HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #119{sid9d7fvM5f} Spezielle Interaktionen zwischen Arzneimitteln und Mikronährstoffen #121.01{sidEBLw6Cw1} 6 Alkohol #121.02{sidxJbvnUru} Alkohol (Ethanol) ist kein Arzneistoff, sondern ein Hilfsstoff, der für die Herstellung und Zubereitung von Arzneimitteln verwendet wird. Aufgrund seiner breiten Anwendung als Genussmittel und seinem ausgeprägtem Einfluss auf den Haushalt vieler Mikronährstoffe wird er an dieser Stelle mit berücksichtigt. Die Deutschen sind absolute Spitzenreiter unter den europäischen Ländern, was den jährlichen Alkoholkonsum betrifft: Der ProKopf-Verbrauch reinen Alkohols beträgt ca. 10,8 Liter, Säuglinge und Greise inbegriffen. Nach aktuellen Schätzungen sind in Deutschland etwa 1,8 Millionen Menschen alkoholabhängig, ein Alkoholmissbrauch liegt bei 2,8 Millionen Menschen vor. Das „Alkoholproblem“ hat damit hierzulande alarmierende Ausmaße angenommen, die zu einer erheblichen Belastung der Volkswirtschaft und des öffentlichen Gesundheitswesens führen. Neben dem Rauchen zählt der Alkoholabusus zu den wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung chronischer Erkrankungen. #121.03{sid3BsnWk9q} 6.1 Mikronährstoffmangel durch Alkoholkonsum #121.04{sidCDynhwn5} Der regelmäßige Konsum von Alkohol, auch in moderaten Mengen, kann schon ausgeprägte Störungen in der Verwertung und im Stoffwechsel vieler Mikronährstoffe hervorrufen (z. B. Mangel an Vitamin B1, B6, B12, Folsäure und Magnesium). Alkoholkonsum steigert z. B. die renale Exkretion von Magnesium, Phosphat, Kalium und Zink. Die Verstoffwechselung und Entgiftung von Alkohol erhöht den Bedarf an B-Vitaminen (z. B. Thiamin, Folsäure). 20–70 % der chronischen Alkoholkonsumenten weisen durch eine Hemmung des aktiven Transportes (Na+/K+-ATPase) einen Thiaminmangel auf. Etwa 80 % der schweren Trinker weisen eine ausgeprägte Hypovitaminose B1 auf. #121.05{sidApBy8wdt} Bei nahezu jedem zweiten Alkoholiker können daher bereits Zeichen einer alkoholischen Polyneuropathie nachgewiesen werden. 50–90 % aller Alkoholiker sind unzureichend mit Vitamin B6 versorgt. Mit bis zu 50 % ist auch ein Folsäuremangel bei Alkoholikern nachweisbar. 20 % der Alkoholiker ohne und 50 % der Alkoholiker mit Lebererkrankung weisen erniedrigte Spiegel an Retinol auf. Bei über 50 % der Alkoholiker liegt ein ausgeprägter Vitamin-D-Mangel vor. Über ein Drittel aller Alkoholiker sind unzureichend mit Magnesium versorgt. Darüber hinaus haben Personen mit langjährigem Alkoholabusus in über 90 % der Fälle eine defizitäre Zinkversorgung. #121.06{sidCOwETCxB} Chronischer Alkoholkonsum führt früher oder später zu einem Mangel an Vitaminen und anderen Mikronährstoffen. Bei alkoholinduzierten Störungen des Mikronährstoffhaushalts spielen verschiedene Faktoren und Mechanismen eine Rolle, insbesondere eine unzureichende Nährstoffzufuhr mit der Nahrung, Beeinträchtigung der Resorption und Utilisation sowie erhöhte renale Nährstoffverluste (□ Tab. 6.1) #121.07{sid5GRyYZie} Im Hinblick auf die Vorbeugung und Begrenzung alkoholbedingter Schäden sollte im klinischen Alltag einem alkoholinduzierten Mangel an Mikronährstoffen vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt und rechtzeitig durch eine spezifische Supplementierung interveniert werden. #122.01{sidTmrgHIbl} Tab. 6.1 Mechanismen alkoholbedingter Störungen des Mikronährstoffhaushalts #122.02{sidwarwxaxt} Mechanismus #122.03{sidsDVBilho} Unzureichende diätetische Zufuhr (wenig frisches Obst und Gemüse) Betroffene Mikronährstoffe (Auswahl) Alle Mikronährstoffe (v. a. Folsäure, Vitamin B1, Vitamin B3, Vitamin B6, Magnesium, Antioxidanzien) #122.04{sidlHba7nty} Erhöhter Bedarf #122.05{sidToVXB7Al} Maldigestion/Malabsorption: alkoholinduzierte Schleimhautschäden, Gastritis, pathologische bakterielle Besiedlung, intestinale Verluste, (z. B. Durchfall), exokrine Pankreasinsuffizienz #122.06{siduNdvwZ6d} Hemmung aktiver Transport- und Resorptionsmechanismen Vitamin B1, Vitamin B2, Vitamin B3, Vitamin B6, Folsäure, Magnesium, Zink, Selen Folsäure, Vitamin B2, Vitamin B12, Folsäure, Vitamin K, Zink, Eisen, Selen Vitamin B1 (Na+/K+-ATPase), Vitamin B12 (Intrinsic-Faktor, IF) #122.01{sidTmrgHIbl} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 6.1 Mechanismen alkoholbedingter Störungen des Mikronährstoffhaushalts #122.02{sidwarwxaxt} Mechanismus #122.07{sidXGQxKkko} Störung der biologischen Aktivierung und Metabolisierung (z. B. Induktion von CYP2E1) #122.08{sidAEwY9rd4} Lipidperoxidation (Radikalbildung) durch oxidative Metabolisierung von Alkohol #122.09{sid76pzPjtx} Erhöhte renale Ausscheidung Betroffene Mikronährstoffe (Auswahl) Vitamin D (Leber: 25-(OH)-D), Vitamin B6, (Leber: PALP), Vitamin A (Leber: Retinol) Vitamin C, Vitamin E, Glutathion, SAdenosylmethionin, Carotinoide, Eisen Zink, Magnesium, Vitamin C, Vitamin B1, Folsäure #121.08{sidCcPuzN6n} 6.1.1 Alkohol und Vitamin B1 #121.09{sidMTfHgYPm} Thiamin-Mangel und alkoholische Polyneuropathie #121_122{sidRaVU0Dns} Mechanismus: Alkohol hemmt den aktiven Transport von Vitamin B1 im Darm (→ Inhibierung der Na+/K+-ATPase); die Bildung der biologisch aktiven Wirkform Thiamindiphosphat sowie die Speicherung in der Leber und die Thiaminverwertung werden durch die toxische Wirkung des Alkohols und seines Metaboliten Acetaldehyd gestört; eine erhöhte renale Ausscheidung bewirkt zusätzliche Thiaminverluste über die Niere. #122.10{sidRyPgZaDh} Folgen: Abfall des Thiaminspiegels im Blut, Abnahme der erythrozytären Transketolase-Aktivität (guter Laborparameter zur Erfassung des Thiaminstatus); Beeinträchtigung Thiamin-abhängiger Stoffwechselprozesse (z. B. oxidative Decarboxylierung von Pyruvat, Citrat-Zyklus); neuronaler ATP-Mangel; axonale Degeneration und Demyelinisierung der peripheren Nerven (Markscheidenzerfall durch Thiaminmangel); sensorische, motorische und autonome Neuropathien des peripheren und vegetativen Nervensystems (z. B. Fußbrennen) sowie alkoholtoxische Schäden des Klein- und Mittelhirns (Wernicke-Enzephalopathie: Augenmuskellähmung, Ataxie, Verwirrtheit). #122.11{sidsBCXQOoD} Hinweis: Die durch die alkoholtoxischen Effekte gestörten zellulären Stoffwechselvorgänge an den Nerven können bei der alkoholischen Polyneuropathie durch die Gabe von Vitamin B1 signifikant verbessert werden. Mittel der Wahl ist das lipidlösliche und hoch bioverfügbare Benfotiamin (150–300 mg tgl., p. o.). In einer Studie an 84 Patienten mit alkoholischer Polyneuropathie senkte Benfotiamin signifikant den Neuropathie-Gesamtscore und verbesserte das Vibrationsempfinden. #122.12{sidchgzTZBd} Bei Verdacht auf eine Wernicke-Enzephalopathie muss eine sofortige parenterale Vitamin-B1-Substitution (100– 500 mg Thiamin tgl., 3–5 Tage lang i. v. oder i. m., dann Benfotiamin 300–600 mg tgl., p. o.) erfolgen, da die Erkrankung unbehandelt zu schweren irreversiblen hirnorganischen Schäden und zum Tode führen kann. Neben Vitamin B1 können auch Defizite an Magnesium (aktiviert Thiamin), Kalium und den Vitaminen B2, B6, B3 und C bestehen, die durch entsprechende Substitution kompensiert werden sollten. Schleimhautläsionen wie Glossitis oder Stomatitis sind bei Alkoholabusus häufig und zum Teil auf einen Vitamin-B2-Mangel zurückzuführen. #123.01{sidT8EOncxE} 6.1.2 Alkohol und Vitamin B6 #123.02{sidTVva8zhq} Vitamin-B6-Mangel bei chronischem Alkoholkonsum #123.03{sidM7kU40cg} Mechanismus: Alkohol stört die Freisetzung aus der Proteinbindung in der Nahrung, die Phosphorylierung zum stoffwechselaktiven Coenzym Pyridoxalphosphat (PALP) und den Leberstoffwechsel des Vitamin B6. Der Abbau von Pyridoxalphosphat zu Pyridoxin und die renale Pyridoxinexkretion ist erhöht; unzureichende diätetische Zufuhr und Malabsorption von Vitamin B2 (→ Riboflavin wird in seiner coenzymatisch aktiven Form Flavinadeninmononucleotid (FMN) für die Metabolisierung von Pyridoxin zu Pyridoxalphosphat benötigt). #123.04{sidUJrUWYye} Folgen: Vitamin-B6-Mangel; Hyperhomocysteinämie (Plasma ≥ 10 µmol/l), Hautveränderungen (seborrhoische Dermatitis), Mundwinkelrhagaden, Entzündungen der Mundschleimhaut und des Zahnfleisches (Glossitis, Stomatitis), alkoholische Neuropathie, Störungen des Neutrotransmitterstoffwechsels im ZNS; verminderte Reifung und Proliferation der T-Lymphozyten. Hinweis: Vitamin-B6-Mangelsymptome überschneiden sich zum Teil mit denen eines Vitamin-B2-Mangels. #123.05{sidmWd3fVlo} Hinweis: Substitution von Vitamin B6 (50–300 mg tgl., p. o.) vorzugsweise als Vitamin-B-Komplex; bei Polyneuropathien in Kombination mit dem Vitamin-B1-Prodrug Benfotiamin (300–600 mg tgl., p. o.) und Vitamin B12. #123.06{sidKnp8aiac} 6.1.3 Alkohol und Vitamin B12 #123.07{sidgXDzHddi} Vitamin-B12-Mangel bei chronischem Alkoholkonsum #123.08{sidYfUGVLtf} Mechanismus: Ungenügende diätetische Zufuhr; Malabsorption durch alkoholinduzierte Gastritis (Proteinmaldigestion, pathologische bakterielle Besiedlung des Magens) und/oder exokriner Pankreasinsuffizienz (gestörte Freisetzung des Vitamins aus der Haptocorrin-Bindung); der oxidative Abbau von Acetaldehyd ist im Magen mit einer erhöhten Bildung von freien Radikalen verbunden, welche die Bindung von Vitamin B12 an Intrinsic Factor (IF) und den L-Glutathionstatus reduzieren können. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #123.09{sidZKprkSUB} Folgen: Vitamin-B12-Mangel: Vitamin B12 (Serum): < 450 ng/l; Holo-TC (Plasma): < 70 pmol/l; MMS (Serum): > 40 µg/l; MMS (Urin): ≥ 1,60 mg/g Kreatinin; Hyperhomocysteinämie (Hcy ≥ 10 µmol/l); makrozytäre Anämie; Empfindungsstörungen (Parästhesien, Sensibilitätsstörungen), Risiko für vorzeitige Hirnatrophie. #123.10{sidYqf9iSYM} Hinweis: Parenterale Substitution von Vitamin B12 (1 000 µg tgl., i. m. über eine Woche, dann 1–2× pro Woche, z. B. Hydroxocobalamin), zusätzlich Vitamin-B-Komplex p. o.; bei Parästhesien in Kombination mit Benfotiamin (300– 600 mg tgl, p. o.) und Vitamin B6. Die chronische Aufnahme von Alkohol (Ethanol) führt im Tierversuch zu einer Depletion der hepatischen S-Adenosylmethionin (SAM)-Spiegel, Inhibierung der Vitamin-B12-abhängigen Aktivität der Methionin-Synthase (MS), Anstieg der Proliferationsrate von Leberzellen sowie zu einer Blockade wichtiger Methylierungsreaktionen. Aufgrund der Funktion von SAM als wichtigster Methylgruppendonator im Intermediärstoffwechsel ist bei chronischem Alkoholkonsum (mit Hyperhomocysteinämie) und SAM-Depletion eine DNA-Hypomethylierung in den peripheren Lymphozyten nachweisbar. Die Hypomethylierung der DNA ist möglicherweise eine Erklärung für die mit dem Alkoholkonsum in Zusammenhang stehende erhöhte Karzinogenese. Störungen des Methylgruppenstoffwechsels sind auch mit einem erhöhten Risiko für eine Hirnatrophie verbunden. Im Tierversuch konnte die orale Aufnahme von SAM die durch Alkohol verursachten Leberschäden verringern und einen alkoholinduzierten Mangel an L-Glutathion kompensieren. Auch beim Menschen wird SAM erfolgreich zur Therapie von alkoholinduzierten Leberschäden eingesetzt. #123.11{sidEbsoJH0t} 6.1.4 Alkohol und Folsäure #123.12{siduP4VPzXM} Folsäuremangel bei chronischem Alkoholkonsum #123_124{sidvBl0Tu9N} Mechanismus: Mangelernährung (zu wenig frisches Obst und Gemüse); Alkohol stört die intestinale Dekonjugation von Folsäurepolyglutamaten aus der Nahrung (→ Malabsorption), den Transport in die Gewebe und Organe sowie die hepatische Speicherung und Freigabe; alkoholinduzierte Störung des Vitamin-B12-Status; erhöhte renale Folsäureverluste, Störung der Rückresorption in der Niere; alkoholinduzierte Bildung von freien Radikalen und Acetaldehyd. #124.01{sider4nifaZ} Folgen: Folsäuremangel (Erythrozyten < 250 µg/l), Störungen der Purin- und Pyridimidinsynthese, Hemmung von Methylierungsreaktionen, Hyperhomocysteinämie (Hcy ≥ 10 µmol/l); hypersegmentierte polymorphkernige Granulozyten; makrozytäre, hyperchrome Anämie (Megaloblastenanämie, Vitamin-B12-Mangel ist labordiagnostisch auszuschließen!); Leuko-, Lympho- und Thrombozytopenie; Stomatitis, Glossitis; neuropsychiatrische Ausfallerscheinungen (z. B. depressive Verstimmung, Vergesslichkeit). #124.02{sidFQ1VH6Ob} Hinweis: Bei Vorliegen einer makrozytären Anämie sollte Folsäure parenteral (10–15 mg Folsäure/d, i. m. über 7 Tage) zusammen mit Vitamin B12 (500–1 000 µg/d, i. m.) verabreicht werden. Im Anschluss werden 1–3 × 5 mg Folsäure täglich (p. o. oder i. m.) zusammen mit Vitamin B12 bis zur Normalisierung des Folsäurestatus (→ erythrozytäre Folsäurespiegel) gegeben. #124.03{sidzjAUd0mZ} Studien: Folsäuremangel ist eine der häufigsten Vitaminmangelerscheinungen bei chronischem Alkoholabusus. 20–50 % der Betroffenen weisen erniedrigte Folsäurekonzentrationen im Plasma und den Erythrozyten sowie erhöhte Homocysteinspiegel auf. Der dreiwöchige Konsum von Rotwein und Spirituosen erhöhte in Studien an gesunden Männern bereits die Homocysteinspiegel um bis zu 9 %. Tetrahydrofolsäure (THF) und ihre Derivate bilden die coenzymatisch aktiven Formen der Folsäure. Die Umwandlung der verschiedenen THF-Derivate ineinander ist mit Ausnahme der Methylentetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR)-abhängigen Überführung von 5,10Methylen-THF zu 5-Methyl-THF reversibel (○Abb. 3.2). Die einzige Möglichkeit aus 5-Methyl-THF erneut THF zu bilden besteht in der Vitamin-B12-abhängigen Remethylierung von Homocystein zu Methionin (MethioninsynthaseReaktion). Ein Mangel an Vitamin B12 führt zu einer Blockade der Regeneration von THF und einer Akkumulation an 5-Methyl-THF, während der Organismus an der metabolisch aktiven THF verarmt (→ funktioneller Folsäuremangel). Alleinige Therapie mit Folsäure kann zwar die hämatologischen Symptome eines Vitamin-B12-Mangels kompensieren, nicht aber die Synthese von Methionin aus Homocystein normalisieren. Dadurch werden alle von SAdenosylmethionin abhängigen Methylierungsreaktionen (z. B. Synthese von Myelin) gestört mit der Folge von schweren, zum Teil irreversiblen neurologischen Schäden. Die alkoholinduzierte Störung des Folsäurehaushalts scheint zudem bei Frauen das Brustkrebsrisiko zu erhöhen. Alkohol induziert die Expression des Cytochrom-P450Isoenzyms CYP2E1, das Ethanol zu mutagenem Acetaldehyd (Karzinogen) metabolisert. Zusätzlich führt chronischer Alkoholkonsum zu einer hepatischen Depletion der Folsäurereserven. In der Folge wird die folsäurevermittelte Methionin-Synthese und damit wichtige Methylierungsprozesse im Stoffwechsel gehemmt. Die DNA-Methylierung spielt eine zentrale Rolle bei der Kontrolle der Transkription und Zellproliferation. Hyper- und hypomethylierte DNA finden sich als Zeichen einer gestörten DNA-Methylierung in Tumorzellen. In einer aktuellen Studie an Frauen mit hohem Alkoholkonsum (≥ 40 g/d) konnte das Brustkrebsrisiko durch die tägliche Einnahme von 400 µg Folsäure signifikant verringert werden. #124.04{sidFtnSJCKb} 6.1.5 Alkohol und Vitamin C #124.05{sid8Lc8uI0l} Vitamin-C-Mangel bei chronischem Alkoholkonsum #124.06{sid6QRTGtJp} Mechanismus: Mangelernährung durch zu wenig frisches Obst und Gemüse; Resorptionsstörungen; stark erhöhte renale Vitamin-C-Ausscheidung. #124_125{sidoto078PI} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Folgen: Vitamin-C-Mangel (Plasma < 0,4 mg pro dl bzw. 22 µmol/l); Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Muskelschwäche, Infektanfälligkeit, hämolytische Anämie, Entzündungen des Gaumens und Zahnfleisches, Risiko für alkoholbedingte Leberschäden, Zahnfleischbluten, lockere Zähne; Skorbut. #125.01{sidhe9nax9D} Hinweis: Nahezu alle Alkoholabhängigen weisen als Folge der erhöhten renalen Verluste stark reduzierte VitaminC-Konzentrationen im Plasma und Blutzellen (z. B. Leukozyten) auf. Acetaldehyd kann zudem mit L-Glutathion reagieren und die Produktion an reaktiven Sauerstoffspezies steigern. Als Folge steigt der Bedarf an Antioxidanzien wie Vitamin C und L-Glutathion und der antioxidative Zellschutz sinkt. Das Risiko steigt unter anderem für oxidative Leberzellschäden. Chronischer Alkoholkonsum induziert das im endoplasmatischen Retikulum (ER) lokalisierte sauerstoffabhängige mikrosomale Ethanol oxidierende System. Dadurch wird die Synthese von reaktiven Sauerstoffspezies begünstigt (○ Abb. 6.1). Letztere reagieren mit Membranphospholipiden und Organellen der Leberzellen (z. B. Mitochondrien). Die damit assoziierte Lipidperoxidation mündet im Untergang von Leberzellen mit dem Endpunkt einer Leberzellnekrose. #125.02{sidWyI7cNCy} Abb. 6.1 Alkohol und ROS-assoziierte Stoffwechselwege in der Leber #125.03{sidnCcUI2wY} Bei Vitamin-C-Mangel sollte initial eine parenterale Applikation (z. B. Infusionen mit 5–7,5 g Vitamin C in 100 ml 0,9 % NaCl, langsam i. v., täglich) und begleitend eine regelmäßige orale Substitution (z. B. 1 000–2 000 mg tgl., p. o.) erfolgen. #125.04{sidLZKcghDS} 6.1.6 Alkohol und Vitamin A #125.05{sidaYKMbnho} Vitamin-A-Mangel bei chronischem Alkoholkonsum #125.06{sid8DAW6TCD} Mechanismus: Verminderte diätetische Zufuhr (Obst/Gemüse: Carotinoide); intestinale Resorptionsstörungen; Inhibierung der Oxidation von Retinol zu Retinsäure durch Mangel an der zinkabhängigen Alkohol-Dehydrogenase; Leberzellschädigung; Induktion von Cytochrom-P450–2E1 steigert den Retinolabbau; Zinkmangel infolge Hyperzinkurie führt zu einer Entleerung der hepatischen Vitamin-A-Speicher (Zn: Alkohol-Dehydrogenase, RBP → Retinol-Distribution). #125.07{sidE6XikmwG} Folgen: Vitamin-A-Mangel (→ Mangel an retinolbindendem Protein, RBP); Nachtblindheit (Hemeralopie), Schäden der Horn- und Bindehaut, Erblindung, Schleimhautatrophie (Gingivitis, Stomatitis), Geruchsstörungen, hypochrome Anämie. #125.08{sidu0JSyp7V} Hinweis: Alkoholabhängige weisen häufig erniedrigte Vitamin-A-Konzentrationen im Blut auf. Da chronischer Alkoholkonsum die Toxizität von Vitamin A und das Risiko für eine Leberschädigung erhöht erfolgt die Supplementierung in einem engen therapeutischen Fenster. #126.01{sid4p9VwBrb} 6.1.7 Alkohol und Vitamin D #126.02{sid8nVdSNbo} Vitamin-D-Mangel bei chronischem Alkoholkonsum #126.03{sidHgD5eeDV} Mechanismus: Unzureichende Zufuhr mit der Nahrung (z. B. fetter Seefisch); Malabsorption (→ exokrine Pankreasinsuffizienz); geringe Sonnenlichtexposition; alkoholbedingte Leberschädigung beeinträchtigt Synthese von Vitamin-D-Plasmaproteinen (Plasmatransportfähigkeit von Vitamin Ds) und Vitamin-D-Metabolisierung; Induktion von Cytochrom-P450-System steigert Vitamin-D-Abbau; renale Calciumverluste. #126.04{sidayc7f8Dw} Folgen: Vitamin-D-Mangel [25(OH)D im Serum: < 50 nmol/l bzw. < 20 ng/ml] oder Vitamin-D-Insuffizienz [25(OH)D im Serum: < 75 nmol/l bzw. < 30 ng/ml]; Hypocalcämie, Anstieg der Parathormonspiegel; Störungen im Calcium- und Knochenstoffwechsel, Störung in der Balance zwischen Knochenabbau und -aufbau, Entmineralisierung der Knochen, Osteopathie und erhöhtes Frakturrisiko. Verstärkt werden die Skelettanomalien durch direkte Effekte des Alkohols auf die Knochenzellen (z. B. Osteoblasten). #126.05{sidpeoiN2MR} Hinweis: Bei einem Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) sollte mithilfe der folgenden Formel zunächst die Vitamin-D-Initialdosis (VDI) in I. E. berechnet werden: Vitamin-D-Initialdosis (VDI) in I. E. = 40 × [Zielwert (nmol/l) – Ausgangswert (nmol/)] × kg Körpergewicht (KG) HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #126.06{sid82CXrHDH} Die errechnete Vitamin-D-Initialdosis (VDI) sollte gleichmäßig etwa auf 7–10 Tage verteilt werden (Bsp.: VDI = 405 000 I. E. → 10 Tage lang 40 000 I. E. Vitamin D täglich). #126.07{sidj3FfSAcP} Im Anschluss sollten täglich 40–60 I. E. Vitamin D pro kg KG eingenommen werden. Eine Erfolgskontrolle der Vitamin-D-Therapie sollte frühestens nach 6–8 Wochen labordiagnostisch durch die Messung des 25(OH)D im Serum (Referenz: 40–60 ng/ml) überprüft werden. #126.08{sidF8Liu7mm} 6.1.8 Alkohol und Vitamin E #126.09{sidqRAWcmyR} Vitamin-E-Mangel bei chronischem Alkoholkonsum #126.10{sid46s6fuz4} Mechanismus: Unzureichende Zufuhr mit der Nahrung; Malabsorption (→ exokrine Pankreasinsuffizienz); Alkohol interferiert mit dem Einbau des Vitamins in die Leber (VLDL) und der Distribution (Blut) im Organismus; die bei der oxidativen Metabolisierung von Alkohol anfallenden freien Radikale steigern den Vitamin-E-Verbrauch. #126.11{sidhiMQbPpa} Folgen: Vitamin-E-Mangel (Plasma: ≤ 12 µmol/l); erhöhte Lipidperoxidation (→ MDA, 4-HNE); Neuropathien, hämolytische Anämie. #126.12{sidXelT2tiI} Hinweis: Oxidativer Stress spielt in der Pathogenese alkoholischer Lebererkrankungen eine zentrale Rolle. Bei Alkoholikern sind die Vitamin-E-Spiegel in der Leber und im Plasma häufig erniedrigt und korrelieren mit der Schwere der Leberstörung. Die alkoholtoxischen Effekte auf die Leber und extrahepatischen Gewebe können durch die Supplementierung von Vitamin E signifikant verringert werden. #126.13{sidtA20uDQj} Zur Kompensation eines Vitamin-E-Mangels sollte eine Vitamin-E-Substitution (500–1 000 I. E. α-Tocopherol tgl., p. o.) zusammen mit Vitamin C (500–2 000 mg/d), Selen (100–300 µg/d) und anderen Antioxidanzien erfolgen. Bei Patienten mit Maldigestion oder Malabsorption durch Störungen der Galle- und Pankreassekretion ist eine intramuskuläre Applikation (200–500 I. E. Vitamin E tgl., i. m.) empfehlenswert. Eine hochdosierte Langzeitgabe von Vitamin E an Alkoholiker kann die Vitamin-K-abhängige Synthese von Gerinnungsfaktoren verschlechtern und das Risiko für Koagulopathien erhöhen! #126.14{sidTZvLhtnC} 6.1.9 Alkohol und Zink #126.15{sidqKW8GHbl} Zinkmangel bei chronischem Alkoholkonsum #126.16{sidZb7A7HaA} Mechanismus: Mangelernährung; gestörte intestinale Zinkresorption; erhöhte renale Zinkexkretion (Hyperzinkurie); Leberzellschäden. #127.01{sidSCqOTktW} Folgen: Zinkmangel (Serum < 0,75 mg/l, Abfall der Metallothionein-Spiegel); Geschmacksstörungen, Appetitlosigkeit, Anorexie, Haut-, Schleimhautveränderungen, Einschränkung der Immunkompetenz: Phagozytose, Chemotaxis und T-Zellaktivität ↓, Infektanfälligkeit; Störungen des Vitamin-A-Stoffwechsels: Oxidation von Retinol zu Retinal ↓, Dämmerungssehen ↓, Nachtblindheit, Synthese des RBP ↓, Mangel an zinkabhängiger AlkoholDehydrogenase stört oxidativen Alkoholabbau. #127.02{sidz0593la9} Hinweis: Bis zur Kompensation der Zinkmangelsymptomatik werden 20–50 mg Zink tgl., p. o., als Orotat, Gluconat oder Aspartat empfohlen, im Anschluss Dosisreduktion auf 10–15 mg Zink tgl. #127.03{sidC4txnnft} Neben dem Zinkstatus sollte auch der Kupferhaushalt labordiagnostisch erfasst werden, da Kupfer mit dem Zinkund Eisenstoffwechsel in enger Beziehung steht. #127.04{sidKeAdwGyA} 6.1.10 Alkohol und Magnesium #127.05{sid13FTdk2a} Magnesiummangel bei chronischem Alkoholkonsum #127.06{sid7kOGCcU6} Mechanismus: Gestörte intestinale Magnesiumresorption; Durchfälle; erhöhte renale Magnesiumexkretion; häufiger Alkoholkonsum fördert die alkoholinduzierte Magnesiumdiurese und beeinträchtigt zugleich die renale tubuläre Rückresorption. Die Niere kann die Magnesiumausscheidung bei schlechter Versorgungslage drosseln. Dieser renale Magnesiumspareffekt wird von Alkohol durchbrochen. #127.07{sidLOUCQs6g} Folgen: Magnesiummangel (Serum < 0,76 mmol/l); Muskelkrämpfe, Muskelschwäche, Kardiomyopathie, Hypomagnesiämie führt zur Hypovitaminose D durch erhöhte Aktivität der 24-Hydroxylase, Störungen des VitaminD-, Calcium- und Knochenstoffwechsels: Aktivität der 25-Hydroxylase ↓, 1α-Hydroxylase ↓, Bildung des VDBP ↓, Osteopathie, Hypocalcämie → alkoholinduzierte Osteoporose). #127.08{sidiyvJzJLY} Hinweis: Der regelmäßige Konsum moderater Alkoholmengen kann bereits durch den renalen Verlust zu einem Magnesiummangel führen, insbesondere bei magnesiumarmer Ernährung. Der Magnesiumstatus kann im Vollblut oder im Serum (Referenz: 0,76–1,15 mmol/l) labordiagnostisch kontrolliert werden. Bis zur Kompensation der Magnesiummangel-Symptomatik sollten täglich 4–8 mg Magnesium pro kg Körpergewicht über den Tag verteilt, z. B. als Citrat, Orotat oder Aspartat eingenommen werden. Initial sind auch Infusionen mit Magnesiumsulfat sinnvoll. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #127.09{sidkUXQLUX4} 6.1.11 Alkohol und Selen #127.10{sidB6BUxyjB} Selenmangel bei chronischem Alkoholkonsum #127.11{sidMs559U29} Mechanismus: Verminderte diätetische Selenaufnahme; gestörte intestinale Selenresorption; erhöhter intestinaler Selenverlust (Durchfall, Erbrechen). #127.12{sidFeSh6zUI} Folgen: Selenmangel (Vollblut < 100 µg/l, Abfall der Glutathion-Peroxidase-Aktivität); Abfall der Selenspiegel in den Leukozyten, Müdigkeit, Infektanfälligkeit, Störungen des Schilddrüsenhormonstoffwechsels; erhöhtes Risiko für radikalinduzierte Schäden der Leber, des Herzmuskels und der Skelettmuskulatur. #127.13{sidf7LtqMnn} Hinweis: Je nach Ausprägung des Selenmangels empfehlen sich initial Kurzinfusionen mit Natriumselenit (z. B. 500 µg Selen) sowie die regelmäßige orale Substitution eines Antioxidanzien-Präparats mit 100 bis 300 µg Selen. Ein guter Selenstatus im Vollblut liegt bei 130 bis 155 µg/l. #127.14{sid4lByXlQp} 6.1.12 Alkohol und Eisen #127.15{sidDmaPV979} Alkohol erhöht die Eisenspeicher im Organismus #127.16{sidWd4aujRn} Mechanismus: Die Eisen- und Ferritinspiegel im Serum steigen bereits bei moderatem Alkoholkonsum an. #127.17{siddvSLx1gs} Folgen: Eisenakkumulation in den Hepatozyten und Kupfferzellen; eiseninduzierte oxidative Schäden und Aktivierung von NFκB kann proinflammatorische Prozesse in der Leber fördern und das alkoholbedingte Risiko für eine Leberfibrose und Leberzirrhose steigern, insbesondere bei chronischem Alkoholabusus. #128.01{sidDZituSOW} Hinweis: Eiseninduzierter oxidativer Stress spielt in der Pathogenese alkoholinduzierter Leberschäden eine zentrale Rolle. Bei chronischem Alkoholkonsum ist eine unkontrollierte Selbstmedikation mit Eisenpräparaten wegen der Gefahr der Eisenakkumulation in der Leber und hepatotoxischer Schäden zu vermeiden. Die Substitution antioxidativ wirkender Mikronährstoffe (z. B. Vitamin C, E, Betacarotin, Selen) ist empfehlenswert. #128.02{sidiPwRjXcZ} Literatur #128.03{sidhpEPEvie} Abott L et al. Magnesium deficiency in alcoholism: possible contribution to osteoporosis and cardiovascular disease in alcoholics. Alcohol Clin Exp Res, 18: 1076–1082, 1994 #128.04{sidMNkN39nl} Allan DT et al. The royal college of physicians report on alcohol, guidelines for managing wernickes’s encephalopathy in the accident and emergency department. Alcohol & Alcoholism, 37 (6): 513–521, 2002 #128.05{sidrSqHjTgh} Ayazpoor U. Chronic alcohol abuse. Benfotiamine in alcohol damage is a must. MMW Fortschr Med, 143 (16): 53, 2001 #128.06{sidO3QpZzT2} Baglietto L et al. Does dietary folate intake modify effect of alcohol consumption on breast cancer risk? Prospective cohort study. BMJ, 331: 807–810, 2005 #128.07{sidNBvR03Fa} Baker H et al. 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Alcohol & Alcoholism, 33 (6): 631–638, 1998 #130.01{sidLiIgTzer} 7 Analgetika #130.02{sidXlM889Lx} Gastrointestinale Störungen durch Acetylsalicylsäure (ASS) und nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) zählen zu den häufigsten Nebenwirkungen aller Arzneimittel in den modernen Industrienationen. Der Acetylsalicylsäure (ASS) kommt hierbei nicht zuletzt aufgrund der hohen Verbrauchsrate im Rahmen der Selbstmedikation die größte Bedeutung zu. Über 25 % aller Nebenwirkungen der Acetylsalicylsäure betreffen den Gastrointestinaltrakt. Sie reichen von leichten Beschwerden wie Dyspepsie und oberflächlichen Erosionen der Magenschleimhaut bis hin zu okkulten Blutungen, erosiver Gastritis und Ulzerationen (z. B. Magengeschwür). Das relative Risiko für gastrointestinale Störungen durch Acetylsalicylsäure steigt mit der Tagesdosis und Einnahmedauer. Die gleichzeitige Einnahme anderer NSAID verdoppelt das Risiko. #130.03{sidebvvy0br} 7.1 Gastrointestinale Störungen durch Acetylsalicylsäure und nichtsteroidale Antirheumatika #130.04{sidG4ndNlqE} Die pharmakologischen Eigenschaften der Acetylsalicylsäure beruhen überwiegend auf einer Hemmung von Cyclooxygenase-(COX)-Isoenzymen und Reduktion der Prostaglandinsynthese. Während die antiphlogistische, analgetische und antipyretische Wirkung der Acetylsalicylsäure hauptsächlich aus der Hemmung des Enzyms COX2 resultiert, führt die gleichzeitige unselektive Hemmung der COX-1 zu zahlreichen unerwünschten Wirkungen, insbesondere gastrointestinalen Störungen. #130.05{sid1GgVQtJT} Prostaglandine gehören zur Klasse der Gewebshormone, die vielfältige physiologische (z. B. Magenschleimhautschutz) und pathophysiologische (z. B. Beteiligung an Schmerz, Entzündung) Funktionen im Organismus ausüben. In der Magenschleimhaut kommen Prostaglandine, v. a. PGE2, in hohen Konzentrationen vor. Sie stimulieren die Schleimsekretion und schützen die Magenschleimhaut durch einen zytoprotektiven Effekt vor Nekrosen und Entzündungen. Eine unselektive Hemmung der Prostaglandinsynthese (Magen: PGE2-Synthese ↓) durch Acetylsalicylsäure verschlechtert nicht nur die Qualität und Menge des schützenden Magenschleims. Auch der Blutstrom in der Magenmukosa wird verringert und die Salzsäureproduktion erhöht. Das Oberflächenepithel des Magens ist dadurch ungeschützt dem sauren und enzymreichen Magensaft ausgeliefert. Unter der Einnahme von Acetylsalicylsäure und anderen nicht selektiven NSAID treten daher häufig Magenbeschwerden und okkulte Mikroblutungen auf. Seltener, aber dafür gefährlicher sind schwere Magenblutungen und Magengeschwüre. #130.06{sidM8gUnLUj} Da gastrointestinale Nebenwirkungen der Acetylsalicylsäure und NSAID über eine Hemmung der konstitutiven COX1 entstehen, setzte man große Hoffnungen in die Entwicklung nebenwirkungsärmerer selektiver COX-2-Hemmer, wie Rofecoxib und Celecoxib (CLASS study). Der anfänglichen Euphorie folgte jedoch rasche Ernüchterung, als beim BfArM zahlreiche Meldungen über gastrointestinale Nebenwirkungen dieser „neuen“, für die Therapie von Schmerzen bei degenerativen Gelenkerkrankungen (→ Osteoarthrose, Rheuma), zugelassenen Arzneimittel eingingen. #130_131{sidQOrCh5Hj} Weitere Komplikationen betrafen das Herz-Kreislauf-System, insbesondere ein Anstieg des Blutdrucks und das Auftreten peripherer Ödeme. Die COX-2 kann als konstitutives Enzym im Zentralnervensystem, im Magen und den Nieren nachgewiesen werden. Die über die regulierbare COX-2 gebildeten Prostaglandine sind im Organismus an wichtigen physiologischen Funktionen, wie der Regulation des renalen Blutvolumens oder der Regeneration der Magenschleimhaut beteiligt. So erfolgt z. B. die Abheilung bereits bestehender Schäden der Magenwand vornehmlich über die von COX-2 erzeugten Prostaglandine. Das unerwartete Nebenwirkungsprofil der COX-2Hemmer verdeutlicht die komplexe Natur neuer Arzneimittel mit geringem klinischem Erfahrungsschatz und hebt den therapeutischen Stellenwert altbewährter Substanzen wie Acetylsalicylsäure hervor (○ Abb. 7.1). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #131{sidnVjpxClH} Abb. 7.1 NSAID und gastrointestinale Schäden (nach becker et al., 2004) #131_132{sidUCMKd3j2} Aktuelle Studien mit Acetylsalicylsäure und Vitamin C lassen die ASS-induzierten Gastropathien in einem neuen Licht erscheinen und bieten neue therapeutische Ansätze zur Reduktion der gastrointestinalen Nebenwirkungen. Danach ist die schädigende Wirkung der ASS auf die Magenmukosa nicht nur auf die Hemmung der die Magenschleimhaut schützenden Prostaglandine zurückzuführen. Als neuer Pathogenesefaktor rücken freie Radikale in den Fokus. Oxidativer Stress ist wesentlich an der Pathogenese und Progression gastrointestinaler Störungen durch ASS beteiligt. #132.01{sidgZl0qM8m} 7.1.1 Acetylsalicylsäure und Vitamin C #132.02{siduvqyvjnB} Vitamin C schützt vor Magenschleimhautschäden durch ASS #132.03{sidp6RVuB5R} Mit Vitamin-C-Konzentrationen die bis zu 25-mal höher sind als im Plasma, zählt die Magenmukosa zu den größten Vitamin-C-Depots im menschlichen Körper. An den Gastropathien sind neben der Hemmung der protektiven Prostaglandine vor allem prooxidative Prozesse und Störungen des gastrointestinalen Vitamin-C-Haushalts durch ASS beteiligt. Unter einer ASS-Therapie fallen die Vitamin-C-Spiegel im Magensaft, Plasma und Urin ab. Auch der Vitamin-C-Gehalt im Gewebe sinkt unter ASS (□ Tab. 7.1). Durch die Kombination mit Vitamin C lässt sich die Inzidenz unerwünschter gastrointestinaler Wirkungen der Acetylsalicylsäure signifikant senken und einer Vitamin-CDepletion vorbeugen. #132.04{sid54GFhTP5} Tab. 7.1 Durch Acetylsalicylsäure induzierte Gastropathien #132.05{sidIfOHNchP} Faktor Mechanismus Superoxiddismutase (SOD) Erniedrigung Gruppe #132.06{sidr5eF1tCa} Aktivität anti- und prooxidativer Enzyme in der Magenmukosa #132.07{sidS6mrnnb4} Erniedrigung Glutathionperoxidase #132.08{sidV1FBJjHA} Erhöhung Myeloperoxidase (MPO) #132.09{sidSyg8v8eO} Erhöhung Lipidperoxidation #132.10{sidzUpyYlmp} Intragastraler Vitamin-C-Status Vitamin-C-Spiegel #132.11{sidGSgVw7sS} Erniedrigung Erhöhung Vitamin-C-Verbrauch #132.12{sidawHheK2g} Prostaglandine Cyclooxygenase 1 (COX 1) #132.13{sidOCdLsRmF} Hemmung Erniedrigung PGE2-Synthese (Magen) #132.14{sidbSxITf4Z} Vitamin C verbessert Wirkung und Verträglichkeit von Acetylsalicylsäure #132.15{sidsEXOYH64} Die Bedeutung reaktiver Sauerstoffspezies und antioxidativer Schutzsysteme für die Pathogenese ASS-induzierter Magenschäden war Gegenstand einer Studie an gesunden Probanden (Helicobacter negativ), die drei Tage lang zweimal 800 mg ASS tgl., mit oder ohne Zugabe von jeweils 480 mg Vitamin C erhielten. Unter der Einnahme von ASS (2 × 800 mg tgl., p. o.) traten Magenschleimhautschäden auf, die mit einem deutlichen Anstieg der Lipidperoxidation und Aktivität der Myeloperoxidase (MPO) im Gastrointestinaltrakt assoziiert waren. Die erhöhte Myeloperoxidase-Aktivität deutet auf eine Beteiligung von aktivierten Neutrophilen als wesentliche Radikalquelle bei der Schädigung der Magenschleimhaut hin. Darüber hinaus waren bei den Probanden unter ASS eine verringerte Durchblutung der Magenmukosa, ein Abfall der Vitamin-C-Konzentrationen im Magensaft sowie eine Suppression der Superoxiddismutase-(SOD)- und Glutathionperoxidase-(GSHPx)-Aktivität nachweisbar (□ Tab. 7.2). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #133.01{sidTv7nx8Yi} Tab. 7.2 Intragastrale Vitamin-C-Spiegel und Aktivität der MPO, SOD und GSHPx #133.02{sidZMDoIOzb} Gruppe #133.03{sidVujm3CPs} Kontrollen #133.04{sidLVpEEwrh} ASS #133.05{sid3dxQLYit} ASS + Vitamin C Gastrale Vitamin-CSpiegel (mg/dl) MPO (ng/g Gewebe) SOD (U/g Gewebe × 103) GSHPx (mU/g Gewebe) 23,6 ± 2,4 52 4,37 2 049 16,4 ± 2,7 148 2,18 1 415 36,7 ± 5,3 76 3,39 2 061 #132_133{sidDYVf8ebF} Die gleichzeitige Einnahme des gastroprotektiven Vitamin C (2 × 480 mg tgl., p. o.) verhinderte einen Aktivitätsverlust der beiden antioxidativen Schutzenzyme und verringerte signifikant die durch ASS-induzierten Magenschleimhautschäden. Die Kombination von Acetylsalicylsäure mit dem gastroprotektiven Vitamin C (500–2 000 mg tgl., p. o.) kann die Verträglichkeit einer Schmerztherapie signifikant verbessern. In der Therapie degenerativer und entzündlicher Erkrankungen des Bewegungsapparates mit NSAID wie Diclofenac empfiehlt sich neben Vitamin C die zusätzliche Gabe des antiinflammatorisch und antioxidativ wirksamen Vitamin E (z. B. 200–1 000 I. E. Tocopherole/-trienole tgl., p. o.). #133.06{sidnUoMjtVD} 7.1.2 Acetylsalicylsäure, NSAID und Folsäure/Vitamin B12 #133.07{sid4lsVHx3A} NSAID stören die Resorption und Distribution von Folsäure und Vitamin B12 #133.08{sidxZlNpN5T} Mechanismus: NSAID (z. B. Salicylate, Indometacin) können durch gastrointestinale Schäden die Resorption und Bioverfügbarkeit von Mikronährstoffen, insbesondere von Folsäure und Vitamin B12 stören. Folsäure kann im Organismus durch ASS aus seiner Plasmaproteinbindung verdrängt und vermehrt mit dem Harn ausgeschieden werden. #133.09{sidRYIool5q} Folgen: Patienten, die regelmäßig ASS einnehmen, können einen suboptimalen Vitamin-B12- und/oder FolsäureStatus aufweisen. Unter einer ASS-Therapie kann die renale Folsäure-Exkretion leicht ansteigen. Längerfristig kann hieraus eine suboptimale Folsäure- und Vitamin-B12-Bilanz resultieren. #133.10{sidg1XJoZyQ} Hinweis: Unter Langzeitmedikation mit ASS ist auf eine ausreichende Folsäure- und Vitamin-B12-Versorgung zu achten. Aufgrund der Häufigkeit einer atrophischen Gastritis im Alter (bis zu 40 % der über 60-jährigen) und im Hinblick auf die hohe Selbstmedikationsrate mit ASS kann älteren Personen eine zusätzliche Aufnahme von Vitamin B12 (100–1 000 µg tgl., p. o.) und Folsäure (0,6–1 mg tgl., p. o.) empfohlen werden. Labordiagnostisch ist eine Erfassung des Homocysteinplasmaspiegels sowie des Folsäure- und Vitamin-B12-Status (z. B. MMS, Holo-TC) empfehlenswert. #133.11{sidcoDk2XrA} 7.1.3 Acetylsalicylsäure und Vitamin C #133.12{sidwf4y75ko} Acetylsalicylsäure steigert die Vitamin-C-Ausscheidung #133.13{sidLP4vYREs} Mechanismus: Salicylate hemmen den aktiven Na-abhängigen Vitamin-C-Transport durch die Darmwand; die Ausscheidung von Vitamin C mit dem Urin und Faeces wird durch ASS erhöht (auch Indometacin steigert die renale Vitamin-C-Ausscheidung); die Vitamin-C-Spiegel im Gewebe, in den Leukozyten, der Magenmukosa, im Magensaft und im Plasma fallen ab. #133.14{sidz8JsUR6m} Folgen: Erhöhtes Risiko für oxidativ induzierte Schäden der Magenschleimhaut (z. B. Mikroblutungen, Ulzerationen), infolge gesteigerter Lipidperoxidation (z. B. Myeloperoxidase-Aktivität) und Suppression antioxidativer Enzyme (z. B. SOD, GSH-Px) im Gastrointestinaltrakt durch ASS. #133_134{sidfjs0QVcp} Hinweis: Die Kombination von ASS mit Vitamin C verringert das Risiko für radikalinduzierte Magenschleimhautschäden und kann gastrointestinalen Vitamin-C-Verlusten unter einer Therapie mit ASS vorbeugen; die ASS-induzierte Hemmung der COX-2-Aktivität und damit verbundene Synthese von Prostaglandin E2 wird durch die Kombination mit Vitamin C verstärkt; bei Anwendung von ASS (z. B. 400 mg ASS/d bei Fieber oder Erkältungskrankheiten) ist die zusätzliche Einnahme von Vitamin C (z. B. 500 mg/d, p. o.) sinnvoll. In den Zellen der Magenschleimhaut führt die Kombination von ASS und Vitamin C zu einer überadditiven, synergistischen Verstärkung der Hämoxygenase-1-Expression und der Bilirubin-Bildung. Für Bilirubin werden antioxidative und protektive Effekte auf die Zellen der Magenschleimhaut beschrieben. Vitamin C reichert sich in den Zellen der spezifischen und unspezifischen (Phagozyten) Immunabwehr an und verhindert durch seine protektiven antioxidativen Effekte die oxidative Selbstzerstörung und das vorzeitige Absterben der Phagozyten. Die Funktionsfähigkeit der Immunzellen wird durch Vitamin C verlängert sowie die Dauer und Schwere der Symptome bei Erkältungskrankheiten verringert. Aufgrund der erhöhten Induktion von Ferritin in den Phagozyten durch Vitamin C und Acetylsalicylsäure ist von einer synergistischen Verstärkung der protektiven Effekte beider Substanzen auf die Immunkompetenz und die antimikrobielle Funktion auszugehen. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #134.01{sidtyWT4ZRJ} 7.1.4 Acetylsalicylsäure und Eisen #134.02{sid2Ntg5rd0} Eisenmangelanämie durch Acetylsalicylsäure #134.03{sidQQbNAcuH} Mechanismus: Langfristige Einnahme von Acetylsalicylsäure und anderen NSAID (z. B. Indometacin) kann die Eisenabsorption beeinträchtigen und durch okkulte Mikroblutungen zu einem Eisenverlust führen. #134.04{sidSiAfBj25} Folgen: Eisenmangelanämie (hypochrome, mikrozytäre Anämie); Serumferritin (< 30 µg/l); verringerte physische und psychische Belastbarkeit (z. B. Müdigkeit, Konzentrationsstörungen), Kälteempfindlichkeit, Blässe der Haut, Haarausfall. #134.05{sidqY5HIksM} Hinweis: Die chronische Einnahme von NSAID kann durch okkulte gastrointestinale Blutungen zu einem Eisenmangel beitragen. Etwa 70 % aller Patienten, die regelmäßig ASS einnehmen, verlieren täglich mehr als 2 ml Blut und bis zu 10 % verlieren mehr als 10 ml (1 ml Blut enthält etwa 0,5 mg Eisen). #134.06{sido0Kwr8TW} 7.1.5 Paracetamol und N-Acetylcystein #134.07{sidGD4MEwo2} N-Acetylcystein fördert die Detoxifikation und reduziert die Hepatotoxizität von Paracetamol #134.08{sidOsYrjltm} Mechanismus: Das GSH-Prodrug NAC stimuliert die endogene Glutathion-Biosynthese und verbessert den endogenen Glutathionstatus; die hepatozelluläre Entgiftung von Paracetamol wird gefördert und die Lebertoxizität des antipyretisch wirkenden Analgetikums reduziert (siehe auch S. 76ff.). #134.09{sidurT45jI3} Folgen: Verringerung des hepatotoxischen Potenzials von Paracetamol (Acetaminophen); Leberzellschutz. #134_135{sidxxZfjmAO} Hinweis: In der Therapie von Paracetamol-Vergiftungen (z. B. Intoxikationen mit suizidaler Absicht) hat sich die Antidot-Therapie mit NAC 20 % Injektionslösung bewährt. Die Antidot-Therapie erstreckt sich über einen Zeitraum von 20 Stunden, innerhalb der eine Gesamtdosis von 300 mg NAC/kg Körpergewicht intravenös appliziert werden. Die Hälfte der Gesamtdosis (150 mg/kg Körpergewicht) wird als Initialdosis innerhalb der ersten 15 Minuten der Behandlung gegeben. NAC steigert die GSH-Biosynthese und beschleunigt dadurch die Regeneration der Leberzellen und den Entgiftungsprozess. Neben N-Acetylcystein sind auch die Aminosäure L-Methionin und das Vitaminoid α-Liponsäure von zentraler Bedeutung für den Leberzellschutz. Das zentral analgetisch wirksame Paracetamol wird im Organismus durch Glucuronidierung bzw. Sulfatierung wasserlöslich und damit ausscheidungsfähig gemacht. Ein Teil kann jedoch über mikrosomale Monooxygenasen (Phase I: Cytochrom-P450System) zu hepatotoxischen Metaboliten wie das N-Acetylchinonimin oxidiert werden, die über die Bildung ungiftiger Glutathion-S-Konjugate ausgeschieden werden. Sind die hepatozellulären GSH-Speicher erschöpft oder steht GSH infolge konkurrierender Reaktionen (z. B. durch Induktoren des Cytochrom-P450–2E1-Systems) nicht in ausreichender Menge zur Verfügung, sind die hepatotoxischen Metaboliten in der Lage, sich kovalent an SHGruppen der Leberzellproteine zu binden mit der Folge tödlicher Leberzellnekrosen. Auch die bei chronischem Alkoholkonsum gesteigerte Induktion des Cytochrom-P450–2E1(CYP2E1)-Systems erhöht signifikant die Toxizität des Paracetamols. #135.01{sidHVpxTKic} 7.1.6 Paracetamol und Nicotinamid #135.02{sidNMPauFNA} NAD-Depletion durch Paracetamol #135.03{sidNO2eIy0G} Mechanismus: Nicotinamid ist in Form des Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid (NAD) eine Quelle für ADP-Ribose bei der Poly-ADP-Ribosylierung von Proteinen durch das Enzym Poly(-ADP-Ribose)-Polymerase (PARP); PolyADP-ribosylierte Proteine sind an DNA-Reparaturmechanismen beteiligt; hepatozelluläre DNA-Schäden durch Paracetamol steigern die Aktivität der PARP, die durch die Übertragung von Poly-ADP-Ribose-Resten von NAD auf verschiedene DNA-Reparaturenzyme den NAD-Verbrauch erhöht. #135.04{sidelxBvZZP} Folgen: Zelluläre Verarmung an NAD (Mangel an Nicotinamid = Präkursor von NAD) und ATP; Verlust des antioxidativen und energetischen Status der Zelle; hepatozelluläre Nekrose und/oder Apoptose. #135.05{sidx1voBeqH} Hinweis: An den hepatotoxischen Effekten des Paracetamols sind verschiedene Mechanismen beteiligt: oxidativer Stress (GSH-Depletion → NAC), DNA-Fragmentierung und zelluläre Apoptose; der PARP Inhibitor Nicotinamid beugt durch Paracetamol induzierte Leberzellschäden vor (Leberzelle: Reparaturmechanismen ↑, NAD-Verbrauch ↓, antioxidativer Status ↑, ATP-Versorgung ↑). Die kombinierte Einnahme von Paracetamol mit hepatoprotektiven Substanzen wie Nicotinamid, NAC und Vitamin C kann das Risiko für Leberschäden durch Paracetamol signifikant vermindern. Auch die Lebertoxizität des Antirheumatikums Methotrexat kann durch Nicotinamid verringert werden. #135.06{sidBcGadm5N} 7.1.7 NSAID und Eisen #135.07{sidwSrAF8sw} Verstärkung der schleimhautreizenden Wirkung bei gleichzeitiger Einnahme von Eisenpräparaten und Salicylaten #135.08{sidih3TlizQ} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Mechanismus: Lokale Reizungen der Magen- und Darmschleimhaut treten bei der peroralen Einnahme von Eisenpräparaten häufig (bis zu 20 %) auf. Sie können sich durch Appetitlosigkeit und Übelkeit äußern. Eisen ist ein Promoter für freie Radikale und oxidativen Stress. Bei den gastrointestinalen Störungen durch NSAID (z. B. Salicylate, Indometacin) und Eisen spielt oxidativer Stress als Pathogenesefaktor eine zentrale Rolle. #135.09{sidR9YPDGRF} Folgen: Die gleichzeitige Einnahme von NSAID und Eisen erhöht das Risiko für oxidativ induzierte Magenschleimhautreizungen und -schäden (z. B. Gastritis, Ulzerationen). #135.10{sid3xij5SbG} Hinweis: NSAID und Eisenpräparate sollten in einem zeitlichen Abstand von 2 bis 3 Stunden von einander getrennt eingenommen werden. Die Einnahme von Eisen mit Vitamin C (reduziert 3-wertiges Eisen in die besser resorbierbare 2-wertige Form, Ascorbat-Komplexe) oder Orangensaft (Vitamin C und Fruchtsäuren bilden gut resorbierbare Eisenkomplexe) verbessert die gastrointestinale Eisenresorption und Verträglichkeit. #135.11{sidPinGysZ0} 7.1.8 Opioid-Analgetika und Mikronährstoffe #135.12{sidx8uAHVyn} Opioid-Analgetika beeinträchtigen die Versorgung mit essenziellen Mikronährstoffen #135.13{sidorGsmgnU} Mechanismus: Allgemeine Maldigestion und Malabsorption durch opioidinduzierte Appetitlosigkeit, Übelkeit, Emesis bzw. Obstipation; Opioide haben eine ausgeprägte obstipierende Wirkung, die sowohl durch eine Herabsetzung der Darmmotilität und der intestinalen Sekretion sowie durch Effekte auf zerebrale und spinale Rezeptoren bedingt ist. Die zur Obstipationsprophylaxe eingesetzten Laxanzien (z. B. Bisacodyl, Rizinusöl, Sennes) verursachen zusätzlich Mikronährstoffverluste. #136.01{sidZwLEc5KA} Folgen: Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen und anderen Mikronährstoffen; multiple Stoffwechselstörungen; Malnutrition, v. a. bei Tumorpatienten. #136.02{sidXDkevnkj} Hinweis: Die Obstipation ist die wichtigste und hartnäckigste Nebenwirkung bei der Schmerztherapie mit Opioiden und erfordert fast immer eine Begleitmedikation mit Laxanzien, v. a. in der Tumorschmerztherapie. Unter einer Schmerztherapie mit Opioiden sollte generell eine Multivitamin-Mineralstoff-Kombination substituiert werden. Eine labordiagnostische Erfassung des Mikronährstoffstatus und gezielte Kompensation (auch i. m., enteral, parenteral) von Mikronährstoffmängeln ist insbesondere bei Tumorpatienten empfehlenswert. Komplexe Störungen des Mikronährstoffstatus sind vor allem bei einer Tumorschmerztherapie zu erwarten. Tumorpatienten weisen bereits bei Diagnosestellung häufig klinisch relevante Mikronährstoffdefizite auf. Die Versorgungslage mit immunmodulierend und antioxidativ wirkenden Mikronährstoffen (z. B. Vitamin D, Vitamin A, Vitamin C, Vitamin E, Selen, Zink), sowie solchen mit geringer Speicher- bzw. Reservekapazität (z. B. Vitamin B1, Vitamin B6, Vitamin B12, Folsäure) ist besonders kritisch (s. auch ▸ Kap. 33). Bei palliativen Krebspatienten kann die Supplementierung von Vitamin D auch den Bedarf an Opioid-haltigen Analgetika reduzieren. #136.03{sidOz0jXYYB} Literatur #136.04{sidSUM4ExAT} Alter HJ et al. Interrelationship of rheumatoid arthritis, folic acid and aspirin. Blood, 38 (4): 405–416, 1971 #136.05{sidhLqnfgav} Becker JC, Domschke W, Pohle T. Current approaches to prevent NSAID-induced gastropathy-COX selectivity and beyond. Br J Clin Pharmacol, 58 (6): 587–600, 2004 #136.06{sidao75b9Xb} Becker JC, Grosser N, Boknik P et al. Gastroprotection by vitamin C – a heme oxygenase-1-dependent mechanism? Biochem Biophys Res Commun, 312 (2): 507–512, 2003 #136.07{sid1c8P1TEj} Bergman P, Sperneder S, Höijer J et al. Low vitamin d levels are associated with higher opioid dose in palliative cancer patients – results from an observational study in sweden. PLoS One, 10 (5): e0128223, doi: 10.1371/journal.pone.0128223, 2015 #136.08{sid4uHBXrSI} Candelario-Jalil, E et al. Ascorbic acid enhances the inhibitory effect of aspirin on neuronal cyclooxygenase-2mediated prostaglandin E2 production. J Neuroimmunol, 174 (1–2): 39–51, 2006 #136.09{sidOPUQp6F5} Dammann HG et al. Effects of buffered and plain acetylsalicylic acid formulations with and without ascorbic acid on gastric mucosa in healthy subjects. Aliment Pharmacol Ther, 19 (3): 367–374, 2004 #136.10{sidJXNfNs76} Deray G. Renal and cardiovascular effects of non-steriodal anti-inflammatories and selective cox 2 inhibitors. 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Insbesondere die Ulkustherapie im höheren Lebensalter sowie der hohe Anteil der im Rahmen der Selbstmedikation abgegebenen Antazida sind für potenzielle Störungen des Mikronährstoffstatus von Bedeutung (□ Tab. 8.1). #138.03{sidlGtKqhxk} 8.1 Protonenpumpenhemmer und Mikronährstoffe #138.04{sidlizq8YHH} Nach den Statinen gehören Protonenpumpenhemmer (PPI) zu den am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln weltweit. In den zurückliegenden 10 Jahren haben sich die Verordnungen von PPI (z. B. Omeprazol, Esomeprazol, Pantoprazol) mehr als verfünffacht. Seit 2009 sind einige PPI, wie Omeprazol und Pantoprazol in einer Dosierung von jeweils 20 mg pro Tag rezeptfrei erhältlich. Auf Protonenpumpenhemmer (PPI) entfallen über 60 % des Umsatzes der Magen-Darm-Mittel. Bei Patienten, deren Säuregehalt des Magens wegen peptischer Erkrankungen längere Zeit medikamentös durch Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol) verringert wird, sollte ein besonderes Augenmerk auf die Versorgung mit Vitamin B12 und knochenwirksamen Mikronährstoffen wie Calcium, Vitamin D und Vitamin C gerichtet werden. #138.05{sidYAZLarF0} Zu den häufigsten Nebenwirkungen einer PPI-Therapie zählen Kopfschmerzen, Durchfall und Übelkeit. Weitere Nebenwirkungen sind das Auftreten von gastrointestinalen Infektionen und eine Verminderung der Knochendichte. PPI können zur bakteriellen Besiedlung des normalerweise keimarmen oberen GI-Trakts führen. Im Hinblick auf die GIT-Infektionen zeigen die Ergebnisse von zwei Metaanalysen ein um 74 % bis 94 % erhöhtes Risiko für Clostridium-difficile-Infektionen. Die Ergebnisse einer britischen Langzeitstudie mit über 150 000 Probanden belegt, dass PPI auch den Knochen schädigen und das Risiko für Hüftfrakturen steigern. Besonders ältere Menschen, die wegen peptischer Beschwerden mit PPI länger als fünf Jahre behandelt werden sind davon betroffen. #139.01{sid6iltfNHG} Tab. 8.1 Antazida, die zu einem Mangel bzw. erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen führen #139.02{sidmHkE1KM8} Betroffene Mikronährstoffe HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Mechanismus Antazidum #139.03{sid1VP4GH3b} Säureneutralisierende Substanzen #139.04{sidJj6SfoYh} Antazida mit Al-/Mg-hydroxid Zink, Eisen, Kupfer, Calcium, Phosphor #139.05{sidhMvZZPOJ} Folsäure, Vitamin B12 #139.06{sidCUP7tntY} Natriumcarbonat Bildung schwerlöslicher MN-AM-Komplexe Anstieg des pH-Werts (Sub-/Anazididät → Resorption ↓) Folsäure, Vitamin B12, Zink Anstieg des pH-Werts (Sub-/Anazidität → Resorption ↓) Folsäure, Vitamin B12, Zink, pH-Wert-Verschiebungen (Sub-/Anazidität → Resorption ↓) #139.07{sidTUNmDlxz} H2-Blocker #139.08{sidAYAv3krF} Ranitidin, Famotidin #139.09{sidRvATg6El} Cimetidin Eisen, Calcium Vitamin D, Calcium Hemmung der hepatischen Hydroxylierung (25-Hydroxylase-Aktivität ↓) von Vitamin D zu 25-(OH)-Vitamin-D Vitamin B12 Hemmung der intestinalen Freisetzung (Proteolyse und Utilisation des proteingebundenen Vitamin B12), Störung #139.10{sidWJcTf9cg} Protonenpumpenhemmer #139.11{sidI6Q59P3g} Omeprazol, Esomeprazol, Pantoprazol der intestinalen Flora (bakterielle Besiedlung des Magens) #139.12{sidnhXWQ9Si} Folsäure, Magnesium, Calcium pH-Wert-Verschiebungen, (Sub-/Anazidität → Resorption ↓) #138.06{sidInEMSgiG} PPI vermindern die gastrale Säuresekretion und damit die intestinale Resorption von knochenwirksamen und neurotropen Mikronährstoffen, wie Magnesium, Calcium, Zink, Eisen, Vitamin D, Vitamin C, Folsäure und Vitamin B12. Bekannt sind vor allem die PPI-induzierte Störungen der aktiven Resorption von Vitamin B12 (z. B. Reduktion der pH-abhängigen Proteolyse von Vitamin B12 aus der R-Protein-Bindung) und Magnesium (z. B. Reduktion der transzellulären Resorption über den Melastatin-Kanal TRPM-6/-7). #138.07{sidw6bGJ1cT} In einer multizentrischen longitudinalen Kohortenstudie an älteren Patienten (n = 3 327, Alter: ≥ 75) war die Einnahme von PPI gegenüber Nicht-PPI-Anwendern mit einem signifikant erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Demenz [HR 1,38, 95 % CI 1,04–1,83] und Morbus Alzheimer (HR 1,44, 95 % CI 1,01–2,06) assoziiert. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass PPI in vitro und in vivo die Akkumulation von Beta-Amyloiden erhöhen und die Belastung des Gehirns mit Amyloid-beta-Plaques steigern können. #138_140{sidK89QdgHP} In einer aktuellen Pilot-Studie an 60 gesunden Frauen und Männern (Alter: 20–26 Jahre) wurde nun der Einfluss einer kurzfristigen Einnahme (7 Tage) von verschiedenen PPIs, wie Esomeprazol, Lansoprazol, Pantoprazol, Omeprazol und Rabeprazol auf unterschiedliche kognitive Funktionen (z. B. Aufmerksamkeit, visuelles Gedächtnis, exekutive Funktionen, Kurzzeitgedächtnis) untersucht. Im Rahmen der Studie wurde das Cambridge Neuropsychological Test Automated Battery (CANTAB) verwendet, ein Computerprogramm, welches häufig in wissenschaftlichen Studien zur Erfassung der kognitiven Leistungsfähigkeit eingesetzt wird. Dabei bei zeigte sich, dass bereits nach 7-tägiger Einnahme eines PPI eine signifikante Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit nachweisbar war. Die stärksten negativen Effekte auf die kognitiven Funktionen hatten die PPIs Omeprazol (p = 0,002), Pantoprazol und Lansoprazol. Esomeprazol zeigte die geringsten Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Diese Studie zeigt zum ersten Mal, dass bereits die kurzfristige Einnahme eines PPI das Risiko erhöht für Störungen der Kognition. Ob dieser Effekt durch PPI-induzierte kurzfristige Störung im Nährstoffhaushalt erklärbar ist, kann bezweifelt werden. Grundsätzlich sollte aber unter einer PPI-Therapie, insbesondere bei Risikofaktoren (z. B. Langzeitmedikation, Diabetes mellitus, Senioren), auf eine adäquate Versorgung mit neuroprotektiven Mikronährstoffen (z. B. Vitamin B12, Magnesium) geachtet werden und regelmäßig durch aussagekräftige Laborparameter (z. B. Holo-TC, Hcy) der Nährstoffhaushalt kontrolliert werden. Die VitaminB12-Verteilung im Blutplasma: 70–90 % von Vitamin B12 sind im Plasma gebunden an Haptocorrin (HC) (= metabolisch inaktiv) sowie etwa 10–30 % an Transcobalamin (TC) (= metabolisch aktiv). Nach der Resorption als IF-B12-Kplx erfolgt der Abbau in den Enterozyten und die Übertragung zu TCII (Holo-TCII: HWZ = 6 min., Holo-HC: HWZ = 240 h). #140.01{sidfyztZ9QJ} 8.1.1 Protonenpumpenhemmer und Vitamin B12 #140.02{sidtEsR6Nul} PPI verhindern Säuresekretion und Freisetzung von Vitamin B12 #140.03{sidQ0yeo8Gc} Protonenpumpenhemmer (PPI) vermindern die gastrale Säuresekretion und damit die intestinale Freisetzung von Vitamin B12 (Proteolyse) aus Nahrungsmitteln. Unter den Protonenpumpenhemmern kommt es dosisabhängig zur Reduktion der Vitamin-B12-Resorption. Besonders gefährdet sind ältere Menschen ab 60 Jahren, strenge HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Vegetarier, Alkoholiker, Patienten mit Magen-Darm-Störungen (z. B. atrophische Gastritis) sowie Typ-2-Diabetiker, die mit Metformin behandelt werden. #140.04{sidadcjTsVn} Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass bis zu 40 % der älteren Menschen ≥ 60 Jahren nicht ausreichend mit Vitamin B12 (Cobalamin) versorgt sind. Die Vitamin-B12-Serumspiegel liegen hier < 300 ng/l. Besonders problematisch erweist sich die Tatsache, dass ein Vitamin-B12-Mangel häufig mit einer Folsäure-Unterversorgung assoziiert ist und das Risiko für einer Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l) signifikant steigert. Homocystein entfaltet eine Reihe pathobiochemischer Effekte auf das Zentralnervensystem, die wesentlich für die Entwicklung einer Hirnatrophie sowie die Progression neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer oder vaskuläre Demenz verantwortlich gemacht werden (○Abb. 13.6). #140.05{sid7gamzCMZ} Bei älteren Personen ist ein Vitamin-B12-Mangel überwiegend auf eine unzureichende Bildung von Magensaft (Achlorhydrie) zurückzuführen. Hauptursache sind entzündliche Prozesse der Magenmukosa, die primär auf dem Boden einer atrophischen Gastritis vom Typ B mit Sub- und Anazidität (Salzsäure- und Pepsinogen-Sekretion ↓) sowie verminderter Intrinsic-Faktor-Produktion entstehen. Proteingebundenes Vitamin B12 kann dadurch nur noch unzureichend freigesetzt und absorbiert werden. Die an Protein gebundenen Cobalamine aus der Nahrung werden im Magen durch Salzsäure und Pepsin freigesetzt und pH-abhängig an Intrinsic-Faktor (IF-B12Komplex) gebunden. Im terminalen Ileum erfolgt die zelluläre Cobalaminaufnahme in das Mukosaepithel mithilfe spezifischer Rezeptoren der Bürstensaummembran. Der IF-B12-Komplex bindet dabei an Cubilin, das zusammen mit einem weiteren Protein, dem Megalin, die calciumabhängige, rezeptorvermittelte Endozytose einleitet. Die eingeschränkte Säureproduktion des Magens im höheren Lebensalter führt zu einer Alkalisierung des Dünndarmmilieus, wodurch die physiologische Barriere gegenüber Mikroorganismen aufgehoben wird. Bakterien aus tieferen Darmabschnitten, können dadurch vermehrt ins Jejunum und Illeum übertreten. Die bakterielle Überwucherung mit Clostridien und Campylobacter geht mit einem Mehrverbrauch an Vitamin B12 (Umwandlung in unwirksame Cobalamide) als auch mit der bakteriellen Synthese von Substanzen einher, die in der Illeumschleimhaut mit dem Vitamin um Rezeptoren konkurrieren. Die Verfügbarkeit von Vitamin B12 nimmt dadurch weiter ab. Bei Personen im höheren Lebensalter (≥ 60 Jahre) beruht die Atrophie der Magenschleimhaut häufig auf einer Infektion mit Helicobacter pylori. Bis zu 60 % der älteren Menschen weisen einen vermehrten Befall der Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori und hierdurch bedingt ein hohes Risiko für die Entwicklung einer chronisch atrophischen Gastritis vom Typ B auf. #140.06{sidZuU0XKwc} Personen, die regelmäßig H2-Blocker oder Protonenpumpenhemmer zur Senkung der Magensäuresekretion einnehmen, vor allem ältere Menschen, sollten auf die Bedeutung der Vitamin-B12-Versorgung und die potenzielle Störungen durch Säureblocker hingewiesen werden. Da die passive Intinsic-Factor-unabhängige Resorption von Vitamin B12 mit nur 1 % sehr niedrig liegt sollte Vitamin B12 zur oralen Applikation entsprechend hoch dosiert werden (z. B. 500–1 000 µg tgl.). #141.01{sidu8BB4JPY} Vitamin B12 kann auch über die Mundschleimhaut resorbiert werden. In Studien wurde der Vitamin-B12-Status auch durch Applikation in Form einer Lutschtablette verbessert. Die effektivste Methode zur Kompensation des VitaminB12-Status ist jedoch die parenterale Applikation (z. B. 1 000 µg/Monat, i. m.). Generell ist bei Personen, die regelmäßig Antazida einnehmen die Vitamin-B12-Versorgung engmaschig zu kontrollieren (z. B. MMS, Holo-TC) und eine regelmäßige Supplementierung von Vitamin B12 in Kombination mit Folsäure und Vitamin B6 empfehlenswert. #141.02{siddFgiYbKb} Abb. 8.1 Störung des Haushalts knochenwirksamer Mikronährstoffe durch Protonenpumpenhemmer (PPI, Modell) #141.03{sidDDDcmbLk} Protonenpumpenhemmer vermindern die Vitamin-B12-Resorption #141.04{sidMqWdRbKk} Mechanismus: Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol, Lansoprazol) vermindern die gastrale Säuresekretion und damit die Freisetzung (Proteolyse) und Bioverfügbarkeit von an Protein gebundenem Vitamin B12 aus Lebensmitteln (○Abb. 14.4). #141.05{sidRrBGqrGC} Folgen: Vitamin-B12-Mangel: Vitamin B12 (Serum): < 450 ng/l; Holo-TC (Plasma): < 70 pmol/l; MMS (Serum): > 40 µg/l; MMS (Urin): ≥ 1,60 mg/g Kreatinin; intermediäre Verarmung an biologisch aktivem Tetrahydrofolat; Hyperhomocysteinämie (Hcy ≥ 10 µmol/l); erhöhtes Risiko für kognitive Störungen, Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit, Hirnatrophie, Demenz, Depressionen. Ältere Personen mit Depressionen haben sehr häufig einen Mangel an Folsäure und/oder Vitamin B12. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #141_142{sidF9E72niC} Hinweis: Unter einer Therapie mit Protonenpumpenhemmern ist generell eine begleitende Gabe von 500 bis 1 000 µg Vitamin B12 in Kombination mit Folsäure und Vitamin B6 zu empfehlen (initial: 1 000–2 000 µg Vitamin B12 i. m.; danach alle 2–3 Monate 1 000 µg i. m.). Die Freisetzung von Vitamin B12 aus Nahrungsmitteln kann auch durch H2Blocker (Ranitidin, Famotidin) beeinträchtigt werden. Infolge der hohen Prävalenz des Vitamin-B12-Mangels im Alter (≥ 60 Jahre, atrophische Gastritis) und der häufigen Polypharmakotherapie multimorbider älterer Menschen (z. B. Metformin) sollte im Rahmen einer Ulkustherapie mit Protonenpumpenhemmern und H2-Blockern der Vitamin B12Status und der Homocysteinspiegel labordiagnostisch überwacht werden. #142.01{sidepLZntro} 8.1.2 Protonenpumpenhemmer und knochenwirksame Mikronährstoffe #142.02{sidsDjXnzJY} PPI verhindern Utilisation und Resorption von knochenwirksamen Mikronährstoffen #142.03{sidGWssZB3A} Protonenpumpenhemmer vermindern die gastrale Säuresekretion und damit die intestinale Utilisation und Resorption von knochenwirksamen Mikronährstoffen wie Mikronährstoffen wie Calcium, Vitamin D, Vitamin C, Folsäure und Vitamin B12 (□ Tab. 8.2). #142.04{sidzH6gM83Y} Tab. 8.2 Protonenpumpenhemmer und knochenwirksame Mikronährstoffe #142.05{sidSFQVmWvM} Störung durch PPI (Mechanismus) Mikronährstoff #142.06{sidPcxyMAjp} Calcium, (Vitamin D), Magnesium #142.07{sidHkyux3pA} Vitamin C #142.08{sidKesGYLVH} Eisen #142.09{sidKCVLXQAg} Vitamin B12 #142.10{sidKDUQyOt0} Folsäure Beeinträchtigung der pH-abhängigen Resorption und Utilisation von Calcium, Vitamin D und Magnesium Verringerung der Vitamin-C-Konzentrationen mit Magensaft Beeinträchtigung der pH-abhängigen Resorption von Nicht-Hämeisen Hemmung der pH-abhängigen Proteolyse aus der R-Proteinbindung Störung der pH-abhängigen Resorption #142.11{sidBCfg20rb} In einer aktuellen kanadischen Studie wurde die Langzeitwirkung von PPI auf die Knochendichte und das Frakturrisiko erfasst. Dabei wurden die Daten von 15 792 Patienten mit Osteoporosebedingten Frakturen (z. B. Wirbelkörper-, Becken- und Hüft-Frakturen), die PPI eingenommen hatten, analysiert. Als Kontrollgruppe dienten 47 289 Patienten ohne Frakturen. Die Studie erfasste einen Zeitraum von 1996 bis 2004. Die Studienergebnisse belegen, dass die langfristige Einnahme von PPI (z. B. Omeprazol) über einen Zeitraum von sieben Jahren mit einem stark erhöhten Risiko für Osteoporosebedingte Frakturen assoziiert ist (OR, 1,92, 95 % CI 1,16–3,18, p = 0,011). Darüber hinaus führte eine regelmäßige Einnahme von PPI über einen Zeitraum von 5 Jahren zu einem signifikant erhöhten Risiko für Hüftfrakturen (OR, 1,62, 95 % CI 1,02–2,58, p = 0,04). Diese Ergebnisse stimmen mit den Ergebnissen einer früheren Studie überein, die ebenfalls gezeigt hatten, dass ältere Patienten, die wegen peptischer Magenbeschwerden mit PPI behandelt werden, ein deutlich erhöhtes Frakturrisiko haben. Diese Studie umfasste einen Zeitraum von 1987 bis 2003. Das Risiko für Osteoporosebedingte Frakturen stieg dabei mit zunehmender Einnahmedauer von Protonenpumpenhemmern an: 1 Jahr: OR, 1,22, 95 % CI 1,15–1,30; 2 Jahre: OR 1,41, 95 % CI 1,28–1,56; 3 Jahre: OR 1,54, 95 % CI 1,37–1,73; 4 Jahre: OR 1,59, 95 % CI 1,39–1,80; p < 0,01). Bei Patienten, deren Säuregehalt des Magens wegen peptischer Erkrankungen längere Zeit medikamentös durch Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol) verringert wird sollte ein besonderes Augenmerk auf eine adäquate Versorgung mit knochenwirksamen Mikronährstoffen wie Calcium, Vitamin D und Magnesium gerichtet werden. #142_143{sid6q4mcJUS} Erhöhte Homocysteinspiegel mit Störungen im Methylgruppen-Stoffwechsel scheinen bei der Pathogenese der Osteoporose eine wichtige Rolle zu spielen. Eine Fraktursenkende Wirkung der Homocysteinregulatoren Vitamin B12 und Folsäure konnte in zwei Studien beobachtet werden: In der Rotterdam-Studie waren erhöhte Homocysteinplasma-Spiegel ein unabhängiger Risikofaktor für osteoporotische Frakturen bei Frauen und Männern älter als 55 Jahre (RR adjustiert 1,4; 95 % CI 1,2–1,6) pro Standardabweichung der log-transformierten Homocysteinwerte. Die Relation fand sich unabhängig bei Männern und Frauen. In einer randomisierten und kontrollierten Studie aus Japan ließ sich die Zahl proximaler Femurfrakturen bei hemiplegischen Schlaganfallpatienten durch die Supplementierung von 5 mg Folsäure/d und 1 500 µg Methylcobalamin/d, die mit einer 38%igen Senkung des Homocysteinspiegels assoziiert war, um 80 % reduzieren (RR 0,2; 95 % CI 0,08–0,5). Vitamin C wird aktiv in den Magensaft sezerniert. PPI reduzieren die Vitamin-C-Konzentration im Magensaft und die Verfügbarkeit seiner antioxidativ wirksamen Form Ascorbinsäure (○Abb. 8.1). Im Magensaft kann dadurch die Belastung mit Nitrit ansteigen. Die aus Nitrit gebildeten Nitrosaminen sind starke Kanzerogene. Unter einer kurzfristigen Anwendung von Omeprazol konnte bereits ein Abfall der Vitamin C-Spiegel im Blut beobachtet werden. Vitamin C unterstützt zum einen die Calcium- und Eisenresorption und ist zum anderen an der Hydroxylierung und damit an der metabolischen Aktivierung von Vitamin-D-Hormon beteiligt. #143.01{sidno2C8XwO} Protonenpumpenhemmer vermindern die Resorption und Utilisation von Calcium und Vitamin D #143.02{sid4mC4ImuM} Mechanismus: Die Magensäure spielt eine wichtige Rolle bei der Calciumresorption. In der Nahrung liegt Calcium vor allem in der Verbindung des schwerlöslichen Calciumcarbonats vor. Calcium muss daraus zunächst pHabhängig freigesetzt und danach resorbiert zu werden. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #143.03{sidxYhInYtm} Folgen: Reduzierte Bioverfügbarkeit von diätetischem Calcium, Störungen im Vitamin-D-Stoffwechsel, Abfall der Calciumspiegel im Blut, Anstieg der Parathormonspiegel, erhöhtes Risiko für osteoporosebedingte Frakturen #143.04{sidnvo7ENVN} Hinweis: Allgemein sollte bei Personen, die regelmäßig Protonenpumpenhemmer zur Senkung der Magensäuresekretion einnehmen, vor allem bei älteren Menschen (> 60 J.) und Typ-2-Diabetikern (→ Polypharmakotherapie), regelmäßig der Status knochenwirksamer Mikronährstoffe (z. B. 25-OH-Vitamin D, Homocystein, Methylmalonsäure) kontrolliert und durch gezielte Supplementierung kompensiert werden, um potenziellen Störungen der Knochenmineralisation durch PPI entgegenzuwirken. Auf eine ausreichende Versorgung mit Calcium (z. B. 1 000 mg/d, p. o.) in Form gut verfügbarer organisch gebundener Calciumsalze wie Lactogluconate oder Citrate ist vor allem zu achten. Der Vitamin-D-Status sollte engmaschig kontrolliert (Calcidiol im Serum > 75 nmol/l) und durch gezielte Supplementierung kompensiert werden (z. B. 3 000 I. E./d bzw. 80 000 I. E./Mo., p. o.). #143.05{sidR87tHUIm} 8.1.3 Protonenpumpenhemmer und Magnesium #143.06{sidHYyo9fEv} Protonenpumpenhemmer können schwere Hypomagnesiämie auslösen #143.07{sidNBTfS4lv} Mechanismus: Die Magensäure spielt eine wichtige Rolle bei der Resorption und Utilisation von Mineralstoffen wie Magnesium und Calcium; Protonenpumpenhemmer können sowohl die aktive, transzelluläre Resorption von Magnesium über den Melastatin-Kanal TRPM6 und TRPM7 als auch die parazelluläre Magnesiumresorption, die von der Permeabilität der Tight Junctions abhängig ist beeinträchtigen (möglicherweise spielen zusätzlich auch genetische Faktoren und Rezeptordefekte eine Rolle), zusätzlich scheinen PPI die renale Magnesiumexkretion zu steigern, langfristig wird die endogene Magnesiumhomöostase gestört und das Risiko für schwere Magnesiummangelzustände erhöht ○ Abb. 8.2. #144.01{sidLuIUV5Jx} #144.02{sidMHtIjVtI} Abb. 8.2 Protonenpumpenhemmer interferieren mit der Magnesiumresorption über den TRPM-6/-7-Kanal #143_144{siddmOe3V1L} Folgen: Abfall der Magnesiumspiegel im Serum (Referenz: 0,76–1,15 mmol/l) und Vollblut, Störung der SekretionResponderrate auf Parathormon, erhöhtes Risiko für milde (0,5–0,7 mmol/l) und schwere Hypomagnesiämie (≤ 0,54 mmol/l), insbesondere bei älteren Personen und Medikation mit Diuretika (z. B. HCT); Hypomagnesiämie führt zu Hypovitaminose D durch erhöhte Aktivität der 24-Hydroxylase, Störungen des Vitamin-D-Calciumstoffwechsels: Aktivität der 25-Hydroxylase ↓, 1α-Hydroxylase ↓, Bildung des VDBP ↓, Hypocalcämie; Magnesiummangelsymptome: Antriebs- und Muskelschwäche, Kopfschmerzen, Nervosität, Psychosen, Tremor, neuromuskuläre Übererregbarkeit, Schlafstörungen, kardiovaskuläre Störungen wie EKG-Veränderungen (z. B. verbreiterte QRS Komplexe, verlängerte PQ-Zeit), (supra)ventrikuläre Arrythmien. #144.03{sida9PTbmEN} Hinweis: Personen, die regelmäßig Protonenpumpenhemmer einnehmen – insbesondere ältere Menschen (> 60 J.) und Diabetiker (→ Stoffwechsel- und medikationsbedingter erhöhter Magnesiumbedarf) sollten regelmäßig gut verfügbare organisch gebundene Magnesiumsalze (z. B. 300 mg/d, p. o. als Citrat oder Orotat) supplementieren. Der Magnesiumstatus sollte 1–2× pro Jahr labordiagnostisch überprüft werden! Protonenpumpenhemmer wie Omeprazol, Esomeprazol, Pantoprazol, Lansoprazol und Rabeprazol können bei Langzeitbehandlung zu einem Magnesiummangel führen, insbesondere wenn PPI mit weiteren magnesiumspiegelsenkenden Arzneistoffen z. B. Thiaziden, Schleifendiuretika, Ciclosporin, Carboplatin oder Cisplatin eingesetzt werden. Diskutiert werden durch PPI-induzierte Störungen der intestinalen Magnesiumresorption. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA rät dringend dazu, bei Dauertherapie mit PPI den Magnesium-Status regelmäßig zu kontrollieren. Niedrige Magnesiumspiegel können unter anderem Muskelspasmen, Herzrhythmusstörungen und Krämpfe verursachen. Zu beachten ist außerdem, dass die Symptome einer Hypomagnesiämie (Serum: < 0,76 mmol/l) denen einer Hypocalcämie ähneln. Die renale 1α-Hydroxylierung von 25-OH-Vitamin-D zu 1,25-(OH)2-Vitamin-D als auch die Sekretion von Parathormon (PTH) sind magnesiumabhängig. Ein Mangel an Magnesium kann die PTH-Sekretion beeinträchtigen und dadurch eine Hypocalcämie begünstigen. Magnesiummangel steigert in Studien die Osteoklastenaktivität, verringert das Knochenwachstum und begünstigt eine Osteoporose. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #145.01{sidfVZvqcXL} 8.1.4 Protonenpumpenhemmer und Eisen #145.02{sidHLwRVqND} Protonenpumpenhemmer beinträchtigen die Eisenresorption #145.03{sidQDHOhJw7} Mechanismus: Die Magensäure spielt eine wichtige Rolle bei der Resorption und Utilisation von Eisen; Protonenpumpenhemmer beeinträchtigen die Bioverfügbarkeit und Resorption von diätetischen Nicht-Häm-Eisen. #145.04{sidFHJpbIsY} Folgen: Abfall der Eisenspiegel im Blut, prälatenter Eisenmangel (Parameter: Serum-Ferritin < 30 µg/l), langfristig besteht vor allem bei vegetarischer Ernährung ein erhöhtes Risiko für einen Eisenmangel; Eisenmangelsymptome: Infektanfälligkeit, Antriebsschwäche, Müdigkeit, Mundwinkelrhagaden, Haarausfall. #145.05{sidskWA9zB9} Hinweis: Protonenpumpenhemmer können bei langfristiger Anwendung den Eisen-Haushalt stören. Es empfiehlt sich den Eisenstatus 1–2× pro Jahr labordiagnostisch (z. B. CRP, Serum-Ferritin, löslicher Transferrin-Rezeptor, Leberwerte) zu kontrollieren! #145.06{sidAESEnDnq} 8.2 H2-Blocker und Mikronährstoffe #145.07{sidvQJaJivO} 8.2.1 H2-Blocker und Zink #145.08{sidJTIISI3o} H2-Blocker stören die Zinkresorption #145.09{sid49I0v7AY} Mechanismus: H2-Blocker (z. B. Ranitidin) blockieren die H2-Rezeptoren des Histamins an den Belegzellen der Magenschleimhaut und hemmen dadurch die histaminstimulierte Säuresekretion. Die Blockade der Magensäuresekretion beeinträchtigt die Bioverfügbarkeit und Resorption von Zink (auch von Eisen und Folsäure). #145.10{sidRmWSGGnc} Folgen: Beeinträchtigung des Zinkstatus (bei langfristiger Anwendung); erhöhtes Risiko für Zinkmangel (Symptome: z. B. erhöhte Infektanfälligkeit, Geruchs- und Geschmacksstörungen). #145.11{sidsqOJl3Rs} Hinweis: Unter der häufigen Einnahme von H2-Blockern empfiehlt sich die regelmäßige Supplementierung eines Multivitamin-Mineralstoff-Präparats (z. B. mit Folsäure, Vitamin B6, B12, D, Eisen, Zink), um potenziellen Nährstoffverlusten vorzubeugen. Entsprechende Supplemente (z. B. Zink, Eisen, Folsäure) und Antazida sollten grundsätzlich mit einem Einnahmeabstand von > 2h eingenommen werden. #145.12{sidLMSGXzad} 8.2.2 Cimetidin und Vitamin D #145.13{sidSgSib0Fb} Cimetidin stört den Vitamin-D-Stoffwechsel #145.14{sidWQZ1MWSW} Mechanismus: Cimetidin (Inhibitor von CYP 2C 19) hemmt Cytochrom-P450 abhängige Reaktionen: hepatische 25-Hydroxylase-Aktivität. #145.15{sid1Jc6ASfj} Folgen: Verringerte Umwandlung von Vitamin D3 (Cholecalciferol) in 25(OH)-Vitamin-D (25-Hydroxycholecalciferol = Calcidiol); Störungen im Vitamin-D-Metabolismus und Knochenstoffwechsel (Vitamin-D-Mangel: 25-(OH)-DSerumspiegel < 50 nmol/l). #145.16{sidbiDjDSed} Hinweis: Eine langfristige Ulkustherapie mit Cimetidin ist aufgrund der multiplen Störungen der Nährstoffutilisation (z. B. Calcium, Zink) ein Risikofaktor für Osteoporose. Die Hemmung mikrosomaler Enzyme durch andere H2Blocker (z. B. Ranitidin) ist im Vergleich zu Cimetidin wesentlich geringer ausgeprägt. #145.17{sidHvh7pMpm} 8.3 Antazida und Mikronährstoffe #145.18{sidg2AC9dMh} 8.3.1 Al-/Mg-Hydroxid-haltige Antazida und Mineralstoffe #145.19{sidv0m1q27j} Antazida stören den Mineralstoffhaushalt #145.20{sidtjHLFByU} Mechanismus: Al-/Mg-Hydroxid-haltige Antazida verringern über pH-Wert-Verschiebungen und die Bildung schwerlöslicher Pharmakon-Mikronährstoff-Komplexe die Resorption von Mineralstoffen wie Eisen und Zink; von der Komplexbildung sind auch Calcium und Phosphat betroffen (→ Knochenstoffwechsel). #145_146{sidny4iWq8L} Folgen: Beeinträchtigung des Eisen-, Zink- und Calciumstatus; der Erfolg einer oralen Eisen- oder ZinkSubstitution kann ausbleiben; exzessive Anwendung von Aluminiumhydroxid bindet mit der Nahrung zugeführtes Phosphat, verhindert dessen Resorption und führt zu einer Verarmung des Organismus an Phosphor. Bei langfristiger Einnahme von Aluminium-/Magnesiumhydroxidenthaltenden Antazida können Störungen im Knochenstoffwechsel auftreten (→ Osteomalazie). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #146.01{sidkJyrQGHw} Hinweis: Unter der häufigen Einnahme von Antazida empfiehlt sich die regelmäßige Supplementierung eines Multivitamin-Mineralstoff-Präparats mit Folsäure, Vitamin B6, B12, D, Eisen, Zink, um potenziellen Nährstoffverlusten vorzubeugen. Entsprechende Supplemente (z. B. Zink, Eisen, Folsäure) und Antazida sollten grundsätzlich mit einem Einnahmeabstand von > 2h eingenommen werden. #146.02{sidhq5ppdG2} 8.3.2 Aluminiumhaltige Antazida, zitronensäurehaltige Mineralstoffpräparate und Zitrussäfte #146.03{sid8y2nka8n} Säuren erhöhen die Resorption von Aluminiumionen #146.04{sidN1GP5kYk} Mechanismus: Die in Zitrussäften enthaltenen Säuren wie Zitronensäure und Weinsäure, führen zu einer verstärkten Lösung von Aluminiumionen aus dem Schichtgitterverband der Antazida. #146.05{sidDE0onZ6C} Folgen: Erhöhte Resorption von Aluminiumionen; Konsequenzen sind noch weitgehend ungeklärt; bei Dialysepatienten äußern sich Aluminium-intoxikationen durch Symptome einer Enzephalopathie, Verschlechterung einer bestehenden renalen Anämie. Im ZNS üben bereits niedrige Aluminiumkonzentrationen hochtoxische Effekte aus (Enzephalopathie). #146.06{sidL0rjAuVK} Hinweis: Zwischen der Einnahme eines aluminiumhaltigen Antazidums und säurehaltige Brausetabletten (z. B. Calciumcitrat) sollte mindestens ein zweistündiger Einnahmeabstand eingehalten werden; säurehaltige Getränke (z. B. Zitrussäfte) sollten gemieden werden. #146.07{sidFITCroPq} 8.3.3 Natriumhydrogencarbonat und Folsäure/Vitamin B12 #146.08{sidSqORDhMA} Verminderung der Folsäure- und Vitamin-B12-Resorption #146.09{sidJolwP7ba} Mechanismus: Anhebung des gastralen pH-Werts (Folsäure-Resorption: optimal im proximalen Jejunum bei pH 6,0; Mikroklimahypothese). #146.10{sidmLLYykFk} Folgen: Verminderte Resorption und Bioverfügbarkeit von Folsäure und Vitamin B12. #146.11{sidEmP7ktet} Hinweis: Mindestens zweistündiger Einnahmeabstand zwischen den natriumhydrogencarbonathaltigen Antazida und Folsäure- und/oder Vitamin-B12-Präparaten. #146.12{sidxbqGXrgN} 8.3.4 Calciumcarbonathaltige Antazida und Milch-Alkali-Syndrom #146.13{sidcug2PuVr} Milch-Alkali-Syndrom (Burnett-Syndrom) bei exzessiver Aufnahme calciumcarbonathaltiger Antazida #146.14{sidwyGKpFsk} Mechanismus: Das Milch-Akali-Syndrom ist eine Stoffwechselstörung, die bei der Kombination von Alkalien (z. B. Bicarbonate) und Calcium (z. B. aus Milch) auftreten kann. Es kommt dabei zu einer Alkalose und Hypercalciämie mit der Gefahr einer Niereninsuffizienz. Bekannt wurde das Milch-Alkali-Syndrom Anfang des 20. Jahrhunderts, als Patienten mit Magengeschwüren mit großen Mengen an Milch und Alkalipulver behandelt wurden. Von dem im Magen aus Calciumcarbonat gebildeten Calciumchlorid werden etwa 20 % resorbiert. Bei gleichzeitiger Zufuhr großer Mengen an Milch besteht jedoch die Gefahr einer Hypercalciämie (> 2,6 mmol/l). Die übermäßige Resorption von Carbonat- und Hydrogencarbonationen kann zu einer Alkalose führen. #146.15{sidGXEGT1ID} Folgen: Milch-Alkali-Syndrom: Hypercalciämie (Übelkeit, Erbrechen, abdominale Schmerzen), metabolische Alkalose, Niereninsuffizienz. #146_147{sidMDOKWrSP} Hinweis: Sofortige Behandlung zur Senkung der Calciumplasmaspiegel mit 0,9%iger Kochsalzlösung (2,5–3 l tgl.) und Furosemid (40 mg tgl.). Durch die Verfügbarkeit von H2-Blockern und anderen Antazida hat die Häufigkeit dieser seltenen Erkrankung deutlich abgenommen. Nach aktuellen Untersuchungen scheint die Häufigkeit des MilchAlkali-Syndroms jedoch wieder anzusteigen. Schuld an dieser Entwicklung ist nicht der Konsum von Milch, sondern eine überhöhte und unkontrollierte Einnahme von Calcium- und Vitamin-D-Präparaten. #147.01{sidDnHkvV8l} Literatur #147.02{sidL96cOLDX} Akter S, Hassan MR, Shahriar M, et al. Cognitive impact after short-term exposure to different proton pump inhibitors: assessment using CANTAB software. Alzheimers Res Ther, 2015; 27;7(1):79. doi: 10.1186/s13195015-0164-8 #147.03{sidnUsfx6tD} Aymard JP, Aymard B, Netter P et al. Haematological adverse effects of histamine H2-receptor antagonists. Med Toxicol Adverse Drug Exp, 3 (6): 430–448, 1988 #147.04{sidA0vG0gQd} Badiola N, Alcalde V, Pujol A, et al. The proton-pump inhibitor lansoprazole enhances amyloid beta production. 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Im Hinblick auf den Mikronährstoffhaushalt kann die Einnahme von Orlistat vor allem zu einer Resorptionsstörung fettlöslicher Vitamine führen. #150.05{sidwndxqKSy} Der Erfolg einer Gewichtsreduktion mit Orlistat ist häufig nur unbefriedigend. Andere Gewichtsreduzierende Maßnahme wie Ernährungsumstellung und regelmäßige körperliche Aktivität (z. B. gesundheitsorientiertes Krafttraining) sind langfristig sicher Erfolg versprechender. Generell stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist mit einem Arzneistoff wie Orlistat eine partielle Pankreasinsuffizienz zu erzeugen, um damit das Körpergewicht zu verringern. #150.06{sidCEUIdktg} 9.1.1 Orlistat und fettlösliche Vitamine #150.07{sidElG73gAm} Orlistat vermindert die Resorption fettlöslicher Vitamine #150.08{sidLCmt1xLu} Mechanismus: Hemmung der pankreatischen Carboxylester-Lipase (gastrointestinale Lipase) durch Orlistat hemmt die Fettresorption und damit die diätetische Bioverfügbarkeit fettlöslicher Vitamine. #150.09{sidaAtDqmAn} Folgen: Beeinträchtigung der diätetischen Bioverfügbarkeit der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K sowie der Carotinoide (z. B. Lycopin, Lutein); Abfall der Carotinoid- und 25-(OH)-Vitamin-D-Spiegel (Vitamin-D-Mangel: 25(OH)D < 20 ng/ml) im Serum bei langfristiger Anwendung. Auch die Resorption und Utilisation der langkettigen mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) wird erheblich beeinträchtigt. #150_151{sidosTsk5U1} Hinweis: Unter Therapie mit Orlistat sollten zur Kompensation der medikationsbedingten Verluste ein Multivitaminpräparat mit fettlöslichen Vitaminen (in wasserlöslicher Salzform, z. B. α-Tocopherolacetat) und Carotinioden supplementiert werden. Zwischen der Einnahme von Orlistat und entsprechenden Vitaminpräparaten ist ein Einnahmeabstand von 2–3h einzuhalten. Der Vitamin-D-Status bedarf bei langfristiger Einnahme von Orlistat besonderer Aufmerksamkeit, da es in einigen Studien trotz Begleitmedikation mit einem fettlöslichen Multivitaminpräparat (5 000 I. E. Vitamin A, 400 I. E. Vitamin D, 300 I. E. Vitamin E und 30 µg Vitamin K) zu einem signifikanten Abfall oder Calcidiol-Serumspiegel kam und der Vitamin-D-Status nicht ausreichend kompensiert werden konnte. In verschiedenen Untersuchungen korrelierte der Vitamin-D-Status invers mit der Insulinresistenz und dem erhöhten Risiko für Adipositas. #151.01{sidJfHfTEey} Hinweis: Bei einem Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) sollte mithilfe der folgenden Formel zunächst die Vitamin-D-Initialdosis (VDI) in I. E. berechnet werden: Vitamin-D-Initialdosis (VDI) in I. E. = 40 × [Zielwert (nmol/l) – Ausgangswert (nmol/)] × kg Körpergewicht (KG) #151.02{sidS7bX4RhB} Die errechnete Vitamin-D-Initialdosis (VDI) sollte gleichmäßig etwa auf 7–10 Tage verteilt werden (z. B. VDI = 405 000 I. E. → 10 Tage lang 40 000 I. E. Vitamin D täglich). Im Anschluss sollten täglich 40–60 I. E. Vitamin D pro kg KG eingenommen werden. Eine Erfolgskontrolle der Vitamin-D-Therapie sollte frühestens nach 6–8 Wochen labordiagnostisch durch die Messung des 25(OH)D-Werts im Serum überprüft werden. #151.03{sidplQTk5Cs} Für die humane Physiologie und Prävention von Erkrankungen gilt derzeit ein 25(OH)D-Status von 40–60 ng/ml bzw. 100–150 nmol/l als optimal. Aktuelle Studien zeigen, dass in Abhängigkeit vom BMI bei Übergewichtigen eine tägliche Einnahme von 7 000 I. E. und bei Adipösen von 8 000 I. E. Vitamin D eingenommen werden müssen, um einen 25(OH)D-Status von 100 nmol/l zu erreichen. In Bezug auf den Vitamin-D-Status wurde zudem gezeigt, dass ein 25(OH)D-Spiegel bis zu 300 nmol/l ohne Nebenwirkungen assoziiert ist und als sicher gilt. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #151.04{sidOXF9wHoE} Literatur #151.05{sidfUowO9hn} Borel P, Caillaud D, Cano NJ. Vitamin D bioavailability: state of the art. Crit Rev Food Sci Nutr, 55 (9): 1193–1205, 2015 #151.06{sidDV4cUytl} Cruz-Hernandez C et al. 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Obesity, 16 (3): 623–629, 2008 #152.01{sidgbOQv856} 10 Antianämika #152.02{sidVNPhcpRX} Eine Anämie liegt vor, wenn die Hämoglobinkonzentration (Männer/Frauen: < 14 g/dl/ < 12 g/dl) und die Erythrozytenzahl (Männer/Frauen: < 4,5 Mio./µl/< 4,0 Mio./µl) unter den Normalbereich abfallen. Die häufigste Anämieform ist die Eisenmangelanämie, die durch gastrointestinale Blutverluste, vermehrten Eisenverbrauch während der Gravidität, gesteigerte Mensesblutungen oder durch nutritiven Eisenmangel (z. B. fleisch- und gemüsearme Kost) bedingt ist. Von klinischer Bedeutung sind neben der Eisenmangelanämie vor allem die megaloblastäre Anämie durch Vitamin-B12- und/oder Folsäuremangel, die renale Anämie (Erythropoetinmangel) bei chronischen Nierenerkrankungen sowie die Tumor- und zytostatikabedingte Anämie. Zu den am häufigsten verordneten Antianämika zählen Eisen-, Folsäure-, Vitamin-B12- und ErythropoetinPräparate. #152.03{sidT535XGeL} Eine Eisenmangelanämie tritt vermehrt bei Patienten mit Niereninsuffizienz, insbesondere bei HämodialysePatienten auf. Auch Prädialyse-Patienten sind häufig von einem Eisenmangel betroffen, der vor allem auf ein reduziertes Eisenangebot durch eine proteinarme Ernährung und auf eine verringerte Eisenresorption infolge von Urämien und/oder die Gabe von Phosphatbindern zurückzuführen ist. Bei Hämodialyse-Patienten steigt unter dem Einsatz von rekombinantem humanem Erythropoetin (rHuEpo) der Eisenbedarf für die Erythropoese, was den Eisenmangelzustand zusätzlich verschärfen kann. Der adjuvante Einsatz von Eisen, L-Carnitin und antioxidativ wirksamen Mikronährstoffen wie Vitamin E kann die Ansprechrate und Wirksamkeit einer Therapie mit Erythropoetin oder Darbepoetin alfa signifikant verbessern. #152.04{sidVVBDswFU} 10.1 Eisen und Mikronährstoffe #152.05{sidzScHJANn} Blutbildende Arzneimittel, die sogenannten Antianämika, werden zur Behandlung und Vorbeugung der Blutarmut (Anämie) eingesetzt. Unter den eingesetzten Medikamenten hat Eisen dabei neben Erythropoetin, Folsäure und Vitamin B12 die größte Bedeutung. Mit etwa 4 g ist Eisen das häufigste essenzielle Spurenelement im Körper. Jede unserer Körperzellen braucht Eisen, da es eine überragende Rolle spielt bei der Blutbildung. Als elementarer Baustein des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin ist Eisen für den Sauerstofftransport im Blut und die Sauerstoffverwertung im zellulären Energiestoffwechsel unerlässlich. #152.06{sidYLgT08bA} Hauptaufgabe des Eisens ist der Sauerstofftransport aus der Lunge zum Ort der verschiedenen Körpergewebe und Organe. Auch die Neubildung von roten Blutkörperchen, die sogenannte Erythropoese, ist obligat eisenabhängig. Eine gute Eisenversorgung ist deshalb die Voraussetzung für unsere Vitalität sowie für die optimale Funktion des Gehirns und Immunsystems. Darüber hinaus ist Eisen auch essenziell für die Verwertung und den Einbau von Iod im Rahmen der Schilddrüsenhormonsynthese (→ eisenabhängige Thyroid-Peroxidase). Eisen ist zusätzlich an der Produktion von Hormonen und Neurotransmittern (z. B. Dopamin), der Kollagensynthese sowie zahlreichen Aktivitäten von Enzymen, die bei Entgiftungsprozessen und der Beseitigung freier Radikale eine Rolle spielen, beteiligt. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #152.07{sidQYnDF1cy} Je nach Lebensphase und Lebensstil ist der Eisenbedarf unterschiedlich (□ Tab. 10.1). Eisenmangel tritt vor allem bei Mädchen, Schwangeren, Stillenden, Frauen mit starken Monatsblutungen und Vegetariern auf. Bis zu 75 % der Frauen im Alter zwischen 14 und 50 Jahren sind nach aktuellen Studien nicht ausreichend mit Eisen versorgt. Ein leichter Eisenmangel kann bei Kleinkindern im Alter von 12–18 Monaten bereits zu deutlichen Störungen in der Intelligenzentwicklung führen. #153.01{siducENon30} Bei Sportlern ist Eisenmangel die häufigste Ursache für mäßige Leistungen und eine schlechte Regenerationsfähigkeit. Eisenmangelsymptome treten bei weiblichen Ausdauersportlern sehr häufig auf und können sich durch Müdigkeit, Kältegefühl, Infektanfälligkeit, Abnahme der Leistungsbereitschaft/-fähigkeit, vorzeitige Lactatazidose bis hin zur Blutarmut äußern. Der Eisenbedarf ist bei Ausdauersportlern aus verschiedenen Gründen erhöht: #153.02{sidVZmYnQWM} Eisenverluste über den Schweiß (~ 0,5 mg/l, bei intensiver Belastung: bis zu 5 mg/h), Urin und Stuhl. #153.03{sidkNDhHAh8} Erhöhter Muskelaufbau ist verbunden mit Zunahme von Myoglobin und eisenhaltigen Enzymen. #153.04{sidgKeXPH9v} Die höhere Gesamtblutmenge beim Sportler mit mehr Erythrozyten und Hämoglobin. #153.05{sidpVBrfsNW} Die mechanische Zertrümmerung roter Blutkörperchen in den Gefäßen der Ferse („Marschhämolyse“). #153.06{sidaqUa75hg} Ernährung (z. B. vegetarisch). #153.07{sidoTdRd8eB} Bei Sportlerinnen erfolgt zusätzlich ein Eisenverlust von 10–20 mg pro Menstruation. #153.08{sidrJRDUyJQ} Neben Fehlernährung kann Eisenmangel auch durch eine krankheitsbedingte Störung der Eisenaufnahme (z. B. Sprue/Zöliakie, Gastritis) und okkulte Blutungen im Magen-Darm-Trakt (z. B. Colitis ulcerosa, Magengeschwüre) entstehen. 1 ml Blut enthält etwa 0,5 mg Eisen, sodass Blutverluste (z. B. Blutspenden, Hämorrhoiden, Regelblutungen) zu ausgeprägtem Eisenmangel führen. Auch einige Medikamente wie Magen-Darm-Mittel (z. B. Säureblocker) und Abführmittel stören die Eisenaufnahme. Krankheiten, die in Verbindung mit einem Eisenmangel stehen sind ADHS, Restless-legs-Syndrom, Morbus Parkinson. #153.09{sidNUvAb8Nw} Tab. 10.1 Risikogruppen und Risikofaktoren für Eisenmangel #153.10{sidWnUvnoWD} Ursache Risikogruppen und Risikofaktoren #153.11{sidQ3j7B5zF} Kinder und Jugendliche #153.12{sid1lG9MR7Y} Frauen #153.13{sidtogzLPm2} Schwangere, Stillende #153.14{sidf8Hm2i2A} Vegetarier #153.15{sidqPbSBfAh} Ältere Menschen #153.16{sidPjQRTg72} Sportler #153.17{sidgPc1ZimU} Blutverlust (z. B. Blutspenden, Operationen, Regelblutungen) #153.18{sidAwGoOURK} Arzneimittel (z. B. Antazida, Schmerzmittel, Antibiotika, etc.) #153.19{sid0wq6sacj} Magen-Darm-Erkrankungen (z. B. Colitis ulcerosa) Wachstum, geistige Entwicklung Eisenverluste durch Monatsblutung Steigerung des Eisenbedarfs um 100 %, Blutverluste bei der Geburt Geringer Eisengehalt der Nahrung Geringe Nahrungsaufnahme bei vermindertem Appetit Erhöhter Bedarf (z. B. Muskelaufbau) und Verlust (z. B. Marschhämolyse, Urin, Schweiß) Eisenverlust durch Blutverlust Störungen der Eisenaufnahme und Eisenverwertung, erhöhte Eisenverluste Störungen der Eisenaufnahme und Eisenverwertung, erhöhte Eisenverluste #153.20{sida2Tzfmnx} Wer an Eisenmangel leidet, fühlt sich zunächst müde und erschöpft und wird anfällig für Infekte. Wichtige Organe wie Gehirn und Herz werden nicht mehr optimal mit Sauerstoff versorgt. Die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit sinkt. Im Alter von 12–18 Monaten kann eine Unterversorgung mit Eisen die Intelligenzentwicklung irreparabel stören. Bei Schulkindern können Lern- und Konzentrationsstörungen die Folge sein. #154.01{sid3YGYcQop} Eisenmangel beeinträchtigt die Energieproduktion in den Kraftwerken unserer Zellen, den sogenannten Mitochondrien. Es kommt zum allgemeinen Leistungsabfall. Typische Symptome sind leichte Ermüdbarkeit, innere Unruhe, Kopfschmerzen, Nervosität, Vergesslichkeit und eine erhöhte Kälteempfindlichkeit. Eine Unterversorgung mit Eisen kann sich durch Herzklopfen und einen schwachen, schnellen Puls äußern. Die Betroffenen leiden häufig unter Kurzatmigkeit bei körperlicher Belastung (z. B. Treppensteigen). Besonders sensibel reagiert auch die Schilddrüse auf Eisenmangel. Haarausfall oder brüchige Fingernägel können bei Frauen die Folge eines Eisenmangels sein. Schließlich kommt es zum ausgeprägten Eisenmangel mit Blutarmut (Eisenmangelanämie), im Fachjargon auch mikrozytäre hypochrome Anämie genannt. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #154.02{sidCVyf4zVC} Wer einen erhöhten Eisenbedarf hat, muss auf die ausreichende Zufuhr dieses essenziellen Spurenelementes achten. Nicht immer ist dies durch die Ernährung möglich. Eine ergänzende Zufuhr durch ein ernährungsphysiologisch sinnvoll dosiertes Präparat (z. B. 10–25 mg Eisen/1–3 × pro Tag) hilft bei der Erhaltung gesunder Eisenwerte. Sind bereits Symptome vorhanden, die auf einen Mangel hinweisen, können höhere Zufuhrmengen – auch Eiseninfusionen beim Arzt – über mehrere Wochen die Speicher füllen. #154.03{sidIdKsTTnx} Die Bestimmung des Ferritins, CRP und löslichen Transferrin-Rezeptors (sTfR) durch den Arzt sind geeignete Möglichkeiten der labormedizinischen Kontrolle des Eisenstatus. Ferritin ist nur ein Maß für den Eisenspeicher und kann durch Entzündungsprozesse verfälscht werden. Daher sollten zum Ferritin immer auch der Entzündungsparameter CRP sowie zur Untermauerung der Eisen-Diagnostik der lösliche sTfR bzw. Ferritin-Index sowie die Leberwerte (z. B. Gamma-GT) mit gemessen werden. Durch die gemeinsame Bestimmung von Ferritin und sTfR und nachfolgender Berechnung des Ferritin-Index kann zusätzlich zum Speichereisen auch das Funktionseisen (→ im Körper in aktiven biologischen Verbindungen gebundenes Eisen) beurteilt werden. #154.04{sidbpcl842f} 10.1.1 Eisen und Vitamin C #154.05{sidulOdo6Au} Vitamin C fördert die enterale Eisenresorption #154.06{sidvJvbf7Zt} Mechanismus: Vitamin C schützt 2-wertiges Eisen vor der Oxidation zum schwerlöslichen und somit schlechter resorbierbaren 3-wertigen Eisen (Reduktion von Fe3 + → Fe2 +); Bildung von löslichen und resorbierbaren EisenAscorbat-Komplexen (auch Vitamin A → Eisen-Vitamin-A-Komplexe); Vitamin C soll zusätzlich die Stabilität von intrazellulärem Ferritin erhöhen und dadurch die Phagozytose in die Lysosomen verhindern, in denen Ferritin in Hämosiderin um gewandelt wird, dessen Eisen nur schwer bioverfügbar ist. #154.07{sidsjFiinka} Folgen: Steigerung der enteralen Resorption von Eisen und verbesserte Utilisation im Rahmen der Hämatopoese; effektiverer Hämoglobin-Anstieg als bei Monotherapie mit Eisen (auch durch Kombination mit Vitamin A, Vitamin B2 und Folsäure). #154.08{sidZLv6b1Pb} Hinweis: Die Kombination von Eisen (z. B. 2 × 20–40 mg Fe2 +/d) mit Vitamin C (z. B. 1–2 × 100 mg Vitamin C/d) oder Vitamin-C-haltigen Obstsäften (z. B. Orangensaft) kann die Effektivität einer oralen Eisentherapie verbessern und ist in der Behandlung einer Eisenmangelanämie empfehlenswert. Neben den Leitparametern der Eisenmangelanämie (z. B. Ferritin, Transferrin, Hämoglobin, Hämatokrit) ist auch eine labordiagnostische Erfassung des Folsäure-, Vitamin-B12- und Kupferstatus sinnvoll. #154_155{sidj9JRXgYo} Im Unterschied zu Hämeisen in Lebensmitteln tierischer Herkunft, dessen Verfügbarkeit 10 bis 25 % beträgt, liegt die Resorptionsquote von Nichthämeisen in pflanzlichen Lebensmitteln durch absorptionshemmende Liganden (z. B. Tannine, Phytate, Oxalsäuren) nur bei etwa 5 %. Eisen wird im Duodenum und oberen Jejunum als 2-wertiges Eisen resorbiert. Abgesehen vom Häm gebundenen Fe2 +-Anteil liegt Eisen in Nahrungsmitteln überwiegend in der 3wertigen Form vor. Da 3-wertiges Eisen im schwach alkalischen Milieu des Dünndarms (pH > 3) nicht löslich ist, muss es vor der Resorption durch Reduktionsmittel wie Vitamin C reduziert (Fe3 + → Fe2 +) oder über andere Substanzen in Lösung gehalten werden. #155.01{sidx1byjlT8} 10.1.2 Eisen und Vitamin A #155.02{sid27Hfa5AX} Vitamin A kann die Eisenverwertung bei der Hämatopoese verbessern #155.03{sid5N5ieZz8} Mechanismus: Vitamin-A-Mangel (auch Vitamin B2) beeinträchtigt die Utilisation von Eisen im Organismus; die Inkorporation und Mobilisation von Eisen kann durch Vitamin A erhöht werden. #155.04{sidtT95K5tJ} Folgen: Utilisation von Eisen im Rahmen der Hämatopoese wird verbessert (wahrscheinlich über die Regulation der Eisen-Hepcidin-Ferroportin-Achse); effektiverer Hämoglobinanstieg gegenüber einer Monotherapie mit Eisen (auch durch Kombination mit Vitamin D, Vitamin C, Vitamin B2 und Folsäure). #155.05{sidhnYqmiOc} Hinweis: Die Kombination von Eisen mit Vitamin A scheint in der Therapie der Eisenmangelanämie effektiver zu sein als die alleinige Gabe von Eisen. Auf den Stellenwert von Vitamin A für den Eisenstoffwechsel wurde man aufmerksam, als man beobachtete, dass bei einem Vitamin-A-Mangel eine Eisenmangelanämie auftreten kann, die nicht auf die Gabe von Eisen, sondern nur auf Vitamin A anspricht. #155.06{sidVBbv8vUO} Studien: Vitamin A beeinflusst die Hämatopoese und führt zu einer erhöhten Produktion und Freisetzung von roten Blutkörperchen. Die Supplementierung von Eisen in Kombination mit Vitamin A hat in einigen Studien einen günstigen Einfluss auf die Eisenverwertung und Hämatopoese gezeigt. In einer Studie an 243 indonesischen schwangeren Frauen (Alter: 17–35; 16. bis 20. SSW), führte die kombinierte Gabe von Eisen mit Vitamin A und Folsäure (120 mg Eisen, 4 800 I. E. Vitamin A, 500 µg Folsäure) zu einem wirkungsvolleren Anstieg der Hämoglobinwerte als bei der alleinigen Therapie mit Eisen und Folsäure. Bei anämischen Teenagern aus Bangladesh wurde unter der Einnahme von Eisen (120 mg) zusammen mit Vitamin A (2,42 mg) und Folsäure (3,5 mg) gegenüber Placebo nach 12 Wochen eine signifikante Abnahme der Anämie um 92 %, des Eisenmangels um 90 % und des Vitamin-A-Mangels um 76 % beobachtet. Daneben stiegen die Hämoglobinwerte unter der Kombination von Eisen + Vitamin A + Folsäure stärker an als unter Eisen + Folsäure. #155.07{sid34rABcRy} 10.1.3 Eisen und Vitamin D HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #155.08{sidS02b5LJG} Vitamin D kann die Eisenresorption und –utilisation verbessern #155.09{sidjmy0YnMV} Mechanismus: Vitamin D kann die Eisenresorption und –utilisation über die Regulation der Eisen-HepcidinFerroportin-Achse verbessern. #155.10{sidxCJtgxTh} Folgen: Utilisation von Eisen im Rahmen der Hämatopoese wird verbessert; effektiverer Hämoglobinanstieg gegenüber einer Monotherapie mit Eisen. #155.11{sidu3pJbh6w} Studien: Aktuelle Studien belegen, dass Vitamin D auch die Aufnahme und Verwertung von Eisen beeinflusst. Die Resorption von Eisen erfolgt als zweiwertiges Eisen im Darm. Dabei wird dreiwertiges Eisen (Fe III) durch das duodenale Cytochrom b (Dcytb) zum zweiwertigen Eisen (Fe II) reduziert und in dieser Form über den divalenten Metalltransporter 1 (DMT-1) in die Darmzelle aufgenommen (○ Abb. 10.1). In der Darmzelle wird das Fe II entweder in Form von intrazellulärem Ferritin gespeichert oder zur basolateralen Membran transportiert. An der basolateralen Membran wird Eisen in Form von Fe II von dem Eisen-Exporter Ferroportin gebunden. Dieser ist für den Eisentransport aus dem Zellinneren der Darmzellen heraus ins Blut zuständig. Auch in der Membran von Leberzellen und einigen Zellen des Immunsystems (z. B. Monozyten, Makrophagen) findet sich Ferroportin. #156{sidAF1VIdr9} Abb. 10.1 Eisenaufnahme aus dem Darm ins Blut #155_156{sidvOEASUc9} Die Aktivität des Ferroportins wird durch das Protein Hepcidin reguliert. Letzteres wird hauptsächlich in der Leber gebildet und besitzt eine Schlüsselfunktion bei der Regulation der Aufnahme und Gewebeverteilung des Eisens. In Darmzellen oder in Monozyten bindet Hepcidin an Ferroportin. Dadurch können diese Zellen kein Eisen mehr ausschleusen und ins Blut abgeben. In der Folge sinkt der Eisenspiegel im Blutserum und eine Blutarmut kann sich entwickeln. Das HAMP-Gen, welches für die Produktion von Hepcidin verantwortlich ist wird auch bei Infektionen oder Entzündungen (z. B. Interleukin-6) vermehrt aktiviert und führt zu einem Anstieg der Hepcidinspiegels. Hierdurch wird die Funktion des Ferroportins blockiert, was dazu beitragen kann, dass sich eine Entzündungsbedingte Blutarmut (Anämie) entwickelt. #156_157{sideoSFjoxe} Lange Zeit hatte man sich gewundert, warum bei Patienten mit Blutarmut aufgrund einer chronischen Nierenerkrankung erhöhte Hepcidinspiegel und gleichzeitig erniedrigte 25(OH)D-Spiegel gemeinsam im Blut auftreten. Aktuelle Studien konnten diesen Zusammenhang nun aufklären. Da ein Vitamin-D-Mangel [25(OH)D < 20 ng/ml] die Produktion von Hepcidin in Leber- und Immunzellen steigert und damit die Aktivität von Ferroportin senkt kommt es zu einem Abfall des Eisenspiegels im Blut. Demgegenüber senkt ein normaler Vitamin-D-Status [25(OH)D: 30–60 ng/ml] die Aktivität des HAMP-Gens und verringert die Hepcidinspiegel im Blut (○ Abb. 10.2). Somit fördert Vitamin D die Aktivität des Ferroportins und verbessert die Eisenaufnahme und Eisenverwertung. Andererseits könnte Eisen über die Aktivität von Hydroxylasen den Vitamin-D-Stoffwechsel unterstützen. Ferredoxine sind eisen- und schwefelhaltige Proteine, die als Elektronenüberträger bei metabolischen Reaktionen mitwirken. Das menschliche Ferredoxin wird Adrenodoxin genannt. Im mitochondrialen Monooxygenasesystemen überträgt Adrenodoxin ein Elektron von NADPH-Adrenodoxin-Reduktase an die membrangebundene CytochromP450-Cholesterin-Monooxygenase (CYP11A1). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #157.01{sidIRxrHnBW} Abb. 10.2 Regulation der Eisen-Hepcidin-Ferroportin-Achse #157.02{sidoXfEftSA} Der Einfluss von Vitamin D auf die Eisen-Hepcidin-Ferroportin-Achse wird durch die Ergebnisse einer kürzlich durchgeführten Pilot-Studie an gesunden Freiwilligen bestätigt. Bei diesen führte eine einmalige orale Gabe von 100 000 I. E. Vitamin D2 zu einem signifikanten Anstieg des 25(OH)D-Spiegels von 27 ng/ml auf 44 ng/ml. Die Verbesserung des 25(OH)D-Status war gleichzeitig mit einem 34%igen Abfall der Hepcidin-Spiegel im Blut innerhalb von 24 Stunden verbunden. #157_158{sidZ96JngsL} Auch bei Schwangeren gehen Eisen- und Vitamin D-Mangel häufig Hand in Hand. In einer aktuellen Studie an 158 Schwangeren (Alter: ≤ 18 Jahre) wurde der mütterliche Vitamin D- und Eisenstatus in der Schwangerschaftsmitte und bei Geburt untersucht. Dabei war der mütterliche 25(OH)D-Spiegel positiv mit dem Hämoglobinspiegel verbunden. Das Risiko für eine Anämie war bei den jungen Frauen mit einem 25(OH)D-Spiegel < 20 ng/ml gegenüber denjenigen mit einem 25(OH)D-Status ≥ 20 ng/ml sogar 8-mal größer. Bei allen Frauen, die schwanger werden wollen und Schwangeren sollte nicht nur die Folsäureversorgung im Fokus stehen, sondern generell auch der Vitamin D-Status labormedizinischen kontrolliert und entsprechend kompensiert werden. Eisen- und Vitamin-DMangel scheinen in der Schwangerschaft nicht nur das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen (z. B. Präeklampsie) zu erhöhen, sondern sind nach aktuellen Studien bei Kindern auch mit einem signifikant erhöhten Risiko an ADHS zu erkranken vergesellschaftet. #158.01{sidoxzUwv9G} In der Summe unterstreichen aktuelle Forschungsergebnisse die Bedeutung des Vitamin-D-Status [25(OH)D, ng/ml] für die physiologische Verwertung des Eisens. Nach den Ergebnissen der LURIC-Studie sind niedrige 25(OH)D und 1,25(OH)2D-Werte sind unabhängig assoziiert mit einer Anämie. Da Vitamin D die Schlüsselproteine Hepicidin und Ferroportin des Eisenstoffwechsels beeinflusst, sollte deshalb bei verschiedenen Formen einer Anämie (z. B. Schwangerschaft, Nieren-, Krebserkrankung) immer auch auf einen gesunden 25(OH)D-Status [25(OH)D: 40–60 ng/ml] geachtet werden. #158.02{sidFNdW2CEI} 10.1.4 Eisen und Mineralstoffe #158.03{sidZjWLf2Yz} Zink und andere Mineralstoffe hemmen die Eisenabsorption #158.04{siddCTD8ySI} Mechanismus: 2-wertige Metalle wie Zink, Kupfer, Mangan und Calcium reduzieren die Eisenabsorption; diskutierter Mechanismus: kompetitive Interaktion mit dem divalenten Metallionen-Transporter-1 (DMT1) der Fe2 + transportiert und andere 2-wertige Metalle (Zn, Cu, Mn, Co, Cd und Pb). #158.05{sidxlAWZZzs} Folgen: Reduktion der Resorptionsquote von Eisen bei Kombination mit Mineralstoffpräparaten oder Einnahme zu Mahlzeiten mit hohem Anteil an absorptionshemmenden Substanzen (z. B. Calcium, Phytate, Polyphenole). #158.06{sidiO3vmEtA} Hinweis: In der Therapie von Eisenmangelzuständen sollte 2-wertiges Eisen möglichst nüchtern, in einer dünndarmlöslichen Form (z. B. 1–2 × 60 mg Eisen/d als Eisensulfat) eingenommen werden. Der zeitgleiche Konsum von Lebensmitteln wie Tee oder Kaffee (Polyphenole), Milchprodukten (Calcium) oder übermäßige Mengen an Kleie (Phytate) sollte vermieden werden. Ein mehrstündiger Einnahmeabstand (> 2–3h) zu anderen Mineralstoffpräparaten ist empfehlenswert. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #158.07{sidTgfDYk6M} Zur besseren Verträglichkeit kann Eisen auch in niedrigeren Dosierungen (z. B. 20 mg/d; Eisen/UL: 45 mg) nach/oder zu den Mahlzeiten eingenommen werden, dann ist allerdings der Anteil an absorptionshemmenden Nahrungsbestandteilen (z. B. Phytate, Oxalate, Phosphate) sowie Kaffee, Tee, Milch und Colagetränken wichtig. Pflanzliche Lebensmittel mit einem hohen Phytatgehalt (z. B. Vollkornprodukte) können zur besseren Bioverfügbarkeit von Eisen mit Vitamin-C-reichen Lebensmitteln (z. B. Zitrusfrüchte, Orangensaft) kombiniert werden. Der Eisenstatus kann durch eine hochdosierte Monotherapie mit anderen Mineralstoffen wie Calcium und Zink gestört werden. Calcium inhibiert sowohl die Absorption des Hämeisens als auch die des freien Eisens. #158.08{sidRFrKT14q} Studien: Die tägliche Zufuhr von 50 mg Zink als Zinkgluconat führte in einer Studie an erwachsenen Frauen bereits nach zehn Wochen zu einer deutlichen Beeinträchtigung des Eisen- und Kupferhaushalts (→ Reduktion der Serumferritinspiegel und der Aktivität der zink/kupferabhängigen erythrozytären Superoxiddismutase, SOD). #158.09{sid2gPAJahj} 10.2 Erythropoetin und Mikronährstoffe #158.10{sidPCeb1y7K} 10.2.1 Erythropoetin (EPO) und Eisen #158.11{sidGkXhGSXm} Eisen(III)-Komplexe verringern den Bedarf an Erythropoetin #158_159{sidEpHrHUAC} Mechanismus: Eisen(III)-Komplexe verbessern die Ansprechrate und verringern den Bedarf an rekombinantem humanem Erythropoetin (rHuEPO). Für eine adäquate Stimulation der Erythropoese durch Erythropoetin sind gut gefüllte Eisenspeicher wichtig. Eine Therapie mit rekombinantem humanem Erythropoetin (rHuEPO) oder Darbepoetin alfa steigert den Eisenbedarf und spricht nur an (→ Anstieg des Hämoglobins), wenn ausreichend Funktionseisen (→ Transferrinsättigung) zur Verfügung steht. Bei Dialysepatienten sollte daher die Transferrinsättigung ≥ 20 % und die Anzahl der hypochromen Erythrozyten < 10 % betragen. #159.01{sidYgGWMfQN} Folgen: Intravenöse Applikation von Eisen(III)-Komplexen verbessert die Ansprechrate und verringert die therapeutisch notwendige Dosis von rHuEPO: Eisen führt zu einem Anstieg des Hämoglobins, stimuliert Erythropoese, verbessert Transferrinsättigung (≥ 20 %), verringert Anteil der hypochromen Erythrozyten (< 10 %); parenterale Eisensubstitution verbessert zudem die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der Patienten mit renaler Anämie. #159.02{sidYeO0hLuK} Hinweis: Eine erfolgreiche Therapie mit rekombinantem Erythropoetin oder Darbepoetin alfa (z. B. renale Anämie, Tumoranämie) bedarf eines adäquaten Eisenstatus (→ Funktionseisen). Aus diesem Grund sind bei einer rHuEPOTherapie häufig Eisengaben (z. B. 100 mg Eisen in Form eines Eisen-(III)-hydroxid-Dextran-Komplex als intravenöse Infusion, 1–3×/Woche) erforderlich. Die Ferritinspiegel vor Beginn einer EPO-Therapie sollten bei ≥ 100 µg/l liegen. Bevor mit Erythropoese stimulierenden Agenzien (ESA) behandelt wird, sollten nach den aktuellen KDIGO-Leitlinien zunächst die Eisenspeicher aufgefüllt werden. Eine Eisengabe sollte demnach erfolgen, wenn die Transferrinsättigung weniger als 30 % beträgt und die Serum-Ferritin-Spiegel unter 500 µg/l liegen – allerdings sind dauerhafte Ferritin-Werte über 500 µg/l zu vermeiden. Beim gesunden Erwachsenen korreliert die Ferritinkonzentration im Serum direkt mit der Gesamtmenge des mobilisierbaren Speichereisens im Organismus. 1 µg/l Serum-Ferritin entsprechen bei Erwachsenen einer Speichereisenmenge von etwa 8 mg. Ein auf unter 30 µg/l reduzierter Ferritinwert zeigt eine Erschöpfung der für die Hämoglobinbiosynthese zur Verfügung stehenden Gesamtkörpereisenreserven an. Unter rHuEPO-Therapie muss zusätzlich Eisen gegeben werden, wenn die Transferrinsättigung < 30 % und der Anteil hypochromer Erythrozyten im Blutausstrich > 10 % ist (normal < 2,5 %). Ein Hämoglobingehalt der Retikulozyten < 29 pg weist mit einer hohen Spezifität auf einen Eisenmangel hin. Eine intravenöse Applikation von Eisen(III)-Komplexen verringert bei Patienten mit renaler Anämie den Bedarf an rHuEPO und verbessert ihre Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. #159.03{sidYT4Q8B1b} Bei oraler Zufuhr von Eisen sollte die Einnahme getrennt zu Phosphatbindern erfolgen, da diese die Eisenabsorption beeinträchtigen. Die intravenöse Applikation von Eisen(III)-Komplexen ist der oralen Applikation überlegen, da die Bioverfügbarkeit oraler Eisenpräparate mit 5 bis 10 % limitiert ist und zudem bei bis zu 20 % der Patienten gastrointestinale Störungen (z. B. Obstipation) auftreten. Neben einem Eisenmangel verringert auch ein Mangel an Folsäure, Vitamin B6, Vitamin B12, L-Carnitin und Vitamin C die Wirksamkeit einer Therapie mit rHuEPO. Die adjuvante Einnahme von Antioxidanzien (z. B. Vitamin E, Selen) kann den durch intravenöse Eisentherapie induzierten Anstieg der Lipidperoxidationsrate reduzieren und die Ansprechrate auf die rHuEPO-Therapie verbessern. Eine Supplementierung von Folsäure, Vitamin B2, Betain, Vitamin B6 und B12 (pMethylcobalamin) senkt bei Dialysepatienten erhöhte Homocysteinspiegel und kann möglicherweise dazu beitragen die erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität zu senken. #159_160{sidiQTk3RGE} Erythropoetin (EPO), das primär in den peritubulären Zellen des distalen Tubulus der Niere gebildet wird, ist für die Erythropoese im roten Knochenmark essenziell. Hierbei wirkt das Glykoprotein als Wachstums- und Differenzierungsfaktor der erythroiden Vorläuferzellen. Ein Mangel an EPO führt zur normochromen, normozytären, hyporegenerativen Anämie. Die häufigste Ursache ist die chronische Niereninsuffizienz, da EPO nahezu ausschließlich in der Niere gebildet wird. Bei einer Dialyse können beträchtliche Eisenverluste von bis zu 10 mg pro Dialyse auftreten. Hämodialysepatienten leiden daher oft an einer renalen Anämie (Grenzwerte der Eisenmangelanämie: Frauen: Hb < 11,5 g/dl; Männer: Hb < 13,5 g/dl). Zu den Ursachen/Faktoren für Eisenmangel bei Hämodialysepatienten zählen proteinarme Ernährung, Blutverluste in das Hämodialysesystem, häufige Blutentnahme für klinisch-chemische Untersuchungen, Blutverlust durch Antikoagulanzientherapie sowie gastrointestinale Blutungen. Hämoglobinwerte < 11 g/dl entsprechend einem Hämatokrit von 30 % sind bei Dialysepatienten mit einem um bis zu 40 % erhöhten Letalitätsrisiko assoziiert. Die Gabe von rekombinantem humanem Erythropoetin (rHuEPO) führt zu einem Anstieg der Erythrozytenzahl und Verbesserung der Hämatokritwerte. #160.01{sidtbOeESD1} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Patienten mit renaler Anämie weisen häufig eine Eisenmobilisationsstörung auf, die durch eine niedrige Transferrinsättigung (→ Indikator für mobilisiertes Eisen) bei gleichzeitig normalem oder leicht erhöhtem Serumferritin (→ ausreichende Eisenreserven) gekennzeichnet ist. Während das Serumferritin die Eisenreserven widerspiegelt (normal oder leicht erhöht), ist für die Verfügbarkeit des Eisens das mobilisierte Transporteisen entscheidend, welches bei Dialysepatienten häufig vermindert (Transferrinsättigung < 20 %) ist und eine Unterversorgung der Erythropoese mit Eisen zur Folge hat. Bei Aktivierung der Erythropoese durch EPO wird die bestehende Eisenmobilisationsstörung als funktioneller Eisenmangel manifest (→ Abfall der Transferrinsättigung). Der funktionelle Eisenmangel wird mittels Bestimmung der Transferrinsättigung und Messung des Anteils hypochromer Erythrozyten diagnostisch erfasst. #160.02{sidwEa4V9hL} 20 bis 60 % der Tumorpatienten sind bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung anämisch. Damit verbunden sind signifikante Beeinträchtigungen des Allgemeinzustands und der Lebensqualität der Patienten. Die Gabe von Erythropoese-stimulierenden Agenzien (ESAs, wie rHuEPO, Darbepoetin) kann die Lebensqualität der Betroffenen bei Tumoranämie und Fatigue-Syndrom signifikant verbessern und die Notwendigkeit von Bluttransfusionen verringern. Die Tumoranämie kann direkte Folge der Erkrankung sein, aber auch durch einen Eisenmangel, Blutungen, Malnutrition, Hämolyse sowie durch die Chemo- bzw. Strahlentherapie induziert werden. Die Therapie mit ESAs sollte frühzeitig bei einem Hämoglobinspiegel von 9 bis 11 g/dl einsetzen und fortgeführt werden, solange der Hämoglobinspiegel unter 12 bis 13 g/dl liegt. #160_161{sidqiTDDPwJ} Zu den Hauptursachen der tumorbedingten Anämie zählt der funktionelle Eisenmangel. Dieser ist durch eine Störung der Eisenutilisation gekennzeichnet. Aufgrund des hohen Entzündungsstatus wird vermehrt das in der Leber gebildete Typ-II-Akute-Phase-Peptid Hepcidin ausgeschüttet. Dieses hemmt die intestinale Eisenresorption und die Eisenmobilisation aus den Eisenspeichern (retikuloendotheliales System, RES). Das bedeutet, dass zwar genügend Eisen im Organismus vorhanden ist, dieses dem blutbildenden Knochenmark aber nicht zur Verfügung steht, da es von den Eisenspeichern nicht freigegeben wird. Es kommt zu einer Limitierung der Hämatopoese und somit zu einem Absinken des Hb-Werts. Die Therapie mit Erythropoetin kann dadurch ganz versagen oder nur reduziert ansprechen. Vor der Therapie mit erythropoesestimulierenden Angenzien (ESAs) sollte daher immer eine Eisendiagnostik (z. B. Transferrinsättigung, Serum-Ferritin) durchgeführt werden. Nach den Leitlinien des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) der USA liegt ein absoluter Eisenmangel bei Serum-Ferritin-Werten unter 30 µg/l vor. Normale oder erhöhte Serum-Ferritin-Werte zusammen mit einer Transferrinsättigung (TSAT) unter 20 % weisen auf einen funktionellen Eisenmangel hin. In diesem Fall ist eine kombinierte Anämie-Therapie mit intravenösem (i. v.) Eisen (z. B. Intravenöse Bolus-Injektion 2–4 ml Ferinject entsprechend 100–200 mg Eisen (Ferinject: 185 mg Eisen(III)-hydroxid-Polymaltose-Komplex/ml = 50 mg Eisen/ml), 1–3 × pro Woche) und ESAs zu erwägen. Eine Einzeldosis Ferinject® sollte 1 000 mg Eisen (20 ml) pro Tag bzw. 15 mg Eisen (0,3 ml) pro kg KG nicht überschreiten. Die maximale wöchentliche Gesamtdosis beträgt 1 000 mg (20 ml). In verschiedenen klinischen Studien konnte durch die parenterale Eisenapplikation sowohl die Ansprechrate erhöht als auch die Zeit bis zum Ansprechen auf Erythropoetin verkürzt werden. Darüber hinaus ließ sich durch die zusätzliche intravenöse Eisengabe die benötigte EPO-Dosis verringern. In einigen Fällen konnte komplett auf die Gabe von EPO verzichtet werden. #161.01{sidCSv71Vrz} 10.2.2 Erythropoetin und Antioxidanzien #161.02{sidHNbRr5NP} Antioxidanzien (Vitamin E, Vitamin C) steigern die Ansprechrate auf rHuEPO #161.03{sidfIWJiXVG} Mechanismus: Reduktion der Lipidperoxidation (Ursachen: intravenöse Eisen-Applikation, Urämie, Dialyse) und EPO-Resistenz (Ursachen: oxidativer Stress, Entzündung) durch Antioxidanzien; Verbesserung der Eisenutilisation (Vitamin C); Optimierung der Therapie mit rHuEPO oder Darbepoetin alfa. #161.04{sidGK292jv7} Folgen: Dosiseinsparung und erhöhte hämatologische Response auf rHuEPO-Therapie (→ Hämoglobin, Transferrinsättigung). #161.05{sidolmHdAI2} Hinweis: Der gezielte und labordiagnostisch gestützte Einsatz von antioxidativ wirksamen Mikronährstoffen wie Vitamin E (z. B. 500 I. E. α-Tocopherol/d, p. o.), Vitamin C (z. B. 2 000 mg Vitamin C, i. v., 2–3×/Woche) und Selen (z. B. 200 µg Selen/d) hat einen günstigen Einfluss auf die Ansprechrate einer Therapie mit humanem rekombinantem Erythropoetin (rHuEPO) und die Verträglichkeit von intravenösen Eisen(III)-Komplexen bei Dialysepatienten mit renaler Anämie. #161_162{sidRM1mJjgI} Hämodialysepatienten unterliegen aufgrund der Depletion antioxidativ wirksamer Systeme (→ Vitamin C, Selen, Glutathion) und erhöhter prooxidativer Aktivität (→ Urämie, Diabetes mellitus, Entzündung, Bioinkompatibilität der Dialysemembran, Hyperhomocysteinämie) einem gesteigerten oxidativen Stress (□ Tab. 10.2). Die hohe oxidative Belastung ergibt sich infolge der mit der Niereninsuffizienz assoziierten Akkumulation urämischer Toxine und wird durch die Dialysebehandlung selbst und die veränderte Stoffwechselsituation noch verstärkt. So kommt es bereits im Rahmen der Dialyse durch den Blut-Membran-Kontakt zur vermehrten Entstehung von reaktiven Sauerstoffspezies und Freisetzung von Entzündungsmediatoren. Die hohe oxidative Stoffwechselbelastung ist mit einer Depletion antioxidativ wirksamer Mikronährstoffe wie Vitamin C, Vitamin E und Glutathion verbunden, die durch die Dialyse noch verstärkt wird. Die Verluste an Vitamin C können pro Dialyse bis zu 100 mg betragen. Darüber hinaus wird durch oxidativen Stress die Wirksamkeit einer Therapie mit rHuEPO beeinträchtigt und die EPO-Resistenz erhöht. Eine intravenöse Eisentherapie kann bei niereninsuffizienten Patienten den oxidativen Stress steigern. Die durch Eisenionen katalysierte Fenton- und Haber-Weiss-Reaktion führt zur Bildung von Peroxiden und hochreaktiven Hydroxylradikalen. Eisen kann zudem in den Kupffer-Sternzellen der Leber akkumulieren, was einen chronischen oxidativen Stress bedeutet. In Studien konnte bei Patienten nach einer intravenösen Applikation von Eisen anhand erhöhter Plasmaspiegel von Malondialdehyd und F2-Isoprostanen eine gesteigerte Lipidperoxidation nachgewiesen werden. Die Supplementierung von antioxidativ wirksamen Mikronährstoffen wie Vitamin E (z. B. 1 200 I. E. Vitamin E, p. o., 6–9h vor der Hämodialyse) führt bei anämischen Dialysepatienten, die eine parenterale Eisentherapie erhalten, zu einer signifikanten Reduktion der Lipidperoxidation (→ MDA-Plasmaspiegel ↓). Die therapeutisch notwendige Epoetindosis sowie die EPO- Resistenz kann durch Vitamin E und Vitamin C verringert werden. In einer Studie an Hämodialysepatienten war die tägliche Einnahme von 500 mg α-Tocopherol mit einer signifikanten Reduktion der Epoetindosis (von 93 ± 24 auf 74 ± 26 I. E./Kg/Woche) und besseren Ansprechrate auf die Therapie mit rHuEPO verbunden. Die Responderrate auf eine Therapie mit rHuEPO konnte in Studien auch durch die intravenöse Applikation von Vitamin C (z. B. 300–500 mg Vitamin C, i. v., 3×/Woche) bei Hämodialysepatienten mit refraktärer Anämie und Hyperferritinämie verbessert werden. Die 519-tägige Einnahme von 800 I. E. Vitamin E (D-α-Tocopherol) führte in einer anderen Studie an Hämodialysepatienten mit koronarer Herzkrankheit (n= 196) gegenüber Placebo zu einer 54%igen Reduktion des kombinierten Endpunkts aus koronarem Tod, Schlaganfall, und instabiler Angina pectoris sowie einer 70%igen Reduktion der Herzinfarktrate. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #161.06{sidMwQsGY91} Tab. 10.2 Biomarker für oxidativen Stress bei Hämodialysepatienten (Auswahl) #161.07{sidUXzgKMsV} Biomarker Entstehung 7,8-Dihydroxy-8-oxo-Guanin (8-oxodG) Oxidationsprodukt der DNA-Base Guanin F2-Isoprostane (z. B. 8-iso- Oxidationsprodukte der Arachidonsäure Gruppe #161.08{sidUEb8Ja5e} DNA #161.09{sidBaLv2yRl} Lipide PGF2α) #161.10{sidlF9J6tSO} Malondialdehyd (MDA), 4Hydroxynonenal (4-HNE) #161.11{sidLy9ocWpX} Kohlenhydrate #161.12{sidJGQjtvGd} Aminosäuren Oxidationsprodukte mehrfach ungesättigter Fettsäuren Advanced glycosylation end products (AGE) Reaktionsprodukte reaktiver Carbonylverbindungen mit NH2-Gruppen 3-Nitrotyrosin Oxidationsprodukt mit Peroxynitrit (Nitrierung → Proteinoxidation) #162.01{sidZc4rgSGZ} 10.2.3 Erythropoetin und L-Carnitin #162.02{siduln0HbNb} L-Carnitin verringert den Bedarf an rHuEPO bei renaler Anämie und Tumoranämie #162.03{siduYv7JI9q} Mechanismus: L-Carnitin kann die therapeutische notwendige Eythropoetindosis zur Stimulierung der Erythropoese und zur Stützung der Hämatokritwerte bei Dialysepatienten mit renaler Anämie verringern; Stabilisierung der Erythrozytenmembran (Fragilität ↓); die Aktivität der Hämoxygenase-1 (HO-1) und der erythrozytären Na+/K+-ATPase wird durch L-Carnitin gesteigert, eine Resistenz auf rHuEPO (EPO-resistente Anämie) verringert und die Ansprechrate auf die Therapie mit rHuEPO erhöht. #162.04{sidbIPsFpIL} Folgen: Reduktion des Erythropoetinbedarfs; additive Effekte: Verbesserung des Ernährungsstatus (Albumin ↑), des Lipidprofils (z. B. TG ↓, HDL ↑) und der antioxidativen Abwehr; L-Carnitin hat darüber hinaus einen günstigen Einfluss auf Entzündungsprozesse (z. B. TNF-α, CRP ↓), die Insulinresistenz, die Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität. #162.05{sidANLNdYAT} Hinweis: Die parenterale Gabe von L-Carnitin (z. B. 15 bis 30 mg L-Carnitin/kg KG/d, i. v.) kann den Bedarf an rHuEPO zur Behandlung einer renalen Anämie signifikant reduzieren. Die Responderrate auf eine rHuEPO-Therapie wird durch L-Carnitin verbessert. Neben der renalen Anämie empfiehlt sich eine parenterale Substitution von LCarnitin auch bei tumor- und/oder zytostatikabedingten Anämien. Cisplatinhaltige Chemotherapien führen z. B. zu einer verminderten Erythropoetinbildung. Die parenterale Applikation von L-Carnitin (z. B. 2 g L-Carnitin in 250 ml 0,9 % NaCl) vor einer Chemotherapie mit Anthrazyklinen, Cisplatin, Ifosfamid oder Trastuzumab kann die Nebenwirkungsrate der Zytostatika (z. B. mitochondriale Toxizität, Kardio- und Neurotoxizität) signifikant verringern (▸ Kap. 34). #162_163{sidya4ZwZZn} Studien: Zwischen dem Serumspiegel an freiem und gesamtem Carnitin und der therapeutisch notwendigen Epoetindosis besteht eine signifikant negative Korrelation. Der durch die Hämodialyse ausgelöste Mangel an LCarnitin trägt zur Verkürzung der Lebensdauer der urämischen Erythrozyten bei. Die Niere spielt eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der endogenen Carnitin-Homöostase. Über 90 % des freien Carnitins im primären Nierenfiltrat werden von der gesunden Niere renal rückresorbiert. Hämodialysepatienten weisen häufig aufgrund erniedrigter endogener Synthese und erhöhter Dialysatverluste einen Carnitinmangel auf. Während einer Dialyse nimmt der L-Carnitin-Gehalt im Blutplasma um bis zu 75 % ab. Daneben ist bei urämischen Patienten die mitochondriale Fettsäure-Oxidation gestört, sodass vermehrt Acyl-Reste anfallen, die an Carnitin gebunden werden. Die Clearancerate für Acyl-Carnitin (> dreifach) liegt signifikant höher als für freies Carnitin (erhöhte Carnitinverluste als Acyl-Carnitin!). In verschiedenen Studien konnte durch Gabe von rHuEPO in Kombination mit L-Carnitin das hämatolgische und klinische Bild der renalen Anämie effektiv korrigiert werden. Bei Hämodialysepatienten, die 3× pro Woche (nach jeder Hämodialyse) 15 mg L-Carnitin pro kg KG intravenös über einen Zeitraum von 6 Monaten erhielten, konnte der EPO-Bedarf von durchschnittlich 5 000 I. E./Woche auf 3 500 I. E./Woche verringert werden. Zusätzlich wurde unter der adjuvanten Carnitingabe ein Anstieg der antioxidativen Kapazität des Plasmas sowie eine Verbesserung des Lipidprofils beobachtet. In einer Doppelblindstudie erhielten Hämodialysepatienten täglich 1,5 g L-Carnitin über einen Zeitraum von neun Monaten. Dies führte in der Carnitingruppe zu einem signifikanten Anstieg der Hämatokritwerte von 25,5 % auf 37,3 %, während in der Placebo-Gruppe die Hämatokritwerte von 24 % auf 21,8 % abfielen. Zusätzlich wurde unter L-Carnitin auch ein Anstieg der Hämoglobin-Werte beobachtet. #163.01{sidLniygAaI} Literatur #163.02{sidT5qZUCEO} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Ahmed F, Khan MR, Jackson AA. Concomitant supplemental vitamin A enhances the response to weekly supplemental iron and folic acid in anemic teenagers in urban Bangladesh. Am J Clin Nutr, 74 (1): 108–115, 2001 #163.03{sidW5vB4Irb} Aoun B et al. L-carnitine supplementation and EPO requirement in children on chronic hemodialysis. Pediatr Nephrol, 25 (3): 557–560, 2010 #163.04{sidF7x1VIrO} Attallah N et al. Effect of intravenous ascorbic acid in hemodialysis patients with EPO-hyporesponsive anemia and hyperferritinemia. Am J Kidney Dis, 47 (4): 644–654, 2006 #163.05{sid77nnZRXz} Auerbach M et al. 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Der entzündliche Prozess ist mit zunehmender bronchialer Hyperreaktivität gegenüber einer Vielzahl von Stimuli verbunden, durch die eine Bronchokonstriktion und damit ein Asthmaanfall ausgelöst werden kann. Je nach Disposition wird die komplexe Entzündungsreaktion z. B. durch Allergene, Schadstoffe in der Luft (SO2, NO2, Ozon), Rauchen, physikalische Reize, Stress oder körperliche Belastung ausgelöst. Zu den typischen Symptomen, die besonders nachts und in den frühen Morgenstunden auftreten, gehören: Anfallsartige Atemnot, Brustenge, Husten und pfeifende Geräusche. #167.05{sidG9dq1SDW} Die Wirksamkeit, der bei Asthma bronchiale eingesetzten Arzneimittel (z. B. Glucocorticoide, Montelukast) kann durch die gezielte Supplementierung von antientzündlich wirkenden Mikronährstoffen wie Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA), Vitamin D, Magnesium und Selen verbessert werden. #167.06{sidcRkMBQwc} 11.1.1 Antientzündliche Mikronährstoffe #167.07{sid2pmGKdbL} Antientzündliche Mikronährstoffe (EPA/DHA, Vitamin D, Selen) können den Bedarf an Antiasthmatika verringern #167.08{sid8thg5RiG} Mechanismus: Antientzündliche Mikronährstoffe wie EPA/DHA, Vitamin D und Selen verringern die Belastung mit Entzündungsmediatoren (z. B. Histamin, Leukotriene der Serie 4) und greifen regulierend in den Haushalt der Th1und Th2-Zellen ein. #167.09{sid6B5xe7Ok} Folgen: Verringerter Bedarf an Antiasthmatika bei regelmäßiger und labordiagnostisch kontrollierten Supplementierung von antientzündlichen Mikronährstoffen. #167.10{sido0m5IrYd} Hinweis: Bei Asthma bronchiale sollte der Haushalt antientzündlicher Mikronährstoffe kontrolliert (z. B. AA:EPAQuotient, 25(OH)D im Serum, Selen im Vollblut) und entsprechend kompensiert werden. Auch eine Kontrolle von Nahrungsmittelintoleranzen ist sinnvoll. In Verbindung mit einer antientzündlichen Diät (→ Arachidonsäure (AA)Aufnahme < 80 mg/d) können Mikronährstoffe wie EPA/DHA (z. B. 2 000 mg EPA/DHA/d, p. o.), Vitamin D (z. B. 100 000 I. E./Mo., p. o.) und Selen (z. B. 300 µg/d, p. o.) den Bedarf an Antiasthmatika sowie die Häufigkeit von Atemwegsinfekten der oberen Atemwege signifikant verringern. #168.01{sidr7LhlEsI} 11.1.2 Antiasthmatika und Vitamin C #168.02{sidYALaATI7} Vitamin C kann den Bedarf an Antiasthmatika bei Belastungsasthma verringern #168.03{sidp5wVU7fw} Mechanismus: Vitamin C reduziert als Antioxidans den erhöhten oxidativen Stress bei körperlicher Belastung und verringert im Lungengewebe die Belastung mit bronchokonstriktorisch wirkenden Prostaglandinen; der Verminderung des FEV1-Werts (forciertes expiratorisches Volumen oder Einsekundenkapazität) wirkt Vitamin C entgegen. #168.04{sidsDK6yide} Folgen: Vitamin C kann den Bedarf an Antiasthmatika (z. B. Beta-Sympathomimetika) bei Belastungsasthma verringern. #168.05{sidJwShcc4T} Hinweis: Bei Belastungsasthma wird unterstützend die Supplementierung von Vitamin C (z. B. 3 × 500 mg/d, p. o., auch in Kombination mit Bioflavonoiden) empfohlen. #168.06{sidB0fsPKh5} Studien: Eine aktuelle Metaanalyse von drei randomisierten, placebokontrollierten Studien belegt, dass die Supplementierung von Vitamin C in der Lage ist, die Verminderung des FEV1-Werts bei Patienten mit belastungsinduziertem Asthma zu halbieren (gepoolter Wert der drei Studien: 48 % Reduktion bei Supplementierung von 500–2 000 mg vor der Belastung; 95 % CI 33–64 %). #168.07{sid7qo6I9gJ} 11.1.3 Antiasthmatika und Magnesium #168.08{sid07zLyqqZ} Intravenöse Gabe von Magnesium kann Ansprechrate auf Antiasthmatika bei schwerem Asthma verbessern #168.09{sidVSggHPeO} Mechanismus: Magnesium wirkt entspannend auf die Bronchialmuskulatur und verringert damit die Atemwegsobstruktion. Außerdem hemmt Magnesium die durch Calcium vermittelte Histaminausschüttung aus den Mastzellen und schwächt so den Entzündungsprozess in der Bronchialschleimhaut und damit die bronchiale Hyperreaktivität ab. #168.10{sidG3WGvGya} Folgen: Bei einem schweren Asthmaanfall kann die intravenöse Gabe von Magnesiumsulfat (einmalige Dosis von 2 g innerhalb von 20 min), zusätzlich zu kurz wirkenden Beta-2-Sympathomimetika (short-acting beta-2-agonist, SABA) und systemischen Glucocorticoiden gegeben, die Lungenfunktion verbessern. Dies gilt insbesondere für Patienten mit schwerer bronchialer Obstruktion (FEV1 < 20 %). #168.11{sidKgUMPV1P} Hinweis: Bei mangelndem Ansprechen auf Ipratropiumbromid wird vor der Gabe von SABA i. v. die Verabreichung von Magnesium i. v. empfohlen. 50 (25–75) mg/kg KG Magnesiumsulfat i. v. = 0,1 ml/kg der 50 %igen, bzw. 0,5 ml/kg der 10 %igen Magnesiumsulfat-Lösung (maximal 2 g) über 20 min langsam unter Monitorkontrolle applizieren (Stopp bei Bradykardie, Herzfrequenz < 100 Schläge/min abfallend). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #168.12{sidIJdaDgxS} Studien: Die Ergebnisse aktueller Studien belegen, dass auch die orale Substitution von Magnesium (z. B. 600 mg Magnesium/Tag, p. o., als Mg-Citrat, über den Tag verteilt) oder die Inhalation von magnesiumsulfathaltigen Lösungen (z. B. 2,5 ml isotonische Magnesiumsulfat-Lösung: ca. 150 mg Magnesium pro Dosis) die Asthmatherapie wertvoll ergänzt und den Bedarf an Antiasthmatika verringern kann. #168.13{sid3iI1NYYF} In einer randomisierten placebokontrollierten Studie erhielten 52 Patienten mit schwer exazerbiertem Asthma entweder 2,5 mg Salbutamol über einen Vernebler, gemischt mit 2,5 ml isotonischem Magnesiumsulfat (250 mmol/l), oder Salbutamol gemischt mit isotonischer Kochsalzlösung. Gemessen wurde dann die Einsekundenkapazität (FEV1). Nach dreimaliger Inhalation innerhalb von 90 min betrug das mittlere FEV1 in der Magnesium-Gruppe 1,96 l (95 % CI 1,68–2,24), in der Kochsalz-Gruppe 1,55 l (1,24–1,87); die Differenz in der durchschnittlichen FEV1 zwischen der Magnesium-Gruppe und Kochsalz-Gruppe war 0,37 l (0,13–0,61, p = 0,003). Nach den Ergebnissen dieser Studie kann die Kombination von Salbutamol und isotonischem Magnesiumsulfat, über einen Vernebler appliziert, den bronchodilatatorischen Effekt beim schweren Asthmaanfall optimieren. #169.01{sidSZowOkSz} 11.1.4 Glucocorticoide und Vitamin D #169.02{sidPdxNXzpl} Systemische und inhalative Corticoide stören den Vitamin-D- und Knochenstoffwechsel #169.03{sidfHlziEiY} Mechanismus: Anti-Vitamin-D-Effekte: Glucocorticoide wie Dexamethason können unter anderem auch nukleäre Rezeptoren, wie den Pregnan-X-Rezeptor (PXR) aktivieren. Dadurch erfolgt im Zellkern der Leberzelle eine vermehrte Transkription, die zu einer gesteigerten Synthese des Cytochrom-P450-Isoenzyms 24A1 (→ 24Hydoxylase) in der Leber führt. Dieses auch als 24-Hydoxylase bezeichnete Enzym beschleunigt in der Leber den Abbau von 25(OH)D über die Produktion von 24,25(OH)2D und von 1,25(OH)2D über die Bildung von 1,24,25(OH)3D. Es kommt zu einem signifikanten Abfall der 25(OH)D- und 1,25(OH)2-Vitamin-D-Spiegel im Serum. Verringerung der intestinalen Calciumresorption, verstärkte renale Calciumexkretion; Suppression der Osteoblastenaktivität, Osteoblastogenese (Knochenmark); Hemmung der Knochenneubildung, erhöhte Knochenresorption. #169.04{sidbRotXr7j} Folgen: Erhöhtes Risiko für corticoidinduzierte Osteoporose; Abfall der Osteocalcinspiegel; Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml). #169.05{sidRWoNuIoe} Hinweis: Unter systemischer oder inhalativer Therapie des Asthma bronchiale mit Corticoiden muss der 25(OH)DStatus labordiagnostisch überprüft (Zielwert 40–60 ng/ml) und ensprechend kompensiert (40–60 I. E. Vitamin D pro kg KG/d, p. o.) werden. Eine optimale Calciumresorption und ossäre Claciumutilisation ist erst ab 25(OH)DSpiegeln von ≥ 32 ng/ml bzw. ≥ 80 nmol/l zu erwarten. Bei Patienten mit Asthma bronchiale verringert Vitamin D zusätzlich die Häufigkeit von Atemwegsinfekten und kann die Ansprechrate sowie die antientzündliche Wirkung einer inhalativen Corticoidtherapie verbessern. Letzteres dürfte mit der erhöhten Expression der Zytokine Interleukin 10 (IL-10) und TGF-β1 durch 1α, 25-(OH)2-Vitamin-D zusammenhängen ○Abb. 11.1). 1α, 25-(OH)2-Vitamin-D hat einen regulierenden Einfluss auf die T-Zell-Differenzierung und die Th 1-/Th 2-Zytokine. IL-10 und TGF-β1 besitzen ausgeprägte antientzündliche und antiallergische Eigenschaften und wirken entzündlichen Prozessen im Lungengewebe entgegen. Interleukin 10 gilt derzeit als vielversprechender Kandidat für die Therapie von allergischen Erkrankungen. #169.06{sidP2zKw0kI} Abb. 11.1 Einfluss von Calcitriol auf die Th 1-/Th 2-Balance #170.01{sidYN18lB7r} Studien: Eine systemische Langzeitmedikation mit Corticoiden (z. B. Prednison) ist mit einem signifikant erhöhten Risiko für eine corticoidinduzierte Osteoporose assoziiert. Je nach Studie wird der Anteil der Patienten, die eine Osteoporose entwickeln, dosisabhängig mit bis zu 85 % beziffert. Auch die regelmäßige Anwendung inhalativer Glucocorticoide führt einigen Studien zufolge ab einer Dosierung (Tagesdosis) von 800 µg Beclomethason oder Budesonid zu einer Beeinflussung des endogenen Cortisolregelkreises und Beeinträchtigung des Knochenstoffwechsels. Bei erwachsenen Asthmatikern wird nach 2-jähriger inhalativer Applikation von täglich 800 bis 2 000 µg inhalativer Glucocorticoide eine dosisabhängige Verminderung der Knochendichte beschrieben. Einige Fall-Kontroll-Studien geben zudem Hinweise darauf, dass bei längerfristiger Anwendung ein leicht erhöhtes Frakturrisiko besteht. Die Pathogenese der corticoidinduzierten Osteoporose ist multifaktoriell. Im Rahmen der direkten und indirekten Effekte der Corticoide auf die Osteoblasten und Osteoklasten spielen insbesondere die Vitamin-D-antagonistischen Effekte eine wichtige Rolle. Über eine vermehrte Expression von RANK-L und eine verminderte Osteoprotegerin-Produktion steigern Corticosteroide die Aktivität der Osteoklasten. Die IGF-1-Spiegel sowie die Osteoblasten-Differenzierung und Osteoblastogenese werden durch Corticoide verringert. Darüber hinaus führen Corticosteroide über ein negatives Feedback auf die Hypothalamus-Gonaden-Achse (LH/FSH) zu einer Reduktion der Sexualhormone, die ihrerseits einen positiven Einfluss auf den Knochen ausüben. Die intestinale Calciumresorption wird durch Corticoide vermindert und gleichzeitig die renale Calciumexkretion verstärkt. Ein damit verbundener Abfall der Calciumspiegel im Blut kann zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus führen. Ein PXR-vermittelter Abbau von Vitamin D (z. B. durch Dexamethason) kann zusätzlich den enzymatischen Abbau von Vitamin D steigern (siehe auch S. 183ff.). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #170.02{sidk6UpvPd0} 11.1.5 Theophyllin und Vitamin B6 #170.03{sidquDGdsdg} Theophyllin stört den Vitamin-B6-Stoffwechsel #170.04{sidoZ1wOiYE} Mechanismus: Theophyllin (Vitamin-B6-Antagonist) antagonisiert die Aktivierung von Pyridoxin zum stoffwechselaktiven Coenzym Pyridoxal-5-phosphat (P-5-P). #170.05{sidNnoYMWCY} Folgen: Abfall der Pyridoxin- und Pyridoxal-5-Phosphat-Spiegel im Plasma; Anstieg der Homocysteinplasmaspiegel (≥ 10 µmol/l). #170.06{sidHX8fPszj} Hinweis: Unter Therapie mit Theophyllin ist eine Supplementierung von Vitamin B6 (20–50 mg tgl., p. o. auch als P5-P) zusammen mit Folsäure und Vitamin B12 zur Kompensation medikationsbedingter Störungen des Vitamin-B6Status empfehlenswert. #170.07{sidU39V5EDF} Studien: Bei Asthmatikern findet man zum Teil deutlich erniedrigte Vitamin-B6-Spiegel (Pyridoxal-5-Phosphat) im Plasma. In einigen Untersuchungen führte die Supplementierung von Vitamin B6 (2 × 50 mg tgl.) zu einer Verringerung der Häufigkeit und Schwere der Asthmaanfälle. Die typischen Nebenwirkungen des Theophyllin, wie Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Übelkeit und Unruhe könnten mit einer Störung des Vitamin-B6-Haushalts in Zusammenhang stehen. #170.08{side4EQzVj3} Literatur #170.09{sidUjYDyVbo} Aloia JF, Li-Ng M Re. Epidemic influenza and vitamin D. Epidemiol Infect, 135 (7): 1095–1096, 2007 #170.10{sid8bwOiBrX} Alter HJ, Koepsell TD, Hilty WM. Intravenous magnesium as an adjuvant in acute bronchospasm: a meta-analysis. Ann Emerg Med 36 (3): 191–7, 2000 #170.11{sidMkRyF2wl} Bartel PR et al. Vitamin B6 supplementation and theophylline-related effects in humans. Am Jnl Clin Nutr, 60: 93–99, 1994 #170.12{sida4V35SRi} Broughton KS et al. Reduced asthma symptoms with n-3 fatty acid ingestion are related to 5-series leukotriene production. 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Use of isotonic nebulised magnesium sulphate as an adjuvant to salbutamol in treatment of severe asthma in adults: randomised placebo-controlled trial. Lancet, 361 (9375): 2114–2117, 2003 #171.10{sidRC17fXb5} Lee TA, Weiss KB. Fracture risk associated with inhaled corticosteroid use in chronic obstructive pulmonary disease. Am J Respir Crit Care Med, 169 (7): 855–859, 2004 #171.11{sidYOmvvkfq} Lheureux P et al. Pyridoxine in clinical toxicology: a review. Eur J Emerg Med, 12 (2): 78–85, 2005 #171.12{sidwik6O9l1} Lipworth BJ. Systemic adverse effects of inhaled corticosteroid therapy. Arch Intern Med, 159: 941–955, 1999 #171.13{sidhJHmDDVj} Martinez de Haas MG et al. Subnormal vitamin B6 levels in theophylline users. Ned Tijdschr Geneeskd, 14 (45): 2176–2179, 1997 #171.14{sidyuJpWG1c} Nagakura T et al. Dietary supplementation with fish oil rich in omega-3 polyunsaturated fatty acids in children with bronchial asthma. 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Schnupfen, Husten, Halsschmerzen, Fieber) oder die Grippe (Influenza) werden durch Viren hervorgerufen. Gegen Viren sind Antibiotika allerdings unwirksam. Bakteriostatisch wirkende Antibiotika (z. B. Tetracycline) hemmen das Wachstum und die Vermehrung von Bakterien, können die Erreger aber nicht abtöten. Bakterizid wirkende Antibiotika (z. B. Penicilline) hemmen nicht nur das Wachstum, sondern töten auch die Krankheitserreger ab. #173.03{sid2MJftB05} Grundsätzlich gilt für die Anwendung der Antibiotika: „So oft wie nötig, aber so selten wie möglich“. Je häufiger Antibiotika eingenommen werden, desto größer werden folgende Risiken: #173.04{sidh4j7cvr1} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Antibiotikaresistenz: Es können sich widerstandsfähige (resistente) Bakterien entwickeln und im Körper ausbreiten. Eine Resistenz gegen Antibiotika verteilt sich leicht auf andere Bakterien, da sie untereinander Genmaterial austauschen, sobald sich die Gelegenheit bietet. Die Zahl solcher Antibiotikaresistenzen wächst dramatisch. Die Folge: Schwerkranke Patienten können in Kliniken nicht effektiv behandelt werden. Weltweit dürften täglich Tausende von Menschen durch multiresistente (gegen mehrere Antibiotika unempfindliche) Keime sterben. #173.05{sidypasU4bV} Schädigung nützlicher Bakterien: Antibiotika unterscheiden nicht zwischen den pathogenen (krankmachenden) und den nützlichen Bakterien der Haut, der Schleimhäute und der Magen-Darm-Flora, die unsere körpereigenen Abwehrkräfte unterstützen. Bei Frauen greifen Antibiotika auch die Mikroorganismen an, die für ein Keimschützendes Klima in der Scheide sorgen. Infolgedessen haben Antibiotika je nach Substanzgruppe viele Nebenwirkungen. Dazu zählen unter anderem Diarrhöen, Blähungen, Pilzinfektionen der Scheide, Hautveränderungen, allergische Reaktionen sowie Funktionsstörungen der Nieren oder Leber. #173.06{sidvPJqyTdm} 12.1 Mikrobiom und Darmbarriere #173.07{sidFCjGnFSZ} Der Mensch lebt sozusagen als Holobiont in einer artübergreifenden Lebensform mit über 100 Billionen Bakterien zusammen. Die Gesamtheit der Organismen (neben Bakterien auch Archaea, Viren, Pilze und Protozoen) bildet unsere Mikrobiota. Sie kolonisiert alle unsere Schnittstellen zur Umwelt und wird, gemeinsam mit Erbinformation und Stoffwechsel, als Mikrobiom bezeichnet. Unser Mikrobiom ist durch verschiedene Eigenschaften eines Organs gekennzeichnet: Es hat eine eigene Morphologie, Pathologie, Physiologie und Pathophysiologie, es wird vererbt, es kommuniziert im Zellverband nach innen und außen und lässt sich transplantieren. Allerdings bildet es sich erst postpartum. Auch die Vererbung im Sinne der Kolonisierung durch die maternale Mikrobiota beginnt erst mit der Geburt. Der Geburtsmodus bestimmt daher die Zusammensetzung der Pionierbakterien auf Haut und Schleimhaut von Neugeborenen. #173_174{sid8B7pDlpU} Man geht derzeit davon aus, dass die bakterielle Kolonisierung in der Kindheit von entscheidender Bedeutung für die menschliche Gesundheit im gesamten weiteren Lebensverlauf ist. Dabei dürfte die Besiedlung des Darms bereits schon während der Geburt bei der vertikalen Übertragung von der Mutter zum Kind eine wichtige Rolle spielen. Bemerkenswert ist, dass die Besiedlung des kindlichen Darms nach einem Kaiserschnitt anders verläuft als nach einer vaginalen Geburt. Während bei einer vaginalen Geburt eine rasche Besiedlung des kindlichen Darms mit Bifidobakterien erfolgt, ist diese nach einem Kaiserschnitt gestört. Die ist umso bedeutsamer, da man annimmt, dass Bifidobakterien wesentlich zur physiologischen Entwicklung des Immunsystems in der Darmschleimhaut beitragen. #174.01{sid9df4gUzM} Welche Bakterienstämme wo im Körper dominieren, unterliegt nach der Geburt vor allem dem Einfluss unterschiedlicher Umgebungsfaktoren, wie beispielsweise pH-Wert oder Sauerstoffkonzentration. Im Intestinaltrakt dominieren vier Bakterienstämme die bakterielle Mikrobiota: Grampositive Firmicutes und Actinobakterien sowie Gramnegative Proteobakterien und Bacteroidetes. Die Oberfläche des Dünndarms beträgt über 200 m2 – etwa 100-mal so groß wie die der Haut – und ist damit das größte Kontaktorgan des Menschen mit der Umwelt. Die enorme Fläche dient der Resorption von Nährstoffen und Flüssigkeit, sie stellt gleichzeitig aber auch ein großes Areal dar, über das Mikroorganismen eindringen können. Neben der Absorption von Wasser, Mikro- und Makronährstoffen sowie der Ausscheidung von Degradationsprodukten des Stoffwechsels erfolgt hier eine permanente Kontrolle der oral aufgenommen Nahrung auf schädliche Bestandteile (z. B. pathogene Mikroorganismen, Toxine) und deren Abwehr. Um diese Aufgaben zur Erfüllen verfügt der Darm über mehrere Verteidigungslinien, die aus der Darmmikrobiota, der Darmschleimhaut und dem Darmassoziierten Immunsystem (GALT) bestehen. Diese bilden eine funktionelle Einheit, welche heute unter dem Begriff Darmbarriere zusammengefasst wird. #174.02{sidY20TILou} 12.2 GALT und Darmmikrobiota #174_175{sidM15I4P9v} Die intestinale Mikrobiota besteht überwiegend aus Bakterien, die apathogen oder allenfalls fakultativ pathogen sind. Die Bakterien der Darmmikrobiota übernehmen zentrale Funktionen für die Gesundheit des Menschen. Sie konkurrieren zum Beispiel mit Krankheitserregern um Nährstoffe und Adhäsionsstellen an der Darmwand (Kolonisationsresistenz). Darüber hinaus produzieren sie teilweise antibakterielle Stoffe (z. B. Defensine), die das Wachstum anderer Bakterien hemmen (○ Abb. 12.1). Darüber hinaus regulieren sie wichtige Barrierefunktionen im Darm, darunter auch die Funktion des Immunsystems. Das Epithel der Darmschleimhaut ist ein enger und dichter Zellverbund, der durch sogenannte Tight junctions abgedichtet wird. Dieser dichte Zellverbund verhindert einen parazellulären Transit von Stoffen und Mikroorganismen. Eine dem Epithel aufliegende Schleimschicht erschwert Mikroorganismen zudem das Anhaften an Epithelzellen. Neben der Barrierefunktion verfügt der Darm über eine eigene Immunabwehr, das darmassoziierte Immunsystem (good associated lymphoid tissue, GALT). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #174.03{sid9KrOgSEo} Abb. 12.1 Aufgaben der Darmmikrobiota #175.01{sidGneJ08gK} Das Darmassoziierte Immunsystem (GALT) ist die größte Ansammlung von Immunzellen in unserem Körper. Etwa 70 % der immunologisch aktiven Zellen befinden sich in der intestinalen Mukosa. Über 50 % aller Lymphozyten und zwei Drittel aller IgA-Plasmazellen sind hier lokalisiert. Damit befindet sich im Darm das größte Immunkompartiment des menschlichen Körpers. Die gesamte Darmmukosa ist von einer Mikroflora aus aeroben und anaeroben Bakterien (z. B. Bifidobakterien, Lactobazillen), Pilzen, Hefen (z. B. Candida, Saccharomyces) und Viren besiedelt. Die Darmflora besteht aus mehr als 1 000 verschiedenen Bakterienarten mit über 7 000 unterschiedlichen Stämmen insgesamt sind im Darm 1014 bis 1015 Bakterien lokalisiert. #175.02{sidYXAJ99ze} Aufgabe des GALT ist es pathogene Bakterien z. B. Clostridien) abzuwehren sowie Bestandteile der äußeren Zellwand gramnegativer Bakterien (z. B. Pseudomonas, Legionella), sogenannte Endotoxine, die beim Absterben der Bakterienzellen freigesetzt werden, vom Eindringen in den Körper abzuhalten. Neben der Abwehr von pathogenen Mikroorganismen hilft das darmassoziierte Immunsystem im gesunden Zustand gegen eine Vielzahl von Nahrungsmittelantigenen und nützlichen Mikroorganismen der Darmmikrobiota tolerant zu sein. Zum Immunsystem des Darms zählen die Gaumen- und Rachenmandeln, der Wurmfortsatz des Blinddarms, die Lymphfollikel des Darms, die Peyerschen Plaques und die Lamina propria. Die Peyerschen Plaques sind in der Schleimhaut des Krummdarms (Ileum) befindliche Ansammlungen von Lymphfollikeln. Dabei handelt es sich um kugelige Kolonien von B-Lymphozyten. Die Lamina propria ist eine dünne Bindegewebsschicht, die sich direkt unterhalb des Epithels befindet. In der Lamina propria befinden sich unter anderem Blutgefäße, Lymphgefäße und Nerven. Die Peyerschen Plaques und die Lamina propria sind durch Lymphgefäße mit den ableitenden mesenterialen Lymphknoten verbunden, bei denen es sich um die größten Lymphknoten des Körpers handelt. Die mesenterialen Lymphknoten wiederum verbinden das GALT mit dem restlichen Immunsystem. #175.03{sidlvBWlEtd} Zu den Hauptaufgaben der natürlichen Darmflora zählen #175.04{sidndKvdjr0} Aufrechterhaltung der intakten Darmbarriere (→ Transmembranproteine, z. B. Tight Junctions), Stimulierung der Schleimbildung und Produktion von sekretorischem Immunglobulin A (sIgA), mechanische und immunologische Schutzbarriere (→ Mukosablock), #175.05{sid5awJKPss} Aufrechterhaltung und Reifung des Immunsystems (z. B. Bildung von Antikörpern, Defensinen, Zytokinen), #175.06{sidyiuH1IHY} Abwehr pathogener Mikroorganismen, Verhinderung der Kolonisation des Darms mit pathogenen Mikroorganismen (z. B. Clostridium difficile), #175.07{sidLZzK6Ghf} Immunglobulinsynthese, Wachstum und Reifung der Lymphozyten des GALT, #175.08{sidxgfq0Jaw} Bereitstellung von Nährstoff- und Energiesubstraten, Produktion von kurzkettigen Fettsäuren (z. B. Butyrat: Brennstoff für Enterozyten im Darm), #175.09{sidxFa8NMdB} Schaffung eines für die Nährstoffabsorption und –utilisation optimalen Darmmilieus, #175.10{siduLAoSVgm} Beitrag zur Versorgung mit Vitamin K und B-Vitaminen, wie Biotin und Folsäure (z. B. durch Bifidobakterien), #175.11{sids7bFhpqY} Abbau von Toxinen, #175.12{sidkbQYd6wI} Anregung der Darmmotilität. #176.01{sidevBTHHyn} 12.2.1 Einfluss der Antibiotika auf die Darmflora und Mikronährstoffversorgung #176.02{sidlNKoculo} Laut Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind in Deutschland derzeit an die 2.600 verschiedene Antibiotika-Präparate mit etwa 100 verschiedenen Wirkstoffen zugelassen, die im Allgemeinen für den Menschen gut verträglich sind. Da der menschliche Körper aber nicht nur aus körpereigenen Zellen besteht, sondern auch jede Menge bakterielle Mitbewohner in und auf sich trägt, kann es immer wieder zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) kommen, wenn ein Antibiotikum eingenommen werden muss. Antibiotika (z. B. Tetracycline, Clindamycin) stören das biologische Gleichgewicht der Darmflora erheblich und begünstigen durch die Schädigung der physiologischen Mikroflora die Kolonisation pathogener Fremdkeime (z. B. Clostridium difficile, Candida albicans). Diese können vielfältige gastrointestinale Beschwerden, wie z. B. Diarrhö, Erbrechen und Fäulnisprozesse auslösen. #176.03{sidEt3cBLks} Wirkprinzipien von Antibiotika (○ Abb. 12.2) #176.04{sidRS4N7QuV} Hemmung der bakteriellen Zellwandsynthese #176.05{sidqay2sLgG} Hemmung der Proteinbiosynthese am bakteriellen Ribosom #176.06{sidMMaq3yNJ} Hemmung der bakteriellen DNA-Replikation #176.07{sidCu3Yn7ao} Folsäureantagonisten #176.08{sidh9JIuNN9} Hemmung der bakteriellen RNA-Polymerase HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #177.01{sidJoyzPcTc} Abb. 12.2 Wirkprinzipien von Antibiotika #176.09{sido53PExU1} Auch die intestinale Synthese einiger Vitamine wird durch die Ansiedlung pathogener Keime beeinträchtigt. Allerdings ist der Beitrag der natürlichen Darmflora (z. B. Bifidobakterien) zur täglichen Vitaminversorgung mit Ausnahme von Vitamin K und Biotin vernachlässigbar. Dagegen können Malabsorption und Maldigestion infolge antibiotikainduzierter Durchfälle und/oder Veränderungen der gastrointestinalen Motilität die diätetische Bioverfügbarkeit aller Mikronährstoffe signifikant verringern. Eine Vielzahl von Antibiotika ist gegen anaerobe Bakterien aktiv, die im menschlichen Darm dominieren. Ein Beispiel für ein solches Antibiotikum ist Clindamycin. Clindamycin blockiert die Proteinbiosynthese von Bakterien durch Bindung an die 50S-Untereinheit der Ribosomen. Dadurch wird das Enzym Peptidyltransferase blockiert. Clindamycin hat einen bakteriostatischen Wirkungsmechanismus. Clindamycin ist gut wirksam gegen #176.10{sidrYhpZEhG} Gram-positive Kokken: Clindamycin wirkt gegen Staphylokokken, jedoch auch gegen Streptokokken wie beispielsweise Streptococcus pyogenes und Streptococcus pneumoniae, #176.11{sidCyiOreU8} Anaerobier: Die Wirksamkeit gegen Anaerobier erfasst Arten von Fusobacterium, Actinomyces, Bacteroides, Peptostreptococcus und Peptococcus. Anaerobe Bakterien produzieren große Mengen kurzkettiger Fettsäuren und leisten so einen wichtigen Beitrag zur Darmgesundheit. Gegen Propionibakterien ist Clindamycin ebenfalls wirksam sowie Corynebacterium diphteriae. #176.12{sidMJUHHcZ2} Wie stark ein Antibiotikum die menschliche Darmflora stört, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab: #176.13{sidsymDmYRB} Wirkspektrum #176.14{sid1yPn7Hcf} Dauer und Dosierung der Anwendung #176.15{sid0VeF9ghH} der Darreichungsform #176.16{sidzf0SBGnS} phamakokinetischen und -dynamischen Eigenschaften #176_177{sidXO31ereg} Während man lange Zeit davon ausging, dass die Darmflora durch die Einnahme von Antibiotika nur kurzfristig beeinträchtigt wird (□ Tab. 12.1) und nach wenigen Wochen wieder zu ihrem ursprünglichen Gleichgewicht zurückfindet, beweisen die Ergebnisse aktueller Studien jedoch das Gegenteil. So untersuchten Dethlefsen und Relman (PNAS, 2011), welche Auswirkungen Antibiotika auf die menschliche Darmbesiedlung haben. Dazu bestimmten sie das Darmmikrobiom von 3 Probandinnen und untersuchten die Zusammensetzung vor und nach der 5-tägigen Einnahme des Breitbandantibiotikums Ciprofloxacin. Bereits 3 bis 4 Tage nach Beginn der Antibiotikatherapie war ein Drittel der Bakterienarten nicht mehr nachweisbar. Eine Woche nach Therapieende fanden die Wissenschaftler jedoch bei 2 der 3 Frauen nahezu die ursprüngliche Zusammensetzung der Darmbakterien wieder. Jedoch war nach einer zweiten Antibiotikagabe 6 Monate später das nicht mehr der Fall: Auch 2 Monate nach Therapieende stellte sich bei keiner der Frauen der Ausgangszustand ein. Die wiederholte Einnahme von Antibiotika scheint die Darmflora also stärker zu schädigen als bisher angenommen. #178.01{sido5QscgGz} Tab. 12.1 Einfluss von Antibiotika auf die Zusammensetzung der Darmflora im Überblick #178.02{sidV7lIwN5H} Substanz Reduktion der aeroben Darmflora Reduktion der anaeroben Darmflora #178.01{sido5QscgGz} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 12.1 Einfluss von Antibiotika auf die Zusammensetzung der Darmflora im Überblick #178.02{sidV7lIwN5H} Substanz #178.03{sidr2VfCNUL} Ampicillin #178.04{sidJm5an72L} Amoxicillin #178.05{sidRYVRnA0R} Cefaclor #178.06{sidR6hLHRDz} Cefalexin #178.07{sidsNPMFJLm} Cefixim #178.08{sid3lufYgd1} Cefpodoxim-Proxetil #178.09{sidMUTAEnIA} Ceftibuten #178.10{sidDcUuscaS} Cefuroxim-Axetil #178.11{sidQpnV6VLK} Ciprofloxacin #178.12{side1YwOlyR} Clindamycin #178.13{sidLb7KX4M8} Cotrimoxazol #178.14{sidiy4GKfIO} Dicloxacillin #178.15{sidi48m50ga} Doxycyclin #178.16{sidO01NCuXN} Erythromycin #178.17{sidwYgBLuVA} Levofloxacin #178.18{sidTeQf3N5e} Metronidazol #178.19{sidtWRWo1nv} Norfloxacin #178.20{sidnNl7Cc81} Ofloxacin #178.21{sidLoiA5UFD} Penicillin V #178.22{sidwbFho5SD} Tetrazykline Reduktion der aeroben Darmflora Reduktion der anaeroben Darmflora +++ +++ + + + 0 + 0 +++ +++ +++ +++ + 0 + + +++ + + +++ +++ 0 + ++ 0 0 + +++ +++ + 0 + +++ + +++ 0 ++ + +++ +/0 #178.23{sid86FEhqZj} +++ starke Keimreduktion, ++ mäßige Keimreduktion, + geringe Keimreduktion, 0 keine signifikante Keimreduktion #177.02{sidfAPw45M2} Vitamine, Mineralstoffe und andere Nährstoffe spielen eine zentrale Rolle bei der Zellregeneration (z. B. Vitamin A, Vitamin D, Folsäure, Zink), der Immunmodulation (z. B. Vitamin C, Vitamin D, Zink), dem antioxidativen Zellschutz (z. B. Selen, L-Glutathion) und als Energieliefernde Substrate (z. B. L-Glutamin, L-Threonin) der Darmschleimhaut. Eine adäquate Versorgung mit Mikronährstoffen ist daher für die Integrität und physiologische Funktion des Darmschleimhautsystems essenziell. #177_178{sid8NAFoNQL} Ein gesunder Darm ist andererseits Voraussetzung für die Aufnahme und Verwertung von Vitaminen und anderen Mikronährstoffen. Infolge der Antibiotikatherapie treten häufig Darmbeschwerden (z. B. Durchfälle, Leaky-GutSyndrom) als Begleiterscheinung auf, weil das Antibiotikum neben den pathogenen auch die nützlichen Bakterien im Darm, die sogenannte gesunde Darmflora, angreift. Ein Drittel der mit Antibiotika behandelten Patienten entwickelt innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen eine postantibiotische Diarrhö. Bei etwa 20 % der Betroffenen sind Toxine von Clostridium difficile nachweisbar. Clostridientoxine können über Aktivierung des redoxsensitven Transkriptionsfaktor NFкB die Bildung proinflammatorischer Zytokine (z. B. IL-6, TNF-α) steigern und entzündliche Schäden der Darmschleimhaut (z. B. pseudomembranöse Enterokolitiden) auslösen. Probiotische Mikroorganismen wirken einer Fremdbesiedlung des Darms mit pathogenen Bakterien entgegen und verringern die Schwere und Dauer einer antibiotikaassoziierten Diarrhö. Die als Probiotika eingesetzten Kulturen von Lactobazillen (z. B. Lactobacillus casei), Bifidobakterien (z. B. Bifidobacterium longum) oder Hefen (z. B. Saccharomyces boulardii) besitzen ausgeprägte immunstimulierende und darmprotektive Eigenschaften. #178_179{sidReFxBk4D} Zur Wirksamkeit von Probiotika in der Prävention der Antibiotikaassoziierten Diarrhö liegen sowohl bei Kindern und Erwachsenen mehrere Metaanalysen vor. Dabei haben sich mit Abstand am häufigsten die Keime Saccharomyces boulardii und Lactobacillus rhamnosus GG bewährt. Im Hinblick auf Belastungen mit Toxinen von Clostridium difficile war Saccharomyces boulardii in einer aktuellen Metaanalyse allen anderen probiotischen Stämmen deutlich überlegen. Von einigen Therapeuten wird bereits routinemäßig zum Antibiotikum ein Probiotikum empfohlen. Hier sollte auf einen notwendigen 2–3-stündigen Einnahmeabstand zum Antibiotikum geachtet werden. Nach einer Therapie mit Antibiotika fördert die Einnahme eines Probiotikums (z. B. Acidophilus-, Bifidobakterien, Lactobazillen: 2 × tgl. über 1–2 Monate) die Regeneration der natürlichen Florabalance und des darmassoziierten Immunsystems. Zur Prophylaxe und Verminderung der Rezidivrate einer postantibiotischen Diarrhö ist die begleitende Gabe von Saccharomyces boulardii (Dosierung: 2 × 500 mg tgl., über 2–4 Wochen) sinnvoll. Untersuchungen geben darüber hinaus Hinweise darauf, dass bestimmte Probiotika beim Reizdarmsyndrom, bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Helicobacter-pylori-Infektionen, Harn- und Atemwegsinfekten, Neurodermitis, Lactoseintoleranz, manchen Autoimmunerkrankungen, Hypercholesterinämie und sogar zur Darmkrebs- und Krebsprävention nützlich sein können. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #179.01{sidf0YEoIYu} 12.3 Einfluss der Antibiotika auf die Darmflora #179.02{sidS3ye1wZm} Das darmassoziierte Immunsystem (GALT = gut assciated lymphoid tissue) erfüllt als größtes lymphatisches Abwehrsystem essenzielle lokale und systemische Abwehr- und Regulationsfunktionen. Über 50 % aller Lymphozyten und zwei Drittel aller IgA-Plasmazellen befinden sich im Darm. Die gesamte Darmmukosa ist von einer Mikroflora aus aeroben und anaeroben Bakterien (z. B. Bifidobakterien, Lactobazillen), Pilzen, Hefen (z. B. Candida, Saccharomyces) und Viren besiedelt. Die Darmflora besteht aus mehr als 500 verschiedenen Bakterienspezies, insgesamt sind im Darm 1013 bis 1014 Bakterien lokalisiert. #179.03{sidofj5BNRD} Zu den Hauptaufgaben der natürlichen Darmflora zählen: #179.04{sidX7O7CzWV} mechanische und immunologische Schutzbarriere (Mukosablock), Verhinderung der Kolonisation des Darms mit pathogenen Mikroorganismen (z. B. Clostridium difficile), #179.05{sidK9gozZKr} Immunglobulinsynthese, Wachstum und Reifung der Lymphozyten des GALT, #179.06{sidGRC0FcC8} Bereitstellung von Nährstoff- und Energiesubstraten (z. B. Butyrat) für die Zellen der Dickdarmschleimhaut, #179.07{sidbhImIGsj} Schaffung eines für die Nährstoffabsorption und -utilisation optimalen Darmmilieus, #179.08{sid8eGc7gE1} Beitrag zur Versorgung mit Vitamin K und B-Vitaminen wie Biotin und Folsäure (z. B. durch Bifidobakterien), #179.09{sidTdlgWR3W} Anregung der Darmmotilität. #179.10{siduNRxdGcY} Antibiotika (z. B. Tetracycline) stören das biologische Gleichgewicht der Darmflora erheblich und begünstigen durch die Schädigung der physiologischen Mikroflora die Kolonisation pathogener Fremdkeime (z. B. Clostridium difficile, Candida albicans, □ Tab. 12.2). Diese können vielfältige gastrointestinale Beschwerden auslösen, z. B. Diarrhö, Erbrechen und Fäulnisprozesse. Auch die intestinale Synthese einiger Vitamine wird durch die Ansiedlung pathogener Keime beeinträchtigt. Allerdings ist der Beitrag der natürlichen Darmflora (z. B. Bifidobakterien) zur täglichen Vitaminversorgung mit Ausnahme von Vitamin K und Biotin vernachlässigbar. Dagegen können Malabsorption und Maldigestion infolge antibiotikainduzierter Durchfälle und/oder Veränderungen der gastrointestinalen Motilität die diätetische Bioverfügbarkeit aller Mikronährstoffe signifikant verringern. #180.01{sidyN0BBoxk} Tab. 12.2 Antibiotikainduzierte Störungen der Darmflora (Auswahl) #180.02{sidespfqWhG} Störung Antibiotikum #180.03{sidkfb0hJpb} Breitspektrumpenicillin (z. B. Ampicillin, Amoxicillin) #180.04{sid3uUCx4OM} Tetracycline (z. B. Doxycyclin) #180.05{sidYjiBRrrg} Cephalosporine (z. B. Cefuroximaxetil), Lincomycin-Antibiotika (z. B. Clindamycin), Makrolid-Antibiotika (z. B. Roxithromycin) Gastrointestinale Beschwerden (z. B. Durchfall, Übelkeit, Appetitlosigkeit) Candidabefall Pseudomembranöse Enterokolitiden (z. B. durch Superinfektion mit Candida albicans, Clostridium difficile) #179.11{sidYLk4eduq} 12.4 Antibiotika und Mikronährstoffe #179_180{sidJQLy6HDQ} Vitamine, Mineralstoffe und andere Nährstoffe spielen eine zentrale Rolle bei der Zellregeneration (Vitamin A, Folsäure, Zink), der Immunmodulation (Vitamin C, Zink), dem antioxidativen Zellschutz (Selen, Glutathion) und als energieliefernde Substrate (Glutamin) der Darmschleimhaut. Eine adäquate Versorgung mit Mikronährstoffen ist daher für die Integrität und physiologische Funktion des Darmschleimhautsystems essenziell. #180.06{sid82Uqiiaq} Hinweis #180.07{sidazpDsV57} Eine intakte Darmflora ist eine wesentliche Voraussetzung für die physiologische Digestion, Absorption und Utilisation von essenziellen Mikronährstoffen. #180.08{sidex0XbCCh} Ein Drittel der mit Antibiotika behandelten Patienten entwickelt innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen eine postantibiotische Diarrhö. Bei etwa 20 % der Betroffenen sind Toxine von Clostridium difficile nachweisbar. Clostridientoxine können über die Aktivierung des redoxsensitven Transkriptionsfaktor NFкB die Bildung proinflammatorischer Zytokine (z. B. IL-8, TNF-α) steigern und entzündliche Schäden der Darmschleimhaut (z. B. pseudomembranöse Enterokolitiden) auslösen. Probiotische Mikroorganismen wirken einer Fremdbesiedlung des Darms mit pathogenen Bakterien entgegen und verringern die Schwere und Dauer einer antibiotikaassoziierten Diarrhö. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #180.09{sid77Q55x7Z} Die als Probiotika eingesetzten Kulturen von Lactobazillen (z. B. Lactobacillus casei), Bifidobakterien (z. B. Bifidobacterium longum) oder Hefen (z. B. Saccharomyces boulardii) besitzen ausgeprägte immunstimulierende und darmprotektive Eigenschaften. #180.10{sidZnUdTJ63} Darmprotektive und immunologische Eigenschaften von Probiotika (Auswahl): #180.11{sidzMIiEkmv} Synthese antimikrobieller Substanzen, #180.12{sidujRV5tfO} Hemmung der bakteriellen Translokation, #180.13{sidH6YQ9S6H} Stimulierung der intestinalen Immunität (z. B. Steigerung der IgA-Sekretion), #180.14{sidXTD4zXGB} Synthese von kurzkettigen Fettsäuren und Muzinen, #180.15{sidBXsEDFWH} konkurrierende Adhäsion mit pathogenen Erregern an Kolonozyten, #180.16{sidhFg22ODD} Normalisierung der Darmpermeabilität, #180.17{sidTLv4QcnR} Verbesserung intestinaler Stoffwechselfunktionen, #180.18{sidDbBFDcxt} Reduktion der Rezidivrate bei antibiotikaassoziierten Diarrhöen, #180.19{sidfwC1L7tU} Resistenzsteigerung gegen Candida-Infektionen. #180.20{sidbaVuD2K2} Von einigen Therapeuten wird bereits routinemäßig zum Antibiotikum ein Probiotikum empfohlen. Hier sollte auf einen notwendigen 2–3-stündigen Einnahmeabstand zum Antibiotikum geachtet werden. Nach einer Therapie mit Antibiotika fördert die Einnahme eines Probiotikums (z. B. Acidophilus-, Bifidobakterien, Lactobazillen: 2 × tgl. über 14 Tage) die Regeneration der natürlichen Florabalance und des darmassoziierten Immunsystems. Zur Prophylaxe und Verminderung der Rezidivrate einer postantibiotischen Diarrhö ist die begleitende Gabe von Saccharomyces boulardii (Dosierung: 2 × 500 mg tgl., über vier Wochen) sinnvoll. #180_181{sid9Z38jou1} Untersuchungen geben Hinweise darauf, dass bestimmte Probiotika beim Reizdarmsyndrom, bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Helicobacter-pylori-Infektionen, Harn- und Atemwegsinfekten, Neurodermitis, Lactoseintoleranz, manchen Autoimmunerkrankungen, Hypercholesterinämie und sogar zur Darmkrebs- und Krebsprävention nützlich sein können. #181.01{sidBGDM042N} 12.4.1 Aminoglykoside und Magnesium #181.02{sidrNtQUjs1} Erhöhte renale Magnesiumexkretion #181.03{sidNdNF2ZmT} Mechanismus: Aminoglykosidinduzierte Nierenschäden sind mit Störung der renal tubulären Rückresorption von Magnesium (renaler Magnesiumspareffekt) assoziiert (Magnesium-Wasting); erhöhte Kalium- und Calciumexkretion. #181.04{sidXyxybKOp} Folgen: Hypomagnesiämie (< 0,8 mmol/l), Hypokaliämie (< 3,5 mmol/l), Hypocalcämie; erhöhtes Risiko für Gleichgewichts- und Hörstörungen, Herzrhythmusstörungen, Muskelschwäche, Tetanie. #181.05{sidsOQl3Bmi} Hinweis: Bei parenteraler Applikation (i. m., i. v.) von Aminoglykosiden sollten die Serumelektrolyte (z. B. Magnesium, Calcium, Kalium) engmaschig kontrolliert und gegebenenfalls durch Supplementierung (p. o., i. v.) kompensiert werden. Magnesiummangel scheint die toxischen Wirkungen der Aminoglykoside auf die Niere und das Innenohr zu verstärken. #181.06{sidc0zJve6A} Aminoglykosid-Antibiotika (z. B. Amikacin, Gentamicin, Streptomycin) sind aufgrund ihrer hohen Oto- und Nephrotoxizität in der Regel nur Spezialindikationen (z. B. Tuberkulose, Infektionen mit Pseudomonaden) vorbehalten. Während die Nierenschäden aufgrund der Regenerationsfähigkeit des Tubulusepithels meist reversibel sind, sind die aminoglykosidinduzierten Hörstörungen (Ohrensausen, Tinnitus, Hörverlust der hohen Frequenzen) häufig irreversibel (▸ Kap. 5.6.4). #181.07{sidKa76UT2O} 12.4.2 Gentamicin und L-Carnitin #181.08{sidR893F0tS} L-Carntin verringert gentamicininduzierte Nierenschäden (Tierversuch) #181.09{sidSPAuJeqn} Mechanismus: L-Carnitin (200 mg/kg/d) verringert im Tierversuch die gentamicinassoziierte mitochondriale Toxizität (z. B. Inhibierung der oxidativen Phosphorylierung, ATP-Depletion) und metabolische Störungen (z. B. oxidativer Stress) durch das Aminoglykosid-Antibiotikum. #181.10{sidyiJtthqM} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Folgen: Geringere Schädigung der proximalen Nierentubuli; Verbesserung der Nierenfunktionswerte (z. B. Harnstoff, Kreatinin, Kreatininclearance). #181.11{sidKgpsso81} Hinweis: L-Carnitin besitzt aufgrund seiner zentralen Stellung im Stoffwechsel wichtige protektive Funktionen gegen metabolische Störungen der Zelle, die auch bei den gentamicininduzierten Nierenschäden eine Rolle spielen. #181.12{sidolkrrgmX} 12.4.3 Neomycin B und Mikronährstoffabsorption #181.13{sidyXytwM07} Malabsorption von Vitaminen und Mineralstoffen #181.14{sidAJ4Ykies} Mechanismus: Neomycin kann bei peroraler Applikation die Darmflora schädigen und ein Malabsorptionssyndrom mit Steatorrhö auslösen. #181.15{sidsDtAqvKp} Folgen: Malabsorption von Vitaminen (vor allem Vitamin A, Vitamin K, Vitamin B12) und Mineralstoffen (z. B. Kalium, Magnesium). #181.16{sid8FQKM1aO} Hinweis: Bei peroraler Einnahme von Neomycin sollte auf gastrointestinale Nebenwirkungen und auf einen ausgewogenen Mikronährstoffhaushalt geachtet werden. Probiotika können zur Regeneration der natürlichen Darmflora nach der Einnahme beitragen. #181.17{sidahGGpvze} 12.4.4 Pivalinsäurehaltige Antibiotika und L-Carnitin #181.18{sidofYi2u68} Erhöhte renale Carnitinexkretion unter Cefetamet-Pivoxil #181.19{sidClpu3HMw} Mechanismus: Nach der Hydrolyse des Pivaloyloxymethyl-Esters von Beta-Lactam-Antibiotika bindet die Pivalinsäure an L-Carnitin und wird als Pivaloyl-L-Carnitin renal ausgeschieden. #181_182{sidHxJ7renh} Folgen: Carnitinmangel, insbesondere bei Langzeittherapie (auch neue Virustatika wie Adefovir-Dipivoxil); Carnitinserumspiegel ≤ 30 µmol/l, AC:FC-Quotient (postprandial) ≥ 0,4 (AC: Acyl-Carnitin, FC: freies Carnitin); Risiko für Myopathien (z. B. Muskelschwäche), Störungen der Ketogenese und/oder Hypoglykämien. #182.01{sidvOcIV5r4} Hinweis: Unter der antibiotischen Therapie mit pivalinsäurehaltigen Antibiotika (auch Virustatika wie AdefovirDipivoxil) sollte an eine rechtzeitige und adäquate Kompensation (1 000–3 000 mg tgl., p. o.) der iatrogenen Carnitinverluste gedacht werden. #182.02{sid5I6IaupX} Studien: Studien zum Einfluss von Cefetamet-Pivoxil auf den L-Carnitin-Status und den Fettsäurestoffwechsel haben gezeigt, dass unter einer Standard-Dosierung von 2 × 500 mg tgl. des Ester-Prodrugs die Plasmaspiegel an freiem L-Carnitin auf etwa 40 % der Ausgangswerte abfallen und sich erst sieben Tage nach der Antibiotikatherapie wieder normalisieren. #182.03{sid0myhaQWy} 12.4.5 Chloramphenicol und Vitamin B12 #182.04{sidLeiRKdfR} Hemmung der Vitamin-B12-Wirkung durch Chloramphenicol #182.05{sidktBi9xFG} Mechanismus: Chloramphenicol kann den therapeutischen Effekt von Vitamin B12 vermindern, indem es die Erythrozytenreifung hemmt. Das Ansprechen auf eine Folsäuretherapie wird ebenso verhindert. #182.06{sidQTqBMkhL} Hinweis: Chloramphenicol sollte nicht an Patienten mit Folsäuremangelanämie verabreicht werden. Diese Kombination sollte vermieden werden. #182.07{sidoyAj5aFm} 12.4.6 Gyrasehemmer, Tetracycline und Mineralstoffe #182.08{sidXZ7svING} Zwei- und dreiwertige Kationen (Calcium, Magnesium, Eisen, Zink) beeinträchtigen die antibiotische Wirksamkeit #182.09{sidr4GjFl8K} Mechanismus: Bildung schwer resorbierbarer Mineralstoff-Antibiotika-Komplexe bei gleichzeitiger Einnahme. #182.10{sidRrawtsE0} Folgen: Verminderte Resorption und Bioverfügbarkeit der Antibiotika; Verlust der antibiotischen Wirksamkeit. #182.11{sidDGq0Fncs} Hinweis: Bei Einnahme von Mineralstoff- bzw. Multivitamin-Mineralstoff-Präparaten (auch Milchprodukten) sollte zu einer antibiotischen Therapie mit Gyrasehemmern oder Tetracyclinen ein Einnahmeabstand von mehreren Stunden (etwa 3 h; zu Moxifloxacin etwa 6 h) eingehalten werden. #182.12{sid1V5x7SRz} 12.4.7 Urologische Antiinfektiva und Methionin #182.13{sidHlvOAosC} Optimierung der Wirkung von Antibiotika (z. B. Nalidixinsäure, Carbenicillin, Nitrofurantoin, Sulfonamide) mit Wirkungsoptimum im sauren Harn #182.14{sidlYQ9pIeP} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Mechanismus: Methionin führt zu einer Absenkung des Harn-pH-Werts; infolge der Harnansäuerung (pH 4–6) erfolgt eine verstärkte tubuläre Rückresorption der Antibiotika und Hemmung des Bakterienwachstums. #182.15{sidyqh1ivA2} Folgen: Verlängerung der Plasma-Halbwertszeit und Wirkoptimierung der Antibiotika im sauren Harn. #182.16{sidG5mTsf0Y} Hinweis: Bei antibiotischer Therapie von Harnwegsinfekten kann Methionin (3 × 0,5–1 g/d, p. o.) die Effektivität der eingesetzten Antibiotika verbessern und das Risiko für rezidivierende Infekte verringern. Begleitend sollte eine Kombination von Folsäure, Vitamin B6 und B12 gegeben werden, da Methionin als Vorläufer des Homocysteins den Homocysteinspiegel erhöhen kann. #182_183{sidXUrXBV3h} Das physiologische Urologikum L-Methionin wird als harnansäuernde Substanz zur Prophylaxe und Therapie von Harnwegsinfektionen eingesetzt, die durch alkalisierende Bakterienstämme verursacht werden. Die Urease dieser Bakterien (z. B. Proteus) spaltet den im Urin enthaltenen Harnstoff in Kohlendioxid und Ammoniak und führt dadurch zu einer Alkalisierung des Urins. Durch Ansäuerung des Urins mit Methionin wird das Bakterienwachstum gehemmt. Gleichzeitig wird die Effektivität von Antibiotika (z. B. Nalidixinsäure, Nitrofurantoin) gesteigert, die ihr Wirkungsoptimum im sauren Harn bei pH 4–6 besitzen und durch die Ansäuerung in der Niere verstärkt rückresorbiert werden. Eine Therapie mit Methionin eignet sich vor allem zur Reinfektionsprophylaxe bei Patienten mit chronisch rezidiverenden Harnwegsinfekten. Zur Harnansäuerung werden in der Regel 3 × täglich 500–1 000 mg L-Methionin vor den Mahlzeiten gegeben. #183.01{sidzWfndmu1} 12.4.8 Amphotericin B und Magnesium/Kalium #183.02{sid3oD6V4DT} Amphotericin B erhöht die renale Magnesium- und Kaliumexkretion #183.03{sidJpmqYME0} Mechanismus: Die durch Amphotericin B induzierte Nephrotoxizität ist mit einer Störung der renal tubulären Rückresorption von Magnesium (renaler Magnesiumspareffekt) und Kalium assoziiert; Magnesium-Wasting. #183.04{sid7k68SF7p} Folgen: Erhöhte renale Magnesium- und Kaliumexkretion; Hypomagnesiämie (< 0,8 mmol/l), Hypokaliämie (< 3,5 mmol/l), Risiko für Herzrhythmusstörungen, Adynamie, Krämpfe, Muskelschmerzen, Tetanie. #183.05{sidNKtc64I2} Hinweis: Bei einer parenteralen Therapie mit Amphotericin B sollten die Serumelektrolyte (z. B. Magnesium, Kalium) engmaschig kontrolliert und gegebenenfalls substituiert (p. o., i. v.) werden. #183.06{sid43gbYVVw} Amphotericin B ist das einzige Polyenantibiotikum, das bei generalisierten Pilzinfektionen auch parenteral (z. B. Dauertropfinfusion) gegeben wird. Problematisch ist die bei intravenöser Applikation von Amphotericin B hohe Nephrotoxizität. Bei mehr als 80 % der Behandelten treten Nierenschäden auf, die sich durch renal tubuläre Azidose, Proteinurie, Hämaturie, Anstieg des Serumkreatinins und Elektrolytstörungen (z. B. Hypokaliämie) manifestieren. #183.07{sidVIPhCQUr} 12.4.9 Cotrimoxazol und Folsäure #183.08{sid91pR8FEh} Cotrimoxazol (Trimethoprim und Sulfamethoxazol) stört den Folsäurestatus #183.09{sidnGROOSXX} Mechanismus: Antibakteriell wirksame Diaminopyridine wie Trimethoprim und Tetroxoprim sind Hemmstoffe der Dihydrofolat-Reduktase (Folsäureantagonisten). Gastrointestinale Störungen beeinträchtigen die diätetische Folsäureaufnahme. #183.10{sidxPfnroO4} Folgen: Folsäuremangel (Serum-Folat < 3,5 ng/ml; Erythrozyten-Folat < 250 ng/ml); hypersegmentierte Granulozyten, Störungen der Hämatopoese (megaloblastäre Anämie); Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l). #183.11{sid9MJFTdLI} Hinweis: Bei einer antibiotischen Therapie mit Tetroxoprim (→ Cotetroxazin) oder Trimethoprim (→ Cotrimoxazol) ist eine Folsäuresubstitution (0,4–1 mg tgl., p. o. zusammen mit Vitamin B12) sinnvoll, insbesondere bei Patienten mit schlechtem Ernährungsstatus (z. B. HIV-Infizierte → Toxoplasmosetherapie). #183.12{sidYnyLDsoS} 12.4.10 Tetracycline und Vitamin C #183.13{sidDX3wAh2x} Tetracycline erhöhen die renale Vitamin-C-Ausscheidung #183.14{sidqZSUQatk} Mechanismus: Tetracycline hemmen den intrazellulären Stoffwechsel und die tubuläre Rückresorption von Vitamin C. #183.15{sideen1O3UU} Folgen: Erhöhte renale Vitamin-C-Exkretion, Abfall der Vitamin-C-Konzentrationen in den Leukozyten. #183.16{sidCB1IaVTP} Hinweis: Bei einer Therapie mit Tetracylinen empfiehlt sich eine zusätzliche Gabe von 200–500 mg Vitamin C tgl., p. o. zur Kompensation des therapiebedingten erhöhten Vitamin-C-Umsatzes (▸ Kap. 5.6.1). #183.17{sidXGYQd8zc} 12.4.11 Antibiotika und Zink #183.18{sidLMNbflQJ} Zink verbessert die Antibiotikatherapie HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #183.19{sid5FjTVWRK} Mechanismus: Zink stärkt die humorale und zelluläre Immunkompetenz (→ Aktivität der T-Helfer-, TK-, NK-Zellen und Lymphokine); Produktion von Thymushormonen, Regulierung der T-Zelldifferenzierung (→ Thymulin = zinkabhängiges Peptid: Transformation der Thymozyten in aktive T-Zellen; Zinkmangel führt zur Thymusatrophie). #183.20{sid6UzE0nuq} Folgen: Zink verbessert die antibakterielle Therapie mit Antibiotika. #183_184{sidLSPo2LW0} Hinweis: Bei Kindern wird Zink begleitend zur Antibiotikatherapie in Abhängigkeit vom Körpergewicht in Dosierungen von 10–20 mg pro Tag (ca. 0,5 mg Zink pro kg KG/Tag) und bei Erwachsenen 20–50 mg pro Tag empfohlen. Die Zinkeinnahme sollte im Zeitabstand zur Einnahme des Antibiotikums erfolgen. Zink kann auch als Lutschtablette 2–3 × täglich supplementiert werden. #184.01{sidAjTLcqCq} Studien: In einer doppelblinden und randomisierten Studie wurde der Einfluss einer Zinksubstitution (10 mg/Tag, p. o.) auf die Häufigkeit von akuten Atemwegsinfektionen bei Kindern im Vorschulalter untersucht. 609 Kinder im Alter von 6–35 Monaten wurden über einen Zeitraum von 6 Monaten beobachtet (Zink: 298 Kinder, Placebo: 311 Kinder). Nach 120 Tagen ging der Anteil der Kinder mit Zinkblutspiegeln unter 60 µg/dl (→ Hinweis auf Zinkmangel) in der Zink-Gruppe von 35,6 auf 11,6 % zurück, in der Kontrollgruppe stieg er von 36,8 auf 43,6 % an. Die Rate der akuten Infektionen der unteren Atemwege war bei Kindern der Zink-Gruppe deutlich reduziert: Sie betrug bei ihnen 0,19 Episoden pro Kind und Jahr im Vergleich zu 0,35 Episoden bei Kindern der Kontrollgruppe. Eine um 45 % verminderte Häufigkeit akuter Atemwegsinfektionen konnte bei Kindern durch die regelmäßige Zinksubstitution erzielt werden. In einer weiteren klinischen Studie an Erwachsenen, die innerhalb von 24 Stunden nach Einsetzen der ersten Erkältungssymptome alle 2–3 Stunden während der Wachzeit eine Zinklutschtablette („Zinc Lozenges“) mit 12,8 mg Zink (als Zinkacetat) erhielten, wurde die Erkältungsdauer sowie Symptome wie Schnupfen und Husten signifikant durch Zink im Vergleich zu Placebo verringert. #184.02{sidDxo1lTTD} Dass Zink die Dauer einer Erkältung verkürzen und deren Symptome lindern kann, wird aktuell auch durch eine Metaanalyse von 15 Studien mit 1 360 Teilnehmern zum Thema Zink und Erkältungskrankheiten der Cochrane Kollaboration bestätigt. Wird Zink bereits bei Beginn der ersten Erkältungssymptome eingenommen, reduziert sich die Erkältungsschwere und -dauer. So waren bei den Teilnehmern, die Zink in Form von Tabletten, Sirup oder Lutschtabletten supplementierten, bereits nach einer Woche Beschwerden wie Halsschmerzen, Rhinitis oder Fieber verschwunden – nicht so in der Placebo-Gruppe. Kinder, die mindestens 5 Monate regelmäßig Zinklutschtabletten oder -sirup einnahmen, erkrankten seltener und hatten weniger erkältungsbedingte Schulfehlzeiten. Zudem reduzierte die Zinksubstitution die Häufigkeit von Antibiotikaverordnungen. #184.03{siduldI2wgz} In einer aktuellen randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studie mit 655 Kleinkindern (Alter: 7–120 Tage) aus Indien erhielten die Probanden nach dem Zufallsprinzip ergänzend zur Antibiotikatherapie entweder 10 mg Zink täglich oder Placebo. Dabei kam es innerhalb der Zink-Gruppe (n = 332) zu einer signifikant geringeren Rate an Therapieversagern als in der Placebo-Gruppe (n = 323; 10 versus 17 %; relative Risikoreduktion: 40 %, p = 0,0113). Innerhalb der Zink-Gruppe starben 10 Kinder und innerhalb der Placebo-Gruppe 17 Kinder (relative Risikoreduktion: 43 %, p = 0,15). Die Wirksamkeit war bei Kindern mit Diarrhö höher als bei solchen ohne Diarrhö (p = 0,0260). Eine Supplementierung von Zink stellt eine kostengünstige Möglichkeit dar, um die Antibiotikatherapie zu verbessern und das Mortalitätsrisiko bei Kleinkindern zu senken. #184.04{sidus5ZTPlG} Literatur #184.05{sidZAmlQmi8} Ademuyiwa O et al. Vitamin E and selenium in gentamicin nephrotoxicity. Human Exp Toxicol, 9: 281–288, 1990 #184.06{sidPdJgFh5D} Atsmon J, Dolev E. Drug-induced hypomagnesaemia: scope and management. Drug Saf, 28 (9): 763–788, 2005 #184.07{sidRTieDu6S} Baliga R et al. Oxidant mechanisms in toxic acute renal failure. Am J Kidney Dis, 29: 465–477, 1997 #184.08{sidAfxzaqJC} Barrowman JA et al. Impairment of vitamin A absorption by neomycin. Clin Sci, 42 (4): 17P, 1972 #184.09{sid3yEONr9i} Barton CH et al. 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Dabei ist die 1901 erstmals von dem Neurologen Alois Alzheimer beschriebene Demenz vom Alzheimer-Typ (DAT) mit rund 60 % mit Abstand die häufigste Demenzform. Allein in Deutschland wird derzeit die Zahl der Betroffenen auf über 1,2 Millionen geschätzt. Die Neuerkrankungsrate pro Jahr liegt bei etwa 300 000. Nach aktuellen Erhebungen wird sich die Zahl der Alzheimer-Patienten bis zum Jahr 2040 verdoppeln. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #187.03{sidxmjZATfX} Die Alzheimer-Demenz ist das Ergebnis eines multifaktoriellen Prozesses, an dem eine Vielzahl neuropathologischer und neuroimmunologischer Reaktionen im ZNS beteiligt sind (siehe Kasten). Histopathologische Merkmale im Gehirn sind senile Plaques (β-Amyloid-Ablagerungen) und intrazelluläre Neurofibrillenbündel (Tau-Proteine). Diese Proteinablagerungen sind nicht nur die Folge des primären Demenz auslösenden Prozesses, sondern auch direkt für den Verlust der Gehirnsubstanz (→ Hirnatrophie) verantwortlich. Die Neurotoxizität der β-Amyloid-Aggregate wird vor allem durch Proteinglykosilierungsprodukte und proinflammatorische Zytokine vermittelt. Diese lösen eine übermäßige Produktion von freien Sauerstoff- und Stickstoff-Radikalen aus und führen zum oxidativen Nervenzelltod. Eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Progression der Demenz spielt auch die pathologisch erhöhte Konzentration mit dem NMDA-Agonisten Glutamat. Der Nervenzelluntergang betrifft überwiegend die cholinergen Neurone im basalen Vorderhirn (Nucleus basalis Meynert) und die cholinergen Axone im Cortex, deren Ausfall mit ausgeprägten Lern- und Gedächtnisstörungen verbunden ist. #187.04{sidgumpToSm} Pathogenetische Faktoren der Alzheimer-Demenz (Auswahl) #187.05{sidWg6xOtH7} Proteinglykosilierungsprodukte (AGEs: Advanced Glycation Endproducts) in senilen Plaques (→ β-AmyloidAblagerungen), #187.06{sidZfjwt7yc} chronische Entzündungsprozesse durch neuroinflammatorische (→ Zytokine: IL-1, IL-6, TNF-α) und neuroimmunologische Prozesse (→ Mikroglia- und Astroglia-Zellen), #187.07{sidQaZ3UNsi} oxidativer/nitrosativer Stress (→ Aktivierung des redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFkappa B und Produktion neuroinflammatorische Zytokine wie IL-1, IL-6 und TNF-α), #187.08{sidqecAAE3c} Störungen des zerebralen Energie- und Glucosestoffwechsels (→ Dysfunktion der mitochondrialen ATPProduktion: Aktivitätsminderung der PDH, KGDH und des Komplex IV), #187.09{sidV8iZhfkU} Mangel an Acetylcholin (z. B. durch verminderte Cholin-Acetyltransferase-Aktivität), #187.10{sidxC00M2lm} pathologisch erhöhte Belastung mit dem NMDA-Rezeptor-Agonisten Glutamat (z. B. durch Hypoxie), der zu Störungen der intrazellulären Calcium-Homöostase und der Neuroplastizität führt (→ glutamaterge Exotoxizität mit neuronaler Apoptose), #187.11{sidoJQd0h6D} Hyperhomocysteinämie bzw. Störung des neuronalen Methylgruppenstoffwechsels (→ Demyelinisierung, Hypomethylierung), #187.12{sidDEyH2RC1} weitere: genetische Faktoren (z. B. ApoE), Vitamin-D-Mangel. #188.01{sidz9Dfrs2t} 13.1 Antidementiva und Mikronährstoffe #188.02{sidYI8fvuVT} 13.1.1 Cholinesterasehemmer und NMDA-Antagonisten #188.03{sidxiodRECU} Für die Pharmakotherapie des Morbus Alzheimer sind derzeit folgende Arzneistoffe zugelassen: für die leichte und mittelschwere Alzheimer-Demenz die Cholinesterasehemmer Donepezil, Rivastigmin und Galantamin und für die moderate und schwere Form der Krankheit der NMDA-(N-Methyl-D-Aspartat-)Antagonist Memantine. Die pharmakologische Wirkung der drei Cholinesterasehemmer beruht darauf, dass sie im Gehirn den Abbau des für die Gedächtnisleistung und Konzentration verantwortlichen Neurotransmitters Acetylcholin verhindern, der durch das Enzym Acetylcholinesterase (AChE) abgebaut wird. Memantine ist ein selektiver nicht-kompetitiver NMDARezeptor-Antagonist, der durch die Blockade des NMDA-Rezeptors die pathologisch erhöhte Glutamatfreisetzung verringert. Zu den neuroprotektiven Wirkungen des Memantins tragen auch antioxidative Eigenschaften bei. #188.04{sidmz6W03Oh} Die gegenwärtig in der Alzheimer-Therapie eingesetzten Medikamente (→ Cholinesterasehemmer, NMDAAntagonisten) verfügen nur über einen begrenzten Nutzen und sind zum Teil mit erheblichen Nebenwirkungen (z. B. Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Diarrhö, Depressionen, Anorexie, Gewichtsverlust, Herzrhythmusstörungen, Albträume) vergesellschaftet. In Studien zum Nutzen von Galantamin bei leichter kognitiver Beeinträchtigung war die Mortalität im Vergleich zu Placebo zum Teil um das 3-fache erhöht. #188.05{sidJZh94472} 13.1.2 Neuroregulative und neuroprotekive Funktionen der α-Liponsäure #188_189{sidOlxZHGW7} Einen möglichen neuen Ansatz in der frühen Alzheimer-Therapie liefern aktuelle Studienergebnisse der geriatrischen Klinik der Henriettenstiftung in Hannover mit dem Vitaminoid α-Liponsäure, das auf verschiedenen Ebenen kausal in die Pathomechanismen der Neurodegeneration und des gestörten neuronalen Energiestoffwechsels eingreift. Die potenziellen Wirkmechanismen der α-Liponsäure bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer sind vielfältig. Unter den biochemischen Wirkungen müssen vor allem proenergetische, antioxidative und antiinflammtorische erwähnt werden (○Abb. 13.1). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #188.06{sidH47jRGRJ} Abb. 13.1 α-Liponsäure: Pathobiochemische Rationale bei Alzheimer-Demenz #189.01{sidC1qX1xfH} Die Deckung des neuronalen Energiebedarfs erfolgt durch die oxidative Verwertung von Glucose. Hierbei übernimmt α-Liponsäure, zusammen mit Vitamin B1, als Coenzym der mitochondrialen Enzyme PyruvatDehydrogenase (PDH) und α-Ketoglutarat-Dehydrogenase (KGDH) eine wesentliche regulative Funktion. Eine Aktivitätsabnahme dieser Enzymkomplexe beeinträchtigt die Glucoseverwertung mit der Folge, dass auch die mitochondriale Atmungskette und der neuronale Energiestoffwechsel (Adenosin-Tri-Phosphat, ATP) gestört werden. Die proenergetische Wirkung der α-Liponsäure auf die Glucoseutilisation kann nicht nur die neuronale Verfügbarkeit von Energieäquivalenten, sondern auch die Synthese von Neurotransmittern günstig beeinflussen. #189.02{sid7MQBKBH8} Neben der Störung des neuronalen Energiestoffwechsels spielt die irreversible Glykosilierung von ZNS-Proteinen (= Proteinglykosilierung) und deren Ablagerungen in senilen Plaques bei der Demenz vom Alzheimer-Typ eine ätiologische Schlüsselrolle. Proteinglykosilierungsprodukte, auch Advanced Glycation Endproducts (AGEs) genannt, fördern über die Wechselwirkung mit dem Transkriptionsfaktor NFkappaB die Bildung proinflammatorischer Zytokine und reaktiver Sauerstoffspezies (ROS). In seiner Eigenschaft als Antioxidanz und Proteinglykosilierungshemmer (AGE-Inhibitor) wirkt α-Liponsäure der neuronalen Schädigung durch freie Radikale und AGEs entgegen (○Abb. 13.2). #189.03{sidtckONMRH} Abb. 13.2 Proteinglykosilierung und Neurodegeneration #190.01{sidiiDGstIx} 13.1.3 Cholinesterasehemmer und α-Liponsäure #190.02{sidxel7TePY} α-Liponsäure erweitert die antidementive Wirkung von Cholinesterasehemmern (z. B. Donepezil, Rivastigmin) #190.03{sid4XZvw4Ye} Mechanismus: α-Liponsäure wirkt aufgrund seiner antioxidativen, antiinflammatorischen und proenergetischen Wirkungen (→ mitochondrialer Energiestoffwechsel) neuroprotektiv; Inhibierung der Proteinglykosilierung und der AGE-abhängigen Aktivierung des redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFkappaB. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #190.04{sidpV0a6l5k} Folgen: Synergismus und Erweiterung der Pharmakotherapie mit Cholinesterasehemmern, Stabilisierung und moderate Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz. #190.05{sidayqZqrIx} Hinweis: Bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz kann die begleitende Gabe von Antioxidanzien, wie αLiponsäure (2 × 600 mg/d, p. o. zusätzlich: 2–3×/Wo. für 2 Wochen: 600 mg i. v.) auch in der Kombination mit Omega-3-Fettsäuren das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und die kognitive Leistungsfähigkeit stabilisieren und zum Teil verbessern. In diesem Zusammenhang sind vor allem die neuroprotektiven Mikronährstoffe, wie langkettige Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA) von hohem Stellenwert, wie die Ergebnisse zweier aktueller randomisierter Studien belegen: Darunter wurden zum einen die Effekte einer täglichen Supplementierung von 2.200 mg langkettiger Omega-3-Fettsäuren bei 44 gesunden älteren Menschen (Alter: 50– 75) auf die kognitive Leistungsfähigkeit im Vergleich zu Placebo (Sonnenblumenöl) über einen Zeitraum von 26 Wochen untersucht. Dabei verbesserte sich im Vergleich zu Placebo die kognitive Leistungsfähigkeit in Form eines Gehirntests zur Bewältigung einer Gedächtnisaufgabe statistisch signifikant. Zusätzlich war in der Verum-Gruppe ein Anstieg des Omega-3-Index als valider Blutparameter für die diätetische Omega-3-Fettsäure-Versorgung nachweisbar. #190.06{sidJYXJb9O3} In einer weiteren randomisierten und placebokontrollierten Doppelblindstudie an 219 Probanden (Alter: ± 65) mit einer leichten kognitiven Beeinträchtigung wurde der Einfluss von Docosahexaensäure (2 g DHA/Tag, Zeitraum: 12 Monate) auf die kognitive Leistungsfähigkeit und die hippokampale Atrophierate erfasst (DHA: n=110, Placebo: n=109). Bei Probanden aus der DHA-Gruppe war nach 12 Monaten gegenüber denjenigen aus der Placebo-Gruppe eine signifikant bessere kognitive Leistungsfähigkeit anhand verschiedener Gehirntests (z. B. Intelligenz, Informationsverarbeitung) nachweisbar. In Bezug auf das Volumen des Hippokampus führte die Einnahme von DHA im Vergleich zu Placebo zu einer signifikanten Verlangsamung der Progression der hippokampalen Atrophie. Grundsätzlich sollte bei Alzheimer-Patienten auch der Methylgruppen- bzw. Homocystein-Stoffwechsel überprüft (→ Laborparameter: Homocystein, Methylmalonsäure) und gegebenenfalls kompensiert werden (z. B. 1 000 µg Hydroxocobalamin i. m./Monat), da eine unzureichende Versorgung mit Vitamin B12 und Folsäure Studien zufolge bei älteren Menschen mit einem 6-fach erhöhten Risiko für eine Hirnatrophie assoziiert ist. #190.07{sidh6q5YIAq} Studien: In einer aktuellen Anwendungsbeobachtung der neurologischen und geriatrischen Klinik der Henriettenstiftung in Hannover wurde der Einfluss von α-Liponsäure auf die kognitiven Fähigkeiten und die Krankheitsprogression mithilfe standardisierter Diagnoseverfahren bei 43 Patienten mit milder bis moderater Alzheimer-Demenz erfasst. Als kognitive und neuropsychologische Tests wurde der Mini-Mental State Examination (MMSE) und der Alzheimer‘s disease assessment score cognitive subscale (ADAScog) eingesetzt. Der MMSE ist nicht nur ein bewährtes Screeningverfahren zur Erfassung kognitiver Defizite sondern auch für die Verlaufskontrolle bei demenziellen Erkrankungen geeignet. Der ADAScog ist einer der häufigsten Tests der in klinischen Studien zur Wirksamkeitsprüfung von Anitdementiva und Nootropika eingesetzt wird. #191.01{sidOz9iptAj} Die Patienten erhielten täglich zusätzlich zur Standardtherapie mit Cholinesterasehemmern (Donepezil oder Rivastigmin) 600 mg α-Liponsäure peroral. In der Zeit vor Behandlungsbeginn hatte sich der Zustand der Patienten stetig verschlechtert, sodass in einem Beobachtungszeitraum von bis zu 48 Monaten eher mit einer weiteren Verschlechterung der kognitiven Tests zu rechnen war. Überraschenderweise konnte jedoch unter der Komedikation mit α-Liponsäure eine Stabilisierung der kognitiven Fähigkeiten und vor allem ein extrem verlangsamtes Fortschreiten der Erkrankung beobachtet werden. Im Vergleich zu den Ergebnissen aus Studien mit unbehandelten Patienten oder Patienten, die nur mit einem Cholinesterasehemmer behandelt werden, war die Krankheitsprogression „dramatisch“ verlangsamt. Obwohl diese Anwendungsbeobachtung nicht doppel-blind, placebokontrolliert und randomisiert durchgeführt wurde, dürfte die adjuvante Supplementierung von α-Liponsäure nach Aussage der Studienleiter eine hilfreiche „neuroprotektive“ Therapieoption in der frühen Phase der AlzheimerTherapie darstellen. #191.02{sidhdBmjaMf} 13.1.4 Antidementiva und Vitamin D #191.03{sidW6109PSE} Vitamin D unterstützt antidementive Wirkung von Cholinesterasehemmern (z. B. Donepezil, Rivastigmin) #191_192{sidJim4tmFO} Mechanismus: Vitamin D wirkt aufgrund seiner antioxidativen und antiinflammatorischen Wirkung neuroprotektiv (○ Abb. 13.3); Inhibierung der Proteinglykosilierung und der AGE-abhängigen Aktivierung des redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFkappaB; 1,25(OH)2D3 reguliert zudem über VDR die mitochondriale Biogenese und den Sauerstoffverbrauch, die mitochondriale Dynamik und Enzymfunktionen (z. B. PDH-Kinase) sowie die Expression nukleärer Gene, die für mitochondriale Proteine codieren. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #191.04{sidZYecuchM} Abb. 13.3 Wirkungen von 1,25(OH)2 D #192.01{sidUd5KwBAb} Folgen: Synergismus und Erweiterung der Pharmakotherapie mit Cholinesterasehemmern, Vitamin D kann bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz den Verlust alltagspraktischer Fertigkeiten hinauszögern. #192.02{sidCAsh1fny} Hinweis: Bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz kann die begleitende Gabe von Vitamin D (z. B. 40– 60 I. E. pro kg KG/d, p. o.) das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. #192.03{sidL2xkX7NF} 13.1.5 Cholinesterasehemmer und Vitamin E #192.04{sidUlH0GjwC} Vitamin E erweitert die antidementive Wirkung von Cholinesterasehemmern (z. B. Donepezil, Rivastigmin) #192.05{sidkzOye2RV} Abb. 13.4 Der Neurotransmitter-Stoffwechsel: Quelle für oxidativen Stress #192.06{sidkeVvSNgG} Mechanismus: Vitamin E wirkt aufgrund seiner antioxidativen und antiinflammatorischen Wirkung neuroprotektiv (○ Abb. 13.4); Inhibierung der Proteinglykosilierung und der AGE-abhängigen Aktivierung des redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFkappaB. #192.07{sidcVwkXHK0} Folgen: Synergismus und Erweiterung der Pharmakotherapie mit Cholinesterasehemmern, Vitamin E kann bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz den Verlust alltagspraktischer Fertigkeiten hinauszögern. #192.08{sidS8Jdhf8H} Hinweis: Bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz kann die begleitende Gabe von Vitamin E (2 000 I. E./d, p. o.) das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. #192_193{sidkVDyLhkH} Studien: In einer aktuellen randomisierten Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie (JAMA 2014) konnte die tägliche Einnahme von 2 000 I. E. Vitamin E bei Patienten mit leichter bis mittelgradiger Demenz vom Alzheimer-Typ (DAT) den Verlust alltagspraktischer Fertigkeiten hinauszögern. An der Doppelblindstudie nahmen 613 Patienten mit DAT teil, die im Mini-Mental State Examination (MMSE) 12 bis 26 Punkte erreichten (im Mittel 21 Punkte) und bereits mit einem Cholinesterase-hemmer behandelt wurden. Die tägliche Studienmedikation bestand aus 2 000 IU α-Tocopherol (n = 152), 20 mg Memantin (n = 155), α-Tocopherol plus Memantin (n = 154) oder Placebo (n = 152). Primärer Studienendpunkt war der ADCS-ADL-Score (Alzheimer‘s Disease Cooperative Study/Activities of Daily Life), der die Fähigkeit zur Bewältigung von Alltagsaufgaben bewertet. Im besten Fall kann ein Score von 78 erreicht werden; der mittlere Wert zu Studienbeginn lag bei 56,8. Nach einer Beobachtungszeit von im Mittel 2,3 Jahren hatte der ADCS-ADL-Score in der Vitamin-E-Gruppe signifikant weniger abgenommen als in der Placebogruppe, um 13,81 statt um 16,96 Einheiten. Pro Jahr war der Rückgang damit um 19 % geringer als unter Placebo. Das entspricht einer klinisch bedeutsamen Verzögerung der Krankheitsprogression um 6,2 Monate unter α-Tocopherol. Die Alltagskompetenz von Patienten, die Memantin oder die Kombination erhalten hatten, unterschied sich dagegen nicht signifikant von der der Placebo-Gruppe (○ Abb. 13.5). Auch bezüglich der Nebenwirkungsraten und der Mortalität unterschieden sich 4 Interventionsarme. Die jährliche Mortalitätsrate in der α-Tocopherol lag bei 7,3 %, in der Placebo-Gruppe bei 9,4 %, in der Memantin + Vitamin E-Gruppe bei 9 % und in der Memantin-Gruppe bei 11,3 %. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #193.01{sid03eGZAet} Abb. 13.5 Vitamin E verzögert Demenz vom Alzheimer-Typ #193.02{sidJU2Dprxd} Die Ergebnisse legen nahe, dass α-Tocopherol bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz von Nutzen ist, indem es den funktionellen Abbau verlangsamt und die Belastung der Betreuungspersonen reduziert. Die mit Vitamin E zu erzielende Reduktion des Betreuungsaufwands lässt außerdem erhebliche Kosteneinsparungen erwarten. Dass die Therapie mit Memantin keine Verbesserung bewirkte, steht im Einklang mit den Ergebnissen anderen Studien an Patienten mit leichter Alzheimer-Erkrankung. Die Zulassung des NMDA-Antagonisten ist in Deutschland ohnehin auf moderate bis schwere Alzheimer-Stadien beschränkt. Wieso allerdings Memantin plus Vitamin E keine Vorteile gegenüber der Placebo aufweist, bleibt unverständlich, da bisher keine Interferenzen des Antidementivums mit dem Vitamin beschrieben wurden. #194.01{sid2lCi4UTM} 13.1.6 Antidementiva und Benfotiamin #194.02{sidUD7lkPeW} Benfotiamin erweitert die antidementive Wirkung von Cholinesterasehemmern (z. B. Donepezil, Rivastigmin) #194.03{sidyDCAsoYz} Mechanismus: Benfotiamin wirkt aufgrund seiner antioxidativen, antiinflammatorischen und proenergetischen Wirkungen (→ mitochondrialer Energiestoffwechsel) neuroprotektiv. Als lipidlösliches B1-Prodrug verbessert Benfotiamin die Aktivität der PDH und KGDH, hemmt die Proteinglykosilierung und die AGE-abhängige Aktivierung des redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFkappaB. #194.04{sidMr5pzqaQ} Folgen: Synergismus und Erweiterung der Pharmakotherapie mit Cholinesterasehemmern, Stabilisierung und moderate Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz. #194.05{siddTS5PIDK} Hinweis: Der physiologische Hirnstoffwechsel ist entscheidend abhängig von der Energiegewinnung aus Kohlenhydraten (z. B. Glucose) und wesentlich für den mitochondrialen Energiestoffwechsel der Neuronen. Die beiden Coenzyme Thiamin und α-Liponsäure regulieren dabei Schrittmacherfunktionen durch die Aktivität der Pyruvat-Dehydrogenase (PDH) und α-Ketoglutarat-Dehydrogenase (KGDH). Die PDH verbindet beispielsweise die Glykolyse mit dem Citratzyklus und befindet sich in der mitochondrialen Matrix. Die Aktivität dieser beiden Schrittmacherenzyme im mitochondrialen Stoffwechsel ist bei Patienten mit Morbus Alzheimer um bis zu 57 % verringert. Bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Demenz kann aktuellen Studien zufolge die adjuvante Gabe von Benfotiamin (z. B. 600 mg/d, p. o.) und/oder α-Liponsäure das Fortschreiten der demenziellen Erkrankung verlangsamen und die kognitive Leistungsfähigkeit stabilisieren und zum Teil verbessern. #194.06{sidAFvzOWcj} 13.1.7 Antidementiva und B-Vitamine #194.07{sid9Yq6Z98r} Vitamin B12, Folsäure und andere B-Vitamine unterstützen die Wirkung von Antidementiva #194.08{sidcW1gnXEh} Mechanismus: Die Vitamine der B-Gruppe regulieren auf zahlreichen Ebenen den neuronalen Energie- und Neurotransmitterstoffwechsel. Die intakte Funktion der Nervenzellen und die Synthese von Phospholipiden (z. B. Phosphatidylserin) ist von einer optimalen Versorgung mit Methyl- bzw. Homocystein-Stoffwechsel regulierenden BVitaminen wie Vitamin B12 abhängig. #194.09{sidPyGMgkxo} Folgen: B-Vitamine unterstützen die Wirksamkeit von Antidementiva und können bei leichter Demenz zu einer Stabilisierung der kognitiven Leistungsfähigkeit beitragen. #194.10{sidDjZS00Wm} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Hinweis: Bei kognitiven Störungen ist die begleitende Supplementierung von einem Vitamin-B-Komplex mit den aktivierten Methylgruppen übertagenden B-Vitaminen Methyl-THF (z. B. 0,4 mg/d, p. o.) und Methylcobalamin (z. B. 1 000 µg/d, p. o.) sinnvoll. Zur labordiagnostischen Kontrolle sollte neben dem Homocysteinspiegel (Hcy < 10 µmol/l) auch der Vitamin-B12-Status anhand funktioneller Parameter wie Methylmalonsäure oder Holo-Transcobalamin gemessen werden. #194.11{sidJl4f8ti6} Studien: Studien zufolge ist im fortgeschrittenen Lebensalter eine latente Unterversorgung mit Vitamin B12 sowie ein erhöhter Homocystein-Plasmaspiegel (≥ 10 µmol/l) mit einer Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit verbunden. Die Varianz in kognitiven Leistungstests wird bei älteren Personen, unabhängig vom Intelligenzquotienten, zu etwa 11 % auf die Homocysteinwerte zurückgeführt. Auch das Auftreten von Depressionen ist im Alter häufig mit einem niedrigen Vitamin-B12-Status und erhöhten Homocysteinwerten assoziiert. #194_195{sidKo4KmHhU} Im Intermediärstoffwechsel spielen Vitamin-B12-abhängige Methylierungsreaktionen eine zentrale Rolle. Vitamin B12 reguliert zusammen mit 5-Methyl-Tetrahydrofolsäure die Remethylierung von Homocystein zu L-Methionin und die darauf folgende ATP-abhängige Bildung von S-Adenosylmethionin (SAM). SAM ist für die meisten biologischen Methylierungsreaktionen essenziell, u. a. die Methylierung von Myelin, Neurotransmittern und Phospholipiden (z. B. Phosphatidylcholin). Ein diätetischer Mangel an Vitamin B12 und/oder Folsäure ist einer der häufigsten Ursachen für eine Hyperhomocysteinämie. Ein Anstieg des Homocystein-Plasmaspiegels ist ein Hinweis für eine Störung des Methylgruppen-Stoffwechsels, der mit einem erhöhten Risiko für neuronale Schäden, Beeinträchtigung der Zellproliferation und erhöhten Neigung zu Chromosomenstrangbrüchen einhergeht. #195.01{sidZaGDSoYT} Eine Hyperhomocysteinämie und die damit verbundene Hypomethylierung des ZNS gilt als unabhängiger Risikofaktor für eine Demenz von Alzheimer-Typ (DAT). Homocystein wirkt zum einen direkt toxisch auf das vaskuläre Endothel und zum anderen kann es in exzitatorisch wirkende Agonisten (z. B. Cystein-, Homocysteinsäure) des N-Methyl-D-Aspartat-(NMDA)-Rezeptors umgewandelt werden. Die Stimulierung von NMDA-Rezeptoren und damit einhergehende übermäßige neuronale Erregung dürfte wesentlich zu den neuronalen Schäden beitragen (○Abb. 13.6). In der großen Framingham-Studie war das Risiko für Morbus Alzheimer bei einem Homocysteinspiegel > 14 µmol/l nahezu verdoppelt. Erhöhte Homocysteinspiegel sind bei älteren Personen mit einem kleineren Hippokampus und einer erhöhten Atrophierate des medialen Temporallappens und der weißen Substanz verbunden. #195.02{sid9JngyF9E} Abb. 13.6 Homocystein und neurotoxische Wirkungen (Modell) #195_196{sidOvUpITag} In einer prospektiven Studie der Universität Oxford, die an 107 Personen im Alter zwischen 61 und 87 Jahren durchgeführt wurde, konnte eine signifikante Assoziation zwischen dem Vitamin-B12-Status und der Hirngröße nachgewiesen werden. Neben kognitiven Tests und Messung der Hirngröße mittels Kernspintomographie wurde bei den gesunden Probanden zu Beginn der Studie und danach jährlich auch die Vitamin B12- und die HoloTranscobalamin-(holoTC)-Spiegel im Plasma erfasst. Nach fünf Jahren war die altersbedingte Hirnatrophie bei den Probanden mit den niedrigsten Vitamin-B12-Status am stärksten fortgeschritten. Im Vergleich zu Studienteilnehmern mit den höchsten Vitamin B12-Ausgangswerten war die niedrigste Tertile (Vitamin B12-Plasmaspiegel < 308 pmol/l, Holo-Transcobalamin-Plasmaspiegel < 54 pmol/l) mit einem mehr als 6-fach erhöhten Risiko für den Verlust von Hirnvolumen assoziiert (Odds-Ratio 6,17; 95 % Konfidenzintervall, 1,25–30,47). Bemerkenswert ist dabei, dass die Atrophie des Gehirns bereits bei einem marginalen und nicht nach heutiger Definition manifesten Vitamin-B12Mangel auftrat. #196.01{sidY4SlcII5} In einer aktuellen randomisierten und doppelblinden Interventionsstudie (VITACOG-Studie) an 168 älteren Personen mit milder kognitiver Beeinträchtigung (Alter: ≥ 70 Jahre) konnte durch die Supplementierung von Vitamin B12 (500 µg/d, p. o.), Folsäure (0,8 mg/d, p. o.) und Vitamin B6 (20 mg/d, p. o.) über einen Zeitraum von 24 Monaten gegenüber der Placebogruppe, bei den Probanden mit Homocysteinwerten > 13 µmol/l das Fortschreiten der Hirnatrophie und Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit signifikant (um 53,3 %) verringert bzw. verlangsamt werden. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #196.02{sidcJJBAJ7K} 13.1.8 Antidementiva und Phosphatidylserin #196.03{sidTuR2MV44} Phosphatidylserin unterstützt die Wirkung von Antidementiva #196.04{sidV7XuhRiT} Mechanismus: Phosphatidylserin (PS) ist das dominierende Phospholipid im Gehirn, reguliert die Freisetzung und Signaltransduktion von Neurotransmittern (z. B. Acetylcholin, Dopamin, Serotonin). Unzureichende Versorgung mit PS begünstigt eine Abnahme der NGF-Rezeptor-Dichte im Cerebellum und Hippokampus, Beeinträchtigung der zerebralen Glucoseverwertung, Anfälligkeit für oxidative Nervenzellmembranschäden, Gedächtnis-, Konzentrationsund Lernstörungen sowie Neigung zu Depressionen. #196.05{sidvmpR1Brv} Folgen: Phosphatidylserin unterstützt die Wirksamkeit von Antidementiva und kann bei leichter Demenz zu einer Stabilisierung der kognitiven Leistungsfähigkeit beitragen. #196.06{sidlLOIDu3u} Hinweis: Bei kognitiven Störungen ist die begleitende Supplementierung von Phosphatidylserin (z. B. 3 × 100 mg/d, p. o.) mit einem Vitamin-B-Komplex sinnvoll. Zur labordiagnostischen Kontrolle sollte neben dem Homocysteinspiegel (Hcy < 10 µmol/l) auch der Vitamin-B12-Status anhand funktioneller Parameter wie Methylmalonsäure oder Holo-Transcobalamin gemessen werden. #196.07{sidHdqwzoMn} Studien: Phosphatidylserin (PS) zählt wie Lecithin zu den für jede Körperzelle essenziellen Phospholipiden. Phospholipide verleihen den Zellmembranen ihre unentbehrliche Grundstruktur und Membranfluidität. Phosphatidylserin ist das dominierende Phospholipid im Gehirn. Dort ermöglicht es die Kommunikation zwischen den Nervenzellen und fördert die Bildung der zur Reizweiterleitung wichtigen Neurotransmitter Serotonin, Noradrenalin, Dopamin und Acetylcholin. Auch die synaptischen Aktivitäten der Neurotransmitter und der damit verbundene Informationsaustausch zwischen den Neuronen im Gehirn und Nervensystem wird durch Phosphatidylserin reguliert. Speziell die kognitiven Prozesse der Speicherung und des Abrufens von Informationen werden verbessert. Aktuell dokumentieren zahlreiche wissenschaftliche Studien die Wirksamkeit von Phosphatidylserin zur Steigerung kognitiver Fähigkeiten wie Gedächtnis-, Lern-, Konzentrations-, Aufmerksamkeitsund Sprachvermögen insbesondere im Alter sowie zur Erhöhung der Stressresistenz. Phosphatidylserin wird zudem bei Depression, Prüfungsstress, Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS), Angststörungen und Demenz eingesetzt. #196_197{sidLW1zxzBL} In einer aktuellen 12-wöchigen Pilotstudie mit 30 älteren Personen mit Gedächtnisstörungen (Alter: 50–90 Jahre) wurde der Einfluss von Soja-Phosphatidylserin (300 mg PS/d, p. o.) auf die kognitive Leistungsfähigkeit untersucht. Dabei zeigte sich über den gesamten Interventionszeitraum eine signifikante Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit bei folgenden Parametern: Gedächtnis: Wiedererkennen (p = 0,004), Gedächtnis: Erinnerungsvermögen (p = 0,006), Ausführungsfunktion (p = 0,004) und mentale Flexiblität (p = 0,01), siehe (○Abb. 13.7. Vor allem das Lernvermögen und das unmittelbare Abrufen von Informationen verbesserten sich signifikant. Überraschenderweise wurde auch der diastolische (6,8 ± 2,1 mmHg; p = 0,003) und systolische (8,9 ± 4,2 mmHg; p = 0,043) Blutdruck bei den Probanden signifikant gesenkt. #197.01{sidNkzO0wFN} Abb. 13.7 Effektivität von Phosphatidylserin (300 mg PS/d, p. o. aus Soja) in der Verbesserung verschiedener kognitiver Leistungsparameter bei 30 älteren Personen (Alter 50–90 Jahre) mit Gedächtnisstörungen über einen Zeitraum von zwölf Wochen. Nach Richter 2013 #197.02{sid5lzqYgfb} In einer weiteren aktuellen doppelblinden placebokontrollierten Studie an 70 älteren japanischen Personen mit Gedächtnisstörungen (Alter: 50–69 Jahre) konnte ebenfalls durch die Supplementierung von Phosphatidylserin (100 oder 300 mg PS/d, p. o.; gewonnen aus Sojabohnen) über einen Zeitraum von sechs Monaten die kognitive Leistungsfähigkeit signifikant verbessert werden. #197.03{sid3em6DRGt} Literatur HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #197.04{sidEUUOmBMY} Dysken MW, Sano M, Asthana S et al. Effect of vitamin E and memantine on functional decline in Alzheimer disease: the TEAM-AD VA cooperative randomizied trial. JAMA, 311 (1): 33–44, 2014 #197.05{sideEjgT663} Estrada DE et al. Stimulation of glucose uptake by the natural coenzyme alpha-lipoic acid/thioctic acid: participation of elements of the insulin signaling pathway. Diabetes, 45: 1798–1804, 1996 #197.06{sidq3vPXiLy} Gibson GE, Hirsch JA, Cirio RT et al. 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Spätschäden an den kleinen Gefäßen der Augen, Nieren oder Nerven sind vor allem bei Typ-1-Diabetes und insbesondere den oftmals multimorbiden Typ-2-Diabetikern mit einem deutlich erhöhten Risiko zu erblinden, chronisches Nierenversagen zu entwickeln oder an Neuropathien zu erkranken, assoziiert. #199.03{sidDN8919NA} 14.1 Diabetes mellitus und Mikronährstoffbedarf #199.04{sid1HVsAttC} Oxidativer Stress spielt bei beiden Formen des Diabetes mellitus eine pathogenetische Rolle bei der Entstehung vaskulärer Komplikationen in Form von Makro- (Arteriosklerose) und Mikroangiopathien (diabetische Retino-, Nephro-, Neuropathie). Glucose und die im Rahmen der Proteinglykosilierung gebildeten Ketoamine (AGEs) sind leicht oxidierbar und fördern zusätzlich die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS). #199.05{sidReUzIBcy} Mikronährstoffe besitzen in der Prävention und Therapie ernährungsassoziierter Krankheiten wie Diabetes mellitus ein hohes präventivmedizinisches und therapeutisches Potenzial. Eine Unterversorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen kann bei diabetischer Stoffwechsellage die Einstellbarkeit beeinträchtigen und das Risiko für diabetische Folgeerkrankungen steigern. Im Hinblick auf die Stoffwechsellage und den medikationsbedingten erhöhten Mikronährstoffbedarf muss bei Diabetikern vor allem die diätetische Versorgung mit Vitamin B1, Magnesium, Vitamin B12, Vitamin D, Vitamin C, Folsäure, Kalium, Zink und Kupfer als kritisch bewertet werden (□ Tab. 14.1). #200.01{sidjHr76mC8} Tab. 14.1 Erhöhter Mikronährstoffbedarf bei Diabetes mellitus #200.02{sidX8NoWw3g} Faktoren, die den Bedarf erhöhen Mikronährstoffe #200.03{sidzoO4HfYb} Vitamin B1 #200.04{sidje96u5Z2} Magnesium #200.05{sidFIk3lWjm} Vitamin B12 #200.06{sidsXbDmLK5} Vitamin C #200.07{sidZGr4RLO4} Vitamin D #200.08{sidrhqQQm2i} Folsäure #200.09{sidayUjqKkH} Coenzym Q10 #200.10{sidn20Mr0vB} Kalium #200.11{sidIZligSXL} Zink #200.12{sid5XcWwgp5} Kupfer Hyperglykämie, erhöhte renale Verluste, medikationsbedingte Verluste (z. B. thiazidhaltige Antihypertonika) Hyperglykämie, erhöhte renale Verluste, medikationsbedingt Verluste (z. B. thiazidhaltige Antihypertonika), niedrige diätetische Aufnahme Erhöhte renale Verluste, Resorptionsstörungen alters- und medikationsbedingt (z. B. Metformin, Protonenpumpenhemmer, thiazidhaltige Antihypertonika) Hyperglykämie, oxidative Belastung Stoffwechselbedingt (z. B. Dyslipoproteinämie, Insulinresistenz), medikationsbedingt (z. B. Glitazone) Erhöhte renale Verluste, niedrige diätetische Aufnahme, medikationsbedingte Verluste (z. B. Diuretika) Medikationsbedingte mitochondriale Toxizität (z. B. CSE-Hemmer, Metformin, Glitazone), oxidative Belastung Niedrige diätetische Aufnahme, erhöhte renale Verluste, Magnesiummangel, medikationsbedingt (z. B. thiazidhaltige Antihypertonika) Oxidative Belastung, erhöhte renale Verluste, niedrige diätetische Aufnahme, medikationsbedingt (z. B. thiazidhaltige Antihypertonika), Wundheilungsstörungen Hyperglykämie, erhöhte renale Verluste, medikationsbedingt Verluste (z. B. thiazidhaltige Antihypertonika), oxidativer Stress #199.06{sidLF2mHpvH} B-Vitamine spielen eine zentrale Rolle im Energie- und Kohlenhydratstoffwechsel. Ihre Aufgaben in unserem Körper reichen von der Steuerung der Nerven- und Herzfunktion über die Blutbildung und Energiegewinnung in unseren Körperzellen bis zur Abwehrfunktion und Gesunderhaltung von Haut und Haaren. Da die B-Vitamine wasserlöslich sind, gehen sie bei Diabetikern vermehrt infolge der häufig gestörten Nierenfunktion und/oder medikamentös bedingt über den Urin verloren. Eine aktuelle Studie belegt, dass bei Diabetikern eine um 75 % reduzierte Konzentration von Vitamin B1 im Blut vorliegt und die renale Ausscheidung 16- bzw. 24-fach (Typ-2 bzw. Typ-1) erhöht ist. Die Überladung der Nerven- und Gefäßzellen mit Glucose und/oder Fettsäuren (Substrat-Stress) lässt bei hyperglykämischer Stoffwechsellage den mitochondrialen Elektronentransport in einem Ausmaß ansteigen, dass der kritische Grenzwert für das Membranpotenzial überschritten wird und es zu einer massiven Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) kommt (○Abb. 14.1). Als Folge der mitochondrialen ROS-Bildung werden diabetesspezifische Signalwege (z. B. Bildung von AGE, Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB) aktiviert, die wesentlich an der Pathogenese der hyperglykämiebedingten Nerven- und Gefäßschäden beteiligt sind. Das antineuropathisch und endothelprotektiv wirkende Thiamin-Prodrug Benfotiamin greift kausal-therapeutisch in diese Stoffwechselprozesse ein und hat sich in verschiedenen klinischen Studien an Diabetikern mit schmerzhaften peripheren Neuropathien bewährt. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #201{sidC5TYg8NW} Abb. 14.1 Benfotiamin moduliert hyperglykämiebedingte Stoffwechselstörungen #200_201{sidwOcWtMpQ} Magnesiummangel spielt bei der Entstehung von Diabetes mellitus eine wichtige Rolle. Eine erniedrigte intrazelluläre Magnesiumkonzentration ist eine wesentliche pathophysiologische Ursache für die Insulinresistenz. Durch Beeinflussung der Tyrosinkinase-Aktivität des Insulinrezeptors und der Signalweiterleitung auf Postrezeptorebene kann Magnesium beim Diabetiker die Parameter der glykämischen Kontrolle verbessern. Diabetiker, besonders jene mit nicht optimaler metabolischer Kontrolle, weisen durch die erhöhte osmotische Diurese zum Teil schwere renale Magnesiumverluste auf, die zu chronischem Magnesiummangel führen. Zahlreiche Studien zeigen eine erhöhte Insulinresistenz bzw. schlechtere Glucosetoleranz bei Personen mit einem Magnesiummangel (○Abb. 14.2). Die diabetische Retinopathie ist bei Diabetikern mit niedrigem Magnesium-Status häufiger und der Schweregrad höher als bei Diabetikern mit gutem Magnesium-Status. Ebenso tritt die diabetische Polyneuropathie häufiger bei schlechtem Magnesium-Status auf und die Supplementierung von Magnesium zeigt eine signifikante Verbesserung der Symptome. Der gleiche Zusammenhang zeigt sich für das Auftreten einer Depression bei Diabetikern. Eine Supplementierung von Magnesium (450 mg/d, p. o.) war bei Diabetikern mit depressiver Symptomatik gleich wirksam wie das Antidepressivum Imipramin (50 mg/d, p. o.). Bei Typ-1- und Typ-2Diabetikern ist eine regelmäßige Supplementierung von 300–900 mg Magnesium pro Tag (z. B. als Magnesiumorotat, -citrat oder -aspartat) empfehlenswert. In Einzelfällen kann auch eine höhere Dosierung erforderlich sein. In diesem Zusammenhang ist Magnesium gut kombinierbar mit den gängigen Antidiabetika (Metformin, Glitazone, Sulfonylharnstoffe, Glinide, Insulin) und Antihypertensiva. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #202.01{sidGQbkVji7} Abb. 14.2 Magnesiummangel und Diabetes mellitus #201_202{sidWGubz1g3} Studien geben Hinweise darauf, dass ein Vitamin-D-Mangel als pathogenetischer Faktor für Typ-1-Diabetes und das metabolische Syndrom gezählt werden muss, da er die Insulinresistenz erhöht und die Insulinsekretion der Betazellen im Pankreas verringert. Zwischen dem Vitamin-D-Status und der Diabetes-Prävalenz, der Glucosekonzentration und der Insulinresistenz besteht zudem eine inverse Relation. Eine Normalisierung des Vitamin-D-Status könnte bei Diagnose eines Typ-1-Diabetes dazu beitragen, die noch vorhandenen Betazellen vor der weiteren Zerstörung zu schützen. Bei Typ-2-Diabetikern zeigen einige Studien, dass die Supplementierung von Vitamin D die Glucosetoleranz verbessert und die Insulinresistenz verringert. Erhöhten Spiegeln an Parathormon und Triglyceriden wirkt Vitamin D entgegen. Die Einstellbarkeit mit oralen Antidiabetika wird möglicherweise durch die gezielt Optimierung des Vitamin-D-Status verbessert. #202.02{sidGCoA3WzU} Stoffwechsel- und therapiebedingt kann auch der Bedarf an Vitamin B12 und Folsäure erhöht sein, insbesondere bei Typ-2-Diabetikern, die mit Metformin und Protonenpumpenhemmern behandelt werden. Nach den Ergebnissen der Hoorn-Studie ist eine Hyperhomocysteinämie bzw. Störung im Methylgruppenstoffwechsel bei Typ-2-Diabetikern gegenüber Nicht-Diabetikern mit einem zweifach erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert. Eine Hyperhomocysteinämie geht bei Typ-2-Diabetes auch häufig mit einer Mikroalbuminurie einher. Medikationsbedingte Störungen der Vitamin-B12-abhängigen Methylierung durch Metformin steigern beim Diabetiker zusätzlich das Risiko für mikrovaskuläre Angiopathien wie die diabetische Retino- und Nephropathie sowie für Demenz und Hirnatrophie. #202_203{sidqdo2Fv4x} Metformin wird vor allem in der Therapie übergewichtiger Typ-2-Diabetiker eingesetzt, da es im Gegensatz zu den insulinotropen Antidiabetika in der Regel keine Gewichtszunahme und/oder hypoglykämischen Attacken auslöst. In früheren klinischen Studien wurde beobachtet, dass es unter der Langzeittherapie mit Metformin zu einer VitaminB12-Malabsorption und zu einem Abfall der Vitamin-B12-Serumspiegel um bis zu 30 % kam. Diese Daten werden durch aktuelle Studien bekräftigt. In einer Fall-Kontroll-Studie wurden 155 Diabetiker, die unter Metformin einen Vitamin-B12-Mangel entwickelt hatten (durchschnittliche Vitamin-B12-Serumspiegel 148,6 ± 40,4 pg/ml; 110 ± 30 pmol/l) mit 310 Kontrollpersonen (466,1 ± 330,4 pg/ml; 344 ± 244 pmol/l) verglichen, die unter der entsprechenden Medikation keinen Mangel an Vitamin B12 aufwiesen. Dabei ergab sich nach Angleichung möglicher Einflussfaktoren eine statistisch signifikante Korrelation zwischen der Dauer und Dosis der Metformintherapie und einem Mangel an Vitamin B12. Jede Dosissteigerung um 1 g/d erhöhte das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel um mehr als das zweifache (Odds-Ratio 2,88; 95 %-Konfidenzintervall, 2,15–3,87; p < 0,001). Verglichen mit einer Therapiedauer von weniger als drei Jahren, war die Odds-Ratio bei einer Therapiedauer von drei Jahren und mehr 2,39 (95 %-Konfidenzintervall, 1,46–3,91; p = 0,001). Ähnliche Ergebnisse zeigt eine weitere Studie an 165 Typ-2 Diabetikern, die den Einfluss von Metformin und Rosiglitazon auf den Vitamin-B12- und Folsäure-Status und der Homocysteinspiegel erfasste. In dieser Studie kam es unter der 6-wöchigen Therapie mit Metformin zu einem Anstieg der Homocysteinspiegel um 2,36 µmol/l sowie zu einem Abfall der Folsäure- und Vitamin-B12-Blutspiegel. Rosiglitazon hatte dagegen keinen Einfluss auf den Vitamin-B12- und Folsäure-Status. #203.01{sidYNtV34R5} Vitamin C stellt für den Diabetiker eines der wichtigsten antioxidativ wirksamen und Endothelprotektiven Vitamine dar. Im Vergleich zu gesunden Personen weisen Diabetiker signifikant reduzierte Vitamin C-Spiegel im Plasma (um über 30 Prozent) und intrazelluläre Vitamin-C-Konzentrationen auf. Nach den Ergebnissen der EPIC-Norfolk-Studie, einer multizentrischen Kohorten-Studie an 2 898 Männern und 3 560 Frauen (Alter: 45–74) korreliert der HbA1C-Wert invers mit Vitamin-C-Status: Personen mit niedrigem HbA1C-Wert (< 7 %) haben signifikant höhere Vitamin-CPlasmaspiegel als solche mit einem hohem HbA1C-Wert (≥ 7 %). Eine Erhöhung der Vitamin-C-Plasmaspiegel um 20 µmol/l reduziert das Risiko einer nicht diagnostizierten Hyperglykämie um nahezu ein Drittel. Bemerkenswert ist, dass sogar bei gleicher oraler Supplementierung (1 g Vitamin C/Tag, p. o.) die Vitamin-C-Plasmaspiegel von Diabetikern mit und ohne Angiopathie gegenüber Stoffwechselgesunden signifikant erniedrigt sind. Die erhöhte oxidative Belastung und der beeinträchtigter Vitamin-C-Metabolismus erfordern bei diabetischer Stoffwechsellage zum Erreichen präventiv wirksamer Vitamin-C-Plasmaspiegel eine zusätzliche regelmäßige Supplementierung (z. B. 1 000 mg Vitamin C/d, p. o.). #203.02{sidzrP85lEX} Fallbeispiel #203.03{sidkMIwqSaE} Joseph K., ein 55-jähriger übergewichtiger Typ-2-Diabetiker wird seit Jahren mit dem oralen Antidiabetikum Metformin behandelt. Wegen erhöhten Blutdrucks nimmt K. zusätzlich eine Diuretika-Kombination aus Hydrochlorothiazid und Triamteren ein. Während seines letzten Termins bei der Hausärztin berichtet K., dass er seit einiger Zeit häufiger unter Empfindungsstörungen in den Händen und kribbelnden, teilweise brennenden Füßen leidet. Seiner Ärztin Frau Dr. med. V. ist das hohe Risiko des Diabetikers für Störungen des Vitamin-BHaushalts und den damit assoziierten Neuropathien bekannt. Frau Dr. med. V. lässt daher den Thiamin- und Vitamin-B12-Status sowie den Homocysteinplasmaspiegel ihres Patienten labordiagnostisch untersuchen. Tatsächlich zeigen die Laborwerte bei Herrn K. eine Mangelversorgung an Vitamin B12, Thiamin und eine Hyperhomocysteinämie (18 µmol/l). Die Hausärztin empfiehlt Herrn K. gegen die Sensibilitätsstörungen eine sechswöchige Behandlung mit Benfotiamin und zusätzlich die regelmäßige Einnahme eines B-VitaminKomplexes mit Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12. Zur Kompensation des Vitamin-B12-Mangels (→ Labor: Methylmalonsäure) wird Vitamin B12 als Hydroxocobalamin intial mehrfach intramuskulär appliziert. Die Homocysteinwerte von Herrn K. möchte sie in sechs Wochen noch einmal kontrollieren. #203_204{sidMjp05hG8} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Im Hinblick auf die diabetische Stoffwechsellage kommt dem Spurenelement Zink eine zentrale Rolle zu, da es für die Synthese, die Speicherung und die Sekretion von Insulin essenziell ist, für die Integrität des Insulinmoleküls Bedeutung hat und als Cofaktor der Superoxiddismutase und des Metallothioneins antioxidative Wirkungen aufweist. Infolge der Hyperglykämie und Proteinurie kommt es sowohl bei Typ-1- als auch Typ-2-Diabetes zur erhöhten renalen Zinkexkretion. In Abhängigkeit der Krankheitsdauer und der nachlassenden Nierenfunktion steigen die Zinkverluste zunehmend an. Bei inadäquater Zinkaufnahme kann sich daraus schnell eine Mangelsituation entwickeln. Zink (z. B. 25 mg/d, p. o.) sollte bei erhöhtem Bedarf bzw. Mangelversorgung in Form gut bioverfügbarer Zinksalze (z. B. Zinkorotat), auch in Kombination mit Chrom und Kupfer, supplementiert werden. #204.01{sidwnhlcYE0} 14.2 Orale Antidiabetika und Mikronährstoffe #204.02{sid7JYvPzs4} 14.2.1 Orale Antidiabetika, Insulin und Vitamin D #204.03{sidRQPI10oM} Vitamin D verbessert metabolische Kontrolle und Insulinsensitivität #204.04{sidZEd2U3y3} Mechanismus: Vitamin D in seiner hormonaktiven Form 1,25(OH)2D unterstützt die Insulinsekretion im Pankreas #204.05{sidK5dCTL3X} Folgen: Die Insulinsensitivität und Stoffwechsellage bei Typ-1 und Typ-2-Diabetikern wird durch Vitamin D verbessert, der Insulinbedarf gesenkt #204.06{sidKcfC2gkM} Hinweis: Bei Typ-1 und Typ-2-Diabetikern sollte grundsätzlich der 25(OH)D-Status (Referenz: 40–60 ng/ml) kontrolliert und durch adäquate Supplementierung (z. B. 40–60 I. E. pro kg Körpergewicht pro Tag) kompensiert werden. #204.07{sidlMZGClsY} In der Praxis hat sich zum schnellen Ausgleich eines Vitamin-D-Mangels initial die hoch dosierte Einnahme von Vitamin D bewährt. Bei einem Auto, das wegen Ölmangels kurz vor einem Kolbenfresser steht, würde man ja auch nicht an je 100 Tankstellen Tropfenweise Öl nachfüllen, um das Schlimmste zu vermeiden. #204.08{sidhOh2EAHv} Mithilfe einer einfachen Formel, welche das Körpergewicht mit einbezieht, lässt sich die initiale Vitamin-DDosierung (VDI) einfach berechnen: Vitamin-D-Initialdosis (VDI) in I. E. = 40 × [Zielwert (nmol/l) – Ausgangs¬wert (nmol/)] × kg Körpergewicht (KG). #204.09{sidepalDccV} Beispiel: Zielwert = 150 nmol/l, Ausgangswert = 15 nmol/l, Körpergewicht = 75 kg → Vitamin-D-Initialdosis = 40 × [150–15] × 75 = 405 000 I. E. Vitamin D. #204.10{sidHodYumF8} Die errechnete Vitamin-D-Initialdosis (VDI) sollte etwa auf 7–10 Tage verteilt werden (Bsp.: VDI = 405 000 I. E. → 10 Tage lang 40 000 I. E. Vitamin D täglich). Im Anschluss sollten täglich 40–60 I. E. Vitamin D pro kg KG eingenommen werden. Eine Erfolgskontrolle der Vitamin-D-Therapie sollte frühestens nach 6–8 Wochen labordiagnostisch durch die Messung des 25(OH)D im Serum überprüft werden #204.11{sidVvK3tkkB} Studien: In einer aktuellen Studie der Universität Piemont an 141 Typ-1-Diabetikern (Alter: 13.3 ± 4.3 Jahre, Krankheitsdauer: 5,6 ± 3,9 Jahre) mit Vitamin D-Insuffizienz [25(OH)D < 75 nmol/l] wurde der Einfluss einer täglichen Supplementierung von 1 000 I. E. Vitamin D über einen Zeitraum von 18 Monaten auf die metabolische Kontrolle (z. B. Insulinsensitivität, HbA1c) untersucht. Dabei führte die Supplementierung von Vitamin D und Verbesserung des 25(OH)D-Status zu einer signifikanten Abnahme des HbA1c-Wertes (8,1 ± 11 vs 9,0 ± 2,0 %; p< 0,05) sowie zu einer signifikanten Reduktion des täglichen Insulinbedarfs (0,68 ± 0,22 vs 0,81 ± 0,26 IU/Kg/d; p< 0,05) (○ Abb. 14.3). #205.01{sid2BRUCFsl} Abb. 14.3 Vitamin-D-Status entsprechend dem Status an glykosyliertem Hämoglobin #204_205{sidTkj6k1Vm} Ein Vitamin D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) und eine Vitamin D-Insuffizienz (21–29 ng/ml) zählen zu den häufigsten Gesundheitsproblemen unserer Zeit. Nach aktuellen Studien dürfte eine insuffiziente Versorgung mit Vitamin D nicht nur die allgemeine und die kardiovaskuläre Mortalität erhöhen, sondern auch ein wichtiger ätiologischer Faktor bei der Pathogenese zahlreicher chronischer Erkrankungen, wie Diabetes mellitus Typ-1 und Typ-2 sein. Sowohl in- vitro- als auch In-vivo-Studien belegen, dass Vitamin D in seiner hormonaktiven Form 1,25(OH)2D in der Lage ist die Zerstörung der Insulinproduzierenden Beta-Zellen im Pankreas zu verhindern und somit die Prävalenz des Typ-1Diabetes, der durch eine Autoimmunreaktion ausgelöst wird, verringern kann. Dies dürfte überwiegend auf der Immunmodulierende Wirkung des 1,25(OH)2D auf die Immunantwort der T-Helfer(Th)-Zellen und der Suppression von proinflammatorischen Zytokinen wie TNFα beruhen. Bekanntlich begünstigt ein niedriger 25(OH)D-Status Entzündungsprozesse in den β-Zellen des Pankreas und verschlechtert die Insulinsensitivität. Die Ergebnisse einer aktuelle Metaanalyse [11 Studien mit 1 900 Probanden (Kinder + Erwachsene), 13 Studien mit 3 494 Probanden (Erwachsene)] aus dem Jahr 2015 zeigen, dass Kinder mit Typ-1-Diabetes im Vergleich zu gesunden Kontrollen einen um 5.69 ng/ml (≈ 14,2 nmol/l) niedrigeren 25(OH)D-Status aufweisen [95 % CI 2,82–8,55, p< 0,0001]. Der 25(OH)D- und 1,25(OH)2D-Spiegel korrelieren invers mit der Produktion von TNFα. TNFα beeinträchtigt die HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Insulinsekretion und fördert die Insulinresistenz. 1,25(OH)2D scheint die Th2-Immunantwort zu begünstigen und somit einer Zytokin-induzierten Zerstörung von Inselzellen des Pankreas entgegen zu wirken. Eine Normalisierung des Vitamin-D-Status könnte bei Diagnose eines Typ-1-Diabetes dazu beitragen, die noch vorhandenen Betazellen vor der weiteren Zerstörung zu schützen. #205.02{sidBGlgunUC} 14.2.2 Metformin und Vitamin B12 #205.03{sideLLetdCP} Metformininduzierter Vitamin-B12-Mangel #205.04{sidHPSFoMJB} Mechanismus: Metformin verringert die intestinale Verfügbarkeit der zur Absorption von Vitamin B12 notwendigen freien Calciumionen und antagonisiert damit die calciumabhängige Rezeptor vermittelte Endozytose des IntrinsicFaktor-Vitamin-B12-Komplexes im terminalen Illeum (○Abb. 14.4). #206.01{siddGwwx4uw} Abb. 14.4 Störung der Vitamin-B12-Resorption durch Metformin und Protonenpumpenhemmer (PPI) #205.05{sid7BkrvVOa} Folgen: Abfall der Vitamin-B12-Serumspiegel (Vitamin-B12-Mangel: Vitamin B12 (Serum): < 450 ng/l; Holo-TC (Plasma): < 70 pmol/l; MMS (Serum): > 40 µg/l; MMS (Urin): ≥ 1,60 mg/g Kreatinin), Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l). Auch der Folsäurestatus kann durch Metformin verschlechtert werden. Neuropsychiatrische (z. B. Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, depressive Verstimmungen, Demenz, Risiko für Hirnatrophie) und neurologische Störungen (z. B. Neuropathien). #205.06{sidxb9g0RRj} Hinweis: Unter der Langzeittherapie mit dem Biguanid Metformin sollte regelmäßig Vitamin B12 (500–1 000 µg tgl.) zusammen mit Folsäure und Vitamin B6 supplementiert werden. Personen ≥ 60 Jahre, die häufig unter einer atrophischen Gastritis leiden, wird eine Vitamin-B12-Supplementierung von wenigstens 100 µg tgl. empfohlen. Initial sollte Vitamin B12 parenteral appliziert werden (z. B. 1 000 µg, i. m.). #205_206{sidFH0bPAbd} Der Beeinträchtigung der calciumabhängigen endozytotischen Resorption von Vitamin B12 durch Metformin kann durch die Aufnahme Vitamin-B12-reicher Lebensmittel oder Supplemente zusammen mit Calcium-Supplementen oder calciumreichen Lebensmitteln (z. B. Milchprodukte) entgegengewirkt werden. Da Diabetiker stoffwechsel- und krankheitsbedingt häufig einen suboptimalen B-Vitamin-Status aufweisen (vor allem Vitamin B1, B12, B6, Folsäure) ist allgemein eine Supplementierung eines Multivitamin-Mineralstoff-Präparats mit Antioxidanzien und B-Vitaminen sinnvoll, um Mangelzuständen vorzubeugen, die Glucosehomöostase zu optimieren und das Risiko für diabetische Folgekomplikationen zu verringern (siehe auch S. 83ff.). #206.02{sidTuuuJXfF} 14.2.3 Metformin und Magnesium #206.03{sidgXCqifG5} Metforminassoziierte Störungen im Magnesiumhaushalt #206.04{sidI5mnizr0} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Mechanismus: Langzeitmedikation mit Metformin ist mit erniedrigten Magnesiumspiegeln im Blutserum und erhöhter renaler Exkretion von Magnesium assoziiert. #206.05{siditpNUE5j} Folgen: Abfall der Magnesium-Serumspiegel (Referenz für Diabetiker: ≤ 0,85 mmol/l), Störungen der Stoffwechsellage (z. B. Insulinresistenz ↑, Einstellbarkeit ↓), Risiko für Angiopathien. #206_207{sidG5YEkta5} Hinweis: Bei Diabetikern ist der Magnesiumstatus häufig defizitär, da sie einerseits weniger von dem Mineralstoff mit der Nahrung aufnehmen und andererseits der Bedarf deutlich erhöht ist, da Polyurie und Azidose Magnesium aus dem Körper ausschwemmen. Untersuchungen zeigen zudem, dass häufig verwendete orale Antidiabetika neben Diuretika den Magnesiumstatus negativ beeinflussen. Die Kombination von Sulfonylharnstoff und Metformin führte besonders häufig zu niedrigen Serumwerten. Bei verminderten Magnesiumspiegeln im Serum steigt die Konzentration des C-reaktiven Proteins (CRP) an, insbesondere bei Patienten mit schlechter Stoffwechseleinstellung. Erhöhte CRP-Werte gelten als wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung von Gefäßkomplikationen wie Thrombosen und Herzinfarkten. Unter Metformin sollte der Magnesium-Status kontrolliert und Magnesium (z. B. 4–6 mg Magnesium pro kg Körpergewicht täglich) regelmäßig supplementiert werden. Aufgrund ihrer Stoffwechsellage haben Diabetiker generell einen erhöhten Magnesium-Bedarf. #207.01{sidFCKCjnHY} 14.2.4 Glitazone und Knochenfrakturen #207.02{sidSsXPZRTj} Glitazoninduzierte Störungen im Knochenstoffwechsel #207.03{sidvfFbAZSN} Mechanismus: Thiazolidindione wie Rosiglitazon sind selektive Peroxisomale Proliferator-Activated-Receptor Agonisten (PPAR-gamma). Eine Therapie mit diesen auch als Insulin-Sentisizer bezeichneten oralen Antidiabetika ist erheblicher Risikofaktor für Knochenfrakturen; weitere häufige Nebenwirkungen wie Myalgien, Dyslipoproteinämie, kardiale Ischämie, Kardiomyopathie und Leberfunktionsstörungen sind eng mit der mitochondrialen Toxizität dieser Arzneimittelgruppe assoziiert (siehe auch S. 83ff.). #207.04{sidk9XqApzN} Folgen: Stark erhöhtes Risiko für Knochenfrakturen, insbesondere bei Frauen; Risiko für Störungen des mitochondrialen Energiestoffwechsels. #207.05{sidHIyJI5Lj} Hinweis: Unter der Therapie mit Glitazonen sollte grundsätzlich der Vitamin-D-Status (Referenz im Serum: 25(OH)D: 30–60 ng/ml) kontrolliert und gezielt kompensiert werden. Generell sollte auch auf eine adäquate Versorgung mit knochenwirksamen Mikronährstoffen wie Calcium, Vitamin D, Magnesium, Vitamin K und Zink geachtet werden. Studien geben Hinweise darauf, dass ein Vitamin-D-Mangel als pathogenetischer Faktor für Diabetes mellitus Typ 2 und das metabolische Syndrom gezählt werden muss, da ein Vitamin-D-Mangel die Insulinresistenz erhöht und die Insulinsekretion der Betazellen im Pankreas verringert. Zwischen dem Vitamin-DStatus und der Diabetes-Prävalenz, der Glucosekonzentration im Blut und der Insulinresistenz besteht eine inverse Relation. Eine Supplementierung von Vitamin D kann bei Typ-2-Diabetikern die Glucosetoleranz verbessern, erhöhte Triglyceride senken sowie die Insulinresistenz und den systolischen Blutdruck verringern. Insbesondere bei einer Therapie mit Glitazonen sollte aufgrund des erhöhten Osteoporoserisikos auf eine adäquate Versorgung mit Vitamin D und Calcium geachtet werden (siehe auch S. 193ff.). #207.06{sidKhgYfubw} Studien: Eine Therapie mit Glitazonen ist ein starker Risikofaktor für Frakturen bei Frauen (relatives unadjustiertes Frakturrisiko: 2,2). Für Männer wurde in den bisherigen Studien kein erhöhtes Frakturrisiko nachgewiesen. Die Interaktionen mit anderen Frakturrisiken sind unzureichend bekannt. Eine Reversibilität des erhöhten Frakturrisikos nach Beendigung der Glitazontherapie oder nach Einleitung einer Substitution ist anzunehmen, aber nicht explizit gezeigt. In einer randomisierten Langzeitstudie (vier bis sechs Jahre) an Patienten mit kürzlich diagnostiziertem Typ2-Diabetes wurde eine erhöhte Inzidenz an Knochenfrakturen nach dem ersten Jahr der Therapie bei Patientinnen, die Rosiglitazon einnahmen, festgestellt (9,3 %, 2,7 Patienten pro 100 Patientenjahre), verglichen mit Metformin (5,1 %, 1,5 Patienten pro 100 Patientenjahre) oder Glyburid/Glibenclamid (3,5 %, 1,3 Patienten pro 100 Patientenjahre). Das erhöhte Risiko blieb auch während des weiteren Studienverlaufs bestehen. Die Mehrzahl der Frakturen bei Frauen, welche Rosiglitazon einnahmen, betraf die Arme, Hände und Füße. #207.07{sidE7LDjyQZ} 14.2.5 Orale Antidiabetika und Chrom #207.08{sid59pfsdmr} Chrom (III) kann die blutzuckersenkende Wirkung von oralen Antidiabetika steigern #207.09{sidLiczczAh} Mechanismus: Chrom kann über das chromabhängige Oligopeptid Chromodulin die zelluläre Insulinwirkung steigern. #207_208{sid9sPkMC5B} Folgen: In Einzelfällen: Abfall der Blutzuckerspiegel aufgrund der verbesserten Glucoseverwertung (additive blutzuckersenkende Wirkung). #208.01{sidb4YA2L4S} Hinweis: Die Einnahme von Chrom(III)-Supplementen kann die blutzuckersenkende Wirkung von Insulin oder oralen Antidiabetika verstärken. Der Blutzucker sollte zur Vermeidung von Unterzuckerungserscheinungen engmaschig kontrolliert werden. #208.02{sidgovJoKch} Das Spurenelement Chrom hat bei diabetischer Stoffwechsellage eine besondere Bedeutung, da es direkt an der Übermittlung der zellulären Insulinwirkung beteiligt ist. Insulin übt seine Wirkungen durch Wechselwirkung mit seinem membranständigen Insulinrezeptor aus, der in die Familie der Tyrosinkinase-Rezeptoren gehört. Dieser Effekt wird auf molekularer Ebene durch das chrombindende Oligopeptid Chromodulin, das auch als low molecular weight chromium binding substance (LMWCr) bezeichnet wird, vermittelt. Dabei bildet Chrom zusammen mit apoChromodulin die biologisch aktive Form holo-Chromodulin, das an der zytosolischen Seite an den Insulinrezeptor bindet und hierüber die tyrosinkinasevermittelte Transduktion des Insulinsignals ins Zellinnere ermöglicht (○Abb. 14.5). Bei Diabetikern wurden erniedrigte Chromgehalte im Blut und eine erhöhte renale Chromexkretion beobachtet. In Studien an Typ-2-Diabetikern konnte Chrom (200–1 000 µg/d, p. o.) die Glucosetoleranz, den Nüchternblutzucker und die HbA1cWerte verbessern. Bei Patienten mit „Steroid-Diabetes“ verbesserte Chrom die HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Nüchternblutzuckerspiegel und verringerte den Bedarf oralen Antidiabetika. #208.03{sidQ2jjoTHv} Abb. 14.5 Aktivierung der Insulinrezeptor-Aktivität durch Chromodulin. Nach Vincent 2000 #209.01{sidii4cYoDG} 14.2.6 Orale Antidiabetika und α-Liponsäure #209.02{sidSMxzNO98} Verstärkung der blutzuckersenkenden Wirkung möglich #209.03{sidw1RBeor5} Mechanismus: α-Liponsäure stimuliert als Coenzym der Pyruvat-Dehydrogenase (PDH) und α-KetoglutaratDehydrogenase (KDGH) die Glucoseutilisation. #209.04{sidb9NDohwf} Folgen: In Einzelfällen (insbesondere bei α-Liponsäure-Infusionen) Abfall der Blutzuckerspiegel aufgrund der verbesserten Glucoseverwertung (additive blutzuckersenkende Wirkung). #209.05{sidLARKNzbY} Hinweis: Die Einnahme von α-Liponsäure (z. B. 2 × 600 mg/d, p. o. bei diabetischer Polyneuropathie) hat bei Diabetikern einen günstigen Einfluss auf die oxidative Stoffwechsellage und kann möglicherweise die blutzuckersenkende Wirkung von Insulin oder oralen Antidiabetika verstärken. Der Blutzucker sollte daher insbesondere im Anfangsstadium zur Vermeidung von Hypoglykämien engmaschig kontrolliert werden. #209.06{sidMXww52Hm} 14.2.7 Sulfonylharnstoffe und Coenzym Q10 #209.07{sidaLgrVEBV} Sulfonylharnstoffe können Coenzym-Q10-Status stören #209.08{sideA1PYuxV} Mechanismus: Sulfonylharnstoffe (z. B. Glibenclamid) können die Aktivität Coenzym-Q10-abhängiger mitochondrialer Enzymkomplexe der Atmungskette (z. B. Succinat: Coenzym-Q10-Oxidoreduktase) hemmen. #209.09{sidFTzxWugi} Folgen: Risiko für Störungen des mitochondrialen Energiestoffwechsels (z. B. Herzmuskel, Pankreas) und der antioxidativen Kapazität der Insulin produzierenden B-Zellen; Hypothese: möglicherweise Beeinträchtigung der Insulinsekretion und erhöhte kardiale Nebenwirkungsrate bei wiederholtem Sauerstoffmangel des Myokards (→ ischämische Präkonditionierung). #209.10{sidKAcbUGRd} Hinweis: Oxidativer Stress ist am Untergang der Insulin sezernierenden B-Zellen und den hyperglykämiebedingten Spätfolgen beim Typ-1- und Typ-2-Diabetiker maßgeblich beteiligt. Daraus ergibt sich für den Diabetiker ein Mehrbedarf an antioxidativ wirksamen Mikronährstoffen wie Coenzym Q10 und Vitamin C. Generell ist aufgrund der mitochondrialen Toxizität und der damit verbundenen Nebenwirkungen verschiedener Arzneimittel wie Metformin, Glitazonen, Sulfonylharnstoffen oder Statinen auf eine adäquate Versorgung des Diabetikers mit mitotropen Mikronährstoffen zu achten. #209.11{sidE0h0F80l} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Sulfonylharnstoffe können nicht nur die K+-Kanäle der B-Zellen des Pankreas blockieren, sondern auch die anderer Zellen, so z. B. diejenigen des Myokards. Dadurch wird ein wichtiger Schutzmechanismus des Herzmuskels, die sogenannte ischämische Präkonditionierung, beeinträchtigt. Die ischämische Präkonditionierung schützt das Herz bei einer Ischämieperiode (z. B. Angina-pectoris-Anfall) vor einem späteren Infarkt. ATP-abhängige K+-Kanäle sind wesentlich an diesem kardialen Schutzmechanismus beteiligt. Eine aktuelle Studie an Typ-2-Diabetikern, in der die Sulfonylharnstofftherapie mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert war, diskutiert als eine wesentliche Ursache für die erhöhte Mortalität die durch Sulfonylharnstoffe induzierte Blockade der ischämischen Präkonditionierung. #209.12{sidNKfqbsfx} Hypothese: Coenzym Q10 kann Störungen der oxidativen Phosphorylierung und einer intrazellulären ATP-Depletion (→ Modulierung ATP-sensitiver K+-Kanäle) vorbeugen und die kardiale Bioenergetik verbessern. Möglicherweise hat eine gute Coenzym-Q10-Versorgung auch einen günstigen Einfluss auf die ischämische Präkonditionierung und verringert bei Typ-2-Diabetikern das erhöhte kadiovaskuläre Risiko unter einer Sulfonylharnstofftherapie. #210.01{sidxUr5dYHo} Patientin mit diabetischer Polyneuropathie #210.02{sidHcgG6xxg} Fallbeispiel #210.03{sidtnkmwRPW} Johanna S. ist eine 61 Jahre alte Typ-2-Diabetikerin (HbA1C: 7,4; BMI 24,6), die seit zwei Jahren aufgrund des Typ-2-Diabetes und assoziierter Komorbiditäten u. a. mit den folgenden Medikamenten behandelt wird: Metformin, Pantoprazol, Atorvastatin, Amlodipin, Valsartan/HCT 160/25 mg und Allopurinol. Seit etwa vier Wochen klagt die Patientin zunehmend über körperliche Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmungen, Empfindungsstörungen in den Fingern, Taubheitsgefühle in den Füßen, rechts stärker als links, teilweise auch Schmerzen. #210.04{sidiAPBCFs0} Die Beschwerden der Patientin weisen auf eine diabetische Polyneuropathie hin, die stoffwechselbedingt, aber auch medikationsbedingt sein kann. Die jahrelange Medikation mit Metformin und Pantoprazol ist mit einer starken Beeinträchtigung der Vitamin B12-Resorption assoziiert. Die Einnahme von 25 mg Hydrochlorothiazid führt zu renalen Verlusten wasserlöslicher Mikronährstoffe, vor allem von Magnesium, Kalium und Vitamin B1. Statine führen zu einem dosisabhängigen Abfall des Coenzym-Q10-Status, was zu Antriebsschwäche und körperlicher Abgeschlagenheit führen kann. Eine unzureichende Versorgung mit Vitamin B12, Folsäure, Vitamin B1 und Magnesium begünstigt das Auftreten von Polyneuropathien und depressiven Episoden bei Diabetikern. #210.05{sidUc1YZf6K} Die labormedizinische Kontrolle ergibt neben einem Mangel an Vitamin D, Magnesium und Coenzym Q10, einen erhöhten Homocysteinplasmaspiegel 17,4 µmol/l (Referenz: 5–9 µmol/l) sowie erniedrigte HoloTranscobalaminwerte 36 pmol/l (→ Referenz: > 70 pmol/l; früher Marker für Mangel an metabolisch verfügbarem Vitamin B12). #210.06{sidycIl0MnJ} Parenterale Therapie #210.07{sidfn4H7g5Z} Tab. 14.2 Mischinfusion bei Diabetes mellitus, zweimal pro Woche, zwei Wochen lang #210.08{sidc1oLp1JS} Konzentration Infusionslösung 7,5 g 250 ml 0,9 % NaCl 100 mg + 50 mg 2 der Lösung 1 zuspritzen 1 000 µg 3 der Lösung 1–2 zuspritzen 403,7 mg Mg = 16,6 mmol 4 der Lösung 1–3 zuspritzen 20 mg Zink 5 der Lösung 1–4 zuspritzen Vitamin C, B1, B6, In 250 ml 0,9 % NaCl, Infusionsgeschwindigkeit: ~0,5 g Vitamin C pro Minute Mikronährstoff #210.09{sidpe728URq} Vitamin C (1) #210.10{sidiVOAw0Qu} Vitamin B1 und B6 (2) #210.11{sidyttpA8zp} Vitamin B12 (3) #210.12{sidYNQrbOol} Magnesium (4) #210.13{sidDoPc2Z8a} Zink (5) #210.14{sidWC523eb4} Infusionslösung B12, Mg und Zn #210.15{sid2XMZCIOM} Tab. 14.3 Infusion mit Alpha-Liponsäure, zweimal pro Woche, zwei Wochen lang #210.16{sidaDmj8LBi} Konzentration Infusionslösung 600 mg 100 ml 0,9 % NaCl Mikronährstoff #210.17{sidfYxzFVSo} Alpha-Liponsäure HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #211.01{sidwqotxRoH} Tab. 14.4 Intramuskuläres Depot mit Vitamin B12 und Folsäure #211.02{sidn7w9nFak} Konzentration Häufigkeit 1 000 µg Hydroxocobalamin Einmal pro Woche, zwei Wochen lang 15 mg Folsäure + 100 µg Cyanocobalamin Einmal Mikronährstoff #211.03{sidk5peZYee} Vitamin B12 #211.04{sidVaVqszNa} Folsäure #211.05{sid5mOOtIjb} Orale Supplementierung #211.06{sidh3tIE0KV} Zusätzlich supplementiert die Patientin täglich 100 mg Coenzym Q10 als Ubiquinol und 400 mg Magnesium sowie das analgetisch und neuroprotektiv wirkende Benfotiamin nach folgendem Dosierungsschema: #211.07{sid1GKcXX0l} zwei Wochen lang 2 × 300 mg Benfotamin pro Tag, #211.08{sido4V9r9rb} danach vier Wochen lang 300 mg Benfotamin pro Tag. #211.09{sidKpL8R0u4} Vitamin-D-Dosierungsschema: #211.10{sidsRKHFbs9} 200 000 I. E. Vitamin D, p. o. (einmalige Dosis), 20 000 I. E. Vitamin D pro Tag, p. o., 20 000 I. E. Vitamin D jeden 2. Tag, p. o., 4 000 I. E. Vitamin D pro Tag, p. o. Initial: #211.11{sidSPpmPFns} Woche: #211.12{sidpHLl7l5Q} 2. Woche: #211.13{sidDpTGfnju} 3.