesium tgl., z. B. als Citrat, Orotat), um iatrogene Magnesiumverluste vorzeitig zu kompensieren. Da ein
Magnesiummangel durch die Beeinflussung der Na+/K+-ATPase zu einem intrazellulären Kaliumdefizit führt, sollte
zunächst der Magnesiumhaushalt durch Supplemente korrigiert werden. Der Kaliumhaushalt kann auch durch
reichlich pflanzliche Lebensmittel (z. B. Kartoffeln, Feldsalat, Bananen) verbessert werden.
#293.06{sidefADcbwo}
Bei Langzeittherapie von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und/oder Hypertonie sind diuretikainduzierte
Kalium- und Magnesiummängel von großer klinischer Bedeutung, da eine Hypokaliämie und/oder
Hypomagnesiämie Herzrhythmusstörungen begünstigen sowie eine Insulinresistenz und Dyslipoproteinämie
verstärken kann. Die Kalium- und Magnesiumspiegel sind bei einer Therapie mit Diuretika sorgfältig zu überwachen
und durch eine orale Substitution gegebenenfalls zu korrigieren.
#293.07{sidfe7dnHm0}
Studien: In einer aktuellen randomisierten Doppelblind-Studie an Frauen (Alter: 40–65) mit Bluthochdruck unter der
Therapie mit Hydrochlorothiazid (HCT) führte die Supplementierung mit Magnesium (600 mg/d als organisch
gebundenes Mg-Chelat) gegenüber Placebo nach 6 Monaten zu einer signifikanten Reduktion des systolischen
Blutdrucks (144 ± 17 vs. 134 ± 14 mmHg, p = 0,036) sowie einer signifikanten Reduktion des diastolischen
Blutdrucks (88 ± 9 vs. 81 ± 8 mmHg, p = 0,005). In der Placebo-Gruppe war eine signifikante Zunahme der Intimamedia Dicke der der Arteria carotis (0,78 ± 0,13 vs. 0,89 ± 0,14 mm, p = 0,033) nachweisbar, während in der
Magnesium-Gruppe keine Veränderung beobachtet wurde. Zusätzlich konnte im Vergleich zu Placebo eine
signifikante Verbesserung der Flussvermittelte Vasodilatation als Zeichen einer besseren Endothelfunktion (FMD)
durch Magnesium nachgewiesen werden.
#293.08{sidVP1teJ3A}
Die Supplementierung von Magnesium bei Bluthochdruck optimiert nicht nur die Blutdrucksenkenden Effekte der
Thiazid-Diuretika, sondern beugt auch dem iatrogenen Magnesiumverlust vor, wirkt zudem antiatherosklerotisch und
verbessert die Endothelfunktion (○ Abb. 21.3). Empfohlen wir die Supplementierung von täglich 4–6 mg Magnesium
pro kg Körpergewicht (z. B. Mg-orotat, -citrat, -bisglycinat, -taurat) über den Tagesverlauf verteilt.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#294.01{sidSXJoFHJP}
Abb. 21.3 Blutdrucksenkende Effekte von Magnesium
#293.09{sidmIwoTvjz}
21.1.2 Thiazide und Homocystein
#293.10{sidfUcUrkmb}
Anstieg der Homocysteinplasmaspiegel durch Thiaziddiuretika
#293.11{sidwQcuMjtv}
Mechanismus: Erhöhte renale Ausscheidung von Folsäure, Vit​amin B6 und B12.
#293.12{sid8VlGoSL9}
Folgen: Abfall der Folsäure-, Vit​amin-B6- und B12-Plasmaspiegel; Hyperhomocystein​ämie (≥ 10 µmol/l).
#293.13{sid3IuZpFaD}
Hinweis: Unter einer Therapie mit Hydrochlorothiazid oder Thiazidanaloga ist eine begleitende Supplementierung
von Folsäure (0,4–1 mg tgl.) in Kombination mit Vit​amin B6 und B12 empfehlenswert, um medikationsbedingte BVit​amin-Verluste und einen Anstieg der gefäßtoxischen Aminosäure Homocystein zu kompensieren.
#293_294{sidhQ0yDmjg}
Studien: In einer randomisierten Studie an 40 Patienten mit Bluthochdruck wurde der Einfluss einer Therapie mit
HCT oder Captopril auf den Homocysteinspiegel und die Nierenfunktionsparameter Kreatinin und Cystatin C
untersucht. Nach einem Behandlungszeitraum von nur einem Monat stieg in der Patientengruppe, die mit HCT
behandelt wurde, der Homocysteinspiegel durchschnittlich um 16 % an. Zusätzlich wurde ein Anstieg der Kreatininund Cystatin-C-Werte beobachtet. Der ACE-Hemmer Captopril dagegen hatte keinen Einfluss auf den
Homocysteinspiegel.
#294.02{sidZtlpUNOI}
21.1.3 Furosemid und Vit​amin B1
#294.03{sidSmHnl0pc}
Thiamindepletion durch Furosemid
#294.04{sidxBXvRGtn}
Mechanismus: Die Thiaminaufnahme in die Kardiozyten wird durch Furosemid beeinträchtigt. Furosemid erhöht
signifikant die renale Thiaminexkretion. Hinweis: Ursachen der durch Diuretika induzierten Vit​aminverluste sind vor
allem das niedrige Molekulargewicht bzw. die geringe tubuläre Rückresorption der wasserlöslichen Vit​amine.
#295.01{sid7XwiQlsG}
Folgen: Thiaminmangel (erythrozytäre Transketolase-Aktivität ↓), Verschlechterung der Herzmuskelfunktion (z. B.
Herzinsuffizienz ↑, Kardiomyopathie), Begünstigung einer Lactatazidose.
#295.02{sidQStmQcxs}
Hinweis: Zur Unterstützung der Herzfunktion und Kompensation medikationsbedingter Verluste sollte unter einer
Therapie mit Diuretika neben Magnesium ein Vit​amin-B-Komplex mit Thiamin, Folsäure, Vit​amin B6 und B12 ergänzt
werden; Folsäure vor allem bei Hydrochlorothiazid/Triamteren-Kombinationen! Zur oralen Kompensation eines
Vit​amin-B1-Defizits eignet sich vor allem das lipidlösliche und hochbioverfügbare Thiamin-Prodrug Benfotiamin.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#295.03{sidW3KQoprB}
Studien: Mit 3 bis 8 µg/g weist der Herzmuskel den höchsten Vit​amin-B1-Gehalt im menschlichen Körper auf. In
Studien an Patienten die wegen kardiovaskulären Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz) Furosemid erhielten, konnte
anhand eines signifikanten Abfalls der erythrozytären Transketolase-(ETK)-Aktivtät im Vollblut ein Thiaminmangel
nachgewiesen werden. Unter den B-Vit​aminen besteht vor allem für das Vit​amin B1 aufgrund seiner geringen
Speicherkapazität (25–30 mg) und hohen Umsatzrate das Risiko in einen kritischen Bereich abzusinken. Ein
latenter Thiaminmangel ist dementsprechend weit verbreitet. Bis zu 30 % der Bevölkerung, vor allem ältere
Personen sind unzureichend versorgt. Der Diuretika induzierte Thiaminmangel kann möglicherweise auch die
Entstehung bzw. Progression einer Herzinsuffizienz (→ kardiale Beriberi) fördern. Bei Patienten, die aufgrund einer
kongestiven Herzinsuffizienz mit Furosemid behandelt wurden, verbesserten Thiamingaben (200 mg tgl., i. v.) nicht
nur die laborchemischen Marker eines Thiaminmangels, sondern auch die linksventrikuläre Pumpfunktion (LVEF)
des Herzmuskels.
#295.04{siduCvs6ghW}
21.1.4 Spironolacton und Kalium
#295.05{sidy5w3FLC7}
Erhöhtes Risiko einer Hyperkaliämie bei unkontrollierter Kaliumeinnahme
#295.06{sidfJQTaVzd}
Mechanismus: Der Aldosteronantagonist Spironolacton blockiert im spätdistalen Tubulus und im Sammelrohr
kompetitiv die Bindung von Aldosteron an seinen zytoplasmatischen Rezeptor. Dadurch kann Aldosteron nicht
zusammen mit seinem Rezeptor in den Zellkern eindringen. Die Synthese aldosteroninduzierter Proteine unterbleibt.
Die Folge ist eine verringerte Natriumresorption und gleichzeitig eine erniedrigte Kaliumexkretion. Eine
unkontrollierte Selbstmedikation mit Kaliumpräparaten führt zu einer additiven Kaliumretention und Anstieg der
Kaliumspiegel im Serum.
#295.07{sid9JpzrJ6Q}
Folgen: Risiko einer Hyperkaliämie mit neuromuskulären und kardiovaskulären Störungen (z. B. Bradykardie, AVBlock).
#295.08{sidCT0ruyp7}
Hinweis: Eine unkontrollierte Selbstmedikation mit Kaliumpräparaten ist unter einer Therapie mit
kaliumretinierenden Diuretika (Antikaliuretika) zu vermeiden (gilt auch bei Einnahme von Triamteren/Bemetizid,
ACE-Hemmern). Ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Hyperkaliämie besteht auch, wenn Spironolacton mit ACEHemmern oder AT1-Antagonisten (→ RALES-Studie, Herzinsuffizienz) kombiniert wird (siehe ▸ Kap. 16).
#295.09{sidrW5PdstV}
21.1.5 Triamteren/HCT und Folsäure
#295.10{sidsBXI2SC6}
Folsäure-Antagonismus von Triamteren
#295.11{sidm6U9Q3q8}
Mechanismus: Das Cycloamidinderivat Triamteren weist wie die Aldosteronantagonisten einen kaliumsparenden
Effekt auf. Aufgrund seiner schwachen diuretischen Wirkung wird es vor allem in Kombination mit Thiaziddiuretika (z.
B. Hydrochlorothiazid/Triamteren) eingesetzt, um deren kaliumausscheidende Wirkung zu kompensieren. Aufgrund
seiner folsäureantagonistische Wirkung kann Triamteren die Folsäureresorption und -bioverfügbarkeit verringern.
Thiazide steigern zusätzlich den renalen Verlust an wasserlöslichen B-Vit​aminen.
#295.12{sidEqCfW8sm}
Folgen: Folsäuremangel (Serum: < 3,5 ng/ml, Erythrozyten < 250 ng/ml), Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l);
hypersegmentierte polymorphkernige Granulozyten; makrozytäre, hyperchrome Anämie (Megaloblastenanämie).
#296.01{sidEazQ9Io4}
Hinweis: Unter einer Therapie mit Diuretika, insbesondere mit Kombinationen von Thiaziden und Triamteren, sollte
regelmäßig ein Multivit​aminkombination mit Folsäure (0,4–1 mg Folsäure tgl., p. o.) und Vit​amin B12 eingenommen
werden.
#296.02{sidHZCG6fbW}
21.1.6 Diuretika und Zink
#296.03{sidtKInxRcg}
Renaler Zinkverlust durch Diuretika
#296.04{sidncMPRVMO}
Mechanismus: Erhöhte renale Exkretion durch Thiazide (z. B. Hydrochlorothiazid, Chlortalidon,
Bendroflumethiazid), Schleifendiuretika (z. B. Furosemid, Bumetanid) und kaliumsparende Diuretika (z. B.
Triamteren).
#296.05{sid5iArFeCf}
Folgen: Anstieg der mit dem Urin ausgeschiedenen Zinkmenge; leichter Abfall der Zinkserumwerte (Serum/Plasma-Zinkspiegel: kein sensitiver Parameter für Zinkstatus); Abfall der Zinkkonzentrationen in Erythrozyten und
immunkompetenten Zellen (z. B. Monozyten); Störungen des Geruchs- und Geschmacksinnes sowie
Beeinträchtigungen der Immunkompetenz können bei Langzeitmedikation, insbesondere bei älteren Personen, nicht
ausgeschlossen werden.
#296.06{sidhhTPyKv8}
Hinweis: Unter einer Langzeittherapie mit Diuretika ist eine regelmäßige Substitution von Zink (z. B. 20 mg Zink
tgl., p. o.) empfehlenswert.
#296.07{sidpaCaZ32J}
Studien: In Studien konnte unter der Medikation mit unterschiedlichen Diuretika ein signifikanter Anstieg der
täglichen renalen Zinkexkretion beobachtet werden. So zeigte eine Untersuchung an neun Patienten mit
Bluthochdruck bereits während einer 2-wöchigen Einnahme von jeweils Hydrochlorothiazid, Bendroflumethiazid oder
Chlortalidon einen erheblichen Anstieg der renalen Zinkausscheidung. Als Kontrolle diente dabei der Wert der
Zinkausscheidung (der durchschnittliche Wert lag bei 480 µg im 24-Stunden-Urin) vor der Einnahme der Diuretika.
Der Zinkverlust nahm unter der Therapie mit den Thiaziddiuretika im Mittel um 300 µg pro Tag auf etwa 780 µg
(Hydrochlorothiazid: 770 µg, Bendroflumethiazid: 770 µg und Chlortalidon: 790 µg in 24h) zu. Im Vergleich zu den
Thiaziden führten Schleifendiuretika und kaliumsparende Diuretika zu einem geringeren Zinkverlust, der jedoch bei
langfristiger Therapie nicht vernachlässigt werden sollte. Dass eine mehr als sechs Monate dauernde Therapie mit
Diuretika zu einer Depletion der Zinkspeicher in verschiedenen Organen wie Herz, Leber und Nieren führt, konnte
auch in Untersuchungen an Verstorbenen festgestellt werden. Unter der 16-wöchigen Therapie mit dem
Thiaziddiuretikum Clopamid (5 mg tgl.) sank die erythrozytäre Zinkkonzentration von 73,8 µmol/l auf 52,2 µmol/l.
Gleichzeitig konnte auch ein Abfall der Zinkplasmaspiegel von 15,75 µmol/l auf 13,4 µmol/l beobachtet werden.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#296.08{sidA0dgekye}
Literatur
#296.09{sidGM48t57J}
Cunha AR, D‘El-Rei J, Medeiros F, et al. Oral magnesium supplementation improves endothelial function and
attenuates subclinical atherosclerosis in thiazide-treated hypertensive women. J Hypertens; 35(1):89–97, 2017.
#296.10{sidvL9j9qFO}
Dinicolantonio JJ, Lavie CJ, Niazi AK et al. Effects of thiamine on cardiac function in patients with systolic heart
failure: systematic review and metaanalysis of randomized, double-blind, placebo-controlled trials. Ochsner J, 13
(4): 495–499, 2013
#296.11{sid6JFCaTjF}
Duell T et al. Unclear lactate acidosis in a patient with heart failure under long-term diuretic therapy. Dt Med
Wochenschr, 125 (4): 1232–1234, 2000
#296.12{sid6EUOw5J2}
Du Preez M, Lockett C. Effect of clopamide, a thiazide diuretic, on copper and zinc levels in hypertensive patients. J
Am Coll Nutr, 10 (1): 34–37, 1991
#296.13{sidpXcBQNDv}
Gröber U. Antihypertensives and magnesium. Update 2007; Trace Elements Electrolytes, 26 (1): 15–16, 2009
#296.14{sidJE2s7KsH}
Gröber U, Schmidt J, Kisters K. Magnesium in Prevention and Therapy. Nutrients; 7(9):8199–8226, 2015.
#296.15{sidxMcYB69T}
Katta N, Balla S, Alpert MA. Does Long-Term Furosemide Therapy Cause Thiamine Deficiency in Patients with
Heart Failure? A Focused Review. Am J Med, 129 (7): 753.e7–753.e11, doi: 10.1016/j.amjmed.2016.01.037,
2016
#296.16{sidOK9SNn0k}
Kisters K, Gröber U. Magnesium – Update. Anwendung bei Hypertonie und Diabetes mellitus. Dtsch Apoth Ztg, 150
(25): 46–55, 2010
#297.01{sidf6tExdId}
Reungjui S et al. Do thiazides worsen metabolic syndrome and renal disease? The pivotal roles for hyperuricemia
and hypokalemia. Curr Opin Nephrol Hypertens, 17 (5): 470–476, 2008
#297.02{sidl2sMfBxf}
Seligmann H et al. Thiamine deficiency in patients receiving long-term furosemide-therapy: a pilot study. Am J Med,
91 (2): 151–155, 1991
#297.03{sidJvODkMvP}
Shimon I et al. Improved left ventricular function after thiamine supplementation in patients with congestive heart
failure receiving long-term furosemide therapy. Am J Med, 98 (5): 485–490, 1995
#297.04{sidBSu2zNUP}
Suliburska J, Bogdanski P, Szulinska M, Pupek-Musialik D. The influence of antihypertensive drugs on mineral
status in hypertensive patients. Eur Rev Med Pharmacol Sci, 18 (1): 58–65, 2014
#297.05{sidfmCgSHH6}
Wester P. Urinary zinc excretion during treatment with different diuretics. Acta Med Scand, 208 (3): 209–212, 1980
#297.06{sidJXCTTggu}
Wester P. Tissue zinc at autopsy – relation to medication with diuretics. Acta Med Scand, 208 (4): 269–271, 1980
#297.07{sidJ1raVq5A}
Westphal S et al. Antihypertensive treatment and homocysteine concentrations. Metabolism, 52 (3): 261–263, 2003
#298.01{sidovM0XkHW}
22 Gichtmittel
#298.02{sidrPGzIXG7}
In der symptomatischen Therapie der Gicht werden zur Hemmung der Harnsäurebildung das Urikostatikum
Allopurinol und zur Förderung der Harnsäureausscheidung das Urikosurikum Benzbromaron eingesetzt. Die
Akuttherapie des Gichtanfalls erfolgt mit dem Alkaloid Colchicin aus den Blüten und Samen der Herbstzeitlose.
Eine Beeinträchtigung der Resorption und Utilisation von Mikronährstoffen (z. B. Vit​amin B12) kann vor allem
unter der Therapie mit Colchicin auftreten. Colchicin ist ein Antimitotikum und Zytostatikum, das häufig zu einer
Schädigung des Gastrointestinaltrakts führt. Typische Symptome sind hartnäckige Durchfälle, Bauchschmerzen,
Übelkeit, Erbrechen und Bauchkrämpfe.
#298.03{sidmk1BSrPb}
22.1 Gichtmittel und Mikro​nährstoffe
#298.04{sidBmegwZnW}
22.1.1 Colchicin und Vit​amin B12
#298.05{sid909EzmsJ}
Colchicin induziert Störung der Vit​amin-B12-Resorption
#298.06{sidXs0Rp5yR}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Mechanismus: Schädigung des Gastointestinaltrakts durch Colchicin (Hemmung der Zellmauserung und
Regeneration der Dünndarmepithelien); Diarrhöen; Wechselwirkung mit Intrinsic-Factor(IF)-Vit​amin-B12-Rezeptoren.
#298.07{sidGYpSAdbG}
Folgen: Störung der Vit​amin-B12-Resorption; Abfall der Vit​amin-B12-Serumspiegel; Vit​amin-B12-Mangel: Vit​amin
B12 (Serum): < 450 ng/l; Holo-TC (Plasma): < 70 pmol/l; MMS (Serum): > 40 µg/l; MMS (Urin): ≥ 1,60 mg/g Kreatinin;
Neuropathien, Schwindel, Schwäche, Antriebsarmut; hyperchrome makrozytäre Megaloblastenanämie/perniziöse
Anämie.
#298.08{sidsrEOKLGj}
Hinweis: Unter einer Therapie mit Colchicin sollte der Vit​amin-B12-Status (Methylmalonsäure) kontrolliert, vor allem
bei älteren Personen, und gegebenenfalls durch Substitution (100–500 µg tgl. p. o., besser: 1 mg i. m. pro Monat)
kompensiert werden. Hartnäckige Diarrhöen können auch zu erheblichen Störungen im Elektrolyt- (Magnesium,
Natrium, Kalium) und Calciumhaushalt führen.
#298.09{sidRF00yH2T}
22.1.2 Allopurinol und Eisen
#298.10{sidT9aBSDYz}
Allopurinol kann Eisenspeicher in der Leber erhöhen
#298.11{siddCPOW642}
Mechanismus: Akkumulation von Eisen in der Leber bei Einnahme von Eisenpräparaten unter Therapie mit
Allopurinol.
#298.12{sidr7sPLv1M}
Folgen: Erhöhtes Risiko für Leberzellschäden durch Allopurinol.
#298.13{sidyF1hBy3N}
Hinweis: Unter einer Therapie mit Allopurinol sollte die Einnahme von Eisenpräparaten vermieden werden.
#298.14{sidpG3nzwo9}
22.1.3 Urikostatika, Urikosurika und Nicotinsäure
#298.15{sidvVCHp00W}
Nicotinsäure kann die Harnsäurespiegel ​erhöhen
#298.16{sidJ7Evikg3}
Mechanismus: Ein Anstieg der Harnsäurespiegel im Blut ist in verschiedenen Untersuchungen unter einer
Therapie mit Nicotinsäure beobachtet worden; Ursache: Konkurrenz von Nicotinsäure und Harnsäure um den
gleichen renalen Ausscheidungsmechanismus.
#298.17{sidg6bNUwUt}
Folgen: Die Wirksamkeit einer Harnsäuresenkenden Therapie mit Urikostatika (Allopurinol) oder Urikosurika
(Probenecid, Benzbromaron, Sulfinpyrazon) kann dadurch beeinträchtigt werden.
#299.01{sidGKPXr63a}
Hinweis: Patienten mit einer Prädisposition zur Gicht sollten, wenn sie mit pharmakologisch dosierten
Nicotinsäure-Präparaten behandelt werden engmaschig überwacht werden.
#299.02{sid6roVVfhJ}
Literatur
#299.03{sidu6y9zM1y}
Kozma C et al. Chronic allopurinol administration and iron storage in mice. Life Sci, 7 (7): 341–348, 1968
#299.04{sid5YI5dEOA}
Kuncl RW et al. Colchicine neuropathy or vit​amin B12 deficiency neuropathy? New Engl J Med, 317: 1290–1291,
1987
#299.05{sidWYVgZ7WP}
Nassar CF et al. Colchicine inhibition of duodenal absorption of calcium. Gen Pharmacol, 22 (4): 755–758, 1991
#299.06{sidCB162yZr}
Palopoli JJ, Waxman J. Colchicine neuropathy or vit​amin B12 deficiency neuropathy? N Engl J Med, 317 (20); 1290–
1291, 1987
#299.07{sidZCKilPGi}
Powell LW. Effects of allopurinol on iron storage in the rat. Ann Rheum Dis, 25 (6): 697–699, 1966
#299.08{sid8caMOlJt}
Race TF et al. Intestinal malabsorption induced by oral colchicin. Comparison with neomycin and cathartic agents.
Am J Med Sci, 259 (1): 32–41, 1970
#299.09{sidqP6lgIS2}
Roe DA. Drug-induced Nutritional Deficiencies. 2nd ed. Westport, CT, Avi Publishing, 159–160, 1985
#299.10{sidFLGXL2ZH}
Stopa EG et al. Effect of colchicine on guinea pig intrinsic factor-vit​amin B12 receptor. Gastroenterology, 76 (2):
309–314, 1979
#299.11{sidt75zWNs0}
Webb DI et al. Mechanism of vit​amin B12 malabsorption in patients receiving colchicine. N Engl J Med, 279 (16):
845–850, 1968
#300.01{sidyzlHvrq7}
23 Immunsuppressiva
#300.02{sidpLlsOsph}
Zu den wichtigsten Immunsuppressiva gehören:
#300.03{sidWdQnGfWQ}
Ciclosporin, Tacrolimus, Sirolimus,
#300.04{sideZJNauh2}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Glucocorticoide,
#300.05{sidwPlOCbpc}
monoklonale und polyklonale Antikörper (z. B. Infliximab) und
#300.06{sidd4VXKjUL}
Zytostatika.
#300.07{sid57dqT7eR}
Die Erfolge der modernen Transplantationsmedizin beruhen maßgeblich auf der Einführung des von dem Pilz
Tolypocladium inflatum gebildeten zyklischen Polypeptids Ciclosporin A. Dieses hochwirksame
Immunsuppressivum wird vor allem bei Organtransplantationen (z. B. Herz, Nieren, Lunge) zur Verhinderung
einer Abstoßungsreaktion eingesetzt. Daneben findet es u. a. auch Anwendung bei schweren Formen der
Psoriasis.
#300.08{sidBu6Vo2Vo}
23.1 Immunsuppresiva und Mikronährstoffe
#300.09{sideAxg1c0Z}
Ciclosporin reduziert sowohl die humorale als auch zelluläre Immunreaktion. Die Freisetzung von Interleukin-1 aus
Makrophagen und Interleukin-2 aus aktivierten T-Helferzellen in der frühen Phase der Immunantwort wird durch
Ciclosporin gehemmt. Zusätzlich nimmt die Expression von Interleukin-2-Rezeptoren an Zellen, die auf Interleukin-2
ansprechen ab. Interleukin-2 aktiviert die T-Lymphozyten, die einen wesentlichen Bestandteil des menschlichen
Abwehrsystems darstellen. Die Proliferation der für die Transplantatabstoßung entscheidenden T-Effektorzellen und
die Freisetzung von γ-Interferon (sog. Immuninterferon) aus den natürlichen Killerzellen werden durch Ciclosporin
unterdrückt. γ-Interferon entsteht in Lymphozyten nach Freisetzung von IL-2 infolge einer Antigenexposition.
#300.10{sida0sqFDvl}
Ein Hauptproblem der Ciclosporintherapie sind toxische Schäden im proximalen Tubulusbereich der Nieren, die
seinen therapeutischen Einsatz limitieren und mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen
vergesellschaftet sind. Die durch Ciclosporin beeinträchtigte Nierenfunktion manifestiert sich insbesondere durch
eine verminderte glomeruläre Filtrationsrate (GFR), erhöhte Serumspiegel von Kreatinin und Harnstoff sowie einer
Erhöhung des Blutdrucks. Die Blutfließeigenschaften werden durch Ciclosporin verschlechtert, die Blutfette
insbesondere die Triglyceride erhöht.
#300.11{sidSyPh206l}
Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) haben in verschiedenen Studien einen günstigen Einfluss auf die mit Ciclosporin
assoziierten Nebenwirkungen (z. B. Nephrotoxizität, Hypertonie, Hypertriglyceridämie) und den therapeutischen
Index (Bioverfügbarkeit, immunsuppressive Wirkung) des Immunsuppressivums gezeigt (○Abb. 23.1, ○Abb. 23.2).
#300.12{sidVOU4v2TK}
Der Vit​amin-D-Status (→ Calcidiol, Calcitriol) sollte unter der Therapie mit Immunsuppressiva überwacht werden, da
dasVit​amin-D-Hormon nicht nur ausgepägte immunmodulierende und endothelprotektive, sondern auch Blutdruckund triglyceridsenkende Eigenschaften aufweist. Nach aktuellen tierexperimentellen Studien scheint Calcitriol den
therapeutischen Index von Immunssuppressiva wie Ciclosporin A ähnlich zu erweitern wie die Omega-3-Fettsäuren
EPA/DHA. In einigen Untersuchungen zur Verhinderung der Transplantatabstoßung von embryonalen
Herztransplantaten war Calcitriol (Vit​amin-D-Hormon) sogar wirksamer als Ciclosporin.
#301.01{sidtCOvGoQe}
Abb. 23.1 Einfluss von Omega-3-Fettsäuren (3 g/d p. o.) auf die Kreatinin-Plasmaspiegel unter Therapie mit Ciclosporin A
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#301.02{sid2NeqRwdR}
Abb. 23.2 Einfluss von Omega-3-Fettsäuren (3 g/d p. o.) auf die Triglycerid-Plasmaspiegel unter Therapie mit Ciclosporin A
#301.03{sidXmAk7zjr}
23.1.1 Ciclosporin A und Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA)
#301.04{sidFFKwLe6u}
Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) können Verträglichkeit und Wirksamkeit von ​Ciclosporin A (CsA)
verbessern
#301.05{sid2uYkgEvC}
Mechanismus: Endothelprotektive Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) können den therapeutischen Index von
Ciclosporin A (therapeutische Breite ↑, Nebenwirkungsrate ↓, orale Bioverfügbarkeit ↑) verbessern.
#301.06{sidB19wVsvq}
Folgen: Verbesserung des therapeutischen CsA-Indexes: CsA-Bioverfügbarkeit (AUC, Cmax) ↑; Plasma-Kreatinin
↓, immunsuppressive Wirkung des CsA ↑; Transplantat: Abstoßung ↓; Überlebenszeit ↑, Inzidenz der durch
Ciclosporin A induzierten Nephrotoxizität ↓ (→ renoprotektiver Effekt), sekundäres Arterioskleroserisiko ↓,
(Triglyceride ↓, Blutdruck ↓, Thromboxan A2 ↓.
#301_302{sidVCprRJdc}
Hinweis: Unter einer immunsuppressiven Therapie mit Ciclosporin A zur Verhinderung von Abstoßungsreaktionen
bei Organtransplantationen (z. B. Niere) empfiehlt sich die frühzeitige Gabe (bereits in der postoperativen Phase)
von Omega-3-Fettsäuren (z. B. 3 g EPA/DHA/d, p. o.).
#302.01{sid57W7Hgro}
Auch unter der immunsuppressiven Therapie mit Tacrolimus kann eine begleitende Gabe von Omega-3-Fettsäuren
sinnvoll sein, da die Nebenwirkungen von Tacrolimus denen von Ciclosporin A ähnlich sind.
#302.02{sidlQd5iefC}
Cicosporin A führt häufig zu Gewebeschäden im proximalen Tubulusbereich der Niere, was seine Anwendung in
etwa 25 % der behandelten Fälle nach Nierentransplantationen einschränken kann. Omega-3-Fettsäuren können bei
Nieren-, Pankreas- oder Herztransplantationen die Überlebenszeit des Transplantats erhöhen sowie die Entwicklung
einer sekundären Arteriosklerose und/oder chronischen Niereninsuffizienz durch Ciclosporin A reduzieren (□
Tab. 23.1).
#302.03{sidZ9cbfnmR}
Tab. 23.1 Einfluss von Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) auf Entzündungsfaktoren (Auswahl)
#302.04{sidT96lYfvk}
Funktion
Effekt der
Omega-3Fettsäuren
Entzündungsvermittler, Thrombozytenaggregation,
Gefäßverengung
s
Thrombozytenaggregation, Vasokonstriktion
s
verringert Thrombozytenaggreagtion, Vasodilatation
i
Entzündung, Chemotaxis von Leukozyten, Bildung von
reaktiven Sauerstoffspezies, Erhöhung der intrazellulären
Calciumkonzentrationen
s
Chemotaxis von Makrophagen, Thrombozytenaggregation
erhöht Gefäßpermeabilität
s
Entzündungsvermittler, Steigerung der
Lymphozytenproliferation, Stimulierung von PAF,
Expression von Adhäsionsmolekülen auf Endothelzellen,
Bildung reaktiver Sauerstoffspezies durch Neutrophile
s
Faktor
#302.05{sid3ZBKXahm}
Arachidonsäure
#302.06{sidnjTRLjpN}
Thromboxan A2 (TXA2)
#302.07{sidhjWPA4Fq}
Prostacyclin (PGI2/3)
#302.08{sidKE17pGV4}
Leukotrien B4 (LTB4)
#302.09{sidtWfHcya4}
Plättchenaktivierender Faktor
(PAF)
#302.10{siddLlZg7Wr}
Interleukin-1 und TNF-alpha
#302.11{sid486HCGQp}
Empfänger von Nierentransplantaten versterben i. d. R. nicht an einer Niereninsuffizienz, sondern an einer
progredienten kardiovaskulären Erkrankung. Zu der häufigsten Komplikation gehört dabei die Hyperlipidämie (v. a.
Triglyceridämie). Die adjuvante Gabe von Omega-3-Fettsäuren kann nicht nur die durch Ciclosporin A induzierte
Nebenwirkungsrate (→ Nephrotoxizität, Hypertonie, Hypertriglyceridämie) reduzieren, sondern auch den
therapeutischen Index (Bioverfügbarkeit, immunsuppressive Wirkung) des Immunsuppressivums verbessern.
#302.12{sidtHfbFynw}
Studien: Eine aktuelle tierexperimentelle Untersuchung gibt erste Hinweise darauf, dass Docosahexaensäure
(DHA) die Bioverfügbarkeit von Ciclosporin A durch eine Reduktion der intestinalen CYP3A-Metabolisierung
erhöhen kann. Darüber hinaus haben tierexperimentelle Studien ergeben, dass Nierenschäden durch Ciclosporin
mit einem Anstieg des oxidierten Glutathions (Glutathiondisulfid/GSSG) und einem Abfall der Glutathion-Reduktaseund Glutathion-Peroxidase-Aktivität in der Nierenrinde assoziiert sind.
#303.01{sidRjtdHkXP}
23.1.2 Ciclosporin A und Magnesium
#303.02{sidEordliRV}
Ciclosporin A induziert Hypomagnesiämie
#303.03{sidJ2jd3wNl}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Mechanismus: Ciclosporin A durchbricht den renalen Magnesiumspareffekt; die renale Magnesiumexkretion steigt
an und die tubuläre Rückresorption von Magnesium sinkt.
#303.04{sidVPzlzjdk}
Folgen: Magnesiummangel: (Serum < 0,76 mmol/l), sekundäre Elektrolytveränderungen (Natrium, Kalium,
Calcium); Wadenkrämpfe, Spasmen, Muskelschwäche, -krämpfe, neurotoxische Symptome (z. B. Parästhesien);
erhöhtes kardiovaskuläres (z. B. Hypertonie, Kardiomyopathie) und nephrotoxisches Risiko.
#303.05{sidu40ZwqVg}
Hinweis: Unter einer immunsuppressiven Therapie mit Ciclosporin A sollte der Elektrolythaushalt (Magnesium,
Kalium, Natrium) engmaschig kontrolliert werden. Zur Kompensation der durch Ciclosporin A induzierten
Magnesiumverluste ist eine adjuvante Supplementierung von Magnesium (z. B. 4–6 mg MG pro kg KG tgl., p. o.)
empfehlenswert.
#303.06{sidMQMyaQGO}
23.1.3 Ciclosporin A und Kalium
#303.07{sid7yCMgaZw}
Erhöhung der Kaliumspiegel
#303.08{sidEbcN5FYd}
Mechanismus: Additive kaliumretinierende Wirkung von Ciclosporin A oder Tacrolimus in Kombination mit
Kaliumpräparaten.
#303.09{sidrbxLrXoR}
Folgen: Risiko für Hyperkaliämie; Bradykardie, Blutdruckabfall, Schwäche, Unruhe.
#303.10{sidCND53dPc}
Hinweis: Unter einer immunsuppressiven Therapie mit Ciclosporin A oder Tacrolimus sollte der Elektrolythaushalt
(Magnesium, Kalium, Natrium) engmaschig kontrolliert werden. Die Supplementierung kaliumhaltiger
Mineralstoffpräparate sollte vermieden werden.
#303.11{sidHm8jNdSU}
23.1.4 Ciclosporin A und Folsäure
#303.12{sid1PaCfIEp}
Hyperhomocysteinämie nach Transplantation (Niere, Herz)
#303.13{sidfhj0hIbm}
Mechanismus: Störungen der Nierenfunktion infolge pharmakoninduzierter Schäden im proximalen
Tubulusbereich der Nieren. Serumkreatinin korreliert positiv, glomeruläre Filtrationsrate und renale Clearance
korrelieren negativ mit Homocysteinspiegel; Abfall der Folsäure- und Vit​amin-B6-Spiegel.
#303.14{sid4NJXQeaD}
Folgen: Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l); erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse durch
homocysteininduzierte prooxidative Endothelschäden (Risikoerhöhung von 6 % pro 1 µmol/l Hcy).
#303.15{sid35fRJGF5}
Hinweis: Unter einer immunsuppressiven Therapie mit Ciclosporin A oder Tacrolimus sollte regelmäßig, alle 2–3
Monate, der Homocy​stein(Hcy)-Plasmaspiegel kontrolliert werden, da Patienten mit Herz- und
Nierentransplantationen häufig erheblich erhöhte Homocysteinwerte aufweisen. Eine regelmäßige
Supplementierung von Folsäure (1–5 mg tgl., p. o.) zusammen mit Vit​amin B12 (z. B. als Methylcobalamin) und B6 ist
empfehlenswert.
#303.16{siduJO3FV1P}
Studien: Patienten mit Nierenfunktionsstörungen (Nierensinsuffizienz, Dialyse) und Nierentransplantationen weisen
gegenüber gesunden Kontrollen häufig signifikant erhöhte Homocysteinplasmaspiegel (häufig > 20 µmol/l) auf. Die
endothel- und neurotoxische Aminosäure steigert bei Herztransplantierten zum Teil erheblich die Progression
kardiovaskulärer Ereignisse. In Studien an Nierentransplantierten, die mit Ciclosporin A oder Tacrolimus behandelt
wurden, konnte durch Supplementierung von Folsäure (z. B. 5 mg tgl., p. o. über drei Monate) der
Homocysteinspiegel signifikant reduziert werden.
#303.17{sidtYTmoWTd}
23.1.5 Azathioprin und Folsäure
#303.18{sid6f2sR4ol}
Azathioprin induziert Anämie
#303.19{sidKhEEE0lj}
Mechanismus: Azathioprin (Purinantagonist) supprimiert die Purin- bzw. DNA-Synthese; unzureichende
diätetische Folsäuredigestion und -utilisation, Störung des Folsäure-/Vit​amin-B12-Haushalts.
#303.20{sidvKMrsdF0}
Folgen: Beeinträchtigung der Erythropoese (Anämie): makrozytäre hyperchrome Anämie (MCV ↑, MCH ↑);
polymorphkernige Leuko- und Thrombopenie; gastrointestinale Störungen (z. B. Magen- und Darmulzera);
Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l).
#304.01{sidIH3CCeVv}
Hinweis: Bei durch Azathioprin induzierter Anämie sollte eine Supplementierung von Folsäure (1–5 mg tgl.)
zusammen mit Vit​amin B12 und B6 erfolgen. Folsäure wird als Cofaktor für die Biosynthese von Purinen und
Pyrimidinen benötigt. Folsäuremangel führt zu Störungen der DNA-Synthese und Erythropoese. Das
Immunsuppressivum Azathioprin wird bei Organtransplantationen, Morbus Crohn und Autoimmunerkrankungen (z. B.
rheumatoide Arthritis) eingesetzt.
#304.02{sidEtP30kYe}
23.1.6 Ciclosporin A und Grapefruitsaft
#304.03{sidnlj2JYHy}
Grapefruitsaft erhöht Ciclosporin-A-Spiegel
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#304.04{sidyGYkfSVa}
Mechanismus: Das wasserlösliche Furanocumarin Dihydroxy-Bergamottin aus dem Grapefruitsaft vermindert die
bei der Resorption im Darm erfolgende Metabolisierung von Ciclosporin A über die Oxygenase CYP3A4 (siehe
auch ▸ Kap. 2.6).
#304.05{sidzRWIpDq0}
Folgen: Anstieg der Ciclosporin-A-Wirkspiegel mit erhöhtem Risiko für nierentoxische Schäden.
#304.06{sidLIDmH08O}
Hinweis: Unter einer immunsuppressiven Therapie mit Ciclosporin A oder Tacrolimus sollte der Konsum von
Grapefuitsaft vermieden werden. Das wasserlösliche Furanocumarin Dihydroxy-Bergamottin aus Grapefruitsaft kann
den CYP3A4-vermittelten intestinalen First-Pass-Effekt oral applizierter Immunsuppressiva (z. B. Ciclosporin,
Tacrolimus) verringern. Bei gleichzeitigem Trinken von Grapefruitsaft steigt die Bioverfügbarkeit dieser CYP3A4Substrate mit dem Risiko toxikologisch relevanter Nierenschäden. Durch den Konsum größerer Mengen Saft (≥ 500
ml tgl.) werden die für die CYP3A4-Hemmung verantwortlichen Inhaltsstoffe vermehrt resorbiert und damit auch der
hepatischen Abbau dieser Arzneimittel gehemmt. Grapefruitsaft sollte deshalb bei einer entsprechenden Medikation
mit Substraten des CYP3A4 gemieden werden.
#304.07{sidACszDQhl}
Literatur
#304.08{sid9dypfCU9}
Al-Rasheed AK et al. Cyclosporine A neurotoxicity in a patient with idiopathic renal magnesium wasting. Pediatr
Neurol, 23 (4): 353–356, 2000
#304.09{sidJLUMFAm5}
Andreassen AK et al. Hypertension prophylaxis with omega-3 fatty acids in heart transplant recipients. J Am Coll
Cardiol, 29 (6): 1324–1331, 1997
#304.10{sidr7j7SxSh}
Ardalan MR et al. Calcitriol started in the donor, expands the population of CD 4 +CD 25 + T cells in renal transplan
recipients. Transplant Proc, 39 (4): 951–953, 2007
#304.11{sid2mBUzgqV}
Arnadottir M. Hyperhomcysteinemia in cyclosporine-treated renal transplant recipients. Transplantation, 61 (3): 509–
512, 1996
#304.12{sidRV1xayyv}
Badalamenti S et al. Renal effects of dietary supplementation with fish oil in cyclosporine-treated liver transplant
recipients. Hepatology, 22 (6): 1695–1671, 1995
#304.13{sidRzD2TTrP}
Bennett WM et al. Delayed omega-3 fatty acid supplements in renal transplantation. A double-blind, placebocontrolled study. Transplantation, 59 (3), 352–356, 1995
#304.14{sidLJWi1H1v}
Busanch G et al. Effect of n-3- polyunsaturated fatty acids on cyclosporine pharmakokinetics in kidney graft
recipients: a randomized placebo-controlled study. J Neph, 11 (2): 87–93, 1998
#304.15{sidsHzTgegc}
Colke DE et al. Correlation between total homocysteine and cyclosporine concentrations on cardic transplant
recipients. Clin Chem, 44 (11): 2307–2312, 1998
#304.16{sidgl6Hecyp}
Donadio JV. n-3 fatty acids and their role in nephrologic practice. Curr Opin Nephrol Hypertens, 10 (5): 639–642,
2001
#304.17{sidFo3W3QcW}
Fernandez-Miranda C et al. Plasma homocystine levels in renal transplanted patients on cyclosporine or tacrolimus
therapy. Clin Transplant, 14 (2): 110–114, 2000
#304.18{sidQuVV8KaY}
Hirunpanich V et al. Demonstration of docosahexaenoic acid as a bioavailability enhancer for CYP3A substrates: in
vitro and in vivo evidence using cyclosporin in rats. Drug Metab Dispos, 34 (2): 305–310, 2006
#304.19{sidxHrwZfHG}
Holm T et al. Omega-3 fatty acids improve blood pressure control and preserve renal function in hypertensive heart
transplant recipients. Eur Heart J, 22 (5): 428–436, 2001
#305.01{sidYQQ4eulG}
Kakar S et al. 6’7’-Dihydroxybergamottin contributes to the grapefruit juice effect. Clin Pharmacol Ther, 75: 569–579,
2004
#305.02{sidUfo2I4VO}
Kutschka I et al. Increased plasma homocysteine concentrations accelerate cardiac allograft vasculopathy. J Heart
Lung Transplant, 23 (11): 1260–1265, 2004
#305.03{sidNgWhLiDR}
Larner AJ. Myopathy with ragged red fibres following renal transplantation: possible role of cyclosporineinduced
hypomagnesaemia. Acta Neuropahtol, 88 (2): 189–192, 1994
#305.04{sid4kzXx8pC}
Machado DJ et al. Hyperhomocyst(e)inemia in chronic stable renal transplant patients. Rev Hosp Clin Fac Med Sao
Paulo, 55 (5): 161–168, 2000
#305.05{sidEMyWsKdO}
Mazouz H et al. Relationship between hyperhomocystinemia and azathioprine therapy in kidney graft recipients. In:
Congress Of The European Society For Organ Transplantation, 9th slo, Norway, 1999
#305.06{sidn3b3VCFs}
Mervaala EM. Effects of dietary sodium and magnesium on cyclosporin A-induced hypertension and nephrotoxicity
in spontaneously hypertensive rats. Hypertension, 29 (3): 822–827, 1997
#305.07{sidMOVJZnAY}
Mihatsch MJ et al. The side effects of cilcosporine-A and Tacrolimus. Clin Nephrol, 49 (6): 356–363, 1998
#305.08{sidQsCueaQQ}
Woo M et al. Toxicities of tacrolimus and cyclosporin A after allogenic blood stem cell transplantation. Bone Marrow
Transplant, 29 (12): 1095–1098, 1997
#305.09{sidWkOOKIbX}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Zazgornik J et al. Diminished serum folic acid levels in renal transplant recipients. Clin Nephrol, 18 (6): 306–310,
1982
#305.10{sidQCaThYiz}
Zhang AB, Zheng SS. Strong additive effect of calcitriol and cyclosporine A on lymphocyte proliferation in vitro and
rat liver allotransplantations in vivo. Chin Med, 119 (24): 2090–2095, 2006
#306.01{sidZP7QorXM}
24 Kardiaka und Koronartherapeutika
#306.02{sidGPwzX0gR}
Zur Gruppe der Kardiaka gehören die Herzglykoside (z. B. Digitoxin, Beta-Acetyldigoxin, Metildigoxin), die
aufgrund ihrer positiv inotropen und damit herzleistungssteigernden Wirkung zur Pharmakotherapie der
schweren Herzinsuffizienz eingesetzt werden. Die pharmakodynamische Wirkung der herzwirksamen Glykoside
(→ Bindung an magnesiumabhängige Na+/K+-ATPase) ist mit einem hohen Interaktionspotenzial mit dem
Magnesium- und Kaliumhaushalt assoziiert, insbesondere bei Hypo- und Hyperkali​ämie.
#306.03{sidzDvhux4V}
24.1 Koronartherapeutika und ​Mikronährstoffe
#306.04{sidcGsAT0st}
Die wichtigsten Vertreter unter den Koronarmitteln sind die organischen Nitrate (z. B. Glyceroltrinitrat,
Isosorbiddinitrat, Molsidomin), die zur symptomatischen Therapie der koronaren Herzkrankheit (KHK) eingesetzt
werden. Nitrate (NO-Prodrugs, NO-Donatoren) werden durch reduzierende Biotransformation in den gasförmigen
Neurotransmitter Stickstoffmonoxid (NO) überführt, der vasodilatatorisch, antithrombotisch und endothelprotektiv
wirkt. Oxidativer Stress limitiert die Verfügbarkeit von NO und scheint auch bei der Abschwächung der Nitratwirkung
(Nitrattoleranz) eine Rolle zu spielen. Antioxidanzien haben einen günstigen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit und
Wirkung von NO.
#306.05{sidFS2j8lrr}
Fallbeispiel
#306.06{sidrasR5JHQ}
Die 65-jährige Patientin Johanna M. wird aufgrund einer Herzinsuffizienz seit Längerem mit Herzglykosiden und
Furosemid behandelt. Apothekerin P. ist aufgefallen, dass die Patientin seit einiger Zeit häufiger über
Appetitlosigkeit, Darmträgheit, Müdigkeit und Muskelschwäche klagt. Bei ihrem letzten Besuch in der Apotheke
berichtet die Patientin zusätzlich von zeitweisem Herzjagen und einem schnellen Puls. Müdigkeit,
Muskelschwäche, Herzrasen und Appetitlosigkeit, häufig verbunden mit Obstipation, sind die typischen
Symptome eines Kaliummangels. Thiazide und Schleifendiuretika wie Furosemid führen zu einem Verlust an
Kalium, Magnesium und Vit​amin B1. Ein Abfall der Kaliumspiegel im Serum unter 3,5 mmol/l (Hypokaliämie)
kann sich dabei aufgrund der heute üblichen kaliumarmen Ernährung (Obst, Gemüse) relativ rasch entwickeln.
Die Hypokaliämie erhöht die Rezeptorbindung von Herzglykosiden an die Na+K+ATPasen der
Herzmuskelzellen. Die Wirkung und Toxizität der Herzglykoside wird dadurch verstärkt. Die Glykosidtoleranz
kann durch die adjuvante Gabe von Magnesium und Kalium verbessert werden. Da eine unkontrollierte
Kaliumsubstitution die Glykosidwirksamkeit abschwächt (pharmakodynamischer Antagonimus), empfiehlt
Apothekerin P. der Patientin zunächst mit ihrem Arzt über ihre Beschwerden zu sprechen und bei ihm den
Kaliumspiegel überprüfen zu lassen. Wahrscheinlich sind eine vorübergehende Reduktion der
Herzglykosiddosis und eine orale Kaliumsubstitution (Kaliumchlorid) erforderlich. Zur Unterstützung der
Herzmuskelfunktion und Kompensation medikationsbedingter Verluste gibt die Apothekerin Frau M. ein
Magnesiumpräparat sowie eine Vit​amin-B-Kombination mit Vit​amin B1, Folsäure, Vit​amin B6 und B12 zur
regelmäßigen Einnahme mit.
#307.01{sidhIN9zKt9}
24.1.1 Herzglykoside und Kalium/​Magnesium
#307.02{sidhRnksZyc}
Kaliummangel (Hypokaliämie) verstärkt Wirkung und Toxizität von Herzglykosiden
#307.03{sid2rt0RjxI}
Mechanismus: Hypokaliämie (< 3,5 mmol/l) erhöht stark die Affinität und Rezeptorbindung der Herzglykoside an
die Na+/K+-ATPase der Herzmuskelzelle. Eine Kaliumverarmung kann durch kaliumausscheidende Diuretika
(Thiazide, Schleifendiuretika) oder Laxanzien gesteigert werden (○Abb. 21.1).
#307.04{sid01X6xPXD}
Folgen: Wirkung und Toxizität der herzwirksamen Glykoside wird verstärkt. Mögliche Folgen: Herzrasen, schneller
Puls, potenziell lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen; gastrointestinale Störungen, Halluzinationen,
Sehstörungen (z. B. Störungen des Farbsehens, Photophobie).
#307.05{sidPx6lqlLM}
Hinweis: Die Kalium- und Magnesiumspiegel sollten bei einer Therapie mit herzwirksamen Glykosiden sorgfältig
überwacht und in jedem Fall durch eine orale Substitution korrigiert werden (siehe auch S. 191ff.).
#307.06{sidZHzu7BNm}
Eine Hypokaliämie begünstigt die Rezeptorbindung von Herzglykosiden an die Na+/K+-ATPase, während eine
Hyperkaliämie die Glykosidbindung und -wirkung verringert. Unter der Therapie mit herzwirksamen Glykosiden
empfiehlt sich die orale Substitution eines Magnesiumpräparats (z. B. 300 mg Magnesium/Tag, als
Magnesiumorotat), da Magnesium die Kaliumverwertung und Glykosidtoleranz generell verbessert und als
Calciumantagonist die Herzmuskelzelle vor einer Überladung mit Calciumionen schützt (optimale
Magnesiumserumspiegel: ≥ 0,85–1,2 mmol/l).
#307.07{sidpUwWL2v4}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Magnesium ist Aktivator von mehr als 600 Enzymsystemen und an allen ATP-abhängigen Prozessen beteiligt. Über
die Interaktion mit Phosphoplipiden wirkt es membranstabilisierend und reguliert als Cofaktor der Na+/K+-ATPase
die Erregungsleitung in Nerven- und Muskelzellen. Ein Magnesiummangel erhöht die Durchlässigkeit von Kalium
durch K+-Kanäle, was wiederum Auswirkungen auf das Herzmuskelaktionspotenzial hat. Seine antagonistische
Wirkung gegenüber Calcium schützt die Myokardzelle bei ischämischen Perfusionsstörungen vor einer
Calciumüberladung. Aufgrund dieser Eigenschaften ökonomisiert Magnesium die kardiale Bioenergetik und wirkt
antiarrhythmisch.
#307.08{sidiTLeNaCI}
Studien: In einer aktuellen Studie an Patienten mit Herzinsuffizienz NYHA-Stadium IV führte die adjuvante
Supplementierung von Magnesium (1. Monat: 6 000 mg Magnesiumorotat/d ≙ 400 mg Mg, dann: 3 000 mg
Magnesiumorotat/d, p. o. ≙ 200 mg Mg) gegenüber Placebo nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von
zwölf Monaten bei 38,5 % der mit Magnesiumorotat behandelten Patienten zu einer signifikanten Verbesserung der
klinischen Symptomatik, zum Teil sogar mit einem Wechsel in das weniger schwere NYHA-Stadium III. Bei 50 % der
Verumgruppe konnte der Zustand stabil gehalten werden. Demgegenüber trat in der Placebogruppe bei keinem
einzigen Patienten eine Verbesserung der kardiovaskulären Symptome ein, sondern die Schwere der
Herzinsuffizienz verschlechterte sich sogar bei 56,3 % der Patienten.
#307.09{sid2V9Z0E6z}
Bemerkenswert ist, dass die Verbesserung der kardialen Bioenergetik auch mit einem Gewinn an Lebenszeit
assoziiert war: Die Überlebensrate der Patienten in der Verumgruppe betrug nach einjähriger Therapie mit
Magnesiumorotat 75,7 %, während in der Placebogruppe nur 51,6 % der herzinsuffizienten Patienten überlebten
(○Abb. 24.1).
#308.01{sid9sniLozN}
Abb. 24.1 Einfluss von Magnesiumorotat auf die Überlebensrate nach zwölf Monaten bei Patienten mit schwerer
Herzinsuffizienz (NYHA IV, MACH-​Studie)
#307.10{sidhEWyDWaj}
24.1.2 Herzglykoside, Furosemid und Vit​amin B1
#307.11{sid5AvhzzoA}
Furosemid und/oder Herzglykoside stören den kardialen Thiaminstatus
#307.12{sidgcWlO33c}
Mechanismus: Die Thiaminaufnahme in die Kardiozyten wird durch Furosemid und/oder Herzglykoside
beeinträchtigt. Furosemid erhöht signifikant die renale Thiaminexkretion (siehe ▸ Kap. 21.1.3).
#307_308{sidJCWiOsrW}
Folgen: Thiaminmangel (erythrozytäre Transketolase-Aktivität ↓). Verschlechterung der Herzmuskelfunktion: z. B.
Herzinsuffizienz ↑, Kardiomyopathie.
#308.02{sid73HdevpZ}
Hinweis: Zur Unterstützung der Herzfunktion und Kompensation medikationsbedingter Verluste sollte neben
Magnesium regelmäßig ein Vit​amin-B-Komplex mit Thiamin, Folsäure, Vit​amin B6 und B12 ergänzt werden. Das
lipidlösliche Benfotiamin ist aufgrund seiner dosislinearen Resorption besonders gut zur oralen Substitution
geeignet.
#308.03{sidrF6mzn21}
Herzinsuffiziente Patienten haben ernährungs- und medikationsbedingt häufig einen schlechten Vit​amin-B1-Status.
Entsprechend seiner physiologischen Bedeutung im Kohlenhydrat- und Energiestoffwechsel besitzt der Herzmuskel
den höchsten Vit​amin-B1-Gehalt (3–8 µg pro g). Aufgrund der geringen Speicherkapazität und der kurzen
biologischen Halbwertszeit des Thiamins ist eine regelmäßige Vit​amin-B1-Zufuhr (z. B. 50 mg Benfotiamin/d) bei
herzinsuffizienten Patienten sinnvoll.
#308.04{sidTdQG7cqU}
24.1.3 Herzglykoside und Kalium
#308.05{sidLjKISWtZ}
Unkontrollierte Kaliumeinnahme schwächt die Wirkung von Herzglykosiden ab
#308.06{sidtbjgHb41}
Mechanismus: Ein Anstieg der extrazellulären Kaliumspiegel, z. B. durch unkontrollierte Selbstmedikation mit
Kaliumpräparaten, verringert die Affinität und Rezeptorbindung der Herzglykoside an die Na+/K+-ATPase der
Herzmuskelzelle.
#308.07{sidPgdGwm3O}
Folgen: Abgeschwächte Glykosidwirkung.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#308.08{sidcb3DLGEi}
Hinweis: Eine unkontrollierte Selbstmedikation mit Kaliumpräparaten ist unter einer Therapie mit Herzglykosiden
zu vermeiden. Generell sollten die Serumelektrolyte bei einer Therapie mit herzwirksamen Glykosiden sorgfältig
überwacht und gegebenenfalls korrigiert werden (siehe ▸ Kap. 3.4).
#308.09{sid2w9MJFKr}
24.1.4 Kardiaka und Eisen
#308.10{sidpcxIlitH}
Eisen kann den Bedarf an herzwirksamen Medikamenten verringern
#308.11{sidFp3RLMPZ}
Mechanismus: Additive Effekte auf die kardiale Bioenergetik durch Eisen und Kardiaka. Eisen kann bei koronarer
Herzkrankheit die Belastungstoleranz des Myokards steigern sowie die kardiale Auswurfleistung verbessern (→
mitochondriale Funktion).
#308.12{siddcuMj2sr}
Folge: Verbesserung der kardialen Bioenergetik durch labordiagnostisch validierte Gabe von Eisen;
Normalisierung des myokardialen Eisenstatus.
#308.13{siduKYduEvI}
Hinweis: Die labordiagnostisch validierte Gabe (z. B. CRP, Leberwerte, Ferritin, löslicher Transferrin-Rezeptor)
des Energy-Response-Modifiers Eisen kann bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit den Bedarf an
herzwirksamen Medikamenten verringern.
#308_309{sidYapG1yJX}
Studien: Patienten mit Herzmuskelschwäche haben häufig einen Eisenmangel. Bereits ein leichter Eisenmangel ist
nachteilig bei einer Herzinsuffizienz. Mit Eisen behandelte Patienten berichten über eine bessere Lebensqualität,
sind generell belastbarer und müssen seltener ins Krankenhaus. Wahrscheinlich haben sie auch eine längere
Überlebenszeit. Ursache dafür ist eine mitochondriale Dysfunktion. Eisen (Fe) ist als Cofaktor von Eisen-SchwefelClustern (Fe-S) in allen drei Komplexen an denen Coenzym Q10 in der mitochondrialen Atmungskette eine Rolle
spielt beteiligt. Bei Eisenmangel können die Mitochondrien weniger ATP produzieren. Gerade der Herzmuskel ist
aber für seine Pumpfunktion auf eine hohe Energiezufuhr angewiesen.
#309.01{sidpZ5I8lxi}
Eine Arbeitsgruppe um Haddad et al. von der Medizinischen Hochschule in Hannover haben nun herausgefunden,
warum Eisen für die Herzfunktion so wichtig ist. Der intrazelluläre und mitochondriale Eisengehalt wird durch zwei
mRNA-bindende Eisen regulierende Proteine (IRP: Iron-Regulatory Proteins), IRP1 und IRP2 gesteuert. Schaltet
man die IRP-Proteine bei Mäusen aus entwickeln diese einen Eisenmangel im Herzmuskel, jedoch nicht im Blut
oder in anderen Organen. Diese IRP-Mangel-Mäuse konnten die linksventrikuläre systolische (LV) Funktion nicht
steigern als Antwort auf eine akute Belastung mit Dobutamin. Nach einem Herzinfarkt entwickelten die Tiere zudem
eine ausgeprägte linksventrikuläre Dysfunktion und verstarben auch häufiger an letzterer. Als Pathomechanismus
wurde nachgewiesen, dass die Aktivität der Fe-S-Cluster im Komplex I der mitochondrialen Atmungskette im linken
Ventrikel bei IRP-Mangel-Mäuse reduziert war. Wurde diesen Mäusen Eisen verabreicht, konnte die Tiere ihre
Eisenspeicher im Herzen auffüllen, die Herzmuskelzellen produzierten wieder ausreichend ATP und die Herzfunktion
normalisierte sich.
#309.02{sid1ijPUak7}
Kommentar: Die Herzinsuffizienz zählt zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Generell sollte daher der
Eisenhaushalt regelmäßig bei den betroffenen Patienten labormedizinisch anhand aussagekräftiger
Laborparameter (z. B. löslicher Transferrin-Rezeptor, Ferritin) kontrolliert werden und bei Eisenmangel vom
behandelnden Arzt Eisen verschrieben werden. Bei herzinsuffizienten Patienten sollte neben dem Eisenhaushalt
auch der Vit​amin-D-Status kontrolliert werden, da letzteres aufgrund seiner regulierenden Wirkung auf die EisenHepcidin-Ferroportin-Achse eine enge Beziehung zum Eisen-Haushalt hat.
#309.03{sid4llULgQR}
24.1.5 Kardiaka und L-Carnitin
#309.04{sidf3gr75Jn}
L-Carnitin kann den Bedarf an herzwirksamen Medikamenten verringern
#309.05{sidvS5c1997}
Mechanismus: Additive Effekte auf die kardiale Bioenergetik durch L-Carnitin und Kardiaka. L-Carnitin kann bei
koronarer Herzkrankheit die Belastungstoleranz des Myokards steigern, die kardiale Auswurfleistung verbessern,
die ischämiebedingten EKG-Veränderungen verringern und die Myokardleistung ökonomisieren.
#309.06{sidJo0DapyM}
Folgen: Verbesserung der kardialen Bioenergetik durch adjuvante Gabe von L-Carnitin; Normalisierung der
myokardialen Carnitinbilanz.
#309.07{sidLCFTHjAy}
Hinweis: Die adjuvante Gabe des Energy-Response-Modifiers L-Carnitin (2–6 g tgl., als Carnitintartrat p. o.) kann
bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit den Bedarf an herzwirksamen Medikamenten (○Abb. 24.2) verringern.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#310.01{sidxtN1l8PF}
Abb. 24.2 Reduktion des Verbrauchs herzwirksamer Medikamente durch L-Carnitin (2 000 mg/d, p. o.) bei 2 300 Patienten mit
koronarer Herzkrankheit
#309.08{sidmLFtwp8c}
Das Myokard bezieht seine Energie zu 50–60 % aus der Oxidation freier Fettsäuren (Beta-Oxidation). Dadurch ist
eine normale Herzfunktion auf eine ausreichende Versorgung mit L-Carnitin angewiesen. Eine Verarmung der
Herzmuskelzelle an freiem Carnitin ist eine gemeinsame biochemische Endstrecke ischämischer
Herzerkrankungen.
#309.09{siduL6qmGnu}
Carnitin ist essenziell für den Transport langkettiger Fettsäuren aus dem Zytosol in die Mitochondrien. Die im Zytosol
enthaltenen Fettsäuren werden durch Coenzym A aktiviert (Acyl-CoA). Erst durch die Veresterung der aktivierten
Fettsäuren zu Acyl-Carnitin können sie die innere Mitochondrienmembran passieren und energetisch im Rahmen
der Beta-Oxidation verwertet werden (○Abb. 3.11).
#309_310{siduliegubs}
Studien: Die Auswertung von Multizenterstudien mit insgesamt 3 525 Patienten, die über ein Jahr täglich 2 g LCarnitin supplementierten, zeigte neben der Verminderung von Angina-pectoris-Anfällen und Verbesserung der
physischen Leistungsfähigkeit einen signifikant verringerten Verbrauch an Nitraten und anderen herzwirksamen
Arzneimitteln (z. B. Glykoside, Diuretika, Antiarrythmika). Im Vergleich zum L-Carnitin scheint die kardioprotektive
Wirkung des Propionyl-L-Carnitin stärker zu sein, da es in der Zelle zu Succinyl-CoA umgewandelt wird, welches den
Fluss der Metabolite durch den Citratzyklus stimuliert.
#310.02{sidBJEmY0nc}
24.1.6 Kardiaka und Coenzym Q10
#310.03{sidt4xnFsnm}
Coenzym Q10 verbessert die Herzfunktion
#310.04{sidSjtEzSL6}
Mechanismus: Additive Effekte auf die kardiale Bioenergetik von Coenzym Q10 (Ubiquinon/Ubiquinol) und
Kardiaka; Coenzym Q10 ist als Ferment der Atmungskette essenziell für die mitochondriale ATP-Produktion; bei
Herzinsuffizienz hat Coenzym Q10 einen positiven Einfluss auf die körperliche Belastungsfähigkeit (z. B.
Verbesserung der kardialen Auswurfleistung, des enddiastolischen Volumenindexes, der Endothelfunktion).
#310.05{sidrSdNTx3U}
Folgen: Verbesserung der kardialen Funktionsstörungen durch adjuvante Gabe von Coenzym Q10; Normalisierung
der myokardialen Coenzym-Q10-Bilanz; der Bedarf an Arzneimitteln zur Pharmakotherapie der Herzinsuffizienz kann
durch Coenzym Q10 gesenkt werden.
#310.06{sidCNeEOXCO}
Hinweis: Die adjuvante Gabe des Energy-Response-Modifiers Coenzym Q10 (2–10 mg/kg KG/d, p. o., z. B. als
Ubiquinol) kann bei Patienten mit Herzinsuffizienz die kardialen Funktionsstörungen verringern, die körperliche
Belastbarkeit steigern und den Bedarf an herzwirksamen Medikamenten verringern. Der Richtwert für therapeutisch
wirksame Coenzym-Q10-Plasmaspiegel in der adjuvanten Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen (z. B.
Herzinsuffizienz, Bluthochdruck) dürfte nach einigen Studien bei ≥ 2,5 µg/ml liegen.
#310_311{sidLG1TyzIo}
Coenzym Q10 ist als Ferment der Atmungskette essenziell für die mitochondriale und extramitochondriale
Energiegewinnung. Etwa 50 Prozent des körpereigenen Coenzyms Q10 sind intrazellulär in den Mitochondrien
gespeichert, in denen die lebenswichtige Umwandlung von Nahrungsenergie in Zellenergie stattfindet. Coenzym Q10
katalysiert metabolische Prozesse und hält die ATP-Produktion am Laufen, weshalb es u. a. auch als EnergyResponse-Modifier oder Metabolomic bezeichnet wird. Die höchsten Coenzym-Q10-Konzentrationen finden sich in
Organen mit hohem Energiebedarf, wie z. B. im Herzmuskel, in der Leber, in den Nieren und in der
Bauchspeicheldrüse. Coenzym Q10 spielt durch seine Fähigkeit Elektronen aufzunehmen und weiterzuleiten eine
Schlüsselrolle bei der zellulären Energieproduktion. In der mitochondrialen Atmungskette werden mithilfe von
Coenzym-Q10-Elektronen von den aus der Oxidation von Glucose und Fettsäuren entstehenden Redoxäquivalenten
NADH auf Sauerstoff unter Bildung von Wasser übertragen. Das entstehende Membranpotenzial (∆ψ) wird zur
Synthese von energiereichen Phosphaten (Adenosintriphosphat, ATP) verwendet. Die Konservierung der hierbei frei
werdenden Energie in Form von ATP wird auch als oxidative Phosphorylierung bezeichnet (○Abb. 5.3). Der aerobe
Stoffwechsel ist daher obligat auf eine adäquate Verfügbarkeit von Coenzym Q10 angewiesen.
#311.01{sidf5MjE2Aj}
Studien: Eine Reihe von klinischen Studien belegen einen günstigen Einfluss des Coenzym Q10 auf den Verbrauch
herzwirksamer Medikamente, den enddiastolischen Volumenindex, die myokardiale Ejektionsfraktion sowie auf die
Häufigkeit von Lungenödemen und anderen Störungen bei kongestiver Kardiomyopathie. In einer Langzeitstudie an
424 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz konnte unter der regelmäßigen Supplementierung von Coenzym Q10
(Dosierung: 75–600 mg/d, durchschnittlich 242 mg Coenzym Q10/d, p. o.) der Schweregrad der Herzinsuffizienz nach
NYHA deutlich verbessert und der Bedarf an herzwirksamen Arzneimitteln gesenkt werden (○Abb. 24.3,
○Abb. 24.4).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#311.02{sideivlNGuH}
Abb. 24.3 Einstufung von Patienten (n = 424) mit chronischer Herzinsuffizienz vor und nach Supplementierung von Coenzym
Q10 (durchschnittlich 242 mg/d, p. o., 17,8 Monate)
#312.01{sidF52G1h5e}
Abb. 24.4 Einfluss von Coenzym Q10 auf die Anzahl der eingenommenen Medikamente
#311.03{sidND4Gk6Mv}
In einer aktuellen randomisierten, placebokontrollierten Interventionsstudie mit 443 Probanden im Alter von 70–88
Jahren, senkte die kombinierte Gabe von Coenzym Q10 und Selen die kardiovaskuläre Mortalität um 47 % (Verum
5,9 % versus Placebo 12,6 % nach 5,2 Jahren; p = 0,015). Die Blutspiegel des Herzinsuffizienzmarkers NT-proBNP
(N-terminales Fragment des Vorläuferproteins des natriuretischen Peptids vom Typ B) lagen in der Verum-Gruppe
mit 215 ng/l deutlich niedriger als in der Placebo-Gruppe mit 304 ng/l (p = 0,014). In dieser Studie wurde eine
Kombination aus 200 mg Coenzym Q10 und 200 µg Selen eingesetzt. Die Kombination dieser mitotropen
Mikronährstoffe ist sinnvoll, da Selen über die Thioredoxin-Reduktase für die Regeneration von Coenzym Q10 und
Vit​amin C wichtig ist.
#311.04{sidVOGgWcv3}
24.1.7 Nitrate und Vit​amin C
#311.05{sidrbzWEw9w}
Vit​amin C verringert die Nitrattoleranz
#311.06{sidbvVY5TX6}
Mechanismus: Als Ursache der Nitrattoleranz wird eine durch reaktive Sauerstoffspezies (Superoxidradikale)
induzierte verminderte NO-Bioverfügbarkeit mit verstärkter Umwandlung von NO in Peroxynitrit und geringere
Aktivierung der Guanylatcyclase diskutiert. Vit​amin C schützt NO vor der Inaktivierung durch freie Radikale und kann
die NO-Bioverfügbarkeit erhöhen.
#311.07{sidNcqmi8Nk}
Folge: Verringerung der endothelialen Dysfunktion durch Vit​amin C (Vit​amin-C-Plasmaspiegel von ≥ 90 µmol/l).
#311.08{sidBFwRE80g}
Hinweis: Bei hoher Dosierung oder Dauerapplikation, jedoch nicht bei intermittierender Gabe, der zur KHKTherapie eingesetzten Nitrate wird eine Abschwächung der Nitratwirkung (Nitrattoleranz) beobachtet. Die adjuvante
Gabe antioxidativer Mikronährstoffe wie Vit​amin C, Coenzym Q10 und Vit​amin E kann die Endothelfunktion
verbessern und eine Nitrattoleranz verringern.
#312.02{sidL6UB0qsC}
Studien: In klinischen Studien konnte die regelmäßige Supplementierung von Vit​amin C (2–6 g tgl., p. o., über den
Tag verteilt) die Nitrattoleranz verringern bzw. ihr vorbeugen.
#312.03{sidlW6oWyIa}
Literatur
#312.04{sidH0av7Zf2}
Alehagen U et al. Cardiovascular mortality and N-terminal-proBNP reduced after combined selenium and coenzyme
Q10 supplementation: A 5-year prospective randomized double-blind placebo-controlled trial among elderly
Swedish citizens. Int J Cardiol, Epub ahead of print, 2012
#312.05{sidPczfJBRr}
Baggio E et al. Italian multicenter study on the safety and efficacy of coenzyme Q10 as adjunctive therapy in heart
failure. CoQ10 Drug Surveillance Investigators. Mol Aspects Med, (15 suppl): 287–294, 1994
#312.06{sid0Q16bRed}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Bassenge E et al. Dietary supplement with vit​amin C prevents nitrate tolerance. Journal of Clinical Investigation, 102
(1): 67–71, 1998
#312.07{sidmGJrMAvO}
Burke BE, Neuenschwander R, Olson RD. Randomized, double-blind, placebo-controlled trial of coenzyme Q10 in
isolated systolic hypertension. South Med J, 94: 1112–1117, 2001
#312.08{sidNrrTBr70}
Crippa G et al. Magnesium and cardiovascular drugs: interactions and therapeutic role. Ann Ital Med Int, 14 (1): 40–
45, 1999
#312.09{sidL7UpwRDe}
Douban E et al. Significance of magnesium in congestive heart failure. Am Heart J, 132 (3): 664–671, 1996
#312.10{sidtIeQgMOv}
Duell T et al. Unclear lactate acidosis in a patient with heart failure under long-term diuretic therapy. Dt Med Wo, 125
(4): 1232–1234, 2000
#312.11{sidXRybHUL0}
Ernst JB, Zittermann A, Pilz S, et al. Independent associations of vit​amin D metabolites with anemia in patients
referred to coronary angiography: the LURIC study. Eur J Nutr, 2016. [Epub ahead of print]
#312.12{sidpLFw8D8f}
Fernandez C, Proto C. L-Carnitine in the treatment of chronic myocardial ischemia. An analysis of 3 multicenter
studies and a bibliographic review. Clin Terap, 140 (4): 353–377, 1992
#312.13{sidC2UtUwCV}
Ferrari R et al. Therapuetic effects of L-carnitine and propionyl-L-carnitine on cardiovascular disease: a review. Ann
N Y Acad Sci, 1033: 79–91, 2004
#312.14{sidvY6kTzmj}
Folkers K et al. Biochemical rationale and myocardial tissue data on the effective therapy of cardiomyopathy with
coenzyme Q10. Proc Natl Acad Sci USA, 82: 901–904, 1985
#312.15{sidPABPkSGo}
Galy B, Ferring-Appel D, Sauer SW, et al. Iron regulatory proteins secure mitochondrial iron sufficiency and function.
Cell Metab. 2010; 12(2): 194–201.
#312.16{sidTazvA9Qr}
Gokce N et al. Long-term ascorbic acid administration reverses endothelial vasomotor dysfunction in patients with
coronary heart disease. Circulation, 99 (25): 3234–3240, 1999
#312.17{sidDufIhFUv}
Haddad S, Wang Y, Galy B, et al. Iron-regulatory proteins secure iron availability in cardiomyocytes to prevent heart
failure. Eur Heart J; 38(5):362–372, 2017
#313.01{siduIshe0La}
Hanninen SA. The prevalence of thiamine deficiency in hospitalized patients with congestive heart failure. J Am Coll
Cardiol, 42 (2): 354–361, 2006
#313.02{sidJP9IQfge}
Hofman-Bang C et al. Coenzyme Q10 as an adjunctive in the treatment of chronic congestive heart failure. The Q10
study group. J Card Fail, 1: 101–107, 1995
#313.03{sidEI75pYyU}
Johansson P, Dahlström O, Dahlström U, Alehagen U. Effect of selenium and Q10 on the cardiac biomarker NTproBNP. Scand Cardiovasc J (Epub ahead of print), 2013
#313.04{sid4VQzyKoy}
Keith M et al. Increased oxidative stress in patients with congestive heart failure. J Am Coll Cardiol, 31: 1352–1356,
1998
#313.05{sidO1syWgJb}
Kuettner A et al. Influence of coenzyme Q10 and cerivastatin on the flow-mediated vasodilation of the brachial artery:
results of the ENDOTACT study. Intern Jnl of Cardiol, 98: 413–419, 2005
#313.06{sidtuMnWbgv}
Langsjoen HA et al. Usefullness of coenzyme Q10 in clinical cardiology: a long term study. Mol Aspects Med, 15
(Suppl.): 165–175, 1994
#313.07{sid6qBJwulD}
Morisco C et al. Effect of coenzyme Q10 therapy in patients with congestive heart failure: a long-term, multicenter,
randomized study. Clin Invest, 71 (Suppl 8): 134–136, 1993
#313.08{sidfGVEdBKn}
Mortensen SA. Perspectives on therapy of cardiovascular diseases with coenzyme Q10 (ubiquinone). Clin Invest, 71
(8 suppl): 116–123, 1993
#313.09{sidVNvagVJc}
Nayler WG. The use of coenzyme Q10 to protect ischemic heart muscle. In: Yamamura Y, Folkers K, Ito Y, eds.
Biomedical and clinical aspects of coenzyme Q. Vol. 2. Amsterdam: Elsevier: 409–425, 1980
#313.10{sidQlmuQefM}
Oda T. Coenzyme Q10 therapy on the cardiac dysfunction in patients with mitral valve prolaps: dose vs effect & dose
vs serum level of coenzyme Q10. Biomedical and clinical aspects of coenzyme Q, Vol. 5, Elsevier: 269–280, 1986
#313.11{sidGbz1qv5e}
Oda T. Dose-effect relationship and critical dose of coenzyme Q10 on load-induced cardiac dysfuntion in pediatric
patients with mitral vlave prolaps. Biomedical and clinical aspects of coenzyme Q, Vol. 6, Elsevier: 247–256, 1991
#313.12{sidu1YHfxnS}
Rieck J et al. Urinary loss of thiamine by low doses of furosemide in healthy volunteers. J Lab Clin Med, 134 (3):
238–243, 1999
#313.13{sidhUhfW13F}
Rosenfeldt FL, Pepe S. Linnane, A., et al., Coenzyme Q10 protects the aging heart against stress: studies in rats,
human tissues, and patients. Ann N Y Acad Sci, 959: 355–359, 2002
#313.14{sidI82Tknxl}
Seligmann H et al. Thiamine deficiency in patients receiving long-term furosemide-therapy: a pilot study. Am J Med,
91 (2): 151–155, 1991
#313.15{sidSMRG8cq2}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Shankar SS et al. L-Carnitine may attenuate free fatty acid-induced endothelial dysfuntion. Ann N Y Acad Sci, 1033:
189–197, 2004
#313.16{sid95NCacwD}
Shimon I et al. Improved ventricular function after thiamine supplementation in patients with congestive heart failure
receiving long-term furosemide therapy. Am J Med, 98 (5): 485–490, 1995
#313.17{sidn8NagUJI}
Siliprandi N et al. Propionyl-L-carnitine: biochemical significance and possible role in cardiac metabolism.
Cardiovasc Drugs Ther, 5 Suppl 1: 11–15, 1991
#313.18{sidYqcxE1e4}
Singh RB et al. Effect of coenzyme Q10 on risk of atherosclerosis in patients with recent myocardial infarction. Mol
Cell Biochem, 246: 75–82, 2003
#313.19{sidcXAEdcOY}
Soja AM, Mortensen SA. Treatment of congestive heart failure with coenzyme Q10 illuminated by metaanalysis of
clinical trials. Mol Aspects Med, 18 Suppl: 159–168, 1997
#313.20{sidEWru2GcV}
Stepura OB, Martynow AI. Magnesium orotate in severe congestive heart failure (MACH). Int J Cardiol, 134 (1): 145–
147, 2009
#313.21{sidK6hm3qz8}
Watanabe H et al. Randomized, double-blind, placebo-controlled study of the preventive effect of supplemental oral
vit​amin C on attenuation of development of nitrate tolerance. Journal of the American College of Nutrition, 31 (6):
1323–1329, 1998
#313.22{sidvLABEUfz}
Yammamura Y et al. Clinical use of coenzyme Q for treatment of cardiovascular disease. Jpn Circ J, 31: 168, 1967
#313.23{sidck8WIusF}
Zangen A et al. Furosemide and digoxin inhibit thiamin uptake in cardiac cells. Eur Jnl of Pharm, 361 (1): 151–155,
1998
#314.01{sidoyfwstaC}
25 Laxanzien
#314.02{sidXqgvCNbl}
Antiresorptiv und hydragog wirkende Laxanzien (z. B. Bisacodyl) hemmen die Natrium- und Wasserresorption
über eine Blockade der intestinalen Na+/K+-ATPase und fördern den Einstrom von Wasser und Elektrolyten in
das Darmlumen. Es kommt zur Erweichung des Stuhles und Abkürzung der Transitzeit mit der Folge der
beschleunigten Stuhlentleerung. Bei chronischer Obstipation, einer bei bis zu 20 % der erwachsenen
Bevölkerung auftretenden Funktionsstörung des Gastrointestinaltrakts, ist die regelmäßige Anwendung von
Laxanzien weit verbreitet.
#314.03{sidgyanHgf2}
25.1 Laxanzien und Elektrolyt​haushalt
#314.04{sidrodNgvkm}
Der chronische Missbrauch von darmirritierenden Laxanzien führt zu enteralen Verlusten von Natrium, Kalium,
Magnesium und Wasser. Der Organismus versucht durch vermehrte Freisetzung des Hormons Aldosteron
(sekundärer Hyperaldosteronismus), welches die Natrium- und Wasserresorption in der Niere fördert, der
Verarmung an Elektrolyten vorzubeugen. Allerdings steigert Aldosteron die renale Kaliumexkretion, sodass sich
enterale und renale Kaliumverluste summieren (Hypokaliämie). Es entwickelt sich ein Circulus vitiosus, da die
Kaliumverarmung die Darmperistaltik zusätzlich beeinträchtigt. Unter Laxanzienabusus kommt es daher immer
wieder zu Hypokaliämien. Weitere Störungen im Elektrolythaushalt bei chronischer Laxanzieneinnahme sind
Calciumverluste mit Hypocalcämie und Osteoporose sowie Magnesiumverluste mit Hypomagnesiämie. Neben dem
Elektrolythaushalt kann auch der Haushalt anderer Mikronährstoffe, vor allem der fettlöslichen Vit​amine und BVit​amine durch die regelmäßige Einnahme von Laxanzien beeinträchtigt werden.
#314.05{sidQNQ5wt0g}
25.1.1 Laxanzien und Elektrolyte
#314.06{sidAxBmSBXr}
Elektolytverluste durch Laxanzien (z. B. Bisacodyl)
#314.07{side9cjEFHm}
Mechanismus: Störungen des Elektrolythaushalts durch intestinale Verluste von Natrium, Kalium, Magnesium und
Calcium.
#314.08{sidxALz04eZ}
Folgen: Kaliummangel (Hypokaliämie): Apathie, Tonusverlust der glatten Darmmuskulatur mit Darmatonie und
Obstipation (Circulus vitiosus), Muskelschwäche, Nierenfunktionsstörungen. Calciummangel: erhöhtes Risiko für
Osteoporose. Magnesiummangel: Adynamie, neuromuskuläre Störungen, Muskelschwäche, psychische Störungen.
#314.09{sidvt8IUY35}
Hinweis: Unter der Einnahme von Laxanzien (z. B. Bisacodyl, Natriumpicosulfat) sollte auf eine adäquate
Versorgung mit Elektrolyten (Mg, K, Ca, Na), B-Vit​aminen (v. a. Folsäure) und auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr
geachtet werden. Vor einer Langzeitanwendung sollte gewarnt werden! Magnesiumsalze sind in höherer Dosierung
milde und effektive Laxanzien.
#315.01{sidgQmSdU4b}
25.2 Laxanzien und andere Mikronährstoffe
#315.02{sidoLe1V8P5}
25.2.1 Laxanzien und Folsäure
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#315.03{sid9g1OBpJ7}
Laxanzienabusus beeinträchtigt den Fol​säurestatus
#315.04{sidSfj7LGrX}
Mechanismus: Beeinträchtigung der Folsäureresorption und -utilisation durch Laxanzien.
#315.05{sidDDWaz8sX}
Folgen: Abfall der Folsäureserumspiegel, Anstieg der Homocysteinplasmaspiegel; unspezifische
Folsäuremangelsymptome wie Adynamie, psychische Störungen (z. B. depressive Verstimmungen) oder Müdigkeit
sind bei Langzeitanwendung von Laxanzien (Laxanzienabusus) nich auszuschließen.
#315.06{sidOw5gu3Eo}
Hinweis: Unter der Einnahme von Abführmitteln sollte insbesondere bei älteren Personen, die aufgrund von
Darmstörungen (chronische Obstipation) häufig und zum Teil regelmäßig Laxanzien einnehmen, auf eine adäquate
Versorgung mit Folsäure und Vit​amin B12 geachtet werden.
#315.07{sidUFwaha80}
Studien: Eine aktuelle Studie aus Schweden, die den Einfluss von Laxanzien und Obstipation auf den Folsäure-,
Vit​amin-B12- und Homocysteinhaushalt bei älteren Personen untersuchte, ergab, dass Laxanzien bei älteren
Personen unabhängig von der Nierenfunktion den Homocysteinspiegel erhöhen und den Folsäurespiegel signifikant
erniedrigen können. Bei Personen mit Obstipation, die keine Laxanzien einnahmen, war dagegen in dieser
Untersuchung kein signifikanter Effekt auf den Homocystein- und Folsäurestatus nachweisbar.
#315.08{sidwIP8PI6m}
25.2.2 Paraffinöl und fettlösliche ​Vit​amine
#315.09{sido6Zvp8QQ}
Verlust fettlöslicher Vit​amine
#315.10{sidwvTYOgY9}
Mechanismus: Gestörte Resorption und Bioverfügbarkeit fettlöslicher Vit​amine durch erhöhte intestinale
Ausscheidung.
#315.11{sidwV3vKnAv}
Folgen: Bedarf an fettlöslichen Vit​aminen (A, Carotinoide, D, E und K) kann steigen; Serumspiegel der betroffenen
Vit​amine kann absinken.
#315.12{sid2nsKlBGw}
Hinweis: Mineralölhaltige Laxanzien (z. B. Paraffinöl) können den Bedarf an fettlöslichen Vit​aminen steigern.
#315.13{sidgmthK7Ly}
Literatur
#315.14{sidFF2eTZoQ}
Clark JH et al. Serum beta-carotene, retinol and alpha-tocopherol levels during mineral oil therapy for constipation.
Am J Dis Child, 141 (11): 1210–1212, 1987
#315.15{sidK6JNhvYb}
Fleming BJ et al. Laxative-induced hypokalemia, sodium depletion and hyperreninemia. Effects of potassium and
sodium replacement on the renin-angiotensin-aldosterone system. Ann Intern Med, 83 (1): 60–62, 1975
#315.16{sid0Fc94gGe}
Moreto M et al. Effects of secretagogues on the K+ permeability of mucosal and serosal borders of rabbit colonic
mucosa. Biochem Biophys Acta, 648 (2): 215–224, 1981
#315.17{sidYoB47Mur}
Nilsson SE et al. Laxative treatment elevates plasma homocysteine: a study on a population-based Swedish sample
of old people. Eur Clin Pharmacol, 60 (1): 45–49, 2004
#315.18{sidkPahhQfE}
Ritsema GH, Eilers G. Potassium supplements prevent serious hypokalemia in colon cleansing. Clin Radiol, 49 (12):
874–876 1994
#316.01{sidk9SdGoZf}
26 Lipid- und Cholesterinsenker
#316.02{sid6RoCj1m1}
Lipid- und cholesterinsenkende Arzneimittel beeinflussen eine Vielzahl von Mikronährstoffen (□ Tab. 26.1). Die
dominierende Gruppe unter den Lipidsenkern bilden die Statine, die mittlerweile über 90 % der Verordnungen
von allen lipidsenkenden Pharmaka erreicht haben. Statine besitzen als Hemmstoffe der HMG-CoA-Reduktase
ein hohes Interaktionspotenzial mit der körpereigenen Synthese von Coenzym Q10.
#316.03{sidi7TCz96z}
26.1 Lipidsenker und Mikronährstoffe
#316.04{sidHNfu2SGn}
Statininduzierte Störungen des Coenzym-Q10-Status: Die Blockade der HMG-CoA-Reduktase durch Statine
(HMG-CoA-Reduktase-Hemmer, CSE-Hemmer) zählt zu den pharmakotherapeutisch wirksamsten Maßnahmen,
erhöhte Gesamt- und LDL-Cholesterinspiegel im Blut zu senken. Die Biosynthese des Cholesterins verläuft über 3Hydroxy-3-methyl-glutaryl-CoA (HMG-CoA), das aus drei Molekülen Acetyl-CoA gebildet wird. Der darauf folgende
und geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist die Reduktion von HMG-CoA zu Mevalonsäure durch die HMG-CoAReduktase, dem Schlüsselenzym der Cholesterin-Biosynthese (○Abb. 26.1).
#316.05{sidCSUAW8VE}
Tab. 26.1 Lipid- und Cholesterinsenker und die beeinflussten Mikronährstoffe
#316.06{sidms3tF8Vm}
Arzneimittel
#316.07{sidPMrMF3Wk}
Statine/CSE-Hemmer (z. B.
Simvastatin, Lovastatin,
Pravastatin)
Betroffener Mikronährstoff,
Mechanismus
Coenzym Q10, Hemmung der
HMG-CoA-Reduktase
#316.08{sidR7KYdvVe}
Selen, Störung der
enzymatischen Isopentylierung
von Selenocystein-tRNA
#316.09{sidFMfVOwkn}
Nicotinsäure (Niacin)
#316.10{sidpqE5PAE3}
Fibrate (z. B. Bezafibrat,
Fenofibrat)
#316.11{sidN2mhgy5C}
Anionenaustauscher (z. B.
Colestyramin)
Vit​amin B6, Hemmung der
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Mögliche Folgen
Coenzym-Q 10-Depletion,
möglicherweise erhöhtes Risiko für
statininduzierte Myopathien
Synthese wichtiger Selenoproteine (z.
B. Selenoprotein N) wird gehemmt
Pyridoxalkinase
Anstieg der HomocysteinPlasmaspiegel
Störung der renalen
Homocystein-Clearance
Anstieg der HomocysteinPlasmaspiegel
Folsäure, Vit​amin B12, Vit​amin
Beeinträchtigung des
Mikronährstoffhaushalts
A, D, E und K, Verminderung
der Resorption
#317{sidYCu3xYhb}
Abb. 26.1 Interferenzen zwischen CSE-Hemmern, Coenzym Q10 und Selenhaushalt
#316_317{sid3Xb3hj5x}
Coenzym Q10: CSE-Hemmer hemmen nicht nur die Synthese des Cholesterins, sondern auch die anderer, aus
Isopentenylpyrophosphat (Isopentenyl-PP) aufgebauter Biomoleküle, wie das körpereigene Coenzym Q10. Coenzym
Q10 (Ubichinon/Ubichinol) übernimmt als essenzieller Bestandteil mitochondrialer Enzymkomplexe eine zentrale
Aufgabe bei der Energieproduktion (ATP-Produktion) im Körper. Dabei fungiert das Vit​aminoid als
Elektronentransporter (Komplex I-III) im Rahmen der oxidativen Phosphorylierung. Coenzym Q10 stabilisiert die
Zellmembranen und greift regulierend in die Funktion von Ionenkanälen (Calciumkanäle) durch Beeinflussung der
Membranfluidität und damit indirekt in die Zell-Zell-Kommunikation ein. Darüber hinaus schützt das lipophile
Antioxidans zusammen mit Vit​amin E die Phospholipide der Zellmembranen vor radikalinduzierten Schäden und
wirkt der Lipidperoxidation (z. B. LDL-Cholesterin) entgegen. Organe und Gewebe mit hohem Energieumsatz, wie
das Herz oder die Skelettmuskulatur, sind besonders reich an Coenzym Q10. Eine Coenzym-Q10-Insuffizienz kann
die Leistungsfähigkeit des gesamten Organismus beeinträchtigen.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#318.01{sidZbCEVCJ0}
Bereits Anfang der 1990er Jahre berichteten die ersten Arbeiten über eine Abnahme der Coenzym-Q10Konzentrationen in Serum durch Statine. Mittlerweile liegen über acht kontrollierte Studien am Menschen vor, die
eine Beeinträchtigung des Q10Status unter Statingabe belegen. Studien an Patienten mit Hypercholesterinämie
zeigen eine signifikante und dosisabhängige Reduktion der Coenzym-Q10-Spiegel im Serum unter einer Therapie
mit Pravastatin oder Lovastatin (○Abb. 26.2).
#318.02{sidnekDy9c0}
Abb. 26.2 Coenzym-Q10-Status nach Gabe von Pravastatin und Lovastatin
#318.03{sid4n8NIIsA}
Das Nebenwirkungsprofil der CSE-Hemmer beinhaltet neben gastrointestinalen Beschwerden vor allem Störungen
des muskulären Energiestoffwechsels, der physiologischer Weise eng mit dem Coenzym-Q10-Status assoziiert ist.
Müdigkeit, Schwäche, Muskelschmerzen (vor allem bei körperlicher Aktivität) und Myopathien werden auch bei
schlechter Coenzym-Q10-Versorgung beobachtet. Ein biochemisch und pharmakologisch plausibler
Erklärungsansatz könnte dabei die statininduzierte mitochondriale Dysfunktion als Folge der Coenzym-Q10Depletion sein. Coenzym-Q10 ist für die Bildung von Adenosintriphosphat, dem wichtigsten Energielieferanten für
unseren Körper essenziell. Eine gute Coenzym-Q10-Versorgung führt zu einer besseren ATP-Versorgung der
Organe und Muskelzellen. Äußerst kritisch sind Überdosierungen der CSE-Hemmer, da hohe
Gewebekonzentrationen den myozytären Energiestoffwechsel komplett blockieren, wodurch es zur Auflösung der
quergestreiften Muskulatur, der sogenannten Rhabdomyolyse, kommen kann.
#318.04{sidYdwqLwDw}
Studien: In einer aktuellen Studie an Patienten, die unter der Therapie mit Statinen Muskelschmerzen und
Myopathien entwickelten wurde der Einfluss einer 30-tägigen Intervention mit Coenzym Q10 (100 mg/d) oder Vit​amin
E (400 I. E./d) untersucht. Ergebnis: Die 30-tägige Supplementierung von Coenzym Q10 führte zu einem deutlichen
Rückgang der Schmerzen um 40 % (p < 0,001) und der damit verbundenen Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten
um 38 % (p < 0,02). Dagegen war in der Vit​amin-E-Gruppe kein Effekt nachweisbar.
#319.01{sidLhyLVUxz}
Die Ergebnisse einer aktuellen Metaanalyse von 13 kontrollierten und randomisierten Studien mit insgesamt 91 140
Teilnehmern weist auf einen Zusammenhang zwischen einer Statintherapie und einem erhöhten Risiko für Diabetes
hin. Insgesamt ergab sich dabei ein um 9 % erhöhtes Diabetesrisiko (Odds-Ratio 1,09; 95 % CI 1,02 bis 1,17). Das
diabetogene Risiko war in allen ausgewerteten Studien ungefähr gleich, sodass es sich um einen Klasseneffekt der
Statine handelt. Das diabetogene Risiko war vor allem bei älteren Patienten erhöht. Ein direkter molekularer
Mechanismus konnte bisher nicht geklärt werden. Da aber auch andere Arzneimittel wie Thiazide, welche mit dem
Haushalt mitotroper Mikronährstoffe (z. B. Magnesium) interferieren, das Risiko für Glucosetoleranzstörungen
steigern, ist eine statinassoziierte mitochondriale Dysfunktion nicht auszuschließen. Darüber hinaus kommt es im
Alter zu einem Abfall der Coenzym-Q10-Spiegel im Pankreas und zunehmenden superoxidinduzierten Schäden der
mitochondrialen DNA (mtDNA). Neben der genetischen Diposition werden Alterungsprozesse vor allem durch
nukleäre und mitochondriale DNA-Mutationen und daraus resultierender mitochondrialer Dysfunktion bestimmt. Die
Störungen des mitochondrialen Stoffwechsels durch Cholesterinsenker vom Statin-Typ dürfte eine wichtige
pathobiochemische Rolle bei der diabetogenen Wirkung spielen.
#319.02{sidnMLRgcD0}
Die Bedeutung des Coenzyms Q10 für den mitochondrialen Energiestoffwechsel legt nahe, dass die
Kompromittierung der endogenen Coenzym-Q10-Synthese ein pathologisches Bindeglied bei der Entwicklung der
statininduzierten Myopathien spielen könnte. Im Rahmen einer lipidsenkenden Therapie mit Statinen (z. B.
Lovastatin, Simvastatin), kann eine adjuvante und labordiagnotisch evaluierte Supplementierung von Coenzym Q10
(etwa 2–10 mg/kg KG/d, p. o.), insbesondere bei älteren Personen und Patienten mit Herzinsuffizienz, die in der
Regel einen schlechten Coenzym Q10Status aufweisen, empfohlen werden.
#319.03{sid7SnEFkbS}
Selen: Neben dem Coenzym-Q10-Stoffwechsel scheinen CSE-Hemmer auch mit dem Selenstoffwechsel zu
interferieren. Der physiologische Zusammenanhang besteht in einem gemeinsamen Schritt der Cholesterin- und der
Selenoprotein-Biosynthese. Isopentenylpyrophosphat ist nicht nur Substrat für die Farnesylpyrophosphat-Synthase,
sondern auch für die tRNS-Isopentenyl-Transferase, welches die Isopentenylierung von Selenocystein-tRNS und
damit die Reifung zum funktionsfähigen Molekül bewirkt. Die Blockade der HMG-CoA-Reduktase durch CSEHemmer reduziert nicht nur die Synthese des Cholesterins, sondern auch die verschiedener Selenoproteine, unter
anderem die des an der Myozytenregeneration beteiligten Selenoproteins N (○Abb. 26.1). Die durch CSE-Hemmer
induzierten muskulären Störungen ähneln nicht nur in ihrer Symptomatik (z. B. Müdigkeit, Muskelschmerzen),
sondern auch histopathologisch (z. B. zellulärer Mitochondrienverlust, Bildung von Vakuolen, herdförmige
desorganisierte, dünne Myofibrillen) denen eines Selenmangels. Eine generelle Empfehlung zur Selensubstitution
unter einer Statintherapie ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch verfrüht. Dennoch sollte der Selenstatus im Vollblut
kontrolliert werden. Die selenabhängige Thioredoxin-Reduktase-1 (Zytosol) ist die effektivste Coenzym-Q10-
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Reduktase außerhalb der Mitochondrien, welches oxidativ verbrauchtes Coenzym Q10 zu Ubichinol regeneriert.
#319.04{sidlGvNCDOb}
26.1.1 CSE-Hemmer und Coenzym Q10
#319.05{sidjOdZ1ikx}
CSE-Hemmer verringern den Coenzym-Q10-Serumspiegel
#319.06{sid0GX2ekDt}
Mechanismus: CSE-Hemmer (z. B. Pravastatin, Lovastatin) hemmen durch Blockade der HMG-CoA-Reduktase
nicht nur die Synthese des Cholesterins, sondern auch die anderer, aus Isopentenylpyrophosphat aufgebauten
Biomoleküle, wie das körpereigene Coenzym Q10. Coenzym Q10 (Energy-Response-Modifier) übernimmt als
essenzieller Bestandteil mitochondrialer Enzymkomplexe eine zentrale Aufgabe bei der Energieproduktion (ATPProduktion) im Körper.
#320.01{sidjgZn5gHo}
Folgen: Abfall der Ubichinon/Ubichinol-Serumspiegel (suboptimaler CoenzymQ10-Serumspiegel: < 2,0 mg/l) und
Verschlechterung des zellulären Coenzym-Q10-Status. Risiko für Störungen des muskulären Energiestoffwechsels
durch Coenzym-Q10-Mangel, die sich durch Müdigkeit, Schwäche, Muskelschmerzen (v. a. bei körperlicher Aktivität)
und Myopathien äußern können und in ihrer Symptomatik den durch CSE-Hemmerinduzierten Myopathien ähneln
können.
#320.02{sid6FYsfsGa}
Hinweis: Zur Kompensation einer statinbedingten Verschlechterung des Coenzym-Q10-Status kann eine
regelmäßige Substitution von Coenzym Q10 (2–10 mg/kg KG tgl., p. o., z. B. als Ubichinol zu den Mahlzeiten) in der
Kombination mit Selen (z. B. Selen als Na-selenit 2–3 μg/kg KG tgl., p. o.) empfohlen werden.
#320.03{sidz8DvvUje}
Studien: Coenzym Q10 beugt zudem potenziell prooxidativen Effekten von α-Tocopherol vor und erhöht zusätzlich
die Oxidationsresistenz des LDL-Cholesterins unter einer Therapie mit Statinen. Der Richtwert für therapeutisch
wirksame Coenzym-Q10-Plasmaspiegel in der adjuvanten Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen (z. B.
Herzinsuffizienz, Bluthochdruck) dürfte nach einigen Studien bei ≥ 2,5 mg/l liegen.
#320.04{sidENE7fW9w}
Eine aktuelle prospektive und randomisierte Cross-over-Studie (ENDOTACT-Studie) untersuchte den Einfluss von
Coenzym Q10 und Cerivastatin auf die endotheliale Dysfunktion der Arteria brachialis bei männlichen Patienten mit
manifester endothelialer Dysfunktion (Flow-Mediated Vasodilatation, FMD < 4,5 %). Jeder Patient durchlief drei
Therapiephasen von jeweils 6 Wochen Dauer und je 2 Wochen Washout-Phase: 1. Monotherapie mit Cerivastatin
(0,3 mg/d, p. o.), 2. Monotherapie mit Coenzym Q10 (150 mg/d, p. o.) und 3. Kombinationstherapie von Cerivastatin
mit Coenzym Q10. Dabei verbesserte sich die endotheliale Dysfunktion in allen drei Therapiephasen signifikant.
Unter der Monotherapie mit Cerivastatin kam es zu einem signifikanten Abfall der Coenzym-Q10-Plasmaspiegel
(1,23 ± 0,34 → 0,87 ± 0,35 µg/ml). Die Coenzym-Q10-Spiegel im Plasma stiegen unter der Therapie mit Coenzym
Q10 und der Kombinationstherapie von Coenzym Q10 mit Cerivastatin von durchschnittlich 0,94 ± 0,30 µg/ml auf 2,61
± 0,98 µg/ml bzw. 2,39 ± 1,06 µg/ml an.
#320.05{sidz4BkaecP}
Ähnliche Ergebnisse zeigt eine japanische Studie, die den Einfluss der täglichen Einnahme von 10 mg Atorvastatin
auf den Ubichinon10- und Ubichinol10-Serumspiegel bei Patienten mit Hypercholesterinämie erfasste. Neben einem
signifikanten Abfall des Gesamt- und LDL-Cholesterins war nach 8-wöchiger Therapie mit Atorvastatin bei allen
Patienten ohne Ausnahme eine ausgeprägte Reduktion der Ubichinol- und Ubichinon-Spiegel sowie des GesamtCoenzym Q10 im Serum (0,81 ± 0,21 → 0,46 ± 0,10 µg/ml bzw. 0,10 ± 0,06 → 0,06 ± 0,02 µg/ml bzw. 0,91 ± 0,23 →
0,52 ± 0,11 µg/ml) nachweisbar.
#320.06{sidwz1qQExU}
26.1.2 CSE-Hemmer und Grapefruitsaft
#320.07{sidtJBeNF29}
Starker Anstieg der Simvastatinspiegel durch Grapefruitsaft
#320.08{sid60zciqiV}
Mechanismus: Das wasserlösliche Furanocumarin Dihydroxy-Bergamottin aus dem Grapefruitsaft vermindert die
bei der Resorption im Darm erfolgende Metabolisierung von CSE-Hemmern (z. B. Simvastatin) durch die
Oxygenase CYP3A4 und erhöht dadurch die resorbierte Menge.
#320.09{sidOK81CiGt}
Folgen: Anstieg der Wirkspiegel von Simvastatin und erhöhtes Risiko für Myopathien bis hin zur Rhabdomyolyse.
#320.10{sidUH0S9hqw}
Hinweis: Unter einer Therapie mit CSE-Hemmern sollte Grapefruitsaft in größeren Mengen gemieden werden; bei
den ersten Anzeichen von Muskelschmerzen sollte sofort Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden.
#321.01{sidY0afURTs}
Fallbeispiel
#321.02{sidc1IxRw37}
Eine 40-jährige Frau wurde wegen starker Muskelschwäche in den Oberschenkeln ins Krankenhaus
eingeliefert. Obwohl noch Tage zuvor subjektiv gesund, konnte die Patienten nun keine 20 Meter mehr gehen.
Die Einnahme von 80 mg Simvastatin täglich zusammen mit stark erhöhten Kreatinkinase- und MyoglobinWerten deuteten auf eine durch CSE-Hemmer induzierte Rhabdomyolyse hin. Nach Absetzen des Simvastatins
und Umstellung auf Ezetimib verschwand nach zwei Tagen die Muskelschwäche und die erhöhten Laborwerte
fielen deutlich ab. Die Patientin hatte vor rund zwei Jahren aufgrund einer Hypercholesterinämie begonnen,
täglich 40 mg Simvastatin einzunehmen. 18 Monate später wurde die Dosis auf 80 mg täglich verdoppelt. Etwa
zwei Wochen vor ihrer stationären Aufnahme begann sie dem Rat einer Wellness-Zeitschrift folgend täglich
eine frische Grapefruit zu essen. Da Grapefruit die CYP3A4 im Darm hemmt, führte dies zu einem starken
Anstieg der Simvastatinspiegel mit den oben beschriebenen toxikologisch relevanten Nebenwirkungen (siehe
auch ▸ Kap. 2.6).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#321.03{sidZDL7GYTi}
26.1.3 CSE-Hemmer und Nicotinsäure
#321.04{sidDey8qQ9K}
Nicotinsäure verstärkt und erweitert das lipidsenkende und kardioprotektive Wirkprofil der CSE-Hemmer
#321.05{sid3gFOlb2U}
Mechanismus: Der antiatherosklerotische Effekt der Nicotinsäure dürfte vor allem auf der Senkung des Non-HDLCholesterins, Erhöhung des HDL-Cholesterins sowie Verbesserung der endothelabhängigen und -unabhängigen
Vasodilatation beruhen.
#321.06{sidOxmxYr7b}
Dadurch erweitert sie die lipidmodulierende Effektivität der CSE-Hemmer (Statine), insbesondere in der Therapie
komplexer Dyslipoproteinämien (z. B. erhöhtes LDL-C, erhöhte Triglyceride und niedriges HDL-C, □ Tab. 26.2).
#321.07{sid80Yrb9nV}
Folgen: Additive Verbesserung des Lipidprofils durch die Kombination zweier unterschiedlicher Lipidsenker;
Reduktion kardialer klinischer Ereignisse (z. B. Herzinfarkt, Bypass-OP).
#321.08{sid3hBHrbm1}
Hinweis: Nicotinsäure kann sowohl als Monotherapeutikum, in Kombination mit Statinen (z. B. Advicor®: 500 mg
Niacin pro 20 mg Lovastatin, in Deutschland nicht erhältlich) oder Gallensäurenbindern bzw. auch in
Dreierkombination eingesetzt werden.
#321.09{sidP2MDNRei}
Tab. 26.2 Lipidmodulierende Eigenschaften der CSE-Hemmer und Nicotinsäure
#321.10{sidHDSgxvcV}
LDL
HDL
GC
TG
Lp(a)
↓
–
↓
–
–
↓
↑
↓
↓
↓
Arzneimittel
#321.11{sidcdxedbLt}
CSE-Hemmer
#321.12{sidOgrdW4Kc}
Nicotinsäure
#321.13{sidIIIk9JnY}
In klinischen Studien konnte die Herzinfarktrate durch die Kombination gegenüber einer Monotherapie mit Statinen
nochmals signifikant reduziert werden. Angiographisch war sogar eine Abnahme der atherosklerotischen Plaques
nachgewiesen worden. Eine aktuelle Auswertung von elf randomisierten klinischen Studien mit über 9 900 Patienten
bescheinigt der Nicotinsäure erneut eine gute Wirksamkeit in der Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen. Die
Therapie mit Nicotinsäure war hierbei mit einer signifikanten Reduktion des kombinierten Endpunkts sämtlicher
kardiovaskulären Ereignisse (OR: 0,66; 95 % CI: 0,49–0,89; p = 0,007) sowie auch der schweren kardiovaskulären
Ereignisse (OR: 0,75; 95 % CI: 0,59–0,96; p = 0,02) assoziiert.
#322.01{sidQ53LaJZQ}
Statine senken durch die Blockade der HMG-CoA-Reduktase das Gesamt- und LDL-Cholesterin. Die atherogenen
Triglyceride werden dagegen nur geringfügig reduziert und das kardioprotektive HDL-Cholesterin wenig erhöht.
Nicotinsäure senkt dosisabhängig das stark atherogen wirkende Lipoprotein (a), das Gesamt- und LDL-Cholesterin
(um 10–20 %) sowie den Triglyceridspiegel (um 30–70 %). Die fribrinolytische Aktivität des Blutes wird gesteigert,
das HDL-Cholesterin erheblich erhöht (um 20–35 %).
#322_323{sidg0wYo8sE}
Die lipidmodulierende Wirkung der Nicotinsäure beruht überwiegend auf einer Hemmung der Lipolyse durch
Blockade der Triglyceridlipase sowie einer Reduktion der Synthese von Cholesterin, VLDL, Apolipoprotein B und
Triglyceriden in der Leber. Von besonderer therapeutischer Bedeutung ist die HDL-Cholesterin erhöhende Wirkung,
da HDL in der Lage ist, Cholesterin aus den sogenannten Schaumzellen, den Vorstufen der arteriosklerotischen
Plaques, abzutransportieren und somit den schädlichen Belag in der Gefäßwand abzubauen. Nicotinsäure besitzt
unter den verschiedenen Lipidsenkern den stärkste HDL-Cholesterin erhöhenden Effekt. Ihre Wirkung entfaltet
Nicotinsäure nach Bindung an einen G-Protein gekoppelten Rezeptor 109A (GPR 109A, ○Abb. 26.3). Dieser
Rezeptor ist vor allem in Adipozyten zu finden. So kommt es im Fettgewebe nach Aktivierung von GPR 109A zur
Hemmung der Freisetzung von Fettsäuren. Dadurch sinkt zum einen der Triglycerid-Spiegel im Blut um etwa 50 %.
Zum anderen wird auch der LDL-Cholesterin-Spiegel um etwa 20 % gesenkt, während das HDL-Cholesterin um bis
zu 35 % ansteigt. Darüber hinaus schützt Nicotinsäure das LDL-Cholesterin vor der oxidativen Modifikation und
reduziert die Adhäsion der Leukozyten an die Gefäßwand sowie deren Migration in den subendothelialen Raum.
Unter einer Therapie mit Nicotinsäure sollte regelmäßig eine Kombination von Vit​amin B6 (z. B. 10–20 mg tgl.),
Folsäure und Vit​amin B12 eingenommen werden, um einen Anstieg des Homocysteins zu vermeiden.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#322.02{sidRWR15GFk}
Abb. 26.3 Nicotinsäure-induzierter HDL-C-Anstieg: Reduktion von TG, VLDL- und LDL-Partikeln führt sekundär zu verringertem
Austausch von Cholesterinestern aus HDL-Partikeln und steigert HDL-C
#323.01{sidATlcwCqn}
Die Flush-Problematik der Nicotinsäure kann durch langsames Auftitrieren der Nicotinsäuregesamtdosis
abgemildert werden. In der Praxis haben sich vor allem veresterte Nicotinsäure-Formulierungen, wie
Inositolhexanicotinat – auch No-Flush-Niacin genannt – bewährt. Im Vergleich zur Nicotinsäure hat letztere deutlich
weniger Nebenwirkungen (z. B. Flush). Der Flush wird über die Freisetzung von gefäßerweiterndem Prostaglandin
D2 und Wechselwirkung mit dem Rezeptor DP1 in der Haut vermittelt (○Abb. 26.4). Auch der GPR 109A-Rezeptor
scheint dabei eine wichtige Rolle zu spielen. Antagonisten des DP1-Rezeptors wie Laropiprant wirken der
nicotinsäureinduzierten Gefäßerweiterung entgegen ohne das Lipidprofil zu beeinflussen.
#323.02{sid80Sj2Fmg}
Abb. 26.4 Flush-Reaktion der Nicotinsäure
#323.03{sid0tdkU1FK}
Hinweis
#323.04{sidc9EWypYw}
Vor einer Kombinationstherapie von Nicotinsäure mit Statinen ist eine Bestimmung der SerumKreatinphosphokinase (CPK) empfehlenswert (vor allem bei Niereninsuffizienz, Alter > 70, Hypothyreose,
Alkoholabusus, Myopathien unter früherer Therapie mit Statinen oder Fibraten). Patienten sollten sorgfältig
hinsichtlich Symptome einer Rhabdomyolyse (z. B. Muskelschmerzen, Muskelschwäche) überwacht werden! Dies
gilt insbesondere während der ersten Monate der Therapie bei jeglicher Dosissteigerung eines der beiden
Arzneimittel.
#324.01{sidqJsQbFfn}
In ersten klinischen Studien zeigte die Kombination von Nicotinsäure mit Laropiprant (Tredaptive®) zunächst eine
gute Verträglichkeit und lipidmodulierende Wirkung. Eine aktuelle kardiovaskuläre Endpunktstudie (HPS2-THRIVE),
welche die Vorteile einer Statin-Therapie in Kombination mit Tredaptive® zeigen sollte, brachte allerdings nicht das
gewünschte Ergebnis. Die Herzinfarkt- und Schlaganfallrate konnte im Vergleich zu einer alleinigen Statin-Therapie
nicht gesenkt werden. Die Studie zeigte zusätzlich eine Erhöhung der Inzidenz einiger schwerwiegender, nichttödlicher unerwünschter Ereignisse in der Patientengruppe, die Tredaptive® erhielten (z. B. GIT, Stoffwechsel,
Muskulatur, Haut). Im Auftrag der Europäischen Kommission wurden die Ergebnisse der HPS2-THRIVE-Studie
hinsichtlich ihrer Auswirkung auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Tredaptive® durch den Ausschuss für
Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) und durch den Ausschuss für Humanarzneimittel
(CHMP) bewertet. Sowohl der PRAC als auch der CHMP kamen zu dem Schluss, dass der Nutzen von Tredaptive®
die Risiken nicht mehr überwiegt. Der Vertrieb von Tredaptive® wurde deshalb im Januar 2013 eingestellt.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#324.02{sidGXhrxPxz}
26.1.4 CSE-Hemmer und Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA)
#324.03{sidZAlzKZm1}
Omega-3-Fettsäuren verstärken und erweitern das lipidsenkende und kardioprotektive Wirkprofil der
CSE-Hemmer
#324.04{sidQ6hVJQ8f}
Mechanismus: Omega-3-Fettsäuren besitzen eine ausgeprägte triglyceridsenkende Wirkung und erweitern die
lipidsenkende Effektivität der CSE-Hemmer (Statine), insbesondere in der Therapie komplexer
Dyslipoproteinämien (z. B. erhöhtes LDL-C sowie hohe TG und VLDL). Verstärkung und Erweiterung des
kardioprotektiven Wirkprofils der CSE-Hemmer durch die Kombination mit endothelprotektiv, blutdrucksenkend,
antiarrhythmisch und antientzündlich wirkenden Omega-3-Fettsäuren. Durch die Kombination von CSEHemmern mit
Omega-3-Fettsäuren kann die Herzinfarkt- und Schlaganfallrate reduziert werden (□ Tab. 26.3).
#324.05{sidI84lUPCJ}
Folgen: Additive Verringerung kardiovaskulärer Risikofaktoren, z. B. plötzlicher Herztod, Herzinfarkt- und
Schlaganfallrate ↓.
#324_325{sidOj9oRTDX}
Hinweis: In Studien an Patienten mit KHK führte die Kombination von Statinen mit Omega-3-Fettsäuren (1,5–3 g
EPA/DHA tgl., p. o.) zu einer signifikanten Reduktion der Triglycerid- (20–30 %) und der VLDL-Serumspiegel (30–
40 %). Die Blutdruckwerte und das HDL-Cholesterin wurden verbessert, das hochsensitive C-reaktive Protein (hsCRP) gesenkt. hs-CRP ist ein Parameter für entzündliche Prozesse in der Gefäßwand; ein Anstieg erhöht das
Risiko für KHK. Da durch die Kombination mehrere kardiovaskuläre Risikofaktoren gleichzeitig beeinflusst werden,
bietet sie sich insbesondere zur Behandlung des metabolischen Syndroms an.
#324.06{sidMsv226N9}
Tab. 26.3 Einfluss der CSE-Hemmer und Omega-3-Fettsäuren auf kardiovaskuläre Risikofaktoren
#324.07{sid6K4leFWh}
Omega-3-Fettsäuren
CSE-Hemmer
#324.08{sidKBCkHeL0}
LDL-Cholesterin ↓
#324.09{sidKvxaL7rh}
Plaquestabilisierung
#324.10{sidYPg5i5yT}
Entzündungshemmung
#324.11{sidow4PfOvg}
Kombination senkt
Triglyceride ↓
Plaquestabilisierung, Endothelproduktion (NO-Synthase)
Entzündungshemmung (hochsensitive C-reaktives Protein ↓), Stabilisierung
arteriosklerotischer Plaques, Herzrhythmusstörungen ↓ (z. V. ventrikuläre
Extrasystolen/VES, Couplets = 2 VES, Triplets = 3 VES nacheinander,
Thromboxan A2 ↓), Blutdruck ↓, HDL-Cholesterin ↑, Blutgerinnung (Fibrinogen
↓, Thrombozytenaggregation ↓)
Herzinfarkt- und Schlaganfallrate
#325.01{sidOWyShWLc}
In der JELIS-(Japan EPA Intervention Study)-Studie konnten japanische Forscher nachweisen, dass die adjuvante
Gabe von Omega-3-Fettsäuren bei einer Therapie mit Statinen die Rate der Koronarereignisse signifikant
verringert. In dieser aktuellen Studie waren über 18 645 Patienten mit Hypercholesterinämie eingeschlossen, die mit
einem Statin in niedriger Dosierung behandelt wurden. Über 9 000 Studienteilnehmer erhielten zusätzlich täglich 1
800 mg Eicosapentaensäure (EPA) in Form von Kapseln. Nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 4,6
Jahren betrug die Rate kardialer Ereignisse in der nur mit Statinen behandelten Kontrollgruppe 3,5 Prozent und in
der EPA-Gruppe 2,8 Prozent. Allerdings war für die Risikoreduktion von Bedeutung, ob die Patienten bereits eine
Koronarerkrankung hatten oder nicht. In der Gruppe ohne Anzeichen für eine KHK (n = 14,981) war nur eine nicht
signifikante Reduktion nachweisbar. Dagegen profitierte die Subgruppe der Patienten mit dokumentierter koronarer
Herzkrankheit (n = 3 664) von einer signifikanten Senkung der Rate koronarer Ereignisse um 19 % durch EPA (○
Abb. 26.5). In einer weiteren Analyse der JELIS-Studie, in der die Beziehung zwischen koronarer Herzkrankheit und
Non-HDL-Cholesterin untersucht wurde führte die Supplementierung von 1 800 mg EPA/d, p. o. bei Patienten, die
nicht die Zielwerte für LDL- und/oder Non-HDL-Cholesterin erreichten zusätzlich zum Statin zu einer additiven
signifikanten Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse um 38 % (p = 0,007).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#325.02{sidKs5Le26R}
Abb. 26.5 JELIS-Studie: Statine und EPA. Yokoyama et al, 2007
#326.01{sidcpkIjq5k}
Abb. 26.6 Effekte von EPA bei Patienten mit KHK, die nicht die Zielwerte für LDL- und/oder Non-HDL-Cholesterin erreichten
#325_326{sidLelMRRjK}
Neben Omega-3-Fettsäuren kann auch Pantethin, (3,4-Dithiahexamethylen) bis (pantothenamid), ein Derivat der
Pantothensäure, zur Erweiterung und Verstärkung der lipidsenkenden Effekte mit CSE-Hemmern kombiniert
werden. Pantethin (3 × 300 mg/d, p. o.) senkt die Triglyceridwerte, das Gesamtcholesterin und erhöht die HDLWerte. Dieser Mechanismus beruht auf einer Hemmung der Cholesterinsynthese und einem beschleunigten Abbau
von Fettsäuren in den Mitochondrien. Aufgrund seines geringen Nebenwirkungsprofils ist Pantethin besonders für
Diabetiker mit Hyperlipidämien und Hämodialyse-Patienten geeignet.
#327.01{sid4HWdOTZ5}
Tab. 26.4 Kardioprotektive Eigenschaften von Vit​amin D (in vitro, in vivo)
#327.02{sidQivDiH0M}
Kardioprotektive Eigenschaften
Parameter
#327.03{sidcPwKL515}
Antiinflammatorische Wirkung
#327.04{sidaTWZNwIl}
Endothel
#327.05{sidojYmWHRK}
Herzmuskel
#327.06{sidGHLTh1K9}
Blutdrucksenkende Wirkungen
#327.07{sidrVvNVJFv}
Parathormon
#327.08{sidn2reOKwY}
Lipidstoffwechsel
Inhibierung der Produktion des über den redoxsensitiven Transkriptionsfaktor
NFkappa B gebildeten proinflammatorischen Zytokine (z. B. TNF-α)
Hemmung der Zellproliferation über Wechselwirkung mit Vit​amin-DRezeptoren (VDR) in Endothelzellen
Stärkung der Herzmuskelkraft (positiv inotrop)
Hemmung der Aktivierung des Renin-Aldosteron-Angiotensin-Systems,
Aktivitätserhöhung der Adenylatcyclase wirkt intrazellulärer Calciumbelastung
entgegen und verringert die Gefäßreaktivität.
Suppression von Parathormon (PTH)
Triglyceridsenkende Wirkung
#326.02{sidg7ZUubfW}
26.1.5 CSE-Hemmer und Vit​amin D
#326.03{siduH09pltA}
Vit​amin D verbessert die lipidmodulierende Wirkung und reduziert das Risiko einer statininduzierten
Myalgie
#326.04{sidzpAjHCVl}
Mechanismus: Wechselwirkung der hydroxylierten Vit​amin-D-Metabolite (25(OH)D) mit der HMG-CoA-Reduktase,
Verstärkung und Erweiterung des kardioprotektiven Wirkprofils der CSE-Hemmer bei 25(OH)D-Serumspiegel > 30
ng/ml (Referenz: 30–60 ng/ml). Ein guter Vit​amin-D-Status scheint nicht nur die lipidmodulierene Wirkung der Statine
zu verbessern, sondern auch die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität (z. B. plötzlicher Herztod, Schlaganfall) zu
reduzieren (□ Tab. 26.4).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#326.05{sid0JwGDE7o}
Folgen: Additive Verringerung kardiovaskulärer Risikofaktoren, z. B. erhöhte Triglycerid- und ParathormonSpiegel, plötzlicher Herztod, Herzinfarkt- und Schlaganfallrate ↓.
#326_327{siddr6amEAU}
Hinweis: Vit​amin D hat einen regulierenden Einfluss auf die Herzmuskelleistung, die myokardiale CalciumHomöostase und den Blutdruck. Einer myokardialen Hypertrophie wirkt Vit​amin D entgegen. Die Aktivierung des
Renin-Angiotensin-Systems wird durch Vit​amin D gehemmt, erhöhte Parathormon- und Triglyceridspiegel gesenkt.
Die Nebenschilddrüse schüttet bei unzureichender Versorgung mit Vit​amin D vermehrt Parathormon aus. Man
spricht im Fachjargon von einem sekundären Hyperparathyreoidismus. Parathormon kann auf vielfältige Weise das
Herz-Kreislauf-System schädigen: Erhöhte Parathormon-Spiegel begünstigen die Verkalkung der Arterienwände
und der Herzklappen, erhöhen den Blutdruck, fördern eine Hypertrophie des Herzmuskels und können
Herzrhythmusstörungen begünstigen. Vit​amin D ist der natürliche Gegenspieler des Parathormons. Um das Risiko
für einen Anstieg der Parathormonspiegel zu vermeiden sind 25(OH)D-Spiegel von ≥ 40 ng/ml notwendig. Der
Vit​amin-D-Status korreliert wie auch der Magnesiumstatus invers mit hsCRP und NT-proBNP, anerkannten
kardiovaskulärern Risikoparametern. In verschiedenen Studien wurde gezeigt, dass Vit​amin D die allgemeine und
die kardiovaskuläre Mortalität senkt bzw. dass ein Mangel an Vit​amin D signifikant die allgemeine und vor allem die
kardiovaskuläre Mortalität erhöht (□ Tab. 26.4).
#328.01{sidjR3FB5Hw}
Abb. 26.7 Einfluss von Vit​amin-D-Metaboliten auf die Cholesterinsynthese (Modell)
#328.02{sid9fuSANPj}
Tab. 26.5 Einfluss des Vit​amin-D-Status (Calcidiol im Serum) auf die lipidmodulierende Wirkung von Atorvastatin
#328.03{sidPTTCRLWE}
#328.04{sidAO5MySwv}
Parameter
#328.05{siddsdob0NJ}
Cholesterin mg/dl
#328.06{sidupD38v7T}
TG mg/dl
#328.07{sidLMO3hmzE}
HDL mg/dl
#328.08{sidA7s9I3tT}
LDL mg/dl
< 30 n
mol/l
n = 13
30–50 n
mol/l
n = 34
> 50 n
mol/l
n = 16
Basis
12
Mo.
Basis
12 Mo.
Basis
12 Mo.
173 ±
47
164 ±
51
177 ± 49
157 ±
31*
202 ±
43
163 ±
25***
151 ±
49
177 ±
94
154 ±
121
114 ±
55
157 ±
61
110 ±
37****
34 ± 6
45 ± 9
36 ± 11
49 ±
13**
41 ± 8
50 ±
10*****
111 ±
48
92 ±
45
112 ± 42
86 ±
31
114 ±
29
89 ± 26
#328.09{sidv3HYFRfo}
* p = 0,021, **p = 0,001, ***p = 0,003, ****p = 0,0001, *****p = 0,008
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#327.09{sideKbYD4ya}
Studien: In einer Studie des Herzzentrums Ludwigshafen an über 3 000 Patienten mit koronarer Herzerkrankung
(Patienten mit Koronarangiographie) wurde der Einfluss des Vit​amin-D-Status auf die kardiovaskuläre Mortalität
über einen Zeitraum von 7,7 Jahren verfolgt. Dabei zeigte sich, dass der Vit​amin-D-Status invers mit dem
Schweregrad der Herzinsuffizienz und einer schlechten linksventrikuläre Auswurffraktion korreliert. Ein Vit​amin-DMangel (Calcidiol < 25 nmol/l) war im Vergleich zu einem guten Vit​amin-D-Status (Calcidiol ≥ 75 nmol/l) mit einem
2,8-fach erhöhten Risiko für Tod durch Herzversagen und einem fünffach erhöhten Risiko für einen plötzlichen
Herztod assoziiert.
#327.10{sidrJt1H8Gd}
In experimentellen Studien interagieren Vit​amin D und seine hydroxlierten Metaboliten (25(OH)D und 1,25-(OH)2D)
mit der HMG-CoA-Reduktase, sodass die Aktivität dieses für die Cholesterinsynthese verantwortlichen Enzyms
dosisabhängig herunterreguliert und die Cholesterinsynthese gehemmt wird (○Abb. 26.7). Darüber hinaus kann 25OH-Vit​amin-D die Aktivität des Enzyms Lanosterol-14α-Demethylase (CYP 51A1) hemmen, welches ebenfalls bei
der Cholesterin-Biosynthese eine wichtige Rolle spielt. In einer aktuellen Studie an 63 hospitalisierten Patienten mit
akutem Herzinfarkt (n = 63, 40 Männer, 23 Frauen) wurde nun der Einfluss des Vit​amin-D-Status (Calcidiol im
Serum) auf die lipidmodulierende Wirkung von Atorvastatin untersucht, insbesondere auf die Reduktion des
Gesamt-Cholesterins und der Triglyceride (□ Tab. 26.5).
#327.11{sidAFNZeQZb}
Die Cholesterin- und Triglyceridsenkende Wirkung von Atorvastatin war bei einem Calcidiol-Spiegel von 30 bis 50
nmol/l und einem normalem Vit​amin-D-Status (Calcidiol: > 50 nmol/l) signifikant effektiver als bei einem
ausgeprägten Vit​amin-D-Mangel (Calcidiol: < 30 nmol/l). Die Ergebnisse dieser Studie lassen vermuten, dass ein
normaler Vit​amin-D-Status notwendig ist für die ausreichende lipidmodulierende Wirkung von Statinen.
#327_329{sidLQxSuyRc}
Darüber hinaus konnte in Studien (z. B. JUPITER-Studie) unter der Therapie mit hochpotenten Statinen wie
Rosuvastatin ein signifikanter Anstieg der 25(OH)D-Spiegel beobachtet werden. Möglicherweise lassen sich einige
der pleiotropen Effekte der Statine mit der Erhöhung des 25(OH)D-Status erklären.
#329.01{sid2vpZoZi9}
Abb. 26.8 Pleiotrope Effekte der Statine und Vit​amin D (Hypothese)
#329.02{sidC1iivob1}
Vit​amin D wirkt Statinassoziierten Muskelsymptomen (SAMS) entgegen
#329.03{sidExwnw4Eb}
Eine unzureichende Versorgung mit Vit​amin D (25(OH)D < 30 ng/ml) steigert nicht nur das individuelle
kardiovaskuläre Risiko und die damit verbundene Sterblichkeit. Nach aktuellen Studien senkt das Sonnenvit​amin
den Blutdruck bei Hypertonikern, wirkt der Arteriosklerose entgegen, verbessert bei Herzinsuffizienz die
Herzmuskelleistung und verringert das Risiko für eine periphere arterielle Verschlusskrankheit. Darüber hinaus
begünstigt ein Vit​amin-D-Mangel aktuellen Studien zufolge auch das Auftreten von Statinassoziierten
Muskelsymptomen (SAMS), die häufig unter einer Therapie mit Cholesterinsenkern von Statin-Typ entstehen.
Bemerkenswert ist, dass in den aktuellen Leitlinien der Europäischen Atherosklerose-Gesellschaft aus dem Jahre
2015 (Eur Heart J, 2015) die Hypovit​aminose D (25(OH)D < 20 ng/ml) unter den Begleiterkrankungen (z. B.
Diabetes mellitus, HIV-Infektion, Schilddrüsenunterfunktion), welche eine Statinassoziierte Muskelsymptome (SAMS)
fördern können explizit als Risikofaktor aufgeführt wird.
#329.04{sidC4pbrr6N}
In einer Studie an 621 Patienten unter Statintherapie wurde der 25(OH)D-Spiegel untersucht. 128 Patienten mit
Myalgie hatten gegenüber den Patienten ohne Myalgie einen signifikant niedrigeren Vit​amin-D-Status: 28,7 ± 1,2
gegenüber 34,3 ± 0,6 ng/ml (p< 0,0001). 64 % der Patienten mit Myalgie (n =82) und 43 % der asymptomatischen
Patienten (n =214) hatten einen ausgeprägten Vit​amin-D-Mangel. 38 der 82 Patienten mit Vit​amin-D-Mangel und
statininduzierter Myalgie erhielten neben dem Statin für einen Zeitraum von zwölf Wochen 50 000 I. E. Vit​amin D pro
Woche. Der 25(OH)D-Spiegel stieg darunter von 20,4 ± 7,3 auf 48,2 ± 17,9 ng/ml signifikant an (p < 0,0001). Bei 35
von 38 Patienten (92 %) führte die Supplementierung von Vit​amin D zum vollständigen Abklingen der
Myalgiesymptome.
#329_330{sid7TLWnF42}
In einer weiteren aktuellen Interventionsstudie an 150 Patienten mit Hypercholesterinämie (Alter ± 60 Jahre) und mit
einem unzureichenden 25(OH)D-Status (< 32 ng/ml), die aufgrund von SAMS nicht mit einem Statin behandelt
werden konnten, wurde zunächst der 25(OH)D-Status durch die Supplementierung von 2 × 50 000 I. E. Vit​amin D
pro Woche für drei Wochen und danach 1 × 50 000 I. E. Vit​amin D pro Woche ausgeglichen. Nach 3 Wochen
wurden die Statine erneut zur Therapie der Hypercholesterinämie eingesetzt. Unter der begleitenden
Supplementierung von Vit​amin D waren nach 8,1 Monaten 131 von 150 Patienten (= 87 %) frei von
Muskelschmerzen und die Statine wurden gut vertragen. Der 25(OH)D-Spiegel stieg von durchschnittlich 21 auf 40
ng/ml und normalisierte sich bei 117 (78 %) von anfangs 150 Patienten mit Vit​amin-D-Mangel und
Statinunverträglichkeit (→ SAMS). Das LDL-Cholesterin wurde im Durchschnitt von 146 mg/dl auf 95 mg/dl deutlich
gesenkt.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#330.01{sidfXdIx3sb}
Hinweis: Der 25(OH)D-Status sollte labordiagnostisch überprüft (Zielwert: 40–60 ng/ml) und entsprechend
kompensiert (40–60 I. E. Vit​amin D pro kg KG/d, p. o.) werden. Eine optimale ​Calciumresorption und –utilisation ist
erst ab 25(OH)D-Spiegeln von ≥ 32 ng(ml bzw. ≥ 80 nmol/l zu erwarten.
#330.02{sidpojQWlei}
Unter Langzeitmediaktion mit Protonenpumpenhemern ist generell eine Supplementierung von organisch
gebundenem Calcium (z. B. Calcium als Citrat oder Lactoglkuconat zu empfehlen.
#330.03{sidcOSVuSqA}
Auch ein calciumreiches Mineralwasser (z. B. mit 300–500 mg Calcium/l) ist zur Stützung des Calciumhaushalts
empfehlenswert. Eine Statinintoleranz, die mit einem Vit​amin D-Mangel gemeinsam auftritt kann in den meisten
Fällen (88–95 %) durch die Supplementierung von Vit​amin D sicher und nebenwirkungsfrei kompensiert werden (N
Am J Med Sci, 2015).
#330.04{sidw6wq481i}
26.1.6 Nicotinsäure und Vit​amin B6
#330.05{sidKU8WLadi}
Pharmakologische Dosen von Nicotinsäure steigern den Homocysteinspiegel
#330.06{sidYLH6ekDg}
Mechanismus: In pharmakologischer Dosierung ist Nicotinsäure ein Vit​amin-B6-Antagonist (Hemmung der
Pyridoxalkinase). Vit​amin B6 ist zusammen mit Folsäure und Vit​amin B12 essenzielles Coenzym bei der Entgiftung
der angio- und neurotoxischen Aminosäure Homocystein (○Abb. 3.2).
#330.07{sidtK23dYIx}
Folgen: Anstieg der Homocysteinspiegel im Plasma (≥ 10 µmol/l) möglich.
#330.08{sidgTMz7whu}
Hinweis: Unter einer Therapie mit Nicotinsäure sollte regelmäßig eine Kombination von Vit​amin B6 (z. B. 10–20
mg tgl.), Folsäure und Vit​amin B12 eingenommen werden, um einen Anstieg des Homocysteins zu vermeiden.
Vit​amin B6 trägt zur Normalisierung des Homocysteinspiegels bei, ohne die lipidmodulierende Wirkung der
Nicotinsäure zu beeinträchtigen.
#330.09{sidMauSLf7G}
26.1.7 Fibrate und Folsäure
#330.10{sidE0QVfMMr}
Folsäure reduziert die fibratinduzierte ​Erhöhung der Homocysteinplasmaspiegel
#330.11{sidCyXvXZvi}
Mechanismus: Eine lipidsenkende Therapie mit Fenofibrat oder Bezafibrat erhöht signifikant den Plasmaspiegel
des gefäß- und neurotoxischen Homocysteins. Als Mechanismus wird eine Störung der Nierenfunktion und/oder
Aktivierung von Transkriptionsfaktoren (PPARalpha) durch Fibrate diskutiert (□ Tab. 3.2).
#330.12{sidEBRLCLcP}
Folgen: Adjuvante Gabe von Folsäure kompensiert den fibratinduzierten Anstieg der Homocystein-Plasmaspiegel.
#330.13{sid2T1zDhzj}
Hinweis: Fibrate senken vor allem erhöhte Triglyceridspiegel, während ihre cholesterinsenkende Wirkung weniger
stark ausgeprägt ist. Unter einer Therapie mit Beza- oder Fenofibrat sollte generell eine adjuvante
Supplementierung mit Folsäure (z. B. 1 mg tgl., p. o.), Vit​amin B6 und B12 erfolgen, um dem Risiko einer potenziellen
Hyperhomocysteinämie vorzubeugen. Gemfibrozil und CSE-Hemmer (z. B. Simvastatin) erhöhen den
Homocysteinspiegel dagegen nicht.
#330.14{sidLobjlRsP}
26.1.8 Gemfibrozil und lipidlösliche Antioxidanzien
#330.15{sidRT2qyy89}
Reduktion der Coenzym-Q10- und Vit​amin-E-Serumspiegel unter Gemfibrozil
#330_331{sid1qjycgV8}
Mechanismus: Vit​amin E und Coenzym Q10 werden im Blut an Lipoproteine (VLDL, LDL) gebunden transportiert.
Eine lipidsenkende Therapie beeinflusst die Blutspiegel der lipophilen Antioxidanzien. Unter Gemfibrozil können die
Coenzym Q10-, α- und γ-Tocopherol-Serumspiegel abfallen.
#331.01{sidfaKe0AOP}
Folgen: Potenzielle Störung der prooxidativen und antioxidativen Homöostase; mögliche Beeinträchtigung der
kardialen Bioenergetik.
#331.02{sidF7pmo996}
Hinweis: In einer randomisierten, placebokontrollierten Cross-over-Studie an Patienten mit Hyperlipoproteinämien
ist unter der Therapie mit Gemfibrozil ein Abfall der Coenzym-Q10- (1,3 → 0,76 µmol/l) und Vit​amin-E-Serumspiegel
(α-Toc: 68,5 → 40,8 µmol/l; γ-Toc: 8,6 → 4,3 µmol/l) beobachtet worden. Mechanismus und klinische Relevanz
dieser Interaktion sind noch ungeklärt.
#331.03{sidphU6rIF4}
26.1.9 Anionenaustauscher und ​Vit​amin A, D, E und K
#331.04{sidKvZC1MnU}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Colestyramininduzierter Mangel an fettlöslichen Vit​aminen A, D, E, K und Carotinoiden (z. B. Betacarotin)
#331.05{sidaXXd3VNv}
Mechanismus: Die zur Cholesterinsenkung eingesetzten Anionenaustauscherharze Colestyramin und Colestipol
fördern über die Adsorption von Gallensäuren die Gallensäurenexkretion und verkleinern damit den hepatischen
Gallensäurepool. Durch die Bindung der Gallensäuren können Nahrungsfette im Darm nicht mehr optimal resorbiert
werden. Störungen der Fettdigestion und -resorption gehen häufig mit einer Steatorrhö einher und können zu einem
Mangel an fettlöslichen Vit​aminen (A, D, E, K, Provit​amin A) führen.
#331.06{sidKgvlPDcB}
Folgen: Abfall der Vit​aminkonzentrationen im Plasma. Bei Langzeitmedikation Hypovit​aminosen der fettlöslichen
Vit​amine (Hypovit​aminose D → Hypocalcämie, Osteopathien; Hypovit​aminose K → Blutungen, Knochendichte ↓).
#331.07{sidz9xYwWZG}
Hinweis: Unter einer Therapie mit Colestyramin oder Colestipol sollte eine Supplementierung der fettlöslichen
Vit​amine erfolgen, z. B. durch Multivit​amin-Mineralstoff-Kombination. Um Interferenzen mit der Nährstoffresorption zu
minimieren wird empfohlen, entsprechende Supplemente 1h vor oder 4h nach dem Anionenaustauscher
einzunehmen ▸ Kap. 3.5.1).
#331.08{sideS1OLwej}
Neben dem Vit​aminhaushalt interferieren Anionenaustauscher auch mit dem Mineralstoffhaushalt. Im Darmlumen
verbleibende freie Fettsäuren können mit Magnesium, Calcium, Eisen und Zink schwerlösliche Komplexe bilden und
dadurch die Resorption dieser Mineralstoffe reduzieren.
#331.09{sidzad3trji}
26.1.10 Anionenaustauscher und ​Vit​amin B12, Folsäure
#331.10{sidrOMHCHGj}
Anionenaustauscher stören die Folsäure- und Vit​amin-B12-Resorption
#331.11{sidCQ6Cg6Mf}
Mechanismus: Colestyramin und Colestipol binden den Vit​amin-B12-Intrinsic-Faktor-Komplex und hemmen
darüber die Vit​amin-B12-Absorption aus dem Ileum. Die Bildung eines unlöslichen Komplexes mit Pteroylglutamat
beeinträchtigt zusätzlich die Bioverfügbarkeit und Resorption der Folsäure.
#331.12{sidUvQaF2Z9}
Folgen: Abfall der Folsäure- und Vit​amin-B12-Plasmaspiegel; potenzielles Risiko einer Hyperhomocysteinämie.
#331.13{sidhBpouJUN}
Hinweis: Unter einer Therapie mit Colestyramin oder Colestipol sollte generell eine Supplementierung von
Folsäure, Vit​amin B12 und B6 erfolgen □ Tab. 3.2). Da Anionenaustauscher auch mit der Resorption anderer
Mikronährstoffe (z. B. Vit​amin A, D, E, K, mg, Ca, Zn, Fe) interferieren, empfiehlt sich eine Multivit​amin-MineralstoffKombination. Einnahme: zeitversetzt 1h vor oder 4h nach dem Anionenaustauscher.
#331.14{sidaFL1f8tQ}
Studien: In Studien an gesunden Probanden, die an vier aufeinander folgenden Tagen 16 g Colestyramin täglich
erhielten, sank die Vit​amin-B12-Resorption um 55–90 %. Als Folge der Colestyramintherapie kann zudem ein Abfall
der Folatkonzentrationen im Serum um bis zu 50 % (7,7 → 4,4 µg/l) und der Erythrozyten (231 → 147 µg/l) auftreten.
#332.01{sidTD8OGsrG}
26.1.11 Anionenaustauscher und ​Vit​amin C
#332.02{sidfe8PsmUT}
Vit​amin-C-Mangel durch eine Colestyramintherapie cholestatischer Lebererkrankungen
#332.03{sid9XF6RKUg}
Mechanismus: Bei chronisch cholestatischen Lebererkrankungen kann ein Vit​amin-C-Mangel durch den
gallensäurenbindenden Anionenaustauscher Colestyramin hervorgerufen werden.
#332.04{sidqDh2I8dv}
Folgen: Abfall der Vit​amin-C-Plasmaspiegel; Störungen des Antipyrinmetabolismus und anderer mikrosomaler
Stoffwechselleistungen der Leber (z. B. Hydroxylierungen).
#332.05{sidLEprgFeB}
Hinweis: Bei einer Therapie von cholestatischen Lebererkrankungen mit Colestyramin kann eine Vit​amin-CSubstitution (200–500 mg tgl. p. o.; zeitlich versetzt zur Colestyramintherapie, von Nutzen sein.
#332.06{sidKOR7qS1F}
Literatur
#332.07{sid3Qp8SSqC}
Aberg F et al. Gemfibrozil-induced decrease in serum ubiqiuinone and alph- and gamma-totopherol levels in men
with combined hyperlipidemia. Eur J Clin Invest, 28 (3): 235–242, 1998
#332.08{sidJqtFzjlg}
Ahmed W et al. Low serum 25 (OH) vit​amin D levels (< 32 ng/mL) are associated with reversible myositis-myalgia in
statin-treated patients. Transl Res, 153: 11–16, 2009
#332.09{sidCXYB6Q9d}
Arsenio L et al. Hyperlipidemia, diabetes and atherosclerosis: Efficacy of treatment with panthetine. Acta Biomed
Ateneo Parmense, 55: 25–42, 1984
#332.10{sidWUixnpaf}
Arsenio L et al. Effectiveness of long-term treatment with pantethine in patients with dyslipidemia. Clin Ther, 8 (5):
537–545, 1986
#332.11{sidVLkDmUmp}
Basu TK et al. Vit​amin B6 normalizes the altered sulfur amino acid status of rats fed diets containing
pharmacological levels of niacin without reducing niacin’s hypolipidemic effects. J Nutr, 127: 117–121, 1997
#332.12{sidDEIXUF5I}
Beattie AD, Sherlock S. Ascorbic acid deficiency in liver disease. Gut, 17: 571–575, 1976
#332.13{sidUxbtLsXq}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Bregar U, Jug B, Keber I et al. Extended-release niacin/laropiprant improves endothelial function in patients after
myocardial infarction. Heart Vessels (Epub ahead of print), 2013
#332.14{sidn6XHG9W4}
Brown BG et al. Simvastatin and niacin, antioxidant vit​amins, or the combination for the prevention of coronary
disease. N Eng J Med, 345 (22): 1583–1592, 2001
#332.15{sidFapVF1oS}
Caso G et al. Effect of coenzyme Q 10 on myopathic symptoms in patients treated with statins. Am J Cardiol, 99
(10): 1409–1412, 2007
#332.16{sidGRH8kDq7}
Coronata A, Glass GB. Depression of the intestinal uptake of radio-vit​amin B12 by cholestyramine. Proc Soc Exp
Biol Med, 142: 1341–1344, 1973
#332.17{sid3gEtnpfO}
Coronel F et al. Treatment of hyperlipidemia in diabetic patients on dialysis with a physiological substance. Am J
Nephrol, 11 (1): 32–36, 1991
#332.18{sidERHocKId}
De Pinieux G et al. Lipid-lowering drugs and mitochondrial function: effects of HMG-CoA reductase inhibitors on
serum ubiquinone and blood lactate/pyruvate ratio. Br J Clin Pharmacol, 42: 333–337, 1996
#332.19{sidhmWrGPXT}
Dierkes J et al. The effect of fibrates and other lipid-lowering drugs on plasma homocysteine levels. Expert Opin
Drug Saf, 3 (2): 101–111, 2004
#332.20{sidwsoxZ28o}
Dobnig H et al. Independent association of low serum 25-hydroxyvit​amin-D and 1,25-dihydroxy vit​amin-D levels with
all-cause and cardiovascular mortality. Arch Intern Med, 168: 1340–9, 2008
#332.21{sidzVi6z0ly}
Donati C et al. Pantethine, diabetes mellitus and atherosclerosis. Clinical study of 1045 patients. Clin Ther, 128 (6):
411–422, 1989
#332.22{sidnyAAlcGs}
Dreier JP, Endres M. Simvastatin-associated rhabdomyolysis triggered by grapefruit consumption. Neurology, 62
(4): 670, 2004
#332.23{sidLArNOjj1}
Durrington PN et al. An omega-3 polyunsaturated fatty acid concentrate administered for one year decreases
triglycerides in Simvastatin treated patients with coronary heart disease and persisting hypertriglyceridiaemia.
Heart, 85 (5): 544–548, 2001
#332.24{sidKM1Jx6L8}
Ellis CJ, Scott R. Statins and coenzyme Q10. Lancet, 361: 1134–1135, 2003
#332.25{sidYbj4yVow}
Fedacko J, Pella D, Fedackova P et al. Coenzyme Q(10) and selenium in statin-associated myopathy treatment.
Can J Physiol Pharmacol, 91 (2): 165–170, 2013
#332.26{siddv1n2XMb}
Folkers et al. Lovastatin decreases coenzyme Q levels in humans. Proc Natl Acad Sci, 87: 8931–8934, 1990
#332_333{sid9YKM0Usp}
Gaddi A et al. Controlled evaluation of pantethine, a natural hypolipidemic compound, in patients with different forms
of hyperlipoproteinemia. Atherosclerosis, 50 (1): 73–83, 1984
#333.01{sid447mbsGy}
Galeone F et al. The lipid lowering effect of pantethine in hyperlipidemic patients: A clinical investigation. Current
Therapeutic Research, 34: 383–390,1983
#333.02{sidOF8d1kif}
Garg R et al., Niacin treatment increases plasma homocysteine levels. Am Heart Jnl, 138 (6): 1982–1087, 1999
#333.03{sidRSF1LRJs}
Glueck CJ, Budhani SB, Masineni SS et al. Vit​amin D deficiency, myositis-myalgia, and reversible statin intolerance.
Curr Med Res Opin, 27 (9): 1683–1690, 2011
#333.04{sidwAYhKpdW}
Gröber U. Vit​amin D verbessert die Wirksamkeit von Atorvastatin. Dtsch Apoth Ztg, 150 (46): 91–93, 2010
#333.05{sid9utiGaZx}
Gröber U. Statine und Coenzym Q10. Dtsch Apoth Ztg, 149 (8): 80–83, 2009
#333.06{sidFQxydHJU}
Gröber U, Kisters K. Influence of drugs on vit​amin D and calcium metabolism. Dermatoendocrinol, 4 (2): 158–166,
2012
#333.07{sid1NsVwa3Z}
Gupta AK et al. Effect of vit​amin D3 derivates on cholesterol synthesis and HMG-CoA reductase activity in cultured
cells. JLipid Res, 30 (3): 379–386, 1989
#333.08{sidXnvp2497}
Harold E et al. Comparison of once-daily, niacin extended-release/Lovastatin with standard doses of Atorvastatin
and Simvastatin. Am J Cardiol, 91: 667–672, 2003
#333.09{sidK5cvhEAE}
Hong H et al. Effects of Simvastatin combined with omega-3 fatty acids on high sensitive C-reactive protein,
lipidemia, and fibrinolysis in patients with mixed dyslipidemia. Chin Med Sci J, 19 (2): 145–149, 2004
#333.10{sid98ydVYbk}
HPS2-THRIVE Collaborative Group. HPS2-THRIVE randomized placebo-controlled trial in 25 673 high-risk patients
of ER niacin/laropiprant: trial design, pre-specified muscle and liver outcomes, and reasons for stopping study
treatment. Eur Heart J, 34 (17): 1279–1291, 2013
#333.11{sidrfDFRv2a}
Kakar S, et al. 6’7’-Dihydroxybergamottin contributes to the grapefruit juice effect. Clin Pharmacol Ther, 75: 569–
579, 2004
#333.12{sidBc1nquD6}
Khayznikov M, Hemachrandra K, Pandit R, et al. Statin Intolerance Because of Myalgia, Myositis, Myopathy, or
Myonecrosis Can in Most Cases be Safely Resolved by Vit​amin D Supplementation. N Am J Med Sci, 2015;
7(3):86–93.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#333.13{sidDPD9MNa5}
Knodel LC, Talbert RL. Adverse effects of hyperlipidaemic drugs. Med toxicol, 2 (19): 10–32, 1987
#333.14{sidVRuxrtV0}
Kühnast S, Louwe MC, Heemskerk MM et al. Niacin Reduces Atherosclerosis Development in APOE*3Leiden.
CETP Mice Mainly by Reducing NonHDL-Cholesterol. PLoS One, 8 (6): e66467, 2013
#333.15{sidUaGZOWL0}
Kuettner A et al. Influence of coenzyme Q10 and cerivastatin on the flow-mediated vasodilation of the brachial artery:
results of the ENDOTACT study. Intern Jnl of Cardiol, 98: 413–419, 2005
#333.16{sidCOsBYINH}
Langsjoen PH et al. The clinical use of HMG CoA-reductase inhibitors and the associated depletion of coenzyme
Q10. A review of animal and human publications. Biofactors, 18: 101–111, 2003
#333.17{sidzzrywQbH}
Lankin VZ et al. Antioxidants decreases the intensification of low density lipoprotein in vivo peroxidation during
therapy with statins. Mol Cell Biochem, 249 (1–2): 129–140, 2003
#333.18{sidEeVZCXX5}
Lavigne PM, Karas RH. The current state of niacin in cardiovascular disease prevention: a systematic review and
meta-regression. J Am Coll Cardiol, 61 (4): 440–446, 2013
#333.19{siddmpKZW4d}
Lee JH et al. Vit​amin D deficiency an important, common, and easily treatable cardivascular risk factor? J Am Coll
Cardiol 52: 1949–1956, 2008
#333.20{sidbT3ChbAo}
Leonard JP et al. In vitro binding of various biological substances by two hypocholesterolaemic resins,
cholestyramine and Colestipol. Arzneimittelforschung, 29/8: 979–981, 1979
#333.21{sido5x9msT0}
Luc G et al. Fenofibrate increases homocystinemia through a PPARalpha-mediated mechanism. J Cardiovasc
Pharmacol, 43 (3): 452–453, 2004
#333.22{sid3mLbNz6m}
Mabuchi H et al. Reduction of serum ubiquinol-10 and ubiqinone-10 levels by atorvastatin in hypercholesterolemic
patients. J Atheroscler Thromb, 12 (2): 111–119, 2005
#333.23{siddzS1woC6}
Martins D et al. Prevalence of cardiovascular risk factors and the serum levels of 25-(OH) D in the United States.
Arch Intern Med. 167 (11): 1159–1165, 2007
#333.24{sidw1l8vKHj}
Milionis HJ et al. Comparative effects of atorvastatin, simvastatin, and fenofibrate on serum homocysteine levels in
patients with primary hyperlipidemia. Clin Pharmacol, 43 (8): 825–830, 2003
#334.01{sidY49zGJjb}
Moosmann B, Behl C. Selenoprotein synthesis and side-effects of statins. Lancet, 363 (9412): 892–894, 2004
#334.02{sidRi8VTQYj}
Morisco C et al. Effect of coenzyme Q10 therapy in patients with congestive heart failure: A long-term multicenter
randomized study. In: Seventh International Symposium on Biomedical and Clinical Aspects of Coenzyme Q.
Folkers K, Mortensen SA, Littarru GP, Yamagami T, Lenaz G (eds). The Clinical Investigator, 71: 34–136, 1993
#334.03{sidMpqZ3yNH}
Mortensen SA et al. Dose-related decrease of serum coenzym Q10 during treatment with HMG-CoA reductase
inhibitors. Mol Asp Med, 18 (Suppl): 137–144, 1997
#334.04{sidUH51hEBf}
Mortensen SA. Overview on coenzyme Q10 as adjunctive therapy in chronic heart failure. Rationale, design and endpoints of „Q-symbio“-a multinational trial. Biofactors, 18: 79–89, 2003
#334.05{sidc6KAp8f2}
Perez-Castrillon JL et al. Vit​amin D levels and lipid response to atorvastatin. Int J Endocrinol, 2010: 320721, 2010
#334.06{sidPYt8mKW2}
Pilz S et al. Association of vit​amin D deficiency with heart failure and sudden cardiac death in a large cross-sectional
study of patients referred for coronary angiography. J Clin Endocrin Metab, 93: 3927–35, 2008
#334.07{sidOrIZM7PD}
Rosenfeldt FL et al. Coenzyme Q10 protects the aging heart against stress: studies in rats, human tissues, and
patients. Ann N Y Acad Sci, 959: 355–359, 2002
#334.08{sidChohPzBE}
Rote-Hand-Brief zu Tredaptive®, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), 22. Januar 2013
#334.09{sidXF890zi4}
Sattar N et al. Statins and risk of incident diabetes: a collaborative meta-analysis of randomized statin trials. Lancet,
375 (9176): 735–742, 2010
#334.10{sidMevU7D9j}
Schaefer WH et al. Evaluation of ubiquinone concentration and mitochondrial function relative to cerivastatin-induced
skeletal myopathy in rats. Toxicol Appl Pharmacol, 194: 10–23, 2004
#334.11{sidf4DyqaFe}
Sugiyama S. HMG CoA reductase inhibitor accelerates aging effect on diaphragm mitochondrial respiratory function
in rats. Biochem Mol Biol Int, 46: 923–931, 1998
#334.12{sidX5C5SzIB}
Thomas SR et al. Co-supplementation with coenzyme Q prevents the pro-oxidant effect of α-toxopherol and
increases the resistance of low-density lipoprotein towards transition metal-dependent oxidation initiation.
Artersiocl Thromb Vasc Biol, 16: 687–696, 1996
#334.13{sidfakksiPp}
Tonstad S et al. Low dose Colestipol in adolescents with familial hyper-cholesterolaemia. Arch Dis Child, 74 (2):
157–160, 1996
#334.14{sidyPfwGizz}
Tonstad S et al. The C 677 T mutation in the methylenetetrahydrofolate reductase gene predisposes to
hyperhomocysteinemia in children with familial hypercholesterolemia treated with cholestyramine. J Pediatr, 132
(2), 365–368, 1998
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#334.15{sid3Holec6s}
Vroonhof K et al. Vit​amin K deficiency and bleeding after long-term use of cholestyramine. Neth J Med, 61 (1): 19–
21, 2003
#334.16{sidiknMF7NS}
Watkins DW et al. Alterations in calcium, magnesium, iron, and zinc metabolism by dietary cholestyramine. Dig Dis
Sci, 30 (5): 477–482, 1985
#334.17{sid0UGng3ZR}
West RJ, Lloyd JK. The effect of cholestyramine on intestinal absorption. Gut, 16 (2): 93–98, 1975
#334.18{sidZqXm5TUT}
Yavuz B, Ertugrul DT, Cil H et al. Increased levels of 25 hydroxyvit​amin D and 1,25-dihydroxyvit​amin D after
rosuvastatin treatment: a novel pleiotropic effect of statins? Cardiovasc Drugs Ther, 23 (4): 295–299, 2009
#334.19{siddyrbZ7FV}
Yokoyama M et al. Effects of eicosapentaenoic acid in major coronary events in hypercholesterolaemic patients
(JELIS): a randomized open-label, blinded endpoint analysis. Lancet, 369 (9567): 1090–1098, 2007
#334.20{sid06CQZ5rS}
Zita C et al. Serum coenzym Q10 concentrations in healthy men supplemented with 30 mg or 100 mg coenzyme Q10
for two months in a randomized controlled study. Biofactors, 18 (1–4): 185–193, 2003
#335.01{sidh6PGuUIR}
27 Migräneprophylaktika
#335.02{sid0zdZR0E1}
Migräne ist ein anfallsartig auftretender, häufig halbseitiger Kopfschmerz von mäßiger bis schwerer Intensität,
der mit typischen autonomen Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu, Geräusch- und
Geruchsempfindlichkeit einhergeht. Mit einer Prävalenz von 12 bis 17 % in der weiblichen und 6 bis 8 % in der
männlichen Bevölkerung zählt die Migräne zu einer der häufigsten neurologischen Erkrankungen überhaupt. Ziel
der Migräneprophylaxe ist es, die Häufigkeit und Schwere der einzelnen Migräneanfälle zu vermindern sowie
die Wirkung der Akutmedikation zu verbessern. Als nichtmedikamentöse Maßnahmen wird den Betroffenen vor
allem ein geregelter Schlaf, Abbau von Stress, eine Reduktion des Alkoholkonsums und die Vermeidung
unnötiger Triggerfaktoren empfohlen.