–5. Woche: #211.14{sidGuIde4Yb} Ergebnis: Die Patientin berichtet bereits nach 14 Tagen über einen deutlichen Rückgang der Nervenstörungen. Nach subjektiver Einschätzung fühlt sie sich vor allem in Bezug auf den Antrieb und die mentale Verfassung besser. Auch die Kontrolle der Laborwerte zeigt nach fünf Wochen eine Verbesserung ihres Mikronährstoff-Status: Homocystein im Plasma: 9,8 µmol/l, Holo-Transcobalamin: 146 pmol/l, 25(OH)D: 9,6 → 48 ng/ml. #211.15{sidxPH3VoB5} Anmerkung: Neben Antioxidanzien sollten Diabetiker insbesondere auf eine gute Versorgung mit Magnesium, BVitaminen, Vitamin D, Zink und Chrom achten, um krankheitsbedingten Mangelzuständen vorzubeugen, den Glucosestoffwechsel zu optimieren und diabetischen Folgekomplikationen vorzubeugen. #211.16{sidJYWIAbN9} Literatur #211.17{sidV8aPGRTh} Barragan-Rodriguez L et al. Depressive symptoms and hypomagnesemia in older diabetic subjects. Arch Med Res, 38 (7): 752–756, 2007 #211.18{sidJNZBGVMT} Barragan-Rodriguez L et al. Efficacy and safety of oral magnesium supplementation in the treatment of depression in elderly type 2 diabetes: a randomized, equivalent trial. Magnes Res, 24 (4): 218–223, 2008 #211.19{sidGTcK3VJl} Bauman WA et al. 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Bei einer Monotherapie liegt die Nebenwirkungshäufigkeit bei etwa 20 %, bei ZweifachKombinationen bei 30 % und bei Dreifach-Kombinationen bei 40 %. Bei Kindern liegt die Häufigkeit von Nebenwirkungen bei 75 %. #215.03{sid8qULPQ5W} 15.1 Beeinflussung des Vitamin-D-Haushalts durch Antiepileptika #215.04{sidRBxD0vRw} Seit der Entdeckung seiner antirachitischen Wirkung in den 1920er Jahren hat man das Sonnenvitamin lange Zeit nur im Hinblick auf seine Funktion im Calcium- und Knochen-stoffwechsel betrachtet. Eine Vielzahl von Forschungsergebnissen der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass Vitamin D in seiner hormonaktiven Form 1,25(OH)2-Vitamin D (1,25(OH)2D, Calcitriol) nicht nur ein Regulator der Calcium- und Phosphathomöostase ist, sondern zahlreiche extraskelettäre Wirkungen aufweist. Darunter sind von besonderer Bedeutung der Einfluss des VitaminD-Hormons auf das Herz-Kreislauf-System, das endokrine System, das Immunsystem sowie auf die Zelldifferenzierung und das Zellwachstum. #215.05{sid40IU19iH} 1,25(OH)2D entfaltet seine vielfältigen biologischen Wirkungen (endokrin, autokrin, parakrin) über die Bindung an Vitamin-D-Rezeptoren (VDR), die in den meisten Körperzellen vorkommen (○Abb. 15.1). So wurden Vitamin-DRezeptoren in über 35 Zielgeweben gefunden, die nichts mit dem Knochenstoffwechsel zu tun haben. Dazu gehören Endothelzellen, Inselzellen des Pankreas, hämatopoetische Zellen, Herz- und Skelettmuskelzellen, Monozyten, Neuronen, Zellen der Plazenta und T-Lymphozyten. 1,25-(OH)2-Vitamin-D reguliert direkt oder indirekt mehr als 2 000 der 20 488 Gene des Menschen. Da der Vitamin-D-Rezeptor von zahlreichen Geweben exprimiert wird, resultiert daraus auch die ausgeprägte pleiotrope Wirkung des Vitamin-D-Hormons. #215.06{sidVMOO5mZ6} 15.1.1 Funktionen von Vitamin D #215.07{sidggp7sODb} Physiologische und biochemische Funktionen von Vitamin D #215_218{sid2C5EPVp6} Vitamin D (Calciferol) ist der Oberbegriff für verschiedene Steroidderivate: Ergocalciferol (Vitamin D2) und Cholecalciferol (Vitamin D3). Im engeren Sinne ist Vitamin D kein Vitamin, da es im Körper selbst gebildet werden kann. Vitamin D3 (Cholecalciferol) wird im Körper in verschiedenen Schritten in das biologisch aktive Secosteroidhormon 1α,25-(OH)2-Vitamin-D (Calcitriol) umgewandelt (○Abb. 15.1, 15.2). Vitamin D – das Sonnenvitamin – wird mithilfe des Sonnenlichts (UV-B: 290–315 nm) in der Haut aus der Vorstufe 7Dehydrocholesterin (7-DHC) über die Zwischenstufe Provitamin D gebildet. Provitamin D wird durch Körperwärme in Vitamin D3 (Cholecalciferol) umgewandelt. Bei exzessiver Sonnenlicht-Exposition werden Provitamin D und Vitamin D in inaktive Photoprodukte (z. B. Lumisterol) abgebaut, sodass eine übermäßige Bildung des Sonnenvitamins in der Haut verhindert wird. Der erste Hydroxylierungsschritt erfolgt durch die mitochondriale und mikrosomale 25-Hydroxylase (CYP27A, CYP2R1) in der Leber. Dabei wird Vitamin D in 25-OH-Vitamin D (Calcidiol) umgewandelt. 25-OH-Vitamin-D ist der überwiegend im Blut zirkulierende Vitamin-D-Metabolit und das Barometer zur labormedizinischen Beurteilung des Vitamin-D-Status (ng/ml oder nmol/l). In der Niere wird 25-OHVitamin-D in der Position 1α durch das Enzym renale 1α-Hydroxylase (CYP27B1) magnesiumabhängig in die hormonell aktive Wirkform 1α,25-(OH)2-Vitamin-D (Calcitriol) hydroxyliert (→ endokrine Wirkung). Neben den Nieren besitzen die meisten anderen Zell- und Organsysteme eine lokale 1-alpha-Hydroxylase (1-OHase). Diese Zellen können in Abhängigkeit von der 25(OH)D-Verfügbarkeit und dem Bedarf das biologisch aktive Vitamin-D-Hormon mithilfe ihrer lokalen 1-OHase selber bilden (→ autokrine und parakrine Wirkung). 1,25(OH)2D gehört, wie auch die Sexualhormone (z. B. Estradiol) oder die Corticosteroide (z. B. Cortison) zu den Steroidhormonen. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #216{sidjJUV1dTC} Abb. 15.1 Synthese und Metabolismus von Vitamin D #218.01{sidkKFfcB7B} Tab. 15.1 Physiologische und biochemische Eigenschaften von Vitamin D beziehungsweise Vitamin-D-Hormon (Calcitriol) im Überblick (Forts.) #218.02{sidNIIOntqp} Indikationen Physiologische und biochemische Eigenschaften #217.01{sidI5pJOaJu} Tab. 15.1 Physiologische und biochemische Eigenschaften von Vitamin D beziehungsweise Vitamin-D-Hormon (Calcitriol) im Überblick #217.02{sidhWFqyBPH} Physiologische und biochemische Eigenschaften Indikationen #217.03{sidWwEOMyzU} Haut #217.04{sidQjpc6A9c} Differenzierung und Reifung der Keratinozyten, antiproliferative und immunregulative Wirkung auf Th 1- und Th 2-Zellen Potenziell: Psoriasis, Neurodermitis, Lupus erythematodes #217.05{sid8LLM4yoB} Herz-Kreislauf-System #217.06{sidBDdNOLqE} Kardiozyten exprimieren Vitamin-D-Rezeptoren. Die Aktivität der Adenylatcyclase in den Kardiozyten ist abhängig von Calcitriol. Eine verminderte Aktivität ist infolge einer intrazellulären Akkumulation von Calciumionen mit einem Blutdruckanstieg und einer erhöhten Gefäßreaktvität assoziiert. Hemmung der Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems. Potenziell: Herzinsuffizienz, Hypertonie, Triglyceridämie, Schlaganfallprävention, Prävention des plötzlichen Herztods, Therapie mit Statinen #218.01{sidkKFfcB7B} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 15.1 Physiologische und biochemische Eigenschaften von Vitamin D beziehungsweise Vitamin-D-Hormon (Calcitriol) im Überblick (Forts.) #218.02{sidNIIOntqp} Indikationen Physiologische und biochemische Eigenschaften Inverse Korrelation des Blutdrucks mit dem Vitamin-D-Status, Reduktion des systolischen Blutdrucks. Wirkt einer linksventrikulären Hypertrophie des Herzens entgegen. Triglycerid- und Parathormonsenkende Wirkung #217.07{sidjV1eHOdn} Immunsystem #217.08{sidpzvgiVmZ} Immunmodulation: antiinflammatorische und immunstabilisierende Wirkungen: Vitamin-D-Rezeptoren werden von Monozyten und Leukozyten mit der höchsten Phagozytoserate exprimiert, Verstärkung der Differenzierung von Monozyten zu Makrophagen, Erhöhung der Phagozytoseaktivität und -rate, Verstärkung der Aktivtität lysosomaler Enzyme in Makrophagen, Regulation der Th 1-/Th 2-Zellen: Unterdrückung der Produktion proinflammatorischer Zytokine (z. B. TNF-α) und Steigerung der Produktion antiinflammatorischer Zytokine (z. B. TGF-β1, IL-10), Vitamin-D-Hormon stimuliert die genetische Expression von antimikrobiellen Peptiden (z. B. Cathelicidin) in humanen Monozyten, Verminderung der Infektanfälligkeit (z. B. Atemwegsinfekte), Senkung des Risikos für Kolon-, Mamma- und Prostatakarzinom Potenziell: Allergien, Asthma bronchiale, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, HIV-Infektion, multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis, Psoriasis, Tuberkulose #217.09{sid1zeci2Zg} Knochenstoffwechsel #217.10{sidmTzaErOq} Regulation der Calcium- und Phosphathomöostase: Steigerung der Calciumresorption in Duodenum und Jenum, Verringerung der Calciumausscheidung über die Niere, Aktivierung von Osteoklasten, Suppression der Nebenschilddrüsenfunktion (→PTH), Steigerung des Einbaus von Calcium in den Knochen, Stimulierung der Transkription von Osteocalcin, Osteopontin Rachitis, Osteomalazie, Osteoporose #218.03{sidSUhjN4dH} Muskel- und Nervenzellen #218.04{sidywaH3pyz} Regulation der neuromuskulären Funktion, Zunahme von Muskelmasse und Muskelkraft, Verbesserung der muskulären Koordination (Sturzprophylaxe) Muskelschwäche, multiple Sklerose, Myopathien, Osteoporose, Demenz #218.05{sidkRUR31zx} Pankreasfunktion #218.06{sidDG4PqKQA} Regulation der Insulinsekretion der Beta-Zellen des Pankreas, Schutz humaner Pankreasinselzellen vor zytokininduzierter Apoptose (Herunterregulierung des Fas-Rezeptors), Verhinderung der Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 1 im Maus-Modell, Senkung des Risikos für Diabetes mellitus Typ1 durch VitaminD-Supplemente in der frühen Kindheit Potenziell: Insulinresistenz, metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus Typ 2 #218.07{sid7hbZsqwg} Tumorzellen #218.08{sidp5Qo2m2k} Vitamin-D-Rezeptoren finden sich auch in Brustdrüse, Darm und Prostata (die meisten Krebszellen exprimieren PTHRezeptoren), Hemmung der Tumorzellproliferation, chemopräventive Wirkung, Induktion der Differenzierung und Apoptose von malignen Zellen, Downregulation der Telomerase, Metastasierung ↓ Tumorzell-Invasivität ↓, tumorinduzierte Angiogenese ↓ Potenziell: Kolon-, Mamma- und Prostatakarzinom, Therapie mit Tamoxifen, Bisphosphonaten und/oder Aromatasehemmern #218_219{sidNeroZZv5} Der Abbau von 25-OH-Vitamin-D und 1α,25-(OH)2-Vitamin-D erfolgt über die multifunktionelle 24-Hydroxylase (CYP24A1). CYP24A1 steuert dabei die Seitenketten-Oxidation und Spaltung von 25-OH-Vitamin-D und 1α,25(OH)2-Vitamin-D zu Carbonsäure-Endprodukten (○Abb. 15.11). Eine Hypocalcämie supprimiert infolge erhöhter Parathormon-Spiegel die 24-Hydroxylase-Aktivität und lässt über die Stimulierung der 1α-Hydroxylase die CalcitriolSerumspiegel ansteigen. Eine Hypercalcämie oder eine Hypomagnesiämie können dagegen die Aktivität der 1αHydroxylase reduzieren und gleichzeitig die Aktivität des Vitamin-D-abbauenden Enzyms 24-Hydroxylase steigern (→ Hypovitaminose D). Hohe Spiegel an 1α,25-(OH)2-Vitamin-D induzieren die 24-Hydroxylase (CYP24A1) über Vitamin-D-Rezeptoren (VDR) und fördern somit den Abbau des Hormons (○Abb. 15.11). Dieser Prozess kontrolliert streng das Zirkulationsniveau des 1α,25-(OH)2-Vitamin-D (Calcitriol) und damit die Calcium- und PhosphatHomöostase im Blut. 1α,25-(OH)2-Vitamin-D wird nach Hydroxylierung über die 24-Hydroxylase überwiegend als HiQPdf Evaluation 09.05.2017 calcitroische Säure ausgeschieden. #219{sid2WdMxjZ6} Abb. 15.2 Extrarenale Synthese und extraskelettale Funktionen von Calcitriol. 25(OH)D: 25-Hydroxyvitamin D; 1-OHase: 25Hydroxyvitamin-D-1α-Hydroxylase; 1,25(OH)2 D: 1,25-Dihydroxyvitamin D, VDR: Vitamin-D-Rezeptor, RXR: RetinsäureRezeptor; TLR: Toll-like-Rezeptor; p21, p27: Inhibitoren cyclinabhängier Kinasen. Nach Holick 2007 #220.01{sidpH6iwZKx} Das Barometer der Vitamin-D-Gesundheit: 25-OH-Vitamin D #220.02{sidSnZAKUpL} Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sollte der 25(OH)D-Spiegel im Serum zwischen 30–60 ng/ml liegen, um langfristig negative Folgen auf die Gesundheit zu vermeiden. Für die humane Physiologie und Prävention von Erkrankungen gilt derzeit ein 25(OH)D-Status von 40–60 ng/ml bzw. 100–150 nmol/l als optimal. Der optimale 25(OH)D-Spiegel von 40–60 ng/ml wird durch die folgenden drei Tatsachen untermauert: #220.03{sideCCRCS3a} Nach aktuellen Forschungsergebnissen ist ein 25(OH)D-Spiegel zwischen 48–52 ng/ml notwendig, um einen Anstieg des Parathormons aus der Nebenschilddrüse möglichst gering zu halten. #220.04{sidzFzBSNCm} Untersuchungen an in Afrika lebenden Naturvölkern (z. B. Masai, Hadzabe) zeigen, dass diese ganzjährlich einen natürlichen und gesunden 25(OH)D-Status von etwa 46 ng/ml aufweisen. #220.05{sidi53wkAsA} Damit eine stillende Mutter den Vitamin-D-Bedarf ihres Säuglings mit der Muttermilch abdecken kann, muss sie einen Colecalciferol-Spiegel von über 10 ng/ml im Blut haben. Das ist in der Regel nur dann der Fall, wenn ihr 25(OH)D-Spiegel im Blut bei über 48 ng/ml liegt. #220.06{sidmPDr68IZ} Bei 25(OH)D-Spiegeln unter 20 ng/ml liegt ein ausgeprägter Vitamin-D-Mangel und bei Werten, die kleiner als 30 ng/ml bzw. 75 nmol/l liegt ein mäßiger Vitamin-D-Mangel vor, der auch als Vitamin-D-Insuffizienz bezeichnet wird. Die labordiagnistische Objektivierung des Vitamin-D-Status (25(OH)D: 40–60 ng/ml) und Kompensation potenzieller Mikronährstoffdefizite wird empfohlen. Eine Vitamin-D-Intoxikation ist erst ab Werten von 25(OH)D > 150 ng/ml zu erwarten. Zur Vermeidung eines Anstiegs des Parathormon (PTH)-Spiegels sind 25(OH)D-Werte von ≥ 40 ng/ml bzw. 100 nmol/l notwendig. Allerdings konnte in einer kürzlich publizierten Analyse von mehr als 312 962 gepaarten PTH- und 25(OH)D-Spiegeln kein Schwellenwert des 25(OH)D-abhängigen Parathormon-Status beobachtet werden, bei dem eine Steigerung des 25(OH)D-Werts den PTH-Anstieg supprimiert, sogar bei 25(OH)D-Spiegeln > 60 ng/ml. Bemerkenswert bei dieser Analyse war der hohe Anteil an Blutproben, die einen Vitamin-D-Mangel und sekundärem Hyperparathyreoidismus anzeigten. Das aktive 1,25(OH)2D sollte zur Einschätzung des Vitamin-D- Status nicht gemessen werden, da es bei einem Vitamin-D-Mangel oft aufgrund erhöhter Parathormonspiegel normal oder sogar kompensatorisch erhöht ist! HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #220.07{sidH24GhQHn} Wie sollte man Vitamin D einnehmen? #220.08{sidNlfnoKkI} Obwohl Vitamin D zu den fettlöslichen Vitaminen gehört, kann der Körper es nur begrenzt speichern. Nach den Leitlinien der US-amerikanischen Endocrine Society und dem renommierten Vitamin-D-Forscher Prof. Bruce Hollis von der Medical University in South Carolina beträgt die Halbwertszeit (HWZ) von Vitamin D nur 12–24 Stunden, die von 25(OH)D etwa 2–3 Wochen und die von 1,25(OH)2D etwa 2–3 Stunden. Wegen der kurzen Halbwertszeit werden hohe Dosierungen von 50 000–100 000 I. E. Vitamin D rasch abgebaut und sind bereits nach einer Woche nicht mehr nachweisbar. Die regelmäßige tägliche Dosierung von der Muttersubstanz Vitamin D führt dagegen zu einem gleichmäßigen Anstieg der 25(OH)D-Spiegel, die nach etwa 3–4 Monaten ein Gleichgewichtsniveau erreichen. Demgegenüber resultiert die akute oder hoch dosierte Intervalltherapie mit Vitamin D in starken Schwankungen des Vitamin-D-Status. #220_221{sidmOg3ajRb} Nach Forschungsarbeiten von Prof. Hollis kann ein Großteil des Vitamin D auch über passive Diffusion direkt und unabhängig vom Vitamin-D-bindenden Protein (VDBP) in verschiedene Zellen und Gewebe eindringen. Viele Zellsysteme, wie zum Beispiel das Gehirn, die Brust, der Dickdarm, die Zellen des Immunsystems, das Pankreas, die Ovarien oder die Haut können so direkt Vitamin D aufnehmen, welches in den jeweiligen Zielzellen dann über ihre lokale 25-OHase und 1α-OHase direkt zum 1,25(OH)2D aktiviert wird und seine autokrine Wirkung entfaltet. Der einzige Weg gleichmäßige und physiologische Konzentrationen an Vitamin D und 25(OH)D im Blut aufrechtzuerhalten ist daher die tägliche Einnahme (z. B. 40–60 I. E. Vitamin D pro kg Körpergewicht pro Tag). #221.01{sid7DD5vTEQ} Vitamin D in der Schwangerschaft und Stillzeit #221.02{sidKeGKjFYX} Ein anschauliches Beispiel ist der Vitamin-D-Gehalt in der Muttermilch. In der Muttermilch ist in der Regel der Gehalt an Vitamin D mit 12–60 I. E. pro Liter sehr gering. Aus dem mütterlichen Blut werden 25(OH)D und der 25(OH)DVDBP-Komplex in die Muttermilch nur schlecht aufgenommen. Im Gegensatz dazu wird die Muttersubstanz Vitamin D direkt und unabhängig vom Transportprotein VDBP in die Muttermilch aufgenommen. Eine stillende Frau kann folglich einen guten 25(OH)D-Status im Blut haben, aber der Vitamin-D-Gehalt in ihrer Muttermilch bleibt gering. Ein einfaches Rechenbeispiel von Prof. Hollis soll diesen Sachverhalt unterstreichen: Pro 1 000 I. E. Vitamin D, die von der stillende Mutter supplementiert (z. B. Tropfen, Kapseln) werden, steigt der Vitamin-D-Gehalt in ihrer Muttermilch um etwa 80 I. E. pro Liter an. Dementsprechend muss eine stillende Mutter täglich etwa 6 000 I. E. Vitamin D einnehmen, damit ihr Säugling am Tag zwischen 400 bis 500 I. E. Vitamin D über einen Liter Muttermilch beim Stillen auf natürliche Art und Weise und noch dazu komplett nebenwirkungsfrei und sicher erhält. #221.03{sidTbTKJq7W} Deutschland: D-Mangelland #221.04{sidqIzwjJxW} Nördlich des 35. Breitengrads steht im Zeitraum von Oktober bis März die Sonne nicht hoch genug am Himmel, um unsere Haut mit den notwendigen UV-B-Strahlen von 290–315 nm zu versorgen. Der zu flache Einfallswinkel der Sonne ist für die zu geringe Intensität der Sonnenstrahlen verantwortlich. Deutschland befindet sich zwischen dem 47–55. Breitengrad, also in der Nordhalbkugel der Erde, auf der Höhe von Kanada. Das erklärt auch, warum so viele Menschen gerade in den Wintermonaten von einem Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml bzw. 50 nmol/l) betroffen sind. Auch der UV-Index kann zur Einschätzung der sonnenabhängigen Vitamin-D-Bildung in der Haut herangezogen werden. Bei einem UV-Index kleiner 3 ist keine Vitamin-D-Synthese über die Haut möglich. Die Vitamin-D-Zufuhr über die Ernährung spielt nur eine untergeordnete Rolle für die Vitamin-D-Versorgung. Anhand der Ergebnisse von aktuellen Studien sind weltweit etwa 1 Milliarde Menschen von einem Vitamin-D-Mangel (25(OH)D: < 20 ng/ml) oder einer Vitamin-D-Insuffizienz (25(OH)D: 21–29 ng/ml) betroffen. #221.05{sidCGx9pW4Z} Gesundheitsrisiko: Vitamin-D-Mangel #221_222{sidIrVMGCjR} Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) und -Insuffizienz (25(OH)D 20–29 ng/ml) sind weltweit ein großes Gesundheitsproblem und mit dem Risiko für viele chronischen Erkrankungen assoziiert. Dazu gehören Erkrankungen des Skeletts wie Rachitis, Osteomalazie und Osteoporose sowie Erkrankungen ohne Beteiligung des Skeletts, einschließlich Autoimmunerkrankungen (z. B. multiple Sklerose, Typ-1-Diabetes), entzündliche Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn), Infektionen (z. B. Infektionen der oberen Atemwege), Immunschwäche, kardiovaskuläre Erkrankungen (z. B. koronare Herzerkrankung, Hypertonie, Herzinsuffizienz, plötzlicher Herztod), Krebserkrankungen (z. B. Darmkrebs, Brustkrebs, Non-Hodgkin-Lymphom) und neurokognitive Erkrankungen (z. B. Morbus Alzheimer). Laut Metaanalysen sind sowohl niedrige wie auch hohe 25(OH)D-Spiegel mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert. UV-Strahlung kann unabhängig von der Vitamin-D-Produktion viele Vorgänge im menschlichen Körper beeinflussen. UV-Licht-Exposition durch Sonnenlicht kann für die Vorteile erhöhter 25(OH)DSerumspiegel verantwortlich sein, sodass die 25(OH)D-Konzentration als Maß für die Sonnenlicht-Exposition gelten kann. Allerdings kann nur sehr schwer oder möglicherweise gar nicht bestimmt werden, welche Vorgänge durch UVLicht allein und welche durch Vitamin D vermittelt sind. Somit wird umfassend diskutiert, ob überhaupt ein Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Status und Gesamtmortalität besteht. #222.01{sidl4cREQgv} Die Häufigkeit des Vitamin-D-Mangels in der europäischen Bevölkerung und das damit verbundene gesundheitliche Gefährdungspotenzial wird durch die Daten der gerade publizierten ODIN-Studie (www.odin-vitd.eu) untermauert. In dieser Studie wurde der 25(OH)D-Status von 55 844 Europäern ausgewertet. Die Ergebnisse dieser Studie sind alarmierend und stellen die Handlungskompetenz und das Verantwortungsbewusstsein der nationalen sowie der europäischen Gesundheitspolitik in Bezug auf die gesundheitliche Bedeutung des Sonnenvitamins in Frage: #222.02{sidks8MuPO5} 13 % der Untersuchten hatten einen 25(OH)D-Status < 30 nmol/l bzw. < 12 ng/ml, #222.03{sidlMalRvDH} 40,4 % der Untersuchten hatten einen 25(OH)D-Status < 50 nmol/l bzw. < 20 ng/ml, #222.04{sidXOBHVoYF} 80 % der Untersuchten hatten einen 25(OH)D-Status < 75 nmol/l bzw. < 30 ng/ml. #222.05{sidEK73roNx} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 In den Monaten Oktober bis März war ein Vitamin-D-Mangel deutlich häufiger nachweisbar als im Zeitraum April bis November. Bei ethnischen Gruppen mit dunkler Hautfarbe trat ein 25(OH)D-Status < 30 nmol/l sogar bis zu 71-mal häufiger auf. Legt man als gesunden Normalwert einen 25(OH) D-Status von 40–60 ng/ml fest, so wird nach den Ergebnissen der ODIN-Studie die Volksgesundheit von Millionen Europäern und Deutschen durch einen Mangel an Vitamin D gefährdet. #222.06{sidXFnO0YNy} Im Dezember 2013 berichteten Zheng et al. über eine Metaanalyse von 42 randomisierten, kontrollierten Studien, in denen die Kurzzeit- und Langzeit-Vitamin-D-Supplementierung hinsichtlich Gesamtmortalität untersucht wurde. Wie die Studie zeigt, führte eine Kurzzeit-Vitamin-D-Therapie (weniger als drei Jahre) in 29 Studien zu keiner Reduktion der Gesamtmortalität. Allerdings ergab die Subanalyse von 13 randomisierten und placebokontrollierten Studien mit Verlauf über drei oder mehr Jahre, dass die Vitamin-D-Supplementierung die Gesamtmortalität signifikant um 6 % verringerte (RR 0,94; 95 % KI = 0,90–0,98; p = 0,001). Die Auswertung der Studien zeigte, dass eine LangzeitVitamin-D-Supplementierung (z. B. 800 I. E./Tag) die Gesamtmortalität effizient senkt, sofern Vitamin D mindestens drei Jahre eingenommen wird. #222.07{sidNDEAoaLV} Neben dem Einfluss der Dauer der Vitamin-D-Supplementierung auf die Reduktion des Mortalitätsrisikos zeigten Chowdhury et al., dass die Vitamin-D-Dosis, die Veränderung des 25(OH)D-Serumspiegels und die Darreichungsform des eingenommenen D-Vitamins auch einen wesentlichen Einfluss auf das Risiko für Versterben aufgrund verschiedener Todesursachen haben. Der systematische Überblick mit Metaanalyse enthielt 73 Beobachtungskohorten und 22 randomisierte, kontrollierte Studien mit 849 412 bzw. 30 716 Teilnehmern. Für die Beobachtungskohorten zeigte sich beim Vergleich von Patienten mit 25(OH)D-Serumlevel im unteren versus oberen Drittel des Ausgangswerts [25(OH)D ≥ 30 versus < 10 ng/ml] ein gepooltes relatives Risiko von 1,14 für Tod aufgrund von Krebserkrankung, 1,3 für anderen nicht vaskulär bedingten und nicht Krebs-Tod, 1,35 für Tod aufgrund von kardiovaskulärer Erkrankung und 1,35 für die Gesamtmortalität. Zusätzliche Analysen mit verschiedenen Cut-offWerten für 25(OH)D-Serumspiegel ergaben eine signifikante inverse Assoziation mit der Gesamtmortalität (p < 0,05). Jedes Absinken des 25(OH)D-Spiegels um 10 ng/ml war mit einem 16 %igen Risikoanstieg für Gesamtmortalität assoziiert. In den randomisierten, kontrollierten Studien mit Vitamin D2 (Dosisbereich 208–4 500 I. E./Tag) oder Vitamin D3 (Dosisbereich 10–6 000 I. E./Tag) alleine versus Placebo oder keine Behandlung wurde die Mortalität durch Vitamin D3 signifikant um 11 % verringert, wohingegen Vitamin D2 die Mortalität um 4 % steigerte. Das erhöhte Mortalitätsrisiko unter Vitamin D2 zeigte sich in Studien mit niedrigeren Interventionsdosen (≤ 600 I. E./Tag) und kürzeren durchschnittlichen Interventionsperioden (< 1,5 Jahre). #222_223{sidTrLz63WC} Der Zusammenhang zwischen 25-Hydroxy-Vitamin-D [25(OH)D]-Serumspiegel und Gesamtmortalität wurde in einer Metaanalyse von Garland et al. erneut untersucht und im Juni 2014 publiziert. Die Metaanalyse schloss insgesamt 32 Studien zwischen Januar 1966 und Januar 2013 mit mehr als 500 000 Teilnehmern ein (Alter etwa 55 Jahre). 25 der 32 Studien zeigten einen signifikanten Zusammenhang zwischen erhöhtem 25(OH)D-Serumspiegel und verringerter Gesamtmortalität (○ Abb. 15.3). Die Ergebnisse der Metaanalyse bestätigen den inversen Zusammenhang zwischen 25(OH)D-Spiegel und altersadaptierter Gesamtmortalitätsrate. Personen mit Vitamin-D-Mangel (25(OH)D: 0 bis 9 ng/ml; 0–22,5 nmol/l) hatten ein 90 % höheres Risiko (Hazard Ratio 1,9; 95 % KI = 1,6; 2,2; p < 0,001) für vorzeitiges Versterben als Personen mit normalem 25(OH)D-Status (25(OH)D > 30 ng/ml; > 75 nmol/l). Entsprechend einer abnehmenden exponentiellen Kurve auf Basis der Daten aller Studien war bei einem 25(OH)DSerumspiegel von 36 ng/ml (90 nmol/l) die geschätzte Hazard Ratio nicht mehr signifikant abweichend von 1,0. Im Vergleich zu 25-OH-D-Serumspiegel > 30 ng/ml (75 nmol/l) waren Spiegel ≤ 30 ng/ml (75 nmol/l) im Allgemeinen mit einer signifikant gesteigerten Gesamtmortalität assoziiert. Garland und Kollegen betonten in ihrer Publikation, dass der von der US-Gesundheitsorganisation IOM (US Institute of Medicine) vorgeschlagene 25-OH-D-Cut-off-Level für Vitamin-D-Mangel von 20 ng/ml (50 nmol/l) zu niedrig sei, um den prophylaktischen Gesundheitseffekt des Sonnenvitamins hinsichtlich Gesamtmortalität und Risiko für eine Reihe von Erkrankungen (z. B. Krebs, Autoimmunerkrankung etc.) ausnützen zu können. Der Cut-off-Level für den 25-OH-D-Status sollte deshalb nicht bei 20 ng/ml, sondern bei 30 ng/ml gesetzt werden. #223{sidxUke4ddp} Abb. 15.3 25(OH)D und Mortalität #223_224{sidkTWNVSxO} Der Hinweis des IOM-Berichts auf eine U-Form der Mortalitätskurve in Abhängigkeit vom 25(OH)D-Blutspiegel ließ Bedenken aufkommen. So hatte sich nämlich ein verringertes Mortalitätsrisiko mit steigendem 25(OH)D-Blutspiegel bis zu einem Level von etwa 30 ng/ml gezeigt, darüber hinaus aber wieder ein leichter Anstieg des Risikos. Dies wies auf ein schmales Fenster hin, in welchem durch Verbesserung des Vitamin-D-Status das Mortalitätsrisiko gesenkt werden kann, ein Vorteil, der bei Werten über 30 ng/ml 25(OH)D wieder verloren ging. In zwei neueren Metaanalysen dagegen war die Verbesserung des 25(OH)D-Serumspiegels auf mindestens 36 ng/ml bzw. 70 nmol/l auch weiterhin mit einem verringerten Mortalitätsrisiko assoziiert. Die Vitamin-D-Supplementierung mit täglich 2 000–4 000 I. E. Vitamin D3 steigerte die 25(OH)D-Serumspiegel über 30 ng/ml. Anzumerken ist hierbei die HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Empfehlung des Institute of Medicine (IOM) hinsichtlich der täglichen tolerablen maximalen Aufnahmedosis von Vitamin D für Personen von mindestens neun Jahren von 4 000 I. E. und die Empfehlung der Gesellschaft für Endokrinologie von 10 000 I. E. Vitamin D als Maximaldosis für Erwachsene. Wissenschaftler sprechen sich für eine Supplementierung mit täglich mindestens 1 000 I. E. Vitamin D zur Verbesserung des Vitamin-D-Status der USBevölkerung aus, solange noch keine Ergebnisse aus randomisierten Studien vorliegen. Allerdings deuten neueste Studien darauf hin, dass die tägliche Aufnahme von 1 000 I. E. Vitamin D, insbesondere während des Winters und bei übergewichtigen und adipösen Personen, den 25-OH-D-Blutspiegel bei den meisten Erwachsenen nicht über 30 ng/ml (75 nmol/l) anheben wird. Deshalb sollten Erwachsene aller ethnischen Gruppen und > 18 Jahre den Empfehlungen der Gesellschaft für Endokrinologie zur Prävention von Vitamin-D-Mangel folgen und eine tägliche Supplementierung von 1 500–2 000 I. E. durchführen. Dabei besteht kein Unterschied in den Empfehlungen zur Behandlung oder Prävention eines Vitamin-D-Mangels von Weißen und Schwarzafrikanern. Beide reagieren gleichermaßen auf Vitamin D und haben auch den gleichen Bedarf. Außerdem brauchen adipöse Kinder und Erwachsene sowie Kinder und Erwachsene, die Medikamente wie Antikonvulsiva, Glucocorticoide oder AIDSMedikamente einnehmen müssen, mindestens zwei- bis dreimal mehr Vitamin D als andere in der entsprechenden Altersgruppe, um den Vitamin-D-Bedarf ihres Körpers zu decken. Als Hauptquelle für Vitamin D gilt die natürliche Sonnenlicht-Exposition. Personen mit einer von Natur aus dunklen Hautfarbe besitzen einen natürlichen Sonnenschutz und haben damit ein höheres Risiko für einen Vitamin-D-Mangel [25(OH)D < 20 ng/ml]. Sie benötigen eine mindestens drei- bis fünffach längere Sonnenlicht-Exposition zur Produktion derselben Menge an Vitamin D, verglichen mit Personen mit einer weißen Hautfarbe. Aktuelle Studien zeigen, dass in Abhängigkeit vom BMI bei Übergewichtigen eine tägliche Einnahme von 7 000 I. E. und bei Adipösen von 8 000 I. E. Vitamin D eingenommen werden müssen, um einen 25(OH)D-Status von 100 nmol/l zu erreichen. Deshalb empfehlen wir den 25(OH)DSerumspiegel als Bestimmungsmaß. Dieser lässt sich mit einem zuverlässigen Test messen, um so den Vitamin-DStatus von Personen mit erhöhtem Risiko für Vitamin-D-Mangel zu untersuchen (z. B. Hispanoamerikaner bzw. Mexikaner, nicht-hispano-amerikanische dunkelhäutige Menschen). #224_225{siddSZLFXnU} Auch eine weitere aktuelle Metaanalyse des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg fand einen signifikanten inversen Zusammenhang zwischen 25(OH)D-Serumspiegel und Gesamtmortalitätsrisiko. Die Metaanalyse basierte auf den 25(OH)D-Serumspiegeln von einzelnen Teilnehmern aus sieben bevölkerungsbasierten Kohorten des Consortium on Health and Ageing (Konsortium Gesundheit und Altern), einem Netzwerk von Kohorten aus Europa und den USA (CHANCES, www.chancesfp7.eu), zusammen mit dem dritten USamerikanischen National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES III). Im Rahmen der Metaanalyse wurden acht prospektive Kohortenstudien aus Europa und den USA mit über 26 000 Männern und Frauen ausgewertet (Alter 50–79 Jahre). Alle einzelnen Studien zeigten gleichermaßen, dass Personen mit den niedrigsten 25(OH)D-Spiegeln ≤ 4 ng/ml (≤ 10 nmol/l) eine signifikant höhere Gesamtmortalität hatten (1,57-fach) als Personen mit einem 25(OH)D-Status ≥ 36 ng/ml (90 nmol/l) (gepooltes relatives Risiko: 1,57; 95 % KI 1,36–1,81). Außerdem zeigte eine unabhängige Analyse der Krebsmortalität, dass Krebspatienten mit einem 25(OH)D-Spiegel ≤ 4 ng/ml (≤ 10 nmol/l) ein 1,7-fach gesteigertes Risiko für Versterben aufgrund der Erkrankung hatten im Vergleich zu Krebspatienten mit einem 25(OH)D-Spiegel ≥ 36 ng/ml (≥ 90 nmol/l) (relatives Risiko: 1,70; 95 % KI 1,00 bis 2,88). #225.01{sidwSoV5YHi} Trotz dieser Ergebnisse empfehlen die Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum Personen mit niedrigem 25(OH)D-Spiegel nicht die Einnahme von Vitamin-D-Supplementen. In der original Presseveröffentlichung zur Studie von Schöttker et al. empfahl das Deutsche Krebsforschungszentrum vorerst, bis gesicherte Erkenntnisse zur Vitamin-D-Supplementierung vorliegen, in den Sommermonaten „wohldosiert Sonne zu tanken, am besten in der Kombination mit Sport und Bewegung im Freien. So kann jeder eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung sicherstellen und ein Depot für den Winter anlegen.“ Unrealistisch ist die Ansicht, mit Bewegung im Freien während des Sommers könnte der 25(OH)D-Serumspiegel so deutlich angehoben werden, dass er über den Winter erhalten bliebe. Typischerweise steigen die 25(OH)D-Serumspiegel bis zum Ende des Sommers bei weißen Europäern mit einer Sonnenlicht-Exposition von mehr als 300 Stunden pro Monat um etwa 10–20 ng/ml auf einen Bereich um 35 ng/ml. Aufgrund einer Halbwertszeit von 25(OH)D von etwa 2–3 Wochen sinken die Serumspiegel ab Oktober innerhalb von 1–2 Monaten unter die angestrebten 30 ng/ml, wenn oberhalb des 34. nördlichen Breitengrads das Sonnenlicht zur Produktion von Vitamin D in der Haut nicht mehr ausreicht. Bedauerlicherweise gibt das Deutsche Krebsforschungszentrum keine Empfehlung hinsichtlich der Vitamin-DSupplementierung von Krebspatienten. #225.02{sidVgKCN50C} In der Leitlinie der Gesellschaft für Endokrinologie wird die Supplementierung mit täglich 400–1 000 I. E. Vitamin D für Kinder von 0–1 Jahren, 600–1 000 I. E. für das Alter von 1–18 Jahren und 1 500–2 000 I. E. für die Altersgruppe von 19–70 Jahren sowie für Personen ab 70 Jahren angegeben. Mithilfe dieser Empfehlung lässt sich ein 25(OH)DSerumspiegel von über 30 ng/ml und ein bevorzugter Bereich zwischen 40–60 ng/ml aufrechterhalten. Anmerkung: Vitamin D ist nur begrenzt speicherbar: Die Halbwertszeit von Colecalciferol beträgt nur 12–24 h, die von 25(OH)D etwa 2–3 Wochen und die von 1,25(OH)2D etwa 3 h. Darüber hinaus scheint nach aktuellen Untersuchungen Colecalciferol auch über passive Diffusion direkt in verschiedene Zellen und Gewebe eindringen zu können. Hier wird es dann von der lokalen 25-OHase und 1-OHase zum aktiven 1,25(OH)2D aktiviert. Für einen guten Vitamin-DStatus (25-OH-D: 40–60 ng/ml) muss ein gesunder Mensch in unseren Breiten täglich 40–60 I. E. Vitamin D pro kg Körpergewicht einnehmen. Eine 70 kg schwere Person müsste demnach täglich zwischen 2 800–4 200 I. E. Vitamin D supplementieren. #225.03{sidW3cIqw5L} Knochen- und Muskelstoffwechsel: Fraktur- und Sturzrisiko #225.04{sid4tWVQXem} Ein schwerer Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 10 ng/ml) führt bei Kindern zu Rachitis und bei Erwachsenen zu einer Osteomalazie. Klinisch gehört neben einer Mineralisationsstörung eine proximal betonte Myopathie, die sich in Muskelschwäche und -schmerzen äußern kann, zu den Symptomen eines schweren Vitamin-D-Mangels. Die Mineralisationsstörung kann zudem zu Knochenschmerzen und Frakturen führen. Bei älteren Erwachsenen führt ein Mangel an Vitamin D zu einem erhöhten Sturz- und Frakturrisiko. #225_226{sid513zyjp2} In der neusten im Juli 2012 im New England Journal of Medicine von Frau Prof. Heike Bischoff-Ferrari publizierten Metaanalyse wurden die Originaldaten von 30 011 Studienteilnehmern aus elf doppelblinden und randomisierten Studien gepoolt. Die klassische Intent-to-Treat-Analyse der 30 011 Personen zeigte eine statistisch nicht signifikante Reduktion der Hüftfrakturen um 10 %. Wenn man jedoch den Effekt in Abhängigkeit von der tatsächlich eingenommenen Vitamin-D-Menge untersuchte, dann zeigt sich in der Gruppe mit der höchsten Dosierung (792–2 000 I. E. Vitamin D pro Tag; im Median: 800 I. E. Vitamin D pro Tag) eine statistisch signifikante Reduktion der Hüftfrakturen um 30 %, verglichen mit den Personen der Kontrollgruppe. Bei jenen Personen, die pro Tag weniger als 792 I. E. Vitamin D supplementierten war keine statistisch signifikante Reduktion der Hüftfrakturen nachweisbar. Eine vergleichbare Dosis-Wirkungsabhängigkeit war für alle nichtvertebralen Frakturen nachweisbar (○Abb. 15.4). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #226.01{sidwMLoCnT7} Abb. 15.4 Risikoreduktion von nichtvertebralen Frakturen in Studien, die in der Therapiegruppe einen Zielwert von ≥ 30 ng/ml bzw. 75 nmol/l erreicht haben. Nach Bischoff-Ferrari 2012 #226.02{sidvacc7oId} Die Subgruppenanalyse zeigte in allen Altersgruppen, bei zu Hause lebenden Senioren und bei Senioren im Pflegeheim mit der höchsten Vitamin-D-Dosierung eine signifikante Reduktion der Frakturen. Die Ergebnisse einer Knochenbiopsie Studie an 675 Patienten geben einen Schwellenwert der 25(OH)D-Spiegel ≥ 75 nmol/l bzw. ≥ 30 ng/ml als Zielwert für einen gesunden Knochenstoffwechsel an, ab dem keine Mineralisationsstörungen mehr nachweisbar sind. #226_227{sid4IHDPXQu} Neben einer positiven Wirkung auf die Knochendichte hat Vitamin D einen unmittelbaren, stärkenden Effekt auf die Muskulatur, was neben einer Begünstigung des Calciumeinstroms in die Muskelzelle durch eine rezeptorvermittelte Stimulation der Muskelproteinsynthese erklärt wird. Möglicherweise ist dieser Zusatzeffekt für die Frakturreduktion unter Vitamin-D-Supplementierung entscheidend, da Stürze den primären Risikofaktor für Frakturen darstellen. Dies untermauern auch Studienergebnisse, wonach es bereits nach 2–3 Monaten der Supplementierung von Vitamin D zu einer signifikanten Reduktion des Sturzrisikos kommt, die Muskulatur also sehr schnell auf eine Vitamin-D-Zufuhr reagiert, und dass sich die Frakturreduktion bereits nach etwa 6 Monaten bemerkbar macht. In der Reanalyse einer 2009 publizierten Metaanalyse von 8 doppelblinden und randomisierten Studien mit einer hochwertigen Sturzerfassung, zeigte Vitamin D über alle Studien hinweg einen Benefit (OR = 0,73; 0,62¸0,87; p = 0,0004). Zudem konnte die Relevanz der Vitamin-D-Dosierung auch bezüglich der Sturzreduktion bestätigt werden: in der höheren Dosis (700–1 000 I. E. Vitamin D pro Tag) reduzierte Vitamin D das Sturzrisiko um 34 % (OR = 0,66; 0,53; 0,82; p = 0,0002), während in der niedrigeren Dosierung keine Sturzreduktion auftrat (OR = 1,14; 0,69; 1,87). #227.01{sidtOxLpAPO} Hinweis: Die 25(OH)D-Status orientierte Supplementierung von Vitamin D ist eine wichtige präventivmedizinische Strategie, um die Knochengesundheit in allen Altersstufen zu fördern sowie das Fraktur und Sturzrisiko bei älteren Menschen zu vermindern. Die Supplementierung sollte sich im Hinblick auf die ossäre Wirkung und intestinale Calciumresorption an einem 25(OH)D-Status von ≥ 75 nmol/l bzw. ≥ 30 ng/ml orientieren, dies gilt insbesondere in der Pharmakotherapie der Osteoporose, bei der unter anderem auch Bisphosphonate eingesetzt werden. #227.02{sid8uBUV1H7} Genexpression: Bindeglied zwischen Vitamin D und Prävention #227.03{sid9V0RIhqB} In einer aktuellen randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudie wurde nun erstmals der Einfluss einer Supplementierung von täglich 400 I. E. oder 2 000 I. E. Vitamin D für zwei Monate auf die Genexpression der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) bei gesunden Erwachsenen im Winter untersucht. Dabei war die Verbesserung des 25(OH)D-Status mit einer mindestens 1,5-fachen Änderung der Genexpression in 291 Genen assoziiert. Die Ergebnisse dieser Studie lassen vermuten, dass jegliche Verbesserung des Vitamin-D-Status signifikant die Expression von Genen beeinflusst, die eine Vielzahl von biologischen Funktionen haben und in mehr als 160 Stoffwechselwegen verbunden sind mit der Pathogenese von Autoimmunerkrankungen, Krebserkrankungen und kardiovaskulären Erkrankungen. Diese Studie deckt zum ersten Mal genetische Fingerabdrücke auf, die auf molekularbiochemischer Ebene einen wichtigen Beitrag liefern, die nicht skelettären Wirkungen des Sonnenvitamins auf die Gesundheit zu verstehen. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #227.04{sidlgxsxcYJ} Herz-Kreislauf-System: Bluthochdruck und Herzinsuffizienz #227.05{sidq7hSMQoN} Ein Mangel an Vitamin D (25(OH)D < 20 ng/ml bzw. 50 nmol/l) steigert signifikant die allgemeine und die kardiovaskuläre Mortalität. In der Intermountain Heart Collaborative Study, einer prospektiven Studie mit 41 504 Teilnehmern konnte bei 63,6 % ein unzureichende Vitamin-D-Versorgung (25(OH)D: < 30 ng/ml) nachgewiesen werden. Ein 25(OH)D-Spiegel von < 15 ng/ml im Vergleich zu einem 25(OH)D-Spiegel > 30 ng/ml war mit einem hoch signifikanten Anstieg der Prävalenz für Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Dyslipoproteinämie, peripher vaskuläre Erkrankungen, koronare Herzkrankheit, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz und Schlaganfall assoziiert (p < 0,0001), wie auch die Inzidenz der allgemeinen Mortalität, Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit/Myokardinfarkt (p < 0,0001), Schlaganfall (p = 0,003), und deren Kombination (p < 0,0001). Die Ergebnisse einer Metaanalyse, die den VitaminD-Status mit dem Risiko für cerebrovaskuläre Ereignisse, einschließlich von > 1 200 Fällen von Schlaganfall erfasste, ergab, dass ein 25(OH)D-Spiegel von ≤ 12,4 ng/ml gegenüber einem 25(OH)D-Spiegel von > 18,8 ng/ml mit einem um 52 % erhöhten Risiko für Schlaganfall assoziiert war. #227_228{sidgDhsTl54} Ein systematischer Review und eine Metaanalyse kommen zu dem Schluss, dass Vitamin D den systolischen Blutdruck nicht signifikant um – 3,6 mm Hg und den diastolischen Blutdruck signifikant um – 3,1 mm Hg bei Hypertonikern senkt. Keine Veränderung des Blutdrucks konnte bei Normotonikern beobachtet werden. Schwarze US-Amerikaner leiden signifikant häufiger unter hohem Blutdruck als Weiße. Eine geringere Bildung von Vitamin D könnte mitverantwortlich sein für diese unterschiedlichen Blutdruckwerte, da Menschen mit dunklerer Hautfarbe aufgrund des höheren Melanin-Gehalts generell weniger Vitamin D in der Haut produzieren und somit niedrigere Spiegel an 25(OH)D aufweisen. In einer aktuellen 4-armigen, doppelblinden, placebokontrollierten und randomisierten Studie an 283 Schwarzen (Alter: ± 51) wurde der Einfluss von 1 000 I. E., 2 000 I. E. und 4 000 I. E. Vitamin D pro Tag oder Placebo über einen Zeitraum von 3 Monaten auf den Blutdruck untersucht. Der Blutdruck wurde zu Beginn, nach 3 Monaten und 6 Monaten sowie der 25(OH)D-Spiegel erfasst. Der Unterschied zwischen dem systolischen Blutdruck zu Studienbeginn und nach drei Monaten in der Placebo-Gruppe betrug + 1,7 mm Hg, in der Gruppe mit 1 000 I. E. Vitamin D pro Tag – 0,66 mg Hg, in der Gruppe mit 2 000 I. E. Vitamin D pro Tag – 3,44 mg Hg und in der Gruppe mit 4 000 I. E. Vitamin D pro Tag – 4,0 mm Hg (– 1,4 mm Hg für jede zusätzlich eingenommenen 1 000 I. E. Vitamin D, p = 0,04). Pro Anstieg des 25(OH)D-Spiegels um 1 ng/ml war eine signifikante Reduktion des systolischen Blutdrucks um 0,2 mm Hg nachweisbar (p = 0,02). Allerdings konnte keine signifikante Reduktion des diastolischen Blutdrucks nachgewiesen werden (p = 0,37). #228{sid56jmovQm} Abb. 15.5 Vitamin-D-Mangel, Bluthochdruck und Insulinresistenz #228_229{sidnfljMrhE} Die seit langem bekannte Suppression von Parathormon (PTH) durch Vitamin D muss heute in neuem Licht betrachtet werden, seitdem in den letzten Jahren PTH zunehmend als ein wichtiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Herzinsuffizienz erkannt wurde. PTH kann auf verschiedenen Ebenen direkt oder indirekt das Herz-Kreislauf-System schädigen. Erhöhte PTH-Spiegel sowie eine Hypercalzämie können die Entwicklung einer Hypertonie fördern. Darüber hinaus ist ein Hyperparathyreoidismus mit einer gehäuften Inzidenz der Hyperkontraktilität des Herzmuskels mit konsekutiver linksventrikulärer Hypertrophie sowie mit Calzifizierung des Myokards assoziiert. Vitamin D wirkt diesen Prozessen entgegen, indem es u. a. die Synthese der antiinflammatorischen Zytokine wie Interleukin 10 und anderer Substanzen fördert, die eine Gefäßcalzifizierung verringern (z. B. Matrix-Gla-Protein). Zusätzlich wirkt Vitamin D den schädlichen Wirkungen der sogenannten „Advanced Glycation Endproducts“ (AGEs) auf das Endothel entgegen. In einer aktuellen placebokontrollierten Doppelblind-Studie an 80 Kleinkindern mit Herzinsuffizienz führte die tägliche Supplementierung von 1 200 I. E. Vitamin D über einen Zeitraum von 12 Wochen bei den 42 Kindern aus der Vitamin-D-Gruppe im Vergleich zu den 38 Kindern aus der Placebogruppe neben einem signifikanten Anstieg des 25(OH)D-Status (13,4 → 32,89 ng/ml) zu einer signifikanten Verbesserung der Herzmuskelleistung (z. B. LVEFi) und Verringerung verschiedener kardiovaskulärer Risikoparameter (z. B. PTH-, IL-6,- TNF-α-Spiegels; p < 0,001). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #229.01{sidr07kuFqU} Hinweis: Nach den bisher vorliegenden Daten aus epidemiologischen und prospektiven Kohorten-Studie sowie kleineren Interventionsstudien sollte der Vitamin-D-Status bei kardiovaskulären Erkrankungen wie Hypertonie und Herzinsuffizienz grundsätzlich labordiagnostisch kontrolliert und entsprechend durch Supplementierung kompensiert werden. Die Normalisierung des 25(OH)D-Status könnte auch dazu beitragen den therapeutischen Bedarf an Antihypertonika und Kardiaka (z. B. Diuretika, ACE-Hemmer, Calciumantagonisten) zu verringern. #229.02{sidYx22U8Wv} Diabetologie #229.03{sid9HBTESXa} Typ-1-Diabetes #229.04{sidIIIm10aU} In einer finnischen Kohortenstudie an 12 058 Kindern wurde der Einfluss der Supplementierung von Vitamin D im ersten Lebensjahr auf die Diabetesinzidenz über einen Zeitraum von 30 Jahren verfolgt. Dabei zeigte sich, dass Neugeborene, denen im ersten Lebensjahr täglich 2 000 I. E. Vitamin D im Rahmen der Rachitis-Prophylaxe gegeben wurde, im Vergleich zu denjenigen mit geringer dosierten Supplementen ein 78 % niedrigeres Risiko für Diabetes mellitus Typ 1 hatten. Kinder, bei denen im ersten Lebensjahr Rachitis auftrat, hatten im Vergleich zu nicht erkrankten Kindern ein 3-fach höheres Risiko für Typ-1-Diabetes. In einer Metaanalyse von vier Fall-Kontroll-Studien war das Risiko für Typ-1 Diabetes bei Säuglingen, die ein Vitamin-D-Supplement erhielten im Vergleich zu denen, die kein Vitamin D bekamen um 29 % verringert (Odds-Ratio 0,71, 95 % CI 0,60–0,84). Die Bedeutung des maternalen Vitamin-D-Status auf die spätere Entstehung von Typ-1-Diabetes beim Neugeborenen beschreibt eine norwegische Kohorten-Studie an 20 072 Frauen. Dabei war ein niedriger maternaler 25(OH)D-Status (≤ 54 nmol/l bzw. 21,6 ng/ml) in der Schwangerschaft gegenüber einem guten 25(OH)D-Status (> 89 nmol/l bzw. 35,6 ng/ml) mit einem mehr als zweifach erhöhten Risiko verbunden, dass der Nachwuchs im späteren Leben Typ-1-Diabetes entwickelt. #229.05{sid065uaeU4} Typ-2-Diabetes und metabolisches Syndrom #229.06{sidb6TaghhM} In einer randomisierten, placebokontrollierten Studie mit insulinresistenten südasiatischen Frauen (Alter: 23–68 Jahre), die im Median einen 25(OH)D-Ausgangswert von < 10 ng/ml aufwiesen, führte die tägliche Supplementierung von 4 000 I. E. Vitamin D gegenüber Placebo zu einer signifikanten Verbesserung der Insulinsensitivität und Reduktion der Insulinresistenz (p = 0,003 bzw. p = 0,02). Die Insulinresistenz nahm insbesondere dann ab, wenn die 25(OH)D-Spiegel über 32 ng/ml (= 80 nmol/l) anstiegen. Optimale Konzentrationen an 25(OH)D für die Verbesserung der Insulinresistenz lagen zwischen 32–47,6 ng/ml (= 80–119 nmol/l). #229_230{sidvOo3WHog} In einer prospektiven Studie wurde die Assoziation des 25(OH)D-Spiegels (ng/ml) und die Inzidenz des metabolischen Syndroms bei 4 164 australischen Erwachsenen (Alter ± 50 Jahre) erfasst. Dabei wurden von allen Studienteilnehmern neben dem Taillenumfang auch die klassischen Risikofaktoren des metabolischen Syndroms erfasst. Nach 5 Jahren Follow-up beobachteten die Wissenschaftler bei den Studienteilnehmern mit einem 25(OH)D-Spiegel < 18 ng/ml und 18–23 ng/ml eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit (Odds-Ratio 1,41 und 1,74; CI 95 %) im Vergleich zu denjenigen mit einem guten Vitamin-D-Status von > 34 ng/ml am metabolischen Syndrom zu erkranken. Sie schlussfolgerten daraus, dass bei australischen Erwachsenen ein Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) sowie eine Vitamin-D-Insuffizienz (25(OH)D: 21–29 ng/ml) mit einem signifikant erhöhten Risiko für das metabolische Syndrom (p < 0,01), Insulinresistenz (p < 0,01), hohem Taillenumfang (P < 0,001) sowie erhöhten Glucose- und Triglyceridspiegeln (p < 0,01) assoziiert ist. Die Ergebnisse einer weiteren prospektiven Studie liefern zusätzlich aussagekräftige Ergebnisse dafür, dass ein Vitamin-D-Mangel die Progression eines Prädiabetes zum manifesten Typ-2-Diabetes beschleunigt. Die Wissenschaftler untersuchten hierbei die Glucosetoleranz und 25(OH)D-Spiegel von 980 Frauen und 1 398 Männern (Alter: 35–56 Jahre), bei denen vor Studienbeginn kein Typ-2-Diabetes vorlag. Nach 8–10 Jahren Follow-up wurden die Studienteilnehmer mit Prädiabetes oder Typ-2-Diabetes mit alters- und geschlechtskorrelierten Kontrollen verglichen, die eine normale Glucosetoleranz aufwiesen. Nach Bereinigung von potenziellen Störvariablen hatten die männliche Studienteilnehmer aus der höchsten Quartile gegenüber denjenigen aus der niedrigsten Quartile des 25(OH)DSpiegels ein 48 % verringertes Risiko für die Progression vom Prädiabetes zum Typ-2-Diabetes (OR 0,52, 95 % CI 0,30; 0,90). Bei Frauen und Männern, die zu Studienbeginn einen Prädiabetes aufwiesen, war pro Anstieg des 25OH-Spiegels um 4 ng/ml (= 10 nmol/l) eine bemerkenswerte 25%ige Reduktion der Typ-2-Diabetes-Inzidenz nachweisbar. #230_231{sidLOP2HtMw} Ein Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) scheint nach den aktuellen Daten nicht nur die Progression vom Prädiabetes zum manifesten Typ-2-Diabetes zu steigern, sondern hat beim metabolischen Syndrom auch einen Einfluss auf die Mortalität: in der LURIC-Studie an 1 801 Patienten mit metabolischem Syndrom war ein guter Vitamin-D-Status (25(OH)D ≥ 30 ng/ml) gegenüber einem schweren Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 10 ng/ml) mit einer Reduktion von 66 % der kardiovaskulären Mortalität und einer Reduktion von 75 % der Gesamtsterblichkeit verbunden (○Abb. 15.6). Patienten mit einem guten Vitamin-D-Status (25(OH)D ≥ 30 ng/ml) hatten gegenüber denjenigen mit einem schweren Vitamin-D-Mangel ein um 85 % bzw. 76 % reduziertes Mortalitätsrisiko durch plötzlichen Herztod bzw. Herzinsuffizienz. Selbst wenn Patienten mit Typ-2-Diabetes aus der Analyse heraus genommen wurden, wiesen diejenigen mit einem optimalen Vitamin-D-Status im Vergleich zu denen mit einem schweren Vitamin-D-Mangel eine um 64 % reduzierte Gesamtmortalität auf. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #230{sidcXQap6Sl} Abb. 15.6 Gesamtmortalität in Abhängigkeit vom 25(OH)D-Status bei Patienten mit metabolischem Syndrom (LURIC-Studie; p < 0,001) #231.01{sidMGolz7XV} In einer soeben publizierten Interventionsstudie an 100 Patienten (Alter: 54, 11 ± 11) mit Typ-2-Diabetes führte die orale Supplementierung von 50 000 I. E. Vitamin D pro Woche über einen Zeitraum von acht Wochen neben einem Anstieg der 25(OH)D-Werte (43,03 ± 19,28 p 60,12 ± 17,2; p = 0,02) zu einer signifikanten Verbesserung des HOMA-Index (HOMA-IR: 3,57 ± 3,18 p 2,89 ± 3,28; p = 0,008), der Insulinresistenz (Insulin: 10,76 ± 8,9 p 8,6 ± 8,25 µ I. E. ◀/ml; p = 0,02) und der Nüchternglucosespiegel (FPG; mg/dl: 138,48 ± 36,74 p 131,02 ± 390,05; p = 0,05). #231.02{sidaNemSvZ8} Hinweis: Patienten mit Diabetes mellitus, Insulinresistenz und metabolischem Syndrom scheinen nach der aktuellen Datenlage im Hinblick auf die metabolische Kontrolle, den Komorbiditäten und dem erhöhten Mortalitätsrisiko im besonderen Maße von der labordiagnostisch validierten Supplementierung von Vitamin D zu profitieren. #231.03{sid42IW1gjU} Autoimmunerkrankungen: Multiple Sklerose #231.04{sid8YKuyNCl} In einer prospektiven Studie mit mehr als 7 Mio. Angehörigen des US-Militärs von 1992–2004 wurde der Zusammenhang des 25(OH)D-Status mit dem Risiko an Multipler Sklerose (MS) zu erkranken erfasst. Bei den weißen Amerikanern (n = 148, 296 Kontrollen) nahm das Risiko für MS mit steigendem 25(OH)D-Spiegel signifikant ab (OR für einen 25(OH)D-Anstieg um 20 ng/ml: 0,59, 95 % CI 0,36–0,97). Vergleicht man die Odds-Ratio (OR) für die Entwicklung von MS in der höchsten Quintile (25(OH)D: 99,1–152 nmol/l) mit der niedrigsten Quintile (25(OH)D: 15,2–63,2 nmol) so zeigt sich ein um 62 % verringertes Erkrankungsrisiko (OR 0,38, 95 % CI: 0,19–0,75; p = 0,006). Die positiven Effekte des Vitamin-D-Hormons bei Autoimmunerkrankungen werden vor allem mit seiner immunmodulierenden Wirkung (z. B. Th1-/Th2-Balance, Zytokine) in Verbindung gebracht (○Abb. 15.7). In kleineren Interventionsstudien konnte die Supplementierung von Vitamin D bei MS die Schub-/Rezidivrate und Entzündungsaktivität verringern sowie die Muskelfunktion und Lebensqualität verbessern. In einer Studie an 49 MSPatienten wurde der Einfluss des Sonnenvitamins auf die Schubrate und den Behinderungsgrad untersucht. Dabei erhielt die Vitamin-D-Gruppe durchschnittlich 14 000 I. E. Vitamin D und 1 200 mg Calcium pro Tag. Unter Vitamin D sank die Schubrate nach einem Jahr um 41 % und der Behinderungsgrad, gemessen mit der Skala EDSS, war auch leicht zurückgegangen. Aufgrund der kleinen Patientenzahl waren die Ergebnisse jedoch nicht signifikant. In der Vitamin-D-Gruppe wurde zudem ein signifikanter Abfall autoreaktiver T-Zellen beobachtet. In einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie an 66 MS-Patienten zeigte die Supplementierung von Vitamin D als Addon-Therapie zu Interferon beta-1b einen günstigen Einfluss auf die Krankheitsaktivität (z. B. T1-Läsionen). Ob Polymorphismen im VDR bei der Entwicklung der MS und anderer Autoimmunerkrankungen eine Rolle spielen müssen die Forschungen der nächsten Jahre zeigen. Auch ob der anzustrebende 25(OH)D-Zielwert bei MSPatienten, um einen positiven Effekt auf die Erkrankung zu erreichen, höher liegen sollte (z. B. 60–90 ng/ml), muss durch Studien belegt werden. Derzeit sollte man sich bei MS und anderen Autoimmunerkrankungen (z. B. M. Crohn) auch im Hinblick auf die Medikation (z. B. Corticoide) und den PTH-Spiegel an einem 25(OH)D-Status von 40–60 ng/ml orientieren. #231.05{siduJgudZRR} Immunsystem #231_232{sid1rJPfrrJ} Neben den endokrinen Effekten übt Vitamin-D-Hormon auch auto- und parakrine Wirkungen aus. Zahlreiche Körperzellen, darunter auch immunkompetente Zellen wie dendritische Zellen, Makrophagen, B- und T-Lymphozyten, verfügen über VDR und die enzymatische Ausstattung zur Synthese von Calcitriol aus seinem Präkursor 25(OH)D. 1,25(OH)2D ist ein potenter Modulator der erworbenen Immunität und der Immunbalance zwischen Th1- und Th2Zellen (○Abb. 15.7). Lokal oder systemisch gebildetes Vitamin-D-Hormon inhibiert u. a. die Reifung der dendritischen Zellen, reduziert die Th1-vermittelte Sekretion proinflammatorischer Zytokine wie TNF-α, steigert die Differenzierung von Monozyten zu Makrophagen und deren Phagozytoserate sowie die Aktivität lysosomaler Enzyme in Makrophagen. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #232.01{sidelcZ1LlM} Abb. 15.7 Effekte des Vitamin-D-Hormons auf humorale und zelluläre Faktoren im Rahmen des angeborenen und erworbenen #232.02{sidAlWHHook} Atemwegserkrankungen #232_233{sidtvM1UhTR} Eine Reihe von Beobachtungs- und epidemiologischen Studien, unterstützt von Interventionsstudien und dem ubiquitären Nachweis des Vitamin-D-Rezeptors in allen wichtigen Organsystemen, zeigen eine Assoziation zwischen dem 25(OH)D-Spiegel und einer verminderten Inzidenz von Infektionen der oberen Atemwege. In einer USamerikanischen Studie an 18 883 Personen (Alter > 12 Jahre) – repräsentativer Querschnitt der US-Bevölkerung (3rd National Health and Nutrition Examination Survey) – wurde der Zusammenhang zwischen dem 25(OH)DSpiegel im Serum und der Anfälligkeit für Infekte der oberen Atemwege in Bezug auf die Jahreszeit untersucht. Dabei korrelierte der Vitamin-D-Status invers mit der Infektrate der oberen Atemwege (○Abb. 15.8): Gegenüber den Probanden mit einem normalen 25(OH)D-Status (≥ 30 ng/ml) hatten die Probanden mit einem insuffizienten Status (10–30 ng/ml) eine 1,24-fach erhöhte Infektrate und die Probanden mit einem ausgeprägten Vitamin-D-Mangel (< 10 ng/ml) eine 1,36-fach erhöhte Infektrate (Odds-Ratio, OR), 1,36; 95 % CI, 1,01–1,84 bei < 10 ng/ml und 1,24; 1,07– 1,43 bei 10–29 ng/ml). Bei Patienten mit Asthma bronchiale oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) war die Infektrate sogar 2,26-fach bzw. 5,67-fach erhöht (p = 0,007; OR, 5,67 und 2,26). Der durchschnittliche 25(OH)D-Spiegel aller Studienteilnehmer lag bei 29 ng/ml. #233.01{sidD2mNHQPW} Abb. 15.8 Effekt einer Vitamin-D-Supplementierung auf die Erkrankungshäufigkeit (Influenza A und Asthma) bei Schulkindern #233.02{sidWcdDbTGU} In einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie an 334 japanischen Schulkindern wurde der Einfluss von Vitamin D auf Atemwegserkrankungen wie Influenza A und Asthma untersucht. Die Kinder erhielten während des Interventionszeitraums von Dezember 2008 bis März 2009 täglich ein Placebo oder 1 200 I. E. Vitamin D (○Abb. 15.8). Das Risiko, an Influenza A zu erkranken, wurde durch die Supplementierung von Vitamin D gegenüber Placebo um 42 % verringert (RR: 0,58; 95 % CI: 0,34, 0,99; p = 0,04). Der protektive Effekt war insbesondere bei denjenigen Kindern ausgeprägt, die keine anderen Vitamin-D-haltigen Supplemente einnahmen (RR: 0,36; 95 % CI: 0,17, 0,79; p = 0,006). Noch beeindruckender ist jedoch bei dieser Untersuchung das Ergebnis in Bezug auf die Asthmaanfallshäufigkeit: in der Vitamin-D-Gruppe reduzierte sich die Anfallshäufigkeit um 83 % (RR: 0,17; 95 % CI: 0,04, 0,73; p = 0,006). Auch in Interventionsstudien mit Erwachsenen führte die Supplementierung von Vitamin D zu einer signifikanten Reduktion der jahreszeitlich bedingten grippalen Infekte. #233.03{sidWPmZu6Ko} Die Ergebnisse zweier aktueller Metaanalysen aus den Jahren 2013 und 2016 (○ Abb. 15.9) belegen, dass die Supplementierung von Vitamin D im Vergleich zu Placebo bei Kindern und Erwachsenen das Infektionsrisiko signifikant um 36 % senkt (OR: 0,64; 95 % CI, 0,49–0,84) bzw. um 35 % (OR: 0,65; 95 % CI, 0,50–0,85). Dabei war die tägliche Einnahme von Vitamin D effektiver als die hochdosierte Intervalltherapie. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #234.01{sidMjzMRYOo} Abb. 15.9 Vitamin D und Atemwegsinfekte #234.02{sidRAJEhn6m} Hinweis: Im Hinblick auf die Vorbeugung von Atemwegsinfektionen können Kinder und Erwachsene anhand der Daten von Interventionsstudien von einer Normalisierung des Vitamin-D-Status profitieren. Weitere Interventionsstudien müssen in den nächsten Jahren zeigen, ob Patienten mit Asthma und COPD im Hinblick auf die Wirksamkeit der Medikation (z. B. Corticoide) und den Krankheitsverlauf auch von der Supplementierung von Vitamin D profitieren können. #234.03{sidsBv8BGFd} Neurodermitis #234_235{sidVR0F3ihJ} Vitamin-D-Hormon besitzt eine ausgeprägte modulierende Wirkung auf die Balance zwischen den Th1- und Th-2Zellen. Störungen in der Th1:Th2-Balance spielen neben Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose auch bei atopischen Erkrankungen eine pathogenetische Rolle. In zwei randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudien führte die Supplementierung von Vitamin D alleine (1 600 I. E./Tag, p. o.) als auch in der Kombination mit Vitamin E (600 I. E./Tag, p. o.) über einen Zeitraum von 60 Tagen zu einer signifikanten Verbesserung des Hautbilds bei Patienten (Alter: 13–45 Jahre) mit milder, moderater und schwerer atopischer Dermatitis. Zur Beurteilung der Ausdehnung und Intensität des atopischen Ekzems wurde dabei der SCORADScore (Scoring Atopic Dermatitis) herangezogen. Bei atopischer Dermatitis sind die entzündlichen Prozesse in der Haut mit einer intensiven Infiltration von Lymphozyten und Eosinophilen assoziiert, die proinflammatorische Zytokine, Superoxid-Radikale, Hydrogenperoxide und Peroxynitrit freisetzen. Bemerkenswerter Weise konnte in diesen Studien nachgewiesen werden, dass nicht nur Vitamin E, sondern auch Vitamin D die oxidative Belastung und entzündlichen Prozesse in der Haut senkt sowie die Aktivität der erythrozytären Superoxid-Dismutase (SOD; p = 0,002) und der Catalase (CAT; p = 0,004) signifikant erhöht. #235.01{sid6CloaYSA} Krebserkrankungen #235.02{sidHy0eFRHv} Vitamin-D-Mangel findet sich häufig bei Krebspatienten und korreliert mit der Krankheitsprogression. In Beobachtungsstudien ist ein Vitamin-D-Mangel mit dem vermehrten Auftreten von Brust- und Dickdarmkrebs sowie mit einem ungünstigen Verlauf von Non-Hodgkin-Lymphomen assoziiert. In einer placebokontrollierten Doppelblindstudie an 1 179 postmenopausalen Frauen im Alter von über 55 Jahren wurde der Einfluss von täglich 1 400 mg Calcium, der Kombination von 1 400 mg Calcium und 1 100 I. E. Vitamin D oder Placebo auf das Krebsrisiko über einen Zeitraum von 4 Jahren erfasst. Unter der Kombination von Calcium und Vitamin D stieg der 25(OH)D-Spiegel von 28,7 ng/ml auf 38,4 ng/ml an. In den beiden anderen Gruppen blieb der Vitamin-D-Status unverändert. Nach Ablauf der vier Jahre war im Vergleich zur Placebo-Gruppe das relative Risiko (RR) an Krebs zu erkranken in der Calcium-Vitamin-D-Gruppe um 60 % reduziert (RR: 0,402, CI: 0,20, 0,82; p = 0,013), in der Calcium-Gruppe alleine um 47 % (RR: 0,532, CI: 0,27, 1,03; p = 0,063). Eine erneute Auswertung mithilfe der logistischen Regression zum krebsfreien Überleben nach 12 Monaten zeigte, dass das relative Risiko in der Calcium-Vitamin-D-Gruppe sogar signifikant um 77 % reduziert worden war (RR 0,232, CI: 0,09, 0,60, p < 0,005, ○Abb. 15.10). Die Daten in der Calcium-Gruppe alleine blieben allerdings nahezu unverändert (RR: 0,587, CI: 0,29, 1,21; p = 0,147). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #236.01{sidQ3KnS0Ch} Abb. 15.10 Überlebensraten nach Kaplan-Meier. In der Kohorte der Frauen, die nach einem Jahr der Intervention frei von Krebs waren (n = 1 085) zeigte sich, dass signifikant mehr Frauen (n = 403) länger überlebten als unter Placebo (n = 266) und unter Calciumsupplementation (n = 416) #235.03{sidMqNq09Kd} In einer prospektiven Kohorten-Studie beobachteten kanadische Wissenschaftler vom Mount Sinai Hospital in Toronto den Krankheitsverlauf von 512 Frauen mit Brustkrebs etwa zwölf Jahre lang, von 1997–2008. Das Durchschnittsalter der Frauen betrug bei Diagnosestellung 50,4 Jahre. 37,5 Prozent der Patientinnen mit Brustkrebs hatten bei Diagnosestellung einen Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml bzw. < 50 nmol/l). Nur 24 Prozent der betroffenen Frauen hatten einen fast normalen Vitamin-D-Status (25(OH)D > 29 ng/ml bzw. 72 nmol/l). Ein VitaminD-Mangel war mit dem Auftreten aggressiverer Brustkrebsformen verbunden. Nach zwölf Jahren war bei Frauen mit einem Vitamin-D-Mangel das Risiko für eine Metastasierung gegenüber denjenigen mit normalem Vitamin-D-Status um 94 Prozent erhöht (Hazard-Ratio, HR = 1,94; 95 % CI; 1,16–3,25). Die Wahrscheinlichkeit, vorzeitig an der Erkrankung zu versterben, stieg bei einem Vitamin-D-Mangel um 73 Prozent (HR = 1,73; 95 % CI; 1,05–2,86). #235_236{siditKDY5iH} Bei Brustkrebspatientinnen konnte unter einer anthrazyklin- und taxanhaltigen Polychemotherapie ein deutlicher Abfall des 25(OH)D-Spiegels beobachtet werden. Einige Zytostatika (z. B. Cyclophosphamid, Paclitaxel) sind Liganden des Pregnan-X-Rezeptors und können dadurch über die Induktion der 24-Hydroxylase den enzymatischen Abbau von 25(OH)D und 1,25(OH)2D im Verlauf der Chemotherapie steigern. Docetaxel ist ein bekannter Auslöser kutaner Nebenwirkungen und Geschmacksstörungen. Ein Vitamin-D-Mangel kann das Auftreten einer chemotherapieinduzierten Mukositis und Dysgeusie begünstigen. In Fallberichten konnten mukokutane Nebenwirkungen (z. B. Stomatitis) und Geschmacksstörungen, die bei Krebspatienten unter einer Polychemotherapie mit TCH (T: Docetaxel, C: Carboplatin, H: Trastuzumab) oder FOLFOX6 auftraten, erfolgreich durch die Supplementierung mit Vitamin D behandelt werden. Auch Arthralgien und Fatigue unter der Therapie mit Aromatasehemmern wie Letrozol konnten durch die labordiagnostisch validierte Supplementierung von Vitamin D (z. B. 50 000 I. E. Vitamin D/Woche für 12 Wochen, p. o.) bei Brustkrebspatientinnen mit Vitamin-D-Mangel deutlich gelindert werden. Ähnliche Ergebnisse liegen zum Einsatz von Bisphosphonaten vor. Die ossäre Wirksamkeit der Bisphosphonate wird bei einem adäquaten Vitamin-D-Status (25(OH)D ≥ 33 ng/ml) verbessert. Dies könnte damit zusammenhängen, dass erst ab einem 25(OH)D-Spiegel von ≥ 40 ng/ml kein Anstieg der Parathormonspiegel mehr nachweisbar ist. #236.02{sidJpbIrRvr} Hinweis: Der Vitamin-D-Status sollte bei allen Krebspatienten (25(OH)D, Serum) kontrolliert und durch adäquate Supplementierung kompensiert werden (25(OH)D-Zielwert: 40–60 ng/ml bzw. 100–150 nmol). Dies gilt insbesondere für Krebspatienten mit schlechtem Ernährungsstatus, Therapien mit anthrazyklin- und taxanhaltigen CTX sowie bei muskulären, mukokutanen Störungen, Fatigue und Tumorkachexie. #236.03{sidZUY4dXbY} Arzneimittel und Vitamin D #236.04{siddYOH0dKj} Arzneimittelinduzierte Störungen des Vitamin-D-Haushalts erscheinen im Hinblick auf das hohe präventivmedizinische Potenzial des Sonnenvitamins im neuen Licht. Von zahlreichen Arzneimitteln ist bekannt, dass sie mit dem Vitamin-D-Stoffwechsel interferieren. Ein arzneimittelinduzierter Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) kann sich unter anderem in einem sekundären Hyperparathyreoidismus, Störungen der Knochenmineralisierung bis hin zur Osteoporoseentstehung äußern. Bekannte Beispiele hierfür sind die antiepileptika-, corticoid- oder virustatikainduzierte Osteopathie. #237.01{sidUFKKAw9N} Arzneistoffe, wie das Antiepileptikum Phenytoin oder das Glucocorticoid Dexamethason können den Pregnan-XRezeptor stimulieren und hierüber die 24-Hydroxylase (24-OHase) aktivieren. Die 24-OHase baut 25-OH-Vitamin D und 1,25-(OH)2-Vitamin D in nicht mehr Stoffwechselaktive Vitamin-D-Metaboliten ab. Vitamin D wird dadurch inaktiviert und verliert seine Stoffwechselfunktion. Das bedeutet: Arzneistoffe, die den Pregnan-X-Rezeptor stimulieren können potenziell alle negativen Folgen auslösen, die mit einem Vitamin-D-Mangel assoziiert sind. Ein arzneimittelbedingter Vitamin-D-Mangel äußert sich vor allem auf der Ebene des Knochen- und Muskelstoffwechsels, kann aber auch das Immunsystem und das Herz-Kreislauf-System betreffen. #237.02{sidTGRQfJug} Tab. 15.2 Arzneistoffe, die den Pregnan-X-Rezeptor (PXR) aktivieren können (Auswahl) HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #237.03{sid1DzBG8D5} Beispiele PRX-Liganden #237.04{sidFmWZDkzP} Cyproteronacetat Androgenrezeptor-Antagonisten #237.05{sid3bbSH3rA} Phenytoin, Carbamazepin Antiepileptika #237.06{sidKxKJeTE4} Tamoxifen Antiestrogene #237.07{sidhZjp5ZpA} Nifedipin, Spironolacton Antihypertonika #237.08{sidZPYvwvvG} Clotrimazol Antimykotika #237.09{sidXhHm8FiB} Antiretrovirale AM (NNRTI/Proteasehemmer) #237.10{sid2pBI1nC6} Efavirenz, Nevirapin/Ritonavir, Saquinavir Rifampicin Antituberkulotika #237.11{sid2tJWWvY3} Dexamethason Glucocorticoide #237.12{sid08AWNSPG} Kava kava, Johanniskraut (Hyperforin) Phytopharmaka #237.13{sidH94C0GWj} Cyclophosphamid, Paclitaxel Zytostatika #237.14{sid6EGQY28K} Hinweis: Grundsätzlich sollte bei jeder Langzeitmedikation der Vitamin-D-Status des behandelten Patienten kontrolliert werden, da bisher noch nicht alle Agonisten des Pregnan-X-Rezeptors unter den Arzneistoffen, die Vitamin D abbauen können, beschrieben worden sind. Ein optimaler 25-OH-Vitamin-D-Status liegt bei 40–60 ng/ml bzw. 100–150 nmol/l! #237.15{sidBf7XR6ny} Schlussbemerkung: Dem Vitamin-D-Mangel sollte in der ärztlichen und pharmazeutischen Praxis größere Aufmerksamkeit als bisher geschenkt werden. Die bisher vorliegenden Daten zu Vitamin D aus experimentellen, ökologischen, Fall-Kontroll-, Retro- und prospektiven Beobachtungsstudien sowie kleineren Interventionsstudien sind beachtlich und bescheinigen dem Sonnenvitamin eine essenzielle Rolle bei einer Vielzahl von physiologischen und präventivmedizinischen Funktionen, inklusive neuropsychiatrischer Erkrankungen. Die Ergebnisse dieser Studien rechtfertigen in jedem Fall die Empfehlung den Vitamin-D-Status bei Kindern und Erwachsenen allgemein durch einen gesunden Umgang mit der Sonnenlicht-Exposition, dem Verzehr Vitamin-D-haltiger Lebensmittel und der Supplementierung von Vitamin-D-Präparaten zu verbessern. Insbesondere die Wechselwirkung zwischen Vitamin D und Arzneistoffen muss labordiagnostisch kontrolliert und durch ausreichend hohe Vitamin-D-Dosierung (40–60 I. E. Vitamin D pro kg KG/d, p. o.) kompensiert werden. #238.01{sidvc0S3R0C} Antiepileptikainduzierte Hypovitaminose D #238.02{sidGYGk4j2G} In der Klinik und Praxis werden Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Vitamin D viel zu wenig berücksichtigt. Selbst beim Auftreten arzneimittelinduzierter Knochenschäden werden therapeutische Strategien nur unzureichend umgesetzt. Patienten mit Epilepsie haben ein zwei- bis sechsmal höheres Risiko für Knochenfrakturen als die Normalbevölkerung. Das erhöhte Frakturrisiko ist vergleichbar mit demjenigen unter einer Steroidlangzeittherapie. Bei bis zu 50 % der langfristig mit Antiepileptika behandelten Patienten ist eine antiepileptikainduzierte Osteopathie nachweisbar. Antiepileptika können über verschiedene Mechanismen die Pathogenese einer antiepileptischen Osteopathie (Osteopathia antiepileptica) begünstigen □ Tab. 15.3). #238.03{sid3Hq1aKXR} Tab. 15.3 Mechanismen der antiepileptikainduzierten Osteopathie (Auswahl) #238.04{sidYlh6Pf0Q} Mechanismus Antiepileptika (Beispiele) #238.05{sid1GS8iatb} Enzyminduktoren (PXRLiganden): Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Primidon PXR vermittelte Induktion mikrosomaler Enzyme in der Leber: 24-Hydroxylase (CYP24A1) steigert den Abbau von 25(OH)D und 1,25(OH)2D #238.06{sidqwqCDjUn} Reduktion der intestinalen Calciumresorption und der renalen Calciumrückresorption, Hypocalcämie, sekundärer HPTH, Hemmung der Osteoblasten-Aktivität, erhöhte biliäre Vitamin-D-Exkretion (Ausscheidung mit Gallensäuren) #238.07{sid5Ku1NX2x} Suppression der Vitamin-D-25-Hydroxylase durch Phenobarbital #238.08{sidLNHWR8VV} Hemmung des Vitamin-K-Metabolismus, Reduktion von IGF-1 und IGFB-3, Erhöhung von SHBG #238.09{sidmJi2nAdb} Carbamazepin, Phenytoin #238.10{sido06wTfw4} Phenytoin Toxische Effekte auf die Osteoblasten Hemmung der Calcitonin-Sekretion, Hemmung der Osteocalcin-Sekretion in Osteoblasten, Vitamin-K-Mangel #238.03{sid3Hq1aKXR} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 15.3 Mechanismen der antiepileptikainduzierten Osteopathie (Auswahl) #238.04{sidYlh6Pf0Q} Mechanismus Antiepileptika (Beispiele) #238.11{siduMohupZY} Valproinsäure, Carbamazepin #238.12{sid8T0EDxWV} Valproinsäure Erhöhte Osteoklastenaktivität: Verschiebung des Aktivierungsgleichgewichts zwischen Osteoblasten und Osteoklasten zugunsten der Osteoklasten Renal-tubuläre Dysfunktion, erhöhte renale Calcium- und Phosphatverluste, Reduktion von IGF-1, erhöhter Knochenturnover #238.13{sidsLVNX91W} Antiepileptikabedingte Störungen der Knochenintegrität werden wesentlich von der Art, der Dosierung und der Dauer der antiepileptischen Therapie beeinflusst. Ein dosisabhängig erhöhtes Risiko für Frakturen wird vor allem unter Carbamazepin, Oxcarbazepin, Clonazepam, Phenobarbital, Phenytoin, Primidon und Valproinsäure beobachtet. Bei der Pathogenese antiepileptikainduzierten Osteopathien spielt die Interaktion mit dem Vitamin-DHaushalt eine zentrale Rolle. Die Enzyminduktoren Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin und Primidon sind Liganden des Pregnan-X-Rezeptors (PXR) und können auf diese Weise die Expression des 24-Hydroxylase-Gens hochregulieren (○Abb. 15.11). Der PXR weist zu 60 % eine Homologie in der DNA-bindenden Domäne mit dem Vitamin-D-Rezeptor (VDR) auf und wird vom GIT, den Nieren und der Leber exprimiert. PXR vermittelt die Induktion von CYP2 und CYP3, den Cytochrom-P450-abhängigen Enzymen, die an der Biotransformation zahlreicher Arzneimittel beteiligt sind. #239.01{sidmszLVHyn} Abb. 15.11 Induktion der 24-Hydroxylase durch PXR-Liganden mit der Folge des Abbaus von Vitamin D #238_239{sids4eO4dSL} Die 24-Hydroxylase steigert den Abbau von 25-OH-Vitamin-D und 1α,25-(OH)2-Vitamin D. Pathobiochemisch machen sich die PXR-Liganden vor allem durch einen Abfall der 25-OH-Vitamin-D- bzw. 1α,25-(OH)2-Vitamin-DSpiegel, Hypocalcämie, sekundärem Hyperparathyreoidismus (PTH) und erhöhtem Knochenturnover mit Abnahme der Knochendichte bemerkbar. Die Exkretion von Pyridinium-Crosslinks kann als Zeichen der erhöhten Knochenresorption ansteigen. Abnehmende Knochendichte (Lendenwirbelsäule L 2–L 4) und Knochenzellproliferation sind mit einem signifikant erhöhten Frakturrisiko verbunden. Außer den genannten Antiepileptika zählen auch folgende Arzneistoffe zu den PXR-Liganden: Dexamethason, Clotrimazol, Cyclophosphamid, Nifedipin, Paclitaxel, Rifampicin, Tamoxifen und Troglitazon. #239.02{sidsX545qIV} Auch unter den moderneren Antiepileptika wie Gabapentin, Lamotrigin und Leviracetam kann eine medikationsinduzierte Osteopathie nicht ausgeschlossen werden. Generell sollte bei einer Therapie mit enzyminduzierenden bzw. nichtenzyminduzierende Antiepileptika ein- bis zweimal jährlich der Vitamin-D-Status anhand der 25(OH)D-Spiegel im Serum (Referenz: 40–60 ng/ml) kontrolliert und gegebenenfalls durch gezielte Supplementierung (z. B. 4 000 I. E. Vitamin D/Tag, p. o.) ausgeglichen werden, um eine antiepileptikainduzierte Osteopathie oder Myopathie zu vermeiden. #239.03{sidxQqUavVF} 15.1.2 Antiepileptika und Vitamin D #239.04{sid92gJ7id9} Vitamin-D-Mangel durch Antiepileptika #239_240{sidvLmJNz2H} Mechanismus: Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital und Primidon steigern als Enzyminduktoren die Metabolisierung und den Abbau von Vitamin D durch Induktion mikrosomaler P450-Enzyme in der Leber (→ PXRinduzierte Aktivierung der 24-Hydroxylase) und erhöhen die biliäre Vitamin-D-Ausscheidung. Weitere durch Antiepileptika induzierte Störungen: Verringerung der intestinalen Calciumabsorption und renalen Calciumrückresorption; Hemmung der Calcitoninsekretion (z. B. Phenytoin); direkt toxische Effekte auf Osteoblasten (z. B. Carbamazepin, Phenytoin); Störungen der Knochenmineralisation (Osteocalcin ↓). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #240.01{sidVY2wCGOE} Folgen: Abfall der 25-(OH)-D- (< 75 nmol/l) und 1,25-(OH)2D-Serumspiegel; erhöhte renale und intestinale Calciumverluste; Hypocalcämie (→ Anstieg des Parathormonspiegels: Osteolyse). Erhöhte Ausscheidung von Pyridinium-Crosslinks im Urin (Marker für die Knochenresorption); Osteocalcinkonzentration im Serum ↓; Anstieg der alkalischen Serum-Phosphatase; Hypophosphatämie (Carbamazepin); Abnahme der Knochendichte und zellproliferation; erhöhtes Frakturrisiko, antiepileptische Osteopathien (Osteopathia antiepileptica), proximale Muskelschwäche. #240.02{sidsCc97DAI} Hinweis: Bei einem Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) sollte die Vitamin-D-Initialdosis (VDI) in I. E. berechnet werden: Die errechnete Vitamin-D-Initialdosis (VDI) sollte gleichmäßig etwa auf 10 Tage verteilt werden. Im Anschluss sollten täglich 50–60 I. E. Vitamin D pro kg KG eingenommen werden. Eine Erfolgskontrolle der Vitamin-D-Therapie sollte frühestens nach 6–8 Wochen labordiagnostisch durch die Messung des 25(OH)D im Serum überprüft werden. Da Antiepileptika auch mit dem Haushalt anderer knochenwirksamer Mikronährstoffe (Vitamin K, Calcium, Zink) interferieren, empfiehlt sich als Basis ein oral einzunehmendes Kombinationspräparat von Vitamin D mit z. B. Calcium (600–1 000 mg tgl.), Vitamin K (als MK-7 µg pro kg KG/d), Vitamin C (200–500 mg tgl.) und Zink (20–50 mg tgl.). #240.03{sidwFlZIUz5} Unter der Therapie mit Antiepileptika, auch den neueren Antiepileptika wie Lamotrigin, sollte regelmäßig die Knochendichte (DXA-Messmethode) und alle 6 Monate der 25-(OH)-D-Serumspiegel (optimal: 100–160 nmol/l) kontrolliert werden. Eine Hypercalcämie wurde in seltenen Fällen bei Calcidiol-Werten > 220 nmol/l beobachtet. Mit dem Auftreten toxischer Wirkungen ist erst ab 25(OH)D-Spiegeln > 150 ng/ml (375 nmol/l) zu rechnen. #240.04{sidJDPXAS1b} Neben Mangel an Vitamin D und Calcium sind auch erhöhte Homocysteinspiegel ein Risikofaktor für Osteoporose (Rotterdam-Studie). Valproinsäure führt ebenfalls zu Störungen der Knochenmineralisation. Im Unterschied zu anderen Antiepileptika weist Valproinsäure jedoch keine enzyminduzierenden Eigenschaften auf. Die Serumspiegel von Carbamazepin, Primidon, Phenytoin und Phenobarbital können bei Kombination mit Valproinsäure ansteigen (z. T. Abbauhemmung infolge Inhibition metabolisierender Enzyme). #240.05{sidKV9DFO0S} Fallbeispiel #240.06{sidqAsTHAyr} Ein 6-jähriges Mädchen, das seit etwa zwei Jahren mit Phenytoin (Dosierung: 5 mg/kg KG/d) aufgrund einer generalisierten Epilepsie behandelt wird, hat Schwierigkeiten beim Gehen und Treppensteigen, ein breitbasiges Gangbild und leidet unter Muskelschwäche der unteren Extremitäten (→ proximale Muskelschwäche). Die körperliche Untersuchung ergibt einen normalen Muskeltonus und keinerlei äußere Anzeichen eines Vitamin-DMangels. Im Rahmen der Muskelfunktionsprüfung der Hüftflexoren/-extensoren wird eine verminderte Muskelkraft festge stellt (→ 3/5 der normalen Muskelkraft). Die neurologische Untersuchung weist auf Gowers Zeichen einer Rumpfmuskelschwäche hin. Bei der Knochendichte-Bestimmung (DXA: Becken, Handgelenk) finden sich keine Anzeichen von Rachitis oder Osteoporose. Die Messung knochenspezifischer Laborparameter ergibt einen ausgeprägten Vitamin-D-Mangel (25(OH)D: 5 ng/ml) mit sekundärem Hyperparathyreoidismus (488 ng/l, □ Tab. 15.4). Erhöhte PTH-Spiegel wirken im Tierversuch muskelkatabol. Nach der 1. Messung wird das Mädchen mit 60 000 I. E. Vitamin D/d, p. o. für einen Zeitraum von zehn Tagen behandelt (kumulative Dosis: 600 000 I. E. Vitamin D/10 Tage). Phenytoin wurde langsam abgesetzt. Nach einer Woche war das Mädchen wieder in der Lage normal zu gehen und Treppen zu steigen. Nach drei Wochen ging die Muskelschwäche deutlich zurück und es verbesserte sich auch ihr Gangbild. Eine Kontrolle des Vitamin-D-Status und anderer Laborparameter (2. Messung) erfolgte nach vier Wochen. Bemerkenswert ist, dass die Patientin auch ein Jahr später nach Absetzen des Phenytoins in guter Verfassung ist. #241.01{sidN8NAauRn} Tab. 15.4 Messung knochenspezifischer Laborparameter #241.02{sidDVXurQJF} Referenzbereich 1. Messung 2. Messung 30–60 5 39,11 10–69 488 25,5 8,8–10,8 8,1 9 223–635 1 622 809 Parameter #241.03{sidQBuBlc18} 25(OH)D (ng/ml) #241.04{sidqXFBosO3} Parathormon (ng/l) #241.05{sidWmpfqxOU} Calcium (mg/dl) #241.06{sidVdlvktYM} Alkalische Phosphatase (U/l) #241.07{sidXL43xTGd} 15.2 Antiepileptika und Mikronährstoffe #241.08{sid8UgSufKF} 15.2.1 Antiepileptika und Folsäure #241.09{sidOnZZNpOk} Folsäuremangel durch Antiepileptika (z. B. Primidon, Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital) #241.10{sidtRY4eFa8} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Mechanismus: Störungen der intestinalen Folsäureresorption und Hemmung der intestinalen Dekonjugation. (Mikroklimahypothese: Folsäureresorption ist bei pH von 6,0 optimal; zwischen 6,3 und 7,6 fällt Resorption signifikant ab); Phenytoin hemmt die Dekonjugase im Bürstensaum der Mukosazellen, die Folsäurepolyglutamate in bioverfügbare Monoglutamate überführt; verminderte diätetische Folsäurezufuhr; erhöhter Katabolismus durch enzyminduzierende Antiepileptika; Primidon interferiert mit der Konversion von Folsäure in 5-MethylTetrahydrofolsäure (5-Methyl-THF); Lamotrigin ist ein schwacher Inhibitor der Dihydrofolat-Reduktase. #241.11{sidRlFzUxWy} Folgen: Abfall der Folsäurespiegel im Plasma und Erythrozyten (< 250 ng/ml); Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l); hypersegmentierte neutrophile Granulozyten; makrozytäre hyperchrome Anämie (Megaloblasten-Anämie); Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit, depressive Verstimmungen (→ Homocystein); Myelopathien; Polyneuropathien; Symptome zerebraler Atrophie; Entzündungen der Mund- und Lippenschleimhaut; Gingivahyperplasien (zu etwa 25–40 % bei Phenytoin): Zahnfleischwucherungen, vor allem am Oberkiefer. #241.12{sidMFy34aWg} Hinweis: Über die Hälfte der mit Antiepileptika behandelten Patienten weist Störungen im Folsäurehaushalt auf. Unter antikonvulsiver Therapie sollte daher eine regelmäßige Supplementierung von Folsäure bzw. 5-Methyl-THF (0,4–1 mg tgl., p. o.) erfolgen. Da auch der Vitaminstatus anderer Vitamine aus der Gruppe der B-Vitamine (z. B. Thiamin, Riboflavin, Pyridoxin, Biotin, Cobalamin) durch Antiepileptika gestört wird empfiehlt sich generell die Folsäuresubstitution in Form eines Vitamin-B-Komplexes. #241.13{sid5Mpi4svr} Cave #241.14{sidFzMRzCvK} Folsäure kann in Dosen über 1 mg täglich den oxidativen Phenytoinabbau beschleunigen und dadurch die antiepileptische Wirkung abschwächen. #241.15{sidFlCkGvwR} Frauen mit Kinderwunsch: Bei mit Antiepileptika behandelten Frauen mit Kinderwunsch wird zur Prävention von Neuralrohrdefekten eine Folsäuregabe von 5 mg tgl. (Anfangsdosis: 0,8–1 mg; Beginn: drei Monate vor Konzeption) und wenigstens während des gesamten ersten Schwangerschaftsdrittels empfohlen (siehe ▸ Kap. 4.1.1). Das Risiko einer Spina bifida ist gegenüber der Normalbevölkerung bei epileptischen Schwangeren erheblich erhöht! Fruchtschädigungen nach Einnahme von Valproinsäure werden auch mit einem Zinkdefizit in Zusammenhang gebracht. #241_242{sidJYTdqA6I} Phenytoininduzierte Gingivahyperplasie: Die häufig unter Phenytoin auftretende Gingivahyperplasie ist mit einer Verminderung der Folsäure- und Biotinspiegel assoziiert. Die Häufigkeit und Schwere der durch Phenytoin induzierten Zahnfleischwucherungen kann durch begleitende Folsäuregabe und gute Mundhygiene verringert werden. Folsäure sollte im Abstand von wenigstens zwei Stunden zu Phenytoin eingenommen werden. Auch die topische Applikation auf die Mundschleimhaut in Form folsäurehaltiger (0,1%iger) Mundspülungen und Salben eignet sich zu Behandlung der Gingivahyperplasie. #242.01{siduwvr7kae} 15.2.2 Phenytoin und Folsäure #242.02{sid5Dcx4wuQ} Folsäure schwächt die antiepileptische Wirkung von Phenytoin ab #242.03{sidRAFifVov} Mechanismus: Folsäure kann in hoher Dosierung (> 1 mg tgl.) den oxidativen Phenytoin-Metabolismus (→ paraHydroxylierung) in der Leber steigern und damit die antikonvulsive Wirkung des Antiepileptikums abschwächen. #242.04{sid5JJceOvs} Folgen: Abfall der Phenytoinplasmaspiegel; erhöhte renale Exkretion von Phenytoinmetaboliten (5-(phydroxyphenyl)-5-phenylhydantoin, 5-(3,4-dihydroxyphenyl)-5-phenylhydantoin); erhöhtes Risiko für epileptische Anfälle. #242.05{sid2SHs7RCq} Hinweis: Unter der Therapie mit Phenytoin sollten möglichst keine Folsäuredosen über 1 mg tgl. gegeben werden, da die antiepileptische Wirkung dadurch abgeschwächt und damit das Risiko für epileptische Anfälle erhöht werden kann! Folsäure sollte mit einem Abstand von wenigstens zwei Stunden zu Phenytoin eingenommen werden. #242.06{sidSZPyEVLG} Studien: In einer Studie an Frauen unter antiepileptischer Therapie mit Phenytoin wurde der Einfluss einer täglichen Supplementierung von 1 mg Folsäure auf die Steady-state-Plasmaspiegel des Antiepileptikums sowie auf die Ausscheidung von Phenytoinmetaboliten untersucht. Die Phenytoinplasmaspiegel sanken nach Gabe von 1 mg Folsäure zwischen 7,5 und 47,6 %. Der Quotient aus Phenytoinmetaboliten und Phenytoin im Urin stieg als Zeichen einer erhöhten oxidativen Metabolisierungsrate bei den Probanden mit verringertem Plasmaspiegel an Phenytoin deutlich an. Der antiepileptische Wirkspiegel von Phenytoin oder Phenobarbital kann auch durch hohe Vitamin-B6Dosen (80–400 mg tgl.) abfallen (→ Induktion Vitamin-B6-abhängiger Biotransformationen der Antiepileptika). #242.07{sidWNSAwiix} 15.2.3 Antiepileptika und Homocystein #242.08{sid0NO4Ezcy} Antiepileptikainduzierte Hyperhomocysteinämie #242.09{sidJ1GwHewn} Mechanismus: Abfall der Folsäurespiegel in Plasma und Erythrozyten. Einschränkung der zellulären Entgiftungskapazität durch antiepileptikabedingten Mangel an Riboflavin (→ MTRF-Reduktase), Vitamin B6 (→ Cystathionin-β-Synthase) und Vitamin B12 (→ Methionin-Synthase). #242.10{sid9oyvKLMa} Folgen: Beeinträchtigung der Folsäure- und Vitamin-B12-abhängigen Methylierungsreaktionen mit HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l); Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit, depressive Verstimmungen; erhöhtes Risiko für Thromboembolien, Schlaganfall, mentale Retardierung und/oder Demenz, Osteoporose. #242.11{sidrCysVvIC} Hinweis: Unter der Therapie mit Antiepileptika (Carbamazepin, Primidon, Phenytoin, Phenobarbital) empfiehlt sich die regelmäßige Supplementierung von Folsäure (0,4–1 mg tgl., p. o.) zusammen mit Vitamin B6 und B12 (siehe auch ▸ Kap. 15.2.1, 15.2.4). Neben einem Mangel an Vitamin D und Calcium bilden auch ein Mangel an Vitamin B12 sowie erhöhte Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für Osteoporose. #242.12{sidET9Zm02K} 15.2.4 Antiepileptika und Thiamin #242.13{sidD5qZ73f8} Thiaminmangel unter Phenytoin und/oder Phenobarbital #242.14{sid8xxalnLR} Mechanismus: Unzureichende diätetische Zufuhr; Störung der Resorption/Utilisation; möglicherweise erhöhte Metabolisierung und Abbau durch antiepileptikabedingte Enzyminduktion in der Leber. #242_243{sidXBlktUZ8} Folgen: Abfall der Thiaminblutspiegel und verminderte Aktivität der erythrozytären Transketolase. Multiple neurologische Störungen: Abfall der geistigen Leistungsfähigkeit, Muskelschwäche, Müdigkeit, zentral bedingte Koordinationsstörungen, Neuropathien, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Merkfähigkeitsstörungen. #243.01{siddG4iDFCr} Hinweis: Unter der Langzeittherapie mit Antiepileptika wie Phenytoin und Phenobarbital ist eine regelmäßige Supplementierung von Thiamin (10–50 mg tgl., p. o.) in Form eines Vitamin-B-Komplexes sinnvoll. #243.02{sidP29m6n1l} Studien: Zum Ausgleich eines Thiaminmangels, insbesondere bei Polyneuropathien, empfiehlt sich die Gabe des lipidlöslichen und hoch bioverfügbaren Thiamin-Prodrugs Benfotiamin (300–600 mg tgl., p. o.). Polyneuropathien treten nach Phenytoin, Phenobarbital, Carbamazepin und Valproinsäure mit einer Häufigkeit von etwa 50 % auf. Neben Vitamin B1 sollte hierbei auch an eine ausreichende Zufuhr der neurotropen Vitamine Folsäure, Pyridoxin und Cobalamin gedacht werden. In einer Studie an 72 Patienten, die Phenytoin alleine oder in Kombination mit Phenobarbital über vier Jahre eingenommen hatten, wiesen über 30 % verringerte Thiaminblutspiegel auf. Die mentalen und neuropsychologischen Funktionen der Epileptiker wurden durch die Gabe von 50 mg Thiamin tgl. (p. o.) signifikant verbessert. Vitamin B1 ist an der Reizleitung und -übertragung von Nervenimpulsen im zentralen und peripheren Nervensystem sowie am Neurotransmitterstoffwechsel des adrenergen, cholinergen und serotonergen Systems beteiligt. Da Nervenzellen ihren Energiebedarf überwiegend durch Oxidation von Kohlenhydraten decken, ist Thiamin für den neuronalen Energiestoffwechsel unentbehrlich. #243.03{sid12dqUvKZ} 15.2.5 Antiepileptika und Biotin #243.04{sid3b6NEbb4} Biotinmangel unter Phenytoin und/oder Phenobarbital #243.05{sidVI8udumE} Mechanismus: Inhibierung der intestinalen Biotinresorption (kompetitive Hemmung durch Carbamazepin, Primidon) sowie Störungen der metabolischen Funktion und Utilisation; erhöhter Biotinkatabolismus und renale Exkretionrate. #243.06{sidqNqiUANm} Folgen: Abfall der Biotinblutspiegel. Verminderte Aktivtät biotinabhängiger Carboxylasen (z. B. PyruvatCarboxylase, Acetyl-CoA-Carboxylase). Anstieg der Lactatserumspiegel (v. a. Carbamazepin); Biotinmangelsymptome: Dermatitis, Haarausfall, brüchige Nägel, Anämie, Ataxie, Neuropathien, zerebrale Störungen; möglicherweise auch Gingivahyperplasie und erhöhte Fehlbildungsrate bei Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft mit Antiepileptika behandelt wurden. #243.07{sid4pkowjup} Hinweis: Unter der Langzeittherapie mit Antiepileptika wird eine regelmäßige Supplementierung von Biotin (0,5–5 mg tgl., p. o.) in Form eines Vitamin-B-Komplexes empfohlen. #243.08{sidnL1Auua6} Unter Langzeittherapie mit Antiepileptika wird ein Abfall der Biotinblutspiegel, eine verringerte renale Exkretion von Biotinmetaboliten sowie eine eingeschränkte Aktivität biotinabhängiger Carboxylasen beobachtet. Die Antiepileptika Carbamazepin und Primidon hemmen die intestinale Biotinabsorption. Phenobarbital, Phenytoin und Carbamazepin steigern die renale Biotinausscheidung. Die antiepileptische Therapie mit Valproinsäure führte bei Kindern zu einer verminderten Biotinidase-Aktivität. #243.09{sid3secpQs6} 15.2.6 Antiepileptika und Vitamin K #243.10{sidzb2Bnyka} Vitamin-K-Mangel durch Antiepileptika (insbesondere bei Schwangeren, Vitamin-K-Prophylaxe für Neugeborene) #243.11{sidy2RgHlAE} Mechanismus: Abbaubeschleunigung infolge der Induktion metabolisierender Enzyme (Phenytoin, Phenobarbital). Der Mechanismus ist jedoch noch weitgehend unbekannt; möglicherweise besteht eine enge Relation zum Stoffwechsel von Folsäure (→ Einfluss auf Vitamin-K-Epoxidreduktase) und Biotin (→ Carboxylierung von Blutgerinnungsfaktoren). #243.12{sidzzxAAmzx} Folgen: Gestörte Synthese von Blutgerinnungsfaktoren, Vitamin-K-Mangelblutungen beim Neugeborenen (Morbus hämorrhagicus); Anstieg des untercarboxylierten Osteocalcins (Marker für latenten Vitamin-K-Mangel; erhöhtes Risiko für Frakturen). #244.01{sidUgug2uQ8} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Hinweis: Zur Prävention von Blutungen beim Neugeborenen, die durch einen Mangel an Vitamin K bedingt sind, sollten Schwangere, die Antiepileptika (auch Antituberkulotika) einnehmen, 48 Stunden bis einige Stunden vor der Entbindung 10–20 mg Vitamin K1 oral erhalten. Neugeborene sollten 1 mg pro kg KG intramuskulär am 1. und 2. Lebenstag erhalten. Empfohlen wird auch eine Bestimmung der Konzentration des Prothrombinkomplexes im Nabelschnurblut. Da Vitamin K nicht nur für die normale Blutgerinnung, sondern auch für den Knochenstoffwechsel von Bedeutung ist, wird unter antepileptischer Therapie generell eine regelmäßige Vitamin-K-Zufuhr (100–500 µg tgl., p. o.) zusammen mit anderen knochenwirksamen Mikronährstoffen (Vitamin D, Calcium, Zink) empfohlen. #244.02{sidrT5gOu9p} 15.2.7 Antiepileptika und Vitamin E #244.03{sidMh8rzzoU} Vitamin E kann die antiepileptische Wirksamkeit verbessern #244.04{sidmMoR2IPl} Mechanismus: Mögliche Ursachen sind antiepileptikabedingte Störungen antioxidativer Schutzmechanismen sowie erhöhte Lipidperoxidationsrate. #244.05{sidMqlDtAhL} Folgen: Erniedrigte Vitamin-E-Serumspiegel; Abfall der SOD-Aktivität; Anstieg der Malondialdehyd-(MDA)Konzentrationen im Serum. Möglicherweise Zunahme der Anfallshäufigkeit und Therapieresistenz sowie erhöhtes neurotoxisches Risiko (z. B. psychomotorische Störungen). #244.06{sidfzWo73zo} Hinweis: Unter der antiepileptischen Therapie ist ein adjuvante Gabe von Vitamin E (500 I. E. tgl., p. o.) zusammen mit anderen Antioxidanzien (Vitamin C, Selen, Coenzym Q10) sinnvoll. Gleichzeitig sollte auf eine gute Versorgung mit den Cofaktoren antioxidativer Schutzenzyme wie Selen (GSH-Px), Zink und Kupfer (SOD) geachtet werden. Phenytoin kann aufgrund seiner chelatisierenden Eigenschaften zu einer Verarmung an Zink und Kupfer beitragen. #244.07{sid5kHsJn21} Studien: Bei Kindern mit Epilepsie werden unter Langzeitmedikation mit Antiepileptika niedrige Vitamin-EPlasmaspiegel beobachtet. In einer randomisierten und doppelblinden Studie an Epilepsiepatienten einer pädriatischen Klinik konnte durch die adjuvante Gabe von 293 mg Vitamin E (α-Tocopherolacetat) tgl. über einen Zeitraum von drei Monaten die Anfallshäufigkeit im Vergleich zu Placebo erheblich (60–90 %) reduziert werden. Tiermodelle zeigen, dass Injektionen von Eisensalzen in die Hirnrinde und Hippokampus oxidative Kettenreaktionen auslösen können, die zur Lipidperoxidation von Nervenzellmembranen und zur Epilepsie führen. #244.08{sidruBCsW8b} Vorbehandlung mit oral verabreichtem Vitamin E und Selen kann die histopathologischen Veränderungen als auch die elektrographische und klinische Manifestation der Anfallaktivität verhindern. Die Nervenzellmembranen des ZNS bilden aufgrund ihres hohen Gehalts an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ein reichhaltiges Substrat für Lipidperoxidationen. Oxidativer Stress spielt in der Pathogenese und Progression neurodegenerativer Erkrankungen wie Epilepsie eine wichtige Rolle. Als kettenbrechendes Antioxidans besitzt Vitamin E ausgeprägte neuroprotektive Eigenschaften. Unter einer antikonvulsiven Therapie mit Valproinsäure kann auch ein Abfall der Selenspiegel im Plasma auftreten. #244.09{sid36vqBIiG} 15.2.8 Valproinsäure und L-Carnitin #244.10{sideKhhEiI4} Iatrogener Carnitinmangel durch Valproinsäure ▸ Kap. 5.6.1) #244.11{sidRlo1mvrv} Mechanismus: Valproinsäure (VPS) führt zu renalen Carnitinverlusten durch erhöhte Ausscheidung von ValproylCarnitin-Estern; VPS bindet Coenzym A (als Thioester: Valproyl-CoA) und blockiert Coenzym-A-abhängige Stoffwechselwege. VPS stört die zelluläre Carnitinaufnahme über Hemmung der Aktivität membranständiger Carnitin-Transporter (z. B. Carnitin-Acylcarnitin-Translokase, CAT); Lipidperoxidation. #244_245{sidzFtc2Kvi} Folgen: Abfall der Plasmaspiegel an freiem Carnitin (< 35 µmol/l); erhöhte Acyl-Carnitin: Gesamt-Carnitin-Ratio im Urin sowie verminderte tubuläre Rückresorption von freiem Carnitin. Valproyl-Carnitin-Ausscheidung führt zu iatrogenem Carnitinmangel. Mitochondriale Dysfunktion: Carnitinmangel reduziert Energiebereitstellung aus BetaOxidation und hemmt CoA-abhängige Stoffwechselprozesse (z. B. Gluconeogenese). #245.01{sid6oXURRcb} Erhöhtes Risiko für valproinsäureinduzierte Leberschäden; Hyperammonämie (vor allem bei Kindern); Muskelschwäche, Myalgien, Fatigue, Kardiomyopathie. #245.02{sidFQ0nnFq4} Hinweis: Unter der Therapie mit Valproinsäure (vor allem bei Kindern) empfiehlt sich die regelmäßige adjuvante Gabe von L-Carnitin (25–100 mg pro kg KG tgl., p. o.). #245.03{sidumnZ9biu} Studien: In einer Studie an 92 Patienten mit schweren Leberschäden durch Valproinsäure überlebten 42 % der mit Carnitin (i. v.) behandelten Patienten gegenüber 10 % der Patienten, die kein Carnitin erhielten. Die adjuvante Gabe von Carnitin beugt iatrogenen Carnitinverlusten vor und kann das hepatotoxische Potenzial der Valproinsäure verringern. #245.04{sidydy8skGF} In einer Studie an Erwachsenen war bei 76,5 % der mit Valproinsäure behandelten Epileptiker ein Carnitinmangel nachweisbar, gegenüber 21,5 % derjenigen, die mit anderen Antikonvulsiva behandelt wurden. Zu den häufigsten Nebenwirkungen der Valproinsäure zählen Antriebslosigkeit, Müdigkeit, gastrointestinale Beschwerden, Hyperinsulinämie sowie eine Hyperammonämie. Bei Kindern können unter Langzeittherapie mit Valproinsäure Störungen des Leberstoffwechsels mit Hyperammonämie, Erhöhung der Lebertransaminasen, Enzephalopathien bis hin zu toxischen Lerberschäden auftreten. Die Kombination mit anderen Antikonvulsiva steigert das hepatotoxische Risiko erheblich. Diese Nebenwirkungen werden mit einer durch die langjährige Valproinsäure- Therapie induzierten Störung des Carnitinstoffwechsels in Verbindung gebracht (siehe S. 69ff.). #245.05{sidmiZxbo4h} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 15.2.9 Phenobarbital und Nicotinamid #245.06{sidQemfK2oE} Nicotinamid kann antikonvulsive Wirkung von Phenobarbital verstärken #245.07{sidpj2ljY5M} Mechanismus: Nicotinamid verringert über eine Hemmung Cytochrom-P450-abhängiger Enzyme die Konversion von Primidon zu Phenobarbital. #245.08{sidcVJ5XedT} Folgen: Mögliche Verbesserung des therapeutischen Index von Phenobarbital durch Nicotinamid, Halbwertszeit von Primidon kann sich verlängern. #245.09{sidgG9R37MB} Hinweis: Das Desoxybarbiturat Primidon wird im Organismus zu Phenobarbital metabolisiert. Nicotinamid kann den therapeutischen Index von Phenobarbital steigern und könnte ein nützliches Adjuvans in der antiepileptischen Therapie mit Primidon und Phenobarbital darstellen. #245.10{sid68PGKF2K} Literatur #245.11{sid625hBS4S} Antico A, Tampoia M, Tozzoli R, Bizzaro N. Can supplementation with vitamin D reduce the risk or modify the course of autoimmune diseases? A systematic review of the literature. Autoimmun Rev, 12 (2): 127–136, 2012 #245.12{sidlv8Uhrsc} Apeland T et al. Antiepileptic drugs as independent predictors of plasma total homocysteine levels. Epilepsy Res, 47 (1–2): 27–35, 2001 #245.13{sidjohFveZq} Berg MJ et al. Phenytoin and folic acid interaction: a preliminary report. Ther Drug Monit, 5 (4): 389–394, 1983 #245.14{sidNIczUeAW} Berg MJ et al. Utilization of Km for phenytoin dosage after folate addition to patient regimen. Ther Drug Monit, 9 (3): 304–305, 1987 #245.15{sid3ku7hiiR} Bergman P et al. 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Kontrollierte klinische Studien belegen, dass eine antihypertensive Therapie auch im Alter die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität senkt. #249.03{sid7b430x25} Für die medikamentöse Hochdrucktherapie steht heute, der komplexen Blutdruckregulation entsprechend, eine große Zahl von Arzneistoffen mit vielfältigen Angriffspunkten zur Verfügung. Zu den eingesetzten Mitteln (nicht mehr alle aufgeführten sind 1. Wahl, z. B. Ca-Antagonisten) zählen Thiazide, Betablocker, ACE-Hemmer, AT1Blocker und Calciumantagonisten. Bei der Verordnung von Antihypertonika werden Interaktionen mit dem Elektrolythaushalt häufig übersehen. ACE-Hemmer und Diuretika (▸ Kap. 21) besitzen aufgrund ihres Wirkmechanismus ein hohes Interaktionspotenzial mit Magnesium, Kalium und anderen Elektrolyten. #249.04{sidzLWGJFcD} 16.1 Antihypertonika und Kaliumhaushalt #249.05{sidwz2lfyPe} Nach der Veröffentlichung der RALES-Studie über die günstigen Effekte von Spironolacton bei der Herzinsuffizienz ist die Verordnungshäufigkeit des kaliumsparenden Diuretikums in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Die RALES-Studie hatte ergeben, dass die Einnahme von Spironolacton zusätzlich zur Standardtherapie mit einem ACE-Hemmer, Diuretikum oder Herzglykosid bei der schweren Herzinsuffizienz die Mortalität verringert. #249.06{sidp8hRxBzk} Allerdings besteht die Gefahr einer Hyperkaliämie (Kaliumserumspiegel > 5,0 mmol/l), wenn Spironolacton mit einem ACE-Hemmer oder AT1-Blocker kombiniert wird. Hyperkaliämien treten dementsprechend häufig bei Patienten mit Herzinsuffizienz auf, die neben der Therapie mit einem ACE-Hemmer ein Spironolactonpräparat erhalten. Die möglichen Folgen für die Patienten können gravierend sein. Sie reichen von neuromuskulären Symptomen (z. B. Muskelschwäche, schwere Beine) über Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand. Unter einer Therapie mit Spironolacton sollte daher grundsätzlich der Kaliumserumspiegel kontrolliert werden, insbesondere dann, wenn Spironolacton mit anderen Arzneimitteln, die zusätzlich die Entwicklung einer Hyperkaliämie begünstigen können, kombiniert wird (□ Tab. 16.1). #250.01{sidFRKjGhXu} Tab. 16.1 Arzneimittel, die eine Hyperkaliämie verursachen bzw. begünstigen können #250.02{sidZdRYHh4e} Arzneistoff (Beispiel) Arzneimittelgruppe #250.03{sid61b66e3V} ACE-Hemmer #250.04{sidNBWkmSa7} Analgetika/NSAID #250.05{sidrpBsSlhB} Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonsiten (AT1-Blocker, Sartane) #250.06{sids8ItkXcx} Antibiotika (Sulfonamide) #250.07{sidDlCVbQ0n} Antikoagulanzien #250.08{sidHWr7j3A9} Antimykotika (Polyenantimykotika) #250.09{sid00eRHmlI} Herglykoside (bei Intoxikationen) #250.10{sidmw4QkFRh} Immunsuppressiva #250.11{sidTwtBe3SO} Kaliumsparende Diuretika #250.12{sid9YQdroh0} Mineralstoffpräparate Captopril, Enalapril. Fosinopril Indometacin, Ibuprofen Losartan, Valsartan, Candesartan Cotrimoxazol (Trimethoprim + Sulfametoxazol) Heparine Amphotericin B Digoxin, Digitoxin Ciclosporin, Tacrolimus Spironolacton, Triamteren, Amilorid Kaliumchlorid, -citrat #249.07{sid6MV0tK0Y} Die Kombination eines ACE-Hemmers mit dem Antibiotikum Cotrimoxazol steigert ebenfalls das Risiko für eine Hyperkaliämie. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit mit Triamteren, einem kaliumsparenden Diuretikum, kann auch Trimethoprim den Kaliumspiegel erhöhen. Bei Patienten, die ACE-Hemmer einnehmen und aufgrund einer Harnwegsinfektion mit Cotrimoxazol behandelt werden, empfiehlt es sich den Kaliumspiegel sorgfältig zu überwachen. #249.08{sidwQDAnI3a} Ein erhöhtes Risiko für eine medikationsbedingte Hypokaliämie (Kaliumserumspiegel < 3,5 mmol/l) besteht vor allem unter der Therapie mit Thiaziden und Schleifendiuretika (□ Tab. 16.2). Auch Mineralstoffstörungen (z. B. Hypomagnesiämie) können zu einer Hypokaliämie führen. #250.13{sidfd1wpIeK} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 16.2 Arzneimittel, die eine Hypokaliämie verursachen bzw. begünstigen können #250.14{sidb41Ye2tn} Arzneistoff (Beispiel) Arzneimittelgruppe #250.15{sidgBPcgWHv} Antiasthmatika (Bronchospasmolytika) #250.16{sidFoo6zJ4s} Antibiotika (Aminoglykoside) #250.17{sid3AHzQcSg} Antibiotika (Penicilline, hohe Dosierung) #250.18{sidtqZW74hs} Cortisone (hohe Dosierung) #250.19{sidcx1XS0fl} Diuretika (Thiazide) #250.20{sidOKDo3fyV} Diuretika (Schleifendiuretika) #250.21{sidovfimZUu} Laxanzien #250.22{sidO5DWBbeN} Mineralocorticoide #250.23{sid8eFec75S} Nahrungsmittel (Lakritz, größere Mengen) #250.24{sidbwmSKB8w} Zytostatika (Platinkomplexe) Theophyllin, Fenoterol, Terbutalin Streptomycin, Gentamicin Ampicillin, Amoxicillin Cortison, Hydrocortison (Cortisol) Hydrochlorothiazid, Xipamid, Indapamid, Chlortalidon Furosemid, Torasemid, Piretanid, Bumetanid Bisacodyl, Natriumpicosulfat, Anthrachinondrogen Fludrocortison Glycyrrhetinsäure, siehe ▸ Kap. 2.5 Cisplatin #251.01{sidfMshJKGW} 16.1.1 ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten und Kalium #251.02{sidnF8R71E6} Gefahr der Hyperkaliämie bei unkontrollierter Selbstmedikation mit Kaliumpräparaten #251.03{sidnumnaJot} Mechanismus: Additive Kaliumretention bei Einnahme von Kalium unter blutdrucksenkender Therapie mit ACEHemmern (z. B. Captopril) oder AT1-Antagonisten (z. B. Losartan). #251.04{sideXgEDE4S} Folgen: Hyperkaliämie (Serumkaliumspiegel > 5,0 mmol/l); Bradykardien, Arrythmien, Parästhesien, Muskelschwäche (z. B. schwere Beine). #251.05{sidwY0AIvGJ} Hinweis: Unter der Bluthochdrucktherapie mit ACE-Hemmern oder AT1-Antagonisten sollte eine unkontrollierte Einnahme hochdosierter Kaliumpräparate (> 600 mg tgl.) im Rahmen der Selbstmedikation vermieden werden. #251.06{sidNKs3mTna} 16.2 Antihypertonika und andere Arzneistoffe/Mikronährstoffe #251.07{sidYw3nKHOU} 16.2.1 ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten und Lithium #251.08{sidRTItXoFG} Verringerung der renalen Lithium-Clearance #251.09{sidTN1yDLjh} Mechanismus: ACE-Hemmer und AT1-Antagonisten verringern die renale Ausscheidung von Lithium. #251.10{sidR8hDWiAi} Folgen: Anstieg der Lithiumspiegel im Organismus; erhöhtes Risiko für neurotoxische (z. B. Tremor) und kardiotoxische (z. B. Arrhythmien) Wirkungen des Lithiums. #251.11{sidWXYmrfFl} Hinweis: Bei Patienten, die mit Lithiumsalzen therapiert werden und zusätzlich zur Blutdruckkontrolle einen ACEHemmer oder AT1-Antagonisten erhalten, sollte der Lithium-Serumspiegel engmaschig kontrolliert werden und gegebenenfalls eine Dosisanpassung erfolgen. #251.12{sidBkaOii59} 16.2.2 AT1-Antagonisten und Zink #251.13{sidUM6BtPTX} Renale Zinkverluste unter Losartan und Losartan/HCT #251.14{sidLsTU6PUP} Mechanismus: Erhöhte renale Zinkexkretion durch 50 mg Losartan, insbesondere unter die Fixkombination von 50 mg Losartan/12,5 mg HCT. #251.15{sidmNmOZqar} Folgen: Abfall der Zinkspiegel im Blut und in den peripheren mononukleären Blutzellen (z. B. Monozyten, T-Zellen), bei Langzeitmedikation erhöhtes Risiko für Störungen des Zinkstatus mit unspezifischen Zinkmangelsymptomen (z. B. Infektanfälligkeit). #251.16{sidFR1Aa7lt} Hinweis: Bei Langzeitmedikation mit Losartan, insbesondere Kombinationen mit einem Diuretikum sollte begleitend Zink (z. B. 15 mg Zink/d, p. o.) supplementiert werden, um medikationsbedingten Störungen des Zinkhaushalts entgegenzuwirken. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #251.17{sidbo8jJpuK} 16.2.3 Antihypertonika und Magnesium #251.18{sidKiSnDoKR} Dosisabhängige Senkung des Blutdrucks durch Magnesium unterstützt antihypertensive Medikation #251.19{sidlWLoEEgx} Mechanismus: Additive blutdrucksenkende Wirkung; als natürlicher Calciumantagonist wirkt Magnesium gefäßerweiternd und blutdrucksenkend; die kardiale Bioenergetik und Endothelfunktion wird verbessert und die Bioverfügbarkeit des gasförmigen Neurotransmitters Stickstoffmonoxid (→ antithrombotisch, vasodilatatorisch) durch Magnesium erhöht. #251.20{sidi23RBYey} Folgen: Der Bedarf an antiyhypertensiv wirksamen Medikamenten kann verringert und medikationsbedingte Magnesiumverluste (z. B. durch Diuretika) durch Supplementierung von Magnesium kompensiert werden. #251.21{sidmYiqsEXj} Hinweis: Neben der klassischen antihypertensiven Therapie (z. B. ACE-Hemmer, Calciumantagonisten, Diuretika) kann die Supplementierung von Magnesium (z. B. 4–6 mg Magnesium pro kg Körpergewicht pro Tag) den Bedarf an Antihypertonika verringern sowie die kardiale und vaskuläre Funktion verbessern. Optimale therapeutisch wirksame Magnesiumserumspiegel liegen bei etwa ≥ 0,85 mmol/l (Referenz: 0,76–1,15 mmol/l). #252.01{sid257INng3} Studien: Eine aktuelle Metaanalyse (○Abb. 16.1) belegt, dass der blutdrucksenkende Effekt von oral zugeführtem Magnesium dosisabhängig ist. Dabei waren Dosierungen von 20–40 mmol pro Tag (= 486–927 mg Magnesium tgl.) antihypertensiv wirksam. Mit jeder Zunahme der Magnesiumdosis um 10 mmol pro Tag sank der systolische Blutdruck um 4,3 mm Hg und der diatolische Blutdruck um 2,3 mm Hg. Die Erfassung des Magnesiumstatus in einer Studie an Patienten mit Hypertonie, die zuvor über sechs Monate mit einem ACE-Hemmer, Betablocker, Calciumantagonisten oder einem Diuretikum behandelt wurden, ergab gegenüber Kontrollen signifikant reduzierte Magnesiumserumspiegel. Die Supplementierung von Magnesium (326 mg tgl., p. o.) führte neben einem hoch signifikanten Anstieg der Magnesiumkonzentrationen im Serum zu einer durchschnittlichen Abnahme des systolischen Blutdrucks um 15–20 mm Hg und des diastolischen Blutdrucks um 5–9 mm Hg. Auch die Häufigkeit von typischen Beschwerden, wie unregelmäßiger Herzrhythmus, Herzschmerzen, Schlafstörungen, Reizbarkeit oder Nervosität nahm nach Berichten der Patienten unter Magnesium ab. #252.02{sidelVbPHOj} Abb. 16.1 Magnesium senkt dosisproportional den diastolischen und systolischen Blutdruck. #252.03{sid2eZVgJJB} Die in der Bluthochdrucktherapie eingesetzten Diuretika (z. B. Hydrochlorothiazid, HCT) steigern zusätzlich den Verlust an Magnesium. Da Magnesium für die Steuerung des Insulins wichtig ist, können Diuretika den Zucker- und Fettstoffwechsel bis hin zur Entstehung eines Typ-2-Diabetes verschlechtern. In einer aktuellen randomisierten Doppelblind-Studie an Frauen (Alter 40–65 Jahre) mit Bluthochdruck unter der Therapie mit Hydrochlorothiazid (HCT) führte die Supplementierung mit Magnesium (600 mg/d als organisch gebundenes Mg-Chelat) gegenüber Placebo nach 6 Monaten zu einer signifikanten Reduktion des systolischen Blutdrucks (144 ± 17 versus 134 ± 14 mmHg, p = 0,036) sowie einer signifikanten Reduktion des diastolischen Blutdrucks (88 ± 9 versus 81 ± 8 mmHg, p = 0,005). Zusätzlich konnte im Vergleich zu Placebo eine signifikante Verbesserung der flussvermittelten Vasodilatation (FMD) als Zeichen einer besseren Endothelfunktion durch Magnesium nachgewiesen werden. #252_253{sidMeeTarjT} In einer eigenen Beobachtungsstudie an 21 Patienten mit hypertensiver Herzerkrankung und Herzinsuffizienz NYHA III-IV wurde der Einfluss von Magnesiumorotat (3× 2 610 mg Magnesiumorotat/d p. o.) auf die Blutdruck- und die NTproBNP-Werte untersucht. Bereits nach 7 Tagen sanken dabei die Blutdruckwerte (vorher: 145 ± 3,4 syst/91,2 ± 5,3 mmHg, versus nachher 134 ± 4,0 syst/84,5 ± 2,8 mmHg) und die NT-proBNP-Werte (4,761 ± 2,114 pg/ml auf 3,516 ± 2,1, p < 0,01) signifikant in der Magnesium-Gruppe (n = 11). Zudem gaben 7 von 11 Patienten in dieser Gruppe eine Verbesserung der Lebensqualität an. #253.01{sid4O2Od5YZ} Eine weitere Metaanalyse von 12 randomisierten, kontrollierten Studien ergab, dass eine 8–26-wöchige Magnesiumsupplementierung bei 545 hypertonen Teilnehmern den systolischen Blutdruck nicht signifikant reduzierte (mittlerer Unterschied: – 1,3 mmHg, 95 % CI: – 4,0 bis 14,5, I(2) = 67 %), wohl aber zu einer signifikanten Senkung des diastolischen Blutdrucks führte (mittlerer Unterschied: – 2,2 mmHg, 95 % CI: – 3,4 bis – 0,9, I(2) = 47 %). Eine vor kurzem publizierte Metaanalyse von 22 Studien mit 1 173 normotonen und hypertonen Erwachsenen folgerte, dass eine Magnesiumsupplementierung über einen Nachbeobachtungszeitraum von 3–24 Wochen den systolischen Blutdruck um 3–4 mmHg und den diastolischen Blutdruck um 2–3 mmHg senkte. Die zusätzlich verabreichte Magnesiumdosis lag zwischen 120–973 mg/Tag. Die Effekte waren etwas stärker, wenn die Teilnehmer mehr als 370 mg/Tag einnahmen. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #253.02{sidYcKIswrM} In einer aktuellen Metaanalyse wurden 44 Humanstudien ausgewertet, in denen Magnesium wegen Hypertonie oral supplementiert wurde und die entsprechend Hypertoniestatus, Magnesiumdosis und Einnahme von Antihypertonika geordnet wurden. Unter der Supplementierung mit Magnesium wurde eine signifikante Blutdrucksenkung festgestellt, wobei in einigen Studien keine Wirkung des Magnesiums beobachtet wurde. Aus dieser Metaanalyse wurde eine einheitliche Teilgruppe von 7 Studien mit 135 Hypertonikern, die seit mindestens 6 Monaten kontinuierlich mit blutdrucksenkenden Arzneimitteln behandelt wurden, eine Auswaschphase von nicht mehr als 2 Wochen durchliefen und bei denen ein durchschnittlicher systolischer Ausgangsblutdruck (RR syst.) von > 155 mmHg vorlag, getrennt ausgewertet. Es ergab sich eine durchschnittliche Veränderung von – 18,7 mmHg (95 % CI = – 14,95 bis – 22,45, p < 0,0001) und eine Effektstärke (Cohen‘s d) gleich 1,19, d. h., ein großer und hochsignifikanter Effekt. Die Auswertung derselben 7 Studien hinsichtlich des diastolischen Blutdrucks (RR diast.) zeigte eine durchschnittliche Veränderung des RR diast. von – 10,9 mmHg (95 % CI = – 8,73 bis – 13,1), p < 0,0001), mit einer Effektstärke (Cohen‘s d) gleich 1,19. #253.03{sidDl8n8W5j} Kürzlich wurden bei Borderline-Hypertonie niedrige intrazelluläre Magnesiumkonzentrationen beschrieben. Bei Patienten mit leichter unkomplizierter Hypertonie bzw. mit Borderline-Hypertonie können die Blutdruckwerte durch eine Magnesiumbehandlung normalisiert werden. Die Supplementierung mit Magnesium könnte außerdem bei aerobem Sport und Widerstandstraining eine positive Wirkung auf den systolischen Blutdruck in Ruhe und in der Erholungsphase haben. Die Magnesiumsupplementierung kann mithelfen, den Blutdruck zu kontrollieren und die durch Hypertonie bedingten kardiovaskulären Risikofaktoren (z. B. Atherosklerose) zu reduzieren. Dies gilt vor allem für Hypertoniker, die aufgrund einer chronischen Einnahme von Diuretika, unzureichender Zufuhr oder beidem, entleerte Magnesiumspeicher haben. #253.04{sidpMR2WvXI} Magnesium ist zudem wichtig für die enzymatische Aktivierung des Sonnenvitamins D zum Sonnenhormon (1,25(OH)2D) und seine Wirkung über Vitamin-D-Rezeptoren. Dabei reguliert Magnesium durch drei Enzyme den Vitamin-D-Haushalt im Körper: Die 25-Hydroxylase, die 1-alpha-Hydroxylase und die 24-Hydroxylase. Die 24Hydroxylase kann 25(OH)D und 1,25(OH)2D durch Einfügen einer weiteren OH-Gruppe in Position 24 zu 24,25(OH)2D und 1,24,25(OH)3D abbauen. Im Tierversuch führt ein Magnesiummangel zu einer verminderten Aktivität der 1-alpha-Hydroxylase und einer erhöhten Aktivität der 24-Hydoxylase in den Nieren. Ein Mangel an Magnesium ist infolgedessen mit einer Hypovitaminose D verbunden. #254.01{sid246x7EWK} 16.2.4 Antihypertonika und Vitamin D #254.02{sidQVdkX014} Vitamin D unterstützt antihypertensive Wirkung #254.03{sidkWyS9TDX} Mechanismus: Der Vitamin-D-Status korreliert invers mit dem Blutdruck, hs-CRP, TNF-α und NT-proANP; die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems wird durch Vitamin D supprimiert; die Aktivität der Adenylatcyclase in den Kardiozyten ist abhängig von Calcitriol. Eine verminderte Aktivität ist infolge einer intrazellulären Akkumulation von Calcium mit einem Blutdruckanstieg und erhöhten Gefäßreaktivität assoziiert. #254.04{sidyUwQyvhO} Folgen: Optimaler Vitamin-D-Status (25(OH)D: 40–60 ng/ml) kann die Blutdruckregulation bei Hypertonikern optimieren und den Bedarf an Antihypertonika verringern. #254.05{sidXOvONH4d} Hinweis: Ein Mangel an Vitamin D (25(OH)D: < 20 ng/ml) ist bekanntlich ein unabhängiger Risikofaktor für Bluthochdruck sowie für die allgemeine und kardiovaskuläre Mortalität. In seiner hormonaktiven Form 1,25(OH)2D greift das Sonnenhormon über Wechselwirkung mit Vitamin-D-Rezeptoren in der Gefäßwand in die Blutdruckregulation ein und wirkt Entzündungsprozessen entgegen. 1,25(OH)2D senkt die übermäßige Calciumaktivität in der Gefäßzelle und verbessert hierüber die Elastizität der Gefäßwand. Darüber hinaus verringert 1,25(OH)2D die Synthese des gefäßverengenden und blutdruckerhöhenden Hormons Renin. Als natürlicher Gegenspieler hält Vitamin D (VD) zudem das atherothrombotisch wirkende Parathormon in Schach. Grundsätzlich sollte bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Hypertonie) der Vitamin-D-Status kontrolliert und durch gezielte Supplementierung (z. B. 40–60 I. E. Vitamin D/d pro kg Körpergewicht pro Tag, p. o.) kompensiert werden. #254.06{sid2rcGbpwz} Das Renin-Angiotensin-System spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation des Blutdrucks, der Elektrolyte und der Volumenhomöostase. Renin ist eine Protease, die in den juxta-glomerulären Zellen der Niere gebildet und dort ans Blut abgegeben wird. Es spaltet aus dem Glykoprotein Angiotensinogen das Angiotensin I ab. Durch eine weitere Peptidase, das sog. Angiotensin Converting Enzym (ACE), wird ein Dipeptid von Angiotensin I abgespalten, sodass Angiotensin II entsteht. Die Umwandlung von Angiotensin I in Angiotensin II erfolgt vor allem an den Gefäßendothelien. Im Tierversuch zeigte sich, dass Vitamin-D-Mangel über eine Wechselwirkung mit dem ReninAngiotensin-System den Blutdruck erhöht. Bei genetisch veränderten Mäusen, sog. Vitamin-D-Rezeptor-NullMäusen, die kein Vitamin D synthetisieren können, wird eine drastisch erhöhte Renin-Expression, Aktivität des Renin-Angiotensin-Systems und Angiotensin-II-Produktion beobachtet (○Abb. 16.2). Die Mäuse entwickelten eine Hypertonie, kardiale Hypertrophie und Ödeme. Auch bei normalen Mäusen konnten ähnliche Beobachtungen gemacht werden. Eine Hemmung der Vitamin-D-Biosynthese führte zu einem Anstieg der Renin-Expression, während die Injektion von Calcitriol die Renin-Expression supprimierte. Vitamin D hat einen regulierenden Einfluss auf die Herzmuskelleistung, die myokardiale Calcium-Homöostase und den Blutdruck. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #255.01{sidOvVmOc9h} Abb. 16.2 Einfluss von Calcitriol auf die Blutdruckregulation (Modell) #254.07{sidmxVHIEvu} Studien: Epidemiologische und klinische Studien lassen seit Langem eine Assoziation vermuten zwischen niedrigem 25(OH)Vitamin-D-Spiegel und Hypertonie bzw. einer erhöhten Plasma-Renin-Aktivität. Die Auswertung verschiedener Kohorten-Studien ergab, dass bei einem 25(OH)D-Status < 15 ng/ml gegenüber ≥ 30 ng/ml bei Männern das Risiko für Bluthochdruck sechsfach und bei Frauen 2,5-fach steigt (▸ Kap. 15.1.) #254.08{sidzL20beeJ} In älteren Metaanalysen führen Vitamin D2 und Vitamin D3 im Vergleich zu Placebo zu einer nicht signifikanten Senkung des systolischen Blutdrucks von –3,6 mmHg (–3,6 mmHg, 95 % CI: –8,0 bis 0,7). und zu einer signifikanten Senkung des diastolischen Blutdrucks von –3,1 mmHg (–3,1 mmHg, 95 % CI: –5,5 bis 0,6). #254_255{sidB3wZpZlF} In einer aktuellen Interventionsstudie erhielten hypertensive Patienten mit Hypovitaminose D (< 20 ng/ml) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe 8 Wochen lang 50 000 I. E. Vitamin D/Woche. Nach 8 Wochen normalisierte sich der 25(OH)D-Status bei allen Patienten unter der Supplementierung. Darüber konnte gezeigt werden, dass Vitamin D die Aktivität des Renins im Plasma signifikant senkt (1,17 ± 0,3 vs 1,51 ± 0,4 ng/ml per h, p = 0,02) als auch die Reninspiegel (13,4 ± 1,7 vs 19,2 ± 2,9 pg/ml, p < 0,001) und Angiotensin-II-Spiegel (11,6 ± 1,6 vs 15,8 ± 2,7 pg/ml, p = 0,02). Als Zeichen einer besseren Endothelfunktion wurde zusätzlich eine signifikante Verbesserung der flussvermittelten Vasodilatation, FMD (4,4 ± 2,6 vs 3,3 ± 2,1 %, p < 0,05) beobachtet (○ Abb. 16.3). #256.01{sidzsGzRByj} Abb. 16.3 Antihypertonika, Magnesium und Vitamin D HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #255.02{sidUOI4yHgC} 16.2.5 Antihypertonika und Pycnogenol #255.03{sidZzbiJGzx} Pycnogenol verringert den Bedarf an Antihypertonika (z. B. Nifedipin) #255.04{sidRmyovStA} Mechanismus: Der standardisierte OPC-Extrakt Pycnogenol steigert aufgrund seiner antioxidativen und antientzündlichen Eigenschaften die Bioverfügbarkeit von NO und Aktivität der endothelialen NO-Synthase (eNOS); die Thromboxan A2- und Endothelin-1-Spiegel werden gesenkt; die Mikrozirkulation verbessert, erhöhte Blutdruckwerte gesenkt; eine inhibierende Wirkung auf das Angiotensin-Konversions-Enzyms (ACE) konnte auch beobachtet werden. #255.05{sidKFJAEFw3} Folgen: Die endothel- und koronarprotektiven Eigenschaften von Pycnogenol unterstützen die blutdrucksenkende Wirkung und verringern den Bedarf an Antihypertonika (z. B. Nifedipin). #255.06{sidU32U3hkb} Hinweis: Die begleitende Einnahme von Pycnogenol (100–300 mg/d, p. o.) kann die Effektivität einer antihypertensiven Therapie erweitern und den Bedarf an Antihypertonika senken. #255_256{sidxowfHQtn} Cave: Im Hinblick auf den Einfluss des Pycnogenols auf die NO-Bioverfügbarkeit und das AngiotensinKonversions-Enzym muss davon ausgegangen werden, dass der Polyphenol-Extrakt den blutdrucksenken Effekt der Antihypertonika (z. B. ACE-Hemmer) ohne entsprechende Dosisanpassung so weit verstärkt, dass eine Hypotonie (Symptome: Schwindel, Ohrensausen, Kopfschmerzen) begünstigt wird. #256.02{sidREu0J1wd} 16.2.6 Antihypertonika und L-Arginin #256.03{siddr1hKibZ} L-Arginin verringert den Bedarf an Antihypertonika #256.04{sids3HM9VAV} Mechanismus: L-Arginin ist die Vorstufe des gasförmigen Neurotransmitter Stickstoffmonoxid NO (→ Biosynthese aus L-Arginin über endotheliale NO-Synthase, ○Abb. 16.4, ○Abb. 16.5): NO-Bioverfügbarkeit ↑, Vasodilatation, Thrombozytenaggregation ↓, Adhäsion von Monozyten and Endothelzellen und Proliferation von glatten Gefäßmuskelzellen ↓, ADMA:Arginin-Ratio ↓ #257.01{sidAigPGkPg} Abb. 16.4 Biosynthese von Stickstoffmonoxid aus L-Arginin. 