#335.03{sidMOz21fGV}
Viele Patienten mit Migräne, bei denen die Indikation für eine Migräneprophylaxe besteht, suchen nach
natürlichen Alternativen oder Begleitmaßnahmen zu den gängigen Migräneprophylaktika. Neben der Einnahme
von Pestwurz-Extrakten (Petasites hybridus) belegen die Ergebnisse aktueller Studien an Migränepatienten
zunehmend, dass auch Mikronährstoffe, die in den mitochondrialen Energiestoffwechsel eingreifen, wie
Vit​amin B2 (Riboflavin), Magnesium und Coenzym Q10, in der Lage sind die Dauer, die Schwere und die
monatliche Attackenfrequenz der Migräne zu reduzieren.
#335.04{sidupwUbM3F}
27.1 Migräneprophylaktika und ​Mikronährstoffe
#335.05{sid5RDOIpIx}
27.1.1 Betablocker und Vit​amin B2
#335.06{sidvJQ97C6l}
Vit​amin B2 unterstützt die Wirksamkeit von Betablockern
#335.07{sidNwO49heo}
Mechanismus: Vit​amin B2 (Riboflavin) ist Substrat der mitochondrialen Atmungskette (Kplx I, II), Harmonisierung
des Neurotransmitterhaushalts (z. B. Serotonin).
#335.08{sidccAN5SOY}
Folgen: Verbesserung des mitochondrialen Energiestoffwechsels im Gehirn (→ Sauerstoffverwertung der Gehirnund Nervenzellen), Optimierung der migräneprophylaktischen Effektivität von Betablockern.
#335.09{sidwdju2ruD}
Hinweis: Die adjuvante Supplementierung von Vit​amin B2 (z. B. 4 × 100 mg tgl., p. o.), auch in Kombination mit
Magnesium und Coenzym Q10, kann die Effektivität einer medikamentösen Migräneprophylaxe (z. B. Betablocker)
verbessern. Aufgrund seiner guten Wirksamkeit und seines günstigen Nebenwirkungsprofils ist Riboflavin ein
sinnvolles Adjuvans zur medikamentösen Migräneprophylaxe mit Betablockern (z. B. Metoprolol, Propranolol). Die
volle Wirkung entfaltet Riboflavin erst nach mehrmonatiger Einnahme.
#335_336{sidthYHs9kV}
Studien: Bei der Pathogenese der Migräne wird unter anderem auch eine Störung des mitochondrialen
Energiestoffwechsels diskutiert. Da Riboflavin als Coenzym in der Atmungskette (Komplex I und II) fungiert
untersuchten belgische Wissenschaftler im Jahre 1998 in einer randomisierten und doppelblinden klinischen Studie
an 55 Patienten mit Migräne, ob Vit​amin B2 die Häufigkeit und Schwere der Migräneattacken reduzieren kann. Die
Probanden erhielten über einen Zeitraum von drei Monaten täglich 400 mg Riboflavin oder ein Placebo. Nach
dreimonatiger Therapie war die Häufigkeit der Attacken in der Placebo-Gruppe unverändert, in der RiboflavinGruppe hingegen von 3,8 auf 1,8/Monat gesunken (p = 0,0001). Auch die Dauer und der Schweregrad der Attacken
wurden durch das B-Vit​amin signifikant verringert. Ähnliche Ergebnisse liefert eine aktuelle Studie an 41 Kindern
und Heranwachsenden, die 200 mg bzw. 400 mg Riboflavin täglich für 3, 4 oder 6 Monate erhielten. Auch hier wurde
die Häufigkeit und Intensität der Migräneattacken durch Riboflavin gesenkt (p < 0,01).
#336.01{sidmHsxLlfV}
Neben Vit​amin B2 (Riboflavin) haben sich auch andere Mikronährstoffe wie Magnesium und Coenzym Q10 in der
Prophylaxe der Migräne als hilfreich erwiesen. Diese können auch durchaus mit Vit​amin B2 kombiniert werden, da
sie sich in ihrer Funktion im mitochondrialen Stoffwechsel sinnvoll ergänzen.
#336.02{sidCizs6sEc}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
27.1.2 Betablocker und Magnesium
#336.03{sidF6hy6mkA}
Magnesium unterstützt die Wirksamkeit von Betablockern
#336.04{sidTw0F2nbt}
Mechanismus: Magnesium: Substrat der mitochondrialen Atmungskette (Kplx V: ATP-Synthase), Anti-StressMineral, Stabilisierung von Zellmembranen, Verringerung der Thrombozytenaggregation und Neigung zur
Vasokonstriktion, Harmonisierung des Neurotransmitterhaushalts (z. B. Serotonin).
#336.05{sidAb8UMYlK}
Folgen: Verbesserung des mitochondrialen Energiestoffwechsels im Gehirn (→ Sauerstoffverwertung der Gehirnund Nervenzellen), Optimierung der migräneprophylaktischen Effektivität von Betablockern.
#336.06{sidepxZ73ll}
Hinweis: Im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen weisen Migränepatienten häufig signifikant niedrigere
Magnesiumspiegel im Gehirn, Liquor und den Erythrozyten (bzw. Vollblut) auf. Die adjuvante Supplementierung von
Magnesium (z. B. 4 –6 mg MG/kg KG tgl., als Mg-Citrat p. o.), auch in Kombination mit Riboflavin und Coenzym Q10,
kann die Effektivität einer medikamentösen Migräneprophylaxe (z. B. Betablocker) verbessern. In der Therapie von
Migräneanfällen haben sich in der Komplementärmedizin auch Infusionen mit Magnesiumsulfat (1–2 g MgSO4 = 4–8
mmol Mg = 100–200 mg Mg/15–30 min) bewährt.
#336.07{sidHlj46Sgs}
27.1.3 Betablocker und Coenzym Q10
#336.08{sidMDEgxvgl}
Coenzym Q10 unterstützt die Wirksamkeit von Betablockern
#336.09{sidDNIMC61N}
Mechanismus: Coenzym Q10 ist ein Substrat der mitochondrialen Atmungskette (Kplx I-III).
#336.10{sidzdMFAAn8}
Folgen: Verbesserung des mitochondrialen Energiestoffwechsels im Gehirn (→ Sauerstoffverwertung der Gehirnund Nervenzellen), Optimierung der migräneprophylaktischen Effektivität von Betablockern.
#336.11{sidLHqbI89Z}
Hinweis: Die adjuvante Supplementierung von Coenzym Q10 (z. B. 150 mg tgl., p. o.), auch in Kombination mit
Magnesium und Riboflavin, kann die Effektivität einer medikamentösen Migräneprophylaxe (z. B. Betablocker)
verbessern. Coenzym Q10 kann auch bei Kindern und in der Schwangerschaft zur Migräneprophylaxe eingesetzt
werden.
#336.12{sidaHRPba0z}
Literatur
#336.13{sidHenVg3sB}
Assarzadegan F, Asgarzadeh S, Hatamabadi HR et al. Serum concentration of magnesium as an independent risk
factor in migraine attacks: a matched case-control study and review of the literature. Int Clin Psychopharmacol, 31
(5): 287–292, 2016
#336.14{sideeWVvk3T}
Carotenuto M, Esposito M. Nutraceuticals safety and efficacy in migraine without aura in a population of children
affected by neurofibromatosis type I. Neurol Sci (Epub ahead of print), 2013
#336.15{sid3NVfcFBz}
Condo M et al. Riboflavin prophylaxis in pediatric and adolescent migraine. J Headache Pain, 2009; 10 (5): 361–
365.
#336.16{sidbJSQHnBP}
D‘Onofrio F, Raimo S, Spitaleri D et al. Usefulness of nutraceuticals in migraine prophylaxis. Neurol Sci, 38 (Suppl
1): 117–120, 2017
#336.17{sidY4xecAIp}
Gallelli L, Avenoso T, Falcone D et al. Effects of Acetaminophen and Ibuprofen in Children With Migraine Receiving
Preventive Treatment With Magnesium. Headache (Epub ahead of print), 2013
#336.18{sidNWTkn2tE}
Gröber U. Riboflavin reduziert Häufigkeit und Intensität von Migräneattacken. Dtsch Apoth Ztg, 149 (48): 92–95,
2009
#336.19{sidObnLir2f}
Maizels M et al. A combination of riboflavin, magnesium, and feverfew for migraine prophylaxis: a randomized trial.
Headache, 44 (9): 885–890, 2004
#337.01{sidTCeZmy0r}
Panetta J et al. Effect of high-dose vit​amins, coenzyme Q 10 and high-fat diet in paediatric patients with
mitochondrial diseases. J Inherit Metab, 27 (4): 487–498, 2004
#337.02{sidIPWNtRy3}
Peikert A, Wilimzig C, Köhne-Volland R. Prophylaxis of migraine with oral magnesium: results from a prospective,
multi-center, placebo-controlled and double-blind randomized study. Cephalalgia, 16 (4): 257–263, 1996
#337.03{sidTFOBePu4}
Sandor PS et al. Prophylactic treatment of migraine with beta-blockers and riboflavin: differential effects on the
intensity dependence of auditory evoked cortical potentials. Headache, 40: 30–35, 2000
#337.04{sidimFnjNBI}
Sandor PS et al. Efficacy of coenzyme Q 10 in migraine prophylaxis: a randomized controlled trial. Neurology, 64 (4):
713–715, 2005
#337.05{sidtcL5ZxYp}
Schoenen J et al. Effectiveness of high-dose riboflavin in migraine prophylaxis. A randomized controlled trial.
Neurology, 50: 466–470, 1998
#337.06{siddWBQErx7}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Taubert K. Magnesium in migraine. Results of a multicenter pilot study. Fortschr Med, 112 (24): 328–330, 1994
#337.07{sidbI8GEfKr}
Thompson DF, Saluja HS. Prophylaxis of migraine headaches with riboflavin: A systematic review. J Clin Pharm
Ther, doi: 10.1111/jcpt.12548, 2017
#338.01{sidOFWT6uik}
28 Neuropathie-Präparate
#338.02{sid5bw5Ty3n}
In der Therapie von neuropathischen Beschwerden (z. B. diabetische Polyneuropathie) wird häufig die zur
Gruppe der Vit​aminoide zählende α-Liponsäure eingesetzt. α-Liponsäure, auch Thioctsäure genannt, ist eine
schwefelhaltige Fettsäure (6,8-Dithiooctansäure). Im Stoffwechsel fungiert α-Liponsäure als
wasserstoffübertragendes Coenzym und ist funktioneller Bestandteil von mitochondrialen Multienzymkomplexen
(z. B. Pyruvat-Dehydrogenase/PDH, α-Ketoglutarat-Dehydrogenase/KGDH), die bei der oxidativen
Decarboxylierung von α-Ketosäuren und der Glucoseutilisation eine zentrale Rolle spielen (○Abb. 28.1). In
verschiedenen Studien zur Wirksamkeit von α-Liponsäure (intravenös, peroral) bei diabetischer
Polyneuropathie, konnte eine Besserung neuropathischer Beschwerden wie Schmerzen, Parästhesien und
Taubheitsgefühl nachgewiesen werden.
#338.03{sidLHMKOg3K}
28.1 Neuropathie-Präparate und Mikronährstoffe
#338.04{sidndCzIdFL}
28.1.1 α-Liponsäure und Nahrungs​bestandteile
#338.05{sidFnDhZIR7}
Beeinträchtigung der Resorption und oralen Bioverfügbarkeit von α-Liponsäure
#338.06{sidXbU7YgyE}
Mechanismus: Nahrungsbestandteile (z. B. mehrwertige Kationen) können durch Komplexbildung und/oder
Verschiebung des Magen-pH-Werts die orale Bioverfügbarkeit von α-Liponsäure bei Einnahme zu den Mahlzeiten
signifikant verringern.
#339.01{sidIvG7n70j}
Abb. 28.1 Stoffwechselfunktionen von α-Liponsäure
#338.07{sidHl54AIeM}
Folgen: Beeinträchtigung (Verlust) der antineuropathischen Wirksamkeit von α-Lipon-säure.
#338.08{sidahhv56tE}
Hinweis: Zur Vermeidung eines Wirksamkeitsverlusts sollten α-Liponsäure-Präparate (z. B. 2 × 600 mg/d, p. o.)
nüchtern, mindestens eine halbe Stunde vor dem Essen eingenommen werden.
#338.09{sideGrDT2NJ}
28.1.2 α-Liponsäure und Biotin
#338.10{sidjJAuCHzb}
α-Liponsäure konkurriert mit Biotin um das aktive Zentrum biotinabhängiger Enzymkomplexe
#338.11{sidq0ku9zXK}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Mechanismus: α-Liponsäure konkurriert aufgrund struktureller Ähnlichkeit mit Biotin um das aktive Zentrum
biotinabhängiger Enzymkomplexe.
#338.12{sidlSoQVF7q}
Folgen: Kompetitive Hemmung der Aktivität biotinabhängiger Carboxylasen (z. B. Pyruvat-Carboxylase, BetaMethylcrotonyl-CoA-Carboxylase).
#338.13{sidTElgeqrw}
Hinweis: Unter einer langfristigen antineuropathischen und analgetischen Therapie mit α-Liponsäure kann es im
Sinne einer optimalen Erhaltung des Mikronährstoff-Gleichgewichts sinnvoll sein, begleitend Biotin (z. B. 0,2–0,5
mg/d, p. o.) einzunehmen.
#338.14{sidqhtBKlZA}
Studien: In tierexperimentellen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die Gabe von α-Liponsäure
die Aktivität biotinabhängiger Enzyme (z. B. Pyruvat-Carboxylase) hemmt. Vermutlich handelt es sich dabei um eine
kompetitive Hemmung, bei der α-Liponsäure aufgrund ihrer Strukturähnlichkeit mit Biotin um das aktive Zentrum
biotinabhängiger Enzyme konkurriert und Bindungsstellen an diesen Enzymen besetzt. Aufgehoben wurde diese
Hemmung, wenn α-Liponsäure und Biotin gleichzeitig verabreicht wurden.
#338.15{sidjJFSb1YM}
28.1.3 α-Liponsäure und orale Anti​diabetika
#338.16{sidFUx5U2oZ}
α-Liponsäure kann die blutzuckersenkende Wirkung der Sulfonylharnstoffe (z. B. Glibenclamid) verstärken
#338.17{sid4iEAWhSr}
Mechanismus: α-Liponsäure steigert als Cofaktor der PDH und KGDH die Glucoseverwertung.
#339.02{sidBaN4Q2s9}
Folgen: Mögliche additive blutzuckersenkende Wirkung, Schwankungen des Blutzuckerspiegels, erhöhtes Risiko
für Hypoglykämien.
#339.03{sidPsvdTFIH}
Hinweis: In der Anfangsphase einer α-Lipon​säuretherapie sollte bei Typ-2-Diabetikern, die mit oralen
Antidiabetika behandelt werden, eine engmaschige Blutzuckerkontrolle erfolgen, um Unterzuckerungserscheinungen
zu vermeiden.
#339.04{sidX9AVhORX}
Literatur
#339.05{sidcvTcwnX9}
Boulton AJ, Kempler P, Ametov A, Ziegler D. Whither pathogenetic treatments for diabetic polyneuropathy?
Diabetes Metab Res Rev, 29 (5): 327–333, 2013
#339.06{sidaE3FS4qM}
Cronan JE. Biotin and Lipoic Acid: Synthesis, Attachment, and Regulation. EcoSal Plus, 6 (1), doi:
10.1128/ecosalplus.ESP-0001–2012, 2014
#339.07{sido2xH2tuY}
Gomes MB, Negrato CA. Alpha-lipoic acid as a pleiotropic compound with potential therapeutic use in diabetes and
other chronic diseases. Diabetol Metab Syndr, 6 (1): 80, doi: 10.1186/1758-5996-6-80, 2014
#339.08{sid4kGaOWOA}
Ruhnau KJ, Meissner HP, Finn JR et al. Effects of 3-week oral treatment with the antioxidant thioctic acid (alphalipoic acid) in symptomatic diabetic polyneuropathy. Diabet Med, 16 (12): 1040–1043, 1999
#339.09{sidM4TOZWlW}
Xu Q, Pan J, Yu J et al. Meta-analysis of methylcobalamin alone and in combination with lipoic acid in patients with
diabetic peripheral neuropathy. Diabetes Res Clin Pract, 101 (2): 99–105, 2013
#339.10{siduS1go564}
Zempleni J., Mock DM. Biotin biochemistry and human requirements. J Nutr Biochem, 10 (3): 128–138, 1999
#340.01{sidyeKDURiH}
Zempleni J, Trusty TA, Mock DM. Lipoic acid reduces the activities of biotin-dependent carboxylases in rat liver. J
Nutr, 127 (9): 1776–1781, 1997
#340.02{sidT3ePLPpN}
Ziegler D, Hanefeld M, Ruhnau K et al. Treatment of symptomatic diabetic polyneuropathy with the antioxidant alphalipoic acid: a 7-month multicenter randomized controlled trial (ALADIN III Study). ALADIN III Study Group. AlphaLipoic Acid in Diabetic Neuropathy. Diabetes Care, 22 (8): 1296–1301, 1999
#340.03{sidkJNnTytL}
Ziegler D, Low PA, Litchy WJ et al. Efficacy and safety of antioxidant treatment with α-lipoic acid over 4 years in
diabetic polyneuropathy: the NATHAN 1 trial. Diabetes Care, 34 (9): 2054–2060, 2011
#341.01{sidYTLWrcvh}
29 Osteoporosemittel
#341.02{sidNHnviEZH}
Die Osteoporose ist eine systemische Skeletterkrankung, die durch eine niedrige Knochenmasse und eine
mikroarchitektonische Verschlechterung des Knochengewebes charakterisiert ist, mit einem konsekutiven
Anstieg der Knochenfragilität und der Neigung zu Frakturen. Sind bereits eine oder mehrere Frakturen als
Folge der Osteoporose aufgetreten, liegt eine manifeste Osteoporose vor.
#341.03{sidjOW2Yev9}
29.1 Osteoporosemittel und M​ikronährstoffe
#341.04{sidm6ZUjezd}
29.1.1 Wirkungsmechanismus der ​Bisphosphonate
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#341.05{sid1HCWATqh}
Bisphosphonate zählen zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln in der Osteoporosetherapie. Darüber hinaus
werden Bisphosphonate erfolgreich bei Morbus Paget, Knochenmetastasen solider Tumoren, multiplem Myelom und
der tumorinduzierten Hypercalcämie eingesetzt. Bisphosphonate können in zwei Gruppen eingeteilt werden: die
stickstofffreien Nicht-Aminobisphosphonate Etidronat und Clodronat und die sehr potenten basisch substituierten
Aminobisphosphonate Alendronat, Ibandronat, Risedronat und Zoledronat.
#341.06{sidI0YWA19n}
Der Wirkmechanismus der Bisphosphonate beruht überwiegend auf der Hemmung der osteoklastären
Knochenresorption. Unabhängig vom Applikationsweg (oral, i. v.) lagern sich Bisphosphonate an der
Knochenoberfläche an. In Regionen mit gesteigertem Knochenumsatz ist ihre Aufnahme besonders hoch.
Bisphosphonate werden hier von Osteoklasten mittels Endozytose aufgenommen. Zu den weiteren Zelltypen, die
Bisphosphonate über Endozytose internalisieren können zählen: Osteoblasten, Epithel- und Endothelzellen,
Monozyten sowie neoplastische Zellen wie Myelom- und Prostatakarzinom-Zellen. Die Nicht-Aminobisphosphonate
können aufgrund ihrer strukturellen Ähnlichkeit mit Pyrophosphat (über das Enzym Typ-II-Aminoacyl-t-RNA-Synthase)
in die Phosphatkette ATP-haltiger Metabolite eingebaut werden. Die entstehenden ATP-Analoga sind für die
Osteoklasten toxisch, hemmen ATP-abhängige Enzyme und induzieren eine Apoptose. Die basisch-substituierten
Aminobisphophonate werden dagegen nicht zu ATP-Analoga metabolisiert. Ihr wesentlicher Wirkmechanismus
beruht anscheinend auf der kompetitiven Hemmung des Enzyms Farnesyl-Pyrophosphat-Synthase (FPPS), eines
Schlüsselenzyms des Mevalonsäure-Wegs. Dies führt zur intrazellulären Akkumulation von Isopentenyl-Diphosphat
(IPP) und Hemmung der Prenylierung niedermolekularer GTP-bindender Proteine (GTPasen) in den Osteoklasten.
Beide Mechanismen führen letztlich zur Apoptose der Osteoklasten.
#341.07{sidj4N5NmNR}
Vit​amin D und Knochenmineralisation
#341_342{sidtG8DRpBA}
Zahlreiche Studien zeigen, dass ein Vit​amin-D-Mangel in Europa weit verbreitet ist. So gibt eine Untersuchung an 8
532 postmenopausalen Frauen die Prävalenz einer unzureichenden Versorgung mit Vit​amin D (25(OH)D < 30
ng/ml) mit 79,6 % an. 1α,25-(OH)2-Vit​amin-D (Calcitriol) steigert im Duodenum und Jejunum die Calciumabsorption
und induziert in den Nierentubuli die Reabsorption des Knochenminerals. Für eine optimale Calciumresorption aus
dem Darm dürfte nach Untersuchungen von Heaney ein 25(OH)D-Status von 32 ng/ml bzw. 80 nmol/l notwendig sein
(○Abb. 29.1). In Abhängigkeit von den Calciumblutspiegeln fördert 1α,25-(OH)2-Vit​amin-D im Knochen entweder die
Mineralisierung der Knochenmatrix oder die Mobilisierung von Calcium. Bei einem ausreichenden Calciumangebot
und niedrigen Parathormonspiegeln überwiegt die Knochenmineralisation. Bei diesem von den Osteoblasten
vermittelten Prozess induziert 1α,25-(OH)2-Vit​amin-D die Transkription verschiedener an der Mineralisation
beteiligter Proteine (z. B. Osteopontin, Osteocalcin). Fallen dagegen die Calciumspiegel im Blut ab, aktiviert 1α,25(OH)2-Vit​amin-D zusammen mit Parathormon die Auslagerung von Calcium aus dem Skelettsystem. Vit​amin D
supprimiert die Parathormonausschüttung und damit die Knochenresorption durch die Osteoklasten. Zudem
unterstützt es den Muskelstoffwechsel (Muskelkraft und -funktion) und reduziert dadurch die Sturz- und Frakturrate.
Der Ausgleich eines Vit​amin-D-Mangels (25(OH)D < 20 ng/ml) ist generell mit einer Verminderung der Sturzrate und
Reduktion von proximalen Femurfrakturen bei Frauen und Männern assoziiert.
#342.01{sidpb6d5YY5}
Abb. 29.1 Der 25-OH-Vit​amin-D-Schwellenwert: Calciumabsorption (Modell)
#342.02{sid79dBZ3oC}
Vit​amin D verbessert ossäre Wirkung der Bisphosphonate
#342_343{sidSEmKBDcP}
Verschiedene Studien belegen, dass Vit​amin D die Wirkung der Bisphosphonate auf das Knochenwachstum
verbessert. In einer Studie an 112 Frauen unter Bisphosphonattherapie wurde der Einfluss des Vit​amin-D-Status auf
die Parathormonspiegel und die Wirksamkeit der Bisphosphonate untersucht. Dabei hatten Frauen mit einem
25(OH)D-Spiegel > 70 nmol/l signifikant niedrigere Parathormonspiegel (41,2 ng/l). Parathormonspiegel ≤ 41 ng/l
und 25(OH)D-Spiegel > 70 nmol/l waren im Vergleich zu PTH-Spiegeln > 41 ng/l mit einer besseren Ansprechrate
auf die Therapie mit Bisphosphonaten und mit einer signifikant höheren Knochendichte im Bereich der Hüfte
verbunden (2,5 % versus –0,2 %, p = 0,04). In einer weiteren Studie an 1 515 Frauen mit postmenopausaler
Osteoporose unter der Therapie mit Alendronat, Risedronat und Raloxifen wurde nachgewiesen, dass Patienten mit
einer Bisphosphonattherapie signifikant schlechtere Therapieergebnisse (→ Veränderung der Knochendichte)
zeigen, wenn initial sehr niedrige 25-OH-Vit​amin-D-Spiegel (Calcidiol < 50 nmol/l bzw. 20 ng/ml) vorliegen. Die
Risikorate (adjusted Odds-Ratio) für Frakturereignisse in der Gruppe mit Vit​amin-D-Mangel im Vergleich zur Gruppe
mit normalem Vit​amin-D-Status (25(OH)D-Spiegel > 50 nmo/l bzw. 20 ng/ml) war 1,77 (1,20–2,59; 95 % CI; p =
0,004; Odds-Ratio 1,77; 95 % Cl 1,20–2,59). Die ossäre Wirkung der Bisphosphonate wird durch Vit​amin D
verbessert.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#343.01{sidP73r6OKQ}
Ein sekundärer Hyperparathyreoidismus findet sich häufig bei Prostatakarzinompatienten mit Knochenmetastasen,
der sich unter der Applikation von potenten Bisphosphonaten wie Zolendronsäure verschärfen kann. Erhöhte
Parathormon-Spiegel können die Effektivität der Bisphosphonate im Hinblick auf ihre ossäre Wirkung, aber auch auf
die Überlebenszeit der behandelten Patienten beeinträchtigen. Dies zeigen erneut die Ergebnisse einer aktuellen
prospektiven Studie an 643 Patienten mit metastasiertem, hormonrefraktärem Prostatakarzinom bei der erhöhte
PTH-Spiegel negativ mit der Überlebenszeit assoziiert waren (HR 1,448; 95 % CI, 1,045–2,006; p < 0,03). Der
25(OH)D- und PTH-Status sollte vor der Therapie mit Bisphosphonaten grundsätzlich kontrolliert und im
Therapieverlauf durch regelmäßige Laborkontrolle kompensiert werden. Auf eine ausreichend hohe
Supplementierung von Calcium und Vit​amin D (z. B. 4 000 I. E. Vit​amin D pro Tag, p. o.) sollte zudem geachtet
werden (siehe auch S. 190).
#343.02{sidhUdWFTmL}
Nebenwirkungen der Bisphosphonate
#343.03{sidK2tugYNx}
Zu den häufigen Nebenwirkungen der Bisphosphonate zählen Akute-Phase-Reaktionen (z. B. grippeartige
Symptome, wie Abgeschlagenheit, Muskel- und Knochenschmerzen), gastrointestinale Störungen (z. B.
Schleimhauentzündungen, Durchfälle, Blähungen), nephrotoxische Komplikationen (z. B. Schäden am
Tubulusapparat) und Osteonekrosen der Kieferknochen. Eine Therapie mit Bisphosphonaten bei Patienten mit
Vit​amin-D-Mangel und unzureichender diätetischer Calciumzufuhr kann ohne die begleitende Supplementierung von
Vit​amin D zu einer Hypomagnesiämie und Hypocalcämie bis hin zur Tetanie sowie schweren Störungen der
Knochenmineralisierung führen. Die bisphosphonatinduzierte Hypocalcämie und der sekundäre
Hyperparathyreoidismus können durch eine adäquate Supplementierung von Vit​amin D (z. B. 20 000 I. E./Woche, p.
o.) und Calcium vermieden werden. Generell sollte der pharmakotherapeutische Einsatz von Bisphosphonaten
(peroral, intravenös) immer unter einer regelmäßigen labormedizinischen Kontrolle der 25(OH)D- und der
Parathormon-Spiegel erfolgen.
#343.04{sidU0DRNugO}
Unter der Langzeitanwendung von Bisphosphonaten wurde in den vergangenen Jahren immer wieder
Oberschenkelhalsfrakturen mit ungewöhnlicher Lokalisation beobachtet. In einem Review von Fallprotokollen aus
dem Jahre 2009 im Journal of Bone and Joint Surgery wird über Patientinnen berichtet, bei denen unter der
Langzeittherapie mit Alendronat vermehrt subtrochantäre oder diaphysäre Femurfrakturen nach einem
Bagetelltrauma auftraten. Die Patientinnen waren im Mittel 61 Jahre alt und hatten im Durchschnitt 8,6 Jahre lang
Alendronat eingenommen. Obwohl noch nicht abschließend geklärt ist, dass Bisphosphonate tatsächlich für diese
atypischen Knochenfrakturen verantwortlich sind, hat die FDA verfügt, dass in den Produktinformationen auf diese
potenzielle Nebenwirkung hingewiesen werden muss. Auch im Hinblick auf potenzielle Nebenwirkungen der
Bisphosphonate sollte der Vit​amin-D- und Vit​amin-K-Haushalt vor Therapiebeginn kontrolliert und gezielt
ausgeglichen werden. Laborparameter sind 25(OH)D (Calcidiol) und das untercarboxylierte Osteocalcin (ucOC) im
Serum. Erhöhte Parathormon-Spiegel und ein Vit​amin-D-Mangel scheinen auch das Risiko für Osteonekrosen der
Kieferknochen unter einer Therapie mit Bisphosphonaten zu begünstigen.
#343.05{sidSchHkzzA}
Parathormon und Krebs
#343_344{sidp8tkpVpl}
Eine Hypocalcämie wird vor allem unter der intravenösen Applikation von Bisphosphonaten (z. B. Zolendronsäure)
beobachtet. Die Folge der Hypocalcämie ist ein sekundärer Hyperparathyreoidismus bzw. Anstieg der
Parathormon-Spiegel (Referenz: 12–65 ng/l). Erhöhte Parathormon-Spiegel können nicht nur die ossäre
Wirksamkeit der Bisphosphonate beeinträchtigen. Parathormon ist auch ein potenter Stimulator der
Osteoklastenaktivität, welcher die Produktion von Zytokinen und Wachstumsfaktoren im Mikromilieu des Knochens
begünstigt, die das Tumorwachstum fördern können. Das Parathormon-related Protein (PTHrP) wird in nahezu jeder
menschlichen Zelle zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Entwicklung, der Differenzierung und im Wachstum
exprimiert. Aufgrund dieser endokrinen Wirkungsweise ist PTHrP in der Onkologie vor allem als Effektor des
paraneoplastischen Syndroms der tumorinduzierten Hypercalcämie bekannt geworden. Durch seine N-terminale
Homologie zu PTH wirkt PTHrP durch Bindung an den Parathormonrezeptor Typ 1 (PTH1 R) als Calciumregulator.
Da zahlreiche Krebszellen den PTH1 R exprimieren wird angenommen, dass PTH die Tumorprogression und die
Zellproliferation direkt steigert. In einigen Studien an Krebspatienten mit Knochenmetastasen (z. B. Mamma-,
Prostatakarzinom) unter der Therapie mit Zolendronsäure waren erhöhten Parathormonspiegel mit einem erhöhten
Risiko der Krankheitsprogression als auch einer erhöhten Mortalität assoziiert. Neben der ungünstigen Prognose
zeigen die betroffenen Patienten auch häufig eine ausgeprägte Therapieresistenz. Aktuelle Forschungsergebnisse
legen nahe, dass hierfür meist defiziente Apoptosesignalwege verantwortlich sind. So konnte in verschiedenen
Untersuchungen ein antiapoptotischer Effekt von PTHrP gezeigt werden.
#344.01{sidq3ygBnKS}
Vit​amin-D-haltige Kombinationspräparate
#344.02{sidtlbo52jJ}
Nach einer aktuellen Arbeit von Favus ist bei einem Vit​amin-D-Mangel eine Therapie mit Bisphosphonaten
kontraindiziert. Der 25(OH)D-Spiegel sollte vor Beginn einer derartigen Therapie grundsätzlich über 30 ng/ml liegen.
Die derzeit in Deutschland in der Osteoporosetherapie eingesetzten Kombinationen eines Bisphosphonats mit
Vit​amin D (z. B. 70 mg Alendronsäure und 2 800 I. E. Vit​amin D bzw. 70 mg Alendronsäure und 5 600 I. E. Vit​amin
D – empfohlene Dosierung 1 × wöchentlich) sind im Hinblick auf einen adäquaten Vit​amin-D-Status von > 75 nmol/l
deutlich unterdosiert. Rechnet man die Wochendosis auf die Tagesdosis um, so werden täglich nur 400 I. E. bzw.
800 I. E. zugeführt. Für einen Calcidiol-Spiegel von > 75 nmol/l bzw. 30 ng/ml müssen jedoch mindestens täglich 2
600–4 000 I. E. Vit​amin D zugeführt werden. Zur Vermeidung eines sekundären Hyperparathyreoidismus sind sogar
Calcidiol-Spiegel von ≥ 100 nmol/l (40 ng/ml) notwendig.
#344.03{siduthEp5ik}
Unter der Therapie mit Bisphosphonaten sollte der Vit​amin-D-Status (25(OH)D im Serum 100–150 nmol/l bzw. 40–
60 ng/ml) 1–2-mal jährlich kontrolliert und gegebenenfalls durch gezielte Supplementierung (z. B. 40–60 I. E.
Vit​amin D/kg KG tgl., p. o.) kompensiert werden. Zur Vermeidung eines sekundären Hyperparathyreoidismus gehen
viele Experten mittlerweile von einem Calcidiol-Spiegel im Bereich von 100–200 nmol/l bzw. 40–80 ng/ml aus.
#344.04{sidwApui85y}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
29.1.2 Bisphosphonate und Vit​amin D
#344.05{sidHMXNIn89}
Vit​amin D verbessert die Wirksamkeit von Bisphosphonaten (z. B. Alendronat)
#344.06{sidfSEAX74E}
Mechanismus: Vit​amin D fördert die Mineralisierung der Knochenmatrix, hemmt die PTH-Sekretion und
verbessert die Muskelkraft. Bei der Pathogenese der Kiefernekrose spielt eine fehlende Heilung des Mundepithels,
die mit einer gestörten Funktion der Keratinozyten einhergeht, eine zentrale Rolle. Letztere brauchen zu ihrer
Differenzierung Vit​amin D, welches gleichzeitig ihre überschießende Proliferation hemmt.
#344.07{sidKXbdO8JT}
Folgen: Optimierung der ossären Bisphosphonatwirkung und möglicherweise auch Verringerung der
Nebenwirkungsrate (z. B. bisphosphonatassoziierte atypische Frakturen und Kiefernekrosen) durch Normalisierung
des Vit​amin-D-Status (Referenz/25(OH)D im Serum: 40–60 ng/ml), Verbesserung der immunologischen und
metabolischen Situation bei Patienten mit Osteoporose oder Krebserkrankungen.
#344_345{sidkqQg4zuh}
Hinweis: Der Ausgleich des 25(OH)D-Status (z. B. 40–60 I. E. Vit​amin D/kg KG tgl., p. o.) ist generell mit einer
Verminderung der Sturzrate, Reduktion von proximalen Femurfrakturen bei Frauen und Männern sowie
Verbesserung der Lebensqualität bei Krebspatienten assoziiert. Der maximale Krafteffekt auf die Muskulatur liegt
bei ≥ 40 /ng/ml.
#345.01{sid9Io5RuGz}
29.1.3 Bisphosphonate und Vit​amin K
#345.02{sidXI0SnX3g}
Vit​amin K verbessert die Wirksamkeit von Bisphosphonaten (z. B. Alendronat)
#345.03{sidKDmszXrN}
Mechanismus: Vit​amin K fördert über die Carboxylierung des Knochenproteins Osteocalcin (carbOsteocalcin) die
Utilisation von Calcium und die Mineralisierung der Knochenmatrix, wirkt der osteoklastären Knochenresorption
entgegen, und reduziert damit die Frakturrate.
#345.04{sidyGREZGy5}
Folgen: Optimierung der ossären Bisphosphonatwirkung und möglicherweise auch Verringerung der
Nebenwirkungsrate (z. B. bisphosphonatassoziierte atypische Frakturen und Kiefernekrosen) durch Normalisierung
des Vit​amin-K-Status (Laboparameter: ucOC im Serum).
#345.05{sidphVhNDQW}
Hinweis: Der Ausgleich einer Vit​amin-K-Insuffizienz ist generell mit einer Verminderung der Frakturrate verbunden.
Einige Untersuchungen deuten daraufhin, dass neben dem Vit​amin-D-Status auch der Vit​amin-K-Status Einfluss auf
die Bisphosphonatwirkung hat.
#345.06{sidlQsOVeyY}
Vit​amin K spielt eine zentrale Rolle im Knochenstoffwechsel. Als Coenzym der γ-Glutamyl-Carboxylase ist das
Vit​amin essenziell für die γ-Carboxylierung peptidgebundener Glutaminsäure-Reste. Zu den bekannten Vit​amin-Kabhängigen Knochenproteinen, die an der Mineralisation und Regulation des Knochengewebes beteiligt sind,
zählen das Osteocalcin, das Matrix-Gla-Protein (MGP) und das Knochenprotein S. Osteocalcin ist ein nicht
kollagenes Glykoprotein, das in den Osteoblasten gebildet wird. Vit​amin K stimuliert die Knochenneubildung und
verringert die Calcium- und Hydroxyprolin-Ausscheidung im Urin. Eine unzureichende diätetische Versorgung mit
Vit​amin K dürfte ein wichtiger pathogenetischer Faktor bei der Osteoporoseentstehung sein. Patienten mit
Osteoporose weisen im Vergleich zu gesunden Kontrollen erniedrigte Vit​amin-K-Serumspiegel und erhöhte
Konzentrationen an untercarboxyliertem Osteocalcin (ucOC) auf. In verschiedenen Studien waren hohe Spiegel an
ucOC mit einer erniedrigten Knochendichte und einem erhöhten Frakturrisiko assoziiert. In Studien führte die
Supplementierung von 1–5 mg Vit​amin K1 täglich zu einem Abfall der ucOC-Spiegel und zu einem Anstieg der
Knochendichte. Erhöhte Spiegel an ucOC finden sich auch bei Patienten mit Frakturereignissen unter einer
Therapie mit Amino-Bisphosphonaten. Die Ergebnisse verschiedener Interventionsstudien belegen die gute ossäre
Wirksamkeit von Vit​amin K. In einer randomisierten Studie an 241 postmenopausalen Frauen führte die
Supplementierung von 45 mg Vit​amin K2 (MK-4, Menatetrenon) über einen Zeitraum von 24 Monaten gegenüber der
Kontroll-Gruppe zu einem signifikanten Anstieg des carboxylierten Osteocalcins (carbOC) sowie zu einer signifikant
verringerten Frakturrate.
#345.07{sidClvCccOc}
Studien: In aktuellen Studien war ein erhöhter Spiegel an untercarboxyliertem Osteocalcin (ucOC), Marker für eine
Vit​amin-K-Insuffizienz, unter der Therapie mit Bisphosphonaten mit einem erhöhten Risiko für
Bisphosphonatassoziierte atypische Frakturen assoziiert. Die ossäre Wirkung von Alendronat (5 mg/d, p. o.) konnte
im Hinblick auf die Knochendichte durch die adjuvante Supplementierung von Vit​amin K2 (45 mg MK-4/d, p. o.) bei
postmenopausalen Frauen verbessert werden.
#345_346{sidYmPMQkW8}
Anmerkung: Von den verschiedenen Vit​amin-K-Formen Vit​amin K1 (Phyllochinon), Vit​amin K2 als MK-4
(Menatetrenon) oder MK-7 (Menaquinon-7) weist das aus Natto (fermentierte Sojabohnen) gewonnene MK-7 einige
Vorteile auf. MK-7 ist deutlich hydrophober und besitzt im Vergleich zu den anderen Vit​amin-K-Formen eine längere
Halbwertszeit (HWZ: etwa 2–3 Tage), wodurch stabilere Serumspiegel resultieren. Im Vergleich zu Vit​amin K1 ist die
Verteilung von MK-7 in verschiedenen Geweben deutlich besser. Die Bioverfügbarkeit von MK-7 ist etwa 6-fach
höher als von Vit​amin K1. MK-7 ist daher auch effizienter in der Carboxylierung hepatischer (z. B. Prothrombin) und
extrahepatischer Proteine (z. B. MGP, Osteocalcin). Die ossäre Wirksamkeit des Vit​amin-D-Hormons wird
insbesondere von MK-7 verbessert. MK-7 kann dementsprechend in niedrigeren Dosierungsbereichen (z. B. 50–
200 µg MK-7/Tag, p. o.) eingesetzt werden.
#346.01{sid7MQHQ8SL}
29.1.4 Bisphosphonate und Mineralstoffe
#346.02{sidbcw9CZDN}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Mineralstoffe vermindern die Resorption von Bisphosphonaten
#346.03{sidvRx5NRXU}
Mechanismus: Bildung schwer resorbierbarer Mineralstoff-Bisphosphonat-Komplexe bei gleichzeitiger Einnahme.
#346.04{sidnhnYYK8k}
Folgen: Verminderte Resorption der Bisphophonate, Abnahme der Bioverfügbarkeit (bis 60 %) und Wirksamkeit
von Bisphosphonaten (z. B. Alendronat, Etidronat, Risedronat).
#346.05{sidWqKOOLPb}
Hinweis: Ein mehrstündiger Einnahmeabstand (≥ 2h) zwischen Mineralstoffen (Mineralstoffpräparate,
Nahrungsmittel) und Bisphosphonaten sollte eingehalten werden. Alendronat und Risedronat morgens nüchtern
(mindestens 30 Minuten vor der ersten Mahlzeit) nach dem Aufstehen mit einem vollen Glas Wasser einnehmen.
Anschließend 30 Minuten nicht hinlegen. Die Supplementierung von knochenwirksamen Mikronährstoffen wie
Vit​amin D (z. B. 20–40 I. E. Vitamin D/kg KG tgl., p. o.) und Calcium (z. B. 800 mg/d, p. o.; Einnahmeabstand zu
Bisphosphonaten beachten!) ist in jedem Fall empfehlenswert.
#346.06{sidhAZL5Hap}
29.1.5 Vitamin D und Magnesium
#346.07{sidCRIrWpPq}
Magnesium reguliert und fördert den Vitamin-D-Stoffwechsel
#346.08{sidzfsHfDl9}
Mechanismus: Magnesium ist essenziell für die Bildung des Vitamin-D-bindenden Proteins (VDBP), welches
Vitamin D und seine stoffwechselaktiven Formen [z. B. 25(OH)D, 1,25(OH)2D] im Blut transportiert und im Gewebe
verteilt. Magnesium reguliert durch drei Enzyme den Vitamin-D-Haushalt im Körper: Die 25-Hydroxylase (25OHase), die 1-alpha-Hydroxylase (1α-OHase) und die 24-Hydroxylase (24-OHase). Die 24-Hydroxylase kann
25(OH)D und 1,25(OH)2D durch Einfügen einer weiteren OH-Gruppe in Position 24 zu 24,25(OH)2D und
1,24,25(OH)3D abbauen. Im Tierversuch führt ein Magnesiummangel zu einer verminderten Aktivität der 1-alphaHydroxylase und einer erhöhten Aktivität der 24-Hydoxylase in den Nieren. Ein Mangel an Magnesium ist folglich mit
einer Hypovitaminose D [25(OH)D < 20 ng/ml] assoziiert.
#346.09{sidAlvf6DuZ}
Folgen: Vitamin D und Magnesium unterstützen sich gegenseitig im Stoffwechsel an vielen Stellen. Bei einer
täglichen Dosierung von 40–60 I. E. Vitamin D pro kg Körpergewicht ist eine begleitende Einnahme von 4–6 mg
Magnesium pro kg Körpergewicht pro Tag sinnvoll (z. B. 300 mg Magnesium pro Tag, als Mg-Citrat oder MgGlycinat).
#346.10{siduJVHreLb}
Hinweis: Parathormon (PTH) und 1,25(OH)2D fördern im Magen-Darm-Trakt die Aufnahme von Magnesium aus
dem Speisebrei. Ein Magnesiummangel kann andererseits die Responderate des Gewebes auf beide Hormone
beeinträchtigen. Bekanntestes Beispiel ist die sogenannte magnesiumabhängige Vitamin-D-resistente Rachitis, die
nur auf eine Magnesiumtherapie anspricht.
#346.11{sidbUymMG7Q}
29.1.6 Vitamin D und Vitamin A
#346.12{sidrVgz24DM}
Auf Rezeptorebene wirkt Vitamin A zusammen mit Vitamin D
#346_348{sidOAiNAjtF}
Mechanismus: Die beiden Prohormone Vitamin D und Retinol werden im Stoffwechsel in ihre hormonaktiven
Formen Calcitriol bzw. 9-cis-Retinsäure umgewandelt. Diese entfalten ähnlich den Sexualhormonen ihre vielfältigen
Wirkungen über die Bindung an eigene Rezeptoren: Vitamin-D-Rezeptor (VDR) für 1,25(OH)2D und RXR für 9-cisRetinsäure (bzw. RAR für all-trans-Retinsäure). VDR und RXR/RAR gehören zur großen Familie der
Steroidhormone. Das Ablesen eines Gens erfolgt erst dann, wenn VDR und RXR am Gen zu einem Molekülverbund
mit zwei unterschied​lichen Untereinheiten, zu einem sogenannten Heterodimer (VDR•RXR) vereinigen.
#348.01{sidFhG9lQS4}
Folgen: Die eigentlichen Effekte von Vitamin D erfolgen also meistens nach Aktivierung über 25(OH)D zum
Vitamin-D-Hormon 1,25(OH)2D über den VDR zusammen mit dem RXR von Vitamin A (→ 9-cis-Retinsäure) (○ Abb.
29.2).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#347{sidbKr2wQUI}
Abb. 29.2 Vitamin D, Magnesium und Vitamin A
#348.02{sidsvQHYWjZ}
Hinweis: Bei vielen Indikationen für Vitamin D kann neben der Supplementierung von 40–60 I. E. Vitamin D pro kg
KG pro Tag die ergänzende Einnahme von Retinol (z. B. 20–30 I. E. Retinol pro kg KG pro Tag) empfohlen werden.
#348.03{sidRVjmhvM3}
29.1.7 Vitamin D und Vitamin B2
#348.04{sidn4xnIK9k}
Riboflavin unterstützt den Vitamin-D-Stoffwechsel
#348_349{sidKLSsYgFL}
Mechanismus: Riboflavin ist in Form von FAD und FMN Schrittmacher von etwa 60 Enzymen. Dabei sind beide
Coenzyme entweder als prosthetische Gruppe reversibel und dissoziabel an Apoenzyme gebunden (z. B. XanthinOxidase und GSH-Reduktase) oder aber kovalent über die 8α-Methylgruppe sehr fest mit dem Apoproteinanteil
verbunden (Bsp. Succinat-Dehydrogenase) in der inneren und die Monoaminoxidase in der äußeren
Mitochondrienmembran. Die von Riboflavin abhängigen Enzyme aus der Gruppe der Mono-Oxygenasen und der
Oxido-Reduktasen sind an den wesentlichen Schritten der Vitamin-D-Synthese involviert. Die Flavoproteine FAD
und FMN spielen beispielweise beim Austausch von Elektronen in der mitochondrialen Elektronentransportkette und
bei der Übertragung von Hydroxyl-Gruppen eine wesentliche Rolle. Hydroxyl-Gruppen übertragende Enzyme wie 24Hydoxylase (24-OHase), die 25-Hydroxylase (25-OHase) und die 1α-Hydroxylase (1α-OHase) werden von Riboflavin
reguliert (○ Abb. 29.3).
#348.05{sidDz30wsV8}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Abb. 29.3 CYP-Enzyme die unter Beteiligung von FAD und FMN an der Synthese und am Abbau von ​Vitamin D beteiligt sind.
Nach Pinto 2014
#349.01{sidH2EuIPHi}
Hinweis: Die Bildung von 25-Hydroxy-Vitamin-D [25(OH)D], 1,25-Dihydroxy-Vitamin D [1,25(OH)2D] sowie der
Abbauprodukte 24,25(OH)2D und 1,24,25(OH)3D von Riboflavin abhängig. Das Ansprechen auf eine Therapie mit
Vitamin D kann durch die Supplementierung von Riboflavin (z. B. 20–60 mg/d, p. o.) optimiert werden. Auch andere
Mikronährstoffe wie Magnesium (siehe oben) und Vitamin C spielen bei der Regulierung des Vitamin-DStoffwechsels eine Rolle.
#349.02{sidKHl0qQpr}
29.1.8 Strontiumranelat und Calcium
#349.03{sid4EX7rjGJ}
Calcium verringert die Resorption von Strontiumranelat
#349.04{sidCDs94x8z}
Mechanismus: Calcium verringert die Strontiumranelatresorption.
#349.05{sidfMlUJrjQ}
Folgen: Verminderte Resorption von Strontiumranelat (→ Abnahme der Bioverfügbarkeit und Wirksamkeit).
#349.06{sid3GqBsnR5}
Hinweis: Ein mehrstündiger Einnahmeabstand (≥ 2h) zwischen Mineralstoffen (Mineralstoffpräparate,
Nahrungsmittel) und Strontiumranelat sollte eingehalten werden. Calcium und calciumhaltige Nahrungsmittel (z. B.
Milch) können die Bioverfügbarkeit von Strontiumranelat um bis zu 70 % verringern. Die Supplementierung von
knochenwirksamen Mikronährstoffen wie Calcium (z. B. 1 500 mg/d, p. o.) und Vit​amin D (z. B. 2 500 I. E./d, p. o.) ist
in jedem Fall empfehlenswert (Einnahmeabstand zu Strontiumranelat!).
#349.07{sidK4xfgL0j}
Literatur
#349.08{sidhezSRb2r}
Adami S et al. Vit​amin D status and response to treatment in post-menopausal osteoporosis. Osteoporos Int, 20 (2):
239–244, 2009
#349.09{sidsYzhidYo}
Berruti A, Cook R, Saad F et al. Prognostic role of serum parathyroid hormone levels in advanced prostate cancer
patients undergoing zoledronic acid administration. Oncologist, 17 (5): 645–652, 2012
#349.10{sidL9TnTNiM}
Berruti A et al. Effect of zoledronic acid treatment based on serum parathyroid hormone levels in patients with
malignant bone disease. Proc Am Soc Clin Oncol 495S: Abstr 8610, 2006
#349.11{sidgZzadhQ8}
Bolton-Smith C, McMurdo ME, Paterson CR et al. Two-year randomized controlled trial of vit​amin K1 (phylloquinone)
and vit​amin D3 plus calcium on the bone health of older women. J Bone Miner Res, 22 (4): 509–519, 2007
#349.12{sidJPJt96V0}
Bruyere O, Reginster JY. Vit​amin D status and response to antiosteoporotic therapy. Womens Health, 4 (5): 445–
447, 2008
#349.13{sidHHf6b4jn}
Cannell JJ, Vieth R, Willett W et al. Cod liver oil, vitamin A toxicity, frequent respiratory infections, and the vitamin D
deficiency epidemic. Ann Otol Rhinol Laryngol, 117 (11): 864–70, 2008
#349.14{sidSlnJNeDY}
Capeci CM et al. Bilateral low-energy simultaneous or sequential femoral fractures in patients on long-term
alendronate therapy. J Bone Joint Surg Am, 91: 2556, 2009
#349.15{sidwXCsPsIY}
Chennuru S et al. Risk factors for symtomatic hypocalcemia complicating treatment with zoledronic acid. Intern Med
J, 38: 635–637, 2008
#349.16{sidZzGVeB6x}
Cheung AM, Tile L, Lee Y, Tomlinson G et al. Vit​amin K supplementation in postmenopausal women with osteopenia
(ECKO trial): a randomized controlled trial. PLoS Med, 5 (10): e196, doi: 10.1371/journal.pmed.0050196, 2008
#349.17{sidoYzZJgIR}
Deane A, et al. The impact of vit​amin D status on changes in bone mineral density during treatment with
bisphosphonates and after discontinuation following long-term use in post-menopausal osteoporosis. BMC
Musculoskelet Disord, 8: 3, 1–8, 2007
#349.18{sidtmKeIaCM}
Favus MJ. Bisphosphonates for osteoporosis. N Engl J Med, 363 (21): 2027–2035, 2010
#349.19{sidrtwQchTc}
Fink M. Pathophysiologie der Kiefernekrose: multifaktoriell und letztlich unklar. InFo Onkologie, 16 (5): 23–25, 2013
#350.01{sid6ytlXpHZ}
Garland CF et al. The role of vit​amin D in cancer prevention. Am J Pub Hlth 96: 252–261, 2006
#350.02{sidXK2LMunx}
Geller JR et al. Increase in bone mass after correction of vit​amin D insufficiency in bisphosphonate-treated patients.
Endocr Prac, 14 (3): 293–297, 2008
#350.03{sidAddAMxJX}
Gigante A, Brugè F, Cecconi S et al. Vit​amin MK-7 enhances vit​amin D3-induced osteogenesis in hMSCs:
modulation of key effectors in mineralization and vascularization. J Tissue Eng Regen Med. Oct 29. doi:
10.1002/term.1627 (Epub ahead of print), 2012
#350.04{sidYSpcX8rS}
Gómez-Alonso C et al. Vit​amin D status and secondary hyperparathyroidism: the importance of 25-hydroxyvit​amin D
cut-off levels. Kidney Int Suppl, 85: 44–48, 2003
#350.05{sidbJp2ICzX}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Gröber U. Bisphosphonate und Vit​amin D. Dtsch Apoth Ztg, 151 (10): 65–67, 2011
#350.06{sidTOooIRdP}
Hirao M et al. Response of serum carboxylated and undercarboxylated Osteocalcin to alendonate monotherapy and
combined therapy with vit​amin K2 in postmenopausal women. J Bone Miner Metab, 26 (3): 260–264, 2008
#350.07{sidlRcFDFeW}
Hollis BW. Circulating 25-hydroxyvit​amin D levels indicative of vit​amin D sufficiency: implications for establishing a
new effective dietary intake recommendation for vit​amin D. J Nutr, 135 (2): 317–322, 2005
#350.08{sid8tGxePdI}
Knapen MH, Drummen NE, Smit E et al. Three-year low-dose menaquinone-7 supplementation helps decrease
bone loss in healthy postmenopausal women. Osteoporos Int (Epub ahead of print), 2013
#350.09{sidlZ5spLpE}
Knapen MH, Schurgers LJ, Vermeer C. Vit​amin K2 supplementation improves hip bone geometry and bone strength
indices in postmenopausal women. Osteoporos Int, 18 (7): 963–972, 2007
#350.10{sidHVGXsRZK}
Lamb JJ, Holick MF, Lerman RH et al. Nutritional supplementation of hop rho iso-alpha acids, berberine, vit​amin D3,
and vit​amin K1 produces a favorable bone biomarker profile supporting healthy bone metabolism in
postmenopausal women with metabolic syndrome. Nutr Res, 31 (5): 347–355, 2011
#350.11{sidS8uvsgcM}
Maalouf NM et al. Bisphosphonate-induced hypocalcemia: report of 3 cases and review of literature. Endocr pract,
12: 48–53, 2006
#350.12{sidUs25JyO5}
Mastaglia SR et al. Vit​amin D insufficiency reduces the protective effect of Bisphosphonate on ovariectomy-induced
bone loss in rates. Bone, 39 (4): 837–844, 2006
#350.13{sidJ8pcsOF1}
Matsuzaki H, Katsumata Sh-i, Kajita Y et al. Magnesium deficiency regulates vitamin D metabolizing enzymes and
type II sodium-phosphate cotransporter mRNA expression in rats. Magnesium Research, 26 (2): 83–86, 2013
#350.14{sidUJgJrpe0}
McCarty MF. Parathyroid hormone may be a cancer promoter – an explanation for the decrease in cancer risk
associated with ultraviolet light, calcium, and vit​amin D. Med Hypothesis 54: 475–482, 2000
#350.15{sidmL4hWvte}
Miljkovic D, Miljkovic N, McCarty M. Up-regulatory impact of boron on vitamin D function – does it reflect inhibition of
24-hydroxylase? Med Hypotheses, 63 (6): 1054–1056, 2004
#350.16{sidmTq9EWGZ}
Murray TM et al. Parathyroid hormone secretion and action: evidence for discrete receptors for the carboxyl-terminal
region and related biological actions of carboxyl-terminal ligands. Endocr Rev 26: 78–113, 2005
#350.17{sidyQw1R3xA}
Pinto JT, Cooper AJ. From cholesterogenesis to steroidogenesis: role of riboflavin and flavoenzymes in the
biosynthesis of vitamin D. Adv Nutr, 5 (2): 144–163, 2014
#350.18{sid5KI9EPdV}
Reddy V, Sivakumar B. Magnesium-dependent vitamin-D-resistant rickets. Lancet, 1 (7864): 963–965, 1974
#350.19{sid0ofjjTFF}
Roelofs AJ et al. Molecular mechanisms of action of bisphosphonats: current status. Clin Cancer Res, 12: 6222–
6230, 2006
#350.20{sidBO6gJ107}
Sasaki H et al. Effects of combination treatment with alendronate and vit​amin K (2) on bone mineral density and
strength in ovariectomized mice. J Bone Miner Matab, 28 (4): 403–409, 2010
#350.21{sidZJRQ5h4B}
Sato T, Schurgers LJ, Uenishi K. Comparison of menaquinone-4 and menaquinone-7 bioavailability in healthy
women. Nutr J, 11: 93. doi: 10.1186/1475-2891-11-93, 2012
#350.22{sidPtWNCQ2x}
Schurgers LJ, Teunissen KJ, Hamulyak K et al. Vit​amin K-containing dietary supplements: comparison of synthetic
vit​amin K1 and natto-derived menaquinone-7. Blood, 109 (8): 3279–3283, 2007
#350.23{sid0AD7lpa9}
Schussheim DH et al. Hypocalcemia associated with alendronate. Ann Intern Med, 130: 329, 1999
#350_351{sidH6B3fbJO}
Sergeev IN, Kim RH, Arkhapchev IuP et al. Metabolism of 25-hydroxyvitamin D3 in the kidney and nuclear receptors
of 1,25-dihydroxyvitamin D3 in small intestine mucosa of rats with vitamin B2 deficiency. Vopr Med Khim, 33 (6):
96–103, 1987
#351.01{sidkibJcB3U}
Shiraki M et al. Vit​amin K2 (menatetrenone) effectively prevents fractures and sustains lumbar bone mineral density
in osteoporosis. J Bone Miner Res, 15 (3): 515–521, 2000
#351.02{sidMd6olzyu}
Shiraki M et al. High level of serum undercarboxylated Osteocalcin in patients with incident fractures during
Bisphosphonate treatment. J Bone Miner Metab, 28 (5): 578–584, 2010
#351.03{sidFO5lmobn}
Tanvetyanon T, Stiff PJ. Management of the adverse effects associated with intravenous bisphosphonats. Ann
Oncol, 17: 897–907, 2006
#351.04{sidQzJn0iE3}
Vieth R. Vit​amin D supplementation, 25-hydroxyvit​amin D concentrations, and safety. Am J Clin Nutr, 69 (5): 842–
856, 1999
#351.05{sidPXtVKC24}
Weinstein RS et al. Giant osteoclast formation and long-term oral Bisphosphonate therapy. N Engl J Med, 360: 53–
62, 2009
#351.06{sidAhFQpyq6}
Yamaguchi M, Weitzmann MN. Vit​amin K2 stimulates osteoblastogenesis and suppresses osteoclastogenesis by
suppressing NF-κB activation. Int J Mol Med, 27 (1): 3–14, doi: 10.3892/ijmm.2010.562, 2011
#352.01{sidgqJN9BFG}
30 Parkinsonmittel
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#352.02{sidbXAamzgu}
Die 1817 von dem Londoner Apotheker und Arzt James Parkinson erstmals beschriebene und nach ihm
benannte Parkinsonkrankheit ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. In Deutschland wird die Zahl
der Betroffenen auf 250 000 bis 400 000 geschätzt. Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter, bei über 60Jährigen liegt sie bei 1 %, bei über 80-Jährigen bei fast 3 %. Etwa 10 % der Betroffenen sind bei Ausbruch der
Krankheit jünger als 40 Jahre.
#352.03{sidN12NPgoe}
30.1 Parkinsonmittel und Mikronährstoffe
#352.04{sidWPlcWJ3m}
Die Parkinsonkrankheit ist eine progrediente degenerative Erkrankung des ZNS. Erste Anzeichen sind ein
rhythmisches Zittern nur einer Hand oder eines Fußes, vor allem in Ruhehaltung. Die mit der Degeneration
dopaminerger Neurone in der Substantia nigra assoziierten Leitsymptome Akinese, Rigor und Tremor sind
Ausdruck des gestörten Gleichgewichts zwischen Dopamin, Glutaminsäure und Acetylcholin. Die Ätiologie der
Parkinsonkrankheit ist weitgehend unbekannt. Ein mehrdimensionaler Krankheitsprozess mit multifaktorieller
Genese ist wahrscheinlich. Neben genetischen Faktoren, Störungen des zerebralen Energiestoffwechsels (CaHomöostase, Komplex-I-Mangel), Umwelteinflüssen (Vergiftungen mit Schwermetallen), einer verstärkten
Freisetzung von Glutamat und neuronaler Apoptose werden vor allem oxidative Schäden für die Neurodegeneration
verantwortlich gemacht:
#352.05{sid7I1q6dm7}
Defekt des mitochondrialen Komplex I (NADH-CoQ-Reduktase): reduzierte ATP-Produktion, erhöhte
Radikalbildung,
#352.06{sidVSyzaGTp}
Eisen, (Aluminium), Neuromelanin,
#352.07{sidzKqU3Vfh}
GSH-Depletion und erhöhte γ-Glutamyl-Transpeptidase-Aktivität in der Substantia nigra,
#352.08{sidzWbFysET}
Homocystein,
#352.09{sidBQEm6ONk}
Hypoxie, Reperfusionsischämie,
#352.10{sidkRgROEEN}
mitochondriale Atmungskette: Superoxid-Leak, nitrosativer Stress,
#352.11{sidwfuVCnwG}
MPTP (= Verunreinigung in Designer-Drogen),
#352.12{sidfArAqtdZ}
Neurotransmitterstoffwechsel: Autoxidation von Katecholaminen, MAO-Aktivität (Fenton-Reaktion, ▸ Kap. 30.1.7).
#352.13{sid5TCSzmhE}
Proteinglykosilierung (AGE-Bildung),
#352.14{sidElFtfWog}
Störung der zellulären Calcium-Homöostase (exzessiver Calcium-Influx),
#352.15{sid5ymJaOVA}
überaktive Mikrogliazellen: Produktion von Zytokinen, Stick- und Superoxiden,
#352.16{sidJFJueXvz}
Überstimulation von NMDA-Rezeptoren durch Glutamat.
#352.17{sid0ScpsfU3}
30.1.1 Mechanismen bei Parkinson
#352.18{sidcFZ1WqO4}
Oxidativer Stress
#352_353{sidECtkWNVP}
Erste Hinweise, dass oxidativer und nitrosativer Stress an den degenerativen Prozessen bei Parkinson beteiligt ist,
basieren auf der Beobachtung, dass die Drogenverunreinigung MPTP bei Mensch und Tier schwere irreversible
parkinsonähnliche Symptome auslöst. MPTP (1-Methyl-4-phenyl-1,2,3,6-tetrahydropyridin) wird durch das Enzym
Monoaminoxidase-B (MAO-B) zum stark neurotoxischen MPP+ umgewandelt. In den nigrostriatalen Nervenzellen
hemmt MPP+ den Enzymkomplex I der mitochondrialen Atmungskette. Eine Blockade des Komplex I (NADHUbichinon-Reduktase) führt zu ATP-Mangel, exzessiver Radikalbildung, GSH-Depletion und schließlich zum
oxidativen Zelluntergang. MAO-B-Hemmer wie Selegelin verhindern bei Mäusen und Primaten die neurotoxische
Wirkung des MPP+.
#353.01{sidRZT3ds5g}
In den Gehirnen verstorbener Parkinsonpatienten finden sich unnormal hohe Konzentrationen prooxidativ wirksamer
Substanzen sowie erhöhte Marker radikalassoziierter Stoffwechselprozesse. Im Vergleich zu gesunden Kontrollen
ist der nigrostriatale GSH-Spiegel signifikant reduziert und die Aktivität des GSH-abbauenden Enzyms γ-GlutamylTranspeptidase gesteigert. In der Substantia nigra ist die Konzentration an freiem Eisen stark erhöht und die des
Eisen bindenden Proteins Ferritin erniedrigt. Zusätzlich finden sich erhöhte Zink- und verminderte
Kupferkonzentrationen.
#353.02{sidNHXyfgxb}
Die pathogenen Mechanismen, die zum oxidativen Zelluntergang dopaminerger Neurone beitragen können sind
komplex. So ist bereits der physiologische Dopaminabbau durch die Monoaminoxidase-B mit der Bildung von H2O2
verbunden. In Gegenwart von Eisen wird H2O2 zum zytotoxischen Hydroxylradikal reduziert. Da die Aktivität der
MAO-B im Alter zunimmt, könnte der damit verbundene Anstieg der Lipidperoxidation zur allmählichen Erschöpfung
des neuronalen GSH-Systems führen. Die wesentliche Eisenquelle in der Substantia nigra bildet das Pigment
Neuromelanin. Mit zunehmendem Alter steigt die Neuromelaninkonzentration in den dopaminproduzierenden
Neuronen an. Bemerkenswert ist, dass bei Parkinsonpatienten im Vergleich zu Kontrollen Eisen und Aluminium in
den Neuromelaningranula akkumulieren. Neuromelanin wirkt bei niedrigem Eisengehalt antioxidativ. Bei einer
Anreicherung prooxidativ wirksamer Übergangsmetalle wie Eisen wird Neuromelanin allerdings selber zum Oxidanz
und steigert die Bildung zytotoxischer Radikale. In den pathologisch veränderten Hirnarealen von Parkinsonpatienten
finden sich hohe Konzentrationen an 3-Nitrotyrosin, einem spezifischen Marker für Peroxynitrit (= Nitrostress).
Peroxynitrit (PON) ist eine hochgradig neuro- und zytotoxische Verbindung, die durch schnelle Reaktion von
Stickstoffmonoxid (NO•) mit Superoxid (•O2–) gebildet wird. Der mitochondriale Enzymkomplex I und die TyrosinHydroxylase werden durch PON gehemmt. Die Bildung von Peroxynitrit wird durch den Superoxid-Leak der
Atmungskette und überaktive Mikrogliazellen, die bei der Phagozytose von geschädigtem Nervenzellmaterial NO•
und •O2– freisetzen, gesteigert.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#353.03{sidi5IgQnj9}
L-Dopa und Eisen bei Restless-Legs-​Syndrom
#353.04{sidIjvSHlMS}
L-Dopa wird nicht nur in der Therapie des Morbus Parkinson eingesetzt, sondern auch bei Restless-Legs-Syndrom.
Das Restless-Legs-Syndrom, RLS (Syndrom der ruhelosen Beine) ist eine neurologische Erkrankung mit einem
erhöhten Bewegungsdrang in den Beinen. In der Umgangssprache wird RLS auch als „Rastloser Schlaf“ bezeichnet.
In Zuständen der Ruhe (z. B. Schlaf) klagen Patienten mit RLS in den Beinen und/oder Füßen über neuropathieartige
Empfindungsstörungen wie Kribbeln, Wärmgefühl oder Schmerzen. Die Missempfindungen lösen bei den
Betroffenen einen unwiderstehlichen Drang aus sich zu bewegen, die Muskulatur anzuspannen oder zu dehnen.
Häufig treten auch unwillkürliche Bewegungen und Schlafstörungen auf.
#353_354{sidtf478Xgj}
Schätzungen zufolge sind etwa 5 bis 10 % der deutschen Bevölkerung von RLS betroffen. Damit wäre die RLS eine
der häufigsten neurologischen Erkrankungen überhaupt. Die Ursachen des RLS sind noch nicht eindeutig geklärt.
Eine zentrale Rolle in der Pathogenese scheint jedoch eine Störung im Neurotransmitter-Haushalt, insbesondere
des Dopamins, zu spielen. Bei RLS-Patienten ist häufig ein niedriger Eisen-Status, zum Teil auch ein Eisenmangel
nachweisbar (Laborparameter: Serum-Ferritin). Eisenmangel scheint die Symptomatik bei RLS zu verstärken. Als
Cofaktor der Tyrosin-Hydroxylase spielt Eisen eine essenzielle Rolle bei der Synthese des Neurotransmitters
Dopamin (○Abb. 30.1).
#354.01{sid6MisnwM2}
Abb. 30.1 Eisenabhängige Biosynthese von Dopamin
#354.02{sidW8H1YDOl}
In einer aktuellen randomisierten, placebokontrollierten doppelblinden Studie an 60 Patienten mit RLS (SerumFerritin ≤ 45 µg/l) wurde der Einfluss der intravenösen Applikation von Eisen (III) auf die RLS-Symptomatik geprüft.
Die Patienten erhielten dabei entweder 1 000 mg Eisensucrose (n= 29) oder 0,9 % Kochsalzlösung intravenös.
Primärer Endpunkt der Studie war der Score auf der RLS Severity Scale (IRLS) in der 11 Woche nach Intervention.
Der mittlere IRLS Score sank dabei bis zur 11. Woche in der Eisengruppe von 24 auf 7 und in der Placebogruppe
von 26 auf 17, der Unterschied war aber statistisch nicht mehr signifikant (p= 0,123). Die Drop-out-Rate betrug in
der Placebogruppe 61 %, gegenüber 17 % in der Eisengruppe, was auf eine bessere Langzeitkontrolle der
Symptome nach intravenöser Eisentherapie schließen lässt. Obwohl die günstige Wirkung von Eisen auf die RLSSymptomatik nach elf Wochen nicht signifikant war, zeigt doch die Studie das Eisen die Symptome kurzzeitig und im
Langzeitverlauf günstig beeinflussen kann.
#354.03{sidkLC4xs85}
Hinweis: Vor der Therapie mit L-Dopa ist abzuklären, ob die Restless-Legs-Beschwerden auf einen
Eisenmangelzustand zurückzuführen sind. Dieser sollte dann durch eine geeignete Eisensubstitution behandelt
werden. Rationale für eine Eisentherapie (p. o., i. v.) sollte bei RLS immer der Eisen-Status (Serum-Ferritin < 50
µg/l) sein. Idealerweise sollte der Ferritinwert über 100 µg/l liegen. Möglicherweise können auch ParkinsonPatienten mit schlechtem Eisen-Status (Ferritin < 50 µg/l) von einer Eisentherapie profitieren. Bei Kindern mit RLS
wird eine Dosierung von 3–6 mg Eisen pro kg Körpergewicht empfohlen.
#355.01{sidLmrHIRxP}
Fallbeispiel
#355.02{sids2GEhPaD}
Die Tochter einer 68-jährigen Parkinsonpatientin, die seit einigen Jahren erfolgreich mit L-Dopa behandelt
wird, wendet sich telefonisch an die betreuende Ärztin mit der Bitte, die Richtigkeit der Verordnung ihrer Mutter
zu überprüfen. Bei der Mutter hat sich seit etwa zwei Wochen der Gang deutlich verschlechtert, sie wirkt sehr
depressiv und weist beim Sprechen eine ausgeprägte mimische Starre auf. Die Minussymptome (Hypo- bzw.
Akinese) des Parkinson-Syndroms, die überwiegend durch einen Dopaminmangel bedingt sind, haben sich
verschlechtert. Nach einiger Überlegung hat die Ärztin eine Idee und erkundigt sich, ob die Mutter seit neuestem
Multivit​amine, vor allem Vit​amin B6, einnimmt. Tatsächlich nahm die betroffene Patientin seit kurzem eine
hochdosierte Vit​amin-B-Kombination (Vit​amin-B-Kplx-100) mit 100 mg Vit​amin B6 ein, den ihr der Sohn von
einer Geschäftsreise aus den USA mitgebracht hatte. Die Ärztin erinnert sich an eine Interaktion zwischen
Vit​amin B6 und L-Dopa und liest in einem Lehrbuch nach: Vit​amin B6 ist Coenzym von L-AminosäureDecarboxylasen und katalysiert die periphere Decarboxylierung von L-Dopa zu Dopamin (○ Abb. 30.2).
Dadurch ist in den nigrostriatalen dopaminergen Nervenendigungen weniger L-Dopa verfügbar, welches zur
aktiven Wirksubstanz Dopamin decarboxyliert werden kann. Parkinsonsymptome wie Rigor, Akinesie und
Tremor treten dadurch verstärkt auf. Die unphysiologisch erhöhten Dopaminspiegel in der Peripherie führen
zudem zu ausgeprägten gastrointestinalen und kardiovaskulären Störungen. Obwohl die Kombination von LDopa mit einem Decarboxylasehemmer (z. B. Carbidopa) die Problematik dieser Interaktion abschwächt, sollte
Vit​amin B6 ohne ärztliche Rücksprache nicht in hohen Dosierungen (über 5–10 mg tgl., p. o.) von den
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
betroffenen Patienten eingenommen werden!
#354.04{sid6XbZW2x7}
Abb. 30.2 Abbaubeschleunigung von L-Dopa durch Enzyminduktion
#355.03{sidXUzLaWct}
30.1.2 L-Dopa und Vit​amin B6
#355.04{sidFKNx2Lh7}
Wirksamkeitsverlust von L-Dopa durch ​Vit​amin B6
#355.05{sidkswhN82u}
Mechanismus: Induktion der L-Dopa-Decarboxylase durch das Coenzym Pyridoxalphosphat in der Peripherie
(wahrscheinlich auch im Gastrointestinaltrakt).
#355.06{sidHUqNtSGN}
Folgen: Beschleunigte Konversion von L-Dopa zu Dopamin in der Peripherie; Abnahme der oralen
Bioverfügbarkeit von L-Dopa; Zunahme der Parkinsonsymptome (z. B. Rigor, Akinesie und Tremor); erhöhtes Risiko
für gastrointestinale und kardiovaskuläre Störungen (z. B. Obstipation, Schwindel, Appetitlosigkeit,
Herzrhythmusstörungen).
#355.07{sidoDWMVbTc}
Hinweis: Parkinsonpatienten, die mit L-Dopa und einem Decarboxylasehemmer (z. B. Carbidopa) therapiert
werden, sollten Vit​amin B6 ohne ärztliche Rücksprache nicht in hohen pharmakologischen Dosierungen (über 5–10
mg/Tag, p. o.) einnehmen.
#355_356{sidL1yTWMx8}
Bis heute hat sich L-Dopa als Goldstandard in der Behandlung des Morbus Parkinson behauptet, mit dem alle
Symptome des Parkinson-Syndroms, insbesondere die Akinese und die psychischen Störungen, gebessert werden.
L-Dopa (Levodopa, L-3,4-Dihydroxyphenylalanin) gelangt bei oraler Applikation durch aktive Resorption aus dem
Duodenum in den systemischen Kreislauf. Aufgrund seiner Aminosäure-Partialstruktur und der Ähnlichkeit zu seiner
biosynthetischen Vorstufe, der natürlichen Aminosäure L-Tyrosin, kann es die Blut-Hirn-Schranke durch einen
aktiven Transport überwinden. Der Na+-unabhängige L-Aminsosäure-Transporter (LAT1) weist Substratselektivität
für große neutrale Aminosäuren mit verzweigtkettigen (z. B. Leucin) oder aromatischen Seitenketten auf. Da bei
alleiniger Gabe von L-Dopa bis zu 90 % der oral applizierten Dosis bereits in der Peripherie abgebaut wird und im
ZNS nur noch etwa 10 % zur Verfügung steht, wird L-Dopa heute ausschließlich in fixer Kombination mit einem
Decarboxylasehemmer (Benserazid, Carbidopa) in einem Mengenverhältnis von 4:1 eingesetzt. Benserazid und
Carbidopa hemmen die periphere Decarboxylierung von L-Dopa zu Dopamin und erhöhen dadurch die zerebrale
Verfügbarkeit von Dopamin. Durch die Kombination werden deutlich geringere Dosierungen von L-Dopa benötigt
und damit auch die peripheren vegetativen Nebenwirkungen reduziert. Vit​amin B6 ist in Form von Pyridoxal-5’Phosphat Coenzym zahlreicher Enzyme, die überwiegend im Aminosäurestoffwechsel eine Rolle spielen. Als
Coenzym von L-Aminosäure-Decarboxylasen beschleunigt das Vit​amin die periphere Decarboxylierung von L-Dopa
zu Dopamin. In den nigrostriatalen dopaminergen Nervenendigungen ist weniger L-Dopa verfügbar, welches zur
aktiven Wirksubstanz Dopamin decarboxyliert werden kann. Die Einnahme höherer Vit​amin-B6-Dosen (z. B.
Supplemente) kann dadurch die Bioverfügbarkeit und damit die Wirksamkeit von L-Dopa erheblich beeinträchtigen
(○Abb. 30.2).
#356.01{sidY9igipRg}
30.1.3 Carbidopa, Benserazid und Niacin
#356.02{sidbfiR3gv0}
Niacin-Depletion durch Decarboxylasehemmer
#356.03{sidPQvkPOSL}
Mechanismus: Hemmung der Kynurenin-Hydroxylase mit der Folge einer reduzierten Synthese von NicotinamidCoenzymen aus L-Tryptophan (60 mg Tryptophan = 1 mg Niacin); zudem können Hydrazine wie Carbidopa
Pyridoxalphosphat binden: Pyridoxal-Hydrazone hemmen die Pyridoxal-Phosphokinase und stören den
Tryptophanmetabolismus.
#356.04{sid3sxtmosI}
Folgen: Verminderte renale N-Methyl-Nicotinamid-Ausscheidung; marginaler Niacinmangel; Störungen des
zentralen Nervensystems (z. B. Ataxien, Verwirrungszustände, Halluzinationen, Demenz).
#356.05{sidhVAp6hoh}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Hinweis: Unter der Therapie mit L-Dopa und Benserazid bzw. Carbidopa sollten Parkinsonpatienten auf eine
adäquate Versorgung von Vit​amin B3 (z. B. 200 mg Niacinamid/d, p. o.) in Form eines Vit​amin-B-Komplexes mit
Folsäure, Vit​amin B6 und B12 achten.
#356.06{sidQpyiVB4a}
Die Ausscheidung von N-Methyl-Nicotinamid kann als Zeichen eines Niacinmangels sowohl nach Gabe von L-Dopa
als unter der Kombination mit einem peripheren Decarboxylasehemmer um bis zu 40 % verringert sein.
#356.07{sidQYeL3DW5}
30.1.4 L-Dopa und Homocystein
#356.08{sid2PERXUp2}
Anstieg der Homocystein-Plasmaspiegel durch L-Dopa
#356.09{sidSauHANOg}
Mechanismus: Methylierung von L-Dopa und Dopamin durch das Enzym Catechol-O-Methyltransferase (COMT),
welches S-Adenosyl-Methionin (SAM) als Methylgruppenüberträger benutzt; aus SAM entsteht nach Übertragung der
Methylgruppe S-Adenosyl-Homocystein (SAH), das durch die SAH-Hydrolase zu Homocystein und Adenosin
umgewandelt wird. L-Dopa kann Plasmaspiegel an Vit​amin B12 (= Coenzyme der Methionin-Synthase) verringern.
#356.10{sidIBKJuUCP}
Folgen: Anstieg der gefäß- und neurotoxischen Aminosäure Homocystein im Plasma (Hyperhomocysteinämie ≥ 10
µmol/l); potenziell erhöhtes Risiko für atherothrombotische Ereignisse, Hirnatrophie, vaskuläre Demenz und
neurokognitive Störungen.
#356.11{sid7lmBfTEL}
Hinweis: Unter der Therapie mit L-Dopa sollten Parkinsonpatienten regelmäßig eine Kombination von Folsäure (z.
B. 0,4–1 mg Metafolin tgl.), Vit​amin B6 (z. B. 5 mg tgl.) und B12 (z. B. 100–1 000 µg tgl.) ergänzen, um einer mit LDopa assoziierten Hyperhomocysteinämie vorzubeugen. COMT-Hemmer vermindern den Abbau von L-Dopa zu 3O-Methyldopa und verringern das Risiko einer durch L-Dopa induzierten Hyperhomocysteinämie.
#356_357{sideP4HV1vZ}
Erhöhte Homocysteinspiegel und erniedrigte erythrozytäre SAM-Konzentrationen finden sich häufig bei
Parkinsonpatienten unter der Medikation mit L-Dopa. Die höchsten Homocysteinwerte werden beim homozygoten
Genotypträger für die C 677 T-MTHFR-Mutation gemessen. Die Metabolisierung von L-Dopa über die Catechol-OMethyltransferase (COMT) führt über den gesteigerten Verbrauch von SAM zu einem Anstieg der neuro- und
gefäßtoxischen Aminosäure Homocystein. Homocystein beeinträchtigt die SAM-abhängige Methylierung von
Phospholipiden, Myelin und Neurotransmittervorstufen, schädigt Neurotransmitter-Rezeptoren und steigert die
Apoptose von Nervenzellen (→ Neurodegeneration). Zur Synthese methylierter Proteine, Neurotransmitter,
Nukleinsäuren, und Phospholipiden dient allen Methyltransferasen das aus Methionin gebildete S-AdenosylMethionin (SAM), welches nach Übertragung der Methylgruppe in Homocystein umgewandelt wird. Die
Methylierungsreaktion und die dafür erforderliche Konzentration an SAM unterliegt im wesentlichen der Kontrolle der
riboflavinabhängigen 5,10-Methylen-Tetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR), der Vit​amin-B12-abhängigen MethioninSynthase (MS) und der Vit​amin-B6-abhänigen Cystathionin-Beta-Synthase (CBS, ○Abb. 30.3).
#357{sidfp8fJebf}
Abb. 30.3 Der Homocysteinstoffwechsel. A: Remethylierung, B: Transsulfurierung, BHMT: Betain-​Homocystein-
Methyltransferase (Leber, Niere)
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#358.01{sidpaocJn4D}
30.1.5 L-Dopa und Vit​amin C
#358.02{sidOZHUHza9}
Vit​amin C kann orale Bioverfügbarkeit von L-Dopa verbessern
#358.03{sidhcoyCck1}
Mechanismus: Vit​amin C kann Resorption von L-Dopa verbessern.
#358.04{sidc3gSWSE5}
Folgen: Anstieg der L-Dopa-Menge im Organismus (AUC) und der maximalen Plasmakonzentration (cmax) von LDopa; Steigerung der oralen Bioverfügbarkeit von L-Dopa bei gleichzeitiger Einnahme mit Vit​amin C.
#358.05{sidz6XdYSTq}
Hinweis: Gleichzeitige Einnahme von L-Dopa mit Vit​amin C (z. B. 200–500 mg tgl.) kann bei älteren
Parkinsonpatienten die L-Dopa-Resorption und damit die altersbedingte Beeinträchtigung der L-DopaBioverfügbarkeit verbessern.
#358.06{siddCwK2qwZ}
30.1.6 L-Dopa, Entacapon und Eisen
#358.07{sid3H9pUC6K}
Eisen vermindert die Resorption von L-Dopa und Entacapon
#358.08{sidv0ZmhYyv}
Mechanismus: Komplexbildung zwischen Eisen und L-Dopa und/oder Entacapon (COMT-Hemmer) im
Gastrointestinaltrakt.
#358.09{sid4678jwMo}
Folgen: Verminderte Resorption und orale Bioverfügbarkeit bei gleichzeitiger Einnahme; Wirksamkeitsverlust von
L-Dopa und des COMT-Hemmers Entacapon.
#358.10{sid1qBmvGgS}
Hinweis: Gleichzeitige Einnahme von Eisensalzen und anderen Mineralstoffpräparaten mit L-Dopa und/oder
Entacapon ist zu vermeiden; ein Einnahmeabstand von 2–3h ist einzuhalten.
#358.11{sidaTIdoBRt}
30.1.7 L-Dopa und Coenzym Q10
#358.12{sidM5hlHeF4}
L-Dopa kann Bedarf an Coenzym Q10 und Antioxidanzien steigern
#358.13{sidFa7wjY2S}
Mechanismus: Bei Synthese, Freisetzung, Wiederaufnahme und enzymatischem Abbau von Neurotransmittern
entstehen permanent reaktive Sauerstoffspezies (ROS) (○ Abb. 30.4):
#358.14{sidmiBXDYLW}
Dopamin + O2 + H2O → H2O2 + NH + 3,4(OH)2 - Phenaylacetaldehyd
#358.15{sidnJs5RZjp}
H2O2 + Fe2 + → •OH + Fe3 + + HO– (Fenton-Reaktion)
#358.16{sidEBr6v0gi}
Der physiologische Dopaminabbau über die Monoaminoxidase-B (MAO-B) bzw. Autoxidation von Dopamin führt zur
Bildung von Wasserstoffperoxid (H2O2).
#358.17{sid6O9eMYue}
Abb. 30.4 Der Dopaminstoffwechsel als Quelle für Oxidativen Stress
#358.18{sid8cr81iJV}
Folgen: Abfall der Antioxidanzienspiegel in Plasma und Zerebrospinalflüssigkeit (z. B. Coenzym Q10, Vit​amin E,
GSH). Prooxidative Effekte bei der Metabolisierung von L-Dopa können Bedarf an Antioxidanzien (z. B. Coenzym
Q10, GSH) steigern.
#359.01{sidoXvXvk91}
Hinweis: Der adjuvante Einsatz antioxidativ und neuroprotektiv wirksamer Mikronährstoffe wie Coenzym Q10 (z. B.
5–20 mg/Ubichinol/kg KG tgl., p. o.) sollte bei Parkinsonpatienten so früh wie möglich (ab Diagnose) erfolgen.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#359.02{sidu60lD3Uq}
Studien: Coenzym Q10 (Ubichinon/Ubichinol) und Antioxidanzien wie L-Glutathion oder Vit​amin E stellen eine
pathogenetisch sinnvolle Ergänzung zur herkömmlichen Therapie des Parkinson-Syndroms dar und können dazu
beitragen die Krankheitsprogression zu verlangsamen. Nach einer aktuellen Studie an Morbus-Parkinson-Patienten
im Frühstadium dürfte der Richtwert für therapeutisch wirksame Coenzym-Q10Plasmaspiegel bei etwa ≥ 4 µg/ml
liegen. Vier mitochondriale Multienzymkomplexe der Atmungskette sind für den Wasserstoff- bzw.
Elektronentransport im Rahmen der zellulären ATP-Produktion verantwortlich. Wasserstoff und Elektronen werden
durch die genannten Enzymkomplexe von den reduzierten wasserstoffübertragenden Coenzymen zum Sauerstoff
transportiert, wobei die oxidierten wasserstoffübertragenden Coenzyme und Wassser entstehen. Der mit Abstand
größte Enzymkomplex ist die NADH-Ubichinon-Oxidoreduktase, die auch als Komplex I bezeichnet wird. Im
Vergleich zu gesunden Kontrollen ist bei Parkinsonpatienten die Aktivität des Komplex I und die Coenzym-Q10Konzentration in der Substantia nigra reduziert. Eine enge Korrelation besteht auch zwischen der Aktivität des
Komplex I und den Coenzym-Q10-Spiegeln im Plasma und den Thrombozyten, die bei Patienten mit Parkinson
häufig verringert sind. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Supplementierung von Coenzym Q10
(Ubichinon) bei Parkinsonpatienten die Aktivität des Komplex I steigern und die Parkinson-Symptomatik
(UPDRS/Parkinson-Skala) signifikant verbessern kann. Bemerkenswert ist, dass die orale Gabe von Coenzym Q10
und Nicotinamid bei Mäusen die durch das Neurotoxin MPTP (Aktivierung durch MAO-B) induzierte Degeneration
nigrostriataler dopaminerger Neurone signifikant reduziert.
#359.03{sidPN38x0mi}
30.1.8 L-Dopa und Nahrungsprotein
#359.04{sidh1TQ1XJd}
Proteinreiche Mahlzeiten vermindern die Wirkung von L-Dopa
#359.05{sidj7vSJclB}
Mechanismus: Aminosäuren aus der Nahrung (z. B. verzweigtkettige Aminosäuren) können bei proteinreicher
Ernährung die Aufnahme von L-Dopa über die Blut-Hirn-Schranke beeinträchtigen (kompetitive Hemmung: LAminosäure-Transporter, LAT1).
#359.06{sidjLjrAsT0}
Folgen: Verminderte orale Bioverfügbarkeit bei Einnahme zu proteinreicher Mahlzeiten; Wirksamkeitsverlust von LDopa möglich.
#359.07{sidZK14aoMU}
Hinweis: L-Dopa sollte in einem mehrstündigen Abstand (2–3h) zu proteinreichen Mahlzeiten eingenommen
werden. Eine kohlenhydratbetonte Ernährung hat einen günstigen Einfluss auf die Wirkung von L-Dopa. Eine
Harnansäuerung durch die schwefelhaltige Aminosäure Methionin kann die renale Elimination von Anticholinergika
(schwache Basen) beschleunigen und ihre Wirkung abschwächen.
#359.08{sidWnyGsOE5}
Literatur
#359.09{sidll9rrr4N}
Abdin AA, Hamouda HE. Mechanism of the neuroprotective role of coenzyme Q10 with or without L-dopa in
rotenone-induced parkinsonism. Neuropharmacology, 55 (8): 1340–1346, 2008
#359.10{sidIoA06him}
Beal MF et al. Coenzyme Q10 attenuates the 1-methyl-4-phenyl-1,2,3,tetrahydro-pyridine (MPTP) induced loss of
striatal dopamine and dopaminergic axons in aged mice. Brain, Res, 783 (1): 109–114, 1998
#359.11{sidSxtFiI7z}
Bender DA et al. Niacin depletion in parkinsonian patients treated with L-dopa, benserazide and carbidopa. Clin
Sci, 56 (1): 89–93, 1979
#359.12{sidZSKRY9Uy}
Bianchine JR, Shaw GM. Clinical pharmacokinetics of levodopa in parkinson‘s disease. Clin Pharmacokinet, 1 (5):
313–338, 1976
#359.13{sidJ7dvihOo}
Bracco F, Malesani R, Saladini M, Battistin L. Protein redistribution diet and antiparkinsonian response to levodopa.
Eur Neurol., 31(2): 68–71, 1991
#359.14{sidzAiO6ZVh}
Buhmann C et al. Plasma and CSF markers of oxidative stress are increased in parkinson’s disease and influenced
by antiparkinsonian medication. Neurobiol Dis, 15 (1): 160–170, 2004
#360.01{sidh5RSmWKo}
Cheng H et al. Levels of L-methionine S-adenosyltransferase activity in erythrocytes and concentrations of Sadenosylmethionine and S-adenosylhomocysteine in whole blood of patients with Parkinson’s disease. Exp
Neurol, 145(2 Pt 1): 580–585, 1997
#360.02{sidl57JKFJf}
Costa-Mallen P, Gatenby C, Friend S et al. Brain iron concentrations in regions of interest and relation with serum
iron levels in Parkinson disease. J Neurol Sci, 378:38–44, 2017
#360.03{sidLPM5tpPP}
Dosman C, Witmans M, Zwaigenbaum L. Iron‘s role in paediatric restless legs syndrome – a review. Paediatr Child
Health, 17 (4): 193–197, 2012
#360.04{sidPQfN2vmh}
Ebadi M et al. Ubiquinone (coenzyme q10) and mitochondria in oxidative stress of parkinson’s disease. Biol Signals
Recept, 10 (3–4): 224–253, 2001
#360.05{sidYdTOiqQa}
Gorgone G, Currò M, Ferlazzo N et al. Coenzyme Q10, hyperhomocysteinemia and MTHFR C677T polymorphism in
levodopa-treated Parkinson‘s disease patients. Neuromolecular Med, 14 (1): 84–90, 2012
#360.06{sidVqAMxq4v}
Gröber U. Eisen bei Restless legs Syndrom. Dtsch Apoth Ztg, 150 (4): 104–107, 2010
#360.07{sidMLdmJRbe}
Gröber U. Orthomolekulare Medizin. Ein Leitfaden für Ärzte und Apotheker. 3. Aufl., Wissenschaftliche
Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2008
#360.08{sidpxt3U5Yt}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Grote L et al. A randomized, double-blind, placebo controlled, multi-center study of intravenous iron sucrose and
placebo in the treatment of restless legs syndrome. Mov Disord, 24 (10): 1445–1452, 2009
#360.09{sidOIzICVlj}
Juncos JL et al. Dietary influences on the antiparkinsonian response to levodopa. Arch Neurol, 44 (10):1003–1005,
1987
#360.10{sidHfkIzWHg}
Liu J, Wang LN, Zhan SY, Xia Y. WITHDRAWN: Coenzyme Q10 for Parkinson‘s disease. Cochrane Database Syst
Rev, 5: CD008150, 2012
#360.11{sid699Fk9Gk}
Mars H. Effect of chronic levodopa treatment on pyridoxine metabolism. Neurology, 25 (3): 263–266, 1975
#360.12{sidj0iNerWE}
Martin-Bastida A, Pietracupa S, Piccini P. Neuromelanin in parkinsonian disorders: an update. Int J Neurosci, 11: 1–
8, doi: 10.1080/00207454.2017.1325883, 2017
#360.13{sidFcbYmDXU}
Mischley LK, Allen J, Bradley R. Coenzyme Q10 deficiency in patients with Parkinson‘s disease. J Neurol Sci, 318
(1–2): 72–75, 2012
#360.14{sidFPQkC69a}
Müller T. et al. Levodopa-associated increase of homocysteine levels and sural axonal neurodegeneration. Arch
Neurol, 61 (5): 657–660, 2004
#360.15{sid85wt27Yx}
Müller T et al. Coenzyme Q10 supplementeation provides mild symptomatic benefit in patients with Parkinson’s
disease. Neurosci Lett, 341 (3): 201–204, 2003
#360.16{sidxqms2Gai}
Nagayama H et al. The effect of ascorbic acid on the pharmakokinetics of levodopa in elderly patients with
parkonson disease. Clin Neuropharmacol, 27 (6): 270–273, 2004
#360.17{sidpghb37cH}
O’Suilleabhain PE et al. Modest increase in plasma homocysteine follows levodopa initiation in Parkinson’s
disease. Mov Disord, 19 (12): 1403–1408, 2004
#360.18{sidQkSB1eLv}
Pincus JH, Barry KM. Influence of dietary protein on motor fluctuations in Parkinson‘s disease. Arch Neurol, 44: 270–
272, 1987
#360.19{sidgAvrb3qW}
Pincus JH, Barry KM. Dietary method for reducing fluctuation in Parkinson‘s disease. Yale J Biol Med, 60 (2): 133–
137, 1987
#360.20{sid9WyzVjmu}
Rizzo G, Manners D, Testa C et al. Low brain iron content in idiopathic restless legs syndrome patients detected by
phase imaging. Mov Disord (Epub ahead of print) 2013
#360.21{sidZnI2Nnl5}
Rogers JD et al. Elevated plasma homocysteine levels in patients treated with levodopa: association with vascular
disease. Arch Neurol, 60 (1): 59–64, 2003
#360.22{sidkNsGB2Cb}
Sacks W, Simpson GM. Letter: Ascorbic acid in levodopa therapy. Lancet, 1 (7905): 527, 1975
#360.23{sidXzBmCGdg}
Sanchis G et al. Effect of a controlled low-protein diet on the pharmacological response to levodopa and on the
plasma levels of L-dopa and amino acids in patients with Parkinson‘s disease. Arch Neurobiol, 54 (6): 296–302,
1991
#360.24{sidcz3SZg3Z}
Satja P et al. Restless legs syndrome: pathophysiology, diagnosis and treatment. CNS Drugs, 22: 497–518, 2008
#360.25{sidlTBrdOs7}
Shults CW et al. A possible role of coenzyme Q10 in the etiology and treatment of Parkinson’s disease. Biofactors, 9
(2–4): 267–272, 1999
#360.26{sidafURKEDO}
Shults CW et al. Effects of coenzyme Q10 in early Parkinson disease: evidence of the functional decline. Arch Neurol,
59 (10): 1541–1550, 2002
#360_361{sidFSzbJ4jR}
Storch A, Jost WH, Vieregge P et al. Randomized, double-blind, placebo-controlled trial on symptomatic effects of
coenzyme Q(10) in Parkinson disease. Arch Neurol, 64 (7): 938–944, 2007
#361.01{sidOejdSQuf}
Trenkwalder C, Winkelmann J, Oertel W et al. Ferric carboxymaltose in patients with restless legs syndrome and
nonanemic iron deficiency: A randomized trial. Mov Disord, doi: 10.1002/mds.27040, 2017
#361.02{sidt6mprdou}
Trovato A et al. Drug-nutrient interactions. Am Family Phys, 44: 1651–1658, 1991
#361.03{sidvwRzmAsE}
Wurtman R et al. Facilitation of levodopa-induced dyskinesias by dietary carbohydrates. NEJM, 319: 1288–1289,
1988
#361.04{sidUet2rJrN}
Yang H, Yang M, Guan H et al. Mitochondrial ferritin in neurodegenerative diseases. Neurosci Res (Epub ahead of
print), 2013
#361.05{sid6L5DLNJj}
Yoritaka A, Kawajiri S, Yamamoto Y et al. Randomized, double-blind, placebo-controlled pilot trial of reduced
coenzyme Q10 for Parkinson‘s disease. Parkinsonism Relat Disord; 21 (8): 911–916, 2015
#361.06{sidocF8bNMB}
Zoccolella S et al. Plasma homocysteine levels in Parkinson’s disease: role of antiparkinsonian medications.
Parkinsonism Relat Diord, 11 (2): 131–133, 2005
#362.01{sidvr9qSMxz}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
31 Psychopharmaka: Antidepressiva, ​N
euroleptika und
Psychostimulanzien
#362.02{siddhCabz7L}
Neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen müssen im Jahr 2020 nach Schätzungen der WHO die Depressionen zu
den häufigsten Erkrankungen in den modernen Industrienationen gezählt werden. Das
Bundesgesundheitsministerium schätzt, dass über vier Millionen Menschen in Deutschland derzeit von einer
Depression betroffen sind. Die in der Therapie von Depressionen eingesetzten Antidepressiva wie z. B. die
selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) zählen bereits heute zu den weltweit am häufigsten
verordneten Arzneimitteln. Ihr primäres Einsatzgebiet ist die Pharmakotherapie depressiver Störungen. In den
vergangenen 20 Jahren hat in Deutschland der Anteil der SSRI an den verordneten Antidepressiva stetig
zugenommen. Aufgrund der weltweit hohen und zunehmenden Prävalenz depressiver Störungen gehören die
SSRI mittlerweile zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln in der gesamten ​Medizin.
#362.03{sidgVoimfDV}
31.1 Antidepressiva, Neuroleptika und Mikronährstoffe
#362.04{sidaguYCa1r}
Die Ergebnisse verschiedener Studien geben besorgniserregende Hinweise darauf, dass die Therapie mit SSRI
wie Paroxetin in den ersten Behandlungsmonaten die Suizidneigung bei depressiven Patienten signifikant erhöhen
kann (○Abb. 31.1, ○Abb. 31.2). Im Vergleich zu Placebo verdoppeln SSRI die Häufigkeit von Verhaltensstörungen
wie Ängstlichkeit, oppositionelles Verhalten, Aggressivität und Wutausbrüche. Diese unerwünschten Wirkungen
könnten dazu beitragen, dass die Selbsttötungstendenz unter einer antidepressiven Therapie deutlich gesteigert
wird. Die potenzielle Suizidalität wird Studien zu folge nicht nur bei Erwachsenen, sondern vor allem bei Kindern und
Jugendlichen erhöht. Nach Empfehlungen der europäischen Zulassungsbehörde EMEA (European Medicines
Agency) sollen daher bei Kindern und Jugendlichen keine SSRI mehr eingesetzt werden.
#363.01{sid4p6lzMO8}
Abb. 31.1 Monatliche Erfassung des Suizidrisikos bei Patienten aus Ontario (Alter ab 66 Jahre). Während des ersten
Behandlungsmonats ist die Suizidneigung unter SSRI fünffach höher im Vergleich zu anderen Antidepressiva (p = 0,0009).
#363.02{sidsRjYdvab}
Abb. 31.2 Suizidspektrum bei Patienten aus Ontario (Alter ab 66 Jahre) nach Beginn einer antidepressiven Therapie mit SSRI
gegenüber anderen Antidepressiva
#364.01{sidDH0LDBon}
Tab. 31.1 Nebenwirkungen der SSRI
#364.02{sidpu4xY2mE}
Nebenwirkung
Organ
#364.03{sidjrTJ4RnE}
Auge
Akkomodationsstörungen, Sehstörungen
#364.01{sidDH0LDBon}
Tab. 31.1 Nebenwirkungen der SSRI
#364.02{sidpu4xY2mE}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Nebenwirkung
Organ
#364.04{sidhTjy2lLi}
Nervensystem
#364.05{sidh9IL3IrH}
Psyche
#364.06{sid6dd0bDKZ}
Herz
#364.07{sidgRYQqfgw}
Herz-Kreislauf-System
#364.08{sidaCJnJKTS}
GIT
#364.09{sid6bhvkL0r}
Nieren- und Harnwege
#364.10{sidKvhO2dFw}
Ohren
#364.11{sidow02MP3g}
Muskulatur
Kopfschmerzen, Tremor, Schwindel, Migräne, Parästhesien
Agitiertheit, Halluzinationen, Nervosität, Schlafstörungen, Libidoabnahme,
Konzentrationsstörungen, Manie, Panikattacken, Suizidversuche
Palpitationen, Herzrhythmusstörungen (z. B. Tachykardie)
Hypertonie, Hypotonie
Dyspepsie, Mundtrockenheit, Obstipation, Flatulenz, Schleimhautblutungen
Miktionsstörungen, Polyurie
Tinnitus
Myalgie
#362.05{sidkGYahz6a}
Neben der Diskussion um den Anstieg der Suizidalität unter der Therapie mit SSRI wird zunehmend auch die
Effektivität der konventionellen Antidepressiva in Frage gestellt. Nach einer Analyse von 47 Studien, die der
amerikanischen Aufsichtsbehörde zwischen 1987 und 1999 für die Zulassung von Citalopram, Paroxetin, Fluoxetin,
Nefazodon, Sertralin und Venlafaxin vorgelegt wurden, macht der Placeboeffekt zwischen 68 bis 89 % des
Verumeffekts aus. Möglicherweise ist der Erfolg noch geringer, da bei der Berechnung neun Studien
unberücksichtigt blieben, die keinen signifikanten Unterschied ergaben. Der Umstand, dass Antidepressiva im
Vergleich zu Placebo als wirkschwache Arzneimittel gelten, wird zum Teil als „dirty little secret“ bezeichnet.
#362_363{sidayC0WUE6}
Aufgrund der begrenzten Wirksamkeit und hohen Nebenwirkungsrate der konventionellen Antidepressiva sollte in
der Therapie von leichten und mittelgradigen Depressionen grundsätzlich neben psychotherapeutischen Verfahren
über natürliche Alternativen nachgedacht werden. Depressive Patienten weisen häufig eine unzureichende
Versorgung mit gehirnaktiven Mikronährstoffen auf, die für den gesunden Neurotransmitterstoffwechsel und die
reibungslose Hirnfunktion eine wesentliche Voraussetzung bilden. Darunter sind vor allem die Nervenvit​amine
Folsäure und Vit​amin B12, die maritimen Gehirnfettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure
(DHA) sowie die stimmungsaufhellend wirkenden Aminosäuren S-Adenosylmethionin und L-Tryptophan zu nennen.
Der kontrollierte Einsatz von diesen Mikronährstoffen kann Studien zufolge die erfolgreiche Therapie von unipolaren
und bipolaren Depressionen erweitern, die Pharmakotherapie optimieren und den Bedarf an Antidepressiva senken
sowie die Lebensqualität der betroffenen Patienten deutlich verbessern.
#363.03{sidulwySLOu}
31.1.1 SSRI und Folsäure
#363.04{sidSj4pwlkH}
Folsäuremangel beeinträchtigt Wirksamkeit von SSRI
#363.05{sidcRLK4IaD}
Mechanismus: Suboptimaler Folsäurestatus (Serum: < 3,5 ng/ml) beeinträchtigt Responderrate auf antidepressive
Therapie mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI, z. B. Sertralin, Fluoxetin); Mangel an Folsäure
und Vit​amin B12 stören SAM-abhängige Methylierung im Nervensystem, erhöhen das neurotoxische Homocystein
und können die Entwicklung von Depressionen fördern, die Verfügbarkeit von Serotonin im ZNS sinkt bei
Folsäuremangel.
#364.12{sidlxm9et8O}
Folgen: SSRI-Resistenz ↑; Ansprechrate auf SSRI-Therapie ↓; Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l).
#364.13{sid1A5U7gE1}
Hinweis: Unter einer Therapie mit Antidepressiva (v. a. SSRI) sollte der Folsäure- und Vit​amin-B12-Status
(Vit​amin-B12-Mangel: Vit​amin B12 (Serum): < 450 ng/l; Holo-TC (Plasma): < 70 pmol/l; MMS (Serum): > 40 µg/l;
MMS (Urin): ≥ 1,60 mg/g Kreatinin) sowie die Homocystein-Plasmaspiegel kontrolliert werden, am besten ab dem
Zeitpunkt der Diagnosestellung, und regelmäßig Folsäure (z. B. 1–2 mg Metafolin tgl., p. o.) in Kombination mit
Vit​amin B12 (1 000–2 000 µg tgl., p. o.) und Vit​amin B6 eingenommen werden.
#364.14{sidCfX79LDI}
Studien: Verschiedene Studien belegen, dass depressive Patienten häufig einen unzureichenden Folsäure- und
Vit​amin-B12-Status aufweisen. Beide Vit​amine besitzen eine zentrale Stellung bei der Regulation und Synthese von
Neurotransmittern (○Abb. 31.3). Das Auftreten ​depressiver Symptome ist häufig auch mit erhöhten
Homocysteinplasmaspiegeln (Hcy ≥ 10 µmol/l) assoziiert. Der Erfolg und die Ansprechrate einer antidepressiven
Therapie mit SSRI kann durch die adjuvante Folsäuregabe signifikant verbessert werden.
#364.15{sidmtfdgmwR}
In einer aktuellen Studie an 110 Patienten mit schwerer Depression, die innerhalb einer achtwöchigen Therapie mit
Fluoxetin auf das Antidepressivum angesprochen hatten, wurde auch der Folsäure- und Vit​amin-B12-Status sowie
der Homocysteinspiegel erfasst. Als Endpunkt zur Erfassung der Therapieresponse und der Verbesserung der
depressiven Symptome galt eine 30%ige Abnahme der Symptomatik auf der Hamilton-Depressions-Skala. Dabei
wurde festgestellt, dass die Patienten mit niedrigen Folsäurespiegeln von weniger als 2,5 ng/ml deutlich später (im
Mittel 1,5 Wochen) auf die Fluoxetin-Therapie ansprachen, als Patienten mit normalen Folsäurestatus (p = 0,0028).
Der Vit​amin-B12-Status und der Homocysteinspiegel zeigten in dieser Studie jedoch keinen Einfluss auf den
Zeitpunkt der Therapieresponse.
#364_365{sidoy1j5opy}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Die Ergebnisse dieser Studie belegen, eine signifikante Korrelation zwischen dem Serum-Folatspiegel und dem
Zeitpunkt der klinischen Besserung unter der Therapie mit Fluoxetin, wobei Patienten mit niedrigem Folsäurestatus
einen deutlich verzögerten Eintritt der Besserung zeigten gegenüber Patienten mit normalem Folsäurestatus. Die
gleiche Arbeitsgruppe konnte bereits in früheren Studien nachweisen, dass niedrige Serumfolatspiegel bei
Patienten unter einer Therapie mit Fluoxetin auch einen Rückfall begünstigen.
#365.01{sidFxndcnY2}
Abb. 31.3 Biosynthese von Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin
#365.02{sid57VZl7mf}
31.1.2 Antidepressiva und SAM
#365.03{sidzRXTjfIt}
S-Adenosylmethionin (SAM) gleich wirksam wie Imipramin in der Therapie von Depressionen
#365.04{sid7WqOq3Km}
Mechanismus: SAM steigert die Verfügbarkeit von Serotonin und Noradrenalin und hat einen synergistischen
Effekt in Kombination mit Folsäure und Vit​amin B12 im Hinblick auf die antidepressive Wirksamkeit von trizyklischen
Antidepressiva (z. B. Imipramin).
#365.05{sidXU3o5b8F}
Folgen: Der therapeutische Bedarf an synthetischen Antidepressiva kann durch SAM reduziert und die
Responderrate auf trizyklische Antidepressiva erhöht werden.
#365_366{sid1idCp6Sv}
Hinweis: SAM (2–4 × 400 mg/d, p. o.) kann das antidepressive Wirkspektrum der klassischen Antidepressiva (z.
B. Imipramin) erweitern und auch deren therapeutische notwendige Dosis erheblich verringern. Die begleitende
Gabe von Folsäure und Vit​amin B12 ist bei jeder Therapie mit SAM im Hinblick auf den Homocystein- bzw.
Methylgruppenstoffwechsel in jedem Fall empfehlenswert.
#366.01{sidSU9Jl27C}
Studien: In Studien an Patienten mit Depressionen und Burnout-Syndrom konnten ​verringerte Spiegel an SAM in
der Zerebrospinalflüssigkeit nachgewiesen werden. Ein Mangel an 5-Methyl-Tetrahydrofolsäure und/oder Vit​amin
B12 stört S-Adenosyl-Methionin(SAM)-abhängige Methylierungsreakionen im Nervensystem und beeinträchtigt als
Folge die Verfügbarkeit und Utilisation verschiedener Neurotransmitter (z. B. Noradrenalin). SAM ist zusammen mit
Eisen, Folsäure und Tetrahydrobiopterin (BH4) am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt bei der Biosynthese von
Dopamin, Nor​adrenalin und Adrenalin bzw. Serotonin über das Enzym Tyrosin- bzw. Tryptophan-Hydroxylase
beteiligt (○Abb. 31.4). Die Ergebnisse verschiedener Studien belegen, dass die Supplementierung von SAM auch
die Verfügbarkeit von Serotonin im ZNS steigert. Eine unzureichende Verfügbarkeit von 5-Methyl-Tetrahydrofolsäure
und/oder Vit​amin B12 führt darüber hinaus zu einem Anstieg des Homocysteins, dem neurotoxischen
Stoffwechselmetabolit des Methyl-Gruppen-Stoffwechsels, der zusätzlich die Ausprägung und Entwicklung
neuropsychiatrischer Phänomene nachteilig beeinflussen kann.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#366.02{sid68Wtmnxs}
Abb. 31.4 Synthese von Neurotransmittern aus Aminosäuren mithilfe von SAM und B-Vit​aminen
#366.03{sidKAATFMbk}
In einer aktuellen Multizenterstudie an Patienten mit moderaten bis schweren Depressionen (HAMD-Score ≥ 18)
wurde die Wirksamkeit von SAM (n = 143: 1 600 mg SAM/d, p. o., oder n = 147: 400 mg SAM i. m.) mit der von
Imipramin (n = 148: 150 mg IMI/d, p. o.) verglichen. Dabei konnte im Hinblick auf die Effektivität von Imipramin im
Vergleich zur oralen oder parenteralen SAM-Gabe kein wesentlicher Unterschied festgestellt werden. SAM war
genauso effektiv wie Imipramin, jedoch war die Nebenwirkungsrate in der SAM-Gruppe deutlich geringer als in der
Imipramin-Gruppe.
#366_367{sidKJcrjOI7}
Die parenterale und orale Applikation von SAM ist mit einem signifikanten Anstieg der SAM-Konzentrationen in der
Cerebrospinalflüssigkeit assoziiert. In zahlreichen randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudien, in
denen die Effektivität von SAM (2–4 × 400 mg SAM/d, p. o.) im Vergleich zu synthetischen Antidepressiva
untersucht wurde, ist eine vergleichbare Wirksamkeit bei einer besseren Verträglichkeit von SAM gezeigt worden.
S-Adenosylmethionin (SAM) spielt als wichtigster Methylgruppendonator im Intermediärstoffwechsel eine zentrale
Rolle bei der Synthese von Phospholipiden, Neurotransmittern und zerebralen Polyaminen sowie bei der
Regulierung bioelektrischer Vorgänge (○Abb. 31.5). Die antidepressive Wirkung dürfte nach den Ergebnissen
tierexperimenteller Studien unter anderem auf einer Steigerung der zerebralen Polyaminsynthese beruhen.
#367.01{sidXOdmFzSa}
Abb. 31.5 Stoffwechsel der Aminosäure L-Methionin bzw. S-Adenosyl-Methionin
#367.02{sid8olKFlXP}
31.1.3 Antidepressiva und Omega-3-Fettsäuren (DHA/EPA)
#367.03{sidKZVK7M8s}
EPA und DHA unterstützen die Wirksamkeit von Antidepressiva
#367.04{sidBDj2BTYB}
Mechanismus: EPA und DHA modulieren den Neurotransmitterstoffwechsel im ZNS (z. B. Synthese, Aufnahme
und Re-Uptake von Dopamin und Serotonin, Rezeptorbindung), steigern die Fluidität und Stabilität der
Nervenzellmembranen, wirken stimmungsaufhellend.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#367.05{sidt8sGqCnx}
Folgen: Harmonisierung der Signalübertragung im Neurotransmitterstoffwechsel (z. B. Dopamin, Serotonin),
Steigerung der neuronalen Bioverfügbarkeit an Serotonin, Unterstützung der antidepressiven Wirkung (→ EPA/DHA:
„Mood stabilizer“).
#367.06{sidLB3v1t8S}
Hinweis: Die Supplementierung von EPA/DHA (z. B. 2 000 mg/d, p. o.) kann die Wirksamkeit der Antidepressiva
(z. B. SSRI) verbessern und gleichzeitig deren Bedarf verringern.
#367_368{sidsDWd2xSX}
Auch entzündliche Mechanismen sind an der Entstehung von Erkrankungen des ZNS wie Depressionen und
Demenz beteiligt. Proinflammatorische Zytokine (z. B. TNF-α) können in den Stoffwechsel der Aminosäure LTryptophan eingreifen und die Verfügbarkeit an Serotonin (○Abb. 31.6) verringern. Neuroinflammatorische Prozesse
begünstigen hierüber die Entwicklung von Depressionen. Omega-3-Fettsäuren wie EPA und DHA wirken diesen
Prozessen entgegen und steigern die Verfügbarkeit an Serotonin. Omega-3-Fettsäuren gelten auch als eine
sinnvolle präventive und therapeutische Option in der Behandlung von Psychosen.
#368.01{sid3csVpb3G}
31.1.4 Antidepressiva und Vitamin D
#368.02{sidT58rzm6c}
Vitamin D verbessert die antidepressive Wirkung
#368.03{sidk0lbRqIY}
Mechanismus: Vitamin D ist essenziell für Gehirnmorphologie, Neuroplastizität, neuronale Differenzierung und
Reifung, Synthese von neurotrophen Faktoren (z. B. Glial-cell line derived neurotrophic factor, GDNF: körpereigener
Nervenwachstumsfaktor, von Gliazellen produziert, ist eine Art Lebenselixier für alternde Nervenzellen). Zudem
schützt Vitamin D die Nervenzellen aufgrund seiner ausgeprägten antientzündlichen und antioxidativen Wirkung und
reduziert den neuronalen Calciumstress. Die Verfügbarkeit an Neurotransmittern (z. B. Serotonin, Dopamin) wird
durch das Neurosteroid 1,25(OH)2D verbessert.
#368.04{sidej7B1JdI}
Folgen: Harmonisierung der Signalübertragung im Neurotransmitterstoffwechsel (z. B. Serotonin), Steigerung der
neuronalen Bioverfügbarkeit an Serotonin, Verbesserung der antidepressiven Wirkung (→ 1,25(OH)2D: „Mood
stabilizer“).
#368.05{sidwm8pJQ6J}
Hinweis: Die Supplementierung von Vitamin D (z. B. 40–60 I. E. Vitamin D pro kg KG pro Tag) kann die
Wirksamkeit der Antidepressiva (z. B. SSRI) verbessern und gleichzeitig deren Bedarf verringern.
#368.06{sidNuOgrbE4}
Studien: In einer 8-wöchigen Doppelblinden und placebokontrollierten Interventionsstudie an 42 Patienten mit
Depressionen war die Kombination von 1 500 I. E. Vitamin D kombiniert mit 20 mg Fluoxetin in der Kontrolle der
depressiven Symptome einer Monotherapie mit Fluoxetin signifikant überlegen.
#368.07{sideAsabBM7}
Der Vitamin-D-Rezeptor (VDR) wird in verschiedenen Teilen des Gehirns exprimiert. Dazu zählen: basales
Vorderhirn, Caudate und Putamen, Cerebellum, Corpus geniculatum laterale, Gyrus cinguli, Hypothalamus,
präfrontaler Cortex, Mesencephalon, Substantia nigra und Thalamus. Das Enzym 1α-OHase, welches für die
Umwandlung von 25(OH)D in seine hormonaktive Form 1,25(OH)2D verantwortlich ist, konnte in vielen Regionen des
Gehirns (z. B. Hippokampus, Mittelhirn) zusammen mit dem VDR nachgewiesen werden. Darüber hinaus konnte
gezeigt werden, dass VDR-Genpolymorphismen mit dem Abbau kognitiver Fähigkeiten und dem Risiko an
neurodegenerativer Erkrankungen (z. B. Depressionen, Morbus Alzheimer, Parkinson) assoziiert sind.
#368.08{sidpjFtxgO1}
31.1.5 SSRI, MAO-Hemmer und 5-HTP
#368.09{sidp1LvPrAy}
Serotoninsyndrom: Kombination meiden
#368.10{sid07kOiFAJ}
Mechanismus: Additive bzw. potenzierte serotonerge Stimulation durch Kombination von 5-HTP mit selektiven
Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (z. B. Fluoxetin) und/oder Monoaminoxidasehemmern (z. B. Tranylcypromin).
#368.11{sidVeX5rNcV}
Folgen: Toxische Serotoninkonzentrationen im Gehirn; starker Blutdruckanstieg, Unruhe, Tremor, Hyperthermie,
Delirium, Koma, Schock; zum Teil letaler Verlauf.
#368.12{sidiW7BAo6N}
Hinweis: Die kombinierte Gabe von SSRI und MAO-Hemmern mit 5-HTP ist aufgrund potenziell
lebensbedrohlicher Nebenwirkungen zu vermeiden. Bei entsprechender Medikation mit SSRI sollte eine
Dosistitration des 5-HTP unter ärztlicher und labordiagnostischer Kontrolle des Serotoninstatus bei langsamem
Ausschleichen des Antidepressivums erfolgen.
#369.01{sidd42nrYNC}
31.1.6 Antidepressiva und 5-HTP
#369.02{sidmHPVRNfr}
5-Hydroxytryptophan (5-HTP) gleich wirksam wie Fluvoxamin in der Therapie von Depressionen
#369.03{sidTMHFFdDH}
Mechanismus: 5-HTP ist ein Zwischenprodukt der Serotoninsynthese aus L-Tryptophan, im Gegensatz zu seiner
Vorstufe L-Tryptophan wird es nahezu vollständig in Serotonin umgewandelt.
#369.04{sidhjeSGMkC}
Folgen: Die Synthese und Verfügbarkeit von Serotonin bei depressiven Patienten mit Serotonin-Insuffizienz wird
durch 5-HTP gesteigert, der therapeutische Bedarf an synthetischen Antidepressiva wie SSRI kann durch 5-HTP
reduziert werden.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#369.05{sidpeWkRRL2}
Hinweis: 5-HTP (z. B. 3 × 100 mg/d, p. o.) kann den Bedarf an Antidepressiva deutlich verringern. Die begleitende
Gabe von Folsäure, Vit​amin B6 und Vit​amin B12 ist bei einer Therapie mit 5-HTP empfehlenswert. Um die
unerwünschten Wirkungen des Serotonins in der Peripherie zu minimieren und gleichzeitig die Verfügbarkeit dieses
Neurotransmitters im ZNS zu steigern wird 5-HTP auch in Kombination mit einem peripheren DercarboxylaseInhibitor wie Carbidopa eingesetzt.
#369.06{sidKPLArUI7}
Die essenzielle Aminosäure L-Tryptophan ist nicht nur an der Proteinbiosynthese beteiligt, sondern auch ein
wichtiger Präkursor für die endogene Synthese des Neurotransmitters Serotonin, des Epiphysenhormons Melatonin,
der Nicotinsäure (Vit​amin B3) und der Picolinsäure (○Abb. 31.6). Serotonin ist u. a. an der Regulierung des SchlafWach-Rhythmus, der Befindlichkeit und Stimmungslage, der Appetitkontrolle und der Schmerzempfindung beteiligt.
Störungen im Serotoninstoffwechsel des ZNS spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Schlafstörungen
und depressiven Erkrankungen (○Abb. 31.6). Entzündungsprozesse fördern die Aktivität der IndolaminDioxygenase, begünstigen den Abbau von L-Tryptophan zu Kynurenin und verringern dadurch die Umwandlung von
L-Tryptophan zu Serotonin. Faktoren wie Magnesiummangel, Stress, Insulinresistenz und/oder Vit​amin B6-Mangel
beeinträchtigen auf der anderen Seite die Aktivität der Tryptophan-Hydroxylase. Dadurch wird die Verfügbarkeit von
Serotonin aus L-Tryptophan verringert (→ Serotonin-Insuffizienz).
#370.01{sidbeSRMT47}
Abb. 31.6 Stoffwechsel von L-Tryptophan
#369.07{sidEVMPpswp}
Depressive Patienten weisen häufig eine Serotonin-Insuffizienz auf. Die Verfügbarkeit an Serotonin kann durch die
Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) gesteigert werden. Allerdings unterstützen auch viele
gehirnaktive Mikronährstoffe wie 5-HTP, SAM, Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) und Magnesium auf natürlichem
Wege die körpereigene Produktion von Serotonin. Die kontrollierte Gabe von 5-HTP (z. B. 3 × 100 mg pro Tag, p.
o.) kann das Serotonindefizit auf natürlichem Wege ausgleichen und die depressive Symptomatik bei den
Betroffenen lindern. In vergleichenden Studien war 5-HTP bei depressiven Patienten gleich gut wirksam wie SSRI (z.
B. Fluvoxamin), allerdings mit einer geringeren Nebenwirkungsrate und besseren Ansprechrate. 5-HTP sollte
allerdings nur unter ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden. Mögliche Interaktionen von 5-HTP mit SSRI (→ Risiko des
Serotoninsyndroms, ▸ Kap. 31.1.4) und anderen Antidepressiva müssen vor dem therapeutischen Einsatz
ausgeschlossen werden!
#369.08{sidJw5nTwsJ}
31.1.7 Psychopharmaka und Magnesium
#369.09{sidxbJSSTiB}
Magnesium unterstützt die Wirksamkeit von Antidepressiva
#369.10{sid52NVRPUk}
Mechanismus: Magnesiummangel begünstigt die Entwicklung von Depressionen und Demenz, Magnesium
reguliert den neuronalen Energiestoffwechsel im ZNS, ist ein natürlicher Antagonist des NMDA-Rezeptors,
unterstützt die Verfügbarkeit von Serotonin aus L-Tryptophan, vermindert die Ausschüttung von Stresshormonen
(○Abb. 31.6).
#369_370{sidJhABJw3D}
Folgen: Harmonisierung der Signalübertragung im Neurotransmitterstoffwechsel (z. B. Serotonin), Verbesserung
der antidepressiven Wirkung und Responderrate der Antidepressiva (z. B. SSRI), Unterstützung des neuronalen
Energiestoffwechsels.
#370.02{sid6w0kN6j2}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Hinweis: Die Supplementierung von Magnesium (z. B. 500 mg/d, p. o.) kann die Wirksamkeit von Antidepressiva
verbessern.
#370.03{sid9vWCRi1K}
Im Hinblick auf die optimale Versorgung mit Magnesium dürfte die Anzahl derjenigen mit einem insuffizienten
Magnesiumstatus ähnlich hoch sein wie bei Vit​amin D. Schätzungsweise sprechen bis zu 60 % der mit
Antidepressiva behandelten Patienten nicht ausreichend auf die antidepressive Pharmakotherapie an. Ein
Magnesiummangel begünstigt die NMDA-induzierte Öffnung von Calciumkanälen, die neuronale Schäden und eine
neurologische Dysfunktion nach sich ziehen kann. Im Cerebrospinal Fluid (CSF) von depressiven Patienten findet
sich häufig ein Magnesiummangel. Bereits 1921 wurde die erfolgreiche Magnesiumtherapie bei therapieresistenten
Depressionen beschrieben. In aktuellen Studien an depressiven Typ-2-Diabetikern war eine Supplementierung von
Magnesium (450 mg/d, p. o.) mit depressiver Symptomatik gleich wirksam wie das Antidepressivum Imipramin (50
mg/d, p. o.). Grundsätzlich sollte der Magnesium- und Vit​amin-D-Status bei depressiven Patienten kontrolliert und
durch ausreichend hohe Supplementierung kompensiert werden.
#371.01{sidiJWgsKui}
31.1.8 Psychopharmaka und ​Vit​amin B2
#371.02{sidInPdgRfE}
Vit​amin-B2-Mangel durch trizyklische ​Antidepressiva und Neuroleptika ​(Phenothiazine)
#371.03{sidQbC6vqq4}
Mechanismus: Trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin, Imipramin) und Neuroleptika (z. B. Chlorpromazin)
können aufgrund struktureller Analogie (→ Phenothiazin-Ring) die Riboflavinkinase und damit die metabolische
Aktivierung von Riboflavin in seine coenzymatische aktive Stoffwechselform Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD)
inhibieren; erhöhte Riboflavin-Exkretion.
#371.04{sidRGnnFHjz}
Folgen: Riboflavinmangel (erythrozytäre Glutathion-Reduktase-Aktivität nach Stimulierung mit FAD > 1,2);
Störungen im Niacin- und Vit​amin-B6-Haushalt; Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l); Mangelsymptome: Blepharitis
(Augenlidentzündung), Mundwinkelrhagaden, seborrisches Ekzem, Zungenatrophie.
#371.05{sidmfr28eVU}
Hinweis: Unter der Einnahme trizyklischer Antidepressiva oder Neuroleptika (Phenothiazine) ist die
Supplementierung von Riboflavin (z. B. 10 mg tgl., p. o.) in Form eines Vit​amin-B-Komplexes empfehlenswert, um
medikamentöse Störungen des Riboflavinhaushalts vorzubeugen. Bei Riboflavinmangel sind zur Aufsättigung der
reduzierten Körperspeicher höhere Dosierungen (z. B. 25–100 mg tgl., p. o.) erforderlich.
#371.06{siddDr18gSo}
Riboflavin übernimmt als Baustein der Coenzyme Flavin-Mononukleotid (FMN) und Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD)
eine wichtige Funktion beim Wasserstofftransport in der mitochondrialen Atmungskette, der oxidativen
Phosphorylierung, der Dehydrierung von Fettsäuren (Acyl-CoA-Dehydrogenase), der oxidativen Desaminierung von
Aminosäuren und dem Abbau von Purinen (Xanthinoxidase). Aufgrund der chinoiden Struktur des Riboflavins
besitzen die Flavinenzyme ausgeprägte Redoxeigenschaften. Beim Schutz zellulärer Proteine vor der oxidativen
Schädigung durch Peroxide zählt die flavinhaltige GSH-Reduktase zusammen mit der selenabhängigen GSHPeroxidase zu den wichtigsten endogenen antioxidativen Schutzsystemen. Eine hohe GSH-Reduktase-Aktivität
findet sich in den Erythrozyten und in der Augenlinse. Neben Cytochrom-P450-Enzymen sind auch flavinhaltige
Monooxygenasen an der oxidativen Biotransformation und Entgiftung von Xenobiotika beteiligt. Das Flavinenzym
NADPH-Oxidase spielt eine wichtige Rolle bei der Phagozytose (Respiratory burst).
#371.07{sidrhPdGMb4}
31.1.9 Psychopharmaka und Coenzym Q10
#371.08{sidf3a4I7kN}
Trizyklische Antidepressiva und Neuroleptika (Phenothiazine) können Coenzym-Q10-Status stören
#371.09{sidiOQRijrH}
Mechanismus: Trizyklische Antidepressiva und Neuroleptika (z. B. Chlorpromazin) interferieren mit Coenzym-Q10abhängigen mitochondrialen Enzymkomplexen der Atmungskette wie z. B. NADH: CoenzymQ10-Oxidoreduktase,
Succinat:Coenzym-Q10-Oxidoreduktase.
#371.10{sidRpGz1Ztp}
Folgen: Risiko für Störungen des mitochondrialen Energiestoffwechsels (z. B. Herzmuskel: möglicherweise
proarrhythmische Effekte, EKG-Veränderungen); Abfall der Coenzym-Q10-Serumspiegel (< 1,2 mg/l).
#371.11{sidpxPovSFT}
Hinweis: Unter der Therapie mit trizyklischen Antidepressiva oder Neuroleptika kann eine regelmäßige
Supplementierung von den Atmungskettenfermenten Coenzym Q10 (z. B. 100 mg tgl., p. o.) und Riboflavin sinnvoll
sein, um medikationsbedingten Störungen des mitochondrialen Energiestoffwechsels vorzubeugen.
#371.12{sid0XGPWZ3R}
Studien: Die Ergebnisse einer aktuellen Studie belegen, dass eine Therapie mit Amitriptylin die Coenzym-Q10- und
ATP-Spiegel bei depressiven Patienten reduziert und die Lipidperoxidation erhöht. Eine mitochondriale Dysfunktion
spielt möglicherweise bei der Pathophysiologie der Depression eine zentrale Rolle.
#372.01{sid7zZwTo4R}
31.1.10 Haloperidol und Vit​amin E
#372.02{sidkV4x9EpX}
Vit​amin E kann Verträglichkeit und therapeutische Breite von Haloperidol steigern
#372.03{sidiv5rGPO2}
Mechanismus: Spätdyskinesien (abnorme, unwillkürliche Bewegungen) zählen zu den häufigsten Nebenwirkungen
einer Therapie mit dem hochpotenten Neuroleptikum Haloperidol. Oxidativer Stress (u. a. über Aktivierung des
redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFκB) und neuronale Glutathiondepletion spielen bei der Entstehung von
tardiven Dyskinesien eine zentrale pathogenetische Rolle. Vit​amin E verringert die durch Haloperidol induzierten
oxidativen Nervenzellschäden (z. B. durch H2O2) und beugt einer Glutathiondepletion im ZNS vor.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#372.04{sidOzzTO8aN}
Folgen: Nervenzellprotektion durch adjuvante Vit​amin-E-Gabe; Lipidperoxidation im ZNS ↓; neuronaler
Glutathionstatus ↑; Verbesserung der Verträglichkeit und therapeutischen Breite einer neuroleptischen Therapie mit
Haloperidol durch das neuroprotektive Vit​amin E.
#372.05{sidVzZVohBe}
Hinweis: Unter einer neuroleptischen Therapie mit Haloperidol empfiehlt sich die begleitende Einnahme von
Vit​amin E (z. B. 500 I. E. α-Tocopherol tgl., p. o.) zusammen mit den Antioxidanzien Vit​amin C, Coenzym Q10 und
Selen.
#372.06{sidkkoKdjNU}
Studien: Grundlegende Nervenfunktionen wie Synthese, Freisetzung und Wiederaufnahme von Neurotransmittern
im ZNS sind mit der permanenten Generierung von Sauerstoffradikalen (z. B. H2O2) verbunden. Untersuchungen an
schizophrenen Patienten weisen daraufhin, dass verzögerte Dyskinesien, von denen über 20 % der Patienten
betroffen sind, die langfristig mit dem Dopamin-Rezeptorantagonisten Haloperidol behandelt werden, mit erhöhter
Produktion reaktiver Sauerstoffverbindungen (z. B. H2O2) assoziiert sind. In Studien konnte durch die perorale Gabe
von Vit​amin E (1. Woche: 400 I. E. tgl., 2. Woche: 800 I. E. tgl. und ab der 3. Woche: 1 200 I. E. tgl., p. o.) eine
signifikante Reduktion an abnormen, unwillkürlichen Bewegungen erzielt werden. Nach den bisher vorliegenden
Studienergebnissen können Dyskinesien vor allem dann durch Vit​amin E gemildert werden, wenn die Therapie mit
Neuroleptika seit fünf oder weniger Jahren besteht.
#372.07{sidIIlos9kI}
31.1.11 Lithium und Natrium
#372.08{sidmZNHkQel}
Wirkungsabschwächung von Lithium durch hohe Natriumaufnahme
#372.09{sidMMd8PdDl}
Mechanismus: Beschleunigte renale Exkretion von Lithiumionen durch erhöhte Natriumaufnahme (Kochsalz).
#372.10{sidzHLdvpwP}
Folgen: Wirkungsverlust von Lithium.
#372.11{sidfyDoBNDJ}
Hinweis: Unter der Therapie mit dem Psychopharmakon Lithium sollte auf eine gleichmäßige Aufnahme von
Kochsalz geachtet werden.
#372.12{sidqdzN2JuR}
Lithium besitzt eine äußerst geringe therapeutische Breite. Die Wirkung von Lithiumsalzen wird durch die Höhe der
Natriumaufnahme als auch durch die aufgenommene Flüssigkeitsmenge beeinflusst. Die Elimination von Lithium
erfolgt ausschließlich renal. Lithium wird zusammen mit Natrium rückresorbiert. Eine eingeschränkte
Kochsalzaufnahme bei gleichzeitig geringer Flüssigkeitszufuhr kann daher zur Lithiumkumulation und -intoxikation (z.
B. Krämpfe, Erbrechen, Herzrhythmusstörungen, Muskelschwäche) führen. Auch Natriumverluste, die im Sommer
durch starkes Schwitzen oder beim Saunabad auftreten können, sollten wegen der Gefahr von Überdosierungen
ausgeglichen werden. Umgekehrt kommt es bei hoher Natriumaufnahme zu verstärkter Lithiumelimination und
Wirkungsabschwächung des Arzneimittels. Lithiumionen greifen in den Stoffwechsel von Phosphatidylinositol ein
und führen zu einer deutlichen Abnahme der Inositolspiegel im Zentralnervensystem.
#372.13{sidQ1lqIPvl}
31.1.12 Lithium und Iod
#372.14{sidPYw4PNhT}
Störung der Aufnahme und des Einbaus von Iod
#372.15{sidymiKr32B}
Mechanismus: Lithium blockiert die Aufnahme von Iodid in die Zelle und den Einbau in die Schilddrüsenhormone.
#373.01{sidLbqVZS3n}
Folgen: Hypothyreose, Entwicklung einer euthyreoten Struma (bei schlechter Iodversorgung ist die Schilddrüse
unter Lithiumtherapie häufig nur durch Strumabildung in der Lage ausreichend Schilddrüsenhormone zu bilden).
#373.02{sidg6lb77n2}
Hinweis: Vor der Therapie mit Lithium sollte die Schilddrüsenfunktion (auch der Selenstatus) überprüft werden.
#373.03{sidT1kDuJxY}
Studien: Lithium akkumuliert in der Schilddrüse entgegen einem Konzentrationsgradienten und blockiert über eine
Aktivitätshemmung der Adenylatcyclase die Freisetzung von Triiodthyronin (T) und Levothyroxin (T4). Die
Thyreotopinwirkung an der Schilddrüse wird durch Lithium vermindert. Bei einer mehr als zwölf Monate dauernden
Lithiumtherapie wurde in 2–15 % der Fälle eine beninge euthyreote Struma beobachtet. Neben der direkten
Beeinflussung der Schilddrüse scheint Lithium auch Autoimmunprozesse in der Schilddrüse zu begünstigen (→
Antikörper gegen Thyreoglobulin).
#373.04{sidkjSXMHxr}
31.2 Psychostimulanzien und Mikronährstoffe
#373.05{sidbH7YMJLA}
In den westlichen Industrienationen zählen Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) zu den
häufigsten neurokognitiven Störungen bei Kindern. Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 5 und 20 %
Prozent der Schulkinder an diesem Syndrom leiden, das bereits 1845 von dem Frankfurter Kinderpsychiater
Heinrich Hoffmann im „Struwwelpeter“ eindrucksvoll beschrieben wird. Jungen sind häufiger von hyperkinetischen
Verhaltensstörungen betroffen als Mädchen. Neben der motorischen Hyperaktivität fallen die Kinder vor allem durch
Konzentrationsschwäche und impulsives Verhalten auf. Störungen der schulischen Leistung, soziale Isolation und ein
schlechtes Selbstwertgefühl sind häufige Folgen.
#373.06{sideFqVGz9V}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Die Entstehung des ADHS-Syndroms ist komplex und bisher noch weitgehend unbekannt. Genetische
Einflussfaktoren sowie Störungen im Neurotransmitter- (z. B. Dopamin, Serotonin) und Energiestoffwechsel des
Gehirns (ATP-Produktion) sind jedoch von zentraler Bedeutung. Hyperkinetische Verhaltensstörungen können sich
aber auch auf dem Boden einer frühen Schädigung des Gehirns, Belastungen mit Umweltgiften (z. B. Blei),
Infektionen, Autoimmun- und Schilddrüsenerkrankungen entwickeln.
#373.07{sidAD7mnUxA}
31.2.1 Methylphenidat und ADHS
#373.08{sidezhC0RY5}
Die Störung im Neurotransmitterstoffwechsel bildet unter anderem die therapeutische Rationale für den Einsatz von
Methylphenidat bei Kindern mit ADHS. Methylphenidat (z. B. Ritalin) ist ein Psychostimulans aus der Gruppe der
Amphetamine, welches die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin an den Schaltstellen der Nervenzellen
beeinflusst und dadurch den Bewegungsdrang der betroffenen Kinder dämpft. In den westlichen Industrienationen
war in den vergangenen Jahren ein starker Anstieg der Verordnungshäufigkeit zu beobachten (○Abb. 31.7). In
Deutschland ist nach Angaben des Siegmund-Freud-Institutes die Anwendung von Methylphenidat sogar um das
270-fache angestiegen.
#374.01{sidr0l2Pd9v}
Abb. 31.7 Methylphenidat-Verordnungen in Deutschland von 1990 bis 2006. Schwabe, Paffrath, 2007
#374.02{sidoX3XkyIG}
Abb. 31.8 Dopamintransmission und Dopamin-Transporter (DAT). Dopamin (Punkte) wird aus Vesikeln in der präsynaptischen
Nervenzelle in den synaptischen Spalt freigesetzt. Von dort wird ein Teil über den Dopamin-Transporter (DAT) von derselben
Zelle wieder aufgenommen, während ein anderer Teil über die Dopaminrezeptoren (DR) in die postsynaptische Nervenzelle
gelangt. Methylphenidat blockiert den DAT und erhöht dadurch die Dopamin-Konzentration im synaptischen Spalt und die
Aufnahme über die DR in die Postsynapse.
#373.09{sidyvJYxafP}
Methylphenidat wirkt im Striatum, einem Teil des Großhirns, das eine wichtige Schaltstelle im motorischen System
darstellt. Wirkort ist der synaptische Spalt, die Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen (○Abb. 31.8). In diesem
Bereich werden Nervenimpulse durch den Austausch der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin übertragen.
Methylphenidat hemmt den Dopamin-Transporter und damit die Wiederaufnahme von Dopamin aus dem
synaptischen Spalt in die präsynaptische Nervenzelle. Es erhöht somit die Dopamin-Konzentration im synaptischen
Spalt und verstärkt die dopaminvermittelte Signaltransmission von der Präsynapse auf die Postsynapse. Dadurch
dämpft es den Bewegungsdrang der betroffenen Kinder. Der Mechanismus, durch den Methylphenidat die
kognitiven Effekte und Verhaltenseffekte hervorruft, ist nicht eindeutig nachgewiesen.
#373_374{sidYj7ov1z8}
Neben den Imbalancen im Neurotransmitterhaushalt scheint nach aktuellen Studien eine unzureichende diätetische
Versorgung mit langkettigen maritimen Gehirnfettsäuren (DHA, EPA) sowie Gehirn aktiven Mikronährstoffen wie
Magnesium, Eisen und Zink wesentlich an der Entstehung und Ausprägung der hyperkinetischen
Verhaltensstörungen beizutragen.
#374.03{sidMs5SRnjT}
31.2.2 Psychostimulanzien und Zink
#374.04{sid3aEx15VY}
Zink verbessert die Therapie hyperkinetischer Verhaltensstörungen mit Psychostimulanzien (z. B.
Methylphenidat)
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#374.05{sidJdC8VtV6}
Mechanismus: Zink verbessert die neuronale Glucoseutilisation, fördert die gesunde Entwicklung des Gehirns,
hemmt den Dopamin-Transporter und besitzt darüber hinaus eine modulierende Wirkung auf die Verfügbarkeit
verschiedener Neurotransmitter (z. B. Dopamin): Psychologische Symptome bei Zinkmangel (z. B. Aggressivität,
Reizbarkeit)
#374.06{sidKvdqfH5q}
Folgen: Harmonisierung der Signalübertragung im Neurotransmitterstoffwechsel (z. B. Dopamin), Unterstützung
des neuronalen Energiestoffwechsels, Verminderung der hyperkinetischen Verhaltensstörungen (z. B. Impulsivität,
Hyperaktivität).
#375.01{sidl7JXSCEJ}
Hinweis: Die Supplementierung von Zink (10–25 mg/d, p. o.) kann die Wirksamkeit von Methylphenidat bei
hyperkinetischen Verhaltensstörungen verbessern und den Bedarf an Psychostimulanzien verringern. Kinder mit
hyperkinetischer Verhaltensstörung weisen häufig einen diätetischen Mangel an Zink auf. In Studien hatte die
Supplementierung von Zink einen günstigen Einfluss auf die ADHS-Symptomatik (z. B. Hyperaktivität, Impulsivität,
kognitive Leistungsfähigkeit) und die Wirksamkeit von Methylphenidat.
#375.02{sidx0qDgkMe}
Das Spurenelement Zink ist ein unabdingbares Substrat und Cofaktor für die gesunde Entwicklung und Reifung des
zentralen Nervensystems, des Immunsystems und des Hormonsystems. Zink ist Bestandteil von mehr als 300
Enzymsystemen (u. a. Dehydrogenasen, Hydroxylasen, Transferasen) und übernimmt als solches eine wichtige Rolle
bei einer Vielzahl elementarer Reaktionen im Intermediärstoffwechsel. Zinkhaltige Enzyme sind am Stoffwechsel der
Kohlenhydrate, Lipide und Proteine sowie an der Nukleinsäuresynthese beteiligt.
#375.03{sidBnpN7k14}
Neurobiochemische und metabolische Störungen im Gehirn bei Zinkmangel
#375.04{sidPEN28iZh}
Beeinträchtigung der exzitatorischen und inibitorischen Neurotransmission,
#375.05{sidd5QwSxaz}
Aktivitätseinschränkung von Enzymen der Katecholaminbiosynthese (z. B. Dopamin-β-Hydroxylase),
#375.06{siduXk0FYGD}
erhöhte Vulnerabilität des Dopamin-(DAT)-Transporters und Glutamat-(NMDA)-Rezeptors,
#375.07{sid8r1uQPt1}
Reduktion der GABA-Spiegel im Hippokampus,
#375.08{sidx2dqSSkL}
Störungen des neuronalen Glucose- und Energiestoffwechsels,
#375.09{sidkLrGPqcz}
Fehlbildungen im ZNS.
#375.10{sidKLmVKMAA}
Der neuronale Energiestoffwechsel ist auf eine ausreichende Verfügbarkeit von Zink angewiesen. Zinkmangel ist mit
erhöhter Neigung zu Aggressivität und Reizbarkeit assoziiert. Zink besitzt eine entscheidende Rolle bei der
Regulation der exzitatorischen und inhibitorischen Neurotransmission (siehe Kasten). Eine Störung der neuronalen
Transmission führt zu Nervosität, Gedächtnisstörungen und motorischer Unruhe, den bekannten Symptomen des
ADHS.
#375.11{sidgKERlr4V}
Studien: Kontrollierte Studien haben gezeigt, dass Kinder mit ADHS im Vergleich zu gesunden Kindern häufig
erniedrigte Zinkspiegel im Serum, den roten Blutkörperchen, den Haaren und den Nägeln aufweisen. Einige
Untersuchungen deuten auch auf einen direkten Zusammenhang zwischen der Ausprägung des Zinkdefizits und der
Schwere der ADHS-Symptomatik hin.
#375.12{sidfS6UKTVE}
Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass ein Mangel an Zink z. B. die Aktivität der Dopamin-β-Hydroxylase
(wandelt Dopamin in Noradrenalin um) und der Phenylethanolamin-N-methyltransferase (wandelt Noradrenalin in
Adrenalin um) im Cortex, Cerebellum und Hippokampus beeinträchtigt. Zink ist darüber hinaus an der Synthese von
Melatonin beteiligt, welches eine bedeutende Rolle im Dopamin-Haushalt spielt. Als natürlicher Inhibitor des
Dopamin-Transporters (DAT) scheint die Supplementierung von Zink einen direkten positiven Effekt auf die ADHSSymptome zu haben. In einer doppelblinden und placebokontrollierten Studie an 44 Kindern mit ADHS (Alter 5–11
Jahre) konnte durch die begleitende Gabe von Zink (15 mg/d, p. o.) neben der Therapie mit Methylphenidat (1 mg/kg
KG/d, p. o.) die Schwere der ADHS-Symptomatik (z. B. Parents ADHS Rating Scale) nach sechs Wochen
signifikant verbessert werden (p < 0,001, ○Abb. 31.9).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#376.01{sidgcghyxgi}
Abb. 31.9 Beurteilung der Schwere der ADHS-Symptomatik von Seiten der Eltern
#375.13{sidFsTEhXVu}
Im Tierversuch konnte zudem beobachtet werden, dass Methylphenidat mehrere mitochondriale
Atmungskettenkomplexe (z. B. Komplex I) im Kleinhirn, präfontalen Cortex, Striatum und cerebralen Cortex hemmen
kann. Auch die Superoxid-Produktion im Kleinhirn wird durch Methylphenidat gesteigert. Zink ist Cofaktor der
Superoxid-Dismutase, die Superoxidradikale entgiftet.
#376.02{sida6NMwVdc}
Die labordiagnostische Objektivierung des Mikronährstoffstatus sowie die Kompensation von
Mikronährstoffdefiziten sollte bei hyperkinetischen Verhaltensstörungen die Grundlage jeder Therapie sein, Auswahl
von Laborparametern: Omega-3-Fettsäuren (AA:EPA-Quotient), Magnesium (Vollblut), Eisen (Ferritin), Zink
(Vollblut), Vit​amin D (25(OH)D), Vit​amin B6 (Vollblut), Neurostress-Profil (2. MU, Speichel).
#376.03{sid1zLJq6mq}
31.2.3 Psychostimulanzien und Omega-3-Fettsäuren (DHA/EPA)
#376.04{sidihpYvepm}
EPA und DHA unterstützen die medikamentöse Therapie hyperkinetischer Verhaltensstörungen
#376.05{sidfnNRfghP}
Mechanismus: EPA/DHA regulieren die neuronale Glucoseutilisation, fördern die gesunde Entwicklung der
Gehirn- und Nervenzellen, modulieren den Neurotransmitterstoffwechsel im ZNS (z. B. Synthese, Aufnahme und ReUptake von Dopamin und Serotonin, Rezeptorbindung), steigern die Fluidität und Stabilität der
Nervenzellmembranen und verbessern die zerebrale Durchblutung.
#376.06{sidEvc9yY5c}
Folgen: Harmonisierung der Signalübertragung im Neurotransmitterstoffwechsel (z. B. Dopamin, Serotonin),
Unterstützung des neuronalen Energiestoffwechsels, Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit (z. B. Leseund Sprechfähigkeit), Verminderung der hyperkinetischen Verhaltensstörungen (z. B. Impulsivität, Hyperaktivität).
#376.07{sido375o7DN}
Hinweis: Die Supplementierung von EPA/DHA (z. B. 2 000 mg/d, p. o.) kann die Wirksamkeit von Methylphenidat
oder Atomoxetin bei ADHS verbessern und den Bedarf an Psychostimulanzien deutlich verringern.
#376_377{sid8ejgvb9W}
Kinder mit hyperkinetischer Verhaltensstörung weisen häufig eine unzureichende Versorgung mit diesen
Gehirnfettsäuren auf. In zahlreichen Studien hatte die Supplementierung von EPA/DHA einen günstigen Einfluss auf
die ADHS-Symptomatik (z. B. Hyperaktivität, Impulsivität, kognitive Leistungsfähigkeit, Stimmungsschwankungen).
Neben der labordiagnostischen Objektivierung des Fettsäurestatus (z. B. AA:EPA-Ratio) sollte auch der Status
anderer Mikronährstoffe wie Magnesium (Erythrozyten), Eisen (Ferritin), Zink und Vit​amin B6 kontrolliert und gezielt
kompensiert werden.
#377.01{sid8E3QlQXE}
Die langkettige Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) sind wesentliche
Bausteine aller Zellmembranen und damit für das Wachstum und die Regeneration der Zellen essenziell. Gleichzeitig
sind sie Ausgangssubstanzen für die köpereigene Synthese der sogenannten Eicosanoide (Prostaglandine,
Prostacycline, Thromboxane und Leukotriene). Diese Gewebshormone sind an einer Vielzahl von Zellfunktionen und
Regulationsprozessen im Organismus beteiligt, wie der Entwicklung des Gehirns und Nervensystems, der
Regulation des Immunsystems sowie bei Entzündungen und der Blutgerinnung.
#377.02{sid8rpJVWrZ}
Docosahexaensäure (DHA) ist ein wichtiger Baustein der Gehirn- und Nervenzellen sowie der Netzhaut. Der
mütterliche DHA-Status beeinflusst maßgeblich die Entwicklung von Intelligenz und Sehfähigkeit des Embryos bzw.
Feten. Insbesondere in den letzten zwei bis drei Monaten vor der Geburt und in der Neugeborenenperiode werden
große Mengen DHA vom Un- und Neugeborenen verbraucht. Muttermilch enthält im Vergleich zu Kuhmilch
bedeutend höhere Mengen DHA und andere essenzielle Fettsäuren. Wenn nicht gestillt wird, muss daher bei
künstlicher Milch auf eine adäquate Zusammensetzung hinsichtlich der essenziellen Fettsäuren geachtet werden.
Die regelmäßige Einnahme von Omega-3-Gehirnfettsäuren in der Schwangerschaft fördert die gesunde Entwicklung
des Kindes (z. B. bessere sprachliche, feinmotorische und soziale Entwicklung) wie die aktuellen Ergebnisse der
ALSPAC-Studie unterstreichen.
#377.03{sidthK44b1X}
Die langkettigen mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure
(DHA) haben großen Einfluss auf das Verhalten und die kognitive Leistungsfähigkeiten (siehe Kasten). Unser
Körper wandelt diese essenziellen Fettsäuren in hormonartige Botenstoffe um, die sogenannten Eicosanoide,
welche zahlreiche Prozesse in unserem ZNS regulieren. Ein Ungleichgewicht oder eine Unterversorgung hat weit
reichende Folgen, die sich unter anderem in geistigen Entwicklungsstörungen und psychiatrischen Erkrankungen
wie ADHS äußern können. Auch Lese- und Rechtschreibschwäche (Dyslexia), Beeinträchtigung der motorischen
Koordination (Dyspraxie) und autistische Auffälligkeiten sind mit einem gestörten Metabolismus der Omega-3Fettsäuren vergesellschaftet.
#377.04{sidbHizArl8}
Studien: Mittlerweile liegt eine Reihe von klinischen Studien vor, in denen Kinder mit ADHS oder assoziierten
Syndromen von der Supplementierung mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren profitierten. In verschiedenen Studien
an Kindern mit ADHS führte die Gabe von DHA und EPA (z. B. 2 000 mg DHA/EPA/d, p. o.) zu einer signifikanten
Verbesserung der mit ADHS verbundenen Verhaltensstörungen (z. B. Impulsivität, Hyperakivität). Als
Laborparameter kann das Verhältnis der Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren im Blut sowie der AA:EPA-Quotient
herangezogen werden. Der Stoffwechsel der Omega-3-Fettsäuren wird insbesondere von den Mineralstoffen
Magnesium und Zink unterstützt.
#377.05{sidmhPlECtK}
Omega-3-Fettsäuren(EPA/DHA)-Mangel und neuronale Störungen
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#377.06{sidzjyrfcnC}
Störungen des Neurotransmitterstoffwechsels:
#377.07{sidkeZYRrpw}
Abfall der Dopaminkonzentrationen im frontalen Cortex und Bulbus olfactorius,
#377.08{sidVu8R86Vj}
Reduktion der Dopaminfreisetzung aus Vesikeln,
#377.09{sid4cCcPU5w}
Abnahme der prä- und postsynaptischen Dopaminrezeptordichte im frontalen Cortex,
#377.10{sidVo2hGzKN}
verminderte Bindung von Dopamin und Serotonin an ihre Rezeptoren,
#377.11{sid6MreEosJ}
Beeinträchtigung des neuronale Glucose- und Energiestoffwechsels,
#378.01{sidRkSe4FEv}
Reduktion wichtiger Phospholipide (z. B. Phosphatidylserin), die für die Kommunikation und den
Informationsaustausch zwischen Nervenszellen wichtig sind,
#378.02{sidog8r2sR3}
Beeinträchtigung der zerebralen Durchblutung,
#378.03{sidfQyrTf9S}
Störung der Integrität der Blut-Hirn-Schranke,
#378.04{sidWJYrT0Ct}
Abfall des Phophatidylseringehalts im Cortex, Blubus olfactorius und den Mitochondrien.
#378.05{sidwSQYO22q}
31.2.4 Psychostimulanzien und ​Magnesium
#378.06{sidtcpgZoE5}
Magnesium unterstützt die medikamentöse Therapie hyperkinetischer Verhaltens​störungen
#378.07{sidAN3i7Q1U}
Mechanismus: Magnesium reguliert den neuronalen Glucose- und Energiestoffwechsel im ZNS, ist ein natürlicher
Antagonist des NMDA-Rezeptors (Glutamat = exzitatorischer Neurotransmitter und NMDA-Rezeptor-Agonist),
fördert die Verfügbarkeit von Serotonin aus L-Tryptophan, verminderte die Ausschüttung von Stresshormonen und
wirkt muskelrelaxierend.
#378.08{sid1LKoyA7k}
Folgen: Harmonisierung der Signalübertragung im Neurotransmitterstoffwechsel (z. B. Serotonin), verminderte
Vulnerabilität gegenüber exzitatorischen Neurotransmittern (z. B. Glutamat), Steigerung der Stressresistenz,
Reduktion von Stimmungsschwankungen, Verminderung der hyperkinetischen Verhaltensstörungen (z. B.
Hyperaktivität, Impulsivität)
#378.09{siduEDtnynq}
Hinweis: Die Supplementierung von Magnesium (6–10 mg Magnesium/kg KG/d, p. o., z. B. als Citrat, Orotat,
Taurat) kann die Wirksamkeit von Methylphenidat bei hyperkinetischen Verhaltensstörungen verbessern (und zum
Teil den Bedarf an Psychostimulanzien verringern). Kinder mit hyperkinetischer Verhaltensstörung weisen häufig
einen Magnesiummangel auf (→ erythrozytäre Magnesiumspiegel < 2,2 mmol/l). Eine Magnesiumtherapie hat einen
günstigen Einfluss auf verschiedene ADHS-Symptome (z. B. Hyperaktivität, Impulsivität, Stimmungsschwankungen).
#378.10{sidxFKZUg30}
31.2.5 Psychostimulanzien und Eisen
#378.11{sid1eNj5nyy}
Eisen unterstützt die medikamentöse Therapie hyperkinetischer Verhaltensstörungen
#378.12{sidztdY7UYv}
Mechanismus: Eisen ist Cofaktor der Tyrosin-Hydroxylase, dem limitierenden Enzym für die KatecholaminSynthese (z. B. Dopamin). Unzureichende Versorgung mit Eisen beeinträchtigt die zerebrale Glucoseverwertung und
begünstigt das Auftreten von Konzentrations- und Lernstörungen. Ein Eisenmangel ist mit der Entwicklung von
dop​aminergen Dysfunktionen (z. B. Dichte des Dopamin-Transporters ↓, Dopamin Rezeptoren D1 und D2 ↓ in den
Basalganglien) und psychopathologischen Erkrankungen wie ADHS assoziiert, Entzündungsprozesse ↑ (z. B. IL-6).
#378.13{sidl99mfVLu}
Folgen: Eisen unterstützt die medikamentöse Therapie (z. B. Methylphenidat) hyperkinetischer
Verhaltensstörungen.
#378.14{sidOcI7A0uR}
Hinweis: Bei ADHS ist die labordiagnostische Objektivierung (z. B. Ferritin, löslicher Transferrin-Rezeptor, sTfR)
und entsprechende Kompensation des Eisenstatus generell sinnvoll.
#378.15{sidE3ka4iG8}
31.2.6 Risperidon und Eisen
#378.16{sidPo7gE7XS}
Langzeittherapie mit Risperidon ist mit ​Eisendepletion assoziiert
#378.17{sidKHzkuh2h}
Mechanismus: Risperidon induziert die Bildung von proinflammatorischen Zytokinen: IL-6 ist ein bekannter
Induktor der Hepcidin-Synthese, Hepcidin beeinträchtig durch Down-Regulation von Ferroportin die zelluläre
Eisenaufnahme (z. B. Gehirn). Eisen ist Cofaktor der Tyrosin-Hydroxylase, dem limitierenden Enzym für die
Katecholamin-Biosynthese (z. B. Dopamin). Eisenmangel steigert Hyperprolaktinämie.
#379.01{sidzhdjiZ7k}
Folgen: Eisen unterstützt die medikamentöse Therapie psychopathologischer Erkrankungen mit Risperidon.
#379.02{sidE4rFSpcF}
Hinweis: Unter einer Therapie mit Risperidon die labordiagnostische Objektivierung (z. B. Ferritin, löslicher
Transferrin-Rezeptor, sTfR) und entsprechende Kompensation des Eisenstatus generell sinnvoll.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#379.03{sid4VruHKFZ}
Studien: An einer aktuellen Studie an 115 Kindern (Alter: 11,6 ± 2,8 Jahre) war bei 45 % eine Eisen-Depletion und
bei 14 % eine Eisenmangelanämie nachweisbar. Der Eisen-Status war invers assoziiert mit den IL-6 und
Prolaktinspiegeln. Letztere waren nahezu um 50 % in der Gruppe mit Eisenmangel erhöht.
#379.04{sidjzkiD9R8}
31.2.7 Psychostimulanzien und Phosphatidylserin
#379.05{sid4gnnSYVN}
Phosphatidylserin unterstützt die medikamentöse Therapie hyperkinetischer ​Verhaltensstörungen
#379.06{sidb1dNQXDM}
Mechanismus: Phosphatidylserin (PS) ist das dominierende Phospholipid im Gehirn und spielt eine zentrale Rolle
bei der Freisetzung und Signaltransduktion von Neurotransmittern (z. B. Dopamin, Serotonin). Unzureichende
Versorgung mit PS begünstigt Störungen der zerebralen Glucoseverwertung sowie Konzentrations- und
Lernstörungen.
#379.07{sidCnt3lNs0}
Folgen: Phosphatidylserin unterstützt die medikamentöse Therapie hyperkinetischer Verhaltensstörungen.
#379.08{sidMVbjPtF1}
Hinweis: Bei ADHS ist die begleitende Supplementierung von gehirnaktiven Mikronährstoffen wie
Phosphatidylserin (100–200 mg PS/d, p. o.) zusammen mit B-Vit​aminen und Omega-3-Fettsäuren sinnvoll.
#379.09{sidGrCgH7Eg}
Studien: Phosphatidylserin ist das dominierende Phospholipid im Gehirn. Dort ermöglicht es die Kommunikation
zwischen den Nervenzellen und fördert die Bildung der zur Reizweiterleitung wichtigen Neurotransmitter Serotonin,
Noradrenalin, Dopamin und Acetylcholin. Auch die synaptischen Aktivitäten der Neurotransmitter und der damit
verbundene Informationsaustausch zwischen den Neuronen im Gehirn und Nervensystem werden durch
Phosphatidylserin reguliert. Speziell die kognitiven Prozesse der Speicherung und des Abrufens von Informationen
werden verbessert.
#379.10{sidrw4GQAhM}
In einer aktuellen, doppelblinden, placebokontrollierten Studie an 36 Kindern mit ADHS (Alter: 4–14) konnte durch
die Supplementierung von Phosphatidylserin (200 mg PS/d, p. o.) über einen Zeitraum von zwei Monaten der
ADHS-Score (z. B. Aufmerksamkeit, Impulsivität) sowie die kognitive Leistungsfähigkeit (z. B. auditorisches
Kurzzeitgedächtnis) signifikant verbessert werden.
#379.11{sidOZMueDrL}
Literatur
#379.12{sidQS7zGCDz}
Akhondzadeh S et al. Zinc sulfate as an adjunct to methylphenidate for the treatment of attention deficit hyperactivity
disorder in children: A double blind and randomized trial. BMC Psychiatry, 4: 1–6, 2004
#379.13{sidJYF6D0Po}
Alpert M et al. Prediction of treatment response in geriatric depression from baseline folate level: interaction with an
SSRI or tricyclic antidepressant. J Clin Psychopharmacol, 23 (3): 309–313, 2003
#379.14{sidG6CAgmgD}
Alvarez-Perez FJ et al. Serotonin syndrome: report of two cases and review of the literature. Rev Neurol, 40 (3):
159–62, 2005
#379.15{sid0Tftw0yN}
Arnold LE, Di Silvestro RA. Zink in attention-deficit/hyperactivity disorder. J Child, Adolesc Psychopharmacol, 15 (4):
619–627, 2005
#379.16{sidhnsqmjL4}
Arznei-telegramm: Antidepressiva – Lebensgefährliche Placebos? 36 (5): 45–47, 2005
#379.17{sidCXu97CKx}
Barragan-Rodriguez L et al. Depressive symptoms and hypomagnesemia in older diabetic subjects. Arch Med Res,
38 (7): 752–756, 2007
#379.18{sidbbOY3JrW}
Barragan-Rodriguez L et al. Efficacy and safety of oral magnesium supplementation in the treatment of depression in
elderly type 2 diabetes: a randomized, equivalent trial. Magnes Res, 24 (4): 218–223, 2008
#379.19{sidC8XTT8ud}
Bekarglu M et al. Relation between serum free fatty acids and zinc, and attention deficit hyperactivity disorder: A
research note. J Child Psyhol Psychiat, 37: 225–227, 1996
#380.01{sidQlKpyKQs}
Bell IR et al. Brief communication. Vit​amin B1, B2, and B6 augmentation of tricyclic antidepressant treatment in
geriatric depression with cognitive dysfunction. J Am Coll Nutr, 11 (2): 159–163, 1992
#380.02{sidLnoR6kvE}
Bellido I et al. S-adenosyl-L-methionine prevents 5-HT(1A) receptors up-regulation induced by acute imipramine in
the frontal cortex of the rat. Neurosci Lett, 321 (1–2): 110–114, 2002
#380.03{side8RpFytZ}
Berlanga C et al. Efficacy of S-adenosyl-L-methionine in speeding the onset of action of imipramine. Psychiatry Res,
44 (3): 257–262, 1992
#380.04{sid5EmJyAJS}
Bilici M et al. Double blind, placebo-controlled study of zinc sulfate in the treatment of attention deficit hyperactivity
disorder. Prog in Neuropsychopharm & Biol Psychiat, 28: 181–190, 2004
#380.05{sidoxScvsok}
Bottiglieri T et al. Cerebrospinal fluid S-adenosylmethionine in depression and dementia: effects of treatment with
parenteral and oral S-adenosylmethionine. J Neurol Neurosurg Psychiatry, 53 (12): 1096–1098, 1990
#380.06{sidB8UO5XYn}
Brent DA. Antidepressants and pediatric depression – the risk of doing nothing. N Eng J Med, 351 (16): 1598–
1601, 2004
#380.07{sid9diG66OI}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Burgess JR et al. Long-chain polyunsaturated fatty acids in children with attention-deficit hyperactivity disorder. Am J
Clin Nutr, 71 (Suppl): 327–330, 2000
#380.08{sidSi9ahmxc}
Calarge CA, Murry DJ, Ziegler EE, Arnold LE. Serum Ferritin, Weight Gain, Disruptive Behavior, and Extrapyramidal
Symptoms in Risperidone-Treated Youth. J Child Adolesc Psychopharmacol, 2016; 26(5): 471–477
#380.09{sidKHYCYrKX}
Carlsten A et al. Antidepressant medication and suicide in Sweden. Pharmacoepidemiol Drug Saf, 10: 525–530,
2001
#380.10{sidE2SK3GO1}
Chiba M. A protective action of coenzym Q10 on chlorpromazine induced cell damage in cultered rat myocardial
cells. Jpn Heart J, 25 (1): 127–137, 1984
#380.11{sidlxRGR2FF}
Child C et al. Changes in serum thyroxine, triiodothyronine, and thyrotropin induced by lithium in normal subjects and
in rats. Clin Pharmacol Ther, 20 (6): 715–719, 1976
#380.12{sidtPhwkRWl}
Coppen A, Bolander-Gouaille C. Treatment of depression: time to consider folic acid and vit​amin B12. J
Psychopharmacol, 19 (1): 59–65, 2005
#380.13{sidMpsDf42f}
Corkeron MA. Serotonin-Syndrome – a potentially fatal complication of antidepressant therapy. Med J Aust, 163:
481–482, 1995
#380.14{sidnNqzA6rx}
Delle Chiaie R et al. Efficacy and tolerability of oral and intramuscular S-adenosyl-L-methionine 1,4butanedisulfonate
(SAMe) in the treatment of major depression: comparison with imipramine in 2 multicenter studies. Am J Clin Nutr,
76 (5): 1172–1176, 2002
#380.15{sidacCt1t37}
Eby GA 3rd, Eby KL. Magnesium for treatment-resistant depression: a review and hypothesis. Med Hypotheses, 74
(4): 649–660, 2010
#380.16{sidqU0gxUM4}
Egan MF et al. Treatment of tardive dyskinesia with vit​amin E. American Journal of Psychiatry, 149 (6): 773–777,
1992
#380.17{sidrc2q879L}
Elkashef AM et al. Vit​amin E in the treatment of tardive dyskinesie. American Journal of Psychiatry, 147 (4): 505–
506, 1990
#380.18{sidm2VlKf4x}
Fagundes AO, Scaini G, Santos PM et al. Inhibition of mitochondrial respiratory chain in the brain of adult rats after
acute and chronic administration of methylphenidate. Neurochem Res., 35 (3): 405–411, 2010
#380.19{sid4aWgaSKW}
Goldstein DJ et al. Analyses of suicidality in double-blind, placebo-controlled trials of pharmacotherapy for weight
reduction. J Clin Psychiatry, 54: 309–316, 1993
#380.20{sidg6T2fHEP}
Gröber, U, Antidepressiva und Folsäure. Dtsch Apoth Ztg, 149 (10): 43–48, 2009
#380.21{sidDuHh0NLK}
Gröber U. Hyperaktiv und hypermotorisch – ein Mangel an Methylphenidat? Mikronährstoffe bei ADHS. Zs f
Orthomol Med; 3: 5–8, 2008
#380.22{sid9g5g9xIg}
Gröber U. Methylphenidat und Zink. Dtsch Apoth Ztg, 149 (14): 65–67, 2009
#380.23{sidujqsq9jI}
Gröber U, Kisters K. Neuroenhancement with vitamins and other micronutrients? Pharmakon, 3 (3): 231–237, 2015
#380.24{sidBUKEjSWH}
Hirayama S, Terasawa K, Rabeler R et al. The effect of phosphatidylserine administration on memory and symptoms
of attention-deficit hyperactivity disorder: a randomised, double-blind, placebo-controlled clinical trial. J Hum Nutr
Diet, doi: 10.1111/jhn.12090, [Epub ahead of print], 2013
#380.25{sidmCGDJGj3}
Hustad S et al. Riboflavin as a determinant of plasma total homcysteine: effect modification by the
methylenterahydrofolat reductase C 677 T polymorphism. Clin Chem, 48 (8 Pt.1): 1065–1071, 2000
#381.01{sidnUQIVM8E}
Jick H et al. Antidepressants and the risk of suicidal behaviors. JAMA, 292: 338–343, 2004
#381.02{sidWp0AqB6D}
Juurlink DN et al. The risk of suicide with selective serotonin reuptake Inhibitors in the elderly. Am J Psychiatry, 163
(5): 813–821, 2006
#381.03{sid3GE1arPq}
Khan A et al. Suicide rates in clinical trials of SSRIs, other antidepressants, and placebo: analysis of FDA reports.
Am J Psychiatry, 160: 790–792, 2003
#381.04{sidBNz7KN3e}
Khoraminya N, Tehrani-Doost M, Jazayeri S et al. Therapeutic effects of vitamin D as adjunctive therapy to fluoxetine
in patients with major depressive disorder. Aust N Z J Psychiatry, 47 (3): 271–275, 2013
#381.05{sidFkrdLdUg}
Kirby K et al. Diagnosis and management of attention-deficit hyperactivity disorder in children. Cur Opinion in
Pediatr, 13:190–199, 2001
#381.06{sidW9PjmUfz}
Kishi T et al. Inhibition of myocardial respiration by psychotherapeutic drugs and prevention by coenzyme Q.
Biomedical and Clinical Aspects of Coenzyme Q. In Yamamura, Y., Folkers, K., and Ito, Y, eds. Elsevier/NorthHolland Biomedical Press, Amsterdam, Vol. 2: 139–154, 1980
#381.07{sidhJ1gJQfq}
Kitazawa M et al. Mechanism of chlorpromazine-induced arrhythmia – arrhythmia and mitochondrial dysfunction. J
Electrocardiol, 14 (3): 219–224, 1981
#381.08{sidqb9vYx0t}
Krause J. SPECT and PET of the dopamine transporter in attention-deficit/hyperacitivity disorder. Expert Rev
Neurother, 8 (4): 611–625, 2008
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#381.09{sidHKqsSull}
Lazarus JH. The effects of lithium therapy on thyroid and thyrotropin-releasing Hormone. Thyroid, 8 (10): 909–913,
1998
#381.10{sid17ovWdE1}
Lindstedt G et al. Serum thyrotropin and hypothyroidism during lithium therapy. Clin Chim Acta, 48 (2):127–33, 1973
#381.11{sidYfvDuVVL}
Martinez C, et al., Antidepressant treatment and the risk of fatal and non-fatal self harm in first episode depression:
nested case-control study. BMJ, 330 (7488): 389, 2005
#381.12{sidROzHTIYD}
Matthews JD, Fava M. Risk of suicidality in depression with serotonergic antidepressants. Ann Clin Psychiatry, 12
(1):43–50, 2000
#381.13{sid9kzgYCAN}
Mc Cormick DB. Two interconnected B vit​amins: Riboflavin and Pyridoxine. Physiol Rev, 69: 1170–1198, 1989
#381.14{sidMQrap20c}
Moreno-Fernández AM, Cordero MD, Garrido-Maraver J et al. Oral treatment with amitriptyline induces coenzyme Q
deficiency and oxidative stress in psychiatric patients. J Psychiatr Res, 46 (3): 341–345, 2012
#381.15{sidPl2zqVo8}
Nutt DJ. Death and dependence: current controversies overthe selective serotonin reuptake inhibitors. J
Psychopharmacol, 17 (4): 355–364, 2003
#381.16{sid2EcNxAwd}
Pancheri P. A double-blind, randomized parallel-group, efficacy and safety study of intramuscular S-adenosyl-Lmethionine 1,4-butanedisulphonate (SAMe) versus imipramine in patients with major depressive disorder. Int J
Neuropsychopharmacol, 5 (4): 287–294, 2002
#381.17{sidL6ZEk5w8}
Papakostas GI et al. Serum folate, vit​amin B12, and homocysteine in major depressive disordes. Part 1: predictors
of clinical response in fluoxetine-resistent depression. J Clin Psychiatry, 65 (8): 1090–1095, 2004
#381.18{sidQH0rxiMV}
Papakostas GI, Shelton RC, Zajecka JM et al. L-methylfolate as adjunctive therapy for SSRI-resistant major
depression: results of two randomized, double-blind, parallel-sequential trials. Am J Psychiatry, 169 (12): 1267–
1274, 2012
#381.19{sidAZRC6uVV}
Pinto J et al. Cardiac sensitivity to the inhibition effects of chlorpromazine, imipramine and amitriptyline upon
formation of flavins. Biochem Pharmacol, 31 (21), 3495–3499, 1982
#381.20{sid4yH1qK1o}
Pinto J et al. Inhibition of riboflavin metabolism in rat tissues by chlorpromazine, imipramine, and amitriptyline. J Clin
Invest, 67 (5): 1500–1506, 1981
#381.21{sidj31JKJQA}
Post A et al. Induction of NK-kappaB activity during haloperidol-induced oxidative toxicity in clonal hippocampus
cells: suppression of NF-kappaB and neuroprotection by antioxidants. J Neurosc, 18 (2), 8236–8246, 1998
#381.22{sidP1oEDjeG}
Post A et al. Mechanisms underlying the protective potential of alpha-tocopherol (vit​amin E) against haloperidolassociated neurotoxicity. Neuropsychopharamcology, 26 (3): 397–407, 2002
#381.23{sid39swxHAb}
Richardson A, Puri B. A randomized double-blind, placebo-controlled study of the effects of supplementation with
highly unsaturated fatty acids on ADHD-related symptoms in children with specific learning difficulties. Prog
Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry, 26: 233–239, 2002
#381.24{sid7h3LDfCX}
Schwabe U, Paffrath D (Hrsg). Arzneiverordnungsreport 2007. Springer, Berlin 2007
#382.01{sidA3lRzO1Z}
Sorgi PJ et al. Effects of an open-label pilot study with high-dose EPA/DHA concentrates on plasma phospholipids
and behavior in children with attention deficit hyperactivity disorder. Nutrition Journal, 6 (16): 1–8, 2007
#382.02{sidq1cgxPoC}
Stevens L et al. EFA supplementation in children with inattention, hyperactivity, and other disruptive behaviors.
Lipids, 38 (10): 1007–1021, 2003
#382.03{sid2BE9n0gy}
Stevens L et al. Essential fatty acid metabolism in boys with attention-deficit hyperactivity disorder. Am J Clin Nutr,
62: 761–768, 1995
#382.04{sidowtBLwfp}
Stevens L et al. Omega-3 fatty acids in boys with behavior, learning, and health problems. Physiol Behav, 59: 915–
920, 1996
#382.05{sidpQQsDZhR}
Sugiyama S, Ozawa T. Protection of chlorpromazine-induced arrhythmia by flavin-adenine-dinucleotide in canine
heart. Jpn Heart J, 20 (5): 657–665, 1979
#382.06{sidmOhVC05y}
Tinguely D et al. Determination of compliance with riboflavin in an antidepressive therapy. Arzneimittelforschung, 35
(2): 536–538, 1985
#382.07{sidl6uzHhzq}
Tomunen T et al. Association between depressive symptoms and serum concentrations of homocysteine in men: a
population study. Am J Clin Nutr, 80 (6): 1574–1578, 2004
#382.08{sid5PsdXqAR}
Toren P et al. Zinc deficiency in attention deficit hyperactivity disorder. Biol Psychiat 40:1308–1310, 1996
#382.09{sidD8MakmFo}
Vanderpas JB et al. Selenium deficiency mitigates hypothyroxinemia in iodine-deficient subjects. Am J Clin Nutr, 57
(2 Suppl): 271–275, 1993
#382.10{sidlrPoLoTV}
Voigt R et al. A randomized, double-blind, placebo-controlled trial of docosahexaenoic acid supplementation in
children with attention deficit/hyperactivity disorder. J Pediatr, 139:189–196, 2001
#382.11{sidTgjXcNUK}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Warshaw MG, Keller MB. The relationship between fluoxetine use and suicidal behavior in 654 subjects with anxiety
disorders. J Clin Psychiatry, 57: 158–166, 1996
#382.12{siduHQsRc97}
Wenk GL, Stammer KL. Activity of enzymes dopamine-beta-hydroxlyse and phenylethanolamine-Nmethyltransferase in discrete brain regions of the copper-zinc deficient rat following aluminium ingestion.
Neurotoxicolog, 43: 93–99, 1982
#383.01{sid9vCLBoYo}
32 Schilddrüsentherapeutika
#383.02{sidaQfCqVcR}
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist die häufigste Ursache einer primären Hypothyreose. Sie tritt bevorzugt zwischen
dem 30. und 50. Lebensjahr auf und zeigt eine genetische Disposition (HLA-DR3, -4, -5). Frauen sind etwa 9mal häufiger betroffen als Männer. Nicht selten finden sich Assoziationen mit anderen Autoimmunerkrankungen
wie Typ-A-Gastritis (Cave: Mangel an Vit​amin B12) und Vitiligo. Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine über Jahre
verlaufende schmerzlose Entzündung der Schilddrüse, mit partieller oder vollständiger Zerstörung des
Schilddrüsengewebes, auf einem Autoimmun​geschehen basierend, bei dem Antikörper gegen
schilddrüsenspezifische Antigene gebildet werden. Autoreaktive T-Lymphozyten (CD 8 +-zytotoxische T-Zellen)
und Autoantikörper gegen die Thyreoperoxidase (TPO) und Thyreoglobulin (TG) induzieren
autoimmundestruktive Prozesse mit der Folge einer Hypothyreose. Bei Autoimmunerkrankungen der
Schilddrüse kann die Therapie mit L-Thyroxin durch den labordiagnostisch validierten Einsatz von Selen
optimiert werden.
#383.03{sidyEMG3fwd}
32.1 Selen und Schilddrüse
#383.04{sidRwGnHwbC}
Selen ist ein essenzielles Spurenelement, das in mindestens 25 Enzymgruppen benötigt wird. Bislang gut
charakterisiert sind die Glutathionperoxidasen (antioxidative Schutzenzyme), die Thioredoxinreduktasen (regulieren
den Redoxhaushalt der Zelle, die DNA-Synthese sowie den Zellteilungszyklus) und die Dejodasen (Umwandlung von
T4 in das aktive Schilddrüsenhormon T3). Selenoprotein P (SelP) mag antioxidative Eigenschaften haben, vor allem
aber dürfte es ein Selentransportprotein sein. Es weist multiple Selenocysteinreste auf und stellt fast 50 % des
gesamten Plasmaselens. Darüber hinaus stellt es die Versorgung des Gehirns mit Selen unter Mangelbedingungen
sicher.
#383.05{sidTr7bTYOk}
Selen ist Cofaktor antioxidativ und antientzündlich wirkender Selenoproteine, zu denen die Glutathionperoxidasen
(GSH-Px) und die Thioredoxin-Reduktasen (TrxR) gehören. Das Selenoprotein TrxR beeinflusst die DNA-Synthese,
die Proteinfaltung durch Reduktion oxidierter Proteindisulfidbrücken und die Aktivität von Transskriptionsfaktoren
(NF-κB, AP-1). Das menschliche Genom enthält 25 Gene, die für 17 verschiedene Selenoproteinfamilien codieren.
Die GSH-Px spielt eine zentrale Rolle bei der Elimination zelltoxischer Peroxide (○Abb. 32.1). Eine besonders hohe
Aktivität dieses antioxidativen Schutzenzyms findet sich in der Schilddrüse. Die Schilddrüse ist mit 600–1 240 ng/g
das Gewebe mit dem größten Selengehalt im Körper. Für einen adäquaten Hormonstoffwechsel benötigt die
Schilddrüse nicht nur eine ausreichende Menge Iod, sondern auch Eisen, Zink und Selen.
#384.01{sidnsgaJWWv}
Abb. 32.1 Selen und Schilddrüsenhormonstoffwechsel
#383_384{sidCRhHyZa7}
Ein Selenmangel ist mit einer verminderten Aktivität der GSH-Px und IrxR im Schilddrüsengewebe assoziiert.
Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) und Lipidperoxide werden somit nur noch unzureichend metabolisiert. Dies führt
zu einer permanenten Exposition der Thyreozyten mit H2O2 und damit potenziell zu oxidativem und nitrosativem
Stress. Freie Radikale wie H2O2 können die Aktivität der Thyreoperoxidase (TPO) und der Deiodinasen sowie die
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Iodidaufnahme und den Iodidtransport in die Schilddrüsenfollikel hemmen. Als Folge werden Entzündungsprozesse
angestoßen, die in ihrem Verlauf eine follikuläre Atrophie und im Spätstadium zu einer milden bis moderaten
Fibrose führen. Durch die Entzündungsreaktion kommt es zu einer erhöhten Zytokinproduktion und dadurch zu einer
weiteren Überladung mit ROS. T-Zell-Zytokine wie TNF-α und IL-1 lösen eine Sensibilisierung der Thyreozyten
gegenüber Fas-vermittelter Apoptose-Induktion aus und erhöhen die Expression proinflammatorischer Substanzen
wie Adhäsionsmoleküle, Zytokine und NO durch die Schilddrüsenzellen. Für eine optimale Aktivität der GSH-Px
sowie der TrxR sind Selenspiegel im Serum von etwa 100 µg/l (120 µg/l im Vollblut) bzw. 120 µg/l (140 µg/l im
Vollblut) notwendig.
#384.02{sidhGMfYJl7}
Weitere wichtige Selenoproteine im Schilddrüsenstoffwechsel sind die Deiodinasen, die u. a. die reduktive
Deiodierung von L-Thyroxin (T4) in das aktive Schilddrüsenhormon Triiodthyronin (T3) katalysieren (○Abb. 32.1). Die
5’-Deiodinase umfasst drei Isoenzyme und ist in verschiedenen Geweben verteilt. Die Typ-1–5’-Deiodinase wird vor
allem in der Schilddrüse, der Leber, den Nieren und der Muskulatur exprimiert. Sie wandelt im peripheren Gewebe
T4 zu T3 um, wobei ca. 80 % des Serum-T3 5’-Deiodinaseabhängig synthetisiert wird. Darüber hinaus metabolisiert
sie das biologisch inaktive rT3 zu 3,3’-T2, das dann zur Resynthese von Schilddrüsenhormonen benutzt wird. Die
Typ-2–5’-Deiodinase findet sich in Gehirn, Keratinozyten, Hypophyse, Plazenta, Herzmuskel, Skelettmuskulatur und
braunem Fettgewebe. Sie wandelt T4 zu T3 durch Deiodierung am äußeren Ring des T4-Moleküls um. Dies
geschieht hauptsächlich intrazellulär. Die Aktivität des Enzyms steht in Wechselwirkung zur T4-Konzentration. Die
TSH-Regulation ist von einer normalen Typ-2–5’-Deiodinase-Aktivität abhängig. Die Bedeutung der Typ-3–5’Deiodinase, die überwiegend im Gehirn und in der Plazenta synthetisiert wird, scheint im Schutz des Gehirns und
des Föten vor übermäßiger T4-Einwirkung bei Hyperthyreose zu bestehen. Sie wandelt T4 zu inaktivem rT3 um. Ein
Mangel an Selen führt zur Aktivitätsminderung der Typ-1- sowie der Typ-2–5’-Deiodinase und damit zur
Verminderung des intrazellulären T3. Die TSH-Regulation wird über T3-Rezeptoren im entsprechenden Nukleus der
Hypophyse gesteuert. Pathophysiologisch führt eine intrazelluläre Erniedrigung des T3 zu einem Feedback mit
konsekutiver Erhöhung des TSH.
#385.01{sidxBk7asLr}
Aufgrund von Metaanalysen gilt derzeit die Messung des Gesamtselens im Vollblut oder Serum/Plasma mittels
Atomabsorptionsspektroskopie (AAS) oder Massenspektro​skopie (ICP-MS) als valide Methode. Die Messung im
Vollblut ist vorzuziehen, da Selen sich annähernd gleich in zellulärer und flüssiger Phase verteilt. Möglicherweise
bietet die Bestimmung der Konzentration des Transportproteins Selenoprotein P (SeP oder SEPP1) in Zukunft eine
bessere Möglichkeit der Messung. Ein entsprechender Test wurde entwickelt und dürfte bald als kommerzieller Kit
zur Verfügung stehen.
#385.02{sidMlmucown}
Derzeit ist der optimale Selenspiegel für den Menschen nicht genau bekannt, da die meisten Selenenzyme kinetisch
noch nicht ausreichend charakterisiert sind. Die derzeit beste Schätzung des Optimalwerts nach Rayman (Lancet
2012) liegt bei ca. 130–150 µg Selen/l Serum bzw. 162,5–187,5 µg Selen/l Vollblut.
#385.03{sidxfUSDkK9}
32.1.1 L-Thyroxin und Selen
#385.04{sid1IxidIaq}
Selen optimiert die Wirkung von L-Thyroxin bei Autoimmunthyreoiditis
#385.05{sidR9r1ysHn}
Mechanismus: Immunoendrokrine Wirkung von Selen (Cofaktor der GSH-Px und Deiodinasen): Optimierung des
Schilddrüsenhormonstoffwechsels (T4 → T3), Hemmung der Lipidperoxidation, Reduktion der TSH-Spiegel sowie
Antikörpertiter gegen Thyreoglobulin (TG-Ak) und Thyreoperoxidase (TPO-Ak).
#385.06{sidOwFW1mgi}
Folgen: Entzündungsprozesse und Radikalproduktion im Schilddrüsengewebe ↓, Zytokinproduktion ↓,
Verbesserung der klinischen Symptome und der Lebensqualität.
#385.07{sidMEpzH9E1}
Hinweis: Selen (z. B. 200–300 µg Selen/d, p. o. als Natriumselenit) kann neben der Besserung der klinischen
Symptome zu einem statistisch signifikanten Anstieg des Selenspiegels sowie zu einer signifikanten Reduktion der
Antikörpertiter gegen die Thyreoperoxidase (TPO-Ak) und einer signifikanten Senkung der TG-Ak- und TSH-Spiegel
führen.
#385.08{sidN1uHz7wM}
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist mit entzündlichen Prozessen verbunden, die in der frühen Phase mit einer leichten
Lymphozyteninfiltration der Schilddrüse beginnen, symptomlos verlaufen und daher häufig nicht erkannt werden. Im
weiteren Verlauf kommt es zu einer dichten lymphoiden Zellinfiltration mit destruktiver Thyreoiditis und schließlich zur
Fibrosierung der Schilddrüse. Bei der klinischen Untersuchung findet man eine nicht schmerzhafte Struma. Das
klinische Bild wird im fortgeschrittenen Stadium durch die Symptome der Hypothyreose (z. B. Müdigkeit, Leistungs-,
Muskelschwäche, Kälteempfindlichkeit, Kribbelparästhesien an Händen und Füßen) geprägt. Andere
Autoimmunerkrankungen wie perniziöse Anämie (→ Vit​amin-B12-Status) und endokrine Störungen (z. B. NNRInsuffizienz) werden häufig mit beobachtet.
#385.09{sidcfVADqCO}
Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis haben häufig einen unzureichenden Selen-Status. Neben der
Substitutionstherapie mit Schilddrüsenhormonen (z. B. 50–100 µg L-Thyroxin/d) konnte in verschiedenen klinischen
Studien durch die Gabe des immunmodulierend und antioxidativ wirkenden Selens (z. B. 200–300 µg Selen/d, p. o.
als Natriumselenit) neben der klinischen Besserung ein statistisch signifikanter Anstieg des Selenspiegels sowie
eine signifikante Reduktion der Antikörpertiter gegen die Thyreoperoxidase (TPO-Ak) und eine signifikante Senkung
der TG-Ak- und TSH-Spiegel beobachtet werden (der TPO-Autoantikörper-Spiegel ist ein Grad für die Entzündung
in der Schilddrüse). Wichtig: Aufgrund der Assoziation mit anderen Autoimmunerkrankungen wie Typ-A-Gastritis
sollte grundsätzlich auch der Vit​amin-B12-Status (→ Methylmalonsäure) kontrolliert und gegebenenfalls durch
intramuskuläre Applikation kompensiert werden.
#385_386{sid1bEXpYZz}
Studien: In einer prospektiven, placebokontrollierten Studie erhielten 36 Frauen (Verum: 41,6 ± 12,1 Jahre,
Placebo: 43,0 ± 12,1 Jahre) mit manifester Hashimoto-Thyreoiditis über einen Zeitraum von drei Monaten täglich
200 µg Selen als Natriumselenit. Die Frauen in der Selen-Gruppe zeigten im Vergleich zu den 34 Frauen der
Placebo-Gruppe einen signifikanten Rückgang der TPO-Ak auf 63,6 %. Bei 9 von 36 Frauen war sogar eine
Normalisierung der TPO-Ak nachweisbar. Auch die Lebensqualität der Frauen in der Verum-Gruppe hatte sich
deutlich verbessert. In einer randomisierten Studie wurden Kinder und Jugendliche (8–17 Jahre) mit
labordiagnostisch gesicherter Autoimmunthyreoiditis und nachfolgender hypothyreotischer Stoffwechsellage auf die
Wirkung einer Selensubstitution über 24 Wochen hin untersucht. Untersucht wurden subjektive Symptome mittels
visueller Analogskala und Laborparameter wie Schilddrüsenhormone, Schilddrüsenautoantikörper, CRP und Selen
vor, während und sechs Monate nach Therapie. Bei den Kindern und Jugendlichen kam es unter der zusätzlichen
Selentherapie zu einer signifikanten Besserung der klinischen Symptomatik und zum Rückgang der
Schilddrüsenautoantikörper-Titer.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#386.01{sidgEmlj1nt}
32.1.2 Iod und Selen
#386.02{sidCLqokgJq}
Selenmangel verstärkt eine bereits durch Iodmangel vorhandene Hypothyreose
#386.03{sidZVZrKDUP}
Mechanismus: Verminderte Umwandlung von T4 in T3, GSH-Px-Aktivitäts
#386.04{sidpre3XLoh}
Folgen: Oxidative Schäden des Schilddrüsengewebes durch H2O2 ↑
#386.05{sidTGBVyWcV}
Hinweis: Bei Selenmangel kommt es durch Verringerung der GSH-Px-Aktivität bei gleichzeitigem Iodmangel zu
oxidativen Schäden durch H2O2, welches aufgrund der TSH-Stimulation vermehrt bei der Synthese von
Schilddrüsenhormonen gebildet wird.
#386.06{sidxZmwnQTk}
Studien: Bei älteren Menschen mit einem niedrigen Selenstatus konnte in einer doppelblinden,
placebokontrollierten Studie gezeigt werden, dass sich nach der Supplementierung von Selen nicht nur der
Selenstatus verbessert, sondern auch der T4-Spiegel abnahm, als Ausdruck der verstärkten Umwandlung von T4 in
T3. In einer Untersuchung bei stillenden Frauen wurde bei marginalem Selen-Angebot von < 20 µg/Tag eine
verminderte fT3-Konzentration im Serum festgestellt als Folge einer verminderten Aktivität der Thyroxin-5´Deiodase-1. Die Supplementierung von 50 µg Selen pro Tag normalisierte den fT3-Spiegel der Stillenden
signifikant.
#386.07{sidE77oIMK9}
32.1.3 L-Thyroxin, Eisen und Calcium
#386.08{sid5kyZLCZc}
Eisen und Calcium verringern Resorption von L-Thyroxin
#386.09{sidE9fa2hdo}
Mechanismus: Verminderte Resorption von L-Thyroxin durch Komplexbildung mit Calcium oder Eisen.
#386.10{sidFHDo2ZU4}
Folgen: Verminderte Bioverfügbarkeit und Wirkung (auch Wirkungsschwankungen) von L-Thyroxin.
#386.11{sidFD5oWX59}
Hinweis: Einnahmeabstand von 1 bis 2 Stunden mit Calcium- bzw. Eisenpräparaten, gesamte Tagesdosis von LThyroxin sollte morgens nüchtern, mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück mit reichlich Flüssigkeit unzerkaut
eingenommen werden.
#386.12{sid8M6BtS2L}
32.1.4 L-Thyroxin und Vitamin D
#386.13{sidulI8VRfC}
Vitamin D wirkt Entzündungsprozessen bei Hashimoto entgegen
#386.14{sid7MPrgerT}
Mechanismus: Vitamin D wirkt antientzündlich, antioxidativ, immunregulierend (z. B. C3-Komplement) und greift
über VDR in den Schilddrüsenhormonstoffwechsel ein. Zudem werden die Thyreoperoxidase-Antikörper (TPO-AK)
durch Vitamin D gesenkt und damit die pathogologische autoimmunbedingte Schilddrüsenentzündung.
#386.15{sidxdUykGFR}
Folgen: Vitamin D verbessert die Stoffwechsellage bei Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis.
#386_387{sidIBCVfgA1}
Hinweis: Verschiedene Studien belegen, dass Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis im Vergleich zu gesunden
Personen signifikant erniedrigte 25(OH)D-Spiegel im Blutserum aufweisen. Dabei steht der Vitamin-D-Mangel im
direkten Zusammenhang mit einem Anstieg der Antikörper-Spiegel (z. B. TPO-(Thyreoperoxidase-)Antikörper)
sowie der Dauer, Schwere und dem Fortschreiten (Progression) der entzündlichen Schilddrüsenerkrankung, bis hin
zur klinisch erkennbaren (manifesten) Hypothyreose. Einige unspezifische Beschwerden des Vitamin-D-Mangels,
wie Müdigkeit, Gelenkschmerzen und Leistungsabfall, überschneiden sich mit den Symptomen der HashimotoThyreoiditis. Außer in vielen anderen Organen sind auch in der Schilddrüse Rezeptoren für Vitamin-D-Hormon
nachgewiesen worden. Störungen des Immunsystems als Folge eines Vitamin-D-Mangels können die
autoimmunbedingten Entzündungsprozesse in der Schilddrüse verstärken.
#387.01{sidtqGZTSWW}
Studien: In einer aktuellen Studie an Patienten mit Vitamin-D-Mangel und Hashimoto-Thyreoiditis wurde über 4
Monate der Einfluss einer Vitamin-D-Supplementierung (1 200–4 000 I. E. Vitamin D/d, p. o.) auf die
Schilddrüsenfunktion und Krankheitsaktivität untersucht. Dabei stieg der 25(OH)D-Spiegel von 14,6 auf 45,7 ng/ml
und die TPO-Antikörper-Spiegel fielen als Zeichen einer reduzierten Krankheitsaktivität signifikant um 20,3 % (364 ±
181 → 290 ± 116 IU/ml). Obwohl dieser Abfall auf den ersten Blick relativ gering erscheint, ist er doch umso
bedeutender, weil die TPO-Antikörper über die Aktivierung des C3-Komplements direkt an der Zerstörung gesunder
Schilddrüsenzellen beteiligt sind. Das C3-Komplement ist ein Eiweiß, das zusammen mit mehreren anderen
Proteinen ein System zur Abwehr von Erregern im Blut bildet und bei Entzündungsprozessen eine Rolle spielt. Es ist
eng verzahnt mit unserem Immunsystem.
#387.02{sid3ZQhtuVI}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
32.1.5 L-Thyroxin und Vitamin B12
#387.03{sidOvW8lQZZ}
Vitamin-B12-Mangel bei Hashimoto Thyreoiditis
#387.04{sidYz79OVvI}
Mechanismus: Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis weisen vermehrt auch eine Autoimmunerkrankung des
Magen-Darm-Trakts, eine Typ-A-Gastritis auf. Bei der Typ-A-Gastritis bildet der Körper Antikörper gegen bestimmte
Zellen in der Magenschleimhaut, die sogenannten Belegzellen.
#387.05{sidCu768XGp}
Folgen: Mangel an Vitamin B12, Neuropathien,
#387.06{sidE3PED7B5}
Hinweis: Da Vitamin-B12-Mangel zur Hirnatrophie und zu schweren Nervenschäden führen kann, sollte der VitaminB12-Status bei allen Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis in jedem Fall ärztlich abgeklärt und durch orale, hoch
dosierte Supplementierung (z. B. 1 000 µg Me-Cobalamin/d) oder intramuskulärer Gabe von Vitamin B12
ausgeglichen werden.
#387.07{sid22NzXMoT}
Normalerweise produzieren die Zellen im GIT Magensäure und den Transportfaktor Intrinsic-Faktor. Magensäure und
Intrinsic-Faktor sind für die Aufnahme von Vitamin B12 aus der Nahrung notwendig. Fehlt der Intrinsic-Faktor, kann
sich ein Vitamin-B12-Mangel entwickeln.
#387.08{sid8kTBooof}
32.1.6 L-Thyroxin und Eisen
#387.09{sid1yhXp7GF}
Eisenmangel verschlechtert die Schilddrüsenfunktion
#387.10{sid7zfugSud}
Mechanismus: Eisen kommt vor allem in den apikalen Zellmembranen der Thyreozyten vor. Die ThyroidPeroxidase ist ein Häm-Enzym, das Eisen als Zentralatom komplex gebunden hat.
#387.11{sidQikrFcVy}
Folgen: Eisen verbessert die Wirksamkeit von L-Thyroxin bei Schilddrüsenerkrankungen wie HashimotoThyreoiditis.
#387.12{sidqpyMKDEE}
Hinweis: Die Bildung von Schilddrüsenhormonen ist nicht nur von Iod, sondern auch von Eisen abhängig.
Eisenmangel kann den Schilddrüsenstoffwechsel beeinträchtigen. Die Gabe von Eisen verbesserte bei Kindern, die
unter einem Kropf und Eisenmangel litten, deutlich die Wirksamkeit von Iod. Die vergrößerte Schilddrüse ließ sich so
wesentlich besser behandeln. Auch bei anämischen Frauen verbessert die Gabe von Eisen die
Schilddrüsenhormonspiegel. Gleichzeitig ist Eisen auch wichtiger Bestandteil des Schilddrüsenenzyms ThyroidPeroxidase (TPO). Ein Eisenmangel trägt zu einer Hemmung des Schilddrüsenstoffwechsels bei, kann also eine
Schilddrüsenunterfunktion mit verursachen und vor allem verstärken. Gleichzeitig ist bei einer
Schilddrüsenunterfunktion die Aufnahme von Eisen verschlechtert.
#387_388{sidNwGd0LU5}
Die Bestimmung des Ferritins, CRP und des löslichen Transferrin-Rezeptors (sTfR) sind geeignete Möglichkeiten
der labormedizinischen Kontrolle des Eisenstatus. Ferritin ist nur ein Maß für den Eisenspeicher und kann durch
Entzündungsprozesse verfälscht werden. Daher sollten zum Ferritin immer auch der Entzündungsparameter CRP
sowie zur Untermauerung der Eisen-Diagnostik der lösliche sTfR bzw. Ferritin-Index sowie die Leberwerte (z. B.
Gamma-GT) mit gemessen werden.
#388.01{sidI2NRnSn0}
Literatur
#388.02{sidPCKuwesE}
Anke M et al. Die Versorgung Erwachsener Deutschlands mit Iod, Selen, Zink bzw. Vanadium und mögliche
Interaktionen dieser Elemente mit dem Iodstoffwechsel. In: Aktuelle Aspekte des Iodmangels und
Iodüberschusses. Interdisziplinäres Iodsymposium. K Bauch (Hrsg.), S. 147–176. Blackwell-Wiss.-Verl., Berlin
2000
#388.03{sid5iWkcZuD}
Elias E, Mazokopakis EE, Papadomanolaki MG et al. Is vitamin D related to pathogenesis and treatment of
Hashimoto‘s thyroiditis? Hell J Nucl Med, 18 (3): 222–227, 2015
#388.04{sid6caGIL6D}
Gärtner R et al. Selenium supplementation in patients with autoimmune thyroiditis decreases thyroid peroxidase
antibodies concentrations. J Clin Endocrinol Metab, 87 (4):1687–1691, 2002
#388.05{sidIRvZxIOX}
Gröber U. Selen und Hashimoto-Thyreoiditis. Dtsch Apoth Ztg, 148 (11): 61–64, 2008
#388.06{sidFguA5qDv}
Hu S, Rayman MP. Multiple nutritional factors and the risk of Hashimoto‘s Thyroiditis. Thyroid; doi:
10.1089/thy.2016.0635, 2017
#388.07{sidqle4yePx}
Mazokopakis EE et al. Effects of 12 months treatment with L-selenomethionine on serum anti-TPO Levels in
Patients with Hashimoto‘s thyroiditis. Thyroid, 17 (7): 609–612, 2007
#388.08{sid5iNmRkOY}
Ranjbar A et al. Immunendokriner Effekt des Selens bei Immunthyreoiditis mit hyperthyreoter Stoffwechsellage im
Kindes- und Jugendalter. Zs f Orthomol Med, 4: 6–9, 2010
#388.09{sidqoEhRlbg}
Rayman MP. Selenium and human health. Lancet, 379 (9822): 1256–1268, 2012
#388.10{sid3qhNtHT5}
Schlemmer L, Kahaly GJ. Selen und Hashimoto-Thyreoiditis. Zs f Orthomol Med, 3: 14–18, 2010
#388.11{sidMQPXawro}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Vanderpas JB et al. Selenium deficiency mitigates hypothyroxinemia in iodine deficient subjects. Am J Clin Nutr, 57:
271–275, 1993
#389.01{sidZsWlk6ln}
33 Sexualhormone und Antiestrogene
#389.02{sidbPOeW7CM}
Orale Kontrazeptiva können bei langfristiger Einnahme mit einer Reihe von Vit​aminen und Mineralstoffen
interagieren. So zeigen verschiedene Studien, dass unter der Therapie mit oralen Ovulationshemmern die
Plasmaspiegel der B-Vit​amine (z. B. Vit​amin B6, B12, Folsäure) und Spurenelemente (z. B. Zink) abfallen (□
Tab. 33.1). Dadurch können subklinische Mangelzustände induziert und/oder verstärkt werden, die sich durch
psychische Befindlichkeitsstörungen (z. B. Reizbarkeit) äußern. Da sich die Vit​aminspiegel durch eine
Verringerung des Estrogenanteils zum Teil normalisieren lassen, werden die Veränderungen des
Vit​aminstatus überwiegend auf die Estrogenkomponente in Kombinationspräparaten zurückgeführt. Gestagene
beeinflussen den Vit​aminstatus nur wenig.
#389.03{sidI99jkqq0}
33.1 Kontrazeptiva und Mikronährstoffe
#389.04{siduWr7XrRS}
33.1.1 Orale Kontrazeptiva und ​Vit​amin B6
#389.05{sid1diWw9OQ}
Vit​amin-B6-Mangel durch orale Kontra​zeptiva
#389.06{sidnkQAYQ1Z}
Mechanismus: Erhöhter Bedarf an Vit​amin B6; Abfall der Vit​amin-B6-Serumspiegel; Störungen im
Tryptophanmetabolismus als Folge der reduzierten Aktivität der von Pyridoxalphosphat abhängigen Kynureninase.
#389.07{sidosowMldA}
Folgen: Erhöhte Xanthurensäure-Exkretion nach Tryptophanbelastung (> 30 mg/24h); erhöhter
Aktivierungskoeffizient der erythrozytären Aspartat-Aminotransferase (≥ 1,85); Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l);
Störungen im Tryptophanstoffwechsel (→ Serotoninmangel im Zentralnervensystem): Kopfschmerzen, Reizbarkeit,
depressive Verstimmungen; zum Teil verminderte Glucosetoleranz.
#389.08{sidXL5OkXmi}
Hinweis: L-Tryptophan ist eine essenzielle Aminosäure, die unter physiologischen Bedingungen zu den
Neurohormonen Serotonin und Melatonin verstoffwechselt wird. Im Blut wird L-Tryptophan zu 80 bis 90 % an Albumin
gebunden und nur ein geringer Teil liegt frei im Plasma vor. Nur etwa 1 % des aufgenommenen L-Tryptophans wird
in Serotonin umgewandelt. Dabei erfolgt der größte Anteil der Serotonin-Synthese in den enterochromaffinen Zellen
des Gastrointestinaltrakts und nur ein geringer Teil im zentralen Nervensystem.
#390.01{sidaEM0BbsW}
Tab. 33.1 Einfluss oraler Kontrazeptiva auf die Plasma- bzw. Serumspiegel von Mikronährstoffen
#390.02{sid7k2WzJnH}
Mikronährstoff
Einfluss auf den Plasma/Serumspiegel
Vit​amin B2 (Riboflavin)
↓
Gruppe
#390.03{sidCy3FSEe9}
Vit​amine
#390.04{sidGGWUrYcL}
↓
Vit​amin B6 (Pyridoxin)
#390.05{sidRobjXM7f}
↓
Vit​amin B12 (Cobalamin)
#390.06{sidoG6aTJoF}
↓
Folsäure
#390.07{sidffrAMxcT}
↓
Vit​amin C
#390.08{sidyD4qyIMP}
↑
Vit​amin A
#390.09{sidTXQN6cKd}
Mineralstoffe
Magnesium
↓
#390.10{sidYbu9NuH9}
↓
#390.11{sidgdN6hqNZ}
↑
Zink
Kupfer
#390.12{sidIoJIjBze}
↑
Eisen
#389.09{siduZLzmV4X}
Unter physiologischen Bedingungen wird etwa 1 % des L-Tryptophans durch das Enzym Tryptophan-5-Hydroxylase
(TPH) in 5-Hydroxytryptophan umgewandelt. Dieser Stoffwechselweg ist von den Cofaktoren Folsäure, Vit​amin B3,
Eisen, Kupfer und Vit​amin C abhängig. Insulinresistenz, Hypercortisolismus (Stress) sowie Niacin- und Vit​amin-B6-
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Mangel beeinträchtigen die Aktivität der TPH. Auch das im Rahmen von Nitrostress entstehende Peroxynitrit kann
die TPH blockieren. 5-Hydroxytryptophan wird weiter durch die aromatische L-Aminosäure-Decarboxylase (AD) in
Serotonin überführt. Ein Mangel an Vit​amin B6 und die Induktion der Tryptophan-2,3-Dioxygenase (TDO) z. B. durch
Estrogene, erhöht als Folge der Akkumulation von Kynurenin und 3-OH-Kynurenin die Xanthurensäurebildung.
Erhöhte Xanthurensäurespiegel begünstigen die Bildung von ROS. Die hydroxylierte Chinonstruktur der
Xanthurensäure bindet Eisen und bildet so einen Komplex, der z. B. die DNA oxidativ schädigen kann.
Xanthurensäure kann auch mit Insulin Komplexe bilden und die Stoffwechselaktivität des Hormons einschränken. Die
Supplementierung von Vit​amin B6 kann Störungen der Glucosetoleranz entgegen wirken.
#390.13{sidpTRbCG62}
Auch verschiedene immunologische und endokrinologische Mechanismen können den oxidativen Abbau von LTryptophan zu Kynurenin begünstigen. In der Leber wird L-Tryptophan über die Tryptophan-2,3-Dioxygenase (TDO)
zu Kynurenin abgebaut und in Makrophagen, Astrozyten und Mikrogliazellen über die Indolamin-2,3-Dioxygenase
(IDO). Die IDO wird durch proinflammatorische Zytokine wie TNF-α und Interferon-‫ץ‬ induziert. Infolge der
Enzyminduktion wird der Abbau von L-Tryptophan in Richtung Kynureninstoffwechsel verstärkt. Die Folge ist eine
Abnahme der Tryptophan-Konzentrationen im Plasma mit einer reduzierten Biosyntheseleistung an Serotonin. Eine
Serotonin-Insuffizienz kann sich im GIT durch Motilitätsstörungen und Schmerzen äußern und zentralnervös durch
Depressionen und Angstzustände. Darüber hinaus führt die Aktivierung der IDO zu einer vermehrten Produktion von
Chinolinsäure, einem Agonisten des NMDA-Rezeptors. Unter der Einnahme oraler Kontrazeptiva ist die
regelmäßige Supplementierung von Vit​amin B6 (z. B. 5 bis 25 mg/d, p. o.) in Kombination mit Folsäure und Vit​amin
B12 empfehlenswert, um einem medikationsbedingten erhöhten Bedarf zu kompensieren. Bei Symptomen eines
gestörten Tryptophanstoffwechsels (z. B. depressive Verstimmungen) sollten Vit​amin B6 (z. B. 50 bis 100 mg/d, p.
o.) und 5-HTP (z. B. 200 mg/d p. o.) gegeben werden.
#390.14{sidSezVyD3K}
Die langfristige Einnahme von oralen Kontrazeptiva kann zu Vit​amin-B6-Mangel​symptomen führen, die sich bei
Frauen vor allem in psychischen Befindlichkeitsstörungen äußern. Bei unzureichender Vit​amin-B6-Ver​sorgung
werden verstärkt alternative Stoffwechselwege des Tryptophan-Metabolismus beschritten, mit der Folge einer
erhöhten Bildung von Kynurenin, 3-OH-Kynurenin und Xanthurensäure (○Abb. 33.1). Die verstärkte Induktion der
Tryptophan-2,3-Dioxygenase (TDO) durch Estrogen kann ebenfalls die Xanthinsäurebildung begünstigen. Die durch
Estrogen induzierten Störungen des Tryptophanhaushalts scheinen unter der Einnahme von Ovulationshemmern
häufiger die Ursache für Depressionen zu sein. Darüber hinaus kann eine exzessive Bildung von Xanthurensäure
den Zinkstatus beeinträchtigen, da Xanthurensäure mit Zink Komplexe bildet, die vermehrt renal ausgeschieden
werden.
#391.01{sidQJLANpOH}
Abb. 33.1 Störungen im Tryptophanstoffwechsel bei Vit​amin-B6 -Mangel. TPH: Tryptophan-Hydroxylase, AD: L-AminosäureDecarboxylase, TDO: Tryptophan-Oxidase, IDO: Indolamin-2,3-Dioxygenase
#391.02{sidAh1tfs4D}
Studien: In einer Untersuchung an 46 Frauen, die orale Kontrazeptiva einnahmen, wurde der Kohlenhydrat- und
Vit​amin-B6-Status vor und nach der Gabe von Pyridoxin untersucht. Dabei zeigte sich bei 18 Frauen eine Vit​aminB6-Depletion im Gewebe. Die Zufuhr von Vit​amin B6 war bei diesen Frauen mit einer verbesserten Glucosetoleranz
assoziiert, die sich in einer rascheren Abnahme des Glucose- und Pyruvatspiegels nach einem oralen
Glucosetoleranztest äußerte. Diese Effekte konnten in einer Vergleichsgruppe von 28 Frauen, die keinen Vit​aminB6-Mangel aufwiesen, nicht beobachtet werden. Eine mögliche Erklärung könnte in der vermehrten Bildung des
Tryptophan-Metaboliten Chinolinsäure durch die Gabe von Vit​amin B6 liegen. Chinolinsäure ist ein Inhibitor der
hepatischen Phosphoenolpyruvatcarboxykinase, einem Schlüsselenzym der Gluconeogenese (→ Neusynthese von
Glucose aus Nicht-Kohlenhydratvorstufen). Diese These wird gestützt durch die Beobachtung, dass bei Frauen, die
unter der Therapie mit oralen Kontrazeptiva keinen Vit​amin-B6-Mangel aufwiesen, die Glucosetoleranz verbessert
werden konnte, wenn diese L-Tryptophan zur Steigerung der Chinolinsäure-Synthese erhielten.
#391.03{sidE8yQjhN0}
33.1.2 Orale Kontrazeptiva und ​Vit​amin B2
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#391.04{sidHvh16flL}
Erhöhter Vit​amin-B2-Bedarf durch orale Kontrazeptiva
#391.05{sid0fzcSPt6}
Mechanismus: Langfristige Einnahme von oralen Kontrazeptiva kann Riboflavinbedarf steigern.
#392.01{sidQoNIbKQy}
Folgen: Riboflavinmangel (Glutathion-Reduktase Aktivität der Erythrozyten ↓); Kopfschmerzen, Reizbarkeit,
Stimmungsschwankungen.
#392.02{sidSTcvnvqU}
Hinweis: Bei langfristiger Einnahme oraler Kontrazeptiva ist eine adäquate Riboflavin-Versorgung durch
prophylaktische Supplementierung von Vit​amin B2 (z. B. 10 mg tgl., p. o.) in Kombination mit Folsäure, Vit​amin B6
und B12 empfehlenswert.
#392.03{sidI0OgbvZC}
33.1.3 Orale Kontrazeptiva und ​Folsäure
#392.04{sidBevauVNT}
Orale Kontrazeptiva stören die Folsäure​resorption
#392.05{sidcUff91jj}
Mechanismus: Orale Kontrazeptiva können die intestinale Dekonjugation von Folsäure-Polyglutamaten im Darm
über Hemmung der Folsäure-Dekonjugase stören und damit die Bioverfügbarkeit von Nahrungsfolaten senken;
darüber hinaus steigern sie die renale Folsäureexkretion.
#392.06{sidvqtt3faf}
Folgen: Abfall der Folsäureplasmaspiegel; Blässe, Vergesslichkeit, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, depressive
Verstimmungen; Megaloblastenanämie; Leuko- und Thrombozytopenie; Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l);
erhöhtes Risiko für zytologische Veränderungen im Zervixschleim (zervikale Dysplasie).
#392.07{sidY9pg8T6J}
Hinweis: Bei Einnahme oraler Kontrazeptiva sollte regelmäßig die Einnahme einer Kombination von Folsäure bzw.
5-Methyl-THF (0,4–1 mg tgl., p. o.), Vit​amin B12 und B6 erfolgen. Die Häufigkeit eines Folsäuremangels bei Frauen,
die orale Kontrazeptiva benutzen soll über 20 % betragen. Ein Folsäuremangel kann bis zu einem halben Jahr nach
Absetzen der Kontrazeptiva andauern und sich dementsprechend nachteilig auf eine Schwangerschaft auswirken!
#392.08{sidyMNOHi92}
Studien: Die in der Nahrung dominierenden Polyglutamatverbindungen der Folsäure müssen vor der eigentlichen
Resorption durch eine zinkabhängige γ-Glutamyl-Carboxypeptidase (Folsäure-Dekonjugase) in die resorbierbaren
Monoglutamate hydrolysiert werden. Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass unter der Einnahme oraler
Kontrazeptiva auch die Vit​amin-B12-Serumspiegel abfallen können. Möglicherweise hängt dies mit einer
estrogenbedingten Zunahme der Bindungsproteine (→ Transcobal​amin) zusammen.
#392.09{sidawv0JTWT}
33.1.4 Orale Kontrazeptiva und Magnesium
#392.10{sidXOpNqD2h}
Orale Kontrazeptiva und Estrogene stören den Magnesiumhaushalt
#392.11{sidYBlsMbuS}
Mechanismus: Orale Kontrazeptiva und Estrogene fördern einerseits die Einlagerung von Magnesium in das
Gewebe und die Knochen und können andererseits die renale Magnesiumausscheidung erhöhen.
#392.12{sidMpaijJq7}
Folgen: Die Störung im Magnesiumhaushalt kann den Calcium/Magnesium-Quotienten erhöhen (> 2), vor allem bei
Personen, die zu wenig Magnesium mit der Ernährung aufnehmen. Das Risiko für Nebenwirkungen der
Hormontherapie (z. B. Embolien) kann zunehmen.
#392.13{sidhSX0YmWT}
Hinweis: Bei Einnahme oraler Kontrazeptiva und Estrogenen ist eine regelmäßige Supplementierung von
Magnesium (z. B. 200–300 mg tgl.) empfehlenswert. Magnesium greift regulierend in den Stoffwechsel der
Prostaglandine ein. Es fördert die Synthese des vasodilatatorisch und antithrombotisch wirkenden Prostacyclins und
reduziert die Belastung mit dem vasokonstriktorisch wirkenden Thromboxan A2. (TXA2 steigert die
Thrombozytenaggregation und führt zur Gefäßverengung). Die antikoagulatorischen und vasodilatatorischen
Eigenschaften spielen in der Prophylaxe und Therapie der Migräne mit Magnesium eine wesentliche Rolle.
Estrogenbedingte Störungen im Magnesium- und Calciumhaushalt dürften auch wesentlich an der Entwicklung des
prämenstruellen Syndroms beteiligt sein.
#393.01{sidDZoH46PT}
33.1.5 Orale Kontrazeptiva und ​Vit​amin C
#393.02{sidiVawsCLu}
Estrogene können Vit​amin-C-Bedarf ​erhöhen
#393.03{siddyAUHpjk}
Mechanismus: Orale Kontrazeptiva steigern vermutlich als Folge des Anstiegs von Kupfer und Coeruloplasmin im
Plasma die oxidative Metabolisierung von Vit​amin C. Das kupferabhängige Enzym Coeruloplasmin ist eine
Ferrioxidase, die Fe2 + zu Fe3 + sowie Ascorbinsäure zu Dehydroascorbinsäure oxidieren kann; weitere Faktoren:
Störung der Resorption, Steigerung des Vit​amin-C-Abbaus und der Vit​amin-C-Exkretion, Umverteilung ins Gewebe.
#393.04{sid9uhvuQhz}
Folgen: Abfall der Vit​amin-C-Konzentrationen in Plasma, Leukozyten und Thrombozyten.
#393.05{sid0R0z6A6D}
Hinweis: Bei Einnahme oraler Kontrazeptiva ist eine regelmäßige Supplementierung von Vit​amin C (z. B. 200–500
mg tgl., p. o.) empfehlenswert.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#393.06{sidwCFd2NjE}
Studien: In einer Studie an 126 Frauen (Alter: ~ 27,6 Jahre), von denen 63 über ein Jahr lang orale Kontrazeptiva
eingenommen hatten, wurde im Vergleich zur Kontrollgruppe ein signifikanter niedriger Vit​amin-C-Spiegel in den
Leukozyten beobachtet (18,7 ± 7,8 mg/100 g Leukozyten bzw. 25,7 ± 14,5 mg/100 g Leukozyten, p < 0.05). Von
einer langfristigen hochdosierten Vit​amin-C-Zufuhr unter der Einnahme oraler Kontrazeptiva wird jedoch teilweise
abgeraten, da Vit​amin C in höheren Dosen (z. B. 1 000 mg tgl., p. o.) nach einer englischen Studie die
Bioverfügbarkeit von Ethinylestradiol (EE2) deutlich steigert. Ethinylestradiol hat aufgrund eines ausgeprägten FirstPass-Effekts (→ Konjugation mit Sulfat im Darm und in der Leber) in der Regel nur eine Bioverfügbarkeit von etwa
40 %. Vit​amin C soll in hoher Dosierung (z. B. 1 000 mg tgl.) bei gleichzeitiger Einnahme die Bildung von
Sulfatkonjugaten mit Ethinylestradiol verringern, sodass die Bioverfügbarkeit und die Plasmakonzentrationen
deutlich ansteigen können.
#393.07{sidQxj7JWeA}
Eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 1993 zeigt jedoch, dass die potenzielle Wechselwirkung zwischen
Vit​amin C (1 g tgl., p. o., ½ h vor der EE2-Einnahme) und Ethinylestradiol bei der Konjugation mit Sulfatresten nicht
zu einem Anstieg der Bioverfügbarkeit führt und demnach auch nicht von klinischer Relevanz ist. Die Autoren
empfehlen daher Vit​amin C von der Liste der Stoffe, die mit der Pharmokinetik von Ethinylestradiol interferieren, zu
streichen.
#393.08{sidlMqQqbLR}
33.1.6 Antiestrogene und Vit​amin D
#393.09{sidzcbWbmbI}
Vit​amin D reduziert aromatasehemmerassoziierte Arthralgien und Myalgien
#393.10{sidi2XwWLi8}
Mechanismus: Vit​amin D (muskuloskelettale Wirkungen): Skelettmuskeln und Nerven besitzen spezifische
Vit​amin-D-Rezeptoren (VDR), welche die Muskelzelldifferenzierung und -reifung sowie die Muskelkontraktion und
Muskelrelaxation steuern; Vit​amin-D-Hormon beeinflusst über den VDR die Verteilung des intrazellulären Calciums
sowie die Aufnahme von anorganischen Phosphaten, die für die Proteinsynthese von ATP und Kreatininphosphat
essenziell sind. Darüber hinaus begünstigt eine Vit​amin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) einen sekundären
Hyperparathyreoidismus, der für eine Atrophie und Reduktion der Typ-IIa-Muskelfasern verantwortlich gemacht wird;
Vit​amin-D-Mangel führt zu Muskelschmerzen, proximaler Myopathie mit typischem Watschelgang und
Schwierigkeiten Treppen zu steigen; Vit​amin D besitzt analgetische und antientzündliche Eigenschaften, da es der
Synthese proinflammatorischer Zytokine (z. B. TNF-α) im Gelenk entgegenwirkt.
#393.11{sidFzUvPlsp}
Folgen: Supplementierung von Vit​amin D (z. B. 40 000 I. E./Woche, p. o.) kann die Arthralgie- Fatigue- und
Myalgierate unter Aromatasehemmern signifikant reduzieren und die Lebensqualität der Patienten verbessern.
#393.12{sidw6EytAVk}
Hinweis: Referenz für die Supplementierung von Vit​amin D sollte ein Calcidiol-(25(OH)D)Spiegel im Serum von
40–60 ng/ml (= 100–150 nmol/l) sein.
#394.01{sidQF6ut9e0}
Nach ihrem Wirkprinzip werden die Antiestrogene in Estrogen-Rezeptor-Antagonisten/Modulatoren und
Aromatasehemmer gegliedert.
#394.02{sideurv6XFk}
Tamoxifen ist ein selektiver Estrogen-Rezeptor-Modulator (SERM) mit antiestrogenen und antikanzerogenen
Eigenschaften, der in der adjuvanten Brustkrebstherapie und in der Palliativtherapie metastasierter
Mammakarzinome eingesetzt wird. Das Antiestrogen hemmt die Expression estrogenregulierter Gene (z. B. die von
Promotoren der Angiogenese). Darüber hinaus gibt es Hinweise auf eine direkte Apoptoseinduktion durch
Tamoxifen. In Zellkulturen wurde nach Zugabe von Tamoxifen u. a. eine vermehrte Expression des biologisch aktiven
transforming growth factor β (TGF-β1) nachgewiesen. Inzwischen hat man TGF-β als einen negativen
Wachstumsfaktor für das Mammakarzinom identifiziert. Auch Calcitriol steigert die Synthese und Freisetzung von
TGF-β1. Dies könnte einer der Gründe dafür sein, warum die Kombination von 1,25-(OH)2-Vit​amin D und Tamoxifen
im Tiermodell zu einer verstärkten Inhibition der Karzinogenese und erhöhten Apoptoserate führt. Neben TGF-β1
werden durch Calcitriol auch die Gene p21 und p27 hochreguliert.
#394.03{sidHPcRWZZZ}
Obwohl Tamoxifen einen antiresorptiven Effekt auf den Knochen hat, kann es das Fehlen der Estrogenstimulierten
Knochenneubildung nicht ausgleichen. In verschiedenen Studien konnte vor allem bei prämenopausalen Frauen
unter einer Therapie mit Tamoxifen ein Knochendichteverlust beobachtet werden. Weitere Nebenwirkungen unter
Tamoxifen sind unter anderem Knochen- und Muskelschmerzen sowie häufig ein Anstieg der Triglyceride im Serum.
#394.04{sidlGtjOH7d}
Aromatasehemmer blockieren die Estrogensynthese. Da sie den Estrogenspiegel senken, bedingen sie ein hohes
Risiko für Osteoporose. Schon im Rahmen einer der kurzfristigen Anwendung von Letrozol konnte in Studien bereits
eine signifikante Zunahme von Knochenresorptionsmarkern beobachtet werden. Die adjuvante Therapie mit
Anastrozol zeigte eine deutlich höhere Frakturrate als eine Therapie mit Tamoxifen (ATAC-Studie). Im Gegensatz zu
Anastrozol und Letrozol wirkt der steroidale Aromatasehemmer Exemestan dem Knochenschwund entgegen und
erhöht die mechanische Belastbarkeit des Knochens.
#394.05{sidmUd4I482}
Bis zu 50 % der Frauen, die Aromatasehemmer nehmen, klagen über Arthralgien und Myalgien. Die
Supplementierung von Vit​amin D (z. B. 40 000 I. E./Woche, p. o.) kann sowohl das Risiko für Störungen des
Knochenstoffwechsels unter Tamoxifen bzw. Aromatasehemmern reduzieren als auch den Krankheitsverlauf und die
Lebensqualität der Krebspatienten positiv beeinflussen. Einem Anstieg der Serumtriglyceride unter Tamoxifen wirkt
Vit​amin D entgegen. Das Auftreten von Arthralgien unter Aromatasehemmern wie Anastrozol, Letrolzol und
Exemestan kann durch Vit​amin D signifikant verringert werden.
#394.06{sid3aKrZd9i}
Studien: In einer Studie an 290 Frauen unter Therapie mit Aromatasehemmer wurde der Vit​amin-D-Status erfasst.
90 % der Frauen hatten einen 25(OH)D-Spiegel im Serum < 30 ng/ml. Selbst nach der täglichen Supplementierung
von 800 I. E. Vit​amin D und 16 000 I. E. Vit​amin D alle zwei Wochen über einen Zeitraum von drei Monaten
erreichten 50 % der Frauen keinen adäquaten Vit​amin-D-Status. In der Gruppe mit 25(OH)D-Spiegeln zwischen 30
bis 40 ng/ml traten signifikant weniger Arthralgien gegenüber den Gruppen < 30 ng/ml auf. Ein Anstieg des
25(OH)D-Spiegels ≥ 40 ng/ml beugte dem Auftreten von Arthralgien signifikant vor. Eine Supplementierung von 40
000–50 000 I. E. Vit​amin D pro Woche ist zur Vorbeugung und Therapie von aromatasehemmerassoziierte
Arthralgien und Myalgien empfehlenswert.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#394.07{sid2lh6xJCb}
33.1.7 Tamoxifen und Coenzym Q10
#394.08{sidwFHYbzto}
Mitotrope Mikronährstoffe unterstützen die Wirksamkeit und verringern die Nebenwirkungen
#394_395{sidIniG7CAX}
Mechanismus: Antioxidanzien (Vit​amin C, Vit​amin E) und mitochondriale Substrate (Coenzym Q10, Riboflavin,
Niacin) haben einen günstigen Einfluss auf Nebenwirkungen von Tamoxifen und die Tumormarker (CEA, CA 15–3),
antiangiogenetische Wirkung von Coenzym Q10, Vit​amin B2 und Vit​amin B3.
#395.01{sidsaQKBLhL}
Folgen: Die Einnahme von mitotropen Mikronährstoffen verringert die tamoxifenassoziierten Nebenwirkungen (z. B.
Hypertriglyceridämie) Die Ergebnisse einer aktuellen Studie lassen vermuten, dass die Supplementierung von
Coenzym Q10, Riboflavin und Niacin zusammen mit Tamoxifen beim Mammakarzinom das Risiko der Rezidiv- und
Metastasenbildung verringern kann.
#395.02{sidL4yjELXu}
Hinweis: Unter einer Therapie mit dem Antiestrogen Tamoxifen kann eine Supplementierung von Coenzym Q10 (z.
B. 100 mg/d) in Kombination mit Riboflavin (z. B. 10 mg, tgl.) und Niacin (z. B. 50 mg tgl., p. o.) empfohlen werden.
Die adjuvante Supplementierung von Vit​amin C (z. B. 500 mg tgl., p. o.) und Vit​amin E (z. B. 400 I. E., tgl., p. o.) kann
das Risiko einer tamoxifeninduzierten Hypertriglyceridämie verringern (siehe auch S. 90).
#395.03{sidL7pvRESp}
Studien: Die Supplementierung von Coenzym Q10 (100 mg/d) in Kombination mit Riboflavin (10 mg/d) und Niacin
(50 mg/d) zeigte in einer aktuellen Studie einen günstigen Einfluss auf die Tumormarker CEA und CA15–3 bei
Patientinnen mit Brustkrebs unter einer Therapie mit Tamoxifen (○Abb. 33.2). Die Ergebnisse dieser Studie lassen
vermuten, dass die Supplementierung von mitochondrialen Substraten wie Coenzym Q10 zusammen mit Tamoxifen
bei Frauen mit Brustkrebs das Risiko der Rezidiv- und Metastasenbildung verringern kann.
#395.04{sidCQrsNFAu}
Abb. 33.2 Einfluss der Kombination von Coenzym Q10, Riboflavin und Niacin auf Tumormarker (CEA, CA 15–3) bei Brustkrebspatientinnen unter Tamoxifen. Co: 100 mg Coenzym Q10, R: 10 mg Riboflavin, N: 50 mg Niacin
#395.05{sidxvnttJ4D}
Literatur
#395.06{sidbvW0tgj5}
Adams PW et al. Influence of oral contraceptives, pyridoxine (vit​amin B6), and tryptophan on carbohydrate
metabolism. Lancet 1 (7963): 759–764, 1976
#395.07{sid1SHJMKk5}
Ahmed F et al. Effect of oral contraceptive agents on vit​amin nutrition status. Am J Clin Nutr, 28: 606–615, 1975
#395.08{sidR0Y5DN0u}
Bermond A. Therapy of side effects of oral contraceptive agents with vit​amin B6. Acta Vit​aminol Enzymol, 4: 45–54,
1982
#395.09{sidsBKN6LPx}
Briggs MH. Megadose vit​amin C and metabloic effects on the pill. Brit Med J, 283: 1547–1551, 1981
#395.10{sid15zVGNlj}
Brown RR et al. Effects of oral contraceptives on tryptophan metabolism and vit​amin B6 requirements in women.
Acta Vit​aminol Enzymol, 29 (1–6): 151–157, 1975
#396.01{sidXvEJ1GUM}
Butterworth CE et al. Improvement in cervical dysplasia associated with folic acid therapy in users of oral
contraceptives. Am J Clin Nutr, 35 (1): 73–82, 1982
#396.02{sidBa21Qgls}
Gröber U. Vit​amin D3 und Arzneimittel. Dtsch Apoth Ztg, 151 (12): 92–95, 2011
#396.03{sid9S14OqTO}
Kishi H, et al. Deficiency of vit​amin B6 in women taking contraceptive formulations. Res Commun Chem Pathol
Pharmacol, 17 (2): 283–293, 1997
#396.04{sidNJuoNNe7}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Knabbe C et al. Evidence that transforming growth factor-beta is a hormonally regulated negative growth factor in
human breast cancer. Cell, 48 (3): 417–428, 1987
#396.05{sidMEDTZ2C2}
Kwasniewska A et al. Folate deficiency and cervical intraepithelial neoplasia. Eur J Gynaecol Oncol, 18 (6): 526–
530, 1997
#396.06{sidNqwKkI7R}
Larsson-Cohn U. Oral contraceptives and vit​amins: a review. Amer J Obstet Gynecol, 121 (1): 84–90, 1975
#396.07{sidlt3XZR5h}
Leriche AM, Romain JL. Depression, pyridoxine and oral contraception (author’s transl). Contracept Fertil Sex, 9 (7):
455–459, 1982
#396.08{sidjbNtX9BQ}
Leklem JE et al. Metabolism of tryptophan and niacin in oral contraceptives users receiving controlled intakes of
vit​amin B6. Am J Clin Nutr, 28 (2): 146–156, 1975
#396.09{sidHSbTNE90}
Li X Rao H. Megaloblastic changes in cervical epithelium associated with oral contraceptives and changes after
treatment with folic acid. Chung Hua Fu Chan Ko Tsa Chih, 30 (7): 410–413, 1995
#396.10{sidipFUvenQ}
McLeroy, VJ, Schendel, HE, Influence of oral contraceptives on ascorbic acids concentrations in healthy, sexually
mature women. Am J Clin Nutr, 26 (2): 191–196, 1973
#396.11{sidKo0fxD1o}
Newman LJ et al. Riboflavin deficiency in women taking oral contraceptive agents. Am J Clin Nutr, 31 (2): 247–249,
1978
#396.12{sidt3PlO8Su}
Olatunbosun DA et al. Effect of oral contraceptives on serum magnesium levels. Int J Fertil, 19 (4): 224–226, 1974
#396.13{sidYG6C7LZs}
Powles TJ et al. Effect of tamoxifen on bone mineral density measured by dual-energy x-ray absorptiometry in
healthy premenopausal and postmenopausal women. J Clin Oncol, 14 (1): 78–84, 1996
#396.14{sid1JVgiiUf}
Premkumar VG et al. Anti-angiogenic potential of CoenzymeQ 10, riboflavin and niacin in breast cancer patients
undergoing tamoxifen therapy. Vascul Pharmacol. 48 (4–6): 191–201, 2008
#396.15{sid9BkQRI2f}
Premkumar VG et al. Effect of coenzyme Q 10, riboflavin and niacin on serum CEA and CA 15–3 levels in breast
cancer patients undergoing tamoxifen therapy. Biol Pharm Bull, 30 (2): 367–370, 2007
#396.16{sidbTcnzrfH}
Prieto-Alhambra D et al. Vit​amin D threshold to prevent aromatase inhibitor-induced arthralgia: a prospectiv cohort
study. Breast Cancer Res Tret, 125 (3): 869–878, 2011
#396.17{sidTrr484qR}
Rose DP et al. Experimental vit​amin B6 deficiency and the effect of oestrogen-containing oral contraceptives on
tryptophan metabolism and vit​amin B6 requirements. Clin Sci, 42 (4): 465–477, 1972
#396.18{sidRT5L8Miy}
Rose DP et al. Effect of oral contraceptives and vit​amin B6 deficiency on carbohydrate metabolism. Am J Clin Nutr,
28 (8): 872–878, 1975
#396.19{sidlWISXrkD}
Sanipitak N, Chayutimonkul L. Oral contarceptives and rioboflavine nutrition. Lancet, 1 (7862): 836–837, 1974
#396.20{sidl9R3W8HO}
Schnitzler B. Thromboseprophylaxe mit Magnesium. Münch Med Wochenschr, 99: 81–84, 1957
#396.21{sidMtAqBBuh}
Seelig MS. Increased need for magnesium with the use of combined oestrogen and calcium for osteoporosis
treatment. Magnesium Research, 3 (3): 197–215, 1990
#396.22{sidNhdu10VT}
Seelig MS. Interrelationship of magnesium and estrogen in cardiovascular and bone disordes, eclampsia, migraine
and premenstrual syndrome. J Am Coll Nutr, 12 (4): 442–458, 1993
#396.23{sidb8cziAOY}
Shojania AM et al. The effect of oral contraceptives on folate metabolism. Am J Obstet Gynecol, 111 (6): 782–791,
1971
#396.24{sidXaY3aKZM}
Shojania AM et al. The effect of oral contraceptives on folate metabolism. III. Plasma clearance and urinary folate
excretion. J Lab Clin med, 85 (2): 185–190, 1975
#396.25{sidYX91LQ1v}
Shojania AM. Oral contraceptives: effect of folate and vit​amin B12 metabolism. Can Med Assoc J, 126 (3): 244–
247, 1982
#396.26{sidLbDFtEX4}
Smith M, Dowsett M. Aromatase inhibitors in breast cancer. N Engl J Med, 348 (28): 2431–2442, 2003
#396.27{sidvS1mUlem}
Steegers-Theunissen RP et al. Sub-50 oral contraceptives affect folate kinetics. Gynecol Obstet Invest, 36 (4): 230–
233, 1993
#396_397{sidZd2d29Fd}
Weaver K. Magnesium and migraine: Reversible hypomagnesemic coagulative angiopathy. Hypothesis and
preliminary clinical data. J Am Coll Nutr, 1: 187–188, 1983
#397.01{sidQ04kpGDV}
Weaver K. Migraine and magnesium (letter to editor). Perspect Biol Med, 33: 150–151, 1989
#397.02{sidPPXIxPiw}
Wynn V. Vit​amins and oral contraceptive use. Lancet, 1 (7906): 561–564, 1975
#397.03{sideHMNlh4w}
Yuvaraj S et al. Effect of Coenzyme Q(10), Riboflavin and Niacin on Tamoxifen treated postmenopausal breast
cancer women with special reference to blood chemistry profiles. Breast Cancer Res Treat, 114 (2): 377–384,
2009
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#397.04{sidvrNuRF2o}
Zamah NM et al. Absence of an effect of high vit​amin C dosage on the systemic availabiltiy of ethinyl estradiol in
women using a combination oral contraceptive. Contraception, 48 (4): 377–391, 1993
#398.01{sidPFy0RpIC}
34 Virustatika
#398.02{sidZl6cM3Gn}
HIV-Infizierte und Patienten mit AIDS haben krankheits- und medikationsbedingt einen erhöhten Bedarf an
immunmodulierend und antioxidativ wirksamen Mikronährstoffen (□ Tab. 34.1). Die Blutspiegel zahlreicher
Vit​amine (z. B. Vit​amin A, ​Tocopherole, Vit​amin B12, Vit​amin D) und Spurenelemente (z. B. Selen) sind bei HIVinfizierten Personen gegenüber Gesunden signifikant verringert. Ergebnisse epidemiologischer Studien deuten
daraufhin, dass ein Selen-, Vit​amin D- und/oder Vit​amin-B12-Mangel die Krankheitsprogression beschleunigt.
#398.03{sidh5iBIoCS}
34.1 Virustatika und Mikronährstoffe
#398.04{sidxVi2v0fh}
34.1.1 Kritische Mikronährstoffe
#398_399{sidmO4QYGrj}
Bemerkenswert ist der bereits im frühen Stadium der Erkrankung auftretende Mangel an Antioxidanzien, der mit
einer reduzierten Aktivität der selenabhängigen Glutathion-Peroxidase und einer allgemein erhöhten oxidativen
Belastung assoziiert ist. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass oxidativer und nitrosativer Stress die HIVReplikation und die Krankheitsprogression steigert. Als Schaltstelle und Mediator zwischen oxidativem Stress und
der Progression der HIV-Erkrankung kommt dabei dem redoxsensitiven Transkriptionsfaktor NFκB eine zentrale
Stellung zu (○Abb. 34.1). Antioxidanzien wie Tocopherole, L-Glutathion oder α-Lipon​säure können die Aktivierung
von NFκB unterbinden und scheinen einen günstigen Einfluss auf die Immunfunktion und die Krankheitsprogression
bei HIV-Infizierten zu haben. So hatten z. B. in einer prospektiven Studie an über 300 HIV-Infizierten diejenigen mit
hohem Vit​amin E-Spiegel (> 23,5 µmol) ein um 30 % niedrigeres Risiko für die Progression zum Vollbild AIDS.
#398.05{sidLkOrUXlD}
Tab. 34.1 Kritische Mikronährstoffe (Auswahl) bei HIV-Infektion und AIDS
#398.06{sidYSgUwugd}
Kommentar
Mikronährstoff
#398.07{sidn3h1lHz9}
Antioxidanzien
#398.08{sid6zqPZh7K}
Vit​amin A, ​Betacarotin
#398.09{sidVlq1L80E}
Vit​amin D
#398.10{sid4ZllwEjB}
Vit​amin C und E
#398.11{sida7ZzAO3K}
B-Vit​amine
#398.12{sidecg8WPbA}
Selen
#398.13{sidXWSnrqHt}
Zink
Oxidativer Stress kann die HIV-Replikation verstärken und das Risiko für
opportunistische Infektionen steigern.
Studien zufolge beschleunigen Vit​amin-A- und/oder Betacarontinmangel die
Krankheitsprogression, ein guter Vit​amin-A-Status kann die perinatale HIVTransmission verringern.
Vit​amin-D-Mangel steigert die Viruslast und fördert die
Krankheitsprogression
HIV-Infizierte weisen häufig niedrige Spiegel an Vit​amin C und E auf,
Vit​amin-C- und Vit​amin-E-Supplemente haben einen günstigen Einfluss auf
die Viruslast und die Krankheitsprogression.
Niacin: Neuere Studien legen nahe, dass eine HIV-Infektion mit einer NiacinDepletion assoziiert ist. Vit​amin B1, B2 und B6: häufig nur unzureichende
Versorgung, B-Vit​amine haben einen günstigen Einfluss auf die
Überlebensdauer. Vit​amin B12: Vit​amin-B12-Mangel steigert deutlich die
Krankheitsprogression.
Selenmangel beeinträchtigt die Aktivität der GSH-Peroxidase und steigert
Studien zufolge das Mortalitätsrisiko.
Zink trägt zur Stabilisierung des geschwächten Immunsystems und des
Körpergewichts bei Malnutrition bei. Das Risiko für opportunistische
Infektionen (z. B. Pneumocystis carinii) kann durch Zink verringert werden.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#399.01{sidStTt9KYU}
Abb. 34.1 Zytokin-Produktion und Aktivierung der Virusreplikation durch den redoxsensitiven Transkriptionsfaktor NFκB. Nach
Schreck et al, 1992
#399.02{sidlKdOkfBn}
Die seit Mitte der 1990er Jahre entwickelte antiretrovirale Kombinationstherapie aus Präparaten mit
unterschiedlichen Angriffspunkten innerhalb des viralen Replikationszyklus (z. B. Kombination von 2 NRTI und 1 PI)
hat zu einer dramatischen Reduktion der mit HIV assoziierten Morbidität und Letalität geführt. Im Hinblick auf die
diätetische Versorgung mit essenziellen Mikronährstoffen sind jedoch die zahlreichen gastrointestinalen
Nebenwirkungen der antiretroviralen Virustatika und die hohe Anzahl der täglich einzunehmenden Tabletten
problematisch (□ Tab. 34.2). Die meisten Präparate lösen Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö und
Appetitlosigkeit aus, die zu erheblichen Störungen der Mikronährstoffresorption und -utilisation führen. Auch die
Menge der täglich eingenommen Kapseln und Tabletten wirkt sich nachteilig auf den Appetit und die
Nahrungsaufnahme bei HIV-infizierten Patienten aus. Im Durchschnitt müssen die Patienten täglich zwischen 12 und
20 Tabletten einnehmen.
#401.01{sidU4KRTV5h}
Tab. 34.2 Nebenwirkungen antiretroviraler Virustatika (Auswahl) (Forts.)
#401.02{sidRq1pNbol}
Antiretrovirale Virustatika
Gastrointestinale
Störungen
Störungen des zentralen
und ​peripheren
Nervensystems
Blut
Sonstige
Besonderheiten
Blut
Sonstige
Besonderheiten
Muskel- und
Gelenkschmerzen,
Myopathie,
Knochenmarkinsuffizienz
#400.01{sid3GFd3F9g}
Tab. 34.2 Nebenwirkungen antiretroviraler Virustatika (Auswahl)
#400.02{sidd28UPRgk}
Antiretrovirale Virustatika
Gastrointestinale
Störungen
Störungen des
zentralen und
peripheren
Nervensystems
#400.03{sidmWIEayfd}
Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NTRI)
#400.04{sidPU2ScBa3}
Zidovudin (AZT)
#400.05{sidu5Bph7OO}
Didanosin (DDI)
#400.06{sidZgwqss0E}
Lamivudin (3TC)
#400.07{sidhEkVQGVF}
Zalcitabin (ddC)
#400.08{sid4bXSlMHk}
Stavudin (D4T)
#400.09{sidxvMXkrZy}
Übelkeit, Diarrhö,
Erbrechen,
Appetitlosigkeit,
Anstieg von
Leberenzymen
(Hepatotoxizität)
Kopfschmerzen,
Müdigkeit, Parästhesien
Makrozytäre Anämie,
Neutropenie,
Lactatazidose,
Pankreatitis
Diarrhö, Übelkeit,
Erbrechen,
Hepatotoxizität
Polyneuropathie,
Kopfschmerzen
Schwerwiegende
Pankreatitis,
Lactatazidose
Übelkeit,
Erbrechen,
Diarrhö, Anstieg
von
Leberenzymen
(Hepatotoxizität)
Müdigkeit,
Kopfschmerzen,
Schlafstörungen,
Polyneuropathien
Lactatazidose,
Pankreatitis
Muskel- und
Gelenkschmerzen
Übelkeit,
Erbrechen,
Diarrhö,
Stomatitis,
Appetitlosigkeit,
Anstieg von
Leberenzymen
(Hepatotoxizität)
Periphere Neuropathie
(bis 30 %)
Lactatazidose,
Pankreatitis
Muskel- und
Gelenkschmerzen
Übelkeit,
Erbrechen,
Diarrhö,
Appetitlosigkeit,
Anstieg von
Leberenzymen
(Hepatotoxizität)
Periphere Neuropathie
(bis 24 %) v. a. in
Kombination mit DDI),
Kopfschmerzen
Lactatazidose (selten),
Pankreatitis
Lipoatrophie
(Fettwasting)
#401.01{sidU4KRTV5h}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 34.2 Nebenwirkungen antiretroviraler Virustatika (Auswahl) (Forts.)
#401.02{sidRq1pNbol}
Antiretrovirale Virustatika
Gastrointestinale
Störungen
Störungen des zentralen
und ​peripheren
Nervensystems
Blut
Sonstige
Besonderheiten
Dyslipidämie
(Hypercholesterinämie,
Triglyceridämie)
Exanthem (15 %)
Nichtnukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI)
#400.10{sid7DSXuqMo}
Efavirenz
#400.11{sidu3kKSEip}
Nevirapin
Erhöhung der
Leber- und
Gallenwerte (v. a.
γ-GT)
Verwirrtheit, Schwindel,
Konzentrationsstörungen,
Schlaflosigkeit
Erhöhung der
Leber- und
Gallenwerte (v. a.
γ-GT),
schwerwiegende
Hepatotoxizität
(bis 15 %),
Übelkeit
Kopfschmerzen,
Schläfrigkeit
Übelkeit,
Erbrechen,
Diarrhö
Müdigkeit,
Kopfschmerzen,
Schlafstörungen,
Schwäche,
Sensibiliätsstörungen
Muskelschmerzen,
Exanthem
#400.12{sidvGFUXOZv}
Protease-Inhibitoren (PI)
#400.13{sidwgw3UHHz}
Indinavir
#401.03{sidyxdBV4WG}
Nofinavir
#401.04{sidNUGmKfgR}
Ritonavir
#401.05{sid7LoEhbMx}
Saquinavir
Diarrhö (sehr
häufig), Übelkeit,
Erbrechen,
Meteorismus
Nierensteine (bis zu 25
%), Dyslipidämie,
Glucosetoleranzstörungen
Lipodystrophie
(Änderung des
Fettverteilungsmusters)
Dyslipidämie,
Glucosetoleranzstörungen
Lipodystrophie
Übelkeit,
Erbrechen,
Diarrhö, Erhöhung
der Leberwerte
Kopfschmerzen,
Müdigkeit, periorale
Parästhesien,
Neuropathie
Dyslipidämie,
Glucosetoleranzstörungen
Lipodystrophie
Übelkeit,
Erbrechen,
Diarrhö,
Meteorismus
Kopfschmerzen,
Müdigkeit,
Sensibilitässtörungen
Dyslipidämie,
Glucosetoleranzstörungen
Lipodystrophie
#399.03{sidApHEB3Xr}
Ernährungsstatus: Mangelernährung bei HIV
#399.04{sidbEQ8ji8s}
Bei vielen HIV-Infizierten tritt bereits im asymptomatischen Stadium infolge Malabsorption und krankheitsbedingten
Störungen der Nährstoffutilisation eine Mangelernährung auf. Zu den wichtigsten Ursachen für eine HIV-assoziierte
Malnutrition sowie einen erhöhten Bedarf an Makro- und Mikronährstoffen gehören:
#401.06{sidTjoN8DMn}
Reduzierte Nahrungsaufnahme und inadäquate Kalorienzufuhr infolge Anorexie, Candidosen, Diarrhö, Erbrechen,
Gastritis, Übelkeit, Ulzera, inflammatorische Zytokine.
#401.07{sid0XMrPIkX}
Malabsorption/Maldigestion: Schädigung der Darmschleimhaut durch spezifische (HIV-induzierte Enteropathie),
unspezifische (HSV) und opportunistische (CMV, Krypto-, Mikrosporidiose) Darminfektionen; Lactasemangel;
gastrointestinale Motilitätsstörungen (Magenentleerung, Diarrhöen) durch autonome Neuropathien.
#401.08{sidaXoZc6UX}
Atrophie der Darmzotten und bakterielle Translokation.
#401.09{sidzu2dd4o9}
Hormonelle Störungen: Ein niedriger Testosteronspiegel korreliert bei HIV-Infizierten mit dem Verlust
immunkompetenter Muskelzellmasse.
#401.10{sidXTzZfLrR}
Gestörte Nährstoffutilisation, ineffizienter Substratstoffwechsel und relativ erhöhter Energieumsatz aufgrund
kataboler Stoffwechsellage.
#401.11{sid5Ox5qcUc}
Nebenwirkungen antiretroviraler Virustatika (□ Tab. 34.2).
#401.12{sid2U4M8I7M}
Nukleosidanaloga und mitochondriale ​Toxizität
#401.13{sidQeNVDfsh}
Die Nebenwirkungen der antiretroviralen Medikamente treten Substanzklassen- und präparatespezifisch auf. Der
Begriff „mitochondriale Toxizität“ beschreibt einen Hauptmechanismus, über den Nukleosidanaloga multiple
Stoffwechsel- und Organveränderungen auslösen können.
#401.14{sid5bVGLYZs}
Eine intakte mitochondriale Atmungskette ist Voraussetzung für viele Stoffwechselfunktionen, deren Hauptaufgabe
die oxidative Synthese von ATP ist. Zusätzlich metabolisiert die Atmungskette aber auch NADH sowie FADH als
Endprodukte des Fettsäureabbaus. Dies erklärt die bei mitochondrialer Toxizität häufig beobachtete fein- oder
grobtropfige intrazelluläre Akkumulation von Triglyceriden. Letztlich ist eine intakte Atmungskette auch für die
Synthese von DNA-Bausteinen unabdingbar, da die Dihydroorotsäure-Dehydrogenase (DHODH), ein für die
Neusynthese von Pyrimidinnukleosiden wichtiges Enzym, in der inneren Mitochondrienmembran lokalisiert ist (siehe
auch ▸ Kap. 4).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#401_402{sidM3vXQPdO}
Die nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) sind Prodrugs, die nach Aufnahme in die
Körperzellen zum Triphosphat phosphoryliert (aktiviert) werden und die Reverse Transkriptase des HI-Virus
hemmen. Die NRTI-Triphosphate können jedoch nicht nur die Reverse Transkriptase inhibieren, sondern auch die
sogenannte DNA-Polymerase-γ. Diese Polymerase ist für die Replikation der mitochondrialen DNA (mtDNA)
essenziell. Die Inhibition der Polymerase-γ durch NRTIs führt zu einer weitgehenden Depletion der mitochondrialen
DNA (mtDNA) und damit zu einer Einschränkung der oxidativen Phosphorylierung und der zellulären ATP-Synthese
(Atmungskettendefekt).
#402.01{sidfmHpFwZV}
Die gegenwärtigen Dosierungen einiger Nukleosidanaloga liegen im Hinblick auf die mitochondrialen
Nebenwirkungen an der oberen Grenze der Verträglichkeit. Hinsichtlich der Potenz mit der Polymerase-γ zu
interagieren, besteht folgende Hierarchie: Zalcitabin (DDC) > Didanosin (DDI) > Stavudin (D 4 T) > Lamivudin (3TC)
> Abacavir > Tenofovir. Dabei können sich zwei oder mehrere Nukleosidanaloga in ihrer Toxizität addieren und
gegenseitig potenzieren. Didanosin, Stavudin und Zalcitabin sind mit einer erhöhten mitochondrialen Toxizität
assoziiert und sollten daher nach Möglichkeit nicht kombiniert werden.
#402.02{sidcAeZyazq}
Die mitochondriale Toxizität des Zidovudins (AZT) dürfte primär auf der oxidativen Schädigung der Mitochondrien
durch Peroxide und Glutathion-Depletion beruhen. Das aktive Triphosphat des AZT interagiert nur wenig mit der
Polymerase-γ. Allerdings kann ein Teil des oral aufgenommenen Zidovudins in einigen Zellen in Stavudin (D 4 T)
umgewandelt werden.
#402.03{sidQJ4hFzGw}
Klinisch manifestiert sich die mitochondriale Schädigung an zahlreichen Zielorganen (z. B. Skelettmuskel, □
Tab. 34.3). Als systemisches Zeichen der NRTI-induzierten Störung des mitochondrialen Energiestoffwechsels findet
sich eine Erhöhung des Serumlactatspiegels, der zu einer Entgleisung des physiologischen Säure-BasenGleichgewichts führen kann (○Abb. 34.2).
#402.04{sidhlZnkaPc}
Die Bestimmung der mtDNA in den betroffenen Geweben dürfte derzeit der sensitivste Laborparameter für die
mitochondriale Toxizität sein. Diese Messmethode ist jedoch invasiv und bisher klinisch nicht evaluiert. Bei
manifester Symptomatik kann eine Gewebsbiopsie allerdings hilfreich sein. Im Muskel und in anderen Geweben
weisen verschiedene Phänomene auf eine mitochondriale Toxizität hin. Dazu zählen höhergradige ultrastrukturelle
Anomalien der Mitochondrien, eine Verminderung der histochemischen Aktivität der Cytochrom-c-Oxidase bei
gleichzeitig vermehrter Succinat​dehydrogenase(Komplex II)-Aktivität, der Nachweis einer intrazellulären,
insbesondere mikrovesikulären Steatose, sowie sogenannte Ragged-Red Fibers.
#402.05{sidNyu0hmOE}
Tab. 34.3 Manifestationsorte mitochondrialer Toxizität
#402.06{sidgjSAg5Gj}
Merkmal
Manifestationsort
#402.07{sid4QGdvDA6}
Skelettmuskel
#402.08{sidTHBV6OB3}
Peripheres Nervensystem,
untere Extremitäten
#402.09{sidKuBjfjTc}
Herzmuskel
#402.10{sidh8vkzATJ}
Pankreas
#402.11{siddsTPHpJT}
Leber
#402.12{sidQD3IJZOl}
Niere
#402.13{sidL53C7Png}
Fettgewebe
Mitochondriale Myopathie, belastungsabhängige Skelettmuskelschwäche
Distal symmetrische Polyneuropathie
Kardiomyopathie
Pankreatitis
Vermehrte Fetteinlagerung (Steatose), Hepatitis
Mitochondriale Tubulustoxizität (z. B. Tenofovir)
Lipoatrophie (ausgeprägter Verlust an subkutanem Fettgewebe),
Lipodystrophie (metabolische und morphologische Veränderungen):
Dyslipidämie mit Hypercholesterinämie, Triglyceridämie und niedrigem HDLCholesterin; periphere und hepatische Insulinresistzenz
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#403.01{sidD8Xnq4i3}
Abb. 34.2 Antiretrovirale Virustatika und mitochondriale Toxizität
#403.02{sidTjvlwxI4}
Nebenwirkungsmanagement mit Mikronährstoffen
#403.03{sidP8PktAKL}
Interaktionen zwischen antiretroviralen Virustatika und anderen Arzneimitteln müssen beachtet werden, um das
Risiko der mitochondrialen Toxizität zu verringern. Vor allem bei DDI ist Vorsicht geboten, da die mitochondriale
Toxizität durch Interaktionen mit Ribavirin, Hydroxyurea und Allopurinol verstärkt wird. Auch unter Tenofovir muss die
DDI-Tagesdosis auf 250 mg herabgesetzt werden. Ein Metabolit von Brivudin hemmt die DihydroorotsäureDehydrogenase und sensibilisiert somit potenziell gegenüber der mitochondrialen Toxizität von NRTI. Brivudin sollte
daher nicht mit antiretroviralen Pyrimidinanaloga kombiniert werden. Lopinavir erhöht über verschiedene
Mechanismen die Serumspiegel von Tenofovir und zusätzlich auch die Konzentration in den Zellen der proximalen
Nierentubuli. Publiziert sind drei Fälle einer renalen Osteomalazie unter Tenofovir bei Patienten, die gleichzeitig
Lopinavir erhielten. Ob hier ein Kausalzusammenhang besteht, ist bisher noch unklar.
#403_404{sidOZTotiC2}
Negative Auswirkungen auf den Mitochondrienstoffwechsel können auch aus einer Komedikation mit Ibuprofen,
Valproinsäure und Acetylsalicylsäure resultieren – diese Substanzen hemmen die mitochondriale Utilisation von
Fettsäuren. Acetylsalicylsäure kann so die Mitochondrien schädigen und zu einem Reye-Syndrom führen.
Valproinsäure kann eine lebensbedrohliche Lactatazidose triggern. Amiodaron und Tamoxifen inhibieren die
mitochondriale ATP-Synthese. Paracetamol reduziert das antioxidative Glutathion und kompromittiert so die
Mitochondrienfunktion indirekt über Radikalmechanismen. Aminoglykoside und Chloramphenicol inhibieren nicht nur
die Proteinsynthese von Bakterien, sondern unter bestimmten Umständen auch die Proteinsynthese der den
Bakterien ähnlichen Mitochondrien. Adefovir und Cidofovir hemmen die Polymerase-γ. Auch Alkohol ist ein
mitochondriales Toxin. Die wichtigste Intervention ist das Absetzen der für die mitochondriale Toxizität
verantwortlichen NRTI. In randomisierten Studien führte der Ersatz von D 4 T durch Alternativ-NRTI zu einer leichten,
langsam einsetzenden, aber objektivierbaren Besserung der Lipoatrophie. Hingegen führte ein Switch von PIs zu
NNRTI in mehreren Studien nicht zu einer Besserung der Lipoatrophie. Dies unterstreicht die wesentliche Rolle der
mitochondrialen Toxizität in der Pathogenese des Fettwastings.
#404.01{sidOezRD9bp}
Bei HIV-infizierten Patienten findet sich häufig ein Vit​amin-D-Mangel. Ein Mangel an Vit​amin D wirkt sich bei HIVInfizierten nachteilig auf die Viruslast und die Krankheitsprogression aus. In einer Metaanalyse konnte bei HIVinfizierten Männern und Frauen ein dreifach erhöhtes Risiko für Osteoporose nachgewiesen werden. Im Hinblick auf
das HIV-assoziierte Risiko für Knochenfrakturen kann das Virus offensichtlich selbst die Knochenintegrität
beeinträchtigen. HIV-1-Glykoproteine (p55-gag, gp120) stören die ossäre Calciumverwertung und reduzieren die
Aktivität der Osteoblasten. In infizierten Makrophagen induziert HIV-1 die Produktion von Makrophagen-CSF, was
zusammen mit RANK-L zur gesteigerten Osteoklastogenese führt. Die Hochregulierung proinflammatorischer
Zytokine wie TNF-α kann zusätzlich eine Osteoblasten-Apoptose induzieren und das Risiko für virale Schäden von
Knochenzellen steigern.
#404.02{sid3F3fXchz}
Neben der HIV-Infektion selbst, steigert die antiretrovirale Therapie mit NRTI (z. B. Zidovudin), NNRTI (z. B.
Efavirenz) und Proteaseinhibitoren (z. B. Ritonavir, Saquinavir) signifikant das Risiko für eine arzneimittelinduzierte
Osteopathie. Störungen des Vit​amin-D-Stoffwechsels (z. B. CYP3A4) spielen dabei eine wesentliche Rolle. Vit​amin
D kann bei HIV-Infizierten das Risiko für eine HAART-induzierte Osteopathie und möglicherweise auch die
mitochondriale Toxizität der antiretroviralen Virustatika (z. B. Muskelschmerzen, Lipidanomalien) verringern.
#404.03{sid1pi1qELc}
Mikronährstoffe, die aufgrund ihrer zentralen Stellung im mitochondrialen Energiestoffwechsel protektive
Eigenschaften gegen metabolische Störungen der Zelle besitzen, können die mitochondriale Toxizität (z. B.
Neuropathien, Lactatazidose) der Nucleosidanaloga verringern. Dazu zählen vor allem L-Carnitin, Coenzym Q10,
Riboflavin, Vit​amin B1, α-Liponsäure und Magnesiumorotat (□ Tab. 34.4).
#404.04{sidEkyKcgEG}
Orotsäure ist die biologische Vorstufe der Pyrimidinnukleotide (z. B. Uridin-5’-monophosphat), die für die
Ribonukleinsäuren und damit für die RNS-abhängige Proteinsynthese sowie für die Bildung von Phospholipiden und
den mitochondrialen Energiestoffwechsel von essenzieller Bedeutung sind. Es konnte gezeigt werden, dass die
NRTI-induzierte Inhibierung der mitochondrialen Atmungskette auch mit einer Hemmung der von NAD+/Ubichinon
abhängigen Dihydroorotat-Dehydrogenase assoziiert ist. Dieses Enzym katalysiert die Umwandlung von
Dihydroorotat in Orotat, das über die Orotat-Phosphoribosyl-Transferase und die Orotodin-5’-PhosphatDecarboxylase weiter zu Uridin-5’-monophosphat umgewandelt wird.
#405.01{sid9c9Xox1C}
Tab. 34.4 Mitotrope Mikronährstoffe zur Prophylaxe und supportiven Therapie der mitochondrialen Toxizität
#405.02{sid3EL80ruk}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Empfohlene Tagesdosierung (p. o.)
Mikronährstoff
#405.03{sidjglJKCpA}
L-Carnitin
Parenteral: 2 000 mg in 250 ml 0,9 % NaCl langsam i. v. für 10 Tage
#405.04{sidplsrVsp2}
Oral: 2 000–6 000 mg (z. B. 3 × 1 000 mg/d, p. o., bevorzugt Acetyl-LCarnitin
#405.05{sidRsAtfruk}
Coenzym Q10
#405.06{sidBI5vkixB}
Benfotiamin (lipidlösliches
Vit​amin B1)
#405.07{sidQQdAwLYy}
Riboflavin (Vit​amin B2)
#405.08{sidIGqpI5u6}
Vit​amin B12
#405.09{sidiuBonU0J}
α-Liponsäure
200–1 000 mg (z. B. 3 × 100 mg/d)
300–900 mg (z. B. 3 × 150 mg/d)
50–400 mg
1 000–2 000 µg i. v. oder i. m. für 7 Tage
Parenteral: 600–1 200 mg in 100–200 ml 0,9 % NaCl langsam i. v., 1–2×
pro Woche
#405.10{sidCJAfA3Cp}
Oral: 1–3 × 600 mg/d
#405.11{sidSzKimMMb}
Vit​amin D
#405.12{sidF0DhZFBk}
Vit​amin C
#405.13{siduvTUt8bc}
Vit​amin E (Tocopherole/Tocotrienole)
#405.14{sidftbZdFaF}
Magnesium (als Orotat)
2 000–5 000 I. E./d
1 000–3 000 mg (z. B. 3 × 1 000 mg/d)
500–1 000 I. E.
200–1 000 mg
#404.05{sidEa6138r9}
34.1.2 Virustatika und Vit​amin D
#404.06{sidUe9XOjpn}
Vit​amin D reduziert Risiko für HAART-induzierte Osteopathie
#404_405{sid1NEiXVbg}
Mechanismus: Vit​amin D fördert die Calciumresorption und -utilisation, schützt die Knochenintegrität, supprimiert
Parathormon und die gesteigerte Osteoklastenaktivität, verbessert das immunologische und metabolische Wirkprofil
von antiretorviralen Virustatika; antiinflammatorische (z. B. Reduktion von TNF-α ↓) und immunmodulierende Wirkung
(z. B. T-Lymphozyten).
#405.15{sid00wer1rL}
Folgen: Supplementierung von Vit​amin D (z. B. 50 I. E. Vitamin D pro kg KG pro Tag) kann Risiko für HAARTinduzierte Osteopathie und metabolische Störungen verringern, die Viruslast und den Krankheitsverlauf günstig
beeinflussen. Zudem können antiretrovirale Virustatika wie Saquinavir, Ritonavir, Efavirenz oder Zidovudin den
Vitamin-D-Bedarf steigern.
#405.16{sid5wLHqSzK}
Hinweis: Referenz für die Supplementierung von Vit​amin D sollte ein Calcidiol (25(OH)D)-Spiegel im Serum von
40–60 ng/ml (= 100–150 nmol/l) sein.
#405.17{sidCKRpo8Eb}
Bei HIV-infizierten Patienten findet sich häufig ein Vitamin-D-Mangel. Ein Mangel an Vitamin D wirkt sich bei HIVInfizierten nachteilig auf die Viruslast und die Krankheitsprogression aus. In einer Metaanalyse konnte bei HIVinfizierten Männern und Frauen ein dreifach erhöhtes Risiko für Osteoporose nachgewiesen werden. Im Hinblick auf
das HIV-assoziierte Risiko für Knochenfrakturen kann das Virus offensichtlich selbst die Knochenintegrität
beeinträchtigen. HIV-1 Glykoproteine (p55-gag, gp120) stören die ossäre Calciumverwertung und reduzieren die
Aktivität der Osteoblasten. In infizierten Makrophagen induziert HIV-1 die Produktion von Makrophagen-CSF, was
zusammen mit RANK-L zur gesteigerten Osteoklastogenese führt. Die Hochregulierung proinflammatorischer
Zytokine wie TNF-α kann zusätzlich eine Osteoblasten-Apoptose induzieren und das Risiko für virale Schäden von
Knochenzellen steigern.
#405_406{sid9Daxbno7}
Neben der HIV-Infektion selbst steigert die antiretrovirale Therapie mit NRTI (z. B. Zidovudin), NNRTI (z. B. Efavirenz)
und Proteaseinhibitoren (z. B. Ritonavir, Saquinavir) signifikant das Risiko für eine arzneimittelinduzierte
Osteopathie. Störungen des Vitamin-D-Stoffwechsels (z. B. CYP3A4) spielen dabei eine wesentliche Rolle. Vitamin
D kann bei HIV-Infizierten das Risiko für eine HAART-induzierte Osteopathie und möglicherweise auch die
mitochondriale Toxizität der antiretroviralen Virustatika (z. B. Muskelschmerzen, Lipidanomalien) verringern.
#406.01{sidzcwThvph}
34.1.3 Zidovudin und Antioxidanzien
#406.02{sidrAYP6ykf}
Antioxidanzien verringern oxidative Muskelschäden durch AZT
#406.03{sidoPALAijf}
Mechanismus: Zidovudin (AZT) kann bei Langzeiteinnahme oxidative Schäden (Peroxide) der mitochondrialen
DNA (mtDNA-Depletion) hervorrufen (mitochondriale Toxizität); Interaktion mit DNA-Polymerase-γ (gering); ein Teil
des oral aufgenommenen Zidovudins kann in einigen Zellen des menschlichen Körpers in Stavudin (D 4 T)
umgewandelt werden.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#406.04{sidK9piJnwC}
Folgen: Mitochondriale Myopathie: belastungsabhängige Skelettmuskelschwäche, Muskelschmerzen; Labor:
gesteigerte renale Exkretion von 8-oxo-7,8-dihydro-2’-deoxyguanosin (8-oxo-dG: Marker für oxidative DNASchäden), Malondialdehyd (MDA).
#406.05{sid3YzWm4KQ}
Hinweis: Die adjuvante Einnahme von Antioxidanzien wie Coenzym Q10, Vit​amin E und C kann
zidovudininduzierten oxidativen Muskelschäden vorbeugen und das durch die HIV-Infektion geschwächte
Immunsystem stabilisieren.
#406.06{sid3wqyZKej}
Studien: In einer Untersuchung an HIV-infizierten Patienten, die mit dem Nukleosid-Analogon Zidovudin (250
mg/12h) therapiert wurden, führte die Komedikation mit 1 000 mg Vit​amin C/d und 600 mg α-Tocopherol/d nach
einem Monat als Zeichen einer verringerten mitochondrialen Toxizität zu einer signifikanten Abnahme der renalen 8oxo-dG-Ausscheidung (○ Abb. 34.3). In Zellkulturen steigern freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies (ROS)
die HIV-Replikation, während die Reduktion der oxidativen Belastung des Stoffwechsels durch Antioxidanzien die
Virusvermehrung hemmt.
#406.07{sidW5e9Iznb}
Abb. 34.3 Einfluss von Vit​amin C und Vit​amin E auf die durch Zidovudin (AZT) induzierte renale 8-oxo-dG-Exkretion
#407.01{sidu0YiNSvz}
34.1.4 NRTI und L-Carnitin
#407.02{sidbtgfKGtg}
L-Carnitin reduziert NRTI-induzierte Neuropathie
#407.03{sidflXKRssK}
Mechanismus: Inhibierung der mitochondrialen DNA-Polymerase-γ durch NRTI (z. B. DDI, DDC, AZT) führt zur
quantitativen Verminderung (Depletion), der in jedem Mitochondrium in mehrfacher Kopie vorliegenden
mitochondrialen DNA (mtDNA); Interferenz mit Nervenwachstumsfaktoren (NGF).
#407.04{sidlq79upAg}
Folgen: Blockade der mitochondrialen Atmungskette und zellulären ATP-Versorgung; Nervensystem:
mitochondriale Axonschädigung, Störung der nervalen Erregungsleitung und -übertragung, distal symmetrische
Polyneuropathie (→ Sensibilitätsstörungen, schmerzhafte Parästhesien).
#407.05{sid9HXqWj6J}
Hinweis: L-Carnitin (z. B. 3 × 1 000 mg Acetyl-L-Carnitin/d, p. o.) kann die Symptome und Schwere einer durch
NRTI induzierten Neuropathie bei HIV-infizierten Patienten verbessern. Ein Vit​amin-B12-Mangel sollte
labordiagnostisch ausgeschlossen werden.
#407.06{sidRDOgVvWc}
Studien: Eine Therapie mit antiretroviralen Virustatika wie nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (z. B.
DDI, DDC, D 4 T) und Protease-Inhibitoren (z. B. Ritonavir) ist häufig mit dem Auftreten von Neuropathien assoziiert.
Als Ursache werden Störungen der mitochondrialen (mt) Atmungskette infolge oxidativer mtDNA-Schäden sowie
eine Interferenz mit dem Nervenwachstumsfaktor (NGF) diskutiert. In einer aktuellen Studie an HIV-Patienten mit
virustatikainduzierten schmerzhaften Neuropathien führte die orale Supplementierung von 2 000 mg Acetyl-L-Carnitin
über einen Zeitraum von 4 Wochen zu einer signifikanten Verringerung der Schmerzintensität. Auch NRTI-induzierte
mitochondriale Myopathien (z. B. durch Zidovudin) sprechen gut auf eine Therapie mit L-Carnitin und Coenzym Q10
an. Die L-Carnitin-Serumspiegel sind bei HIV-Patienten medikations- und ernährungsbedingt häufig deutlich
verringert. Das mitochondriale Substrat L-Carnitin und sein kurzkettiger Ester Acetyl-L-Carnitin weisen aufgrund ihrer
zentralen Stellung im Intermediärstoffwechsel wichtige protektive Funktionen gegen metabolische Störungen der
Zelle auf. Bei einer unzureichenden Versorgung mit L-Carnitin können langkettige Fettsäuren (LC) als LC-Acyl-CoAEster in den Mitochondrien akkumulieren. Dadurch wird die Aktivität wichtiger mitochondrialer Enzyme, wie z. B. die
der Citrat-Synthetase und der Pyruvat-Dehydrogenase (PDH) gehemmt. Die reduzierte PDH-Aktivität durch einen
Überschuss an LC-Acyl-CoA-Ester kann z. B. dazuführen, dass aus Pyruvat anstelle von Acetyl-CoA vermehrt Lactat
mit der Folge einer Lactatazidose gebildet wird. Langkettige Fettsäuren, die im Überschuss neuro- und zelltoxische
Wirkungen haben, können in Form von Carnitinestern entgiftet werden. Neben dem Transport aktivierter langkettiger
Fettsäuren und der Verbesserung der Glucoseverwertung besitzt L-Carnitin antioxidative, analgetische und
neuroprotektive Eigenschaften. Die Regeneration peripher gelegener Nervenzellen wird durch L-Carnitin gefördert.
In der Therapie von neurologischen Störungen scheint Acetyl-L-Carnitin nach der gegenwärtigen Studienlage
wirksamer zu sein als L-Carnitin.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#407.07{sidUahOrPiW}
34.1.5 NRTI und B-Vit​amine
#407.08{sidIhl2AXu5}
NRTI-assoziierte Hyperlactatämie und Lactatazidose
#407.09{sidHhLMtsL1}
Mechanismus: NRTI-induzierte mitochondriale Toxizität, erhöhter Bedarf/Mangel an B-Vit​aminen (vor allem
Thiamin und Riboflavin).
#407.10{sideBvmtpqf}
Folgen: Lactatspiegel > 2,2 mmol/l (Hyperlactatämie); unspezifische Symptome: Übelkeit,
Oberbauchbeschwerden, Myalgien; Risiko für lebensbedrohliche Lactatazidose.
#407_408{sidRfnOnLP0}
Hinweis: Im Falle einer Hyperlactatämie und einer Lactatazidose ist ein Therapieversuch mit Vit​amin B1
(vorzugsweise als Benfotiamin, z. B. 2 × 300 mg Benfotiamin/d, p. o.), α-Liponsäure (z. B. 2 × 600 mg/d, p. o.) und
Vit​amin B2 (z. B. 2 × 50 mg/d, p. o.) empfehlenswert. Je nach Schweregrad der Hyperlactatämie (vor allem bei
lebensbedrohlicher Lactatazidose) ist ein Absetzen der für die mitochondriale Toxizität verantwortlichen NRTIs
erforderlich.
#408.01{sidCZCNJbNq}
Unter der Langzeitmedikation mit NRTI (AZT, DDC, 3TC, D 4 T) gehören Neuro- und Myopathien (z. B. Müdigkeit,
Muskelschwäche, Wasting) zu den häufigsten Nebenwirkungen. Dabei scheint neben der durch NRTI induzierten
Störung der mitochondrialen Atmungskette auch ein krankheits- und medikationsbedingter erhöhter Bedarf an BVit​aminen, insbesondere an Thiamin und Riboflavin eine wichtige Rolle zu spielen. Eine unzureichende Versorgung
mit Vit​aminen der B-Gruppe ist bei HIV-Infizierten mit einer signifikanten Verschlechterung der Krankheitsprognose
und der Überlebensdauer assoziiert. Thiamin und Riboflavin besitzen in Form ihrer aktiven Coenzyme (TDP bzw.
FMN/FAD) eine zentrale Stellung bei der mitochondrialen Energieproduktion aus Kohlenhydraten und Lipiden. Ein
Mangel an diesen B-Vit​aminen kann den Kohlenhydratstoffwechsel sowie den Lactat- und Fettsäureabbau
beeinträchtigen. Eine Hyperlactatämie gilt als ein typisches Zeichen der mitochondrialen Toxizität. Erhöhte
Lactatserumspiegel werden vor allem unter einer prolongierten Therapie mit Stavudin (D 4 T) beobachtet. Ein
additiver Effekt durch Didanosin (DDI) und Ribavirin ist wahrscheinlich. Lactat (Normalwerte im Serum: 0,6–2,2
mmol/l), das Endprodukt der anaeroben Glykolyse wird durch Oxidation im Citrat- oder durch Gluconeogenese im
Corizyklus weiter verwertet. Thiamin ist Cofaktor des mitochondrialen Pyruvat-Dehydrogenase-Komplexes, der
Pyruvat in den Citratzyklus und somit in den aeroben Stoffwechsel einschleust. Thiaminmangel reduziert den
Pyruvatverbrauch und erhöht den Lactatspiegel. Mitochondriale Myopathien mit intrazellulärer Fettakkumulation,
erhöhter Lactatproduktion und Kreatinphosphat-Depletion sind die Folge. Auch die unter antiretroviraler Therapie
beobachtete Hyperlipidämie und Lipodystrophie ist mit der toxischen Wirkung der NRTI auf die Mitochondrien
assoziiert. HIV-Patienten mit NRTI-induzierter Lactat​azidose und Hyperlactatämie konnten mit hochdosierter oraler
und intravenöser Applikation von Thiamin (2 × 400 mg, i. v.) und Riboflavin (50 mg/d, p. o.) erfolgreich behandelt
werden. Die Supplementierung von Antioxidanzien wie Coenzym Q10, Vit​amin E, N-Acetylcystein oder Selen hat
zusätzlich einen günstigen Einfluss auf die Lactatspiegel.
#408.02{sidsZS5pBWn}
34.1.6 Adefovir-Dipivoxil und ​L-Carnitin
#408.03{sidJc2GaqaS}
Iatrogener Carnitinmangel
#408.04{sidXjoAoend}
Mechanismus: Iatrogener Carnitinmangel durch erhöhte renale Pivaloyl-L-Carnitin-Exkretion.
#408.05{sidxmObXgbz}
Folgen: Carnitindepletion; Abfall der Carnitin-Serumspiegel (< 30 µmol/l); erhöhtes Risiko für muskuläre Störungen
(z. B. Schwäche).
#408.06{sidNZ5ggpPm}
Hinweis: Unter einer Therapie mit dem Nukleotidanalogon Adevofir-Dipivoxil (Indikation: chronische Hepatitis B) ist
eine Komedikation mit L-Carnitin (z. B. 2 000 mg L-Carnitin/d, p. o.) empfehlenswert, um medikationsbedingten
Störungen des Carnitinhaushalts vorzubeugen.
#408.07{sidScmygUdd}
Virushepatitiden stellen aufgrund gleichartiger Übertragungswege häufige Begleiterkrankungen bei HIV-Infizierten
dar. Hierbei spielen vor allem chronische Verläufe der Hepatitis B und/oder Hepatitis C eine Rolle. Der Verlauf der
chronischen Hepatitis-B-Infektion (z. B. Entwicklung einer Leberzirrhose) wird durch die gleichzeitige HIV-Infektion
negativ beeinflusst. Das Nukleotidanalogon Adefovir wird bei HIV-infizierten Patienten zur Behandlung der
chronischen Hepatitis B eingesetzt.
#408.08{sid4WL7MB3t}
Literatur
#408.09{sidZ627PO3s}
Allard JP et al. Oxidative Stress and plasma antioxidant micronutrients in humans with HIV infection. Am J Clin Nutr,
67 (1): 143–147, 1998
#408.10{sid6ksm5Yrd}
Arici C et al. Severe lactic acidosis and thiamine administration in an HIV-infected patient on HAART. Int J STD
AIDS, 12 (6): 407–409, 2001
#409.01{sidchKtBIp0}
Arnaudo E et al. Depletion of muscle mitochondrial DNA in AIDS patients with zidovudine-induced myopathy.
Lancet, 337: 508–510, 1991
#409.02{sid7FaxnFKm}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Becher F et al. Significant levels of intracellular stavudine triphosphate are found in HIV-infected zidovudine-treated
patients. AIDS, 17: 555–561, 2003
#409.03{sidwQFCoQEI}
Brinkman K et al. Mitochondriale toxicity by nucleoside-analogue reverse-transcriptase inhibitors is a key factor in
the pathogenesis of antirretroviral-therapy-related lipodystrophy. Lancet, 354: 1112–1115, 1999
#409.04{sidOYkDuMAR}
Brown T, Qaqish R. Antiretroviral therapy and the prevalence of osteopenia and osteoporosis: a meta-analytic
review. AIDS, 20 (17): 2165–2174, 2006
#409.05{sidfZK3v2lJ}
Cifone M et al. Effect of L-Carnitine treatment in vivo on apoptosis and ceramide generation in peripheral blood
lymphocytes from AIDS patients. Proceedings of the Associaton of American Physicians, 109 (2): 146–153, 1997
#409.06{sid2UBaxB84}
Dalakas MC. Peripheral neuropathy and antiretroviral drugs. J Peripher Ner Syst, 6 (1): 14–20, 2001
#409.07{sidG5pVhNWB}
Day L et al. Acetyl-L-carnitine for the treatment of HIV lipoatrophy. Ann N Y Acad Sci, 1033: 139–146, 2004
#409.08{sidoPkqyINP}
De la Asuncion JG et al. AZT treatment induces molecular and ultrastructural oxidative damage to muscle
mitochondria. Prevention by antioxidant vit​amins. J Clin Invest, 102 (1): 4–9, 1998
#409.09{sidDO96Quos}
De Simone C et al. Carnitine depletion in peripheral blood mononuclear cells from patients with AIDS: Effect of oral
L-Carnitine. AIDS, 8: 655–660, 1994
#409.10{sidOZks72Hw}
Fouty B et al. Riboflavin to treat nucleoside analogue-induced lactic acidosis. The Lancet, 352: 291–292, 1998
#409.11{sid6gcoDsI3}
Gröber U. Vit​amin D3 und Arzneimittel. Dtsch Apoth Ztg, 151 (12): 92–95, 2011
#409.12{sidjDmhX5qk}
Hart AM et al. Acetyl-l-carnitine: a pathogenesis based treatment for HIV-associated antiretroviral toxic neuropathy.
AIDS, 18 (11): 1549–156, 2004
#409.13{sidW75z37JW}
Herzmann C et al. Long-term effect of acetyl-L-carnitine for antiretroviral toxic neuropathy. HIV Clin Trials, 6 (6): 344–
350, 2005
#409.14{sidr9T0zXDe}
Hoffmann C, Rockstroh JK, Kamps BS (Hrsg). HIV.NET. Steinhäuser Verlag, Wuppertal 2005
#409.15{sidqJiy75yB}
Hoffmann C, Rockstroh JK (Hrsg). HIV 2010. www.hivbuch.de, Medizin Fokus Verlag, Hamburg 2010
#409.16{sid57BTRACe}
Hummelen R, Hemsworth J, Reid G. Micronutrients, N-acetyl cysteine, probiotics and prebiotics, a review of
effectiveness in reducing HIV progression. Nutrients, 2 (6): 626–651, 2010
#409.17{sidReUx3ljz}
Irlam JH, Visser MM, Rollins NN, Siegfried N. Micronutrient supplementation in children and adults with HIV infection.
Cochrane Database Syst Rev, (12): CD003650. doi: 10.1002/14651858.CD003650, 2010
#409.18{sidYw7AOMZp}
Lopez O et al. Could antioxidant supplementation reduce antiretroviral therapy induced chronic stable
hyperlactatemia? Biomed Pharmacother, 57 (3–4): 113–116, 2003
#409.19{sidiHd6WjKw}
McComsey GA, Lederman MM. High doses of riboflavin and thiamine may help in secondary prevention of
hyperlactatemia. AIDS Read, 12 (5): 222–224, 2002
#409.20{sidiQx70mh4}
Mehta S et al. Vit​amin D status of HIV-infected women and its association with HIV disease progression, anemia,
and mortality. PLoS One, 5 (1): 8770, 2010
#409.21{sid4jjik0Rr}
Meyzer C, Frange P, Chappuy H et al. Vit​amin D Deficiency and Insufficiency in HIV Infected Children and Young
Adults. Pediatr Infect Dis J (Epub ahead of print), 2013
#409.22{sidsa87kjyS}
Ndeezi G, Tumwine JK, Ndugwa CM et al. Multiple micronutrient supplementation improves vit​amin B12 and folate
concentrations of HIV infected children in Uganda: a randomized controlled trial. Nutr J, 10: 56, doi: 10.1186/14752891-10-56, 2011
#409.23{sidrmLQQasH}
Noble S, Goa KL. Adefovir dipivoxil. Drugs, 58 (3): 479–487, 1999
#409.24{sidwkUWBT50}
Osio M et al. Acetyl-l-carnitine in the treatment of painful antiretroviral toxic neuropathy in human immunodeficiency
virus patients: an open label study. J Peripher Nerv Syst, 11 (1): 72–76, 2006
#409.25{sidgtdeRmTe}
Rosenfeldt FL. Skeletal myopathy associated with nucleoside reverse transcriptase inhibitor therapy: potential
benefit of coenzyme Q10 therapy. Int J STD AIDS, 16 (12): 827–829, 2005
#409.26{sidZ2iH9MUa}
Schramm C et al. Thiamine for the treatment of nucleoside analogue-induced severe lactic acidosis. Eur J
Anaesthesiol, 16 (10): 733–735, 1999
#409_410{sidzJ1O57zE}
Semino-Mora MC et al. Effect of L-Carnitine on the AZT-induced destruction of human myotubes. Part II: Treatment
with L-Carnitine improves the AZT-induced changes and prevents further destruction. Laboratory Investigations,
71: 773–781, 1994
#410.01{sidlYKwr8wS}
Stone CA, Kawai K, Kupka R, Fawzi WW. Role of selenium in HIV infection. Nutr Rev, 68 (11): 671–681, 2010
#410.02{sidcJRWc3Gl}
Welz T et al. Efavirenz is associated with severe vit​amin D deficiency and increased alkaline phosphatase. AIDS, 24
(12): 1923–1928, 2010
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#410.03{sidIYjyMOqr}
Xue SY, Hebert VY, Hayes DM et al. Nucleoside reverse transcriptase inhibitors induce a mitophagy-associated
endothelial cytotoxicity that is reversed by coenzyme q10 cotreatment. Toxicol Sci, 134 (2): 323–334, 2013
#411.01{sidsNm7t0LB}
35 Zytostatika
#411.02{sidr6maPpPa}
Das Bedürfnis des onkologischen Patienten nach sanften Therapieverfahren und Nutzung komplementärer
Maßnahmen hat stark zugenommen. Viele Patienten nehmen Vit​amine und anderen Mikronährstoffe ein, mit der
Absicht ihre Standardtherapie zu optimieren oder die therapie- und krankheitsbedingten Nebenwirkungen zu
verringern. Bis zu 70 % der Betroffenen supplementieren antioxidative und immunstabilisierende
Mikronährstoffe, häufig ohne das Wissen des behandelnden Arztes. Obwohl berechtigte Bedenken von
onkologischer Seite bestehen, dass Mikronährstoffe die Effektivität der Chemo- oder Strahlentherapie
beeinträchtigen könnten, geben aktuelle Studien zunehmend Hinweise darauf, dass die medikationsorientierte
Supplementierung von Antioxidanzien und anderen Mikronährstoffen nicht nur das Ansprechen auf die
antineoplastischen Verfahren (CT, RT) durch eine bessere Compliance, verringerte Rate an Nebenwirkungen
und damit auch an Therapieabbrüchen steigert, sondern auch die Lebensqualität und die Prognose der
onkologischen Patienten verbessert.
#411.03{sidG0K8o8kM}
35.1 Mikronährstoffe in der Krebstherapie
#411.04{sidNL74jreu}
Weltweit erkranken pro Jahr etwa 14 Millionen Menschen an Krebs. Zu den häufigsten Krebserkrankungen zählen
Neoplasien des Dick- und Enddarms, der Lunge sowie in Abhängigkeit vom Geschlecht neoplastische
Veränderungen der Brustdrüse und der Prostata. Bis zum Jahre 2030 ist infolge der zunehmend älter werdenden
Bevölkerung mit einer Verdopplung der Krebserkrankungen zu rechnen. In der Therapie von Krebserkrankungen
konnten die schulmedizinischen Maßnahmen in den letzten Jahren, nach längerer Stagnation erstmals deutlich
verbesserte Behandlungsergebnisse und bei manchen Tumorentitäten auch verlängerte Überlebenszeiten erreichen.
Dies wurde unter anderem durch neue medikamentöse Therapieprinzipien aus dem Bereich der molekularen
Therapie, aber auch durch verbesserte diagnostische Methoden und optimierte Bestrahlungstechniken realisiert.
Gleichzeitig wurde die antitumorale Therapie aber auch intensiver, zum Teil aggressiver und dadurch nicht selten
nebenwirkungsreicher.
#411.05{sidTpq6j6wp}
In der Onkologie gewinnen komplementärmedizinische Therapiekonzepte zunehmend an Bedeutung.
Komplementäre Onkologie versteht sich vor allem als ein supportives, möglichst individuell ausgelegtes,
begleitendes Cluster verschiedener Einzelmaßnahmen aus der Ernährungsmedizin und Naturheilkunde. Die Gründe
für die Inanspruchnahme komplementärmedizinischer Therapien sind vielfältig. Sie sind meistens in einem
patienteneignen, salutogenetisch orientierten Konzept zur Gesundung, Heilung und Bewältigung der
Krebserkrankung zu finden. In der Onkologie werden komplementäre Therapiemaßnahmen als erweiterte
Supportivtherapie begleitend und ergänzend zu den jeweils aktuellen konventionellen Therapiekonzepten eingesetzt.
Im Folgenden wird der Fokus ganz bewusst auf den Einsatz von Mikronährstoffen in der interventionellen Phase der
Primärtherapie, in der palliativen Phase und in der Nachsorgephase gelegt.
#411_412{siduUlnBs32}
Das Bedürfnis des onkologischen Patienten nach sanften Therapieverfahren und Nutzung komplementärer
Maßnahmen hat in den letzten 20 Jahren stark zugenommen. Viele Patienten nehmen Vitamine und anderen
Mikronährstoffe ein, mit der Absicht ihre Standardtherapie zu optimieren oder die therapie- und krankheitsbedingten
Nebenwirkungen zu verringern. Je nach Tumorentität und Geschlecht supplementieren 30–90 % der Betroffenen
antioxidative und immunstabilisierende Mikronährstoffe, häufig ohne das Wissen des behandelnden Arztes. Obwohl
berechtigte Bedenken von onkologischer Seite bestehen, dass Nahrungsergänzungsmittel die Effektivität der
Chemo- oder Strahlentherapie beeinträchtigen könnten, geben aktuelle Studien zunehmend Hinweise darauf, dass
die medikationsorientierte Supplementierung von ausgewählten Antioxidanzien, wie Selen und Mikronährstoffen, wie
L-Carnitin und Vitamin D nicht nur das Ansprechen auf die antineoplastischen Verfahren (CT, RT) durch eine
bessere Compliance, verringerte Rate an Nebenwirkungen und damit auch an Therapieabbrüchen steigert, sondern
auch die Lebensqualität und die Prognose der onkologischen Patienten verbessern kann. Dabei sollte der
komplementärmedizinische Einsatz von Mikronährstoffen stets so ausgewählt und zeitlich abgestimmt werden, dass
es nicht zu einer Wirkungsabschwächung der zytoreduktiven onkologischen Therapien kommt.
#412.01{sidt6EH25Gg}
35.1.1 Zielsetzung supportiver und komplementärmedizinischer ​Maßnahmen
#412.02{sidp4VNm7gO}
Die Überlebensraten bei soliden Tumoren im fortgeschrittenen Stadium (z. B. Mamma-, Prostata-, Lungenkarzinom)
sehen immer noch schlecht aus. Die Remissionsrate liegt bei Karzinomen und undifferenzierten Sarkomen zwischen
10 und 50 %, bei akuten Leukosen zwischen 30 und 90 %, bei chronischen Leukosen zwischen 50 und 80 % und bei
Plasmozytomen um die 40 %. Der therapeutische Erfolg ist stark abhängig von der Art und der Lokalisation des
kanzerogenen Prozesses sowie von der Ansprechrate auf die tumordestruktiven Maßnahmen. Schlechte Resultate
werden immer noch beim Magen-, Kolon-, Rektum-, Pankreas- und Bronchialkarzinom sowie beim Hypernephrom
erzielt.
#412.03{sidIl9du43z}
Die Zerstörung bestehender Tumoren ist nach wie vor eine zentrale Domäne der Onkologie, jedoch sollten die dazu
eingesetzten Verfahren den Patienten so wenig wie möglich belasten. Supportive und komplementärmedizinische
Maßnahmen gewinnen daher im Rahmen onkologischer Behandlungskonzepte zunehmend an Bedeutung. Ihre Ziele
sind primär die Prävention und Verringerung therapie- und krankheitsassoziierter Nebenwirkungen, um vor allem im
palliativen Sinne die Lebensqualität der betroffenen Patienten zu verbessern und nicht durch eine tumordestruktive
Therapie zu verschlechtern.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#412.04{sidbxzK8p1i}
35.1.2 Tumorassoziierte Malnutrition: Ursachen und Konsequenzen
#412.05{sidsJFGhMm6}
Therapieerfolg und Heilungsprozesse werden bei Tumorerkrankungen wesentlich vom Ernährungsstatus beeinflusst.
Der Ernährungszustand sollte daher bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose erfasst (z. B. Subject Global
Assessment Score, SGA, Bioelektrische Impedanzanalyse, BIA) und eine ernährungsmedizinische Betreuung von
Anfang an in die Therapieplanung einbezogen werden. Tumortherapien, insbesondere bei fortgeschrittenen
Tumorerkrankungen, sind häufig mit Anorexie und Gewichtsverlust assoziiert. Mangelernährung ist einer der
häufigsten Todesursachen bei onkologischen Patienten. Eine frühzeitige individuelle Ernährungstherapie kann die
Prognose und Therapiemöglichkeiten von Tumorpatienten verbessern und die Nebenwirkungsrate der
tumordestruktiven Methoden vermindern.
#413.01{sidqKriWLY4}
Tab. 35.1 Ursachen der tumorassoziierten Malnutrition
#413.02{sid9OwC1foq}
Beispiel
Ursache
#413.03{siduzP5m9Rl}
Unzureichende Makro- und
Mikronährstoffzufuhr
#413.04{sidmIeZgzqz}
Metabolische Veränderungen
#413.05{sidmSsklCJu}
Nebenwirkungen der
tumor​destruktiven Therapie
#413.06{sidRwsuJ5T0}
Operative Eingriffe
#413.07{sidclZveNGa}
Psychische Faktoren
Anorexie, gastrointestinale Beschwerden, Krankenhauskost
Proinflammatorische Zytokine, katabole Hormone, Neurotransmitter,
Steigerung des Ruheenergieumsatzes
Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Mukosaschäden, Stomatitis, Ulzerationen
Gastrektomie, Dünndarmresektion, Pankreatektomie
Angst, Depressionen
#412.06{sidNtis2Hex}
Der Begriff tumorassoziierte Mangelernährung (□ Tab. 35.1) umfasst Makro- und Mikronährstoffdefizite, die
nachweislich negative Auswirkungen auf die Gewebe- und Körperstruktur, die Organfunktionen, den Stoffwechsel
sowie auf den klinischen Verlauf und die Lebensqualität haben. In einer Untersuchung zur Mangelernährung in
deutschen Krankenhäusern waren 41 % der Tumorpatienten nicht ausreichend ernährt. Bereits zum Zeitpunkt der
Tumordiagnose haben je nach Tumorentität 30 bis 90 % der Patienten ungewollt an Gewicht verloren. Besonders
ausgeprägt ist die Mangelernährung bei Patienten mit Tumoren des Gastrointestinaltrakts □ Tab. 35.2). Bis zu 20 %
der Krebspatienten weisen einen Gewichtsverlust von über 10 % ihres Ausgangsgewichts in sechs Monaten auf,
was den Kriterien einer Mangelernährung (Malnutrition) entspricht.
#413.08{sids15fplAr}
Tab. 35.2 Gewichtsverlust: Prävalenz (%) bei onkologischen Patienten
#413.09{sidwBqnKKrK}
Häufigkeit
Tumorart (Auswahl)
#413.10{sidGD0tcuqW}
Mammakarzinom, akute myeloische Leukämie, Sarkome, Non-Hodgkin-Lymphom
#413.11{sidCWiyxs2T}
30–40 %
45–60 %
Bronchial-, Kolon-, Prostatakarzinom
#413.12{sidhp5EfF4Q}
Magen-, Oesophagus-, Pankreaskarzinome, HNO Tumore
80–90 %
#413.13{sidLiJ4oYqh}
Neben dem Gewichtsverlust leiden 20 bis 40 %, im fortgeschrittenen Stadium sogar bis zu 80 % der onkologischen
Patienten an einer Anorexie. Unter einer Anorexie versteht man bei Tumorpatienten einen Komplex aus
verschiedenen Symptomen wie Appetitlosigkeit, frühzeitiges Sättigungsgefühl, Aversionen gegen bestimmte
Nahrungsmittel, Geruchs- und Geschmacksstörungen. Aber auch gastrointestinale Störungen, Schmerzen und
psychische Belastung können eine Anorexie begünstigen. Eine lang anhaltende Anorexie mündet häufig in einer
schweren körperlichen Auszehrung, die auch als Tumorkachexie bezeichnet wird.
#415.01{sidf7QwzIte}
Tab. 35.3 Folgen der tumorassoziierten Mangelernährung
#415.02{sidNikFStLT}
Beispiel
Folge
#415.03{sidZfzSYsB0}
Verminderte Lebensqualität
#415.04{sidQNa0rvTu}
Reduzierte Ansprechrate auf die
tumordestruktive Therapie
#415.05{sidyybCqP3T}
Erhöhtes Risiko für
chemotherapieinduzierte Nebenwirkungen
#415.06{sid6JfGoNEp}
Immunologische Instabilität und
verminderte Immunkompetenz
Abgeschlagenheit, Anämie, Depressionen, Müdigkeit,
Schwäche) und verkürzte Überlebenszeit
CTX, RT
Mukositis, Stomatitis
Infektionen, Sepsis
#415.01{sidf7QwzIte}
Tab. 35.3 Folgen der tumorassoziierten Mangelernährung
#415.02{sidNikFStLT}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Beispiel
Folge
#415.07{sid4SK0YmbC}
Eingeschränkte physische und psychische
Leistungsfähigkeit
#415.08{sidB2bb03XL}
Erhöhtes Risiko für Anämie
#415.09{sidrBDhCH7I}
Erhöhtes Risiko für postoperative
Komplikationen
Fatigue
Tumoranämie
Wundheilungsstörungen, verlängerter Krankenhausaufenthalt
#413.14{sidg1b5jQin}
An der Pathogenese der tumorassoziierten Malnutrition sind zahlreiche Faktoren beteiligt. Neben dem direkt
konsumierenden Einfluss des Tumors spielen dabei vor allem die Anorexie (z. B. Appetitlosigkeit, vorzeitige
Sättigung, Nahrungsmittelaversionen, Geschmacksstörungen), gastrointestinale Beschwerden, Nebenwirkungen der
Tumor​therapie (z. B. Übelkeit, Erbrechen) sowie hormon- und zytokinbedingte Stoffwechsel​störungen (z. B.
Dysregulation der hypothalamischen Neurochemie) eine Rolle (○Abb. 35.1).
#414.01{sidYnnUKrRk}
Abb. 35.1 Ursachen für Mikronährstoffdefizite bei Tumorpatienten, CT: Chemotherapie, RT: Radiotherapie. Nach Nitenberg 2000
#413_414{siduz9iLuNj}
Tumorpatienten weisen häufig einen erhöhten Ruheenergieumsatz auf, der insbesondere von der Größe und
Lokalisation des Tumors abhängt. Proinflammatorische Zytokine (z. B. TNF-α, Il-1β und IL-6), katabol wirkende
Hormone (z. B. Glucagon, Cortisol) sowie die von Tumoren sezernierten katabolen Proteine wie Proteolysis inducing
factor (PIF), Lipid mobilizing factor (LMF) und Zink-α2-Glykoprotein (ZAG) verschieben das metabolische
Gleichgewicht in Richtung Muskelprotein- und Fettabbau. Neben dem Verlust an Muskelmasse ist dabei als Folge
einer erhöhten Lipolyserate und einer verstärkten Fettoxidation auch ein Verlust an Körperfettmasse zu beobachten.
Interleukin-6, Corticosteroide und PIF führen zu einer muskulären Depletion an Glutamin. Glutaminmangel
beeinträchtigt erheblich die Integrität des Dünndarms sowie die Funktionalität und Stabilität des Immunsystems. Der
Kohlenhydratstoffwechsel ist gekennzeichnet durch eine erhöhte Gluconeogenese aus Aminosäuren und Lactat bei
gleichzeitig eingeschränkter Glucoseoxidation und gesteigerter Lactatproduktion. Die häufig reduzierte
Insulinsensitivität (Hyperinsulinämie) führt zu einer eingeschränkten Glucoseaufnahme in die peripheren Gewebe,
während in den Tumorzellen die Glucoseutilisation bevorzugt abläuft.
#416.01{sidsOjhK8uZ}
Tab. 35.4 Anorexogene Mediatoren der Tumorkachexie (Auswahl)
#416.02{sid8cNkSAsd}
Organ
Mediatoren
Effekte
#416.03{sidpwfGHVbG}
Muskulatur
#416.04{sidpNGdx0lt}
Fettgewebe
#416.05{sidSe58uxLe}
Leber
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Proinflammatorische
Zytokine (z. B. IL-1β, IL6), katabole Hormone
(z. B. Cortisol), PIF
Induktion des Ubiquitin-ProteasomStoffwechselwegs, Muskelproteinabbau
(Steigerung der Proteolyse, Inhibierung der
Proteinsynthese), muskuläre Glutamindepletion
Katabole Hormone (z.
B. Katecholamine,
Cortisol), LMF, ZAG
Steigerung der Lipolyse durch hormonsensitive
Lipoproteinlipase
Proinflammatorische
Zytokine (z. B. IL-6),
katabole Hormone (z. B.
Cortisol,
Katecholamine)
Gluconeogenese (→ Verwertung
glukoplastischer Aminosäuren aus dem Abbau
von Muskelprotein), Synthese von
Akutphaseproteinen (z. B. C-reaktives Protein)
#414.02{sidcrYT0pCs}
Malnutrition beeinträchtigt den Immunstatus, die Therapietoleranz sowie die verschiedenen Organ- und
Stoffwechselfunktionen □ Tab. 35.3). Die Folge ist eine erhöhte Komplikationsrate durch Entzündungen (z. B.
Schleimhäute), Sekundärinfektionen (z. B. Pneumonien, Dekubitus, Thrombose), lebensbedrohliche Blutvergiftungen
(Sepsis), verlängertem Krankenhausaufenthalt und verzögerter Wundheilung; insbesondere bei
Brustkrebspatientinnen mit Malnutrition war das Ansprechen auf eine Chemotherapie schlechter. Die Sterblichkeit
von Tumor​patienten ist bei Malnutrition um etwa 30 % erhöht.
#415.10{sidWPGrWkql}
Die schwerste Form der tumorassoziierten Malnutrition mit körperlicher Auszehrung wird als Kachexie
(Tumorkachexie) bezeichnet □ Tab. 35.4). Sie tritt mit einer Häufigkeit von 60 bis 80 % bei Bronchial-, Magen-,
Pankreas- und Prostatakarzinomen auf. Die Tumorkachexie ist neben der Sepsis die zweithäufigste und bei 20 %
der Tumorpatienten die unmittelbare Todesursache.
#415.11{siduhEkzHhp}
Die verschiedenen Faktoren, die zur Entwicklung der Malnutrition führen (○Abb. 35.1), betreffen natürlich nicht nur
die energieliefernden Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Proteine, Fette), sondern auch die biokatalytischen und
immunmodulierenden Mikronährstoffe. Da Makronährstoffe die natürlichen Träger für Mikronährstoffe sind, zählt die
Malnutrition zu einer der Hauptursachen für einen inadäquaten Mikronährstoffstatus bei Tumorpatienten. Viele
Tumorpatienten haben bereits bei Diagnosestellung ihre Vorräte an Vit​aminen und anderen Nährstoffen
aufgebraucht und sind deshalb auf eine adäquate Supplementierung mit entsprechenden Präparaten angewiesen.
#415.12{sidt7HRFSbx}
35.1.3 Therapieorientiertes Neben​wirkungsmanagement mit ​Mikronährstoffen
#415.13{sidUo58tVGZ}
Die Vielzahl der in der Therapie maligner Tumoren eingesetzten Zytostatika und ihre multiplen Wirkmechanismen
sind mit zahlreichen und zum Teil sehr spezifischen Interaktionen mit dem Haushalt essenzieller Mikronährstoffe
assoziiert. Hierdurch kann einerseits der Mikronährstoffbedarf unter einer antineoplastischen Therapie deutlich
ansteigen, andererseits bietet die medikationsorientierte Supplementierung von Mikronährstoffen (z. B. Acetyl-LCarnitin bei cisplatininduzierter Neuropathie) zahlreiche therapeutische Ansatzpunkte für die Supportivtherapie und
das onkologische Nebenwirkungsmanagement.
#415_416{sid9sKhzZDf}
Vit​amine, Mineralstoffe und Spurenelemente besitzen in der Primär- und Sekundärprävention ernährungsbedingter
Krankheiten ein beachtliches Potenzial. Bei Tumorpatienten ist die diätetische Versorgung mit Vit​aminen und
anderen essenziellen Mikronährstoffen häufig nur unzureichend. Zum Zeitpunkt der Tumordiagnose weisen viele
Betroffene bereits Nährstoffmängel (z. B. Selen) auf, da im Kampf gegen die Erkrankung die Speicher
immunmodulierend und antioxidativ wirksamer Mikronährstoffe stark beansprucht wurden. In diesen Fällen ist es
nicht auszuschließen, dass der Mikronährstoffmangel schon während der Zeit der Tumorentstehung bestanden und
auch zur Progression beigetragen hat.
#416.06{sidHbFySl8a}
Neben der Ernährungstherapie zählt der indikations- und therapieangepasste Einsatz von Mikronährstoffen zu den
wichtigsten supportiven Maßnahmen moderner komplementär-onkologischer Therapiekonzepte. Eine an das
Krankheitsstadium und an die individuellen Bedürfnisse angepasste Supplementierung von Mikronährstoffen (z. B.
Selen, Vit​amin D, L-Carnitin) kann dazu beitragen
#416.07{sidkQfVJ4v5}
die Lebensqualität der Tumorpatienten zu steigern,
#416.08{sidfCXlbkug}
das geschwächte Immunsystem zu stärken,
#416.09{sidly1Eifr8}
die Regeneration und Wundheilung nach einer Operation zu fördern,
#416.10{sidHsf1IxM5}
Entzündungsprozesse zu hemmen,
#416.11{sid36Z7bxwX}
der Rezidiv- und Metastasenbildung vorzubeugen sowie,
#416.12{sidyieSm3R1}
die Nebenwirkungsrate tumordestruktiver Maßnahmen zu verringern (→ Zytoprotektion) und deren Effektivität
durch eine bessere Compliance, verringerte Rate an Therapieabbrüchen und höheren Dosierung zu steigern.
#416.13{sidwsNPDPZN}
35.1.4 Kritische Mikronährstoffe bei Tumorpatienten
#416.14{sidlLE97tYe}
Eine bereits vor der Tumormanifestation bestehende Fehlernährung, Entzündungsprozesse sowie Inappetenz und
Nahrungsmittelaversionen infolge einer Anorexie sind die wesentlichen Ursachen, die bei onkologischen Patienten
zur Entwicklung eines Mikronährstoffmangels beitragen (○Abb. 35.1). Im Vergleich zu Gesunden sind bei
Tumorpatienten bereits bei Diagnosestellung und weit vor dem Auftreten klinisch relevanter Veränderungen des
Ernährungsstatus erniedrigte Konzentrationen an Spurenelementen und Vit​aminen (z. B. Selen, Vit​amin B12,
Vit​amin D) im Vollblut und Plasma nachweisbar. Dabei ist die Versorgungslage mit immunmodulierend und
antioxidativ wirkenden Mikronährstoffen (z. B. Vit​amin C, Tocopherole), sowie solchen mit geringer Speicher- bzw.
Reservekapazität (z. B. Vit​amin B1, Folsäure, Vit​amin K) besonders kritisch □ Tab. 35.5, □ Tab. 35.6). Dass die
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Versorgung mit Antioxidanzien unzureichend ist, lässt sich auch daran erkennen, dass Laborparameter für
oxidativen Stress (z. B. F2-Isoprostane) bei Krebspatienten häufig erhöht sind.
#417.01{sid4Oi4qDOw}
Tab. 35.5 Kritische Mikronährstoffe (v. a. Antioxidanzien und Immunmodulatoren) bei Tumorpatienten
#417.02{sid2NcSXGnD}
Substanzen
Mikronährstoffgruppe
#417.03{sidpm667FQE}
Vit​amin D, Vit​amin B12, Vit​amin C, Vit​amin K, Folsäure, Vit​amin E
(Tocopherole, -trienole), Carotinoide, Vit​amin A
Vit​amine
#417.04{sidikmoOwoQ}
L-Carnitin (v. a. bei Tumoranämie, Fatigue-Syndrom), Coenzym Q10
(Ubichinon/-ol)
Vit​aminoide
#417.05{sidtq3mEa0b}
Selen, Zink (v. a. bei Kopf-Hals-Tumoren), Eisen (v. a. bei Tumor​anämie,
Fatigue-Syndrom), Magnesium, Kalium, Calcium
Mineralstoffe und
Spuren​elemente
#417.06{sidjZdURQg1}
L-Glutamin, L-Cystein, L-Glutathion, L-Arginin
Aminosäuren
#417.07{sidA97mdbcp}
Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA) (v. a. bei Tumoranorexie und
Tumorkachexie)
Essenzielle langkettige mehrfach
ungesättigte Fettsäuren
#417.08{sidyEKYeSk5}
Mikronährstoffe mit geringer Speicher- bzw. Reservekapazität
#417.09{sidamodjWPY}
4–10 Tage
Vit​amin B1
#417.10{sidmmlJbBKq}
Vit​amin C, Vit​amin B2, Vit​amin B3,
2–6 Wochen
Vit​amin B6, Vit​amin K
#417.11{sidrDJIkTtZ}
2–4 Monate
Folsäure, Vit​amin D
#417.12{sidGsv9DMcV}
6–12 Monate
Vit​amin E (Tocopherole/-trienole)
#418.01{sidYlquaWya}
Tab. 35.6 Nebenwirkungen der Chemotherapie, die mit einem erhöhten Bedarf oder Mangel an Mikronährstoffen
assoziiert sind
#418.02{sidDIp3Vbs8}
Zytostatikum
Nebenwirkung
#418.03{sidlXK4WtTX}
Hoch emetogen: Cisplatin, Dacarbazin, Lomustin
Übelkeit und Erbrechen
#418.04{sidbtBhjC2s}
Emetogen: Doxorubicin, Epirubicin, Daunorubicin, Carboplatin,
Carmustin (BCNU), Cyclophosphamid, Etoposid, Ifosfamid,
Mitomycin C
#418.05{sidMZB8vxlF}
Fluorouracil (5-FU), Methotrexat (MTX), Idarubicin, Cisplatin,
Irinotecan, Dactinomycin
Diarrhö
#418.06{sidGKxNFaP7}
Schleimhautschäden (Mukositis) und
Ulzertationen im GIT
#418.07{sidIdcv8Zsz}
Anorexie (z. B. Geruchs- und
Geschmacksstörungen, Appetitverlust,
vorzeitige Sättigung
Doxorubicin, Epirubicin, Daunorubicin, Etoposid, Fluorouracil (5FU), Methotrexat (MTX), Vincaalkaloide (e. g. Vincristin),
Mitomycin C
Praktisch alle Zytostatika
#418.08{sidzniP4dFt}
Tab. 35.7 Folgen von Operationen im Gastrointestinaltrakt, die einen Mangel bzw. erhöhten Bedarf an
Mikronährstoffen hervorrufen
#418.09{siduMCk9x33}
Mikronährstoffgruppe
Mikronährstoff
Vit​amine
Vit​amin B12 (→ Intrinsic-Factor-Mangel),
Vit​amin A, D, E, K, Carotinoide (z. B.
Lycopin), Folsäure (→ pH-Gradient),
Vit​amin C
Betroffene Organe
#418.10{sid068ZsB4Y}
Magen (z. B. Gastrektomie)
#418.08{sidzniP4dFt}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 35.7 Folgen von Operationen im Gastrointestinaltrakt, die einen Mangel bzw. erhöhten Bedarf an
Mikronährstoffen hervorrufen
#418.09{siduMCk9x33}
Mikronährstoffgruppe
Mikronährstoff
Betroffene Organe
#418.11{sidXlrdvWWI}
Mineralstoffe
#418.12{sidqJ8qfLIp}
Calcium (→ Lactoseintoleranz, Anazidität),
Magnesium
Zink, Eisen (→ Anazidität), Selen
Spurenelemente
#418.13{sid3arlr7ow}
Dünndarm
(z. B. Dünndarm​resektion)
#418.14{siddhRSVRbY}
Blauchspeicheldrüse (z. B.
Pankreatektomie)
Vit​amine
Vit​amin B12, (→ bakterielle
Fehlbesiedelung, Dysbiose), Vit​amin A, D,
E, K, Carotinoide (→ Steatorrhö)
Vit​amine
#418.15{sidwe6A8eUW}
Vit​aminoide
#418.16{sidk1WRJTxn}
Vit​amin A, D, E, K, Carotinoide (→
Steatorrhö), Vit​amin B12
Coenzym Q10
Omega-3-Fettsäuren (→ Steatorrhö)
Fettsäuren
#416.15{sidC8ohPbMJ}
Vit​amin C
#416_417{siddzQbO1pG}
Oxidativer Stress und Entzündungsprozesse sind nicht nur kausal an der Tumorentstehung beteiligt, sondern
beeinflussen auch maßgeblich den Verlauf einer Krebserkrankung. Die hohe Belastung mit reaktiven
Sauerstoffspezies (ROS) ist bei onkologischen Patienten mit einem erhöhten Verbrauch antioxidativ wirkender
Vit​amine assoziiert. Die Vit​amin-C-Konzentrationen im Plasma sind folglich bei vielen Krebspatienten erniedrigt.
Ein Vit​amin-C-Mangel findet sich vor allem bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, der bis zum
manifesten Skorbut reichen kann. Auch kann ein bestehendes Vit​amin-C-Defizit durch die tumordestruktive Therapie
(z. B. Interleukin-2) verstärkt werden. Niedrige Vit​amin-C-Plasmaspiegel (< 11 µmol/l) sind bei Krebspatienten mit
einer erhöhten Entzündungsaktivität (hohes CRP), schlechtem Ernährungszustand (niedriges Albumin) und einer
kürzeren Überlebenszeit assoziiert.
#417.13{sidGlIaBPcH}
Im Hinblick auf die Nebenwirkungsrate und tumordestruktive Wirkung von Zytostatika gibt es Hinweise, dass
Vit​amin C die Wirksamkeit einiger Zytostatika verstärken kann. Die kombinierte Gabe von Adriamycin mit einer
parenteralen Applikation von Vit​amin C (2 g/kg KG, i. v. oder intraperitoneal) konnte im Tierversuch (Maus,
Meerschwein) die kardiotoxischen Nebenwirkungen des Anthrazyklins reduzieren und die Überlebenszeit signifikant
erhöhen. Die zytotoxische Wirkung des Anthrazyklins wurde dabei nicht beeinträchtigt. Pharmakologische In-vitroStudien haben zudem gezeigt, dass Vit​amin C die zytotoxische Wirkung von antineoplastischen Substanzen wie
Cisplatin, Dacarbazin, Doxorubicin, Paclitaxel, Tamoxifen und 5-Fluorouracil (5-FU) verstärkt. Bemerkenswert sind
auch Untersuchungen, in denen gezeigt wurde, dass die intraperitoneale Applikation von Vit​amin C zusammen mit
Vit​amin K in der Lage ist die tumordestruktive Wirkung verschiedener Zytostatika zu potenzieren.
#417_418{sidzGsuEJbm}
Nach einer aktuellen In-vitro-Studie scheinen Krebszellen des Hirntumors Glioblastoma multiforme wesentlich
sensibler auf eine Bestrahlung zu reagieren, wenn kurz vor der Bestrahlung hoch dosiertes Vit​amin C appliziert wird.
Die Autoren dieser Studie zeigten, dass bei der Kombination von Vit​amin C (5 mmol/l) mit Bestrahlung (6 Gy)
signifikant mehr Tumorzellen durch Induktion von Doppelstrangbrüchen der DNS abgetötet werden als bei
Bestrahlung oder Applikation von Vit​amin C allein. Ein vergleichbarer Effekt zeigte sich bei Leukämiezellen, die mit
2 Gy bestrahlt wurden. Sollte sich in klinischen Studien bestätigen, dass hoch dosiertes Vit​amin C in Verbindung mit
Bestrahlung die Heilungschancen erhöht, könnte es bei strahlenresistenten Krebsarten sinnvoll sein, beide
Behandlungsformen zu kombinieren.
#419.01{sid46eoYkAI}
Im Rahmen einer prospektiven, chinesischen Kohortenstudie wurden 4 877 Frauen mit invasivem Brustkrebs (Alter:
20–75 Jahre) bezüglich ihrer Einnahme von Vit​aminpräparaten befragt und über einen Zeitraum von im Mittel etwa
vier Jahren nachbeobachtet. Die Auswertung der Daten ergab, dass die Einnahme von Vit​aminen innerhalb der
ersten sechs Monate nach der Diagnosestellung mit einer Reduktion der Letalität und des Rezidivrisikos assoziiert
war, wobei der Effekt abhängig von der Auswahl der Vit​amine und der Einnahmedauer war und nicht immer
Signifikanz erreichte. Bei Frauen, die über mehr als drei Monate Vit​amin C einnahmen, war die Letalität um 44 %
und das Rezidivrisiko um 38 % verringert (p = 0,009 bzw. 0,01). Bei Frauen, die eine Chemotherapie erhielten, war
das Risiko gleichermaßen vermindert, wenn sie die Vit​amine während oder gerade nicht während einer
Chemotherapie einnahmen.
#419.02{sidEqZVSuxj}
Tumordestruktive Wirkung von Ascorbat
#419.03{sidRmFgOKOV}
In-vitro- und tierexperimentelle Studien belegen, dass die parenterale Applikation von hoch dosiertem Ascorbat –
durch die Induktion von Peroxiden – selektiv Tumorzellen (z. B. Ovarial-, Pankreastumoren, Glioblastom) abtötet,
ohne gesunde Zellen zu schädigen. Ascorbat kann in Konzentrationen > 1 000 µmol die Bildung von
Wasserstoffperoxid (H2O2) induzieren, welches vor allem zelltoxisch auf Tumorzellen wirkt. Peroxid-Radikale, die
durch Ascorbat in pharmakologisch wirksamen Konzentrationen gebildet werden, können Krebszellen auf
verschiedene Arten durch ATP-Depletion zerstören. H2O2 kann zum einen DNA-Einzelstrangbrüche verursachen, die
durch die Poly(ADP-ribose)-Polymerase (PARP) repariert werden (○ Abb. 35.2). Verstärkte PARP-Aktivität kann zur
NAD+ und im Weiteren zu ATP-Depletion führen. Auf der anderen Seite kann H2O2 im Zellzwischenraum teilweise
durch die Glutathion(GSH)-Peroxidase entfernt werden. GSH-Peroxidase bedarf zwingend der Anwesenheit von
GSH, das enzymatisch zu Glutathion-Disulfid (GSSG) oxidiert wird. GSSG wird wieder zu GSH mittels
Reduktionsäquivalenten von NADPH reduziert, das seinerseits durch Glucose über den Pentosephosphat-Weg
regeneriert wird. Die zur Reduktion von NADP+ zu NADPH dienende Glucose entfällt nun aber für die Bildung von
ATP. In Krebszellen, die sich durch anaeroben Abbau von ATP mit Energie versorgen (Warburg-Effekt), kann das
Rekrutieren von Glucose für den Pentosephosphat-Weg in einem erniedrigten ATP-Status resultieren, der
schließlich zum Zelltod führt. Außerdem sind die Mitochondrien mancher Krebszellen durch erhöhte Vulnerabilität
ihrer Doppelmembran gegen H2O2 gekennzeichnet. Die Mitochondrien solcher Zellen dürften zu Beginn weniger gut
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
in der Lage sein, ATP zu produzieren, als normale Zellen. Eine erhöhte Vulnerabilität gegen H2O2 – mit oder ohne
initial ineffiziente ATP-Produktion – könnte so zu einer verringerten ATP-Bildung beitragen. Diese durch H2O2
induzierten Stoffwechselwege zur ATP-Depletion sind voneinander unabhängig, und mehr als einer dieser
Mechanismen kann für das Absterben H2O2-empfindlicher Krebszellen verantwortlich sein. Pharmakologisch
wirksame Ascorbatkonzentrationen sollten jedoch normale Zellen nicht beeinträchtigen, weil deren primäre ATPProduktion auf aerober Glykolyse beruht und weil ihre Mitochondrien auf H2O2 nicht so empfindlich ansprechen wie
jene in Krebszellen.
#420.01{sidsslEhRNZ}
Abb. 35.2 Peroxidinduzierte Schäden auf Tumorzellen durch Ascorbat
#419_420{sidgFuMohHR}
Ein Vit​amin-C-Mangel sollte in jedem Fall durch eine gezielte Supplementierung kompensiert werden, da mit einer
deutlichen Verschlechterung der Lebensqualität bei Vit​amin-C-Plasmaspiegeln, die auch bei Skorbut beobachtet
werden, zu rechnen ist. Eine aktuelle multizentrische Studie zeigt, dass eine adjuvante hoch dosierte parenterale
Applikation (7,5 g Vit​amin C pro Woche, i. v., Dauer im Median 6,8 Monate) von Vit​amin C auf den postoperativen
Verlauf von Brustkrebspatientinnen in der Verum-Gruppe (n = 409) im Hinblick auf die Hauptzielgrößen (z. B.
Antriebsmangel, Erschöpfung, Müdigkeit und im Gesamtscore nach Wei-Lachin) gegenüber der Kontroll-Gruppe (n
= 379) mit einer deutlichen Verbesserung assoziiert war. Auch in den sekundären Zielparametern wie Reduktion von
Nebenwirkungen der konventionellen tumordestruktiven Therapie, Pflegebedürftigkeit und Leistungsindex nach
Karnofsky wurde eine signifikante Verbesserung in der Verum-Gruppe gegenüber Placebo beobachtet.
#420.02{sids6wBsG3P}
Oxidativer Stress, Entzündungsprozesse und Vit​amin-C-Mangel spielen bei der Ätiologie der chemo- und/oder
strahlentherapiebedingten Nebenwirkungen eine wichtige Rolle. Die Ergebnisse einer aktuellen multizentrischen
retrospektive epidemiologische Kohortenstudie an 125 Brustkrebspatientinnen (UICC-Klassifikation: IIa bis IIIb) im
Alter von durchschnittlich 56 Jahren zeigen, dass die parenterale Applikation von Vit​amin C (7,5 g/Infusion 1 × pro
Woche; nicht am Tag der Chemo- oder Strahlentherapie) über mindestens vier Wochen begleitend zu einer
adjuvanten tumordestruktiven Therapie (Operation; CTX: EC, CMF oder FEC; Hormontherapie; RT) signifikant die
krankheits- oder therapiebedingten Beschwerden wie Nausea (p = 0,022), Appetitlosigkeit (p = 0,046),
Depressionen (p = 0,017), Fatigue (p = 0,023) und hämorrhagische Diathese (p = 0,032) verringert. Die Intensität
dieser Beschwerden war in der Kontrollgruppe ohne Vit​amin-C-Infusionen in der Nachsorgephase nahezu doppelt
so hoch wie in der Interventionsgruppe mit Vit​amin-C-Infusionen. Bemerkenswert ist auch, dass unter den Vit​amin-CInfusionen keine Nebenwirkungen beobachtet wurden (○Abb. 35.3).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#421{sidUIHOdOX1}
Abb. 35.3 Einfluss einer Vit​amin-C-Infusionstherapie (7,5 g Vit​amin C, 1 × pro Woche, nicht am Tag der Chemo- bzw.
Strahlentherapie) auf Nebenwirkungen der adjuvanten tumordestruktiven Therapie bei 125 Frauen mit Brustkrebs. Nach
Vollbracht 2011
#420_421{sidiO9UnapD}
Tumoren der Bauchspeicheldrüse machen 2–3 % aller bösartigen Neubildungen beim Erwachsenen aus. In
Deutschland erkranken in der männlichen Bevölkerung 10–12 und in der weiblichen Bevölkerung 7–9 Individuen pro
100 000 Einwohner pro Jahr an diesem Tumor. In den letzten Jahren haben Krebserkrankungen der
Bauchspeicheldrüse stetig zugenommen. Häufig werden die Tumore erst in fortgeschrittenen Stadien entdeckt.
Wegen der oft späten Diagnose und des aggressiven Verlaufs ist diese Krebserkrankung trotz der relativ geringen
Häufigkeit weltweit die fünfthäufigste tumorbedingte Todesursache. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 60. und 75.
Lebensjahr. Etwa 80 % der Tumore finden sich im Kopf, 20 % im Körper und 10 % im Schwanz der
Bauchspeicheldrüse. Bei etwa 80–90 % der Tumore der Bauchspeicheldrüse handelt es sich um drüsige
Karzinome, die vom Erscheinungsbild den Gangstrukturen der normalen Bauchspeicheldrüse ähneln (duktales
Adenokarzinom).
#421_422{sid9vPPmvjg}
Erste Ergebnisse einer Vit​amin-C-Hoch​dosisinfusionstherapie (50–125 g Vit​amin C pro Infusion, 2 × pro Woche
nach Ausschluss eines G-6-PDH-Mangels, Dosiseskalation bis Vit​amin-C-Plasmaspiegel ≥ 20 000 µmol/l bzw. 350
mg/dl) in der Kombination mit Gemcitabin (1 000 mg/m2, 1 × wöchentlich für drei Wochen) bei einer kleinen Anzahl
von neun Patienten mit Pankreaskarzinom (Stadium IV) zeigen eine gute Verträglichkeit des Zytostatikums mit der
Vit​amin-C-Infusion sowie einen günstigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf (PACMAN-Studie). Bei einem in der
Studie anhand von CT-Scans dokumentierten Patienten konnte innerhalb von vier Monaten eine 9-fache Abnahme
der primären Tumorgröße beobachtet werden. Die Patienten konnten ihren Performance-Status beibehalten oder
verbessern und verloren im Behandlungszeitraum von durchschnittlich 6 Monaten (177 Tage, Spanne: 69–556 Tage)
nur etwa 5,3 ± 1,6 kg Körpergewicht. Die Zeit bis zur Krankheitsprogression betrug bei allen Patienten 26 ± 7
Wochen. Bei einer historischen Kontrolle aus dem Jahre 1997 betrug die durchschnittliche Überlebenszeit von mit
Gemcitabin behandelten Patienten mit Pankreaskarzinom etwa 5,65 Monate. Die durchschnittliche Überlebenszeit
in dieser Pilot-Studie lag bei etwa 13 ± 2 Monaten bei Patienten, die mindestens zwei Therapiezyklen (= 8 Wochen)
abgeschlossen hatten. In dieser kleinen Studie wurden auch die Ascorbat-Radikal-Spiegel erfasst sowie die F2Isoprostane als Marker der Lipidperoxidation und der GSH-Spiegel in den roten Blutkörperchen. Bemerkenswert
dabei war, dass unter der Vit​amin-C-Hochdosistherapie die Ascorbat-Radikal-Spiegel signifikant anstiegen, aber
die Lipidperoxidation bzw. F2-Isoprostanspiegel sogar abfielen, und sich der zelluläre GSH-Spiegel nicht signifikant
änderte (○Abb. 35.4). Unter der Vit​amin-C-Hochdosisinfusionstherapie traten vor allem Nebenwirkungen wie
Nausea, Durst und Diarrhö auf.
#422.01{sidVG5aI8Js}
Abb. 35.4 Gesamtüberleben bei Patienten (n = 9) mit Pankreaskarzinom (Stadium IV), die mit Gemcitabin (1 × pro Woche) in
Kombination mit einer Vit​amin-C-Hochdosisinfusionstherapie (z. B. 125 g pro Infusion, 2 × pro Woche) behandelt wurden
#422.02{sido5USWxBM}
Wird eine Hochdosistherapie mit Vitamin C in tumordestruktiver Intention appliziert, sollte nach aktuellen Daten nicht
gleichzeitig (auch nicht am selben Tag) L-Glutathion infundiert werden (Chen, 2011), da die tumordestruktive
Wirksamkeit von Ascorbat induzierter Peroxid-Bildung aufgehoben werden kann.
#422.03{sidR4BaFn4F}
Die Neurofibromatose Typ 1 (NF1), auch Morbus Recklinghausen genannt, ist eine autosomal-dominant und
monogen vererbte Multiorganerkrankung, die vor allem die Haut und das Nervensystem betrifft. Mit etwa 90 % zählt
die NF1 zu den häufigsten Formen der Neurofibromatose. Sie kommt mit einer Inzidenz von etwa 1:2 500 vor. Bei
einer NF1 kommt es zum Verlust der Tumorsuppressorfunktion des Neurofibromin, welches im gesunden Zustand
das Signaltransduktionsprotein RAS reguliert. Eine durch einen Mangel an funktionierendem Neurofibromin
andauernde Aktivierung des RAS fördert die Entstehung und Proliferation von neuronalen Tumoren. Der
krankheitsverursachende Gendefekt befindet sich auf dem NF1-Gen der auf dem langen Arm von Chromosom 17
liegt. Bei der NF1 treten eine Reihe von Tumoren auf, die sowohl das zentrale Nervensystem betreffen als auch
außerhalb davon auftreten können. Bei Kindern zählen dabei Gliome im Bereich des Sehnervs, sogenannte
Optikusgliome zu den am häufigsten bekannten Tumoren. Symptomatisch werden Optikusgliome meist durch
progredienten Visusverlust und Gesichtsfeldeinschränkungen.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#422_423{sidCy54I9Z1}
Im aktuellen Fall wird ein 5 Jahre alter Junge beschrieben, bei dem im Alter von 14 Monaten ein NF1 mit
Optikusgliom diagnostiziert wurde. Aufgrund der Tumorprogression wurde gemäß dem Protokoll der Internationalen
Gesellschaft für pädiatrische Onkologie für low-grade progessive Gliome zunächst eine Chemotherapie mit dem
Alkylanz Carboplatin und dem Vincaalkaloid Vincristin über einen Zeitraum von 15 Monaten verordnet. Im Alter von
2,8 Jahren wurde die Chemotherapie abgesetzt, da trotzt der antineoplastischen Medikation weiterhin ein Größenprogredientes Optikusgliom nachweisbar war. Der Junge erhielt ab dem August 2013 einmal pro Woche eine
Hochdosisinfusionstherapie mit Vitamin C (1. Woche: 7 g Vitamin C/Infusion; 2. bis 4. Woche: 10 g Vitamin
C/Infusion und im Anschluss 15 g Vitamin C/Woche, insgesamt 106 Infusionen mit Vitamin C) über einen Zeitraum
von 30 Monaten. Darunter wurden die Vitamin-C-Blutspiegel dreimal bestimmt (nach 7 g, 10 g und 15 g Vitamin C),
die zwischen 190 mg/dl und 210 mg/dl lagen. Nach 30 Monaten mit insgesamt 106 Infusionen konnte eine deutliche
Reduktion der Tumorgröße sowie eine Stabilisierung des Glioms im Bereich der Sehnervenkreuzung mit Beteiligung
des Hypothalamus unter der Vitamin-C-Hochdosisinfusionstherapie nachgewiesen werden (○ Abb. 35.5). Im
Februar 2016 empfiehlt der Onkologe aufgrund der Wachstumshemmung und Stabilisierung des Tumors durch
Vitamin C, dass die Vitamin C-Infusionstherapie fortgeführt und nach einem Jahr erneut kontrolliert und ihr Erfolg
wieder beurteilt werden soll.
#423.01{sidUDN6UEk5}
Abb. 35.5 Veränderungen des Glioms im Bereich der Sehnervenkreuzung mit Beteiligung des Hypothalamus (hypothalamischechiasmatisches Gliom) unter der Chemotherapie und Vitamin-C-Infusions​therapie
#423.02{sidFJEHSqX7}
B-Vit​amine
#423_424{sidXf5PtiJP}
Krebspatienten mit fortgeschrittener Erkrankung, chronischer Mangelernährung oder Patienten nach
Knochenmarkstransplantation haben als Folge eines ausgeprägten Vit​amin-B1-Mangels ein hohes Risiko für die
Entwicklung einer Wernicke-Enzephalopathie. Auch werden schwere metabolische Störungen im
Kohlenhydratstoffwechsel (→ Lactat​azidose) mit Wernicke-Enzephalopathie (z. B. Somnolenz,
Augenmuskelparesen, Ataxie) zum Teil bei 5-FU-basierten Chemotherapien beobachtet. Das Zytostatikum 5Fluorouracil (5-FU) hemmt die metabolische Aktivierung von Thiamin zum stoffwechselaktiven Thiamindiphosphat
(TDP). Auch die ifosfamidinduzierten neurotoxischen Symptome (z. B. Bewusstseinstrübungen, Halluzinationen)
werden neben der iatrogenen Störung des L-Carnitin-Haushalts auch mit einer Beeinträchtigung im Vit​amin-B1Stoffwechsel in Verbindung gebracht. Eine Unterversorgung mit Folsäure, Vit​amin B6 und B12 findet sich gehäuft bei
neu diagnostizierten Tumorpatienten sowie bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen.
#424.01{sidqW4yuUju}
Das Prä-Prohormon Vitamin D
#424.02{sid7mRyNV1w}
Nach verschiedenen Studien dürfte eine unzureichende UV-Lichtexposition und ein Mangel am Prä-Prohormon
Vitamin D [25(OH)D < 20 ng/ml bzw. 50 nmol/l] nicht nur die allgemeine sowie die kardiovaskuläre Morbidität und
Mortalität erhöhen, sondern auch ein wichtiger ätiologischer Faktor bei der Pathogenese zahlreicher Erkrankungen
sein, wie zum Beispiel Krebs. In einer aktuellen Metaanalyse aus dem Jahr 2016 war ein 25(OH)D-Status von ≥ 40
ng/ml gegenüber einem 25(OH)D-Status von 20 ng/ml mit einem signifikant 70 % reduzierten Risiko an Krebs zu
erkranken assoziiert. Krebspatienten haben häufig einen Vitamin-D-Mangel, der einen negativen Einfluss auf den
Krankheitsverlauf und die Therapie hat (○ Abb. 35.6).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#425{sidC4RwAhZx}
Abb. 35.6 Vitamin D: Rationalen in der Onkologie
#424.03{sidwRUWygPz}
Bei Brustkrebspatientinnen konnte unter einer anthrazyklin- und taxanhaltigen Polychemotherapie ein deutlicher
Abfall des 25(OH)D-Spiegels beobachtet werden. Einige Zytostatika (z. B. Docetaxel) sind Liganden des PregnanX-Rezeptors und können unter anderem über die Induktion der 24-Hydroxylase (24-OHase) den enzymatischen
Abbau von 25(OH)D und 1,25(OH)2D fördern. Docetaxel ist ein bekannter Auslöser kutaner Nebenwirkungen und
Geschmacksstörungen. Ein Vitamin-D-Mangel kann das Auftreten einer chemotherapieinduzierten Mukositis und
Dysgeusie begünstigen. In Fallberichten konnten mukokutane Nebenwirkungen (z. B. Stomatitis) und
Geschmacksstörungen, die bei Krebspatienten unter einer Polychemotherapie mit TCH oder FOLFOX6 auftraten,
erfolgreich durch die Supplementierung von Vitamin D behandelt werden. Auch Arthralgien oder eine abnehmende
Knochendichte unter der Therapie mit Aromatasehemmern (AI) wie Letrozol konnten durch die labordiagnostisch
validierte Supplementierung von Vitamin D (z. B. 50 000 I. E. Vitamin D/Woche für 12 Wochen, p. o.) bei
Brustkrebspatientinnen mit Vitamin-D-Mangel deutlich verringert werden.
#424_425{sidZjIPFKIo}
Ähnliche Ergebnisse liegen zum Einsatz von Bisphosphonaten vor. Nach einer aktuellen Arbeit von Favus ist bei
einem Vitamin-D-Mangel eine Therapie mit Bisphosphonaten kontraindiziert. Der 25(OH)D-Spiegel sollte vor
Beginn einer derartigen Therapie grundsätzlich ≥ 32 ng/ml liegen. Die ossäre Wirksamkeit der Bisphosphonate
kann gemäß aktueller Daten bei einem adäquaten Vitamin-D-Status (25(OH)D ≥ 32 ng/ml) verbessert sein. Dies
könnte damit zusammenhängen, dass erst ab einem 25-OH-D-Spiegel von ≥ 40 ng/ml kein starker Anstieg der
Parathormonspiegel mehr nachweisbar ist. Ein sekundärer Hyperparathyreoidismus findet sich häufig bei
Prostatakarzinompatienten mit Knochenmetastasen, der sich unter der Applikation von potenten Bisphosphonaten
wie Zolendronsäure verschärfen kann. Erhöhte Parathormon-Spiegel können die Effektivität der Bisphosphonate im
Hinblick auf ihre ossäre Wirkung, aber auch auf die Überlebenszeit der behandelten Patienten beeinträchtigen. Dies
zeigen erneut die Ergebnisse einer aktuellen prospektiven Studie an 643 Patienten mit metastasiertem,
hormonrefraktärem Prostatakarzinom bei der erhöhte PTH-Spiegel negativ mit der Überlebenszeit assoziiert waren
(HR 1,448, 95 % CI, 1,045–2,006, p < 0,03). Krebspatienten, die eine intravenöse Bisphosphonat-Therapie
erhalten, haben ein 2,7- bis 4,2-fach erhöhtes Risiko für eine Bisphosphonat induzierte Kiefernekrose (BRONJ) im
Vergleich zu Patienten, die keine intravenöse Therapie erhalten. Bei der Pathogenese der Kiefernekrose spielt eine
fehlende Heilung des Mundepithels, die mit einer gestörten Funktion der Keratinozyten einhergeht, eine zentrale
Rolle. Letztere brauchen zu ihrer Differenzierung Vitamin D, welches gleichzeitig ihre überschießende Proliferation
hemmt. Das Risiko einer Bisphosphonat bedingten Osteonekrose der Kieferknochen kann nach aktuellen Studien
durch die Supplementierung von Vitamin D reduziert werden. Bei palliativen Krebspatienten kann die
Supplementierung von Vitamin D auch den Bedarf an opioidhaltigen Analgetika verringern, wie erste
Untersuchungen zeigen. Dabei dürften analgetische und antiinflammatorische Effekte des Sonnenhormons eine
Rolle spielen. Bei Krebspatienten mit fortgeschrittener Erkrankung kann Vitamin D dazu beitragen, dass das Risiko
für Fatigue und Kachexie verringert wird. Bei Tumoranämie sollte in jedem Fall an Vitamin D gedacht werden, da es
die Hepcidin-Ferroportin-Achse reguliert und den Eisenstatus verbessert.
#425_426{sidisNmnfdc}
Rituximab ist ein monoklonaler Antikörper gegen das Oberflächenantigen CD20. Dieses Oberflächenantigen wird
hauptsachlich von B-Lymphozyten exprimiert. Rituximab wird in der Krebstherapie zusätzlich zum CHOP-Schema zur
Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen (z. B. diffus-großzelliges B-Zell-Lymphom) eingesetzt. Dabei bindet
Rituximab an CD20 und mobilisiert so die körpereigene Immunantwort. Zusätzlich besitzt der Antikörper eine
abtötende Wirkung auf die CD20-positive Zelle. Ein Vitamin-D-Mangel kann die Antikörpertherapie bei
Lymphompatienten unwirksam machen und die Überlebensrate senken, wie aktuelle Studien an älteren Patienten
mit diffus-großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) zeigen. Ältere Krebspatienten mit diffus-großzelligem B-ZellLymphom, die eine Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Rituximab erhalten und einen Vitamin-D-Mangel
haben, weisen ein schlechteres ereignisfreies 3-Jahres-Überleben und Gesamtüberleben als Patienten mit
normalem Vitamin-D-Spiegel auf. Eine Supplementierung von Vitamin D normalisierte bei Kontrollpersonen die
verminderte rituximabvermittelte zelluläre Zytotoxizität. Der Vitamin-D-Status sollte grundsätzlich bei allen
Krebspatienten (25(OH)D, Serum) bei Diagnosestellung kontrolliert und durch adäquate Supplementierung
kompensiert werden (25(OH)D-Zielwert: 40–60 ng/ml bzw. 100–150 nmol). Dies gilt insbesondere für
Krebspatienten mit schlechtem Ernährungsstatus, Therapien mit Anthrazyklin-, Platin-, Taxan- und monoklonaler
antikörperhaltigen Chemotherapie sowie bei muskulären, mukokutanen Störungen, Tumoranämie, Fatigue und
Tumorkachexie.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#426.01{sidlTMA5p0P}
L-Carnitin und Coenzym Q10
#426.02{sidTDAI58Lm}
Ein Mangel an L-Carnitin und/oder erhöhter Bedarf an Coenzym Q10 wird bei zahlreichen chronischen Erkrankungen,
insbesondere auch bei Tumorerkrankungen beschrieben. Der L-Carnitin-Mangel ist multifaktoriell bedingt, u. a.
durch Malnutrition, er kann aber auch als Folge von unerwünschten Interaktionen mit verschiedenen Zytostatika (z. B.
Anthrazykline, Cisplatin) auftreten. Studien zufolge weisen bis zu 70 % der Patienten mit fortgeschrittenen
Krebserkrankungen einen Mangel an L-Carnitin auf, der vom Organismus nicht ausgeglichen werden kann.
#426.03{sidvoLcIxYt}
Die bisher bekannten Ursachen für einen L-Carnitin-Mangel bei Krebspatienten mit unterschiedlichen
Tumorentitäten sind vielfältig:
#426.04{sidFlXmjI0l}
nutritive Defizienz bei Mangelernährung (z. B. zu wenig Eisen, Vitamin C, L-Methionin),
#426.05{sidSHtCxWfi}
Interaktion von Zytostatika (z. B. Anthrazykline) mit dem Carnitintransporter OCTN2 (Transport von L-Carnitin in
die Zelle),
#426.06{sidYI1mJzmR}
Störung der L-Carnitinbiosynthese durch Anthrazykline,
#426.07{sidCtutnFFK}
Steigerung der renalen Carnitinexkretion durch Cisplatin und Ifosfamid sowie
#426.08{sidJbZsL4I9}
Bildung von unphysiologischen Carnitinestern und erhöhte renale Ausscheidung.
#426.09{sidhdOdFdQU}
Für den Einsatz von L-Carnitin im onkologischen Nebenwirkungsmanagement (z. B. Zytoprotektion) sprechen die
gute Verträglichkeit, die immunstabilisierende Wirkung, die potenzielle zytoprotektive Wirkung unter zytostatischer
Therapie sowie die fehlende Beeinträchtigung des erwünschten zytotoxischen Effekts der antineoplastischen
Therapie. Da L-Carnitin zu einer Hemmung proinflammtorischer Zytokine, einer Inhibierung der
Skelettmuskelapoptose sowie zu einer vermehrten Energiebereitstellung aus der β-Oxidation führt und es im
Rahmen einer Chemotherapie, durch Arzneimittelinteraktionen zu einer Verstärkung des ohnehin schon häufig
nachweisbaren L-Carnitin-Mangels kommen kann, spielt L-Carnitin in der supportiven Onkologie eine wichtige Rolle.
#426.10{sid1DLmdy38}
Im Rahmen einer randomisierten, placebokontrollierten, multizentrischen, prospektiven, doppelt verblindeten Studie
(CARPAN) wurde bei 72 Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom untersucht, ob die Einnahme mit LCarnitin (2 × 2 000 mg/d, p. o.) einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf und die Fatigue-Symptomatik hat. Die
Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass L-Carnitin in pharmakologischer oraler Dosierung von 4 g/Tag einen
signifikant positiven Effekt sowohl auf die untersuchte Fatigue-Symptomatik und die Lebensqualität als auch auf den
Ernährungszustand von Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom hatte. Darüber hinaus konnte die Studie
überraschenderweise zeigen, dass unter der Therapie mit L-Carnitin das Gesamtüberleben verlängert war und die
Krankenhausverweildauer gesenkt werden konnte.
#427.01{sidqtqhWyNz}
Neuropathien, die als Ausdruck einer neurotoxischen Schädigung in der Folge einer medikamentösen
Tumortherapie, z. B. mit Taxanen und Platinsubstanzen, auftreten, werden in der gynäkologischen Onkologie häufig
beschrieben und können zu teilweise lang anhaltenden Funktionseinschränkungen, Verlust an Lebensqualität oder
auch zu Therapieabbrüchen führen. Das Spektrum der konventionellen Supportiva ist hier sehr begrenzt. Aus dem
Bereich der Komplementärmedizin werden neuroprotektive Effekte für mitotrope Mikronährstoffe wie L-Carnitin und
α-Liponsäure beschrieben. So publizierten im Jahr 2012 Yuanyue et al. im Journal of Clinical Oncology eine
vergleichbare Untersuchung zur Neuroprotektion unter taxanhaltiger Chemotherapie, mit der Gabe von 3 g LCarnitin. Sie kamen zu einer positiven Beurteilung der neuroprotektiven Effekte bei 51 % der Patientinnen. Darüber
hinaus wurde die Fatigue-Symptomatik vermindert und der Performance-Status verbessert. Zur Auswertung der
Neurotoxizitat wurden in dieser Untersuchung neben evaluierten Fragebögen auch neurophysiologische
Untersuchungen eingesetzt.
#427.02{sidKvCJNr6v}
L-Carnitin stimuliert die Expression des „nerve growth factor“ (NGF) und vermittelt dadurch einen Wachstumsreiz für
die betroffenen Axone. Die dadurch stimulierte Nervenzelle reagiert mit einer Zytokinausschüttung, die wiederum zu
einer lokalem Mastzellstimulation und damit einer weiteren proinflammatorischen Umgebungsreaktion führt. Dadurch
kann ein über das endogene Cannabinoid-Rezeptorsystem gesteuertes neuropathisches Schmerzempfinden
getriggert werden. Ein ganz innovativer Therapieansatz, der noch nicht in klinischen Studien evaluiert wurde,
kombiniert eine neuroprotektive bzw. restaurative Therapie, wie z. B. L-Carnitin, mit einer antiinflammatorischen
Modulation der Mastzellaktivität durch endogene Cannabinoide. Diese momentan nur zur topischen Anwendung
verfügbaren Substanzen, wie Anandamide, Palmitoylethanolamid oder sein Analogon Adelmidrol führen in diesem
System zu einer Schmerz-Desensiblisierung am Axon.
#427.03{siddPY8wnDm}
Die Supplementierung (z. B. 3 × 2 g L-Carnitin/d, p. o.) und/oder parenterale Applikation von L-Carnitin (z. B. 1–2 g
in 100 ml 0,9 % NaCl 20 min vor der CT) ist vor allem in Erwägung zu ziehen bei Krebspatienten mit schlechtem
Ernährungsstatus (in Kombination mit Omega-3-Fettsäuren), Chemotherapie mit Anthrazyklin- (in Kombination mit
Coenzym Q10, z. B. 300 mg Ubiquinol), Cisplatin-, Ifosfamid und taxanhaltigen antineoplastischen Substanzen sowie
bei CT-induzierter Neuropathie, Fatigue und Tumorkach​exie (in Kombination mit Omega-3-Fettsäuren).
#427.04{sidhTIoRpZR}
Selen als Natriumselenit
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#427_428{sid5bnsb37U}
Selen ist ein für die Gesundheit des Menschen essenzieller Mikronährstoff, seine biologische Aktivitäten und
antikanzerogenen Eigenschaften dürften überwiegend resultieren aus dem Einbau in Form der 21. proteinogenen
Aminosäure Selenocystein in Selenoproteine, kodiert von 25 verschiedenen menschlichen Genen. Selenoproteine,
wie die Glutathion-Peroxidase (GSH-Px) und die Thioredoxin-Reduktase (TrxR) spielen für die optimale Funktion der
Immunzellen bei der Regulierung des Redox-Status und der Kontrolle von oxidativem Zellstress eine große Rolle.
Selenoprotein P (SeP) mag antioxidative Eigenschaften haben, vor allem aber dürfte es ein Selentransportprotein
sein. Es weist multiple Selenocysteinreste auf und stellt fast 50 % des gesamten Plasmaselens. Darüber hinaus
stellt es die Versorgung des Gehirns mit Selen unter Mangelbedingungen sicher. Selen ist bei der Kontrolle von
Entzündungsreaktionen über den Transkriptionsfaktor NFkappaB von zentraler Bedeutung. Pharmakodynamische
Befunde legen nahe, dass Natriumselenit verschiedene, in Krebszellen zentrale Signaltransduktionswege ansteuert
und die multimodal regulierte Apoptose induziert. Der Wirkstoff Natriumselenit wirkt zudem selbst als Antioxidans
und Radikalfänger. Dies ist darauf zurückzuführen, dass er einerseits als anorganisches Salz natürlicherweise in
verschiedenen Redoxzuständen auftreten kann, während ein organisches, vorwiegend durch kovalente Bindungen
gekennzeichnetes Molekül durch freie Elektronen sogar zerstört werden kann. Er ist zugleich die natürliche
Selenform, die nach Aufnahme in die Zelle schnell und spezifisch in Selenoenzyme eingebaut wird. Daher ist
Natriumselenit-Pentahydrat weltweit die einzige Substanz, die als Wirkstoff („active pharmaceutical ingredient“, API)
für Selenarzneimittel zugelassen ist. Antikörperbasierte Therapien wie Trastuzumab-Emtansin-Konjugate oder auch
Checkpoint-Inhibitoren wie Nivolumab oder Ipilimumab sind in mehrfacher Hinsicht auf einen adäquaten
Selenspiegel beim Patienten angewiesen: einerseits zur Reduktion der oft langanhaltenden entzündlichen
Nebenwirkungen, andererseits, weil sie zur Wirkung (ADCC, „antibody dependent cellular cytotoxicity“) auf ein nicht
supprimiertes Immunsystem beim Patienten angewiesen sind.
#428.01{sid0HQpYpMU}
Zwei Cochrane-Reviews aus den Jahren 2011 und 2014 untersuchten zum einen, ob es eine Beziehung zwischen
Selenzufuhr und Krebsrisiko gibt, zum anderen die Wirksamkeit der Selensupplemente bei der Krebsvorsorge. Die
Analyse beinhaltete 49 prospektive, nicht interventionelle Studien und sechs randomisierte klinische Tests. Nach
epidemiologischen Studien erkranken Personen mit einer besseren Selenversorgung weniger häufig an Krebs (OR:
0,69; 95 % VI: 0,53–0,91) und zeigen eine geringere Krebs-bedingte Sterblichkeit (OR: 0,55; 95 % VI: 0,36–0,83).
Die Effekte auf die Krebsinzidenz waren deutlicher bei Männern als bei Frauen (OR: 0,66; 95 % VI: 0,42–1,05 bzw.
OR: 0,90; 95 % VI: 0,45–1,77). Bei Mammakarzinom-Patientinnen mit genetischer Prädisposition (BRCA-1) konnte
gezeigt werden, dass mit 300 µg Se/d die Zahl oxidativer DNA-Schäden und Chromosomenbrüche nahezu auf das
Niveau gesunder Probanden absinkt. Mehr als fünf randomisierte Studien beschäftigten sich mit der Frage, ob die
toxischen Auswirkungen einer Chemo- oder Strahlentherapie durch gleichzeitige Gabe von hoch dosiertem Selen
abgemildert, die primären Effekte der onkologischen Behandlung dabei aber nicht beeinträchtigt werden (□ Tab.
35.8).
#429.01{sidFTSQ4NvY}
Tab. 35.8 Studien zu den Auswirkungen der Gabe von hoch dosiertem Selen während der Chemo- oder
Strahlentherapie.
#429.02{sidILRjYEVH}
Design
Ergebnisse
Patienten mit
verschiedenen soliden
Tumoren, Chemotherapie
mit Cisplatin (n = 41),
randomisierte CrossoverStudie,
Gabe von 4 mg/d Selen
(als Selen-kappaCarrageenan) für 4 Tage
vor und für 4 Tage nach
dem ersten und zweiten
Chemotherapiezyklus
Mit Selen-Supplementierung: eindeutig
höhere Leukozytenzahl 14 Tage nach Ende
der Chemotherapie (3,35 ± 2,01 × 109/l
versus 2,31 ± 1,38 × 109,
geringerer Bedarf an Bluttransfusionen (0
versus 62 ± 38 ml, p < 0,05)
Patientinnen mit
Ovarialkarzinom und
Chemotherapie (Cisplatin,
Cyclophosphamid; n = 31):
Selen 200 µg/d,
Kontrollpatientinnen ohne
Selen-Supplementierung
Signifikanter Anstieg des SerumSelenspiegels, der GlutathionperoxidaseAktivität in den Erythrozyten (nach 2 und 3
Monaten) und in den Leukozyten (nach 3
Monaten); signifikante Reduktion der
Alopezie, Blähungen, Abdominalschmerzen,
des Schwächegefühls und des
Appetitverlusts
Patienten mit kürzlich
diagnostiziertem NonHodgkin-Lymphom (n =
50),
Studie randomisiert, offen
(open-label):
Chemotherapie +
Natriumselenit 200 µg/kg/d,
Chemotherapie gemäß
CHOP-Programm
Signifikanter Rückgang des Tumormarkers
Bcl-2 in der Supplement-Gruppe nach 30
Tagen (Endwert: 8,6 ± 6,9 ng/ml versus 36,9
± 7,9 ng/ml; p < 0,05 für die Prüfsubstanz
versus Placebo),
vollständige Ansprechrate: 60 versus 40 %,
mediane Gesamtüberlebensrate bei
Patienten mit vollständiger Remission: 21,9
± 1,4 Monate versus 19,7 ± 2,0 Monate; p =
0,01
Patienten mit
fortgeschrittenen Tumoren
im Kopf-Hals-Bereich und
Bestrahlungstherapie (n =
39)
Studie randomisiert, offen:
Dysphagie (Schluckbeschwerden): 22,7
versus 35,3 %; Veränderung des
Geschmacksempfindens: 22,7 versus 47,1
%; Mundtrockenheit: 22,7 versus 23,5 %;
Stomatitis: 36,4 versus 23,5 %
Nur der Rückgang der Schluckbeschwerden
Autor
#429.03{sidFlzCpow9}
Hu et al., 1997
#429.04{sidOR5eKr0Y}
Sieja et al., 2004
#429.05{sidLCSILkwG}
Asfour et al., 2006/
2007
#429.06{sidjET4q3rf}
Büntzel et al., 2010
#429.01{sidFTSQ4NvY}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 35.8 Studien zu den Auswirkungen der Gabe von hoch dosiertem Selen während der Chemo- oder
Strahlentherapie.
#429.02{sidILRjYEVH}
Design
Ergebnisse
Gruppe A mit
Natriumselenit (500 µg an
den Bestrahlungstagen,
300 µg an den anderen
Tagen; n = 22)
Gruppe B ohne SelenSupplementierung (n = 17)
in der letzten Woche der
Bestrahlungstherapie war statistisch
signifikant.
Patientinnen mit
Gebärmutter- oder
Gebärmutterhalskrebs (n =
81) in der
Bestrahlungsphase nach
der chirurgischen
Entfernung des Tumors und
mit einer SelenSerumkonzentration < 84
µg/l
Studie randomisiert, offen:
Gruppe A mit
Natriumselenit (500 µg an
den Bestrahlungstagen,
300 µg an den anderen
Tagen; n = 39)
Gruppe B ohne SelenSupplementierung (n = 42)
Signifikanter Anstieg des SerumSelenspiegels in Gruppe A am Ende der
Studie,
strahlungsbedingte Diarrhö (Stufe ≥ 2) am
Ende der Studie: 20,5 versus 44,5 % (p =
0,04),
keine Unterschiede hinsichtlich Bluttests,
dem funktionellen Status oder der
Lebensqualität
Autor
#429.07{sidjQ1OU5bv}
Mücke et al., 2010
#429.08{sidISuxH7k6}
CHOP: Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison.
#428.02{sidkNqfFWhW}
Eine aktuelle Phase-I-Studie (SECAR-Studie) beschäftigt sich mit der Sicherheit und Wirksamkeit von intravenös
verabreichtem Natriumselenit bei Krebspatienten (n = 34; 70 % davon mit Lungenkarzinom) mit Resistenz gegen
Zytostatika. Erst nach einer intravenösen Gabe von Selen erhielten die Patienten eine First-Line-Chemotherapie, um
das veränderte Ansprechen auf die Zytostatika untersuchen und hinsichtlich möglicher günstiger klinischer Effekte
eine erste Bewertung vornehmen zu können. Bemerkenswerterweise sprachen viele Patienten der Studie nach
intravenöser Applikation von Natriumselenit wieder auf ihre First-Line-Chemotherapie an. Diese Ergebnisse
bestätigen andere Befunde und weisen darauf hin, dass Natriumselenit an sich für eine Untergruppe von
Tumorpatienten klinisch hilfreich ist und dass weiterhin dessen Wirkungen im Zusammenspiel mit einer
nachfolgenden Chemotherapie zu einem positven Behandlungsresultat beitragen. Die Erkenntnisse aus diesen
Studien legen drei antikanzerogene Wirkungsmechanismen des Natriumselenits nahe: Die Substanz hat einen AntiTumor-Effekt per se, sie kehrt eine Chemoresistenz um und mildert toxische Nebenwirkungen der Chemotherapie. In
dieser Studie zeigte sich Natriumselenit, intravenös appliziert bis zu 10,2 mg/m2 nach geltendem Protokoll, als
sicher und gut verträglich. Die in der SECAR-Studie über eine Dosiseskalation ermittelte maximal tolerierte Dosis
(MTD) mit 10,2 mg/m2 Körperoberfläche (entspricht ca. 17 646 µg Se/d bei einer durchschnittlichen KOF von 1,73
m2). Auch die radiogenbedingten Nebenwirkungen auf die Speicheldrüsen konnten in einer aktuellen
placebokontrollierten Studie an Patienten mit Schilddrüsenkarzinom im Rahmen der Radioiod-Therapie mit dem
radioaktiven Iod-Isotop 131Iod signifikant reduziert werden.
#428_430{sid2O0fvUaq}
Für die klinische Praxis ist wegweisend, nach entsprechenden Laboruntersuchungen, wenn immer möglich, jeglichen
Mangel an Selen auszugleichen. Die hier vorgestellten Studien zeigen, dass ein Anheben des Selen-Serumspiegels
die toxischen Nebenwirkungen von Chemo- und Bestrahlungstherapien vermindern, ohne gleichzeitig deren primäre
Anti-Tumor-Effekte zu beeinträchtigen. Dies entspricht auch der praktischen Erfahrung unserer Gruppe mit
Natriumselenit (z. B. 1 mg Natriumselenit in 100 ml 0,9 % NaCl als Prämedikation vor einer Chemotherapie). Leider
ist der optimale Selenspiegel für den Menschen nicht bekannt, da die meisten Selenenzyme kinetisch noch nicht
ausreichend charakterisiert sind. Die derzeit beste Schätzung des Optimalwerts (Rayman, Lancet 2012) liegt bei ca.
130–150 µg Se/l Serum bzw. 162,5–187,5 µg Se/l Vollblut. In der Onkologie ist das Selensalz der ersten Wahl
Natriumselenit.
#430.01{sidLmrXro8p}
Weitere Mineralstoffe
#430.02{sidN6YSmW5y}
Erniedrigte Zinkspiegel im Blut und gleichzeitig erhöhte Kupferspiegel finden sich häufig bei Tumorpatienten. Dieses
Phänomen kann zum einen mit entzündlichen Prozessen und zum anderen mit der bei Zinkmangel verringerten
Produktion von Metallothionein, welches Einfluss auf die Resorption von Zink und die Regulierung des
Kupferspiegels hat, im Zusammenhang stehen. Ein erhöhter Kupferspiegel findet sich ebenfalls bei akuten und
chronischen Infekten, bei Störungen des Eisenhaushalts, bei verschiedenen Tumoren (z. B. Bronchial-, Mamma-,
Leberzell- und Prostatakarzinom) sowie vor allem bei Leberschäden mit Störungen des Gallenabflusses und bei
exokriner Pankreasinsuffizienz. In Untersuchungen an Patienten mit Zinkmangel wurde auch eine Beeinträchtigung
der zellulären Immunität, nachweisbar anhand einer reduzierten lytischen Aktivität der NK-Zellen beobachtet. Für die
Bewertung des Kupfer- und Zinkstatus wird z. T. der Kupfer-Zink-Quotient als Verlaufsparameter herangezogen, der
bei Krebspatienten im Vergleich zu Gesunden häufig erhöht ist. Ein Abfall bzw. Anstieg des Quotienten auf < 1,5
bzw. > 1,5 soll für einige Tumorentitäten von prognostischer Bedeutung sein. In einer Untersuchung an Patienten mit
nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom lag die durchschnittliche Überlebensrate bei einem Kupfer-Zink-Quotient > 2
bei 25 Wochen, während die Überlebensrate bei niedrigem Kupfer-Zink-Verhältnis bei über 40 Wochen lag. Eine
unzureichende Versorgung mit Eisen, L-Carnitin, Folsäure und Vit​amin B12 ist häufig bei Tumorpatienten mit
Tumoranämie und Fatigue-Syndrom nachweisbar. Die labordiagnostisch kontrollierte Korrektur des bestehenden
Eisendefizits (z. B. Transferrin-Sättigung, Ferritin) ist vor allem bei einer therapeutischen Intervention mit
rekombinantem Erythropoetin (EPO) bei Patienten mit Tumoranämie empfehlenswert. Bei Patienten mit Tumoren im
Hals- und Kopfbereich findet sich vermehrt ein Magnesiummangel. Schwere Hypomagnesiämien werden vor allem
unter cisplatinbasierten Chemotherapien beobachtet, die nicht selten mit dem Auftreten von
Magnesiummangeltetanien verbunden sind. Hier sollte in jedem Fall eine prophylaktische Supplementierung mit
Magnesium erfolgen.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#430.03{sidjgSCdScD}
Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA)
#430_431{sidDG3TuejO}
Ernährungs- und therapiebedingt kommt es bei Krebspatienten häufig zu einer diätetischen Unterversorgung an
diesen essenziellen langkettigen Fettsäuren. In verschiedenen Studien an Patienten mit Tumorkachexie (z. B.
Pankreaskarzinom) und fortgeschrittener Tumorerkrankung konnte ein positiver Effekt auf die
Gewichtsstabilisierung, den Appetit und die Lebensqualität, zum Teil auch auf die Überlebensrate, durch die
Supplementierung der langkettigen, mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäure Eicosapentaensäure (z. B. 2 g
EPA pro Tag) beobachtet werden. Die antikachektisch wirkenden Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA inhibieren
die TNF-α- und PIF-Signaltransduktionskaskade, wobei dabei der Hemmung des NFkappaB-Systems eine
Schlüsselstellung zukommt (○Abb. 35.7). Die Produktion von proinflammatorischen und kachexiefördernden
Zytokinen wie IL-1β, IL-6 und TNF-α wird durch EPA und DHA downreguliert und die katabolen Wirkungen des
Proteolysis Inducing Factor (PIF) auf das Muskelprotein und der LMF-induzierten Lipolyse verringert. Auch andere
Mikronährstoffe wie Selen (z. B. 200 µg/d, p. o.), L-Carnitin (z. B. 3 × 1 000 mg/d, p. o.) und Vit​amin D wirken einer
Tumorkachexie entgegen. In einer randomisierten klinischen Studie konnte durch die Gabe von langkettigen Omega3-Fettsäuren (18 g Fischöl/d, p. o.) und Vit​amin E eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit sowohl bei
mangelernährten als auch bei gut ernährten Patienten mit generalisierten soliden Tumoren im Vergleich zu Placebo
erzielt werden.
#431.01{sidNHqbQgGW}
Abb. 35.7 Ansatzpunkte der antikachektischen Wirkung von Mikronährstoffen
#431.02{sidFBYVCcbo}
35.1.5 Erhöhter Mikronährstoffbedarf bei Tumorpatienten
#431.03{sidtWzFBn8i}
Der Bedarf an Vit​aminen, Mineralstoffen und Spurenelementen ist bei Tumorpatienten therapie- und
krankheitsbedingt erhöht und kann auch durch eine gesunde, vollwertige Kost kaum noch gesichert werden. Eine
ausgewogene Ernährung ist vor allem in der Phase der Chemo- bzw. Strahlentherapie aufgrund der häufigen
Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen nur schwer möglich. Anorexie und Erbrechen sind häufig mit Störungen
des Elektrolyt- (z. B. Hypokaliämie, Hypercalcämie) und Säure-Basen-Haushalts verbunden. Chemo- und
bestrahlungsinduzierte Schleimhautschäden (z. B. Strahlenkolitis, Diarrhöen) beeinträchtigen zusätzlich die
Nährstoffresorption (z. B. Vit​amin B12) und verursachen ausgeprägte Mikronährstoffverluste.
#431_432{sidTlmrNwB5}
Spezifische Interaktionen zwischen Zytostatika und Mikronährstoffen sollten bereits in die Planungsphase der
tumordestruktiven Therapie einbezogen werden □ Tab. 35.7). So führen z. B. cisplatinbasierte Chemotherapien
häufig zu Störungen im Magnesium- und Kaliumhaushalt, die mit einem erhöhten Risiko für eine Hypomagnesiämie
und Hypokaliämie assoziiert sind. Eine Therapie mit Cisplatin ist auch häufig mit Störungen im Carnitinhaushalt
vergesellschaftet.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#432.01{sidqHArIWXI}
Die onkologischen Basistherapien (Chemo- bzw. Strahlentherapie) sind zwar sehr effektiv, aber leider auch
entsprechend aggressiv. Aufgrund ihrer fehlenden Selektivität wird außer Tumorzellen auch Normalgewebe
geschädigt, insbesondere das hämatopoetische System (z. B. Granulozytopenie) sowie die rasch proliferierenden
Zellsysteme der Schleimhäute (→ Schleimhauttoxizität), des Immunsystems (→ Immundefekte, z. B. schwere
bakterielle und virale Infekte) und des Knochenmarks (→ Störungen der Knochenmarkregeneration). Die
Schleimhäute im Bronchial- und im Magen-Darm-Trakt reagieren besonders empfindlich auf eine Chemo- oder
Strahlentherapie. Schädigungen der Darmschleimhaut sind mit Abdominalschmerzen, Zerstörung der intestinalen
Flora, erhöhten Nährstoffverlusten (→ Erbrechen, Übelkeit) sowie einer gestörten Nährstoffresorption (→ Durchfall)
und -utilisation verbunden (□ Tab. 35.6). In der Phase der Chemo- bzw. Strahlentherapie nehmen die Betroffenen
dadurch zum Teil wochenlang weniger als die Hälfte ihres eigentlichen Bedarfs an essenziellen Mikronährstoffen auf.
#432.02{sid3sED5ynO}
Darüber hinaus wird eine der wichtigsten Immunbarrieren des Körpers im Darm (GALT: Gut Associated Lymphatic
Tissue) und Bronchialtrakt (BALT: Bronchus Associated Lymphatic Tissue) geschädigt, sodass infektiöse
Mikroorganismen leichter über die Schleimhäute in den durch die Krankheit und Therapie geschwächten Körper
eindringen können (→ bakterielle Translokation). Erhöhte Komplikationsraten, die sich in Form von
Sekundärinfektionen und Sepsis äußern können sind die Folge. Das Darmschleimhautsystem ist das größte
körpereigene immunkompetente System und leistet im gesunden Organismus essenzielle lokale und systemische
Abwehr- und Kontrollfunktionen. Ausgeprägte immunmodulierende und antiinflammatorische Wirkungen besitzen die
langkettigen ungesättigten Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA) sowie die Aminosäuren L-Cystein, L-Glutamin, LGlycin und L-Arginin. Zur Unterstützung des Immunsystems und dem Erhalt der Darmfunktion werden mit L-Glutamin,
Omega-3-Fettsäuren und Antioxidanzien angereicherte Trinklösungen, sogenannte Immundiäten (Immunonutrition),
angeboten. Die Aminosäure Glutamin ist für den Dünndarm das primär energieliefernde Substrat und ein
unentbehrlicher Nährstoff zur Aufrechterhaltung der normalen Darmfunktion. Mit Glutamin angereicherte Immundiäten
können bei Krebspatienten die Häufigkeit infektiöser Komplikationen und die Krankenhausaufenthaltsdauer
verkürzen. L-Glutamin (ca. 0,2–0,5 g/kg KG/Tag) wird vor allem in Kombination mit Tributyrin, Omega-3-Fettsäuren
und Antioxidanzien im Rahmen enteraler oder parenteraler Ernährungsregimes bei Knochenmarkstransplantationen
(KMT) und in der Therapie hyperkataboler Zustände wie der Tumorkachexie eingesetzt.
#432_433{sidplutRxSC}
Neben der Chemo- und Strahlentherapie können auch operative Eingriffe im Bereich des Magen-Darm-Trakts
ausgeprägte Resorptions- und Utilisationsstörungen von Mikronährstoffen auslösen (□ Tab. 35.9). Beispielswiese
kann der monoklonale Antikörper Cetuximab stark mit dem Magnesium-Haushalt interferieren. Cetuximab wird in
der Therapie des metastasierten, EGFR-exprimierenden kolorektalen Karzinoms mit RAS-Wildtyp in Kombination
mit Irinotecan oder Oxaliplatin eingesetzt. Als First-Line-Therapie kann Cetuximab auch mit FOLFOX (FOLinsäure,
5-Fluorouracil, Oxaliplatin) kombiniert werden. In Verbindung mit Strahlentherapie oder einer Platin-basierten
Chemotherapie wird Cetuximab zusätzlich bei Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Halsbereich (SCCHN) eingesetzt.
Durch die Blockade des EGFR in der Niere kommt es zum Magnesium-Wasting mit Hypomagnesiämie (< 0,76
mmol/l), teils ist auch Hypocalcämie sowie Hypokaliämie nachweisbar. In einer aktuellen Studie wird zudem von
einer kürzeren Überlebenszeit der Patientengruppe mit Hypomagnesiämie unter einer Therapie mit Cetuximab
berichtet. Die aktive, transzelluläre Rückresorption von Magnesium in der Niere erfolgt durch den Ionenkanal
TRPM6. Die Expression von TRPM6 ist von der Aktivierung der EGFR Signalkaskade abhängig. In der Niere wurde
der EGFR unter anderem entlang des dicken, aufsteigenden Teils der Henle-Schleife und der Pars convoluta im
distalen Tubulus nachgewiesen. Diese beiden renalen Abschnitte sind für die Magnesium-Reabsorption wichtig. Um
eine Hypomagnesiämie 3. oder 4. Grades zu vermeiden sind nach Studien 2- bis 7-mal pro Woche intravenöse
Gaben von je 4–10 g Magnesiumsulfat notwendig. Die antineoplastische Aktivität von Cetuximab wird durch die
Substitution von Magnesium nicht beeinflusst. Neben dem Magnesiumhaushalt sollte beim Einsatz monoklonaler
Antikörper immer auch ein Blick auf den 25(OH)D-Status geworfen werden.
#434.01{sidP095zDtz}
Strahlentherapie-Nebenwirkungen, die einen Mangel bzw. erhöhten Bedarf
an Mikronährstoffen hervorrufen
#434.02{sidMWBaC1ps}
Appetitlosigkeit, Anorexie,
#434.03{sidbkpwMTyi}
Übelkeit und Erbrechen,
#434.04{sidZmQaOzZH}
Geruchs-, Geschmacks- und Schluck​störungen,
#434.05{sidU8R3emz2}
Fisteln (z. B. Ösophagus),
#434.06{sid9olv7RK0}
Mundtrockenheit,
#434.07{sidlBsc95p5}
Diarrhö,
#434.08{sidGU3KG5Yk}
Mukositis,
#434.09{sidWxj21ht4}
Ulzerationen des Magen-Darm-Trakts,
#434.10{sidXXo4JfR1}
akute und chronische Strahlenenteritis.
#434.11{sidTviodpm7}
Bedacht werden sollten auch die Nebenwirkungen der in der Tumorschmerztherapie eingesetzten opioidhaltigen
Analgetika und anderen adjuvanten Arzneimitteln (z. B. Glucocorticoide, Antidepressiva, Antikonvulsiva,
Neuroleptika). Opioide besitzen eine ausgeprägte obstipierende Wirkung, die sowohl durch eine Herabsetzung der
Darmmotilität und der intestinalen Sekretion wie durch die Wirkung auf zerebrale und spinale Rezeptoren bedingt ist.
Die Obstipation ist neben der Übelkeit die wichtigste und hartnäckigste Nebenwirkung der Opioid-Analgetika. Eine
Schmerztherapie mit Opioiden muss daher fast immer mit einer Gabe von Laxanzien unterstützt werden. Ist die
Dünndarmpassage beschleunigt, werden komplexe Nahrungsinhaltsstoffe nur noch unzureichend aufgespalten.
Darüber hinaus sinkt auch der Resorptionsumfang, da die Kontaktzeit mit dem absorbierenden Epithel verkürzt wird.
Opioide und Laxanzien führen dadurch zu erheblichen Störungen der Mikronährstoffdigestion und -utilisation.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#434.12{sidVSPoe54Y}
35.1.6 Freie Radikale und oxidativer Stress
#434.13{sidMVFSGluW}
Freie Radikale spielen nicht nur bei allen Stadien der Krebsentwicklung (Initiation, Promotion und Progression) eine
pathogenetische Rolle, sondern auch bei der Tumorprogression. Als freie Radikale werden chemisch instabile,
kurzlebige und hochreaktive Moleküle bezeichnet, die ein oder mehrere ungepaarte Elektronen besitzen. Um ihren
instabilen Zustand auszugleichen, entreißen freie Radikale anderen Molekülen ein Elektron. Über Kettenreaktionen
können dabei permanent weitere zelltoxische Radikale und reaktive Folgeprodukte entstehen (→
Radikalkettenreaktion). Allein die DNA einer einzigen menschlichen Zelle ist pro Tag etwa 10 000 oxidativen
Angriffen durch freie Radikale ausgesetzt.
#433.01{sidpwAWj1Cx}
Tab. 35.9 Spezifische chemotherapiebedingte Störungen im Mikronährstoffhaushalt (Auswahl)
#433.02{sidrEdKuLpJ}
Mikronährstoff
Mechanismus
Folge
Magnesium
EGFR-Blockade
im Nephron
beeinträchtigt
aktiven
MagnesiumTransport
Magnesium-Wasting,
Magnesiummangel (→
Hypomagnesiämie < 0,76
mmol/l), Risiko für Fatigue
L-Carnitin
Erhöhte renale
Exkretion von LCarnitin
Cisplatin induzierte CarnitinInsuffizienz, erhöhtes Risiko für
Begleitkomplikationen (z. B.
Fatigue)
Magnesium,
Kalium
Erhöhte renale
Exkretion von
Magnesium und
Kalium
Hypomagnesiämie,
Hypokaliämie,
Fettstoffwechselstörungen,
Glucosetoleranzstörungen,
erhöhte Nephrotoxizität
Vitamin D
Abbau von
25(OH)D und
1,25(OH)2D über
die 24-OHase in
inaktive
Metabolite
Vitamin-D-Mangel (25(OH)D <
20 ng/ml), Risiko für Störungen
des Knochenstoffwechsels und
Beeinträchtigung der
Immunkompetenz
Vitamin B1
Hemmung der
Phosphorylierung
von Thiamin zum
coenzymatisch
aktiven TDP
Risiko für Herzinsuffizienz,
Lactatazidose, Neurotoxizität
L-Carnitin
Erhöhte renale
Exkretion von LCarnitin
Ifosfamidinduzierte
Carnitininsuffizienz, erhöhtes
Risiko für Begleitkomplikationen
(z. B. Fatigue)
Folsäure
FolsäureAntagonismus
Folatmangel, Homocysteinämie,
Mukositis
Vitamin D
Abbau von
25(OH)D und
1,25-(OH)2D über
die 24-OHase in
inaktive
Metabolite
Vitamin-D-Mangel (25(OH)D <
20 ng/ml), Risiko für Störungen
des Knochenstoffwechsels und
Beeinträchtigung der
Immunkompetenz
Folsäure
FolsäureAntagonismus
Mukositis, Durchfall,
Thrombozytopenie, Neutropenie,
Homocysteinämie
Zytostatikum
#433.03{sidlOWoLVM9}
Cetuximab
#433.04{sidR3WjjQyh}
Cisplatin
#433.05{sidIq2TT1n9}
Cisplatin
#433.06{sidEc9zUkGF}
Cyclophos​phamid
#433.07{sidsDFpuwGx}
5-Fluorouracil
#433.08{sid5y4lHFtQ}
Ifosfamid
#433.09{sid0mB5XUnf}
Methotrexat
#433.10{sidCNaBt7fL}
Paclitaxel
#433.11{sidOibiVY5g}
Pemetrexed
#434.14{sidHrzytnnM}
Freie Radikale und reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) haben aufgrund verschiedener Mechanismen kanzerogene
Eigenschaften:
#434.15{sidbdI2uwEZ}
oxidative DNA- und Membranschäden (z. B. Basenschäden, Strangbrüche),
#434.16{siddZ8pJXjM}
Lipidperoxidation: Lipidperoxidationsprodukte (MDA, 4-HNE) wirken zytotoxisch und können die DNA
modifizieren,
#434.17{sidjTlwwYJy}
prämutagene DNA-Basenprodukte (z. B. 8-Hydroxycytosin, 8-Hydroxyadenin),
#434.18{sidSx0USSLe}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Aktivierung des redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFκB und Genaktivierung proinflammatorischer Zytokine
(z. B. IL-1, TNF-α),
#434.19{sidCLLb1wgW}
Aktivierung der Protoonkogene c-fos und c-jun,
#434.20{sid6VehZvyu}
Störungen der zellulären Signaltransduktion,
#434.21{sidrX29lU5u}
Störungen der Zell-Zell-Kommunikation (gap-junctions, Connexin).
#434_435{sid2T491Jc0}
Die an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA) reichen Phospholipide der Zellmembranen sind durch einen
Angriff aggressiver Radikale besonders gefährdet. Lipidperoxidation und Quervernetzung von Membranlipiden
verursachen ausgeprägte Membranschäden, wodurch zelluläre Kommunikations- und Transportsysteme (z. B. ZellZell-Kommunikation über Connexin) gestört werden. Steigerungen der Membranpermeabilität für Calciumionen
sowie Veränderungen in der Bindungskapazität zellulärer Rezeptoren und Enzymaktivitäten können einen
frühzeitigen Zelltod auslösen. Produkte der Lipidperoxidation wie 4-Hydroxynonenal (4-HNE) oder Malondialdehyd
(MDA) wirken stark zytotoxisch und modifizieren die DNA.
#435.01{sidB8M3pTZR}
Der endogene Redoxstatus beeinflusst auch die Aktivierung von Proto-Onkogenen wie c-fos, des
Tumorsuppressorgens p53 und des Transkriptionsfaktors Nuclear-Factor-kappaB (NFκB). So aktivieren reaktive
Sauerstoffspezies wie Wasserstoffperoxid (H2O2) den redoxsensitiven Transkriptionsfaktor NFκB. NFκB ist u. a.
verantwortlich für die Auslösung der kompletten Entzündungskaskade, die Replikation von Retroviren und die
fortlaufende Produktion von Zytokinen. Über proinflammatorische und oxidative Reize gelangt der normalerweise an
einen Inhibitor (I-κB) gebundene NFκB in den Zellkern und stimuliert dort die Transkription von Zytokinen wie TNF-α.
TNF-α (= Kachektin) bildet die Zündkerze im Entzündungsstoffwechsel und wird auch als Auslöser der
tumorassoziierten Kachexie für die körperliche Auszehrung bei Tumorpatienten verantwortlich gemacht.
Bemerkenswert ist, dass Selenmangel im Tierversuch signifikant die Bindung von Zellkernproteinen an die
Regulatorsequenz des NFκB-Gens steigert. Neben Selen wird die Aktivierung des NFκB und Bildung von TNF-α
auch von Vit​amin C, Retinoiden, Vit​amin E, Omega-3-Fettsäuren und α-Liponsäure herunterreguliert.
#435.02{sid8gDEnXoz}
Die chemotherapieinduzierte Bildung von freien Radikalen wird auch als Ursache der Prämutagenität und
Organotoxizität einiger Zytostatika, wie z. B. die Kardiotoxizität der Anthrazykline diskutiert (□ Tab. 35.9).
Anthrazykline sind tetrazyklische Antibiotika, die häufig in der Therapie von Mammakarzinomen, Sarkomen,
Hodgkin’scher Krankheit und bei akuter Leukämie eingesetzt werden. Die klinisch eingesetzten Anthrazykline (z. B.
Doxorubicin, Epirubicin) sind redoxzyklierende Anthrachinone, die durch das Flavocoenzym NADPH-CytochromP450-Reduktase zum Anthrazyklin-Semichinon-Radikal reduziert werden. Das nach Ein-Elektronen-Reduktion
entstandene Semichinon kann ein Elektron, das nach Zwei-Elektronen-Reduktion entstandene Dihydrochinon kann
zwei Elektronen auf molekularen Sauerstoff übertragen, sodass Superoxidanion-Radikale (•O2-) und
Wasserstoffperoxid (H2O2) entstehen (○Abb. 35.8). H2O2 ist besonders gefährlich aufgrund seiner Reaktion mit
Eisen, die zu den hoch genotoxischen Hydroxyl-Radikalen (•OH) führt (Fenton-Reaktion). Da Anthrazykline
hervorragende Chelatoren sind, reagieren sie bevorzugt mit Metallen wie Eisen. Ein weiterer Weg der
Radikalgenese erfolgt über die Bildung von Anthrazyklin-Fe3 +-Komplexen. Dies sind starke Oxidanzien mit der
Fähigkeit der direkten Lipidperoxidation ohne die Anwesenheit von freien Sauerstoffspezies. Anthrazyklin-Fe3 +Komplexe haben eine hohe Affinität zum Phospholipid Cardiolipin, das in der inneren Membran des mitochondrialen
und sarkoplasmatischen Retikulums vorkommt. Die Bindung an Cardiolipin und die damit verbundenen Störungen
der mitochondrialen Atmungskette (z. B. Kreatinkinase) scheinen wesentlich zur kardiotoxischen Wirkung der
Anthrazykline beizutragen.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#436{sidvT1lWKbM}
Abb. 35.8 Anthrazyklininduzierte Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies
#435.03{sid6yJ3vngY}
Hydroxylradikale (HO•) können in den Lymphozyten von Krebspatienten oxidative Veränderungen der DNA-Base
Guanin unter Bildung des 8-Hydroxyguanins hervorrufen mit der Folge von Fehlpaarungen bei der Zellreplikation (z.
B. Tranversion von GC zu TA). Gegenüber Kontrollen ist die Konzentration an 8-Hydroxyguanin im Urin von
Krebspatienten erhöht. Produkte oxidativer DNA-Basenschäden wie 8-Hydroxycytosin und 8-Hydroxyadenin
besitzen prämutagene Eigenschaften und könnten für das Auftreten von therapieinduzierten Sekundärtumoren
verantwortlich sein.
#435.04{sidL1twxnHm}
35.1.7 Antioxidanzien und Chemo​therapie
#435_437{sidCdp1Mxoi}
Die adjuvante Einnahme diätetischer Antioxidanzien während der tumordestruktiven Maßnahmen wird immer noch
sehr kontrovers diskutiert, da die Wirkungsweise von Chemo- und Strahlentherapie zum Teil auf der Bildung von
freien Radikalen beruht. Allerdings wirkt der überwiegende Anteil der gegenwärtig in der Therapie eingesetzten
Zytostatika, wie z. B. die Antimetaboliten, die Stickstofflost-Derivate (z. B. Cyclophosphamid), die Platin-Komplexe
(z. B. Cisplatin), die Vinca-Alkaloide, Taxane oder die Anthrazykline (z. B. Epirubicin) nicht primär über oxidativen
Stress. Wenn Antioxidanzien zu einer deutlichen Beeinflussung der der tumordestruktiven Effektivität der
Standardtherapien führen würden, dann dürften vor allem die an antioxidativen und phytaminreichen Obst- und
Gemüsesorten sowie grüner Tee (z. B. reich an Epigallocatechin) während der Therapiephase nicht konsumiert
werden. Die häufige pauschale und unkritische Ablehnung einer Supplementierung von antioxidativ wirksamen und
immunmodulierenden Mikronährstoffen während der Phase der Chemotherapie ist demnach nicht gerechtfertigt.
#437.01{sidTtciJWb6}
Antioxidanzien wie Vit​amin C, Vit​amin E, Retinoide oder Selen fungieren nicht nur als Radikalfänger, sondern üben
neben ihrer antioxidativen Zellschutzfunktion eine Vielzahl von essenziellen Stoffwechselaufgaben aus. Dabei stehen
vor allem immunmodulierende, apoptoseinduzierende sowie die Zellproliferation und -differenzierung regulierende
Eigenschaften im Vordergrund. Human-, Tier- und In-vitro-Studien haben gezeigt, dass Antioxidanzien über
vielfältige Mechanismen das Wachstum von Krebszellen verringern können. Zu diesen zählen u. a. eine Steigerung
der Zelldifferenzierung und Apoptose, sowie eine Hemmung der Proteinkinase C- und Adenylatcyclase-Aktivität in
neoplastischen Zellen.
#437.02{sidhZHFUXGR}
Einige experimentelle und klinische Studien lassen vermuten, dass die orale Substitution einer breitgefächerten
Nährstoffkombination mit hohem Antioxidanzienanteil (z. B. Vit​amin C, E, Selen) vor, während und nach der
tumordestruktiven Therapie in der Lage ist, die Effektivität einer Chemo- oder Strahlentherapie durch eine
verbesserte Verträglichkeit und erhöhte Sensibilität der Tumoren zu steigern sowie die toxischen Effekte auf
gesunde Zellsysteme abzuschwächen.
#437.03{sidFlanyD2c}
Oxidativer Stress und Zellproliferation
#437.04{sid9LxDKKPt}
Der zelluläre Redoxstatus spielt eine Schlüsselrolle bei redoxabhängigen Signalkaskaden und in der Kontrolle des
Zellwachstums. Die Zellteilung wird durch cyklinabhängige Kinasen (CDK) reguliert. Diese Kinasen begleiten die
Zellen gewissermaßen im Zellzyklus mit unterschiedlicher Aktivität und schalten dabei unter anderem
Schlüsselenzyme der DNA-Synthese und -reparatur an und aus. Aufgabe der CDK 2, 4 und 6 ist die
Phosphorylierung des Retinoblastom-Genprodukts (pRb) während der G1-Phase. Durch die Phosphorylierung wird
der assoziierte Transkriptionsfaktor E2F freigesetzt, der wiederum wichtige Gene für die DNA-Replikation
anschaltet. Inhibitoren der cyklinabhängigen Kinasen (CKI) wie das Protein p21 können die Zellproliferation
hemmen. p21 kann p53-abhängig und p53-unabhängig z. B. durch oxidativen Stress aktiviert werden. Dadurch wird
die Rb-Phosphorylierung blockiert und die Zelle in der G1-Phase arretiert. Die weitere Zellteilung wird dadurch
gestoppt, woduch die besonders gefährliche Phase der Mitose mit der breitgefächerten DNA-Exposition vermieden
wird. H2O2 und Hydroxylradikale scheinen besonders bei der p21-Aktivierung involviert zu sein.
#437_438{sid1V0bvt8P}
Die tumordestruktive Effektivität antineoplastischer Arzneimittel hängt vor allem von einer schnellen Proliferationsrate
des entsprechenden Tumorzelltyps ab. Viele maligne Tumoren lassen sich jedoch wegen eines großen Anteils nicht
in Teilung befindlicher, in der G0(G1)-Phase verharrender Zelle durch proliferationshemmende Zytostatika schlecht
oder gar nicht beeinflussen. Bemerkenswert ist, dass reaktive Sauerstoffspezies und Aldehyde die Proliferation von
Krebszellen stark reduzieren können, mit dem Korrelat, dass auch Zytostatika über radikalinduzierende Prozesse
das Tumorzellwachstum verlangsamen. Dadurch können die Zellen länger in der G0Phase (= Ruhephase) verharren
und sich der antineoplatischen Wirkung entziehen. Bei soliden Tumoren liegen oftmals etwa 90 % aller Tumorzellen
in der Ruhephase vor. Die meisten Zytostatika wirken jedoch phasenspezifisch und üben ihre tumordestruktive
Wirkung vor allem in der S-Phase (z. B. Antimetaboliten: MTX, 5-FU), der G2-Phase (z. B. Cyclophosphamid) und
der M-Phase (z. B. Vincaalkaloide, Taxane) aus. Neben der Beeinflussung der Genexpression verbessern definierte
Antioxidanzien möglicherweise die Effektivität einer tumordestruktiven Therapie auch dadurch, indem sie über ihre
Scavengerfunktion einer Verlangsamung der Tumorzellproliferation vorbeugen und damit den Effektivitätsgrad
antineoplastischer Arzneimittel steigern (Hypothese).
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#438.01{sidYvuCWEBI}
Studien zu Antioxidanzien
#438.02{sidncnfJIL6}
Studien an Zellkulturen zeigen, dass Antioxidanzien wie Vit​amin C, Vit​amin E oder Carotinoide in der Lage sind,
den wachstumshemmenden Effekt verschiedener Zytostatika (z. B. 5-FU, Doxorubicin, Vincristin) auf bestimmte
Krebszellen selektiv zu verstärken. Die Ergebnisse der wenigen bisher vorliegenden Anwendungsbeobachtungen
und kleineren Studien an Tumorpatienten sowie eigene praktische Erfahrungen legen nahe, dass die Kombination
definierter Antioxidanzien mit der Chemo- und/oder Strahlentherapie einen günstigen Einfluss auf die Effektivität der
tumordestruktiven Maßnahmen und die Lebensqualität der Patienten hat.
#438.03{sidItnywdqe}
In einer Anwendungsbeobachtung erhielten 18 nicht randomisierte Patienten (vier Frauen und 14 Männer) mit
kleinzelligem Bronchialkarzinom zusätzlich zur Chemo- und/oder Strahlentherapie eine Kombination definierter
Antioxidanzien (Vit​amine, Spurenelemente, Fettsäuren, p. o.). Die mittlere Überlebenszeit war signifikant verlängert
und die Patienten tolerierten die Chemo- und Strahlentherapie besser unter der begleitenden
Antioxidanzientherapie. 14 Patienten (77 %) überlebten länger als zwölf Monate und sechs Patienten (33 %) mehr
als zwei Jahre. Bei der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle von Lungenkrebs (ca. 80 %) handelt es sich um
nichtkleinzellige Bronchialkarzinome (NSCLC). Bei den meisten NSCLC-Patienten ist der Tumor bei
Diagnosestellung wegen des weit fortgeschrittenen lokalen Wachstums oder infolge einer Metastasierung bereits
inoperabel. Von diesen Patienten überleben nur wenige die nächsten fünf Jahre.
#438.04{sidaWsoAYaa}
In einer randomisierten Studie an Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC (Stadium IIIb, IV) war die Ansprechrate
der Tumoren in der Gruppe, die zusätzlich zur Chemotherapie (Cisplatin + Paclitaxel) eine Kombination definierter
Antioxidanzien (siehe unten) erhielten, besser als in der Gruppe, die nur mit Chemotherapie behandelt wurde (□
Tab. 35.11).
#437.05{sidDYMG5NCs}
Tab. 35.10 Radikalinduzierte Organschäden durch Zytostatikatherapie
#437.06{sid49WPQX5H}
Organtoxizität
Zytostatikum
#437.07{sid0EPj2S9c}
Kardiotoxizität
Anthrazykline (z. B. Doxorubicin, Epirubicin)
#437.08{sideBgWFIR1}
Lungentoxizität
Bleomycin, Busulfan, ​Carmustin
#437.09{sidHYjR5FUB}
Nephrotoxizität
Cisplatin, Ifosfamid, ​Cyclophosphamid, MTX
#437.10{sidJAYzpOL2}
Hepatotoxizität
Carmustin, MTX
#438.05{sidyiYoQED9}
Tab. 35.11 Vorläufige Ergebnisse einer randomisierten klinischen Studie zum Einsatz hochdosierter definierter
Antioxidanzien als Komedikation zur Chemotherapie (Cisplatin + Paclitaxel) bei Patienten mit NSCLC
#438.06{sidw9aBP72p}
Chemotherapie (= 29)
Chemotherapie + Antioxidanzien (n = 28)
3
6
11
16
0
1
9
15
5
4
15
8
7 Monate
14 Monate
Behandlung und Tumorantwort
#438.07{sidSmUX3zqp}
Mittlere Anzahl der Chemotherapiezyklen
#438.08{sidSyUs6hXW}
Anzahl der Patienten, die 6 Zyklen absolviert haben
#438.09{sidEYGP72PF}
Komplette Remission
#438.10{sidkY8LXpuE}
Partielle Remission
#438.11{sidl2eJGHTE}
Stabile Erkrankung
#438.12{sidTzVAXrQO}
Fortschreitende Erkrankung
#438.13{sidqd1DFzDc}
Mittlere Überlebenszeit nach 1 Jahr (Monate)
#439.01{sidegVGzS1J}
Die Patienten erhielten bereits 48 Stunden vor der Chemotherapie die folgende Antioxidanzien-Kombination (□
Tab. 35.12): Die Nährstoff-Kombination wurde täglich oral verabreicht und während des gesamten
Behandlungszyklus bis einen Monat nach Beendigung der Therapie gegeben. Danach wurden sie auf die Hälfte der
Dosis reduziert und weitergeführt.
#439.02{sidyQDOiiej}
In einer Studie an postmenopausalen Patientinnen mit Mammakarzinom reduzierte die adjuvante orale Einnahme
von Vit​amin C (500 mg/d) und Vit​amin E (400 I. E./d) gegenüber der Kontrollgruppe signifikant die durch Tamoxifen
induzierte Hypertriglyceridämie. Zusätzlich führte die Koadministration der beiden Antioxidanzien zu einem Anstieg
des HDL- und Reduktion des Gesamt- sowie des LDL-Cholesterins. Die Autoren gehen davon aus, dass die
Effektivität der Tamoxifentherapie durch eine definierte orale Gabe von Antioxidanzien optimiert werden kann.
#439.03{sidRXmFO548}
Eine Verbesserung der tumordestruktiven Therapie bei gleichzeitiger Reduktion der Nebenwirkungsrate durch
definierte (hohe) Dosen von Antioxidanzien (oral und parenteral, □ Tab. 35.12) wird in einer aktuellen
Anwendungsbeobachtung der University of Kansas an Frauen mit fortgeschrittenem epithelialen Ovarialkarzinom
(Stadium IIIc) beschrieben.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#439.04{sidqPjlHdyN}
Tab. 35.12 Antioxidanzien-Kombination: ​Zusammensetzung und Tagesdosierung
#439.05{sid57JRM5Jf}
Tagesdosis (oral)
Antioxidans
/Immunmodulator
#439.06{sidkMMRrA1b}
6 100 mg
Vit​amin C
#439.07{sidOrThdk24}
1 050 mg
D-α-Tocopherol
#439.08{sid722yLzgU}
60 mg
Betacarotin
#439.09{sid30spi2jl}
6 mg
Kupfersulfat
#439.10{sid3Xuv5tpr}
9 mg
Mangansulfat
#439.11{sidM0ut1ONg}
45 mg
Zinksulfat
#439.12{sidLMYGpYrM}
900 µg
Selen
#439.13{sidZGbcuj19}
In dieser Untersuchung supplementierten die Patientinnen mit Ovarialkarzinom nach einer Primäroperation adjuvant
zur First-Line-Chemotherapie bzw. Konsolidierungstherapie mit Carboplatin und Paclitaxel regelmäßig hochdosierte
diätetische Antioxidanzien (□ Tab. 35.13). Zusätzlich erfolgte 1 bis 2× wöchentlich eine intravenöse Applikation von
Vit​amin C (Dosierung: 60 g/Infusion, 2× pro Woche, Zeitraum: 40 Monate), die sich an Wirkspiegeln von über 200
mg/dl für Vit​amin C im Plasma orientierte. Für derartige Plasmaspiegel wird eine Wirkungsverstärkung
antineoplastischer Substanzen durch Vit​amin C beschrieben. Die Komedikation mit Antioxidanzien zeigte einen
überaus günstigen Effekt auf die tumordestruktive Effektivität und Nebenwirkungsrate der Chemotherapie (z. B.
Paclitaxel: Neurotoxizität, Myelosuppression) sowie auf die Remissionsdauer (z. B. Tumormarker CA-125) und die
Lebensqualität. Die positiven Resultate müssen nun in größeren randomisierten und kontrollierten Studien bestätigt
werden.
#439_440{sid6i6LgsLJ}
Die zytostatische Therapie von Ovarialkarzinomen erfolgt häufig mit einer Kombination aus Cyclophosphamid und
Cisplatin (CP). In einer aktuellen Studie an Patientinnen mit Ovarialkarzinom, die mit Cyclophosphamid und Cisplatin
behandelt wurden, führte die orale Supplementierung multipler Antioxidanzien mit Selen zu einer signifikanten
Verbesserung des Immunstatus (→ Anzahl der Neutrophilen) und Reduktion der chemotherapieinduzierten
Nebenwirkungsrate. Die Patientinnen (n = 31) erhielten neben der zytostatischen Basistherapie über einen Zeitraum
von drei Monaten täglich eine ​Antioxidanzien-Kombination aus 200 µg Selen (Selenhefe), 800 mg Vit​amin C, 144
mg Vit​amin E, 60 mg Betacarotin, 18 mg Vit​amin B2 und 180 mg Vit​amin B3, aufgeteilt in 4 Einzelgaben. Im
Vergleich zu den Kontrollen ohne Antioxidanzien (n= 31) wiesen die Patientinnen der Antioxidanzien-Gruppe nach 3
Monaten signifikant höhere Selenserumspiegel (130,23 ± 64,30 gegenüber 51,41 ± 18,21 µg/l) und eine höhere
Aktivität der erythrozytären GSH-Peroxidase-Aktivität auf. Auch die Anzahl der Leukozyten (z. B. neutrophile
Granulozyten) war in der Gruppe, die regelmäßig Antioxidanzien eingenommen hatte, signifikant höher. Gegenüber
der Kontrollgruppe war in der Antioxidanzien-Gruppe die Häufigkeit chemotherapieassoziierter Nebenwirkungen wie
Appetitverlust, Übelkeit, Erbrechen, Stomatitis, Haarausfall, Flatulenz, abdominelle Schmerzen, Schwäche und
Unwohlsein signifikant geringer. Neurotoxische Symptome durch Cisplatin traten bei einer Frau aus der
Antioxidanzien-Gruppe und bei zwei Frauen in der Kontrollgruppe auf.
#440.01{sidUpLUYoxI}
Ein aktuell publizierter systematischer Review (Block, Cancer Treat Rev, 2007) kontrollierter randomisierter Studien
zum Einfluss von Antioxidanzien auf die Chemotherapie kommt zu dem Schluss, dass die Supplementierung von
Antioxidanzien sich nicht nachteilig auf die Chemotherapie auswirkt, sondern eher einen günstigen Einfluss auf die
Nebenwirkungsrate und die Tumorresponse hat. In keiner der hierbei untersuchten Studien war eine signifikante
Beeinträchtigung der Chemotherapie nachweisbar. Jedoch zeigten viele Studien, dass die Supplementierung von
Antioxidanzien entweder die Überlebenszeit, die Tumorresponse oder beides erhöhte, sowie die Rate an
Nebenwirkungen gegenüber den Vergleichsgruppen verringerte.
#440.02{sidd0KDLeOI}
Tab. 35.13 Komedikation mit Antioxidanzien bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom
#440.03{sidUJjWSiKH}
Mikronährstoff
Patientin 55 Jahre
Patientin 60
Jahre
Vit​amin C
9 000 mg/d
3 000 mg/d
1 200 E. E./d
1 200 I. E./d
300 mg/d
–
25 mg/d
25 mg/d
10 000 I. E./d
5 000 I. E./d
Applikation
#440.04{sidkai0RWsm}
Oral
#440.05{sidKa1friJO}
Vit​amin E
#440.06{sidAkcVfN9O}
Coenzym Q10
#440.07{sidNGPJpDwH}
Carotinoide
#440.08{sidt64S3ZlG}
Vit​amin A
#440.02{sidd0KDLeOI}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 35.13 Komedikation mit Antioxidanzien bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom
#440.03{sidUJjWSiKH}
Mikronährstoff
Patientin 55 Jahre
Vit​amin-C-Infusion
60 g, 2×/Woche,
Vit​amin-CPlasmaspiegel: >
200 mg/dl
Vit​amin-C-Infusion
60 g, 1×/10–14
Tage
Applikation
#440.09{sidteoS9Pv3}
Parenteral in der CT-Phase
#440.10{sidd5JPid2M}
Parenteral nach der CT
Patientin 60
Jahre
60 g, 2×/Woche,
Vit​aminPlasmaspiegel: >
200 mg/dl
#440.11{sidaHgWRRuj}
Diese Daten werden durch die Ergebnisse einer weiteren Publikation (Block, Inter J Cancer, 2008) der gleichen
Arbeitsgruppe im International Journal of Cancer unterstützt. Dabei erfolgte nach einem standardisierten Verfahren
eine Literaturrecherche von 1966 bis Oktober 2007 mithilfe folgender Datenbanken: Medline, Cochrane, CinAhl,
AMED, AltHealthWatch and EMBASE. Eingeschlossen waren nur randomisierte, kontrollierte klinische Studien, die
Angaben zum Einfluss von Antioxidanzien auf die chemotherapieassoziierte Toxizität machten. Nur 33 von 965
untersuchten Artikeln, mit 2 446 Teilnehmern, entsprachen den angelegten Kriterien. Die Auswertung ergab, dass
die Supplementierung von Antioxidanzien während der Chemotherapie vor allem die Dosis limitierende Toxizität der
Zytostatika reduziert und damit eine höhere Dosierung bei gleichzeitig besserer Verträglichkeit erlaubt (□
Tab. 35.14). Die Arbeitsgruppe fordert dennoch zu recht, dass weitere sinnvoll strukturierte Studien mit einer hohen
Patientenanzahl und definierten Antioxidanzien notwendig sind, um den Vorteil der adjuvanten Supplementierung
während der Chemotherapie zu bestätigen.
#445.01{sidEgRAJs1P}
Tab. 35.14 Randomisierte klinische Studien mit Glutathion, Vit​amin E und AntioxidanzienKombinationen sowie Chemotherapie (Auswahl) (Forts.)
#445.02{sidhSQdrIy9}
Patienten, n
Studie/Tumorart(en)
Behandlungs​protokollChemotherapieSchema
Abschwächung der
Toxizität:
Behandlungsgruppe
vs. ​Kontrollgruppe
Ansprechen:
Behandlungsgruppe
vs. Kontrollgruppe
Schlussfolgerung
#442.01{sidnSzmqfWg}
Tab. 35.14 Randomisierte klinische Studien mit Glutathion, Vit​amin E und AntioxidanzienKombinationen sowie Chemotherapie (Auswahl)
#442.02{sidaiv53rYl}
Studie/Tumorart(en)
Patienten,
n
Behandlungs​protokollChemotherapieSchema
Abschwächung der
Toxizität:
Behandlungsgruppe
vs. Kontrollgruppe
Ansprechen:
Behandlungsgruppe
vs. Kontrollgruppe
Schlussfolgerung
N = 52; 26 Chemo
+ GSH, 26 Chemo
+ Placebo
1 500 mg/m2 IV
über 15 Minuten,
unmittelbar vor
Chemo
Oxaliplatin 100
mg/m2 als IVInfusion, danach
5-FU, 1 500
mg/m2 i. v. als 24h-Infusion mit
Leucovorin, 150
mg/m2 als Infusion
Bei 30 % in GSHGruppe vs. 100 % in
Kontrollgruppe trat
Neurotoxizität 2.–4.
Grades auf (p =
0,004); Inzidenz und
Schweregrad anderer
Toxizitäten waren
ähnlich zwischen den
Gruppen
CR- + PR-Raten lagen
bei 27 % in GSHGruppe vs. 23 % in
Kontrollgruppe; keine
Gruppe meldete eine
CR; medianes
Überleben: 16 vs. 17
Monate
Bei GSH-Gruppe
trat deutlich
schwächere
Neuropathie auf als
in der
Kontrollgruppe
N = 54, 27 Chemo
+ GSH, 27 Chemo
alleine
2 500 mg/m2 i. v.
über 15 Minuten,
unmittelbar vor
Chemo
CDDP 50 mg/m2
als i. v. Infusion
bei 26
Patientinnen;
CDDP 75 mg/m2
i. v. bei 28
Patientinnen
Bei 26 % vs. 50 % trat
Neurotoxizität auf; bei
37 % vs. 78 % trat
Oligurie auf
CR- + PR-Raten lagen
bei 70 % vs.
59 %; CR-Raten bei
22 % und 11 %; keine
Überlebensraten
gemeldet; keine
statistische Analyse
wegen kleinem
Stichprobenumfang
Bei GSH-Gruppe
trat geringere
Neurotoxizität und
Oligurie auf und
Tumoransprechraten
waren höher als in
Kontrollgruppe
N = 207
30 mg/kg i. v.
täglich ab
Chemo-Beginn
bis zur Entlassung
5-FU Prodrug
(FT-207) 16
mg/kg/Tag i. v. bis
zur Entlassung,
danach oral 12
mg/kg/Tag über
24–36 Monate
Keine signifikanten
Unterschiede bei GI
Toxizitäten, höhere 5FU-Serumspiegel in
GSH-Gruppe
Ähnliche
Überlebensraten
GSH-Gruppe wies
keine Toxizitätsunterschiede auf,
aber signifikant
höhere
Überlebensraten bei
Patienten im
Stadium III
#442.03{sidpSyoubj8}
Glutathion (GSH)
#442.04{sidRsWiocYm}
Fortgeschrittenes kolorektales
Karzinom
#442.05{sidVWjGDFZN}
Fortgeschrittenes
Ovarialkarzinom
#442.06{sidzU0y7LfV}
Magenkarzinom
#442.07{sid5MjbOCfk}
Vit​amin E
#445.01{sidEgRAJs1P}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 35.14 Randomisierte klinische Studien mit Glutathion, Vit​amin E und AntioxidanzienKombinationen sowie Chemotherapie (Auswahl) (Forts.)
#445.02{sidhSQdrIy9}
Patienten, n
Behandlungs​protokollChemotherapieSchema
Abschwächung der
Toxizität:
Behandlungsgruppe
vs. ​Kontrollgruppe
Ansprechen:
Behandlungsgruppe
vs. Kontrollgruppe
Schlussfolgerung
N = 32
Oral 300 mg/2×
täglich
Entweder 175
mg/m2 i. v.
Paclitaxel plus
Carboplatin (AUC
6 an Tag 1) oder
175 mg/m2 i. v.
Paclitaxel plus 80
mg/m2 Epirubicin
an Tag 1
Neurotoxizität bei 3/16
(18,7 %) Vit​amin-EPatienten vs. 10/16
(62,5 %) in
Kontrollgruppe (p =
0,03). PNP-Skala
Vit​amin E 2,25 vs. 11
in Kontrollgruppe (p =
0,01)
k. A.
Vit​amin E schützt
vor peripherer
Nervenschädigung
N = 27, 13 Chemo
+ Vit​amin
E vs. 14 Chemo
alleine
Oral 300 mg/Tag
Alpha-Tocopherol
vor Chemo; dann
weiterhin für 3
Monate nach
Behandlung
CDDP
verabreicht in
verschiedenen
Dosen und
Schemata
basierend auf
spezifischer
Tumorlokalisation,
z. B. bei
Lungenkrebs, 75
mg/m2 i. v. an Tag
1 und GEM 1 000
mg/m2 i. v. an Tag
1 und 8 alle 3
Wochen
Bei 30,7 % vs. 85,7 %
trat Neurotoxizität auf
(p < 0,01); andere
Toxizitäten waren
ähnlich in beiden
Gruppen
CR- + PR-Raten lagen
bei 62 % vs. 73 %
(NS); CR-Raten und
Überlebensraten
wurden nicht gemeldet
Bei der Vit​amin-EGruppe war
Schweregrad und
Inzidenz der
Neurotoxizität
signifikant reduziert;
die Kontrollgruppe
wies höhere
Tumoransprechrate
auf als die Vit​aminE-Gruppe
N = 30 (beendet; 40
registriert)
Oral 600 mg/Tag
während Chemo
und für 3 Monate
danach
Cisplatin-basierte
Therapie
Neurotoxizität trat bei
3/14 (21,4 %)
Vit​amin-E-Patienten
auf vs. 11/16 (68,5 %)
in Kontroll​gruppe; p =
0,026
K. A.
Vit​amin E verfügt
möglicherweise
über wichtige
neuroprotektive
Wirkungen
N = 48; 25 Chemo
+ Antioxidanzien
vs. 23 Chemo
+ Placebo
Oral Vit​amin C (1
g LAscorbinsäure),
Vit​amin E (400
mg in Form von
DL-AlphaTocopherolacetat)
und Selen (100
µg), alle in
milchig-weißem
Getränk gelöst
CDDP IV in
verschiedenen
Dosisstärken
(geplante
Höchstdosis: 100
mg/m2) jeder
Zyklus 1–5 Tage
mit wiederholten
ZytostatikaInfusionen alle 21
Tage
Neuro- und Ototoxizität
ist nicht signifikant
reduziert, außer bei
Korrelationsanalyse in
Bezug auf
Antioxidanzienspiegel
im Plasma; auch
erhielten mehr
Patienten in der
Antioxidanzien-Gruppe
die geplanten CDDPHöchstdosen
CR- + PR-Raten lagen
bei 44 % vs. 48 %;
CR-Raten bei 36 % vs.
26 %;
Überlebensraten
wurden nicht gemeldet
Im AntioxidanzienArm konnten mehr
Patienten die
optimalen CDDPDosen erhalten;
Ansprechraten
waren ähnlich in
beiden Gruppen,
jedoch waren die
CR-Raten in
AntioxidanzienGruppe höher als in
Kontrollgruppe
N = 20
Co-Q10, oral 100
Anthrazykline
(kumulative Dosis
festgelegt auf 240
mg/m2 = 120
mg/m2 i. v.
Daunorubicin und
120 mg/m2 i. v.
Doxorubicin)
Co-Q10-Gruppe wies
K. A.
Schützende Wirkung
von Co-Q10 auf
100 mg/m2 IV
CDDP und 600
mg/m2 i. v.
Cyclophosphamid
In der Selen-Gruppe
Leukozyten signifikant
erhöht (p < 0,001); alle
Nebenwirkungen
signifikant erniedrigt,
außer Diarrhö
Studie/Tumorart(en)
#442.08{sidiJXBPZgy}
Solider Tumor bzw. keine
myeloische Leukämie (jeweils
bösartig)
#442.09{sidEaFVHApG}
Verschiedene bösartige
Tumoren (n): Lunge (15), HNC
(5), Eierstöcke (3), Uterus (2),
Magen (1), Hoden (1)
#442.10{sidxJXgIWTC}
Solider Tumor bzw. keine
myeloische Leukämie (jeweils
bösartig)
#445.03{sidG9N9oWsN}
Antioxidanzien
#445.04{sidMvLHb1UC}
Verschiedene bösartige
Tumoren (n): Hoden (16),
Osteosarkom (13), GI (6),
urogenital (5), HNC (5),
Melanom (3)
#445.05{sid5aZn3VHE}
Kinder mit Leukämie oder
Non-Hodgkin- Lymphom
#445.06{sidfxnov6Ka}
Ovarialkarzinom [64]
mg zweimal
täglich
N = 62
Für
Studiengruppe
zusätzlich Selen
(200 µg/Tag) zu
Kombination aus
β-Carotin,
Vit​amin C,
Vit​amin E,
Vit​amin B2,
Vit​amin B3, für
beide Gruppen
im Vergleich zur
Kontrollgruppe eine
signifikant geringere
Reduktion der
linksventrikulären
Ejektionsfraktion
(LVEF) auf; die
interventrikuläre
Septumwanddicke fiel
nur in der
Kontrollgruppe ab
Herzfunktion unter
Therapie mit
Anthrazyklinen
K. A.
Positive Wirkungen
von Selen wurde
festgestellt bei
gleichzeitiger
Einnahme mit
Chemo
#445.01{sidEgRAJs1P}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 35.14 Randomisierte klinische Studien mit Glutathion, Vit​amin E und AntioxidanzienKombinationen sowie Chemotherapie (Auswahl) (Forts.)
#445.02{sidhSQdrIy9}
Patienten, n
Behandlungs​protokollChemotherapieSchema
Abschwächung der
Toxizität:
Behandlungsgruppe
vs. ​Kontrollgruppe
Ansprechen:
Behandlungsgruppe
vs. Kontrollgruppe
Schlussfolgerung
N = 60
Selen oral (200
µg/Tag) plus Zink
(21 mg/Tag) über
50 Tage
500 mg/m2 IV
MTX an Tag 1,
250 mg/m2 i. v. 5FU an Tag 2 und
600 mg/m2 i. v. LFolinsäure an Tag
2
Alle Patienten
mangelernährt bei
Baseline. 21/30 (70
%) in Selen-Gruppe
zeigen keinen weiter
abnehmenden,
sondern zunehmenden
Appetit; 24/30 (80 %)
in Kontrollgruppe
wiesen signifikante
Abnahme aller
Parameter auf
(Körpergewicht usw.)
(p < 0,01)
K. A.
Selen plus Zink
verbessert
möglicherweise
allgemeinen
klinischen Verlauf
Studie/Tumorart(en)
#445.07{sidg70CsMlw}
Krebs des Verdauungstrakts
[65]
#445.08{sidtrympD59}
Chemo = Chemotherapie; IV = intravenös; CR = vollständiges Ansprechen (komplette Remission); SD =
Stabilisierung der Erkrankung; PR = partielle Remission; NS = nicht signifikant; k. A. = keine Angabe; AUC =
Fläche unter der Kurve (area under the curve); PNP = periphere Neuropathie; NSCLC = nicht-kleinzelliges
Lungenkarzinom; HNC = Kopf-Hals-Krebs; GI = gastrointestinales Karzinom; CML = chronische myeloische
Leukämie; CDDP = Cisplatin; VP-16 = Etoposid; GEM = Gemcitabin; DOX = Doxorubicin; 5-FU = Fluorouracil;
FA = Folinsäure (Leucovorin); Irinotecan = CPT-11; TAM = Tamoxifen; MTX = Methotrexat; Co-Q10 = Coenzym
Q10
#441.01{sidfg91cIdx}
35.2 Medikationsassoziierte Nebenwirkungen der Chemotherapie
#441.02{sidHxqX2Bpf}
35.2.1 Nebenwirkungsmanagement mit Mikronährstoffen
#441.03{sidaXOx1sBR}
Eine frühzeitige individuelle Mikronährstofftherapie kann die Ausgangssituation der betroffenen Patienten zur
tumordestruktiven Therapie verbessern und die Nebenwirkungen toxischer Therapien verringern (□ Tab. 35.15). Die
Vielzahl der in der Therapie maligner Tumoren eingesetzten Zytostatika und ihre multiplen Wirkmechanismen sind
mit zahlreichen und zum Teil sehr spezifischen Interaktionen mit dem Haushalt essenzieller Mikronährstoffe
assoziiert. Hierdurch kann einerseits der Mikronährstoffbedarf unter einer antineoplastischen Therapie ansteigen,
andererseits bietet die medikationsorientierte Supplementierung von Mikronährstoffen (z. B. Acetyl-L-Carnitin bei
cisplatininduzierter Neuropathie) zahlreiche therapeutische Ansatzpunkte für die Supportivtherapie und das
onkologische Nebenwirkungsmanagement.
#446.01{sidS0OZwESu}
Tab. 35.15 Nebenwirkungsmanagement mit Mikronährstoffen (Beispiele)
#446.02{sidbUAH6p2T}
Mechanismus
Organ
Therapeutische
Intervention/​Prämedikation
Bildung von AnthrazyklinFe3 +-Komplexen,
Reduktion zum
Anthrazyklin-SemichinonRadikal, Wechselwirkung
mit Cardiolipin
Herz
(anthrazyklininduzierte
Kardiotoxizität)
Intravenöse
Applikation von LCarnitin vor der
anthazyklinhaltigen
CT: 2 000 mg LCarnitin in 250 ml
0,9 % NaCl, i. v.,
1h vor CT.
Perorale
Prämedikation
mit: Coenzym Q10
Zytostatikum
#446.03{sidBG21XKkX}
Anthrazykline (z. B.
Doxorubicin)
(z. B. 240 mg/d),
Selen (1 000 µg/d)
und L-Carnitin (3
000 mg/d)
#446.04{sid3179svyj}
Cisplatin
#441.04{sidh77xqt7D}
Radikalinduktion
Niere (kumulative
Nephrotoxizität)
Intravenöse
Applikation von
Na-Selenit vor
CisplatinTherapie: 1 000
µg Na-Selenit in
100 ml 0,9 %
NaCl, i. v., 1h vor
CT
Zu den Mikronährstoffen, die sich vor allem für ein gezieltes Nebenwirkungsmanagement eignen zählen
insbesondere das Spurenelement Selen in Form des Natriumselenits, die mitochondrialen Substrate L-Carnitin und
Coenzym Q10, das Tripeptid L-Glutathion sowie Vit​amin D und Vit​amin C. Dabei kommt der (parenteralen)
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Prämedikation im Hinblick auf die effektive Prävention chemotherapiebedingter Nebenwirkungen mit einigen
Mikronährstoffen wie L-Carnitin und Natriumselenit eine wesentliche Bedeutung zu, da bestimmte Zytostatika in der
Lage sind die zellulären Transportsysteme (OCTN2) von Substanzen wie L-Carnitin zu blockieren.
#441.05{sidEHzqfQ1G}
Nephrotoxizität
#441.06{sid9SyuqWir}
Cisplatin und Selen
#441.07{sid6rbPgl7W}
Das Platinderivat Cisplatin (CDDP) aus der Gruppe der Alkylanzien wird vor allem in der Therapie von
Plattenepithelkarzinomen an Kopf und Hals und bei Bronchial-, Ovarial-, Zervix- und Hodenkarzinomen eingesetzt.
Die häufigsten Nebenwirkungen und Toxizitäten von Cisplatin sind Übelkeit und Erbrechen, Elektrolytentgleisungen,
Ototoxizität, Neurotoxizität und Nephrotoxizität. Insbesondere in Kombination mit anderen nephrotoxischen
Zytostatika (z. B. Ifosfamid) sowie Radiotherapie im Bereich der Nieren ist das Risiko für Nierenschäden besonders
hoch. Im Vergleich zum Blutplasma reichert sich Cisplatin fünffach stärker in den Tubulusepithelzellen an. Hier kann
es zu Nekrosen der proximalen Tubuli und Apoptose in den distalen Nephronen kommen. Als Folge fällt die
Perfusionsleistung und Konzentrationsfähigkeit der Tubuli ab. Die renale Toxizität manifestiert sich durch eine
Abnahme der Kreatininclearance bzw. durch eine Erhöhung des Serumkreatinins und der Serumharnsäure.
#441.08{sidNvdNPffA}
Die cisplatininduzierte Toxizität wird überwiegend durch oxidative Organschäden verursacht, bedingt durch die
Bildung von freien Radikalen und reaktiven Thiolen. Die Interaktion des Zytostatikums mit mitochondrialen und
zytolsolischen SH-Gruppen sowie die zelluläre GSH-Depletion und Inhibierung der mtDNA Replikation dürften bei
der Pathogenese der cisplatininduzierten Nephrotoxizität eine zentrale Rolle spielen. Cisplatin fördert zudem eine
Depletion der mitochondrialen Protektoren L-Carnitin, L-Glutathion und Magnesium. Cisplatin schädigt
dosisabhängig das renale Tubulussystem, was mit Proteinurie und Elektrolytverlusten (z. B. Magnesium, Kalium)
assoziiert ist. Die Elektrolytstörungen können zum Teil zu schweren Mangelsymptomen (z. B.
Herzrhythmusstörungen, Tremor, Krämpfe) führen. Selbst unter einer adäquaten Gabe von Magnesium (z. B. 2–4 g
Magnesiumsulfat = 200–400 mg Magnesium i. v. bei jeder Cisplatin-Applikation) kann nicht ausgeschlossen
werden, dass der behandelte Patient eine ausgeprägte Hypomagnesämie entwickelt. Die Prämedikation mit Selen
(Natriumselenit) vor einer Chemotherapie mit Cisplatin kann die cisplatinassoziierte Nephrotoxizität verringern.
#441.09{sidZTY8GKxB}
Cisplatin-Mechanismen der mitochondrialen Toxizität:
#446.05{sidB4sLvwA6}
Lipidperoxidation (ROS), Interaktion mit mitochondrialen und zytosolischen SH-Gruppen,
#446.06{sidvKv70jwO}
mitochondriale und zelluläre GSH-Depletion, GSH:GSSG-Quotient ↓,
#446.07{sidq6aaVVSi}
mitochondriale DNA (mtDNA): Inhibierung der mtDNA Transkription und Replikation,
#446.08{sid5G838UBZ}
mitochondriale Vakuolisierung,
#446.09{sidhMmkRMdK}
renale Depletion der mitotropen Nährstoffe L-Carnitin und Magnesium.
#446.10{sidbCHR635Z}
Studien: In einer randomisierten Studie an Krebspatienten, die mit Cisplatin therapiert wurden, führte die adjuvante
Gabe von Selen (4 000 µg Se/d, Zeitraum: 4 Tage vor bis 4 Tage nach der CTX mit Cisplatin 60–80 mg/m2)
gegenüber Kontrollen ohne Selen zu einem signifikanten Anstieg der Selenserumspiegel (70,4 ± 22,86 auf 157,04 ±
60,23 µg/l), geringerer Myelosuppression (Abfall der Leukozyten) und verringertem Bedarf an Granulozyten-Koloniestimulierenden Faktor (110,1 ± 82,2 gegenüber 723,7 ± 192,6 I. U.) sowie notwendiger Bluttransfusionen. Die
Nephrotoxizität von Cisplatin gemessen anhand verschiedener Enzyme im Urin (z. B. ALP, GGT, NAG) wurde durch
Selengabe gegenüber der Kontrollgruppe signifikant verringert.
#446.11{sidS1Ph2FQz}
Ifosfamid und L-Carnitin
#446.12{sidMM7cHaQc}
Das Stickstofflost-Derivat Ifosfamid wird vor allem in der Therapie von Weichteilsarkomen, Non-HodgkinLymphomen, Ewing-Sarkomen, Hodentumoren, Mammakarzinomen und Zervixkarzinomen eingesetzt. Eine typische
Nebenwirkung von Ifosfamid ist die vorwiegend den Tubulusapparat betreffende Nephrotoxizität. Für die renalen
Nebenwirkungen wird vor allem der Ifosfamid-Metabolit Chloroacetaldehyd verantwortlich gemacht.
#446.13{sidnBLTFyRu}
Chloroacetaldehyd inhibiert den Komplex I der mitochondrialen Atmungskette und löst Störungen im Haushalt von LCarnitin aus. Der Stoffwechselmetabolit des Ifosfamids kann zur entsprechenden Säure oxidiert werden und freies
Coenzym A (CoA) binden. Dadurch wird der Coenzym A-Pool in den Mitochondrien gestört und energieliefernde
Coenzym A-abhängige Stoffwechselwege blockiert. L-Carnitin übernimmt die Chloroacetyl-Gruppe vom Coenzym A
und transportiert sie aus den Mitochondrien und der Zelle hinaus. Da Chloroacetyl-Carnitin in der Niere schlechter
rückresorbiert wird als freies Carnitin kommt es infolge erhöhter Ausscheidung (Urin) zu einem sekundären
Carnitinmangel (○Abb. 35.9). Unter einer Therapie mit Ifosfamid sollten die gleichen supportiven Maßnahmen (z. B.
L-Carnitin, Selen) getroffen werden wie unter Cisplatin.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#447.01{sid2MWq9VMY}
Abb. 35.9 Ifosfamidinduzierter Carnitinmangel
#446.14{sid1MZFYCOF}
Neurotoxizität
#446.15{sidSinV6ZJT}
Cisplatin und L-Glutathion
#446_447{sidVOhN2QHd}
Bei cisplatinbasierten Chemotherapien muss mit der Entwicklung toxischer Nebenwirkungen auf das periphere
Nervensystem gerechnet werden. Typische Symptome sind Kribbeln oder Parästhesien in den Extremitäten.
Cisplatin schädigt vorwiegend die Axone der großen sensorischen Nervenfasern. Typische Symptome der
cisplatinassoziierten Neurotoxizität sind distal symmetrische sensible Ausfälle und Reizerscheinungen
(Parästhesien). Im Bereich der Hirnnerven können insbesondere der II. und VIII. betroffen sein, wobei Hörverluste im
hoch frequenten Bereich (4–8 kHz) charakteristisch sind.
#447.02{sid90uix716}
Das Tripeptid L-Glutathion (L-γ-Glutamyl-Cystein-Glycin) ist quantitativ die wichtigste intrazelluläre schwefelhaltige
Verbindung. L-Glutathion (GSH) und die Glutathion abhängigen Enzyme GSH-Peroxidase und GSSG-Reduktase
spielen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung des intrazellulären Redoxgleichgewichts. Zellen, Lipide,
Proteine und Nukleinsäuren werden durch Glutathion vor der oxidativen Schädigung durch freie Radikale und
reaktive Sauerstoffspezies geschützt.
#447.03{sidTLSjxuxD}
Der intrazelluläre Transport von Glutathion erfolgt über das Enzym γ-Glutamyl​trans​peptidase. Dieses Enzym findet
sich in hohen Konzentrationen in den Nieren und im peripheren Nervensystem. Experimentelle Studienergebnisse
legen den Schluss nahe, dass Glutathion zum Schutz vor cisplatininduzierter Neurotoxizität eingesetzt werden kann.
#447.04{sidcSe2xSWm}
In einer randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudie an 50 Patienten mit fortgeschrittenem
Magenkarzinom führte die intravenöse Applikation von L-Glutathion (1 500 mg GSH/m2 in 100 ml 0,9 % NaCl, i. v.,
15 min vor der CT, sowie 600 mg GSH i. m. am 2. und 5. Tag nach der CT) zu einer signifikanten Reduktion der
cisplatininduzierten sensorischen Neuropathie. Gleichzeitig konnte durch L-Glutathion der Bedarf an
Bluttransfusionen verringert werden. Die Tumorresponse war signifikant höher in der Glutathion-Gruppe als in der
Kontrollgruppe.
#447.05{sidrkfalAmH}
Cisplatin, Paclitaxel und Acetyl-L-Carnitin und α-Liponsäure
#447.06{sidUoBzI7Y2}
Weitere antineuropathisch und analgetisch wirksame Mikronährstoffe sind die Vit​aminoide α-Liponsäure und das LCarnitin (Acetyl-L-Carnitin). In verschiedenen Studien konnte die intravenöse Applikation von Acetyl-L-Carnitin (z. B.
1 000–2 000 mg/Infusion, langsam) die Häufigkeit einer zytostatikainduzierten peripheren Neuropathie (z. B.
Cisplatin, Paclitaxel) verringern. Es wird vermutet, dass die positiven Effekte des Acetyl-L-Carnitins u. a. mit einem
Anstieg des Nerve growth factors (NGF) und Wechselwirkung mit redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFkappaB
in Verbindung stehen.
#447.07{sidI66JdzOo}
Oxaliplatin und Magnesium und Calcium
#447.08{sidEA7IjGBK}
Oxaliplatin wird vor allem in der adjuvanten und palliativen Therapie des kolorektalen Karzinoms eingesetzt.
Dosislimitierend ist eine akute sensorische Neuropathie, die sich vor allem durch Parästhesien und Dysthäsien in
den Extremitäten und im Mundbereich äußern, die in Verbindung mit Kälte erheblich verstärkt werden.
#447_448{sidfMXQlvNX}
Platinderivate können ausgeprägte Elektrolytstörungen (z. B. Hyponatriämie, Hypocalämie, Hypomagnesiämie)
hervorrufen. Oxaliplatin kann zudem intrazellulär Calcium​ionen komplexieren und dadurch die elektrophysiologischen Eigenschaften der Nervenzelle (Hyperpolarisation) beeinträchtigen. Die intravenöse Applikation von
Calcium und Magnesium kann die Hyperpolarisation der Nervenzellen (→ Schließen von Natrium-Kanälen) steigern
und den neurotoxischen Wirkungen von Oxaliplatin entgegen wirken.
#448.01{sidX3sTTCMp}
In einer retrospektiven Studie an 161 Patienten, die aufgrund eines fortgeschrittenen kolorektalen Karzinoms mit
Oxaliplatin und 5-FU therapiert wurden, erhielten 69 Patienten vor und nach der Oxaliplatin-Therapie eine Infusion mit
Magnesium und Calcium. 65 Patienten dienten als Kontrollgruppe. Während in der Kontrollgruppe bei 26 % der
Patienten eine Grad-3-Neurotoxizität auftrat, war diese nur bei 7 % der Calcium/Magnesium-Gruppe nachweisbar.
Zusätzlich erholten sich die Patienten in der Calcium/Magnesium-Gruppe schneller von einer Grad 2- und Grad 3Neuropathie als in der Kontrollgruppe.
#448.02{sidscK12825}
Ifosfamid und Thiamin (Benfotiamin)
#448.03{sid4b2dUbFt}
Die ifosfamidinduzierten neurotoxischen Symptome ähneln zum Teil denen einer Wernicke-Encephalopathie (z. B.
Sehstörungen, Halluzinationen) die durch einen Vit​amin-B1-Mangel verursacht wird. Die intravenöse Applikation von
Thiamin (100 mg, i. v./4h) konnte bei Patienten mit ifosfamidinduzierter Encephalopathie die zentralnervösen
Störungen deutlich bessern. Das lipidlösliche und hochbioverfügbare Vit​amin-B1-Prodrug Benfotiamin ist in seiner
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
antineuropathischen und analgetischen Wirkung den wasserlöslichen Thiaminsalzen überlegen. Für die Prophylaxe
und Therapie der Ifosfamid-induzierten Neuropathien ist Benfotiamin aufgrund der peroralen Applikation (z. B. 2 ×
150–300 mg Benfotiamin/d, p. o.) besser geeignet.
#448.04{sidkvzui5MY}
Kardiotoxizität
#448.05{sidDbHBl6eX}
Anthrazykline und L-Carnitin
#448.06{sid4j9puTmu}
Die klinisch eingesetzten Anthrazykline (z. B. Doxorubicin) sind redoxzyklierende An​thrachinone, die durch das
Flavocoenzym NADPH-Cytochrom-P450-Reduktase zum Anthrazyklin-Semichinon-Radikal unter der Bildung von
Superoxidanion-Radikalen (•O2-) und Wasserstoffperoxid (H2O2) metabolisiert werden. Ein weiterer Weg der
Radikalgenese erfolgt über die Bildung von Anthrazyklin-Fe3 +-Komplexe. Anthrazyklin-Fe3 +-Komplexe sind starke
Oxidanzien mit der Fähigkeit der direkten Lipidperoxidation an der Mitochondrienmembran der Kardiozyten (→
Interaktion mit Cardiolipin). Dies kann zur Myokardfibrose führen und damit zur Kardiomyopathie.
#448.07{sidijgVmyRD}
Die Bedeutung des Eisens, insbesondere des chelatisierten Eisens, für die Kardiotoxizität wird dadurch
unterstrichen, dass Eisenchelatoren (z. B. ICRF-187 =Dexrazoxan) die kardiotoxischen Wirkungen signifikant
verringern können. Bei bis zu 40 % aller mit Anthrazyklinen behandelten Patienten treten während oder unmittelbar
nach der Anthrazyklininfusion kardiale Rhythmusprobleme auf.
#448.08{sidFMzVXeRl}
Die parenterale Prämedikation mit L-Carnitin (z. B. 2 000 mg L-Carnitin, 1–2h vor CT) kann die kardiotoxische
Wirkung der Anthrazykline ohne Beeinträchtigung ihrer zytotoxischen Wirksamkeit senken.
#448.09{sidkUf9SqZ6}
In einer Studie an Patienten mit Brust- oder Bronchialkarzinomen wurde der Einfluss von Doxorubicin oder
Doxorubicin mit L-Carnitin auf die maximale Ventrikelzirkumferenz (VCFmax) mittels Echokardiographie als
Parameter zur Bestimmung der kardialen Kontraktilität erfasst. Bei den Patienten, die nur mit Doxorubicin behandelt
wurden kam es zu einem signifikanten Abfall der systolischen VCF. Dagegen unterschieden sich selbst nach 6
therapeutischen Zyklen die systolischen VCF von Patienten, die mit Doxorubicin und L-Carnitin (3 × 1 000 mg LCarntin/d, p. o. und 1 000 mg L-Carnitin, i. v. vor Doxorubicin) therapiert wurden, nicht von denen, die weder
Doxorubicin noch L-Carnitin erhalten hatten. Auch eine Zunahme der Kreatinkinase-Aktivität (CK-MB) nach
Doxorubicingabe, die zur Einschätzung der akuten Toxizität bestimmt wird, konnte in Studien durch die adjuvante
Gabe von L-Carnitin verhindert werden.
#448.10{sidAHTjDWH5}
Anthrazykline und Selen
#448_449{sidgznqdnHX}
Eine Studie an Patienten mit aggressivem B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom, die eine an​thrazyklinbasierte
Chemotherapie, eine Radiotherapie oder beides bekamen, zeigt, dass der initiale Selenserumspiegel einen
wichtigen prognostischen Faktor darstellt. Die Selenserumspiegel lagen zwischen 0,33 und 1,51 µmol/l bzw. 26 bis
119 µg/l. Höhere Selenspiegel korrelierten signifikant mit einer höheren Dosisfreisetzung (AUC), Responderrate,
Remissionsdauer und einem höherem Gesamtüberleben beim aggressiven Non-Hodgkin-Lymphom. Die
Supplementierung von Selen wird von den Autoren der Studie als mögliche neue Therapiestrategie angesehen.
#449.01{sidjKJ7Fflm}
Anthrazykline und Coenzym Q10
#449.02{sidsfidMUpU}
Coenzym Q10 (Ubichinol/-on) übernimmt im Organismus als essenzieller Bestandteil der mitochondrialer
Atmungskette eine zentrale Aufgabe bei der zellulären Energie-(ATP)-Produktion. Dabei fungiert das Vit​aminoid als
Elektronentransporter im Rahmen der oxidativen Phosphorylierung. Coenzym Q10 stabilisiert die Zellmembranen und
greift regulierend in die Funktion von Ionenkanälen (Calcium-Kanäle) durch Beeinflussung der Membranfluidität und
damit indirekt in die Zell-Zell-Kommunikation ein. Darüber hinaus schützt das lipophile Antioxidanz zusammen mit
Vit​amin E die Phospholipide der Zellmembranen vor radikalinduzierten Schäden und wirkt der Lipidperoxidation (z.
B. LDL-Cholesterin) entgegen. Organe und Gewebe mit hohem Energieumsatz, wie das Myokard, sind besonders
reich an Coenzym Q10.
#449_450{sid2tUh2ONX}
Einige Tierversuche und Humanstudien zeigen eine protektive Wirkung von Coenzym Q10 auf die kardiotoxische
Wirkung der Anthrazykline. In einer kontrollierten Studie an Kindern mit akuter lymphoblastischer Leukämie oder
Non-Hodgkin-Lymphom führte die adjuvante Gabe von Coenzym Q10 (2 × 100 mg/d, p. o.) zu einer signifikanten
Reduktion der Anthrazyklin-induzierten Kardiotoxizität. Die Verlaufskontrolle der linksventrikulären Ejektionsfraktion
(LVEF) mittels Echokardiographie zeigte bei den Kindern der Coenyzm-Q10-Gruppe (LVEF %: 40,36 ± 4,60 →
35,82 ± 5,02; p < 0,05) eine signifikant bessere kontraktile Funktion des linken Ventrikels als in der Gruppe ohne
Coenzym Q10-Supplementierung (LVEF %: 39,89 ± 4,37 → 33,43 ± 3,46; p < 0,002).
#449.03{sidwlb8cPbG}
Tab. 35.16 Wirkungsmechanismen und Nebenwirkungen der Alkylanzien (Auswahl)
#449.04{siddEvmdRnX}
Wirkmechanismus
Nebenwirkungen
Alkylierung von
Nukleinsäuren,
Vernetzung von
DNA-Strängen
Myelotoxizität, Hepatotoxizität, Mukositis, Diarrhö,
Kardiotoxizität (in hoher Dosierung), Urotoxizität
(hämorrhagische Zystitis), Glutathiondepletion von
Leberzellen
Alkylanzien
#449.05{sidFZPX507B}
Stickstofflost-Derivate
#449.06{sid8w6zsQsZ}
Cyclophos​phamid
#449.03{sidwlb8cPbG}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Tab. 35.16 Wirkungsmechanismen und Nebenwirkungen der Alkylanzien (Auswahl)
#449.04{siddEvmdRnX}
Wirkmechanismus
Nebenwirkungen
Alkylanzien
#449.07{sidSkkRnFW7}
Myelotoxizität, ZNS-Neurotoxizität (Enzephalopathie),
Urotoxizität (hämorrhagische Zystitis), Kardiotoxizität
(in hoher Dosierung), Nephrotoxizität, Hepatotoxizität
(in Kombination mit Etoposid), Glutathiondepletion,
Carnitinmangel
Ifosfamid
#449.08{sidQEqJ1F97}
Platin-Komplexe
#449.09{sidjXqZmEig}
Cisplatin
Alkylierung von
Nukleinsäuren,
Hemmung der
DNA-Synthese
und Zellteilung
#449.10{sidCuCL3v1H}
Carboplatin
#449.11{sidbtTtsffK}
Oxaliplatin
Kumulative Nephro- und Ototoxizität, Neurotoxizität
(verstärkt in Kombination mit Paclitaxel und
Docetaxel), Myelotoxizität (Anämie), Übelkeit,
Erbrechen, Mukositis, Dermatitis, Elektrolytstörungen
(Hypomagnesiämie, Hypokaliämie, Hypocalcämie,
Hyponatriämie), Carnitinmangel, Zinkmangel
Nephrotoxizität (hohes Risiko bei Kombination mit
Ifosfamid), Ototoxizität, Neurotoxizität, Myelotoxizität
(Anämie), Mukositis, Stomatitis, Dermatitis, Übelkeit,
Erbrechen, Erytheme, Pruritus, Elektrolytstörungen
(Hypo​magnesiämie, Hypokaliämie, Hypocalcämie,
Hyponatriämie)
Kumulative Neurotoxizität (sensorische Neuropathie),
Nephrotoxizität, Ototoxizität, Myelotoxizität, Übelkeit,
Erbrechen, Mukositis, Diarrhö, Elektrolytstörungen
(Hypomagnesiämie, Hypokaliämie, Hypocalcämie,
Hyponatriämie)
#450.01{sidRocrzCrR}
Trastuzumab, Selen und L-Carnitin
#450.02{sidiu5dfSkX}
Eine Überexpression von HER2 wird bei bis zu 30 % aller primären Mammakarzinome beobachtet. Trastuzumab ist
ein rekombinanter, monoklonaler Antikörper, der reversibel an die extrazelluläre Domäne des HER2-Rezeptors
bindet. Es kommt dadurch nicht nur zu einer Blockade des Rezeptors, sondern auch zu einer antikörpervermittelten
zellulären zytotoxischen Immunreaktion (ADCC) gegen die Tumorzelle.
#450.03{sids6mAVeF6}
Trastuzumab ist wie die Anthrazykline eine potenziell kardiotoxische Substanz (Symptome: Synkopen, tachykardes
Vorhofflimmern, Abfall der LVEF). Eine Wechselwirkung mit den Rezeptoren der HER-Familie am Endokard dürfte
dabei eine wichtige pathogenetische Ursache spielen. Der HER2-Rezeptor ist unter anderen auch für die kardiale
Funktionsfähigkeit essenziell und spielt in den Kardiomyozyten eine bedeutende Rolle für die mitochondriale
Integrität. Da Trastuzumab den HER2-Rezeptor antagonisiert kann es infolge einer Schädigung der mitochondrialen
Membranintegrität zu einer Dysfunktion der Atmungskettenphosphorylierung (→ Cytochrom-C-Verlust, oxidativer
Stress) mit einem Abfall der ATP-Produktion und des mitochondrialen Membranpotenzials kommen (○Abb. 35.12).
Die trastuzumabinduzierte Schädigung des Herzmuskels ist anders als bei den Anthrazyklinen nicht von der
kumulativen Dosis abhängig und potenziell reversibel (→ passagere Kontraktilitätsverminderung).
#450.04{sidwCm1Po6R}
Trastuzumab weist alleine nur eine relativ moderate Karditoxizität auf, wird aber beim Mammakarzinom meist in
Kombination mit Taxanen (Docetaxel, Paclitaxel) oder nach einer Therapie mit Anthrazyklinen eingesetzt. In
Kombination mit Taxanen oder nach einer Therapie mit Anthrazyklinen kann Trastuzumab zu schweren kardialen
Funktionsstörungen führen. Die bisher vorliegenden Studien zeigen sowohl unter palliativer als auch unter adjuvanter
Therapie mit Trastuzumab eine erhöhte Kardiotoxizität. Dabei kann eine linksventrikuläre Dysfunktion (Abfall der
linksventrikulären Ejektionsfraktion > 10 %) auftreten, die vereinzelt in einer schweren Herzinsuffizienz und zum Teil
auch Todesfällen mündet. Das Risiko kardiovaskulärer Schäden ist vom Therapieschema abhängig und liegt
zwischen 3 % und 18 % (→ HERA, BCIRG 006) für die asymptomatische systolische Dysfunktion und zwischen 0,4
% bis 3,6 % für schwere Kardiomyopathien und Herzinsuffizienz. Zu den Risikofaktoren zählt vor allem eine
kombinierte oder vorangegangene Therapie mit Anthrazyklinen. Unter einer Therapie mit Trastuzumab ist ein
ähnliches kardioprotektives Nebenwirkungsmanagement mit Selen und L-Carnitin wie bei einer Therapie mit
Anthazyklinen empfehlenswert.
#450.05{sid4bRQ2Ian}
35.3 Alkylierende Zytostatika ​(Alkylanzien)
#450.06{sidJZWv5cJJ}
35.3.1 Platinhaltige Polychemotherapie und Vit​amin D
#450.07{sidOjadGtK3}
Vit​amin-D-Mangel begünstigt CTX-induzierte Stomatitis, Dysgeusie und ​Dermatitis
#450.08{sid77IpD2Wf}
Ein Vit​amin-D-Mangel begünstigt das Auftreten einer chemotherapieinduzierten Mukositis und Dysgeusie. In
Fallberichten konnten mukotane Nebenwirkungen (z. B. Stomatitis) und Geschmacksstörungen, die bei
Krebspatienten unter einer Polychemotherapie mit TCH (Docetaxel, Carboplatin, Trastuzumab) oder FOLFOX6 (5FU, Leukoverin, Oxaliplatin) auftraten, erfolgreich mit der Supplementierung von Vit​amin D behandelt werden
konnten.
#451.01{sidRcLFMqIe}
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
Grundsätzlich sollte bei Krebspatienten der Vit​amin-D-Status kontrolliert und durch adäquate Supplementierung (z.
B. 30 000 I. E./Woche, p. o.) kompensiert werden. Dadurch kann die Lebensqualität der Patienten verbessert und
die Effektivität der antineoplastischen Therapie aufgrund besserer Compliance und Ansprechrate optimiert und das
Risiko für CTX-induzierte Osteopathien verringert werden.
#451.02{sidI7Ur5McV}
Fallbeispiel
#451.03{sid0CMeZ9nP}
Eine 59-jährige Brustkrebspatientin mit Überexpression des Her2 beginnt im Januar 2010 mit einer adjuvante
Chemoimmuntherapie (TCH) mit Docetaxel (T), Carboplatin (C) und Trastuzumab (H: Herceptin). Eine Woche
nach dem 2. CTX-Zyklus (09.02.2010) entwickelt die Patientin eine moderate Stomatitis, eine moderate
Dermatitis an den Fingerspitzen und ein ausgeprägte Dysgeusie. Der 3. CTX-Zyklus wurde am 02.03.2010
appliziert. 14 Tage später klagt die Patientin über eine sehr schmerzhafte und entzündete Fissur an der
Beugeseite des rechten Daumens. Sie erklärt im Gespräch, dass kein mechanischer Stress die Hautläsionen
ausgelöst hat, sie allerdings im Winter häufiger aufgesprungene Hautstellen an den Fingernägeln gehabt hätte.
Da in den vergangenen Monaten wenig Sonnenschein war, wird der 25(OH)D-Status kontrolliert und sie beginnt
sofort täglich 2 000 I. E. Vit​amin D zu supplementieren. Das Laborergebnis weist mit 6,3 ng/ml (Referenz: 40–
60 ng/ml) auf einen ausgeprägten Vit​amin-D-Mangel hin. Als die Patientin sich am 22.03. wieder in der Praxis
vorstellt, hat sich der Zustand der Haut deutlich verbessert, sodass der 4. CTX-Zyklus am darauf folgenden Tag
appliziert werden kann. Obwohl die Chemotherapie (CTX) fortgeführt wurde, waren die Hautläsionen am
06.04.2010 praktisch komplett abgeheilt (○Abb. 35.10). Der Vit​amin-D-Status hatte sich unter
Supplementierung von täglich 2 000 I. E. Vit​amin D mit 19,1 ng/ml zwar verbessert, lag aber immer noch nicht
im Referenzbereich. Auch die Stomatitis und Geschmacksstörungen klangen unter der regelmäßigen
Einnahme von 2 000 I. E. Vit​amin D ab.
#452.01{sidZLItDslb}
35.3.2 Cisplatin und Selen
#452.02{sidhDB6sZJM}
Selen reduziert die Nephrotoxizität von ​Cisplatin
#452.03{sidrFSCHwbs}
Mechanismus: Das Platinderivat Cisplatin weist eine ausgeprägte Nephrotoxizität auf. Cisplatin beeinträchtigt die
glomeruläre Filtration und kann zu akutem Nierenversagen führen. Die renale Toxizität manifestiert sich durch eine
Abnahme der Kreatininclearance (GFR) bzw. durch eine Erhöhung des Serumkreatinins und der Serumharnsäure.
Die cisplatininduzierte Toxizität wird überwiegend durch radikalinduzierte Mitochondrien und Organschäden
verursacht (○Abb. 35.10, □ Tab. 35.17). Im Tierversuch steigert eine Selenmangelernährung die Nephrotoxizität von
Cisplatin. Selen kann die cisplatininduzierte Nephrotoxizität verringern. Als mögliche Mechanismen werden dabei
diskutiert: Erhöhung der renalen Selen- und Glutathionspiegel, Metabolisierung zu Methylselenol, Bildung von
Cisplatin-Selenol-Komplexen in den Nieren.
#451.04{sidt2cwHDhS}
Abb. 35.10 A schmerzhafte Hautrisse an der Beugeseite des Daumens, B Besserung der Hautläsionen, C abgeheilte Hautrisse
#452.04{sidBEwRhb36}
Folgen: Reduktion der nephrotoxischen Wirkungen von Cisplatin, geringere Schädigung des hämatopoetischen
Systems (z. B. Leukopenie, Thrombozytopenie), Steigerung der Immunkompetenz durch Selen.
#452.05{sidhkmoxO9n}
Hinweis: Die orale und intravenöse Applikation von Selen (z. B. 1 000 µg Selen als Natriumselenit in 100 ml 0,9 %
NaCl, i. v., 1h vor der CT) kann die cisplatininduzierte Nephrotoxizität deutlich mildern, ohne die zytotoxische Aktivität
des Cisplatins zu beeinträchtigen. An den Tagen vor und nach der CT empfiehlt sich die orale Supplementierung von
Selen (z. B. 500 µg/d, p. o.). Zielwert für die Selensubstitution sind Selenspiegel im Vollblut von 130 bis 155 µg/l.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#453.01{sidhA8tUsSc}
Abb. 35.11 Bioaktivierung von Cisplatin zum Nephrotoxin. Nach Townsend 2003
#452.06{sidmAluh0B2}
Außer auf die Nephrotoxizität hat Selen einen günstigen Einfluss auf weitere Nebenwirkungen des Cisplatins, wie
Neuro- (periphere sensorische Neuropathie) und Ototoxizität (Gehörverlust), Myelosuppression (Schädigung
hämatopoetischer Stammzellen) und Gewichtsverlust. Die cisplatininduzierte Oto- und Nephrotoxozität korreliert
signifikant mit erhöhten Lipidperoxidationsprodukten (z. B. Malondialdehyd) und niedrigen Spiegeln an
Antioxidanzien (Selen, Vit​amin C, E) im Plasma.
#452.07{sid3kZOTMUR}
Die eigentliche Wirkform der Platinverbindungen ist der elektrophile Aquo-Komplex, der vor allem intrazellulär
entsteht. Er bewirkt weitgehend phasenunspezifisch Vernetzungen von DNA-Strängen und hemmt auf diese Weise
die Zellteilung. Infolge der höheren Stabilität tritt die Wirkung von Carboplatin und Oxaliplatin langsamer ein und hält
länger an als bei Cisplatin. Cisplatin besitzt eine sehr hohe Reaktivität gegenüber einer Vielzahl von nukleophilen
Bindungspartnern in der Blutbahn und im Gewebe. Carboplatin weist gegenüber Cisplatin aufgrund seiner
geringeren Reaktivität gegenüber Plasmaproteinen eine deutlich geringere Nephro- und Ototoxizität auf.
#452.08{sid8X0zxS6d}
35.3.3 Cisplatin und L-Glutathion
#452.09{siddrZvzCZf}
L-Glutathion reduziert die Neurotoxizität von Cisplatin
#452.10{sidc3el1uxH}
Mechanismus: Unter einer CT mit Cisplatin treten häufig neurotoxische Störungen auf. Typische Symptome sind
Kribbeln oder Parästhesien in den Extremitäten. Als Ursache wird ein progredienter Zelluntergang der
Hinterwurzelganglien mit Demyelinisierung und axonaler Degeneration sowie die cisplatinassoziierte mitochondriale
Toxizität diskutiert. Das antioxidativ und neuroprotektiv wirkende L-Glutathion kann die cisplatininduzierte
Neurotoxizität verringern.
#452.11{sidNIHU9jon}
Folgen: Reduktion der neurotoxischen Wirkungen von Cisplatin, geringere Schädigung des hämatopoetischen
Systems, Steigerung der Immunkompetenz (z. B. NK-Zellfunktion) durch L-Glutathion.
#452.12{sideZ7UfXBb}
Hinweis: Die intravenöse Applikation von L-Glutathion (z. B. 1 500 mg GSH/m2 in 100 ml 0,9 % NaCl, i. v., 15 min
vor der CT, sowie 600 mg GSH i. m. am 2. und 5. Tag nach der CT) kann die Cisplatin-induzierte Neurotoxizität
verringern, ohne die zytotoxische Aktivität des Cisplatins zu beeinträchtigen.
#453.02{sid1FajvPgO}
Das Tripeptid L-Glutathion (L-γ-Glutamyl-Cystein-Glycin) ist quantitativ die wichtigste intrazelluläre schwefelhaltige
Verbindung. L-Glutathion (GSH) und die Glutathion-abhängigen Enzyme GSH-Peroxidase und GSSG-Reduktase
spielen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung des intrazellulären Redoxgleichgewichts. Zellen, Lipide,
Proteine und Nukleinsäuren werden durch Glutathion vor der oxidativen Schädigung durch freie Radikale und
reaktive Sauerstoffspezies geschützt. Der intrazelluläre Transport von Glutathion erfolgt über das Enzym γGlutamyltranspeptidase. Dieses Enzym findet sich in hohen Konzentrationen in den Nieren und im peripheren
Nervensystem.
#453.03{sidTWNjVSu5}
Studien: Nach dem Ergebnis klinischer Studien kann Glutathion zum Schutz vor cisplatininduzierter Neurotoxizität
eingesetzt werden. In klinischen Studien konnte auch durch die regelmäßige Einnahme von Vit​amin E (300 mg
Vit​amin E/d, p. o., Beginn: 1 d vor der CT; Dauer: 3 Monate) die Inzidenz und die Schwere einer cisplatininduzierten
Neuropathie verringert werden.
#453.04{sidUkK0vfrS}
35.3.4 Cisplatin, Ifosfamid und ​L-Carnitin
#453.05{sidv72DuxpG}
Carnitin-Depletion durch Cisplatin und ​Ifosfamid
#453_454{sidWsLrDO9O}
Mechanismus: Cisplatin wirkt nephrotoxisch, hemmt die renale Rückresorption von L-Carnitin im proximalen
Tubulus und kann die Carnitinausscheidung (freies Carnitin und Acyl-Carnitin) mit dem Urin bei Tumorpatienten um
den Faktor 10 steigern. Auch Ifosfamid führt zu erheblichen renalen Carnitinverlusten. Der Stoffwechselmetabolit
Chloracetaldehyd des Ifosfamids kann zur entsprechenden Säure oxidiert werden und freies Coenzym A binden.
Dadurch wird der Coenzym-A-Pool in den Mitochondrien gestört und energieliefernde Coenzym-A-abhängige
Stoffwechselwege blockiert. L-Carnitin übernimmt die Chloroacetyl-Gruppe vom Coenzym A und transportiert sie
aus den Mitochondrien und der Zelle hinaus. Da Chloroacetyl-Carnitin in der Niere schlechter rückresorbiert wird als
freies Carntin, kommt es zu einem sekundären Carnitinmangel ○Abb. 35.9). Der Ifosfamidmetabolit Thioglykolsäure
ist zudem in der Lage, die Carnitin-Pamitoyl-Transferase 1 (CPT1) zu hemmen.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#454.01{sidC3RcO0ec}
Folgen: Carnitin-Depletion (sekundäres Carnitindefizit im Blut und Gewebe); Abfall der Carnitinplasmaspiegel (<
30 µmol/l); Beeinträchtigung der CPT1-Aktivität und des zellulären Carnitin-Transporters OCTN2; Störung der
mitochondrialen ATP-Produktion (Energiedefizit); erhöhte mitochondriale Toxizität von Cisplatin und Ifosfamid;
erhöhtes Risiko für Fatigue sowie für cisplatin- und ifosfamidinduzierte neuro- und kardiotoxische Nebenwirkungen.
#454.02{sidFA7ky9AS}
Hinweis: Die Supplementierung von L-Carnitin (z. B. 2 000 mg L-Carnitin, in 100 ml 0,9 % NaCl, i. v.) vor einer CT
mit Cisplatin oder Ifosfamid wirkt einem sekundären Carnitindefizit entgegen und kann das Ausmaß einer
chemotherapieinduzierten peripheren Neuropathie (neben Cisplatin auch Paclitaxel) signifikant reduzieren.
#454.03{sidDCcDNb90}
Die Niere hat für die Homöostase des Carnitinhaushalts eine zentrale Bedeutung. Über 95 % des ultrafiltrierten
Carnitins werden wieder rückresorbiert. Die Clearancerate für Acyl-Carnitin liegt deutlich höher (> dreifach) als für
freies Carnitin. Eine Störung der renalen Rückresorption und/oder vermehrte Bildung von Acyl-Carnitin ist daher mit
erhöhten renalen Carnitinverlusten assoziiert (○Abb. 35.12). In einer Pilotstudie an Patienten mit Cisplatin- und/oder
paclitaxelinduzierter Neuropathie führte die tägliche intravenöse Applikation von 1 000 mg Acetyl-L-Carnitin
(Infusionsdauer: 1–2h) über einen Zeitraum von zehn Tagen zu einer signifikanten Verbesserung des NeuropathieSchweregrades.
#454.04{sidUZD1FvyJ}
Abb. 35.12 Renale Carnitin-Clearance bei Patienten unter einer Therapie mit Cisplatin. Nach Heuberger 1998
#454.05{sidicVJNkBy}
35.3.5 Oxaliplatin und Calcium/​Magnesium
#454.06{sidv8v015hG}
Calcium und Magnesium verringern die ​oxaliplatininduzierte akute sensorische Neuropathie
#454_455{sidmO7fmZeA}
Mechanismus: Oxaliplatin wird vor allem in der adjuvanten und palliativen Therapie des kolorektalen Karzinoms
eingesetzt. Dosislimitierend ist eine akute sensorische Neuropathie, die sich vor allem durch Parästhesien und
Dysthäsien in den Extremitäten und im Mundbereich äußern, die in Verbindung mit Kälte erheblich verstärkt werden.
Platinderivate können ausgeprägte Elektrolytstörungen (z. B. Hyponatriämie, Hypocalcämie, Hypomagnesiämie)
hervorrufen. Oxaliplatin kann zudem intrazellulär Calciumionen komplexieren und dadurch die elektrophysiologischen
Eigenschaften der Nervenzelle (Hyperpolarisation) beeinträchtigen. Die intravenöse Applikation von Calcium und
Magnesium kann die Hyperpolarisation der Nervenzellen (→ Schließen von Natriumkanälen) steigern und den
neurotoxischen Wirkungen von Oxaliplatin entgegen wirken.
#455.01{sidiDmXiPh9}
Folgen: Reduktion der Inzidenz und Intensität der akuten oxaliplatininduzierten Neuropathie; Ausgleich von
Elektrolytstörungen.
#455.02{sidn957kxo6}
Hinweis: Die intravenöse Applikation von 1 g Magnesiumsulfat und 1 g Calciumgluconat kurz vor und kurz nach der
Oxaliplatininfusion kann die Inzidenz und die Schwere der akuten sensorischen Neuropathien signifikant reduzieren,
ohne die antineoplastische Wirkung von Oxaliplatin zu beeinträchtigen.
#455.03{sidNN7PpNYP}
Studien: In einer retrospektiven Studie an 161 Patienten, die aufgrund eines fortgeschrittenen kolorektalen
Karzinoms mit Oxaliplatin und 5-FU therapiert wurden, erhielten 69 Patienten vor und nach der Oxaliplatintherapie
eine Infusion mit Magnesium und Calcium. 65 Patienten dienten als Kontrollgruppe. Während in der Kontrollgruppe
bei 26 % der Patienten eine Grad-3-Neurotoxizität auftrat, war diese nur bei 7 % der Calcium/Magnesiumgruppe
nachweisbar. Zusätzlich erholten sich die Patienten in der Calcium/Magnesiumgruppe schneller von einer Grad 2und Grad 3-Neuropathie als in der Kontrollgruppe.
#455.04{sidndiky9tO}
35.4 Anthrazykline
#455.05{siddfwNCOZJ}
35.4.1 Anthrazykline (z. B. Doxorubicin) und Selen
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#455.06{sidAuWKa115}
Selen reduziert die anthrazyklininduzierte Kardiotoxizität
#455.07{sidJzlYnaoB}
Mechanismus: Die anthrazyklininduzierte Kardiotoxizität ist überwiegend mit der Bildung reaktiver
Sauerstoffspezies (•OH, H2O2) durch das Anthrayzklin-Semichinon-Radikal und erhöhter Lipidperoxidation der
Mitochondrienmembran durch Anthrazyklin-Fe3 +-Komplexe (z. B. Doxorubicin-Fe3 +-Komplex) im kardialen Gewebe
assoziiert (○Abb. 35.13); Anthrazyklin-Fe3 +-Komplexe katalysieren zusätzlich die Elektronenübertragung von
reduzierten Thiolen (z. B. GSH, Cystein) auf molekularen Sauerstoff (O2) und können zu einer exzessiven
zytosolischen Freisetzung von Calcium führen (□ Tab. 35.17).
#455.08{sidHfOom1Xb}
Tab. 35.17 Wirkmechanismen und wichtige Nebenwirkungen von Anthrazyklinen
#455.09{siduQXyUVrn}
Wirkmechanismen
Nebenwirkungen
Anthrazyklin
#455.10{sidmLwVtAAn}
Doxorubicin, Epirubicin,
Daunorubicin, Idarubicin
Interkalation in die DNADoppelhelix (Blockade
der DNA, Hemmung der
RNA-Polymerase),
Hemmung der DNATopisomerase I, II
(Induktion von
Strangbrüchen),
Biotransformation zu
freien Radikalen (z. B.
Anthrazyklin-SemichinonRadikale),
Hemmung der
mitochondrialen
oxidativen
Phosphorylierung,
Interaktion mit der
Zellmembran
(Membranfluidität)
Kardiotoxizität (Kardiomyopathie,
Herzinsuffizienz), Myelotoxizität
(Leukopenie, Thrombozytopenie),
Mukositis, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö
#456.01{sidr1qMfc86}
Abb. 35.13 Das protektive Potenzial von mitotropen Mikronährstoffen auf die kardiotoxische Wirkung von Zytostatika
#455_456{sid3Xwfiog5}
Folgen: Abfall der GSH-Spiegel und der Aktivität der selenabhängigen GSH-Peroxidase (GSH-Px) in Kardiozyten;
die Aktivität der mitochondrialen GSH-Peroxidase kann durch Selen gesteigert und die Akkumulation von
Lipidperoxidationsprodukten (z. B. Malondialdehyd) im Myokard verringert werden.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#456.02{sidasYxVSh2}
Hinweis: Die orale und intravenöse Applikation von Selen (z. B. 1 000 µg Selen als Natriumselenit in 100 ml 0,9 %
NaCl, i. v., 1h vor der CT) kann die anthrazyklininduzierte Kardiotoxizität verringern, ohne die zytotoxische Aktivität
der Anthrazykline zu beeinträchtigen. An den Tagen vor und nach der CT empfiehlt sich die orale Supplementierung
von Selen (z. B. 500 µg/d, p. o.). Zielwert für die Selensubstitution sind Selenspiegel im Vollblut von 130 bis 155 µg/l.
#456_457{sidgjvSGKOR}
Anthrazykline üben ihre zytotoxische Wirkung durch verschiedene Mechanismen aus (z. B. Interkalation in die DNA,
Alkylierung von Makromolekülen, Hemmung der Topoisomerase II, Interaktion mit der Zellmembran,
Biotransformation zu freien Radikalen). Wesentliche Rolle für die Zytotoxizität spielt die Interkalation in die DNA, die
zur Hemmung der Nukleinsäuresynthese führt. Der Einsatz der Anthrazykline wird durch die akute und chronische
Kardiotoxizität, die im Wesentlichen auf der Bildung von Anthrazyklin-Semichinon-Radikalen (Idarubicin >
Doxorubicin > Daunorubicin > Epirubicin) und Anthazyklin-Fe3 +-Komplexen beruhen dürfte, eingeschränkt. Die
Bedeutung des Eisens, insbesondere des chelatisierten Eisens, für die Kardiotoxozität wird dadurch unterstrichen,
dass Eisenchelatoren (ICRF-187 = Dexrazoxan) die kardiotoxischen Wirkungen signifikant verringern können. Das
EDTA-ähnliche Dexrazoxan (ICRF-187) bildet nach Biotransformation einen stabilen Komplex mit Eisen (III)-Ionen
und unterbricht damit den Mechanismus der Radikalbildung durch Anthrazykline. Die Kardiotoxizität korreliert mit der
applizierten Gesamtdosis der Anthrazykline und ist häufig irreversibel. Die chronische Toxizität ist mitunter mit
tödlich verlaufendem Herzversagen, akuten lebensbedrohlichen Arrythmien und Kardiomyopathien assoziiert.
Histopathologisch finden sich u. a. degenerative Veränderungen der Muskelzellen und Fibrillen, der Mitochondrien
und Zellkernverluste. In tierexperimentellen Studien verbesserte Selen als Cofaktor der GSH-Peroxidase den
antioxidativen Status des Myokards und beugte den oxidativen Schäden der Kardiozyten durch Anthrazykline vor.
Die zelluläre Immunkompetenz wird durch Selen verbessert. Das Myokard ist besonders vulnerabel gegenüber
anthrazyklininduzierten oxidativen Schäden, da die Herzmuskelzellen im Vergleich zu anderen Geweben einen relativ
niedrigen Spiegel an Glutathion sowie eine geringe physiologische Aktivität der Glutathion-Peroxidase und der
Superoxid-Dismutase aufweisen. Neben Selen können auch Vit​amin D sowie die beiden mitochondrialen Substrate
L-Carnitin und Coenzym Q10 die Kardiotoxizität der Anthrazykline reduzieren, ohne deren zytotoxische Aktivität zu
beeinträchtigen.
#457.01{sidzS7SSFpC}
35.4.2 Anthrazykline, Herceptin und L-Carnitin
#457.02{sidN3VShUhx}
L-Carnitin reduziert die anthrazyklininduzierte Kardiotoxizität
#457.03{sidU9jGUcT1}
Mechanismus: Die anthrazyklininduzierte Kardiotoxizität ist überwiegend mit der Bildung reaktiver
Sauerstoffspezies (•OH, H2O2) durch das Anthrayzklin-Semichinon-Radikal und erhöhter Lipidperoxidation der
inneren Mitochondrienmembran im kardialen Gewebe assoziiert (siehe auch ○Abb. 35.8 und ○Abb. 35.11);
Anthrazyklin-Fe3 +-Komplexe können zusätzlich eine exzessive zytosolische Freisetzung von Calciumionen auslösen;
Anthrazyklin-Eisen-Komplexe können an das strukturelle Phospholipid der inneren Mitochondrienmembran
Cardiolipin binden.
#457.04{sidSB2VS8Qo}
Folgen: Inhibierung der mitochondrialen Beta-Oxidation langkettiger Fettsäuren; Störung des intrazellulären
Calciumgleichgewichts und Integrität der Mitochondrienmembran; oxidative Schädigung der Myozyten durch freie
Radikale; Beeinträchtigung der kardialen Bioenergetik; erhöhtes Risiko für anthrazyklininduzierte kardiale
Nebenwirkungen (früh: Frequenzanstieg, QT-Verlängerung, supraventrikuläre und ventrikuläre Tachykardie; spät:
Kardiomyopathie, Herzinsuffizienz).
#457.05{sidC5E7l9H9}
Hinweis: Die orale und/oder parenterale Supplementierung von L-Carnitin (z. B. 2 000 mg L-Carnitin, in 250 ml 0,9
% NaCl, i. v. und 3 × 1 000 L-Carnitin mg/d, p. o.) kann die kardiotoxischen Wirkungen der Anthrazykline signifikant
verringern, ohne ihre zytotoxische Aktivität zu beeinträchtigen (□ Tab. 35.18).
#458.01{sidJXkeyPLH}
Tab. 35.18 L-Carnitin in der onkologischen Intervention (Auswahl)
#458.02{sidj17SU97s}
Effekt
Dosierung/Applikation
Verringerung der Anthrazyklininduzierten
Kardiotoxizität/Kardiomyopathie
Oral: 3–6 g L-Carnitin/d (als -tartrat),
p. o., Beginn: 3–4 Tage vor der CTX
intravenös: 2 g L-Carnitin als
Kurzinfusion in 250 ml 0,9 % NaCl (z.
B. 1h vor Anthrazyklin-Applikation)
Verringerung der Kardiotoxizität/
Kardiomyopathie bei Kombi mit
Taxanen oder Anthrazyklinen
Oral: 3–6 g L-Carnitin/d., p. o.,
Beginn: 3–4 Tage vor der CTX
intravenös: 2 g L-Carnitin als
Kurzinfusion in 250 ml 0,9 % NaCl (z.
B. 1h vor Trastuzumab-Applikation)
Adjuvante Therapie des Tumorassoziierten Fatigue-Syndroms
Oral: 3–6 g L-Carnitin/d., p. o.
parenteral: 2 g L-Carnitin als
Kurzinfusion in 250 ml 0,9 % NaCl (z.
B. 2–3×/Woche)
Chemotherapie mit
#458.03{sidnht1fB0o}
Anthrazykline (z. B. Epirubicin)
#458.04{sidDvzDhnFq}
Trastuzumab, Sunitinib
#458.05{sidDTVJ2Y4d}
Fatigue, Tumoranämie
#457_458{sid3sVcJhZZ}
Studien: Bei Krebspatienten besteht häufig ein genereller Carnitinmangel (Mangel: freies Carnitin < 35 µmol/l), der
vom Organismus nicht ausgeglichen werden kann und der durch die antineoplastische Therapie noch verstärkt wird.
Die derzeit in zahlreichen onkologischen Protokollen in unterschiedlichen Dosierungen eingesetzten Anthrazykline,
wie Doxorubicin, Epirubicin, Mitoxantron, Daunorubicin und Idarubicin, weisen ein in dieser Reihenfolge
absteigendes kardiotoxisches Potenzial auf, als dessen pathologisches Korrelat die toxische Kardiomyopathie
anzusehen ist. Man unterscheidet eine dosisunabhängige Frühform von einer dosisabhängigen Spätform, die mit
einem Risiko von 4–8 % ab einer kumulativen Schwellendosis von 550 mg/m2 für Doxorubicin beschrieben wird. Als
weitere Risikofaktoren werden Kombinationsbehandlungen mit 5-Fluorouracil (5-FU), Mitomycin C und Herceptin,
sowie eine mediastinale Bestrahlung angesehen. Die dosisunabhängige Frühform manifestiert sich klinisch
meistens durch Herzrhythmusstörungen, ST-Streckensenkungen und subklinischen Veränderungen von
Funktionsparametern im Ultraschall. Auch die dosisabhängige Spätform zeigt im Vorfeld einer klinisch manifesten
toxisch-dilatativen Herzinsuffizienz häufig subklinische Veränderungen, im Sinne einer eingeschränkten
Ejektionsfraktion.
HiQPdf Evaluation 09.05.2017
#458.06{sidg8nTOloh}
In zahlreichen präklinischen Untersuchungen an Zellkulturen und in Tiermodellen werden eindrucksvolle protektive
Effekte von L-Carnitin und seinen Derivaten (Propionyl-L-Carnitin, Acetyl-L-Carnitin) auf die anthrazyklininduzierte
Kardiotoxizität dokumentiert. Dabei wird übereinstimmend eine Reduktion mitochondrialer Läsionen und eine
verbesserte Sauerstoffaufnahme nach Zugabe von L-Carnitin beschrieben. Im Tierversuch konnten nach einer 6wöchigen Therapie mit Adriamycin bei Ratten neben einem Abfall der Ejektionsfraktion und des linksventrikulären
Drucks verschiedene histologische Veränderungen, wie eine Degeneration und Vakuolisierung der Myozyten,
interstitielles Ödem, eine Fibrose sowie eine Schädigung der Mitochondrien nachgewiesen werden. Diese Schäden
konnten weitgehend vermieden werden, wenn die Tiere gleichzeitig L-Carnitin erhielten. Untersuchungen am
Rattenherzen belegen, dass L-Carnitin in der Lage ist, der doxorubicininduzierten Hemmung der zellulären
Sauerstoffaufnahme, der mitochondrialen ATP-Produktion, der Proteinsynthese und einem intrazellulären Anstieg
freier Calciumionen entgegenzuwirken. Dabei wurden die protektiven Effekte von L-Carnitin ohne eine
Beeinträchtigung der antineoplastischen Wirkung der Anthrazykline erreicht.
#458_459{sidPg6vcW0k}
Anthrazykline wie Adriamycin können wesentliche Schlüsselenzyme des Fettsäurestoffwechsels in ihrer Funktion
beeinträchtigen. So reduziert Adriamycin die Bildung von aktivierten Fettsäuren (Acyl-CoAs) durch die Inhibition der
Acyl-CoA-Synthetase
Herunterladen