1. Umwandlung von L-Arginin in Stickstoffmonoxid (NO) durch das Enzym endotheliale NO-Synthase (ecNOS). 2. Wanderung (Diffusion) von NO aus der Endothelzelle in die glatte Gefäßmuskulatur. 3. Aktivierung des Enzyms lösliche Guanylatcyclase durch NO und Bildung des Botenstoffes cyclo Guanosinmonophosphat (cGMP). 4. NO-bedingte Gefäßerweiterung. 5. Schnelles abfangen und inaktivieren von NO durch Sauerstoffradikale bzw. oxidativen Stress #256.05{sidletkzoEU} Folgen: Die endothel- und koronarprotektiven Eigenschaften von L-Arginin unterstützen die blutdrucksenkende Wirkung und verringern den Bedarf an Antihypertonika. #257.02{sid2ux0CFB4} Hinweis: Die begleitende Einnahme von L-Arginin (z. B. 2–3 × 2 g L-Arginin/d, p. o.) kann die Effektivität einer antihypertensiven Therapie erweitern und den Bedarf an Antihypertonika senken. #257.03{sidR5vTtSDJ} Cave: Bei Erkrankungen (z. B. Hypertonie, Diabetes mellitus), die mit einer erhöhten Belastung an SuperoxidanionRadikalen einhergehen sollte auf eine adäquate Versorgung mit Antioxidanzien wie Vitamin C oder Pycnogenol geachtet werden, da L-Arginin als Vorläufer von NO mit Superoxidradikalen reagieren und die Produktion von Peroxynitrit (→ nitrosativer Stress) anregen kann. Omega-3-Fettsäuren, Coenzym Q10, Folsäure und Vitamin B12 unterstützen die Endothelprotektive Wirksamkeit von L-Arginin. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #258.01{sido5Ix5NX0} Abb. 16.5 Störung der Endothelfunktion durch ADMA #257.04{sid4CzqQQH7} 16.2.7 ACE-Hemmer und Zink #257.05{sidKhNqU1lK} Renale Zinkverluste durch Captopril und Enalapril #257.06{sidTEFJscMi} Mechanismus: Komplexierung von Zink durch Captopril (mit Sulfhydryl-(-SH)Gruppe) oder Enalapril (mit Carboxyalkyl-Gruppe-(COOR)Gruppe) und vermehrte renale Ausscheidung. #257.07{sidzdCq7L0a} Folgen: Erhöhte renale Zinkexkretion; Abfall der intrazellulären Zinkkonzentrationen in den Erythrozyten und Monozyten (vor allem bei Captopril). Verminderung/Verlust der Geschmacksempfindung, Appetitlosigkeit, oder Exantheme können mit einer Störung des Zinkhaushalts in Zusammenhang stehen. #257_258{sidesILIE5J} Hinweis: Unter einer blutdrucksenkenden Therapie mit ACE-Hemmern (v. a. Captopril, Enalapril) ist eine adäquate Zinkversorgung (z. B. 20 mg Zn tgl., p. o.) empfehlenswert, um medikationsbedingte Störungen des Zinkhaushalts zu vermeiden. Insbesondere bei Diabetikern mit Bluthochdruck, die einen erhöhten Zinkbedarf aufweisen können, sollte an die Supplementierung von Zink gedacht werden. Die Einnahme eines Zinkpräparats sollte zeitlich versetzt zum ACE-Hemmer erfolgen. #258.02{sid9zyCKOx7} Captopril ist der einzige ACE-Hemmer mit einer Sulfhydryl-Gruppe, die gegenüber der Carboxylgruppe des Enalaprils eine höhere Affinität zu zweiwertigen Metallionen wie Zink aufweist. Der renale Zinkexkretion und der Abfall der intrazellulären Zinkkonzentrationen (Erythrozyten, Monozyten) sind daher bei Captopril stärker ausgeprägt als beim Enalapril. #259.01{sidWM9D3sSD} 16.2.8 Antihypertonika und Coenzym Q10 #259.02{sidel31uLbS} Antihypertonika können Coenzym-Q10-Status stören #259.03{sidvcAQOlYm} Mechanismus: Antihypertonika wie Clonidin, Diazoxid, Hydralazin, Hydrochlorothiazid und Metoprolol interferieren mit Coenzym-Q10-abhängigen mitochondrialen Enzymkomplexen der Atmungskette (z. B. NADH: Coenzym-Q10Oxidoreduktase). #259.04{sidZ567Gf2V} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Folgen: Störungen des mitochondrialen Energiestoffwechsels; möglicherweise Beeinträchtigung der kardialen Bioenergetik. #259.05{sidKrvnKCty} Hinweis: Unter Therapie mit Antihypertonika kann eine adjuvante Gabe von Coenzym Q10 (2–10 mg/kg KG tgl., p. o.) die kardiale Bioenergetik verbessern und den Bedarf an blutdrucksenkenden Arzneimitteln verringern. Der Richtwert für therapeutisch wirksame Coenzym-Q10-Plasmaspiegel in der adjuvanten Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz, Bluthochdruck) dürfte nach einigen Studien bei ≥ 2,5 mg/l liegen. Für die Erhöhung der Coenzym-Q10-Plasmaspiegel von 1 mg/l auf 2 mg/l ist eine Dosis von täglich mindestens 100 mg Coenzym Q10 erforderlich. #259.06{sidNUNXW2P5} Timolol: Der Betablocker Timolol zählt zu den Mitteln der Wahl in der Therapie des Offenwinkelglaukoms. Obwohl Timolol hierbei lokal (in 0,1–1%iger Lösung) appliziert wird, kann es zu den für Betablocker typischen systemischen Nebenwirkungen am Herzen wie AV-Überleitungsstörungen oder Bradykardie kommen. Coenzym Q10 (z. B. 100 mg/d, p. o.) wirkt diesen negativ inotropen und chronotropen Effekten entgegen und kann die Verträglichkeit des Timolols verbessern. #259.07{sidsmPSLllh} 16.2.9 Dihydralazin und Vitamin B6 #259.08{sidJH3iPdoH} Vitamin-B6-Mangel durch Dihydralazin #259.09{sidV8yJrlZ9} Mechanismus: Das in Kombinationsantihypertonika eingesetzte Dihydralazin ist ein Vitamin-B6-Antagonist, der mit Pyridoxal-5-Phosphat (P-5-P) einen Komplex (Hydrazon) bildet und vermehrt renal ausgeschieden wird; Hemmung der Aktivität der Pyridoxal-Phosphatkinase. #259.10{sidfc7IndpG} Folgen: Abfall der P-5-P-Konzentrationen im Serum/Plasma bzw. Vollblut; Risiko für Vitamin-B6-Mangel und neurologische Störungen (z. B. Polyneuropathien). #259.11{sidGmpeItYp} Hinweis: Unter Therapie mit Kombinationsantihypertonika, die Dihydralazin oder Hydralazin enthalten, sollte auf einen adäquaten Vitamin-B6-Status geachtet werden. Eventuell auftretende Neuropathien sprechen in der Regel gut auf Vitamin-B6-Gaben an. #259.12{sidQbjIP1XG} 16.2.10 Calciumantagonisten und Grapefruitsaft #259.13{sid4dpEvDz8} Grapefruitsaft erhöht die Blutspiegel von Calciumantagonisten #259.14{sidAuzTbhac} Mechanismus: Das wasserlösliche Furanocumarin Dihydroxy-Bergamottin aus dem Grapefruitsaft vermindert die bei der Resorption im Darm erfolgende Metabolisierung von Calciumantagonisten (z. B. Nifedipin) durch die Oxygenase CYP3A4 und erhöht dadurch die resorbierte Menge. #259.15{sidQyzrkYrj} Folgen: Anstieg der Wirkspiegel an Calciumantagonisten und verstärkte Blutdrucksenkung; erhöhte Nebenwirkungsrate (z. B. Schwindel). #259.16{sidQe42SnRI} Hinweis: Unter einer Therapie mit Calciumantagonisten sollte Grapefruitsaft vermieden werden. Durch den Konsum größerer Mengen Saft (≥ 500 ml tgl.) werden auch die für die CYP3A4-Hemmung verantwortlichen Inhaltsstoffe vermehrt resorbiert und damit zusätzlich der Abbau des Calciumantagonisten in der Leber gehemmt. #259.17{sidQ0sfTWbW} 16.2.11 Calciumantagonisten und Calcium #259.18{sidQUXfkD7P} Wirksamkeitsverlust von Calciumantagonisten durch hohe, v. a. parenterale Calciumgaben #259.19{sidAaQaOt3e} Mechanismus: Direkter pharmakodynamischer Antagonismus von Calcium mit Calciumantagonisten. #260.01{sidjsO6FoZl} Folgen: Verringerte antihypertensive und vasodilatatorische Wirksamkeit der Calciumantagonisten; Risiko für Blutdruckanstieg. #260.02{sidVGlM55xD} Hinweis: Unter einer Therapie mit Calciumantagonisten sollten parenterale Calciumgaben nur unter ärztlicher Blutdruckkontrolle erfolgen. Auch eine hochdosierte orale Calciumsubstitution (z. B. bei Sonnenallergie-Prophylaxe) kann mit der antihypertensiven Wirksamkeit interferieren. #260.03{sid6uoJh84q} 16.2.12 Kombinationen von ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten mit Hydrochlorothiazid #260.04{sidDm1hT0Y3} Erhöhte renale Verluste an wasserlöslichen Mikronährstoffen #260.05{sidOkfWtB4I} Dies betrifft z. B. die B-Vitamine (siehe ▸ Kap. 21, Diuretika). #260.06{sid2l1E5kaU} 16.2.13 ACE-Hemmer und Eisen #260.07{sidrchp3XAu} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Eisen kann ACE-Hemmer-induzierten Reizhusten verringern #260.08{sidHbcKR33j} Mechanismus: Hemmung des Angiotensin-Conversions-Enzyms (ACE) führt zur Akkumulation von Kininen in der Bronchialschleimhaut (Bradykinin kann trockenen Reizhusten auslösen); ACE-Hemmer erhöhen über Induktion der induzierbaren NO-Synthase (iNOS) die Bioverfügbarkeit von NO (Stickstoffmonoxid) im Bronchialepithel, wodurch zusätzlich die Reagibilität der Bronchien gesteigert wird; erhöhte Konzentrationen von nicht ferritingebundenem Eisen verringern massiv die transkriptionelle Expression der iNOS. #260.09{sidYgrH2UyG} Folgen: Eisen hemmt Aktivität der iNOS und verringert NO-Generierung im Bronchialepithel. #260.10{sidWZIrojka} Hinweis: Eine kurzfristige Eisensupplementierung kann NO-Bildung im Bronchialepithel und damit den durch ACEHemmer ausgelösten Reizhusten verringern. Allerdings sollte eine Eisensubstitution, wenn überhaupt, nur zeitlich begrenzt und unter Kontrolle der Serumferritin-Werte erfolgen, da Eisen ein starkes prooxidatives Potenzial (Fenton–, Haber-Weiß-Reaktion) besitzt. Eine hohe Eisenaufnahme ist mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre und neoplastische Erkrankungen assoziiert. In einer finnischen Studie war das Risiko für Herzinfarkte bei mäßig erhöhten Eisenspeicherbeständen (Plasmaferritinkonzentration > 200 µg/l) um das Doppelte (2,2-fache) erhöht. #260.11{sid0TivbL2a} Studien: Eine der häufigsten Nebenwirkungen der ACE-Hemmer (5–10 % der Behandelten) ist hartnäckiger trockener Reizhusten. In einer randomisierten Studie an mit ACE-Hemmern therapierten Patienten führte die Supplementierung von täglich 268 mg Eisensulfat über einen Zeitraum vom vier Wochen gegenüber Placebo zu einer signifikanten Reduktion des trockenen Reizhustens. Bei einigen Probanden verschwand unter der Eisentherapie der Husten vollständig. Dabei steigen die Serumferritinwerte unter der kurzfristigen Einnahme von Eisen in der Verumgruppe (68,15 ± 32,86 p 86,03 ± 25,78 µg/l) nur marginal an und lagen nach der Supplementierung unterhalb der Werte in der Placebogruppe (98,97 ± 41,58 µg/l). #260.12{sidyAJJuq1e} Literatur #260.13{sidpAHGGEHK} Alappan R et al. Hyperkalemia in hospitalized patients treated with trimethoprim-sulfamethoxazole. Ann Intern Med, 124: 316–320, 1996 #260.14{sidozWS668p} Braun LA, Rosenfeldt F. Pharmaco-nutrient interactions – a systematic review of zinc and antihypertensive therapy. Int J Clin Pract, 67 (8): 717–725, 2013 #260.15{sidWknrKzzj} Carrara D, Bruno RM, Bacca A et al. Cholecalciferol treatment downregulates renin-angiotensin system and improves endothelial function in essential hypertensive patients with hypovitaminosis D. J Hypertens, 34 (11): 2199–2205, 2016 #260.16{sidZsgx7qjF} Classen HG, Gröber U, Kisters K. Drug-induced magnesium deficiency. 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Sie unterdrücken dosisabhängig die hepatische Synthese der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X. #263.04{sid0FwiXnka} Die gerinnungshemmende Wirkung von Phenprocoumon setzt erst einige Zeit nach dem Beginn der Behandlung ein, wenn die vorhandenen Gerinnungsfaktoren verbraucht oder abgebaut sind und dann entsprechend weniger Nachschub aus der Leber kommt. Ebenso dauert es mehrere Tage, bis nach dem Absetzen von Phenprocoumon die Gerinnungsfaktoren wieder in ihrer normalen Menge nachgebildet wurden. Die Zufuhr von Vitamin K kann die Erholung der Gerinnungsfunktion beschleunigen. Die Wirkung von Phenprocoumon muss der Arzt in regelmäßigen Abständen u. a. durch die Messung des INR-Wertes überprüfen. Unter bestimmten Voraussetzungen können Betroffene den Gerinnungswert auch selbst messen und nach einer Schulung die Dosis entsprechend anpassen. Besonders Vitamin-K-haltige Nahrungsmittel aber auch Nahrungsergänzungsmittel können die Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten abschwächen. #263.05{sidQXMIzNRA} Lange Zeit waren Heparin und Vitamin-K-Antagonisten (z. B. Phenprocoumon, Warfarin) die einzigen Substanzen, die zur Hemmung der plasmatischen Gerinnung zur Verfügung standen. In den vergangenen Jahren wurden die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) Apixaban (z. B. Eliquis), Dabigatran (z. B. Pradaxa), Rivaroxaban (z. B. Xarelto) und Edoxaban (z. B. Lixiana) entwickelt. Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban sind selektive und reversible Inhibitoren des aktivierten Faktor Xa, der für die Bildung von Thrombin aus Prothrombin verantwortlich ist. Dabigatran führt zu einer reversiblen, kompetitiven Hemmung des Thrombins (Faktor IIa) und hemmt damit die Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin. Darüber hinaus wird die Thrombininduzierte Thrombozytenaggregation durch Dabigatran verhindert (○ Abb. 17.1). Die NOAK sind in Deutschland als Antikoagulanzien vor allem bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern zugelassen und werden zudem in der Therapie und Rezidivprophylaxe venöser Thromboembolien sowie zur Prävention venöser Thromboembolien (Hüft/Kniegelenksersatz) eingesetzt. Für Dabigatran steht seit kurzem ein spezifisches Antidot zur Verfügung, mit dem die Wirkung im Notfall aufgehoben werden kann. Dabei handelt es sich um ein humanisiertes Antikörperfragment namens Idarucizumab. #264.01{sidDzyJ1l90} Die Vorteile der NOAK im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten sind: #264.02{sidzVFu3mvd} Wirksamkeit: Ähnlich gute Wirksamkeit, rascher Wirkungseintritt und bessere Steuerbarkeit; #264.03{sidemXeJiLx} Halbwertszeit (HMZ): Insgesamt kurze HWZ, was bei kurzfristigen Operationen vorteilhaft ist; #264.04{sidj1m2flWQ} Blutungsrisiko: Das Blutungsrisiko ist vergleich mit dem von Phenprocoumon, aber schwere Blutungen sind tendenziell seltener (insbesondere unter Rivaroxaban); #264.05{sidnt5cIYZh} INR-Kontrollen: Ein INR-Monitoring ist nicht notwendig; #264.06{sidQZ1ehUKA} Nahrungsmitteln: Vitamin K-haltige Nahrungsmittel (z. B. Leber, Spinat, Rosenkohl) haben keine Auswirkung auf die Wirkung. #264.07{sidZl6v5JR1} Zu den Nachteilen der NOAK zählen: Höhere Kosten (14–16fach höher), klinische Langzeit-Erfahrungen fehlen. Bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen ist aufgrund der reduzierten Arzneimittel-Clearance eine Dosisanpassung notwendig. ansonsten besteht bei den neuen Antikoagulanzien Kumulationsgefahr mit Zunahme des Blutungsrisikos. Darüber hinaus bestehen Interaktionen mit CYP3A4-Inhibitoren und CYP3A4Induktoren. CYP3A4-Inhibitoren wie Ketoconazol und Itraconazol können die Wirkung verstärken und beispielweise durch eine Hemmung von CYP3A4 und P-Glykoprotein zu erhöhten Blutspiegeln von Rivaroxaban und damit zu einer erhöhten Blutungsneigung führen. CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin, Carbamazepin und Johanniskraut können dagegen zu einer verminderten Wirkung von Rivaroxaban führen. #264.08{sid6gYvCk3V} 17.1 Blutgerinnung und Mikronährstoffe #264.09{sidSAEH2BiW} 17.1.1 Phenprocoumon und Vitamin K #264.10{sidKYk1DbdO} Vitamin-K-Antagonisten stören den Knochenstoffwechsel #264.11{sidtbp2vtFO} Einfluss von Vitamin K1 und Vitamin K2 (z. B. MK-7) auf die Antikoagulanzienwirkung, Vitamin-K-Antagonisten stören die Gefäß- und Knochengesundheit. #264.12{sidO8xIdsjO} Mechanismus: Direkter pharmakodynamischer Antagonismus von Vitamin-K-Antagonisten (z. B. Phenprocoumon, Warfarin) mit Vitamin K (siehe ○Abb. 3.6). #264.13{sidmtOIKas1} Vitamin-K-Antagonisten: Blutgerinnungshemmende Wirkung ↓, INR-/Quick-Wert: Erniedrigung/Erhöhung. Die INR verhält sich umgekehrt proportional zum Quickwert, d. h. dass mit steigendem Quickwert (Thromboplastinzeit) die INR kleiner wird, die Gerinnungszeit sich verkürzt und die Thrombosegefährdung zunimmt. #264.14{sidnL7vqETe} Gerinnungszeit: Verkürzte Gerinnungszeit, erhöhte Thrombose- bzw. Emboliegefahr. #264.15{sidWoAT1EVN} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Folgen: Vitamin-K-Mangel; Verringerte Carboxylierung und Aktivierung des nicht kollagenen Knochenproteins Osteocalcin (Oc) sowie des Matrix-Gla-Proteins (MGP); Anstieg des untercarboxylierten Osteocalcins (ucOc) und MGP im Blut, erhöhtes Risiko für Gefäßkomplikationen und osteoporotische Frakturen. #265{sid506Hrmyw} Abb. 17.1 Angriffspunkte der NOAK (→ Synthese von Faktor II, VI, IX und X) #266.01{sid0SgD4aNw} Tab. 17.1 Pharmakologische Kenndaten der Noak #266.02{sid6L2rYgYK} #266.03{sidsx7ZRhXx} Wirkprinzip #266.04{sidkPHFFiOJ} Tagesdosis (VHF) #266.05{sid27QjxUI1} Bioverfügbarkeit #266.06{sidZI2RVRVP} Tmax, h #266.07{sidX6ABQn0Z} HWZ, h #266.08{side7u5f31O} EW-Bindung #266.09{sidcFdAtlZY} Metabolisierung, Transporter #266.10{sidM3CdTOjY} renale Elimination #266.11{sid9V3KDQz7} Antidot Dabigatran Rivaroxaban Apixaban Edoxaban Flla-Hemmer FXaHemmer FXaHemmer FXaHemmer 2 × 150 mg 2 × 110 mg 1 × 20 mg (1 × 15 mg) 2 × 5 mg (2 × 2,5 mg) 1 × 60 mg (1 × 30 mg) 6 % 70–100 % 50 % 62 % 2 3 3 2 12–17 5–9 9–14 10–14 34–35 % 92–95 % 87 % 55 % Glukuronidierung, pGP CYP3A4/2j2, p-GP CYP3A4/5, p-GP CYP3A4, p-GP 80 % 33 % 27 % 50 % bald (?) (noch) nein (noch) nein (noch) nein #266.12{sidxWBXr46i} Tab. 17.2 NOAK: Interaktionspotential (Auswahl) #266.13{sid9WnBGq6f} Dabigatran #266.14{siddM04rNrx} Rivaroxaban #266.15{sidbTbFMjZ5} Apixaban #266.16{sidZfmq3dJo} Edoxaban Kontraindikation: Ciclosporin, Itraconazol, Ketoconazol, Tacrolimus, Dronedaron Vorsicht: Clarithromycin, Chinidin, Amiodoron, Verapamil Kontraindikation: Ritonavir, Ketoconazol, Itraconazol, Voriconazol Vorsicht: andere Azole, andere Proteasehemmer, Makrolide, Amiodaron, Dronedaron, Diltiazem Vorsicht: Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin, Hypericin Kontraindikation: Ketoconazol, Itroconazol, Voriconazol, Posaconazol, HIVProtease-Hemmer wie Ritonavir Vorsicht: Naproxen, Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin, Hypericin, Diltiazem, Amiodaron, Verapamil, Chinidin Dosisreduktion: Ciclosporin, Dronedaron, Erythromycin, Ketoconazol Vorsicht: Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin, Hypericin HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #264_265{sid5Zcn4Tyb} Hinweis: Unter einer Langzeittherapie mit Antikoagulanzien vom Dicoumarol-Typ können Störungen der Knochenmineralisation und ein erhöhtes Osteoporoserisiko nicht ausgeschlossen werden. Da die Aufnahme großer Mengen an Vitamin K (z. B. Vitaminpräparate, Gemüse) die Wirksamkeit der Vitamin-K-Antagonisten abschwächen kann, sollte die Einnahme von Vitamin-K-haltigen Supplementen (z. B. Vitamin K1, MK-7) unter einer Therapie mit Cumarin-Antikoagulanzien entsprechend angepasst und die Gerinnungsparameter engmaschig bestimmt werden oder ein Medikament aus der Gruppe der NOAK (z. B. Dagibatran) verordnet werden. Unter oraler Antikoagulanzientherapie braucht Vitamin-K-reiche Kost (z. B. Gemüse, Leber, Käse) nicht eingeschränkt zu werden, jedoch sollte die Nahrungszusammensetzung diesbezüglich weitgehend konstant sein. Generell sollte bei Patienten unter Therapie mit oralen Antikoagulanzien aufgrund des erhöhten Risikos einer antikoagulanzieninduzierten Osteoporose auch der Vitamin-D-Status (25(OH)D im Serum) kontrolliert und durch gezielte Supplementierung ausgeglichen werden. #265_266{sid4ysU91Fe} Studien: Neben der Blutgerinnung ist Vitamin K essenziell für die γ-Carboxylierung des Knochenmatrixproteins Osteocalcin, das vor allem in den schnell wachsenden Knochenabschnitten vorkommt. Osteocalcin (Oc) ist ein nicht kollagenes Glykoprotein, das in den Osteoblasten gebildet wird und die Knochenneubildung stimuliert. Wenn unter Vitamin-K-Mangel oder unter einer Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten die γ-Carboxylierung unterbleibt, steigt der Anteil des nicht carboxylierten Osteocalcins (ucOc) im Plasma an. Nicht carboxyliertes Osteocalcin ist ein wichtiger Indikator für Störungen im Knochenstoffwechsel. Aktuelle Studien belegen, dass eine Langzeittherapie (> 12 Monate) mit einem Cumarinderivat als unabhängiger Risikofaktor für osteoporotische Frakturen, insbesondere für Wirbelkörper- und Rippenfrakturen, einzustufen ist. In einigen Studien war das Risiko für schwere Wirbelkörperdeformierungen bei Patienten unter oralen Antikoagulanzien sogar um das Dreifache erhöht. Bekannt ist auch, dass die Gabe von Warfarin während der fetalen Entwicklung zu schweren Skelettanomalien führen kann, sodass sich der Einsatz oraler Antikoagulanzien in der Schwangerschaft verbietet. Eine Metaanalyse von neun Studien, die die Knochendichte von Patienten unter oralen Antikoagulanzien untersuchte, konnte zeigen, dass die Knochendichte vor allem im ultradistalen Radius erniedrigt ist. Tierversuche geben zudem Hinweise, dass vor allem qualitative Veränderungen des Knochengewebes zu einer geringeren Knochenfestigkeit und damit zu einem erhöhten Frakturrisiko führen. In einer Studie an acht gesunden Probanden im Alter von 60–80 Jahren stieg nach nur 7-tägiger Einnahme von 1 mg Warfarin der Anteil an nicht carboxyliertem Osteocalcin um 170 % an. Nach 2-tägiger Repletion mit 5 mg Vitamin K1 fielen die erhöhten Spiegel an ucOC auf die Ausgangwerte zurück. Die Prothrombinzeit wurde durch die Vitamin-K-Substitution nicht beeinflusst. In Dosis-Wirkungs-Studien an gesunden Probanden, die mit dem Cumarinderivat Acenocoumarol auf einen INR von 2,0 eingestellt waren und dann über 7 Wochen lang täglich ansteigende Dosen von 50, 100, 150, 200, 250, 300 bzw. 500 µg synthetisches Vitamin K1 (in Tablettenform) erhielten, wurde als Schwellenwert eine Dosis von 150 µg/d ermittelt, bei der noch eine statistisch nachweisbare Erniedrigung des INR-Werts festgestellt wurde. #266_267{sidSbcvq7xP} Von den verschiedenen K-Vitameren sind als Nahrungsergänzungsmittel vor allem Vitamin K1 und Menaquinon-7 (MK-7) interessant. Dabei weist das aus Natto gewonnene MK-7 einige physikochemische Vorteile gegenüber dem Vitamin K1 auf. MK-7 ist aufgrund seiner Molekülstruktur lipophiler und besitzt im Vergleich zu Vitamin K1 eine deutlich längere Halbwertszeit (HWZ: 3 Tage). Bei regelmäßiger Zufuhr von MK-7 resultieren daher nicht nur stabilere, sondern auch etwa 7–8-fach höhere Blutspiegel. MK-7 ist daher auch effizienter in der Carboxylierung extrahepatischer (z. B. Osteocalcin) und hepatischer Proteine (z. B. Prothrombin). Aufgrund der höheren Bioverfügbarkeit von MK-7 ist auch das Risiko für Interaktionen mit Vitamin-K-Antagonisten deutlich (~3–4mal) höher als bei Vitamin K1. Während man in Studien eine Senkung des INR-Werts (INR-Senkung von 2 auf 1,5) bei Einnahme von Vitamin K1 > 300 µg täglich beobachten konnte, trat diese bei MK-7 bereits bei ≤ 100 µg auf. Aktuelle Dosis-Findungs-Studien der Universität Maastricht Theuwissen et al., 2013), die den Einfluss von 10 µg, 20 µg und 45 µg MK-7 pro Tag auf die gerinnungshemmenden Eigenschaften von Vitamin-K-Antagonisten untersucht haben zeigen, dass sogar bereits unter der täglichen Supplementierung von 10 µg MK-7 mit einer signifikanten Störung der Blutgerinnungseinstellung gerechnet werden muss. #267.01{sidFoFjcOfu} 17.1.2 Vitamin-K-Antagonisten und Coenzym Q10 #267.02{sidy6qoK9pm} Coenzym Q10 kann die Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten beeinträchtigen #267.03{sidkfI54WSU} Mechanismus: Coenzym Q10 ist strukturell mit Menachinon (Vitamin K2) verwandt und weist in vitro Vitamin-Kagonistische Wirkungen auf. #267.04{sidrYG0ZPFf} Folgen: Mögliche Beeinträchtigung der antikoagulatorischen Wirkung von oralen Antikoagulanzien vom Dicoumarol-Typ, den sogenannten Vitamin-K-Antagonisten (Warfarin, Phenprocoumon); Abfall der INR-Werte. #267.05{sidYvUG9WZ5} Hinweis: Bei einer Langzeittherapie mit Antikoagulanzien vom Dicoumarol-Typ wie Warfarin sollte bei kardiovaskulären Erkrankungen unter der Begleitmedikation mit Coenzym Q10 der INR-Wert engmaschig kontrolliert werden (INR 2,5–3,5 = Quick 28–20 %). Da es Hinweise gibt, dass Vitamin E in hohen Dosierungen (≥ 800 I. E. tgl.) mit der Wirkung von Vitamin K bei der Synthese von Gerinnungsfaktoren interferiert, sollte auch bei Patienten, die gleichzeitig Vitamin-K-Antagonisten und Vitamin E einnehmen, der Gerinnungsstaus (INR-Wert) sorgfältig überwacht werden. Möglicherweise stellt Vitamin E aufgrund der Strukturanalogie zu Vitamin K einen kompetitiven Inhibitor der Vitamin-K-abhängigen Carboxylierung (→ Verlängerung der Blutungszeit) dar. #267.06{sidWEWPlali} Studien: In vitro sind für Coenzym Q10 Vitamin-K-artige Wirkungen nachgewiesen worden. Bei gleichzeitiger Einnahme von Coenzym Q10 wird in einigen Fällen über eine signifikant verminderte Wirkung von Warfarin berichtet. Bei den Betroffenen sank der INR-Wert unter den therapeutischen Bereich und normalisierte sich nach Absetzen des Coenzym Q10 wieder. In einer aktuellen randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie mit Coenzym Q10 (100 mg tgl.) oder Ginkgo biloba konnte allerdings keine Beeinträchtigung der Warfarinwirkung (INR-Wert) nachgewiesen werden. #267.07{sidsM1cS4Q5} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 17.1.3 Warfarin und Omega-3-Fettsäuren #267.08{sidgJV6YqCN} Fischöl steigert antikoagulative Wirkung von Warfarin #267.09{sidcYUwtogr} Mechanismus: Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) greifen regulierend in den Stoffwechsel der Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure ein und verringern bei Langzeiteinnahme die Plättchenaggregation, die Bildung des thrombozytenaggregationsfördernden Thromboxans A2 (TXA2) und senken den Spiegel des plasmatischen Faktors VII sowie des Fibrinogens; die Blutgerinnung wird moderat verlängert. #267.10{sidXGLSwiwE} Folgen: Additive antikoagulative Effekte; Steigerung der Warfarinwirkung; Anstieg des INR-Werts; verringerter Bedarf an Warfarin oder Phenprocoumon. #267.11{sidOn6osZ6p} Hinweis: Werden unter einer Therapie mit Antikoagulanzien vom Dicoumarol-Typ wie Warfarin zusätzlich regelmäßig Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) in Mengen von 1 000 mg tgl. und mehr eingenommen, kann sich der INR-Wert verändern. Die INR-Werte sollten hierbei engmaschig kontrolliert und die Dosierung der Antikoagulanzien entsprechend der Einnahme von Omega-3-Fettsäuren angepasst werden. #268.01{sidAZA7NYtr} Fallbeispiel #268.02{sidHTuykYZ2} Bei einer 67-jährigen Patientin, die aufgrund eines erhöhten atherothrombotischen Risikos seit 1½ Jahren Warfarin (1,5 mg tgl.) einnimmt, steigt unter der Verdoppelung der Fischölmenge von 1 000 mg auf 2 000 mg tgl. der INR-Wert innerhalb eines Monats von 2,8 auf 4,3 an. Die Reduktion der Fischölmenge auf die Ausgangsmenge führt nach einer Woche zu einem Abfall des INR-Werts auf 1,6. In hoher Dosierung kann die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren eine Dosisanpassung der klassischen antikoagulativen Therapie erforderlich machen. #268.03{sidlebTpiXG} 17.1.4 Heparin und Calcium/Vitamin D #268.04{sidL5VUdGVf} Konventionelles Heparin steigert bei langfristiger Anwendung das Osteoporoserisiko #268.05{sidGdBsmU7N} Mechanismus: Parathormonspiegel ↑; Knochenresorption ↑; Osteoblasten-Prolifera-tion ↓; Stimulierung der Osteoklastenaktivität. #268.06{sidUkOCqPT2} Folgen: Risiko für Spontanfrakturen ↑; heparininduzierte Osteoporose. #268.07{sidU9NpIkpl} Hinweis: Unter einer Langzeittherapie (z. B. ≥ 20 000 I. E. tgl., über vier Monate) mit konventionellem Heparin ist Risiko für eine Osteoporose erhöht. #268.08{sidKVLc8yrx} Studien: Die Anwendung von 15 000 I. E. und mehr an unfraktioniertem Heparin täglich über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten ist mit schädlichen Folgen für den Knochen assoziiert. Die Knochendichte am Femur nimmt bei einem Drittel der Patienten um mehr als 10 % ab. Die klinische Relevanz manifestiert sich durch eine erhöhte Wirbelkörper- und Rippenfrakturrate. Ob niedermolekulare Heparinoide hier weniger schädlich wirken, ist nicht hinreichend geklärt. Im Tierversuch zeigten niedermolekulare Heparinoide einen ähnlich schädlichen Einfluss auf die mechanische Belastbarkeit des Knochens wie unfraktioniertes Heparin. Auch bei Schwangeren und Stillenden besteht ein erhöhtes Risiko für Störungen des Knochenstoffwechsels. Gefährdet sind vor allem Schwangere, die infolge eines systemischen Lupus erythematodes einer regelmäßigen Antikoagulanzientherapie mit Heparin bedürfen. Unter einer Langzeittherapie mit Heparinen sollte daher auf gute Versorgung mit knochenwirksamen Mikronährstoffen wie Vitamin D (z. B. 2 000–4 000 I. E. tgl.) und Calcium (z. B. 500–1 000 mg tgl.) geachtet werden. #268.09{sidRIcKa6c7} Literatur #268.10{sidedgJYAqe} Barbour LA et al. A prospective study of heparin-induced osteoporosis in pregnancy using bone densitometry. Am J Obstet Gynecol, 170 (3): 862–869, 1994 #268.11{sidter5GWqf} Bardin T, Lequesnem M. The osteoporosis of heparinotherapy and systemic mastocytosis. Clin Rheumatol, 8: 119– 123, 1989 #268.12{siddMcRGnvX} Bartl R et al. Drug-induced Osteopathies. Z Rheumatol, 69: 135–151, 2010 #268.13{sidrLSIbPbm} Buckley MS et al. Fish oil interaction with warfarin. Ann Pharmacother, 38 (1): 50–52, 2004 #268.14{sid8qy3JdQ7} Chigot P et al. Osteoporosis induced either by unfractionated heparin or low molecular weigth heparin. J Mal Vasc, 21 (3): 121–125, 1996 #268.15{sidRdgL38lE} Engelsen J et al. Effect of coenzyme Q10 and gingko biloba on warfarin dosage in patients on long-term Warfarin treatment. A randomized, double-blind, placebo-controlled cross-over trial. Ugeskr Laeger, 165 (18): 1868–1871, 2003 #268.16{sidDr2CTlKM} Folwarczna J et al. Effects of heparin and low-molecular-weight heparins on bone mechanical properties in rats. Thromb Haemost, 92 (5): 940–946, 2004 HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #268.17{sidNvohVLg4} Gröber U, Kisters K. Vitamin K in der Prävention und Therapie. EHK, 2016; 65: 184–191. #268.18{sid8GFUX7eN} Gröber U, Reichrath J, Holick MF, Kisters K. Vitamin K: an old vitamin in a new perspective. Dermatoendocrinology, 2014; 10: 1–6 #268.19{sidYGGp8hhr} Handschin AE et al. Effect of low molecular weight heparin (dalteprin) and fondaparinox (Arixtra) on human osteoblasts in vitro. Br J Surg, 92 (2): 177–183, 2005 #268.20{sidwEpni5DX} Heck AM et al. Potential interactions between alternative therapies and Warfarin. Am J Health Syst Pharm, 57 (13): 1221–1227, 2000 #269.01{sidk0PvtZsx} Landbo C, Almdal TP. Interaction between warfarin and coenzyme Q10. Ugeskr Laeger, 160: 3226–3227, 1998 #269.02{sidKGQLu8m4} Mutoh S et al. Characterization of heparin-induced osteopenia in rats. 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Daneben haben die Indikationen für eine niedrig dosierte Therapie mit Glucocorticoiden (siehe Corticosteroide, ▸ Kap. 20) in den letzten Jahren zugenommen. #270.03{sidljt7pjsw} 18.1 Arzneistoffe in der Therapie rheumatischer Erkrankungen #270.04{sid3izAZSkY} Unter den remissionsinduzierenden antirheumatischen Arzneimitteln hat der Folsäureantagonist Methotrexat (MTX) zunehmend an Bedeutung gewonnen und zählt heute in der Gruppe der Basisantirheumatika als ein Mittel der ersten Wahl. Methotrexat besitzt aufgrund seiner folsäureantagonistischen Wirkung ein hohes Interaktionspotenzial mit Folsäure, die ein wichtiges Coenzym bei der DNA-Synthese, Zellteilung und der Homocystein-Entgiftung ist. #271.01{sidueFGstij} Tab. 18.1 Antirheumatika und Antiphlogistika #271.02{sid4PKaDRnz} Wirkstoffe Arzneistoffgruppe #271.03{siddKWJlNpI} Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) Essigsäurederivate: Diclofenac, Acemetacin, Indometacin #271.04{sidnVrOpJnX} Propionsäurederivate: Ibuprofen, Naproxen #271.05{sidWLEjEcDk} Oxicame: Piroxicam #271.06{sid90An3sYJ} Glucocorticoide (siehe ▸ Kap. 20) #271.07{sidqbywVLMu} Remissionsinduktoren (DMARD) Prednison, Prednisolon, Dexamethason Methotrexat (MTX), Ciclosporin, Azathioprin (Immunmodulatoren/Immunsupressiva) #271.01{sidueFGstij} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 18.1 Antirheumatika und Antiphlogistika #271.02{sid4PKaDRnz} Wirkstoffe Arzneistoffgruppe #271.08{sidyJLymjhv} Sulfasalazin #271.09{sidbGd7CNT4} Hydroxychloroquin, Chloroquin #271.10{sidk2DKPtRo} D-Penicillamin #270.05{sidhmD4Q6JS} Nebenwirkungen des Antirheumatikums Methotrexat #270.06{sidcNnWtZvf} Der Folsäureantagonist Methotrexat (MTX) zählt zu den Arzneimitteln mit der höchsten Wirksamkeit auf die klinische und humorale Entzündungsaktivität der rheumatoiden Arthritis (RA). Als antirheumatischer Mechanismus wird unter anderem eine selektive Hemmung der Zytokinsynthese (z. B. TNF-α) und Reduktion der Lymphozytenproliferation sowie der Bildung von Rheumafaktoren diskutiert. Allerdings wird die Anwendung häufig durch gastrointestinale Nebenwirkungen (z. B. schmerzhafte, ulzeriererende oder nicht ulzerierende Stomatitis) begrenzt. Folsäuremangel tritt bei Patienten mit rheumatoider Arthritis relativ häufig auf und wird zusätzlich durch die MTX-bedingte Hemmung des Enzyms Dihydrofolat-Reduktase (DHFR) verstärkt. #270.07{sid8BOLjELq} Fallbeispiel #270.08{sid3Yeqtsot} Die 48-jährige Patientin Petra S. wird seit einem halben Jahr wegen einer rheumatoiden Arthritis mit dem remissionsinduzierenden Basisantirheumatikum Methotrexat (MTX) behandelt. Seit einiger Zeit klagt Frau S. häufig über Entzündungen der Mundschleimhaut, Übelkeit, Durchfälle sowie leichte Ermüdbarkeit und Schwäche. Eine Blutuntersuchung ergibt erniedrigte Folsäurespiegel in den Erythrozyten, einen HomocysteinPlasmaspiegel von 20 µmol/l und hypersegmentierte neutrophile Granulozyten. Diese klinischen Anzeichen weisen auf eine Unterversorgung mit Folsäure hin. #270_271{sidg9eVnSLl} Methotrexat besitzt eine hohe Strukturanalogie zur Folsäure, bindet jedoch mit einer 10 000-fach höheren Affinität an die Dihydrofolat-Reduktase (DHFR) als das physiologische Substrat, die Dihydrofolsäure. Dadurch wird die Umwandlung zur Tetrahydrofolsäure (THF), die biologische aktive Form der Folsäure, blockiert. Es kommt zu einem Mangel an THF. Da THF eine zentrale Rolle im Organismus bei der Übertragung von Methylgruppen spielt und essenziell für die Nukleinsäuresynthese ist, werden Wachstum und Proliferation sich schnell teilender Zellen beeinträchtigt. Davon sind vorrangig die Zellen der Schleimhäute, des Blutes und des Immunsystems betroffen. Bis zu 60 % der mit MTX behandelten Rheumapatienten leiden durch iatrogenen Folsäuremangel unter leichten bis mittelschweren Nebenwirkungen, wie Stomatitis, gastrointestinale Störungen (z. B. Durchfälle) und nachlassende körperliche Belastbarkeit. Die Ergebnisse einer Metaanalyse von sieben randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudien bestätigen, dass eine regelmäßige Folsäuresubstitution die mukosale und gastrointestinale Nebenwirkungsrate einer MTX-Therapie gegenüber Placebo signifikant reduzieren kann (um bis zu 79 %). #271.11{sidf30IGQns} MTX-induzierte Hyperhomocysteinämie #271.12{sidxzBJgLT6} In Form der 5-Methyl-THF wird Tetrahydrofolsäure für die Remethylierung und Entgiftung der angio- und neurotoxischen Aminosäure Homocystein benötigt (○Abb. 3.2). Die Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l) ist eine häufige, allzu oft nicht diagnostizierte, Nebenwirkung der antirheumatischen Therapie mit MTX. Verschiedene Studien zeigen, dass die adjuvante Gabe von Folsäure den durch MTX induzierten Anstieg des Homocysteins effektiv senkt sowie die Verträglichkeit und therapeutische Breite des Antirheumatikums verbessert. #271.13{sidMjr0ih4i} In einer Studie an 15 Patienten mit rheumatoider Arthritis (n = 13) oder psoriatischer Arthritis (n= 2) wurde vor dem Beginn einer MTX-Therapie, nach vier Wochen der MTX-Therapie (mit im Mittel 10 mg pro Woche) und nach weiteren vier Wochen der Therapie mit adjuvanter Folsäuregabe (15 mg pro Woche) der Homocysteinspiegel und Folsäuregehalt der Erythrozyten gemessen (○Abb. 18.1). Die Homocysteinwerte stiegen in der Phase der MTXTherapie ohne begleitende Folsäuregabe deutlich an (p < 0,05) und korrelierten negativ mit dem Erythrozyten-Folat. Die adjuvante Gabe von Folsäure führte zu einer Normalisierung der Homocysteinspiegel. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #272.01{sid4LyIG2Nw} Abb. 18.1 Homocysteinplasmaspiegel bei Patienten mit rheumatoider Arthritis unter MTX-Therapie (10 mg pro Woche, p. o.) mit und ohne Folsäure-Supplementierung (15 mg pro Woche, p. o.) #271.14{sidU6QWvpSt} 18.2 Mikronährstoffe in der Therapie mit Antirheumatika und Antiphlogistika #271.15{sidvaK9yCTw} 18.2.1 Methotrexat und Folsäure #271.16{sid8IA1vcAJ} Folsäuremangel und Hyperhomocysteinämie durch Methotrexat #271_272{sidWnbLszQa} Mechanismus: Der Folsäureantagonist Methotrexat ist in der Therapie der rheumatoiden Arthritis ein Mittel der ersten Wahl. Folsäuremangel ist bei Patienten mit rheumatoider Arthritis häufig und wird als Folge der MTXTherapie durch die Hemmung der Tetrahydrofolat-Reduktase verstärkt. #272.02{sidjcSeeVGK} Folgen: Abfall der Folsäurespiegel im Plasma und den Erythrozyten; gastrointestinale Störungen (z. B. Übelkeit, Durchfall), Schleimhautschäden (z. B. schmerzhafte, ulzerierende Stomatitis), Störungen der Erythropoese, Leukozytopenie, Thrombozytopenie; Anstieg der gefäß- und neurotoxischen Aminosäure Homocystein im Plasma. #272.03{sidI9IikLWY} Hinweis: Eine Folsäuresubstitution reduziert die Nebenwirkungen bei Erhalt der Wirksamkeit der MethotrexatBehandlung. Bei MTX-Therapie der rheumatoiden Arthritis sollte von Beginn an eine adjuvante Supplementierung von Folsäure (z. B. 1 mg tgl. oder 5 mg 2–3× pro Woche, p. o.) erfolgen. Die Nebenwirkungsrate kann dadurch verringert, die Verträglichkeit erhöht und einer durch MTX induzierten Hyperhomocyteinämie effektiv vorgebeugt werden. Folsäure sollte grundsätzlich in Kombination mit Vitamin B6 und Vitamin B12 gegeben werden! #272.04{sidyqNNOSg9} Die MTX-Wirksamkeit wird unter Folsäuredosen bis zu 27,5 mg wöchentlich, entsprechend einem Folsäure: MTXDosis-Verhältnis bis zu 3:1 nicht beeinträchtigt, da MTX weitere vom Folsäureantagonismus unabhängige Wirkmechanismen aufweist. Im Gegensatz dazu vermag Folinsäure (Leucovorin) zwar auch die MTX-Toxizität zu senken, führt aber bei höheren Dosen, entsprechend einem Leucovorin: MTX-Dosis-Verhältnis von 1:1 oder mehr, zu einer Einschränkung der MTX-Wirksamkeit. #272.05{sididFfuZ1r} 18.2.2 Diclofenac und Vitamin E #272.06{sidBi1172vm} Adjuvante Wirksamkeit von Vitamin E mit NSAID (z. B. Diclofenac) #272.07{sidBZhgO9d1} Mechanismus: Vitamin E reduziert die oxidative Belastung im entzündeten Gelenk und greift regulierend in den Arachidonsäure-Stoffwechsel ein. Die Aktivität proinflammatorischer Enzyme (z. B. COX, PLA2) sowie die Produktion entzündungsfördernder Zytokine (z. B. IL-1, TNF-α) werden durch Vitamin E herunterreguliert (Synergismus mit NSAID); die Sensitivität der Cyclooxygenase-2 gegenüber einer Enzymhemmung durch ASS bzw. NSAID kann durch Vitamin E erhöht werden (additive Reduktion der lipopolysaccharidinduzierten Prostaglandin-E2Synthese). #273.01{sidq1xot8dQ} Folgen: Vitamin E unterstützt die antiinflammatorische Wirksamkeit und verringert die gastrointestinale Nebenwirkungsrate (z. B. Ulzerationen) der NSAID wie Diclofenac; die adjuvante Gabe von Vitamin E kann zudem eine Dosisreduktion der nebenwirkungsreichen nichtsteroidalen Antiphlogistika ermöglichen, ohne Verlust ihrer antiinflammatorischen Wirksamkeit. #273.02{sidCIpdrAG9} Hinweis: Bei einer Therapie mit NSAID (z. B. Diclofenac) empfiehlt sich die Einnahme von Vitamin E (z. B. 500 I. E./d). Die Präparate sollten neben α- auch γ-Tocopherol sowie natürliche Tocotrienole enthalten, vorzugsweise in Kombination mit anderen Antioxidanzien wie Vitamin C, Pycnogenol, Selen und Zink. #273.03{sidV8cHdNw8} Eine lacto-vegetabile, arachidonsäurearme Kost (< 80 mg Arachidonsäure/Tag) plus Omega-3-Fettsäuren (30–35 mg EPA/DHA pro kg KG tgl.) unterstützt generell eine antirheumatische Therapie. #273.04{sid0y4nl2av} 18.2.3 Antirheumatika und Omega-3-Fettsäuren #273.05{sidrIoflGtY} Einsparung von Antirheumatika (z. B. NSAID) durch adjuvante Gabe von Omega-3-Fettsäuren #273.06{sidJIbwVQG0} Mechanismus: Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) greifen synergistisch mit Antirheumatika in die pathogenetischen Stoffwechselprozesse der rheumatoiden Arthritis ein. Eicosapentaensäure hemmt die Bildung proinflammatorischer Eicosanoide (z. B. Leukotrien B4), indem sie Arachidonsäure kompetitiv von den eicosanoidbildenden Enzymen (z. B. Lipoxygenase, Cyclooxygenase) verdrängt. #273.07{siduqEP8DEv} Folgen: Die regelmäßige Einnahme von Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) kann den Bedarf an und die Nebenwirkungen (z. B. Schädigung der Magen-Darm-Schleimhaut) einer antirheumatischen Medikation verringern. #273.08{sidJB25L53Y} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Hinweis: Bei einer Therapie mit Antirheumatika empfiehlt sich die regelmäßige Einnahme von Omega-3Fettsäuren (30–35 mg EPA/DHA pro kg KG tgl.) in Form von Fischölkapseln in Kombination mit Antioxidanzien (z. B. Vitamin C, E, Selen und Zink). Eine lacto-vegetabile, arachidonsäurearme Kost (AA < 80 mg/d) unterstützt generell die antirheumatische Therapie. #273.09{sidiEg0NHPk} Das Risiko für Nierenfunktionsstörungen und Triglyceridämie unter dem Immunsuppressivum Ciclosporin, das seit einigen Jahren auch für die Therapie der rheumatoiden Arthritis zugelassen ist, kann durch Omega-3-Fettsäuren verringert werden. #273.10{sidsV3e4DDj} 18.2.4 Antirheumatika und Chondroprotektiva #273.11{sidvHU61ozD} Einsparung von NSAID (z. B. Diclofenac) durch adjuvante Gabe von Chondroprotektiva wie Glucosaminsulfat #273.12{sidCOm1tmTz} Mechanismus: Chondroprotektiva wie Glucosaminsulfat (GS) und Chondroitinsulfat (CS) sind Komponenten der extrazellulären Matrix der Gelenkknorpel, D-Glucosamin ist der Hauptbaustein für die Synthese der Proteoglykane, der Grundbaustoffe der Knorpel, Sehnen und Bänder: Stimulation anaboler Prozesse (→ Proteoglykansynthese) und Hemmung kataboler Vorgänge im Knorpel (→ Knorpelprotektion), antientzündliche und analgetische Wirkung (proinflammatorische Zytokine ↓), synergistische Wirkung mit Omega-3-Fettsäuren und NSAID #273.13{sidKQirIJTm} Folgen: Die regelmäßige Einnahme von Chondroprotektiva wie Glucosaminsulfat (z. B. 1 500 mg/d, p. o.), Chondroitinsulfat (z. B. 800 mg/d, p. o.) und Methylsulfonylmethan (z. B. 3 600 mg/d, p. o.) kann den Bedarf und die Nebenwirkungen (z. B. Schädigung der Magen-Darm-Schleimhaut) von NSAID wie Ibuprofen, Piroxicam oder Diclofenac verringern; Abnahme der COMP-Serumspiegel (COMP = Spezifischer Marker für Gelenkknorpeldestruktionen, Verlaufsdiagnostik). #273.14{sidGZoxxdZ6} Studien: In kontrollierten Studien konnte durch die Einnahme von Glucosaminsulfat und/oder Chrondroitinsulfat der Bedarf an nebenwirkungsreichen NSAID (z. B. Ulkuserkrankungen) wie Diclofenac verringert werden. #274.01{sidmlxii1sc} Abb. 18.2 Wirkungen von Glucosaminsulfat (1 500 mg/d p. o.) im Vergleich zu Ibuprofen (1 200 mg/d p. o.) auf den modifizierten Lequesne-Index #274.02{sidfuLowlOj} Während bei den klassischen Antirheumatika (z. B. COX-Inhibitoren, NSAID) mit einem raschen Wirkungseintritt und den typischen Nebenwirkungen (z. B. Magenschleimhautschäden) zu rechnen ist, setzt die Wirkung von DGlucosaminsulfat eher langsam ein (○Abb. 18.2). Eine akute Wirkung wie Reduktion von Schmerzen oder entzündlicher Prozesse ist von den Chondroprotektiva GS und/oder CS bei Arthrose nicht zu erwarten. Bei langfristiger Anwendung zeigte sich in kontrollierten Studien unter der Einnahme von täglich 1 500 mg Glucosaminsulfat (Zeitraum: drei Jahre) gegenüber Placebo in Röntgenuntersuchungen der betroffenen Kniegelenke eine geringere Gelenkspaltverengung, was auf eine Hemmung der Krankheitsprogression hinweist. Zusätzlich konnte durch Glucosaminsulfat eine Verbesserung klinischer Symptome mithilfe des WOMAC-Scores (= Western Ontario and McMaster Universities-Arthrose-Index, ein Score zur Bewertung von Schmerzempfinden, Steifheit und Funktionsfähigkeit der Gelenke) festgestellt werden. Die Notwendigkeit eines Knie- oder Hüftgelenkersatzes konnte auch verringert werden. Es empfiehlt sich die Tagesdosierung über den Tag verteilt zu den Mahlzeiten (z. B. 2 × 750 mg GS/d oder 3 × 1 250 mg MSM/d) einzunehmen. Auch eine Intervalltherapie (z. B. 1 500 mg Glucosaminsulfat/d für sechs bis acht Wochen gefolgt von einer dreiwöchigen Therapiepause) ist sinnvoll. Bemerkenswert ist, dass die europäische Gesellschaft für Osteoporose- und Osteoarthritis-Therapie (ESCEO) in ihren Leitlinien aus dem Jahre 2016 im ersten Schritt der Behandlung der Kniegelenksarthrose den Einsatz von Glucosaminsulfat und/oder Chondroitinsulfat neben Paracetamol empfiehlt. #274.03{sidANyXpmu8} 18.2.5 NSAID (z. B. Ibuprofen) und Kalium #274.04{sidxfVvxI3d} NSAID erhöhen die Kaliumserumspiegel #274.05{sidiqPMuhV0} Mechanismus: Nichtsteroidale Antiphlogistika (z. B. Ibuprofen, Indometacin) können durch Beeinträchtigungen der Nierenfunktion (z. B. Hemmung der Prostaglandinsynthese → hyporeninämischer Hypoaldosteronismus) einen Anstieg der Kaliumspiegel im Serum hervorrufen; bei gleichzeitiger Einnahme kaliumhaltiger Präparate kann als Folge einer additiven Kaliumretention eine Hyperkaliämie auftreten. #274.06{sidZ9hHQ9CX} Folgen: Anstieg der Kaliumspiegel; Risiko für neuromuskuläre Störungen (z. B. Muskelschwäche, Parästhesien), Bradykardie oder AV-Block durch Hyperkaliämie (Kaliumserumspiegel > 5,0 mmol/l). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #274.07{sidw1oP0Xr9} Hinweis: Eine Selbstmedikation mit kaliumhaltigen Elektrolyt- oder Vitaminpräparaten sollte unter einer Therapie mit NSAID unterbleiben. #274_275{sidvHRid1rD} Nichtsteroidale Antiphlogistika können die Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate) beeinträchtigen (Indometacin bis zu 50 %) und die Entwicklung einer Hyperkaliämie begünstigen. Durch die Hemmung der Prostaglandinsynthese werden zudem der renale Blutfluss und die intrarenale Modulation des Renin-Angiotensin-Systems gestört. Normalerweise führen Prostaglandine als Vasodilatatoren zu einem Anstieg des Renins im Plasma. Als Prostaglandinsynthese-Inhibitoren können NSAID einen hyporeninämischen Hypoaldosteronismus auslösen (Aldosteron steigert die renale Kaliumexkretion). Der hyporeninämische Hypoaldosteronismus führt häufig zu einer Hyperkaliämie, vor allem bei älteren Diabetikern. Diese Störung bewirkt bei gleichzeitiger Gabe von NSAID, Betablockern oder ACE-Inhibitoren einen signifikanten Anstieg der Kaliumspiegel im Blut. #275.01{sidfIgtFVql} 18.2.6 Sulfasalazin und Folsäure #275.02{sid3ZOdHR2G} Sulfasalazin vermindert die Folsäure-Resorption #275.03{sidpTVIgs7K} Mechanismus: Die in der Nahrung dominierenden Polyglutamatverbindungen der Folsäure müssen vor der Resorption mithilfe einer zinkabhängigen γ-Glutamyl-Carboxypeptidase im Bürstensaum der Mucosazellen des Duodenums und oberen Jejunums in resorbierbare Monoglutamatverbindungen gespalten werden. Sulfasalazin, das zur Basistherapie der rheumatoiden Arthritis und zur Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (z. B. M. Crohn) eingesetzt wird, hemmt die Aktivität der Peptidasen und beeinträchtigt die Bioverfügbarkeit von Nahrungsfolaten. #275.04{sidrV63gq23} Folgen: Ein Anstieg der Homocystein-Plasmaspiegel (≥ 10 µmol/l), Störungen des Blutbilds (z. B. hypersegmentierte neutrophile Granulozyten, Megaloblastenanämie) sowie gastrointestinale Schleimhautveränderungen (z. B. Durchfälle) können die Folge sein. #275.05{sidvbUjjEf4} Hinweis: Unter einer Langzeitmedikation mit Sulfasalazin empfiehlt sich die regelmäßige Einnahme eines Folsäurepräparats (0,6–1 mg Folsäure tgl.) in Kombination mit Vitamin B6 und B12. Zur Kontrolle des Folsäurestatus ist die Bestimmung der erythrozytären Folsäurekonzentration und der Homocystein-Plasmaspiegel sinnvoll. #275.06{sidNe1gnWUg} 18.2.7 NSAID und Glutamin #275.07{siddItSGyFI} Glutamin verringert die gastrointestinalen Nebenwirkungen von NSAID #275.08{sidfCWcG7xz} Mechanismus: Eine erhöhte intestinale Permeabilität und Schleimhautschäden im Magen-Darm-Trakt durch NSAID, wie Indometacin oder Diclofenac sind häufig. L-Glutamin ist das primär energieliefernde Substrat der sich rasch teilenden Zellen der Dünndarmschleimhaut und ist ein essenzieller Nährstoff zur Aufrechterhaltung der normalen Darmfunktion. Permeabilitätsveränderungen des Darms werden durch Glutamin verringert und die gastrointestinale Mukosa geschützt. #275.09{sid36d4dlWQ} Folgen: Die gastrointestinale Verträglichkeit von NSAID kann durch begleitende Gabe von L-Glutamin verbessert werden. #275.10{sidzXPkDiQ5} Hinweis: Gastrointestinale Nebenwirkungen der NSAID können durch die adjuvante Einnahme (30 Minuten vorher) von L-Glutamin (5–10 g) verringert werden. #275.11{sidWHGGkm1w} 18.2.8 D-Penicillamin und Vitamin B6 #275.12{sidNkWh3ErU} Inaktivierung und erhöhte renale Exkretion von Vitamin B6 durch D-Penicillamin #275.13{sidUDYLGjPU} Mechanismus: D-Penicillamin reagiert mit der reaktiven Aldehyd-Gruppe von Pyridoxal unter Bildung einer Schiff’schen Base (Vitamin-B6-Antagonismus). Das Vitamin wird dadurch physiologisch inaktiviert und verstärkt renal ausgeschieden (○Abb. 18.1). #275.14{sidPcp3Pded} Folgen: Vitamin-B6-Mangel (erhöhte Xanthurensäure-Exkretion nach Tryptophanbelastung); periphere Neuropathien (z. B. Taubheitsgefühl, Kribbeln in den Füßen und Händen). #275.15{sidEYpJLnTg} Hinweis: Unter einer Medikation mit D-Penicillamin ist auf eine ausreichende Substitution mit Vitamin B6 (25–100 mg tgl., p. o.) zu achten. Bei Neuropathien empfiehlt sich die kombinierte Gabe von Vitamin B6 mit Benfotiamin und Vitamin B12. D-Penicillamin kann auch die Exkretion von Zink und Kupfer steigern. Die Zinkkonzentration in immunkompetenten Zellen kann dadurch abfallen. #275.16{sid2vV2s23s} Literatur #275.17{sidaPbwyh0c} Abate A et al. Synergistic inhibition of cyclooxygenase-2 expression by vitamin E and aspirin. Free Radic Biol Med, 29 (11): 1135–1142, 2000 #275.18{sidYRheLmgp} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Ann JY et al. Effect of glutamine on the non-steroidal anti-inflammatory drug-induced bacterial translocation. Korean J Gastroenterol, 44 (5): 252–258, 2004 #275_276{sidpxSH7wMI} Blankenhorn G. Klinische Wirksamkeit von Vitamin E bei aktivierten Arthrosen. Eine multizentrische Placebokontrollierte Doppelblindstudie. Z Orthopädie, 124: 340–343, 1986 #276.01{sidUy2kuEqi} Bruyère O, Cooper C, Pelletier JP et al. A consensus statement on the European Society for Clinical and Economic Aspects of Osteoporosis and Osteoarthritis (ESCEO) algorithm for the management of knee osteoarthritis-From evidence-based medicine to the real-life setting. Semin Arthritis Rheum, 45 (4 Suppl): S3-S11, 2016 #276.02{sidTHbCenmk} Butawan M, Benjamin RL, Bloomer RJ. Methylsulfonylmethane: Applications and Safety of a Novel Dietary Supplement. Nutrients, 9 (3), pii: E290, doi: 10.3390/nu9030290, 2017 #276.03{siduNbQSQS1} Debbi EM, Agar G, Fichman G et al. 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Aufgrund der schnellen Resistenzentwicklung der Tuberkelbakterien gegen einzelne Antituberkulotika erfolgt in der Regel eine Kombinationstherapie aus bakteriziden und bakteriostatisch wirkenden Antituberkulotika: Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol. #277.03{sid44FkQHKO} 19.1 Antituberkulotika und Mikronährstoffe #277.04{sidfx9yPqpp} 19.1.1 Bedeutung von Vitamin D bei Tuberkulose #277.05{sid2rGmawTC} Die heilsame Wirkung des Sonnenlichts bei Tuberkulose beschreibt Thomas Mann 1924 in seinem TuberkuloseRoman „Der Zauberberg“. Inspiriert wurde er zu diesem Werk, als seine Frau Katia 1912 in einem Davoser Lungensanatorium weilte. Kuraufenthalte in Sonnensanatorien hochalpiner Regionen zählten vor der Entdeckung der Antibiotika zur Standardtherapie der Tuberkulose (→ Heliotherapie der TBC). Die Heliotherapie (UV-B 280–315 nm) regt im Körper die Produktion von 25-OH-Vitamin-D an, welches von Immunzellen (z. B. Makrophagen, B- und TLymphoyzten) in 1,25-(OH)2-Vitamin-D (Calcitriol, Vitamin-D-Hormon) umgewandelt wird. Für die unspezifische Immunabwehr und die MTB-Resistenz ist vor allem die calcitriolinduzierte Synthese antimikrobiell wirksamer Peptide (AMP), der sogenannten Cathelicidine von Bedeutung. AMP unterstützen als Effektormoleküle auch die einzellige Epithelschicht des Darms, die als Mukosabarriere unseren Körper vor dem Eindringen pathogener Keime bewahrt. Im Kolon stellt die Expression des antimikrobiellen Peptids LL-37 eine Strategie des angeborenen Immunsystems zur Abwehr von Mikroorganismen (z. B. E. coli) dar. 1,25(OH)2D regt dabei die Expression des Cathelicidin Gens camp an. Die Induktion der camp-Expression durch 1,25-(OH)2D wird durch die Existenz eines Vitamin-DResponse-Elements (VDRE) in der Promoterrregion des camp-Gens begründet, an das der Vitamin-D-RezeptorKomplex als ligandenabhängiger Transkriptionsfaktor bindet und die Genexpression vermittelt. Neben der eigentlichen antimikrobiellen Aktivität besitzen Cathelicidine einige andere Funktionen. So können sie z. B. Lipopolysaccharide binden, neutralisieren und einem Endotoxinschock vorbeugen. In In-vitro-Studien mit synthetisch hergestelltem LL-37 zeigten sich Stämme von E. coli, Klebsiella pneumoniae, Neisseria gonorrhoeae, Enterobacter, Lactobacillus casei, A-Streptokokken, Helicobacter pylori, Shigellen, Salmonellen und Candida albicans empfindlich gegenüber Cathelicidinen. Das Vitamin-D-Hormon spielt eine wichtige Rolle für die Integrität des darmassoziierten Immunsystems. Evtl. begünstigt ein Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) auch die Suszeptibilität für Darmentzündungen mit blutigen Durchfällen durch EHEC (enterohämorrhagische Escherichia coli). #277_278{sid0omoTJau} Im Vergleich zu Antibiotika sind Resistenzen gegenüber AMP sehr selten. Beim Menschen werden AMP wie das Cathelicidin LL-37 (○Abb. 19.1) in Epithelzellen (z. B. Respirations-, Gastrointestinal-, Urogenitaltrakt) und in spezialisierten Abwehrzellen wie Makrophagen oder Neutrophilen gebildet. AMP besitzen eine mikrobizide Wirkung gegenüber einer Vielzahl von gramnegativen und grampositiven Bakterien, Viren und Protozoen. Selbst resistente Pathogene wie der methillicinresistente Staphyloccocus aureus (MRSA), vancomycinresistente Enterokokken (VRE) und Extended-Spectrum-Beta-Lactamase(ESBL)-bildende Erreger werden erfasst. #278.01{sidQLJ7laVc} In Makrophagen löst die Stimulierung des Toll-like-Rezeptors (TLR 2) durch Lipopolysaccharide des MTB (Antigene) eine Hochregulierung von Vitamin-D-Rezeptoren (VDR) und eine vermehrte Expression der CYP27B1 (1αHydroxylase) aus. Dieses Enzym katalysiert die Aktivierung von 25(OH)D (Calcidiol) in 1,25(OH)2D (Calcitriol). Nach Bindung an den Vitamin-D-Rezeptor (VDR) wird der aus Calcitriol und VDR bestehende Komplex in den Zellkern transloziert. Hier induziert dieser als Transkriptionsfaktor die Expression von Cathelicidin LL-37. Die antimikrobielle Aktivität von Cathelicidin LL-37 wird über die Interaktion mit der bakteriellen Membran erklärt. Aufgrund der positiven Nettoladung kommt es zur Anlagerung des Peptids an die negativ geladenen Komponenten der Bakterienmembran. LL-37 kann die Zellmembran des MTB penetrieren. Durch Porenbildung kommt es zum Einstrom wasserlöslicher Bestandteile, die das Membranpotenzial zusammenbrechen lassen und damit den Tod des Bakteriums auslösen. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #278.02{sidXZwRfMH1} Abb. 19.1 Calcitriolinduzierte Cathelicidin-Expression in Makrophagen #278.03{sidttgnbSu4} 19.1.2 Antituberkulotika und Vitamin D #278.04{sid5vUKIf10} Vitamin D verbessert die Wirksamkeit von Antituberkulotika und beschleunigt die Heilung bei Tuberkulose #278.05{sidC0MggKMN} Mechanismus: Calcitriol fördert die Differenzierung von Monozyten zu Makrophagen, erhöht die Phagozytoserate und die Aktivität lysosomaler Enzyme in Makrophagen; der Calcitriol-VDR-Komplex induziert in Makrophagen die Synthese des mikrobiziden Cathelicidin LL-37. #278.06{sid3V25yEvV} Folgen: Steigerung der antimykobakteriellen Immunität und MTB-Resistenz, Verbesserung der Wirksamkeit von Antituberkulotika, Heilung der Tuberkulose ↑. #279.01{sid1vRws3XU} Hinweis: Bei Patienten mit Tuberkulose sollte grundsätzlich der Vitamin-D-Status kontrolliert und bei einem Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) Vitamin D gezielt supplementiert werden (z. B. 40 000 I. E./Woche, p. o.). Eine Supplementierung von Vitamin D wirkt zudem antituberkulotikainduzierten Störungen des Vitamin-D-Status entgegen. #279.02{sidr6pODHvt} Studien: Nehmen Patienten mit Lungentuberkulose zusätzlich zur Therapie mit Antituberkulotika Vitamin D in hoher Dosierung ein, kann das die Heilung der Tuberkulose beschleunigen. Der hormonell aktive Metabolit des Vitamin D, das Calcitriol (1,25(OH)2D) besitzt ausgeprägte immunmodulierende Eigenschaften. Als Ligand des nukleären Viamin-D-Rezeptors (VDR) steuert es die Transkription zahlreicher Gene. Der humane Vitamin-D-Rezeptor ist polymorph. In-vitro-Untersuchungen haben gezeigt, dass das t-Allel des TaqI-VDR-Polymorphismus einen Anstieg der calcitriolinduzierten Phagozytose der Tuberkulosebakterien bewirkt. Dies ist mit einer rascheren Sputumkonversion assoziiert, das bedeutet, es wird rascher der Zustand erreicht, dass in der Sputumkultur keine lebensfähigen Mykobakterien mehr nachgewiesen werden können. #279.03{sidnUbwqs1e} In einer aktuellen multizentrischen, doppelblinden und randomisierten Studie erhielten 146 Patienten mit offener Lungentuberkulose zusätzlich zur Standardtherapie mit Antituberkulotika (→ Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid, Ethambutol) entweder viermal 2,5 mg (= 100 000 I. E.) Vitamin D im Abstand von 14 Tagen (Tag 7, 14, 28 und 42) oder Placebo. Primärer Endpunkt war die Zeit vom Beginn der tuberkulostatischen Therapie bis zur Sputumkonversion. Zusätzlich wurden die Patienten hinsichtlich der TaqI-VDR-Varianten (tt, Tt, TT) genotypisiert und der Einfluss des VDR-Genotyps auf die Vitamin-D-Reaktion in einer Interaktionsanalyse untersucht. #279.04{sidV7fwSdBV} In die primäre Wirksamkeitsanalyse waren 126 Patienten eingebunden (62: Vitamin D, 64: Placebo). Bei den Patienten, die zusätzlich 400 000 I. E. Vitamin D erhielten, war das im Schnitt schon nach fünf Wochen (36,0 Tagen) der Fall. In der Placebo-Gruppe dauert dies eine Woche länger (43,5 Tage). Der Unterschied war allerdings nicht signifikant (p = 0,41). Die Interaktionsanalyse zeigte, dass nur die Patienten mit dem tt-Genotyp des VDR von der Supplementierung von Vitamin D profitierten (Hazard-Ratio 8,09, 95 %-Konfidenzintervall 1,36–48,01; p = 0,02). Dieser Genotyp liegt bei weniger als 10 % der Bevölkerung vor. Der durchschnittliche 25(OH)D-Spiegel im Serum nach 56 Tagen lag in der Verum-Gruppe bei 101,4 nmol/ (= 40,56 ng/ml) und in der Placebo-Gruppe bei 22,8 nmol/l (= 9,12 ng/ml). Bemerkenswert ist, dass 97 % der Probanden zu Studienbeginn einen Vitamin-D-Mangel aufwiesen. #279.05{sidgLLEOIJr} 19.1.3 Isoniazid und Vitamin B6 #279.06{sidQbuV3Fml} Isoniazid induziert Vitamin-B6-Mangel #279.07{sidFdyrPOc5} Mechanismus: Isoniazid (INH) hemmt Pyridoxal über die Bildung einer metabolisch inaktiven Schiff‘schen Base (Hydrazon): die NH2-Gruppe des Isoniazid bindet die Aldehyd-Gruppe des Pyridoxal (chemischer Antagonismus) und vermindert dadurch die Bildung des metabolisch aktiven Pyridoxal-5-Phosphat (○Abb. 19.2); die chemotherapeutische Wirksamkeit von INH bleibt erhalten. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #280.01{sidqzcuCbtw} Abb. 19.2 Biotransformation von Isoniazid und Interaktion mit Pyridoxal. Mutschler 2001 #279.08{sidKLiSgj4P} Folgen: Vitamin-B6-Blutspiegel ↓; Pyridoxin-Phosphokinase ↓; renale Pyridoxin-Exkretion ↑; Vitamin-B6-Mangel; Neuritiden, Krämpfe, pellagraähnliche Dermatitiden (durch sekundären Niacinmangel), sideroblastische Anämie, Kopfschmerzen, Schwindel. #279_280{sidCh7DW3wO} Hinweis: Unter einer Medikation mit Isoniazid sollte zur Prophylaxe von Polyneuropathien eine Einnahme von 50– 100 mg Vitamin B6 tgl. erfolgen (pro 100 mg INH ≥ 10 mg Vitamin B6). Zur Therapie INH-induzierter Neuropathien ist eine Dosierung von 300–1 000 mg tgl. erforderlich. Bei INH-Vergiftungen wird 1 g Pyridoxin-HCl i. v. als Bolus pro g Isoniazid (bzw. 5 g initial) gegeben. Auch das bakteriostatisch wirkende Antibiotikum D-Cycloserin bildet wie INH mit Pyridoxal metabolisch inaktive Vitamin-B6-Metabolite, die vermehrt renal ausgeschieden werden und zu einem Vitamin-B6-Mangel führen. #280.02{sid4FJBGikx} Eine Chemoprophylaxe der Tuberkulose erfolgt bei Personen, deren Tuberkulinhauttest innerhalb der letzten zwei Jahre von negativ zu positiv gewechselt ist. Die Chemoprophylaxe besteht im Allgemeinen aus Isoniazid, wenn keine Resistenz vermutet wird. Die Dosis beträgt für Erwachsene 300 mg tgl. über einen Zeitraum von 6–9 Monaten. Für Kinder beträgt die Dosierung 10 mg pro kg KG tgl., bis zu 300 mg, die als Einzeldosis am Morgen gegeben wird. In der Therapie der Tuberkulose werden verschiedene bakterizide (z. B. Isoniazid) und bakteriostatische (z. B. Ethambutol) Antibiotika und Chemotherapeutika eingesetzt. Zur Verzögerung einer sekundären Resistenzentwicklung werden anfänglich Dreier- oder Vierer-Kombinationen eingesetzt, wobei Isoniazid, Ethambutol, Pyrazinamid und Rifampicin die Mittel der ersten Wahl sind. #280.03{sidTTcrqdon} 19.1.4 Isoniazid und Niacin #280.04{sidNdnJ9OBT} Niacinmangel durch Isoniazid #280.05{sidw1mv3ENQ} Mechanismus: Isoniazid hemmt durch Bindung von Pyridoxal alle Pyridoxal phosphatabhängigen Reaktionen des Tryptophanstoffwechsels, sodass weniger Chinolinsäure als Ausgangsstoff für die Niacin-Synthese zur Verfügung steht (sekundärer Niacinmangel). #280.06{sidXkYvL9XF} Folgen: Risiko für Niacinmangel; Manifestierung pellagraähnlicher Dermatitiden durch sekundären Niacinmangel. #281.01{sidvQD7GsvI} Hinweis: Neben der Substitution von Vitamin B6 (siehe ▸ Kap. 19.1.3) ist unter der Medikation mit Isoniazid die Supplementierung eines Vitamin-B-Komplexes (mit z. B. Niacin, Folsäure, Vitamin B12) in physiologischer Dosierung sinnvoll. #281.02{sidpH1QxXC4} 19.1.5 Isoniazid und Vitamin D #281.03{sidpP9oUwPZ} Vitamin-D-Mangel durch Isoniazid #281.04{sidlSou2dBY} Mechanismus: Isoniazid hemmt die hepatische Hydroxylierung (25-Hydroxylase) von Vitamin D3 (Cholecalciferol) zu 25-(OH)-Vitamin-D (Calcidiol = Hauptmetabolit von Vitamin D). #281.05{sidZSIeEJ9o} Folgen: Abfall 25-(OH)-Vitamin-D-Serumspiegel (Vitamin-D-Mangel: < 50 nmol/l); Abfall der Serumcalcium- und Phosphatspiegel; Anstieg der Parathormonspiegel; erhöhtes Risiko für Osteomalazie. #281.06{sidYpZ7XslV} Hinweis: Unter der Therapie mit Isoniazid sollte der Vitamin-D-Status und die Calciumhomöostase sorgfältig kontrolliert werden. Zur Vorbeugung potenzieller Störungen des Vitamin-D-Stoffwechsels ist eine Supplementierung von täglich 2 000–5 000 I. E. Vitamin D (auch 60 000–150 000 I. E./Monat) und Calcium empfehlenswert. #281.07{sidOstDN3Eo} Studien: Epidemiologische Studien zeigen eine signifikante Korrelation zwischen einem niedrigen Vitamin-DStatus und erhöhtem Infektionsrisiko, insbesondere Infektionen des Respirationsraktes sowie Tuberkulose. #281.08{sid7VnwNQln} 19.1.6 Rifampicin und Vitamin D #281.09{sidSHyFQFNo} Vitamin-D-Mangel durch Rifampicin HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #281.10{sidRmmDsmMI} Mechanismus: Der Enzyminduktor Rifampicin beschleunigt den Abbau und die Metabolisierung von Vitamin D in der Leber. #281.11{sidfzBIv45P} Folgen: Abfall 25-(OH)-Vitamin-D-Serumspiegel (Vitamin-D-Mangel: < 50 nmol/l); Störungen der Calcium- und Phosphathomöostase; intestinale Calciumabsorption ↓; erhöhtes Risiko für Osteomalazie. #281.12{sidbZDKSR6s} Hinweis: Unter der Therapie mit Rifampicin sollte der Vitamin-D-Status und die Calciumhomöostase sorgfältig kontrolliert werden. Zur Vorbeugung potenzieller Störungen des Vitamin-D-Stoffwechsels ist eine Supplementierung von täglich 2 000–5 000 I. E. Vitamin D (auch 60 000–150 000 I. E./Monat) und Calcium empfehlenswert. #281.13{sidGWxumfCi} Unter einer kurzfristigen Therapie mit Rifampicin kann bereits der 25-(OH)-Vitamin-D-Serumspiegel um bis zu 60 % abfallen. Bemerkenswert ist, dass die Kombination von Rifampicin mit Isoniazid geringere Auswirkungen auf den Vitamin-D-Stoffwechsel hat als die Summe der Einzeleffekte erwarten lassen würden. Möglicherweise kompensieren sich teilweise die Einzeleffekte. Dennoch sollte der Calcium- und Vitamin-D-Stoffwechsel bei der Wirkstoffkombination sorgfältig kontrolliert werden. #281.14{sidwzsADcIk} 19.1.7 Ethambutol und Zink #281.15{sidgK4gpLKI} Ethambutol stört den Zink- und Kupferhaushalt #281.16{sidtuatCpyq} Mechanismus: Ethambutol kann mit zweiwertigen Kationen wie Zink und Kupfer Chelate bilden. #281.17{sid07mTNTEn} Folgen: Abfall der Zinkplasmaspiegel, erhöhte renale Zinkexkretion (möglicherweise Schäden am Sehnerv infolge Zinkmangel in Form einer axialen oder periaxialen retrobulbären Neuritis N. optici; Sehleistung ↓; Schleiersehen). #281.18{sidoTUnBPIj} Hinweis: Unter der Therapie mit Ethambutol sollte der Haushalt der essenziellen Spurenelemente Zink und Kupfer kontrolliert werden. Störungen der Sehfunktion (Sehleistung ↓) und Schäden des Sehnervs könnten mit einem durch Ethambutol induzierten Zinkmangel in Verbindung stehen und möglicherweise durch eine Zinksubstitution gebessert werden. Der Sehnerv braucht Zink für den Erhalt seiner Zellstruktur. Die gleichzeitige orale Einnahme von Ethambutol mit Mineralstoffpräparaten (z. B. Zink, Eisen) sollte vermieden werden (Komplexbildung → Einnahmeabstand). #282.01{sidtsG4nL19} 19.1.8 Antituberkulotika, Vitamin A und Zink #282.02{sidZLd9U779} Vitamin A und Zink verbessern die Wirksamkeit von Antituberkulotika #282.03{sidqEYhjsEy} Mechanismus: Patienten mit Tuberkulose weisen häufig, neben einem Vitamin-D-Mangel, verminderte Zink- und Vitamin-A-Plasmaspiegel auf. Vitamin A besitzt immunoprotektive Eigenschaften gegen humane Tuberkulosebakterien; Zinkmangel beeinträchtigt das humorale und zelluläre Immunsystem. Zink spielt eine zentrale Rolle bei der hepatischen RBP-Synthese und ist essenzieller Bestandteil der Retinoldehydrogenase (z. B. Magenschleimhaut, Netzhaut). Zinkmangel führt daher zu Störungen des Vitamin-A-Haushalts. #282.04{sidY6Dx0y7S} Folgen: Ein Mangel an Vitamin A und Zink führt zu einer ausgeprägten Schwächung der zellulären und humoralen Immunkompetenz und steigert erheblich die Infektanfälligkeit (z. B. Atemwegsinfekte); Vitamin-A-Mangel erhöht die bakterielle Adhäsion am Bronchialepithel und stört die Integrität der epithelialen Barriere (v. a. Respirationstrakt); die Synthese von Antikörpern, NK-Zellen und die T-Zellproliferation werden beeinträchtigt. #282.05{sidt5y4N74T} Hinweis: In der Therapie der Tuberkulose ist eine adjuvante Gabe von Zink (15–20 mg tgl., p. o.) und Vitamin A (5 000–10 000 I. E. tgl., p. o.) zur Unterstützung der antituberkulostatischen Therapie in jedem Fall sinnvoll. Eine labordiagnostische Erfassung des Zinkstatus kann sinnvoll sein. #282.06{sidH1ln905c} Studien: Studien haben gezeigt, dass Vitamin A gegenüber der Tuberkulose immunoprotektive Eigenschaften besitzt und die Immunantwort bei Patienten mit Tuberkulose steigert. Vor der Einfuhr der modernen Chemotherapie der Tuberkulose wurde häufig Lebertranöl (reich an Vitamin A und D) eingesetzt. In einer aktuellen doppelblinden, placebokontrollierten Studie an Patienten mit Tuberkulose führte die adjuvante Gabe von Vitamin A (5 000 I. E. tgl., p. o.) und Zink (15 mg tgl., p. o.) zu einer deutlichen Wirksamkeitsverbesserung der antituberkulotischen Medikation (→ beschleunigte Konversion in negativen Sputumausstrich). #282.07{sidCSD8z8ao} Literatur #282.08{sidMTOJ164T} Balcells ME, García P, Tiznado C et al. Association of vitamin D deficiency, season of the year, and latent tuberculosis infection among household contacts. PLoS One, 12 (4): e0175400, doi: 10.1371/journal.pone.0175400, 2017 #282.09{sidWV3oCePl} Bottomley S. Sideroblastic anaemia. Clin Haematol, 11: 389–409, 1982 #282.10{sidFqnXjrrL} Brodie MJ et al. Effect of isoniazid on vitamin D metabolism and hepatic monooxygenase activity. Clin Pharmacol Ther, 30 (3): 363–367, 1981 #282.11{sidd3QbMAy9} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Brodie MJ et al. Effect of rifampicin and isoniazid on vitamin D metabolism. Clin Pharmacol Ther, 32 (4): 525–530, 1982 #282.12{sidmRUPnAsS} Demiroglu H, Dundar S. Vitamin B6 responsive siderblastic anaemia in a patient with tuberculosis. Br J Clin Pract, 51: 51–52, 1997 #282.13{sidxaRikY3y} Gois PHF, Ferreira D, Olenski S, Seguro AC. Vitamin D and Infectious Diseases: Simple Bystander or Contributing Factor? Nutrients, 9 (7). pii: E651, doi: 10.3390/nu9070651, 2017 #282.14{sidX1pMRgYF} Gong H, Amemiya T. Optic nerve changes in zinc-deficient rats. Exp Eye Res, 72 (4): 363–369, 2001 #282.15{sidWkqdFRVH} Holick MF. Vitamin D deficiency. N Engl J Med, 357 (3): 266–281, 2007 #282.16{sidkvFQjvZ0} Karyadi E et al. A double-blind, placebo-controlled study of vitamin A and zinc supplementation in persons with tuberculosis in Indonesia: effects on clinical response and nutritional status. Am J Clin Nutr, 75: 720–727, 2002 #282.17{sid0UUbUzff} Martineau AR et al. High-dose vitamin D(3) during intensive-phase antimicrobial treatment of pulmonary tuberculosis: a double-blind randomised controlled trial. Lancet, 377 (9761): 242–250, 2011 #282.18{sidFLRVOHiq} Matsui MS, Rozovski SJ. Drug-Nutrient interaction. Clin Ther, 4 (6): 423–440, 1982 #282.19{sidwJrhvnbA} Mutschler E. Arzneimittelwirkungen. 10. Aufl., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2013 #282.20{sidfe8TBN88} Saiga H et al. Innate immune effectors in mycobacterial infection. Clin Dev Immunol, 2011: 1–8, 2011 #282.21{sid5aqCTFGO} Snider DEJr. Pyridoxine supplementation during isoniazid therapy. 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Vitamin D deficiency among newly diagnosed tuberculosis patients and their household contacts: a comparative cross-sectional study. Arch Public Health, 75: 25, doi: 10.1186/s13690017-0195-7, 2017 #284.01{sidkKz9L1SP} 20 Corticosteroide #284.02{sidF5HBYf3W} Die Entdeckung der antiinflammatorischen und immunsuppressiven Eigenschaften der Corticosteroide zählt zu den Meilensteinen in der Rheumatherapie. Glucocorticoide bilden heute eine unverzichtbare Wirkstoffklasse zur Therapie akut und chronisch entzündlicher Erkrankungen wie: #284.03{sidbMcgS3pg} der rheumatoiden Arthritis, #284.04{sidKVGy5ZtM} Morbus Crohn, #284.05{sidaZfJn51y} chronisch-obstruktiver Lungenerkrankungen (COPD), #284.06{sidwyglghFA} Kollagenosen, sowie #284.07{sidRHinBFcc} allergischer Erkrankungen wie Asthma bronchiale und topische Dermatitis. #284.08{sidKTfYkdka} Nachteil der Corticosteroide sind verschiedene, zum Teil gravierende Nebenwirkungen (z. B. SteroidOsteoporose) mit denen vor allem bei längerer Therapie zu rechnen ist. Neben der Optimierung von Therapieschemata bildet die therapiebegleitende Supplementierung von Mikronährstoffen (z. B. Vitamin D) eine sinnvolle Maßnahme, um die corticoidbedingten Nebenwirkungen zu reduzieren. #284.09{sid5FxSjgtn} 20.1 Corticosteroide und Mikronährstoffe #284.10{sid9OsljsA6} 20.1.1 Corticosteroide und Calcium #284.11{sidsdzUasd2} Corticosteroide stören den Calciumhaushalt #284.12{sid7lntZgBN} Mechanismus: Corticoide (z. B. Prednison, Prednisolon) hemmen die intestinale Calciumabsorption und steigern die renale Calciumexkretion (Anti-Vitamin-D-Wirkung); Osteoblastenaktivität ↓, Osteoklastenaktivität ↑. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #284.13{sid0lVku236} Folgen: Calciumserumspiegel ↓; Parathormonspiegel i (Osteolyse); Serumspiegel an Osteocalcin ↓, erhöhtes Osteoporoserisiko. #284.14{sidhLJyyIdC} Hinweis: Bei einer Langzeittherapie mit Corticosteroiden sollte generell auf eine calciumreiche Ernährung sowie die regelmäßige Supplementierung von Calcium (z. B. 600–1 000 mg tgl., p. o.) in Kombination mit anderen knochenwirksamen Mikronährstoffen (z. B. Vitamin K2, C, Zink) geachtet werden, um einer corticoidinduzierten Osteoporose vorzubeugen. #284_285{sidRSGdM8Fs} Die corticoidinduzierte Osteoporose zählt zu den bedeutendsten Formen der medikamentös bedingten Osteopathie. Bei chronischer, alternierender oder inhalativer Corticoidtherapie ist immer mit Störungen der Knochenmineralisation zu rechnen. Eine Beeinträchtigung des Knochenstoffwechsels kann auch bei niedrigen oder intermittierend applizierten Corticoiddosen nicht ausgeschlossen werden. Eine sichere Schwellendosis unterhalb derer Corticoide keinen Einfluss auf die Knochenintegrität ausüben, existiert nach den derzeitigen Erkenntnissen nicht. 30–50 % der Patienten entwickeln unter einer Langzeittherapie mit Corticoiden eine corticoidinduzierte Osteoporose. Besonders vulnerabel sind Kinder, Heranwachsende und postmenopausale Frauen. Das Frakturrisiko steigt mit Zunahme der täglichen Corticoiddosis an. Selbst unter niedrigen Tagesdosen < 2,5 mg Prednisolonäquivalent (Cushing-Schwelle) ist das relative Risiko für Wirbelkörperfrakturen bereits um den Faktor 1,55 erhöht. Unter Dosen von 2,5 bis 7,5 mg steigt es auf mehr als das Doppelte (RR: 2,6). Oberhalb von 7,5 mg/Tag erhöht sich das Frakturrisiko für die Wirbelkörper über fünffach und für die Hüfte um das 2,3-fache. Bei inhalativer Glucocorticoidtherapie, z. B. bei Asthma bronchiale, gelangen zum Teil nur 30 % des Wirkstoffs in die Atemwege, der Rest lagert sich im Oropharynx ab und wird verschluckt. Systemische Nebenwirkungen, insbesondere Störungen des Knochenstoffwechsels können bei langfristiger inhalativer Anwendung deshalb nicht ausgeschlossen werden. #285.01{sid9H95fNx5} Die Pathogenese der corticoidinduzierten Osteoporose ist multifaktoriell. Im Rahmen der direkten und indirekten Effekte der Corticoide auf die Osteoblasten und Osteoklasten spielen insbesondere die Vitamin-D-antagonistischen Effekte eine wichtige Rolle □ Tab. 20.1). Über eine vermehrte Expression von RANK-L und eine verminderte Osteoprotegerin-Produktion steigern Corticosteroide die Aktivität der Osteoklasten. Die IGF-1-Spiegel sowie die Osteoblasten-Differenzierung und Osteoblastogenese werden durch Corticoide verringert. Darüber hinaus führen Corticosteroide über ein negatives Feedback auf die Hypothalamus-Gonaden-Achse (LH/FSH) zu einer Reduktion der Sexualhormone, die ihrerseits einen positiven Einfluss auf den Knochen ausüben. Die intestinale Calciumresorption wird durch Corticoide vermindert und gleichzeitig die renale Calciumexkretion verstärkt. Ein damit verbundener Abfall der Calciumspiegel im Blut kann zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus führen. Ein PXR-vermittelter Abbau von Vitamin D (z. B. durch Dexamethason) kann zusätzlich den enzymatischen Abbau von Vitamin D steigern. Unter einer Therapie mit Corticoiden sollte grundsätzlich der Vitamin-D-Status (25(OH)D im Serum) labordiagnostisch überprüft und durch gezielte Supplementierung kompensiert werden, um das Risiko einer corticoidinduzierten Osteoporose zu verringern. #285.02{sidnZIbfUVC} Tab. 20.1 Einfluss von Corticoiden und Vitamin D auf den Knochenstoffwechsel (Auswahl) #285.03{sidGlgNalIS} Corticoide Vitamin D Differenzierung ↓, Osteoblastogenese ↓ Differenzierung ↑, Osteoblasteogenese ↑ Intestinale Resorption ↓, renale Exkretion ↑ Intestinale Resorption ↑, renale Exkretion ↓ Erhöhung (→ sek. PTH) Suppression Reduktion Erhöhung Abfall Erhöhung Knochenresorption ↑ Knochenformation ↑ Parameter mit Einfluss auf die Knochenintegrität #285.04{sid3EZuZ7qi} Osteoblasten #285.05{sido7WVBgZN} Calciumstoffwechsel #285.06{sidDe7WQ0sc} Parathormon (→ sek. PTH) #285.07{sidsfHZp9F0} Calcitonin #285.08{sidfum7OadF} Sexualhormone (z. B. Testosteron) #285.09{sid89LAwOpw} Knochen #285.10{sidOxa2ojjd} 20.1.2 Corticosteroide und Vitamin D #285.11{sidJgM2XsFV} Corticosteroide erhöhen den Vitamin-D-Bedarf #285.12{sid08wM9LxK} Mechanismus: Corticoide (z. B. Prednison, Prednisolon) hemmen die intestinale Calciumabsorption und steigern die renale Calciumexkretion (Anti-Vitamin-D-Wirkung); corticoidinduzierte Calciumdepletion steigert den Vitamin-DBedarf. #285.13{sidaeVXRRca} Folgen: Abfall der 25(OH)Vitamin-D-Serumspiegel (25(OH)D < 30 ng/ml bzw. < 75 nmol/l); Calciumserumspiegel ↓; Parathormonspiegel ↑ (Osteolyse); Serumspiegel an carboxyliertem Osteocalcin ↓; vorzeitige Knochenalterung, erhöhtes Osteoporoserisiko. #285_286{sidtDk5ZmFQ} Hinweis: Bei einer Langzeittherapie mit Corticosteroiden sollte generell auf eine calciumreiche Ernährung sowie die regelmäßige Supplementierung von Calcium (z. B. 600–1 000 mg tgl., p. o.) und Vitamin D (40–60 I. E. pro Tag KG tgl., p. o.) in Kombination mit anderen knochenwirksamen Mikronährstoffen (z. B. Vitamin K2, C, Bor, Zink) HiQPdf Evaluation 09.05.2017 geachtet werden, um einer corticoidinduzierten Osteoporose vorzubeugen (siehe ▸ Kap. 20.1.5). Es empfiehlt sich, den Vitamin-D-Status (z. B. 25-(OH)-D, Parathormonspiegel) regelmäßig zu kontrollieren. #286.01{sidl5C40pVp} Studien: Studien geben Hinweise darauf, dass die regelmäßige Zufuhr von Calcium (1 200 mg/d) und Vitamin D (800 I. E./d) auch die Sturzrate bei älteren Frauen verringert. Corticosteroide greifen in den Prozess der Zelldifferenzierung von mesenchymalen Stammzellen ein. Aus diesen entwickeln sich über unterschiedliche Differenzierungswege hauptsächlich zwei Zelllinien: Osteoblasten und Adipozyten. Während Vitamin D und bestimmte knochenspezifische Proteine (BMP = bone morphogenetic proteins) zur Ausbildung von Osteoblasten führen, bewirken Dexamethason und Insulin die Entwicklung von Adipozyten. Daneben scheinen Corticoide auch eine verstärkte Apoptose von osteocalcinproduzierenden Osteoblasten und Osteozyten einzuleiten. #286.02{sidRkhixQzS} 20.1.3 Corticosteroide und Vitamin K #286.03{sidwalq3WqM} Vitamin K (z. B. MK-4) wirkt corticoidinduzierter Osteoporose entgegen #286.04{sidYWKINTeP} Mechanismus: Vitamin K (Coenzym der γ-Glutamyl-Carboxylase): γ-Carboxylierung Vitamin-K-abhängiger Knochenproteine, die an der Knochenmineralisation beteiligt sind (Osteocalcin, Matrix-Gla-Protein (MGP), Knochenprotein S); Stimulation der Knochenneubildung und Reduktion der renalen Calcium- und HydroxyprolinAusscheidung. #286.05{sidYQx2JMGb} Folgen: Erhöhung des Carboxylierungsgrades des Osteocalcins (→ untercarboxyliertes Osteocalcin ucOC = Risikofaktor für Osteoporose), verringertes Risiko für corticoidinduzierte Osteopathie. #286.06{sidrJrAIhlt} Hinweis: Unter der Therapie mit Corticosteroiden sollte neben dem Vitamin-D-Status auch der Vitamin-K-Status (Parameter: untercarboxyliertes Osteocalcin, ucOc) kontrolliert und unter Berücksichtigung potenzieller Kontraindikationen ausgeglichen werden. #286.07{sidABkZCVNl} Studien: In verschiedenen Studien wirkte die Supplementierung von Vitamin K (z. B. 45 mg Vitamin K2/d, p. o.) einer corticoidinduzierten Störungen des Knochenstoffwechsels entgegen. Die Knochendichte verbesserte sich dabei zum Teil unter der adjuvanten Gabe von Vitamin K. Als K-Vitamer kann auch MK-7 eingesetzt werden im Dosierungsbereich von täglich 2–5 μg/kg KG. #286.08{sidjF1kQ0Yz} 20.1.4 Corticosteroide und Kalium #286.09{sidw85xG8tY} Kaliumverluste durch Corticosteroide mit mineralocorticoidartiger Wirkkomponente #286.10{sidKvLBZn9P} Mechanismus: Corticoide mit mineralocorticoidartiger Wirkungskomponente (z. B. Hydrocortison) steigern bei Langzeittherapie die Rückresorption von Natrium- und die Exkretion von Kaliumionen; Mineralocorticoide (z. B. Fludrocortison) können deutlichen Kaliumverlust hervorrufen. #286.11{sidMy5hU5JU} Folgen: Abfall der Kaliumserumspiegel; Hypokaliämie (< 3,5 mmol/l); Ödeme; Muskelschwäche. #286.12{sidxW5uKdzc} Hinweis: Bei einer Langzeittherapie mit Corticoiden mit mineralocorticoidartiger Wirkungskomponente sollte der Kaliumhaushalt engmaschig kontrolliert und gegebenenfalls durch Kaliumpräparate kompensiert werden, insbesondere wenn gleichzeitig Diuretika eingenommen werden. #286.13{sidUq6gXsxb} 20.1.5 Corticosteroide und Vitamin C #286.14{sidQIhvdR6R} Corticosteroide beeinträchtigen den Vitamin-C-Status #286.15{sidxW56K7pd} Mechanismus: Corticosteroide interferieren mit dem Vitamin-C-Status vermutlich durch eine erhöhte Oxidationsrate von Ascorbinsäure zu Dehydoascorbinsäure und renale Vitamin-C-Exkretion sowie durch Störung zellulärer Transportmechanismen. #286.16{sidJL5TArxt} Folgen: Abfall der Vitamin-C-Spiegel; erhöhter Vitamin-C-Bedarf möglich. #286_287{sid64I79aZS} Hinweis: Unter Langzeittherapie mit Corticosteroiden ist eine begleitende Supplementierung von Vitamin C (200– 500 mg tgl., p. o.) empfehlenswert. Aufgrund der Vitamin-C-abhängigen Katecholamin-Synthese ist in StressSituationen der Vitamin-C-Bedarf deutlich erhöht. Bei Stress fällt die Vitamin-C-Konzentration in der Nebennierenrinde ab. #287.01{sidQljAMR6b} 20.1.6 Corticosteroide und Magnesium #287.02{sidlC6qx7LE} Corticosteroide beeinträchtigen den Magnesiumstatus #287.03{sidZ5uq209O} Mechanismus: Corticosteroide (z. B. Prednison) interferieren mit dem Haushalt essenzieller Elektrolyte (z. B. Kalium, Magnesium); erhöhte renale Magnesiumausscheidung. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #287.04{sid4nl6r2DK} Folgen: Abfall der Magnesiumserumpiegel; erhöhter Magnesiumbedarf. #287.05{sidQgthzSN0} Hinweis: Unter Langzeittherapie mit Corticosteroiden sollte der Elektrolythaushalt kontrolliert und gegebenenfalls durch Supplementierung kompensiert werden. #287.06{sidHhbkbBye} Studien: Untersuchungen an Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung haben eine negative Korrelation zwischen der Länge der oralen Corticoidtherapie und dem Magnesiumserumspiegel gezeigt. #287.07{sidsK37eEtj} 20.1.7 Corticosteroide und Omega-3-Fettsäuren #287.08{sidRvErui7a} Omega-3-Fettsäuren verringern den Bedarf an Corticosteroiden #287.09{sid0gCc2QDh} Mechanismus: Antiinflammatorische und immunmodulierende Eigenschaften der Omega-3-Fettsäuren unterstützen nebenwirkungsfrei die Wirksamkeit von Corticoiden in der Therapie chronisch entzündlicher Erkrankungen (z. B. Rheuma, Asthma, Psoriasis). #287.10{sid7AE67thG} Folgen: Additive antiinflammotrische Wirkung; verringerter Bedarf (Dosisreduktion) und verbessertes Nebenwirkungsprofil der Corticosteroide. #287.11{sidjtM8TukF} Hinweis: Die adjuvante Gabe von Omega-3-Fettsäuren (30–45 mg EPA/DHA pro kg KG tgl., p. o.) in Kombination mit einer lacto-vegetabilen, arachidonsäurearmen Kost (< 80 mg Arachidonsäure pro Tag) kann den therapeutischen Bedarf an Corticosteroiden signifikant reduzieren. #287.12{sidvzCsvxR9} Der redoxsensitive Transkriptionsfaktor NFkappaB (NFкB) spielt eine zentrale Rolle bei der Genregulation entzündlicher Prozesse. Im inaktivierten Zustand ruht NFкB im Zytosol immunkompetenter Zellen gebunden an das inhibitorische Protein IкB-α. Eine Phosphorylierung des NFкB-Inhibitors IкB-α löst eine Aktivierung des Transkriptionsfaktors aus, die eine vermehrte Produktion proinflammatorisch wirkender Zytokine wie Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) oder Interleukin 1 (IL-1) auslöst. Corticosteroide hemmen die Aktivierung von NFкB. Dabei interagiert der Corticoidrezeptor direkt mit der NFкB-Untereinheit p65 (NFкB besteht aus einer p50und p65-Untereinheit) und blockiert hierüber die transaktivierende Eigenschaft von NFкB. Auch Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D können die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFкB hemmen. Eicosapentaensäure (EPA) verringert die Phosphorylierung des NFкB-Inhibitors IкB-α und dadurch die NFкB-induzierte Bildung proinflammatorischer Zytokine (z. B. TNF-α). #287.13{sidw3W598Qw} 20.1.8 Corticosteroide und Zink #287.14{sidc57al2gj} Zinkverlust durch Corticosteroide #287.15{sidJUYPg5li} Mechanismus: Corticosteroide steigern die renale Zinkexkretion; Zinkdepletion. #287.16{sid6yvEgN2n} Folgen: Abfall der Zinkkonzentrationen im Serum, Erythrozyten und Leukozyten. #287.17{sidBeRSptsZ} Hinweis: Unter Langzeittherapie mit Corticosteroiden sollte neben Calcium und Vitamin D auch auf eine adäquate Versorgung mit Zink geachtet werden. #287_288{sidxet6n2za} Alimentärer Zinkmangel verursacht bei wachsenden Ratten eine Osteopenie, die sich u. a. in einem signifikanten Abfall der osteoblastären Knochen-formation und verringerten Aktivität der alkalischen Phosphatase im Plasma äußert. Ein Mangel an Zink reduziert die hepatische Genexpression des Insulin-like-Growth-Factors-1 (IGF-1) und reduziert die IGF-1-Serumspiegel. IGF-1 ist der physiologisch wichtigste Wachstumsfaktor, der in allen Körperzellen die Zellteilung anregt. Der Aufbau und das Wachstum des Knochens werden durch IGF-1 stimuliert und die Osteoblasten aktiviert. Die renale Zinkexkretion ist bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose deutlich erhöht und wird durch Estrogensubstitution verringert. Zinkmangel scheint auch beim Menschen ein eigenständiger Risikofaktor bei der Entwicklung der Osteoporose zu sein. #288.01{sidYCfF7oWf} 20.1.9 Corticosteroide und Selen #288.02{sidLoOGZuDc} Selen kann Corticoidbedarf verringern #288.03{sidvi7DR0fw} Mechanismus: Selen besitzt antiinflammatorische und ausgeprägte immunmodulierende Eigenschaften. GSHPeroxidase: Entgiftung von Peroxiden → Peroxide sind an Aktivierung der Arachidonsäurekaskade beteiligt. Selen kann Expression von Adhäsionsmolekülen (z. B. VCAM1, E-Selectin), die bei Entzündungsprozessen eine zentrale Rolle spielen, verringern. #288.04{sidKoTEdA4S} Folgen: Der Corticoidbedarf kann durch Selen verringert werden. #288.05{sidh5rlIKgc} Hinweis: Die Supplementierung von Selen (100–300 µg Selen als Natriumselenit oder -selenat tgl., p. o.) und anderen antiiflammatorisch wirkenden Nährstoffen (z. B. Omega-3-Fettsäuren) kann den therapeutischen Bedarf an Corticosteroiden reduzieren. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #288.06{sidDRnoxtnA} Studien: In einer Pilotstudie an Patienten mit Asthma bronchiale konnte der inhalative und systemische Glucocorticoidbedarf durch die adjuvante Gabe von täglich 200 µg Selen p. o. signifikant verringert werden. Dabei korrelierten die Ergebnisse direkt mit dem Anstieg der Selenspiegel im Plasma und in den Erythrozyten. Der Selenstatus sollte bei Asthmatikern labordiagnostisch objektiviert (Selen im Vollblut: 130–155 µg/l) und gezielt kompensiert werden. #288.07{siduFIB2jNG} Literatur #288.08{siduOPGtdoM} Adam O et al. Anti-inflammatory effects of low arachidonic acid diet and fish oil in patients with rheumatoid arthritis. Rheumatol Int, 23: 27–36, 2003 #288.09{sidXDHDVUjw} Amin S et al. The comparative efficacy of drug therapies used for the management of corticosteroid-induced osteoporosis: a meta-regression. J Bone Miner Res, 17 (8): 1512–1526, 2002 #288.10{sidSIiIdWPb} Atkinson SA et al. Bone and mineral abnormalitis in childhodd acute lymphoblastic leukemia: Influence of disease, drugs, and nutrtiion. Int J Cancer, Suppl 11: 35–39, 1998 #288.11{sidSFW92lsC} Bischoff HA et al. Effects of vitamin D and calcium supplementation on falls: a randomized controlled trial. J Bone Miner Res, 18: 343–351, 2003 #288.12{sidtFZgeTZQ} Buckley LM et al. Calcium and vitamin D3 supplementation prevents bone loss in the spine secondary to low-dose corticosteroids in patients with rheumatoid arthritis. A randomized, double-blind, placebocontrolled trial. Ann Intern Med, 125 (12): 961–966, 1996 #288.13{sidkztv64Nf} Devine A et al. Effects of zinc and other nutritional factors on insulin-like growth factor I and insulinlike growth factor binding proteins in postmenopausal women. Am J Clin Nutr, 68 (1): 200–206, 1998 #288.14{sidIyUNUAij} Eberle J et al. Skeletal effects of zinc deficiency in growing rats. Trace Elem Med Biol, 13 (1–2): 21–26, 1999 #288.15{sid0vnOwsmc} Ferstl A et al. Vitamin C consumption during treatment with adrenal cortex hormones. Wien Klin Wochenschr, 63 (2): 28–30, 1951 #288.16{sidp3qB8W2I} Fontaine J et al. Effects of acute and chronic prednisolone treatment on serum zinc levels in rats with adjuvant arthritis. Agents Actions, 33 (3–4): 247–253, 1991 #288.17{sidK3s57Nh0} Gazdik F et al. 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Am J Kidney Dis, 43: 53–60, 2004 #289.23{sidae29asPO} Zhao Y et al. Eicosapentaenoic acid prevents LPS-induced TNF-alpha expression by preventing NF-kappaB activation. J Am Coll Nutr, 23 (1) 71–78, 2004 #290.01{sidBw2Gv8rZ} 21 Diuretika #290.02{sid16tx8Fe1} Aus der Gruppe der Diuretika (□ Tab. 21.1) werden hauptsächlich Thiazide und Schleifendiuretika verordnet. Hauptindikationen sind arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz sowie Ödeme kardialer, hepatischer und renaler Genese. #290.03{sid0l5bsCCp} 21.1 Diuretika und Mikronährstoffe #290.04{sidzlPFLOMu} In Deutschland hat fast jeder Dritte einen zu hohen Blutdruck und damit ein erhöhtes Risiko für HerzkreislaufErkrankungen (z. B. Schlaganfall, Herzinfarkt, Herzmuskelschwäche). Experten vermuten, dass die Zahl der Betroffenen mit zunehmender Überalterung der Gesellschaft in den kommenden 20 Jahren um 2 Millionen ansteigen wird. Thiazid-Diuretika werden neben Angiotensin-Rezeptorblockern, Calciumantagonisten, ACE-Hemmern oder Betablockern bevorzugt in den Hypertonieleitlinien als Initialtherapie empfohlen, insbesondere als Monotherapie bei Patienten mit milder Blutdruckerhöhung oder niedrigem bis moderatem kardiovaskulärem Risiko. Die Kombination aus zwei antihypertensiven Medikamenten ist bei Patienten mit deutlich erhöhten Blutdruckwerten oder hohem bis sehr hohem kardiovaskulärem Risiko zu erwägen (z. B. Angiotensin-Blocker + HCT). #290.05{sidaN8aboro} Tab. 21.1 Diuretikagruppen #290.06{sidBrTY0KGK} Arzneistoffbeispiele Diuretikagruppe #290.07{sidogCYbI1y} Thiazide und Thiazidanaloga #290.08{sidD0S8CktE} Schleifendiuretika #290.09{sidjTocxzHV} Kaliumsparende Diuretika Hydrochlorothiazid (HCT), Xipamid, Indapamid Furosemid, Torasemid, Piretanid, Etacrynsäure Aldosteronantagonisten: Spironolacton (auch in Kombination mit Furosemid); Cycloamidinderivate: Triamteren, Amilorid #290.05{sidaN8aboro} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 21.1 Diuretikagruppen #290.06{sidBrTY0KGK} Arzneistoffbeispiele Diuretikagruppe #290_291{sid0G3WaMu4} Thiazide werden aufgrund neuerer Studienergebnisse in aktuellen Hypertonieleitlinien vermehrt als Initialtherapie empfohlen. Die ALLHAT-Studie, eine große US-Studie an insgesamt 42 418 Patienten bescheinigte den Diuretika im Vergleich zu anderen blutdrucksenkenden Medikamenten eine überraschend gute Wirksamkeit. Eine erhebliche Unterstützung haben die ALLHAT-Ergebnisse durch die Empfehlungen des amerikanischen National High Blood Pressure Education Program (JNC 7 Report) erhalten, Thiaziddiuretika initial für die Behandlung der meisten Patienten mit unkomplizierter Hypertonie allein oder in Kombination mit anderen Antihypertonika einzusetzen. In Anbetracht des enormen Kostendrucks im Gesundheitswesen wird die Verordnung der preisgünstigen Diuretika insbesondere von Seiten der Kostenträger nun vielfach propagiert. So empfiehlt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in seinem Abschlussbericht vom 16. September 2009 Thiazide als Arzneimittel der 1. Wahl zur Behandlung von Patienten mit Bluthochdruck einzusetzen, insbesondere zur Prävention der Hypertoniebedingten Folgeerkrankungen (z. B. Schlaganfall). #291.01{sidHyNWCKWK} Fallbeispiel #291.02{sidjCl7WnLU} Der 55-jährige Patient Peter H. wird aufgrund seines zu hohen Blutdrucks seit Längerem mit einem ThiazidDiuretikum behandelt. Seit einiger Zeit berichtet Herr H., dass er vor allem nachts häufig unter Wadenkrämpfen leidet. Apotheker G. ist bekannt, dass Thiazid- und Schleifendiuretika zu einem ausgeprägten Verlust an den Mineralstoffen Magnesium und Kalium führen können. Störungen im Magnesium- und Kaliumhaushalt können nicht nur Muskelkrämpfe zur Folge haben, sondern auch Herz und Kreislauf belasten und damit dem gewünschten therapeutischen Effekt entgegenwirken. Apotheker G. erklärt Herrn H. die Wechselwirkung des Arzneimittels mit dem Magnesiumhaushalt und empfiehlt ihm, regelmäßig ein Magnesiumpräparat einzunehmen. Beim nächsten Arztbesuch sollte H. unbedingt auf die Problematik hinweisen. Eine Kontrolle der Serumelektrolyte Magnesium (besser: Erythrozytengehalt) und Kalium beim Arzt ist sicherlich sinnvoll. #291.03{sidRtGO6Ydb} Thiazide (z. B. Hydrochlorothiazid, HCT) reduzieren im frühdistalen Tubulus die Aufnahme von NaCl aus dem Tubuluslumen in die Tubulusepithelzellen durch Hemmung des Na’/Cl-Kotransportes. Eine bedeutsame Nebenwirkung der Thiazide und Schleifendiuretika ist der Verlust an Magnesium- und Kaliumionen (○ Abb. 21.1). Dem Magnesiummangel kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu, da er den Kaliummangel nach sich zieht und Magnesium eine Vielzahl von kardioprotektiven Wirkungen aufweist Bei Magnesiummangel strömen Kaliumionen wie aus einem löchrigen Eimer aus den Zellen und gehen mit dem Urin verloren. Die Folgen sind Störungen der Erregbarkeit des Herz- und Skelettmuskels, die sich häufig zuerst in Form von nächtlichen Wadenkrämpfen äußern. Bei diesen Warnsignalen sollten zunächst die Magnesiumdepots wieder aufgefüllt werden, da Magnesium über die Na+/K+-ATPase die zelluläreKaliumhomöostase reguliert. Diese Störeffekte beruhen einerseits auf einer gesteigerten Austausch von Na+ gegen Mg2+- bzw. K+-Ionen im spätdistalen Tubulus andererseits auf einer durch NaCl-Verlust induzierten Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems mit der Entwicklung eines sekundärer Hyperaldosteronismus. Aldosteron steigert die renale Magnesiumexkretion und erhöht gleichzeitig die Natrium-Reabsorption. #292.01{sid8dcZtQSS} Abb. 21.1 Interaktionen von Thiaziden und Schleifendiuretika mit dem Elektrolythaushalt #291.04{sid4Pk0DqqL} Auch mit Störungen der Glucosetoleranz und des Lipidstoffwechsels muss sowohl bei einem Diuretikabedingten Magnesium- als auch bei einem Kaliummangel gerechnet werden, wodurch weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren und dem metabolischen Syndrom Vorschub geleistet wird (○ Abb. 21.2). Ein Magnesiummangel (< 0,76 mmol/l) ist wie auch ein Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) eine wesentliche pathophysiologische Ursache für die Insulinresistenz und müssen als eigenständige Risikofaktoren dem metabolischen Syndrom zu geordnet werden. Über die Beeinflussung der Tyrosinkinase-Aktivität des Insulinrezeptors und der Signalweiterleitung auf Postrezeptorebene verbessert Magnesium die Parameter der glykämischen Kontrolle und des Lipidstoffwechsels. Die Thiazid-bedingte Störung im Magnesium-Haushalt dürfte auf Dauer auch eine Störung im Vitamin-D-Haushalt nach sich ziehen, da Magnesium an zahlreichen enzymatischen Prozessen im Stoffwechsel des Vitamins bzw. Prohormons beteiligt ist. Neben Störungen des Elektrolythaushalts ist unter einer Therapie mit Diuretika als Folge des vergrößerten Harnflusses mit einem Verlust an wasserlöslichen Spurenelementen (z. B. Zink) und Vitaminen (v. a. Vitamin B1, Folsäure) zu rechnen. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #292.02{sidlD2t9Vz2} Abb. 21.2 Störungen des Magnesiumhaushalts durch Thiazide und Schleifendiuretika und kardiovaskuläre Folgen #293.01{sidM53X0LM8} 21.1.1 Thiazide, Schleifendiuretika und Magnesium, Kalium #293.02{sidvQXbmhux} Thiazid- und Schleifendiuretika erhöhen das Risiko einer Hypomagnesiämie und/oder Hypokaliämie #293.03{sid4Kpm9k84} Mechanismus: Thiazide und Schleifendiuretika führen zu einem renalen Verlust an Magnesium und Kalium (→ sekundärer Hyperaldosteronismus). #293.04{sidt9nz4Jzj} Folgen: Hypokaliämie (< 3,5 mmol/l), Hypomagnesiämie (< 0,76 mmol/l; ein guter Magnesiumstatus liegt im Serum bei ≥ 0,85 mmol/l); nächtliche Wadenkrämpfe, Muskelschwäche, Obstipation, Begünstigung von Arrhythmien, Störungen der Glucosetoleranz und des Lipidstoffwechsels. #293.05{sidOjIr1QGG} Hinweis: Grundsätzlich empfiehlt sich die regelmäßige Einnahme eines Magnesiumpräparats (z. B. 400–1 200 mg Magnesium tgl., z. B. als Citrat, Orotat), um iatrogene Magnesiumverluste vorzeitig zu kompensieren. Da ein Magnesiummangel durch die Beeinflussung der Na+/K+-ATPase zu einem intrazellulären Kaliumdefizit führt, sollte zunächst der Magnesiumhaushalt durch Supplemente korrigiert werden. Der Kaliumhaushalt kann auch durch reichlich pflanzliche Lebensmittel (z. B. Kartoffeln, Feldsalat, Bananen) verbessert werden. #293.06{sidefADcbwo} Bei Langzeittherapie von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und/oder Hypertonie sind diuretikainduzierte Kalium- und Magnesiummängel von großer klinischer Bedeutung, da eine Hypokaliämie und/oder Hypomagnesiämie Herzrhythmusstörungen begünstigen sowie eine Insulinresistenz und Dyslipoproteinämie verstärken kann. Die Kalium- und Magnesiumspiegel sind bei einer Therapie mit Diuretika sorgfältig zu überwachen und durch eine orale Substitution gegebenenfalls zu korrigieren. #293.07{sidfe7dnHm0} Studien: In einer aktuellen randomisierten Doppelblind-Studie an Frauen (Alter: 40–65) mit Bluthochdruck unter der Therapie mit Hydrochlorothiazid (HCT) führte die Supplementierung mit Magnesium (600 mg/d als organisch gebundenes Mg-Chelat) gegenüber Placebo nach 6 Monaten zu einer signifikanten Reduktion des systolischen Blutdrucks (144 ± 17 vs. 134 ± 14 mmHg, p = 0,036) sowie einer signifikanten Reduktion des diastolischen Blutdrucks (88 ± 9 vs. 81 ± 8 mmHg, p = 0,005). In der Placebo-Gruppe war eine signifikante Zunahme der Intimamedia Dicke der der Arteria carotis (0,78 ± 0,13 vs. 0,89 ± 0,14 mm, p = 0,033) nachweisbar, während in der Magnesium-Gruppe keine Veränderung beobachtet wurde. Zusätzlich konnte im Vergleich zu Placebo eine signifikante Verbesserung der Flussvermittelte Vasodilatation als Zeichen einer besseren Endothelfunktion (FMD) durch Magnesium nachgewiesen werden. #293.08{sidVP1teJ3A} Die Supplementierung von Magnesium bei Bluthochdruck optimiert nicht nur die Blutdrucksenkenden Effekte der Thiazid-Diuretika, sondern beugt auch dem iatrogenen Magnesiumverlust vor, wirkt zudem antiatherosklerotisch und verbessert die Endothelfunktion (○ Abb. 21.3). Empfohlen wir die Supplementierung von täglich 4–6 mg Magnesium pro kg Körpergewicht (z. B. Mg-orotat, -citrat, -bisglycinat, -taurat) über den Tagesverlauf verteilt. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #294.01{sidSXJoFHJP} Abb. 21.3 Blutdrucksenkende Effekte von Magnesium #293.09{sidmIwoTvjz} 21.1.2 Thiazide und Homocystein #293.10{sidfUcUrkmb} Anstieg der Homocysteinplasmaspiegel durch Thiaziddiuretika #293.11{sidwQcuMjtv} Mechanismus: Erhöhte renale Ausscheidung von Folsäure, Vitamin B6 und B12. #293.12{sid8VlGoSL9} Folgen: Abfall der Folsäure-, Vitamin-B6- und B12-Plasmaspiegel; Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l). #293.13{sid3IuZpFaD} Hinweis: Unter einer Therapie mit Hydrochlorothiazid oder Thiazidanaloga ist eine begleitende Supplementierung von Folsäure (0,4–1 mg tgl.) in Kombination mit Vitamin B6 und B12 empfehlenswert, um medikationsbedingte BVitamin-Verluste und einen Anstieg der gefäßtoxischen Aminosäure Homocystein zu kompensieren. #293_294{sidhQ0yDmjg} Studien: In einer randomisierten Studie an 40 Patienten mit Bluthochdruck wurde der Einfluss einer Therapie mit HCT oder Captopril auf den Homocysteinspiegel und die Nierenfunktionsparameter Kreatinin und Cystatin C untersucht. Nach einem Behandlungszeitraum von nur einem Monat stieg in der Patientengruppe, die mit HCT behandelt wurde, der Homocysteinspiegel durchschnittlich um 16 % an. Zusätzlich wurde ein Anstieg der Kreatininund Cystatin-C-Werte beobachtet. Der ACE-Hemmer Captopril dagegen hatte keinen Einfluss auf den Homocysteinspiegel. #294.02{sidZtlpUNOI} 21.1.3 Furosemid und Vitamin B1 #294.03{sidSmHnl0pc} Thiamindepletion durch Furosemid #294.04{sidxBXvRGtn} Mechanismus: Die Thiaminaufnahme in die Kardiozyten wird durch Furosemid beeinträchtigt. Furosemid erhöht signifikant die renale Thiaminexkretion. Hinweis: Ursachen der durch Diuretika induzierten Vitaminverluste sind vor allem das niedrige Molekulargewicht bzw. die geringe tubuläre Rückresorption der wasserlöslichen Vitamine. #295.01{sid7XwiQlsG} Folgen: Thiaminmangel (erythrozytäre Transketolase-Aktivität ↓), Verschlechterung der Herzmuskelfunktion (z. B. Herzinsuffizienz ↑, Kardiomyopathie), Begünstigung einer Lactatazidose. #295.02{sidQStmQcxs} Hinweis: Zur Unterstützung der Herzfunktion und Kompensation medikationsbedingter Verluste sollte unter einer Therapie mit Diuretika neben Magnesium ein Vitamin-B-Komplex mit Thiamin, Folsäure, Vitamin B6 und B12 ergänzt werden; Folsäure vor allem bei Hydrochlorothiazid/Triamteren-Kombinationen! Zur oralen Kompensation eines Vitamin-B1-Defizits eignet sich vor allem das lipidlösliche und hochbioverfügbare Thiamin-Prodrug Benfotiamin. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #295.03{sidW3KQoprB} Studien: Mit 3 bis 8 µg/g weist der Herzmuskel den höchsten Vitamin-B1-Gehalt im menschlichen Körper auf. In Studien an Patienten die wegen kardiovaskulären Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz) Furosemid erhielten, konnte anhand eines signifikanten Abfalls der erythrozytären Transketolase-(ETK)-Aktivtät im Vollblut ein Thiaminmangel nachgewiesen werden. Unter den B-Vitaminen besteht vor allem für das Vitamin B1 aufgrund seiner geringen Speicherkapazität (25–30 mg) und hohen Umsatzrate das Risiko in einen kritischen Bereich abzusinken. Ein latenter Thiaminmangel ist dementsprechend weit verbreitet. Bis zu 30 % der Bevölkerung, vor allem ältere Personen sind unzureichend versorgt. Der Diuretika induzierte Thiaminmangel kann möglicherweise auch die Entstehung bzw. Progression einer Herzinsuffizienz (→ kardiale Beriberi) fördern. Bei Patienten, die aufgrund einer kongestiven Herzinsuffizienz mit Furosemid behandelt wurden, verbesserten Thiamingaben (200 mg tgl., i. v.) nicht nur die laborchemischen Marker eines Thiaminmangels, sondern auch die linksventrikuläre Pumpfunktion (LVEF) des Herzmuskels. #295.04{siduCvs6ghW} 21.1.4 Spironolacton und Kalium #295.05{sidy5w3FLC7} Erhöhtes Risiko einer Hyperkaliämie bei unkontrollierter Kaliumeinnahme #295.06{sidfJQTaVzd} Mechanismus: Der Aldosteronantagonist Spironolacton blockiert im spätdistalen Tubulus und im Sammelrohr kompetitiv die Bindung von Aldosteron an seinen zytoplasmatischen Rezeptor. Dadurch kann Aldosteron nicht zusammen mit seinem Rezeptor in den Zellkern eindringen. Die Synthese aldosteroninduzierter Proteine unterbleibt. Die Folge ist eine verringerte Natriumresorption und gleichzeitig eine erniedrigte Kaliumexkretion. Eine unkontrollierte Selbstmedikation mit Kaliumpräparaten führt zu einer additiven Kaliumretention und Anstieg der Kaliumspiegel im Serum. #295.07{sid9JpzrJ6Q} Folgen: Risiko einer Hyperkaliämie mit neuromuskulären und kardiovaskulären Störungen (z. B. Bradykardie, AVBlock). #295.08{sidCT0ruyp7} Hinweis: Eine unkontrollierte Selbstmedikation mit Kaliumpräparaten ist unter einer Therapie mit kaliumretinierenden Diuretika (Antikaliuretika) zu vermeiden (gilt auch bei Einnahme von Triamteren/Bemetizid, ACE-Hemmern). Ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Hyperkaliämie besteht auch, wenn Spironolacton mit ACEHemmern oder AT1-Antagonisten (→ RALES-Studie, Herzinsuffizienz) kombiniert wird (siehe ▸ Kap. 16). #295.09{sidrW5PdstV} 21.1.5 Triamteren/HCT und Folsäure #295.10{sidsBXI2SC6} Folsäure-Antagonismus von Triamteren #295.11{sidm6U9Q3q8} Mechanismus: Das Cycloamidinderivat Triamteren weist wie die Aldosteronantagonisten einen kaliumsparenden Effekt auf. Aufgrund seiner schwachen diuretischen Wirkung wird es vor allem in Kombination mit Thiaziddiuretika (z. B. Hydrochlorothiazid/Triamteren) eingesetzt, um deren kaliumausscheidende Wirkung zu kompensieren. Aufgrund seiner folsäureantagonistische Wirkung kann Triamteren die Folsäureresorption und -bioverfügbarkeit verringern. Thiazide steigern zusätzlich den renalen Verlust an wasserlöslichen B-Vitaminen. #295.12{sidEqCfW8sm} Folgen: Folsäuremangel (Serum: < 3,5 ng/ml, Erythrozyten < 250 ng/ml), Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l); hypersegmentierte polymorphkernige Granulozyten; makrozytäre, hyperchrome Anämie (Megaloblastenanämie). #296.01{sidEazQ9Io4} Hinweis: Unter einer Therapie mit Diuretika, insbesondere mit Kombinationen von Thiaziden und Triamteren, sollte regelmäßig ein Multivitaminkombination mit Folsäure (0,4–1 mg Folsäure tgl., p. o.) und Vitamin B12 eingenommen werden. #296.02{sidHZCG6fbW} 21.1.6 Diuretika und Zink #296.03{sidtKInxRcg} Renaler Zinkverlust durch Diuretika #296.04{sidncMPRVMO} Mechanismus: Erhöhte renale Exkretion durch Thiazide (z. B. Hydrochlorothiazid, Chlortalidon, Bendroflumethiazid), Schleifendiuretika (z. B. Furosemid, Bumetanid) und kaliumsparende Diuretika (z. B. Triamteren). #296.05{sid5iArFeCf} Folgen: Anstieg der mit dem Urin ausgeschiedenen Zinkmenge; leichter Abfall der Zinkserumwerte (Serum/Plasma-Zinkspiegel: kein sensitiver Parameter für Zinkstatus); Abfall der Zinkkonzentrationen in Erythrozyten und immunkompetenten Zellen (z. B. Monozyten); Störungen des Geruchs- und Geschmacksinnes sowie Beeinträchtigungen der Immunkompetenz können bei Langzeitmedikation, insbesondere bei älteren Personen, nicht ausgeschlossen werden. #296.06{sidhhTPyKv8} Hinweis: Unter einer Langzeittherapie mit Diuretika ist eine regelmäßige Substitution von Zink (z. B. 20 mg Zink tgl., p. o.) empfehlenswert. #296.07{sidpaCaZ32J} Studien: In Studien konnte unter der Medikation mit unterschiedlichen Diuretika ein signifikanter Anstieg der täglichen renalen Zinkexkretion beobachtet werden. So zeigte eine Untersuchung an neun Patienten mit Bluthochdruck bereits während einer 2-wöchigen Einnahme von jeweils Hydrochlorothiazid, Bendroflumethiazid oder Chlortalidon einen erheblichen Anstieg der renalen Zinkausscheidung. Als Kontrolle diente dabei der Wert der Zinkausscheidung (der durchschnittliche Wert lag bei 480 µg im 24-Stunden-Urin) vor der Einnahme der Diuretika. Der Zinkverlust nahm unter der Therapie mit den Thiaziddiuretika im Mittel um 300 µg pro Tag auf etwa 780 µg (Hydrochlorothiazid: 770 µg, Bendroflumethiazid: 770 µg und Chlortalidon: 790 µg in 24h) zu. Im Vergleich zu den Thiaziden führten Schleifendiuretika und kaliumsparende Diuretika zu einem geringeren Zinkverlust, der jedoch bei langfristiger Therapie nicht vernachlässigt werden sollte. Dass eine mehr als sechs Monate dauernde Therapie mit Diuretika zu einer Depletion der Zinkspeicher in verschiedenen Organen wie Herz, Leber und Nieren führt, konnte auch in Untersuchungen an Verstorbenen festgestellt werden. Unter der 16-wöchigen Therapie mit dem Thiaziddiuretikum Clopamid (5 mg tgl.) sank die erythrozytäre Zinkkonzentration von 73,8 µmol/l auf 52,2 µmol/l. Gleichzeitig konnte auch ein Abfall der Zinkplasmaspiegel von 15,75 µmol/l auf 13,4 µmol/l beobachtet werden. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #296.08{sidA0dgekye} Literatur #296.09{sidGM48t57J} Cunha AR, D‘El-Rei J, Medeiros F, et al. Oral magnesium supplementation improves endothelial function and attenuates subclinical atherosclerosis in thiazide-treated hypertensive women. J Hypertens; 35(1):89–97, 2017. #296.10{sidvL9j9qFO} Dinicolantonio JJ, Lavie CJ, Niazi AK et al. Effects of thiamine on cardiac function in patients with systolic heart failure: systematic review and metaanalysis of randomized, double-blind, placebo-controlled trials. Ochsner J, 13 (4): 495–499, 2013 #296.11{sid6JFCaTjF} Duell T et al. Unclear lactate acidosis in a patient with heart failure under long-term diuretic therapy. Dt Med Wochenschr, 125 (4): 1232–1234, 2000 #296.12{sid6EUOw5J2} Du Preez M, Lockett C. Effect of clopamide, a thiazide diuretic, on copper and zinc levels in hypertensive patients. J Am Coll Nutr, 10 (1): 34–37, 1991 #296.13{sidpXcBQNDv} Gröber U. Antihypertensives and magnesium. Update 2007; Trace Elements Electrolytes, 26 (1): 15–16, 2009 #296.14{sidJE2s7KsH} Gröber U, Schmidt J, Kisters K. Magnesium in Prevention and Therapy. Nutrients; 7(9):8199–8226, 2015. #296.15{sidxMcYB69T} Katta N, Balla S, Alpert MA. Does Long-Term Furosemide Therapy Cause Thiamine Deficiency in Patients with Heart Failure? A Focused Review. Am J Med, 129 (7): 753.e7–753.e11, doi: 10.1016/j.amjmed.2016.01.037, 2016 #296.16{sidOK9SNn0k} Kisters K, Gröber U. Magnesium – Update. Anwendung bei Hypertonie und Diabetes mellitus. Dtsch Apoth Ztg, 150 (25): 46–55, 2010 #297.01{sidf6tExdId} Reungjui S et al. Do thiazides worsen metabolic syndrome and renal disease? The pivotal roles for hyperuricemia and hypokalemia. Curr Opin Nephrol Hypertens, 17 (5): 470–476, 2008 #297.02{sidl2sMfBxf} Seligmann H et al. Thiamine deficiency in patients receiving long-term furosemide-therapy: a pilot study. Am J Med, 91 (2): 151–155, 1991 #297.03{sidJvODkMvP} Shimon I et al. Improved left ventricular function after thiamine supplementation in patients with congestive heart failure receiving long-term furosemide therapy. Am J Med, 98 (5): 485–490, 1995 #297.04{sidBSu2zNUP} Suliburska J, Bogdanski P, Szulinska M, Pupek-Musialik D. The influence of antihypertensive drugs on mineral status in hypertensive patients. Eur Rev Med Pharmacol Sci, 18 (1): 58–65, 2014 #297.05{sidfmCgSHH6} Wester P. Urinary zinc excretion during treatment with different diuretics. Acta Med Scand, 208 (3): 209–212, 1980 #297.06{sidJXCTTggu} Wester P. Tissue zinc at autopsy – relation to medication with diuretics. Acta Med Scand, 208 (4): 269–271, 1980 #297.07{sidJ1raVq5A} Westphal S et al. Antihypertensive treatment and homocysteine concentrations. Metabolism, 52 (3): 261–263, 2003 #298.01{sidovM0XkHW} 22 Gichtmittel #298.02{sidrPGzIXG7} In der symptomatischen Therapie der Gicht werden zur Hemmung der Harnsäurebildung das Urikostatikum Allopurinol und zur Förderung der Harnsäureausscheidung das Urikosurikum Benzbromaron eingesetzt. Die Akuttherapie des Gichtanfalls erfolgt mit dem Alkaloid Colchicin aus den Blüten und Samen der Herbstzeitlose. Eine Beeinträchtigung der Resorption und Utilisation von Mikronährstoffen (z. B. Vitamin B12) kann vor allem unter der Therapie mit Colchicin auftreten. Colchicin ist ein Antimitotikum und Zytostatikum, das häufig zu einer Schädigung des Gastrointestinaltrakts führt. Typische Symptome sind hartnäckige Durchfälle, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Bauchkrämpfe. #298.03{sidmk1BSrPb} 22.1 Gichtmittel und Mikronährstoffe #298.04{sidBmegwZnW} 22.1.1 Colchicin und Vitamin B12 #298.05{sid909EzmsJ} Colchicin induziert Störung der Vitamin-B12-Resorption #298.06{sidXs0Rp5yR} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Mechanismus: Schädigung des Gastointestinaltrakts durch Colchicin (Hemmung der Zellmauserung und Regeneration der Dünndarmepithelien); Diarrhöen; Wechselwirkung mit Intrinsic-Factor(IF)-Vitamin-B12-Rezeptoren. #298.07{sidGYpSAdbG} Folgen: Störung der Vitamin-B12-Resorption; Abfall der Vitamin-B12-Serumspiegel; Vitamin-B12-Mangel: Vitamin B12 (Serum): < 450 ng/l; Holo-TC (Plasma): < 70 pmol/l; MMS (Serum): > 40 µg/l; MMS (Urin): ≥ 1,60 mg/g Kreatinin; Neuropathien, Schwindel, Schwäche, Antriebsarmut; hyperchrome makrozytäre Megaloblastenanämie/perniziöse Anämie. #298.08{sidsrEOKLGj} Hinweis: Unter einer Therapie mit Colchicin sollte der Vitamin-B12-Status (Methylmalonsäure) kontrolliert, vor allem bei älteren Personen, und gegebenenfalls durch Substitution (100–500 µg tgl. p. o., besser: 1 mg i. m. pro Monat) kompensiert werden. Hartnäckige Diarrhöen können auch zu erheblichen Störungen im Elektrolyt- (Magnesium, Natrium, Kalium) und Calciumhaushalt führen. #298.09{sidRF00yH2T} 22.1.2 Allopurinol und Eisen #298.10{sidT9aBSDYz} Allopurinol kann Eisenspeicher in der Leber erhöhen #298.11{siddCPOW642} Mechanismus: Akkumulation von Eisen in der Leber bei Einnahme von Eisenpräparaten unter Therapie mit Allopurinol. #298.12{sidr7sPLv1M} Folgen: Erhöhtes Risiko für Leberzellschäden durch Allopurinol. #298.13{sidyF1hBy3N} Hinweis: Unter einer Therapie mit Allopurinol sollte die Einnahme von Eisenpräparaten vermieden werden. #298.14{sidpG3nzwo9} 22.1.3 Urikostatika, Urikosurika und Nicotinsäure #298.15{sidvVCHp00W} Nicotinsäure kann die Harnsäurespiegel erhöhen #298.16{sidJ7Evikg3} Mechanismus: Ein Anstieg der Harnsäurespiegel im Blut ist in verschiedenen Untersuchungen unter einer Therapie mit Nicotinsäure beobachtet worden; Ursache: Konkurrenz von Nicotinsäure und Harnsäure um den gleichen renalen Ausscheidungsmechanismus. #298.17{sidg6bNUwUt} Folgen: Die Wirksamkeit einer Harnsäuresenkenden Therapie mit Urikostatika (Allopurinol) oder Urikosurika (Probenecid, Benzbromaron, Sulfinpyrazon) kann dadurch beeinträchtigt werden. #299.01{sidGKPXr63a} Hinweis: Patienten mit einer Prädisposition zur Gicht sollten, wenn sie mit pharmakologisch dosierten Nicotinsäure-Präparaten behandelt werden engmaschig überwacht werden. #299.02{sid6roVVfhJ} Literatur #299.03{sidu6y9zM1y} Kozma C et al. Chronic allopurinol administration and iron storage in mice. Life Sci, 7 (7): 341–348, 1968 #299.04{sid5YI5dEOA} Kuncl RW et al. Colchicine neuropathy or vitamin B12 deficiency neuropathy? New Engl J Med, 317: 1290–1291, 1987 #299.05{sidWYVgZ7WP} Nassar CF et al. Colchicine inhibition of duodenal absorption of calcium. Gen Pharmacol, 22 (4): 755–758, 1991 #299.06{sidCB162yZr} Palopoli JJ, Waxman J. Colchicine neuropathy or vitamin B12 deficiency neuropathy? N Engl J Med, 317 (20); 1290– 1291, 1987 #299.07{sidZCKilPGi} Powell LW. Effects of allopurinol on iron storage in the rat. Ann Rheum Dis, 25 (6): 697–699, 1966 #299.08{sid8caMOlJt} Race TF et al. Intestinal malabsorption induced by oral colchicin. Comparison with neomycin and cathartic agents. Am J Med Sci, 259 (1): 32–41, 1970 #299.09{sidqP6lgIS2} Roe DA. Drug-induced Nutritional Deficiencies. 2nd ed. Westport, CT, Avi Publishing, 159–160, 1985 #299.10{sidFLGXL2ZH} Stopa EG et al. Effect of colchicine on guinea pig intrinsic factor-vitamin B12 receptor. Gastroenterology, 76 (2): 309–314, 1979 #299.11{sidt75zWNs0} Webb DI et al. Mechanism of vitamin B12 malabsorption in patients receiving colchicine. N Engl J Med, 279 (16): 845–850, 1968 #300.01{sidyzlHvrq7} 23 Immunsuppressiva #300.02{sidpLlsOsph} Zu den wichtigsten Immunsuppressiva gehören: #300.03{sidWdQnGfWQ} Ciclosporin, Tacrolimus, Sirolimus, #300.04{sideZJNauh2} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Glucocorticoide, #300.05{sidwPlOCbpc} monoklonale und polyklonale Antikörper (z. B. Infliximab) und #300.06{sidd4VXKjUL} Zytostatika. #300.07{sid57dqT7eR} Die Erfolge der modernen Transplantationsmedizin beruhen maßgeblich auf der Einführung des von dem Pilz Tolypocladium inflatum gebildeten zyklischen Polypeptids Ciclosporin A. Dieses hochwirksame Immunsuppressivum wird vor allem bei Organtransplantationen (z. B. Herz, Nieren, Lunge) zur Verhinderung einer Abstoßungsreaktion eingesetzt. Daneben findet es u. a. auch Anwendung bei schweren Formen der Psoriasis. #300.08{sidBu6Vo2Vo} 23.1 Immunsuppresiva und Mikronährstoffe #300.09{sideAxg1c0Z} Ciclosporin reduziert sowohl die humorale als auch zelluläre Immunreaktion. Die Freisetzung von Interleukin-1 aus Makrophagen und Interleukin-2 aus aktivierten T-Helferzellen in der frühen Phase der Immunantwort wird durch Ciclosporin gehemmt. Zusätzlich nimmt die Expression von Interleukin-2-Rezeptoren an Zellen, die auf Interleukin-2 ansprechen ab. Interleukin-2 aktiviert die T-Lymphozyten, die einen wesentlichen Bestandteil des menschlichen Abwehrsystems darstellen. Die Proliferation der für die Transplantatabstoßung entscheidenden T-Effektorzellen und die Freisetzung von γ-Interferon (sog. Immuninterferon) aus den natürlichen Killerzellen werden durch Ciclosporin unterdrückt. γ-Interferon entsteht in Lymphozyten nach Freisetzung von IL-2 infolge einer Antigenexposition. #300.10{sida0sqFDvl} Ein Hauptproblem der Ciclosporintherapie sind toxische Schäden im proximalen Tubulusbereich der Nieren, die seinen therapeutischen Einsatz limitieren und mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen vergesellschaftet sind. Die durch Ciclosporin beeinträchtigte Nierenfunktion manifestiert sich insbesondere durch eine verminderte glomeruläre Filtrationsrate (GFR), erhöhte Serumspiegel von Kreatinin und Harnstoff sowie einer Erhöhung des Blutdrucks. Die Blutfließeigenschaften werden durch Ciclosporin verschlechtert, die Blutfette insbesondere die Triglyceride erhöht. #300.11{sidSyPh206l} Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) haben in verschiedenen Studien einen günstigen Einfluss auf die mit Ciclosporin assoziierten Nebenwirkungen (z. B. Nephrotoxizität, Hypertonie, Hypertriglyceridämie) und den therapeutischen Index (Bioverfügbarkeit, immunsuppressive Wirkung) des Immunsuppressivums gezeigt (○Abb. 23.1, ○Abb. 23.2). #300.12{sidVOU4v2TK} Der Vitamin-D-Status (→ Calcidiol, Calcitriol) sollte unter der Therapie mit Immunsuppressiva überwacht werden, da dasVitamin-D-Hormon nicht nur ausgepägte immunmodulierende und endothelprotektive, sondern auch Blutdruckund triglyceridsenkende Eigenschaften aufweist. Nach aktuellen tierexperimentellen Studien scheint Calcitriol den therapeutischen Index von Immunssuppressiva wie Ciclosporin A ähnlich zu erweitern wie die Omega-3-Fettsäuren EPA/DHA. In einigen Untersuchungen zur Verhinderung der Transplantatabstoßung von embryonalen Herztransplantaten war Calcitriol (Vitamin-D-Hormon) sogar wirksamer als Ciclosporin. #301.01{sidtCOvGoQe} Abb. 23.1 Einfluss von Omega-3-Fettsäuren (3 g/d p. o.) auf die Kreatinin-Plasmaspiegel unter Therapie mit Ciclosporin A HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #301.02{sid2NeqRwdR} Abb. 23.2 Einfluss von Omega-3-Fettsäuren (3 g/d p. o.) auf die Triglycerid-Plasmaspiegel unter Therapie mit Ciclosporin A #301.03{sidXmAk7zjr} 23.1.1 Ciclosporin A und Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) #301.04{sidFFKwLe6u} Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) können Verträglichkeit und Wirksamkeit von Ciclosporin A (CsA) verbessern #301.05{sid2uYkgEvC} Mechanismus: Endothelprotektive Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) können den therapeutischen Index von Ciclosporin A (therapeutische Breite ↑, Nebenwirkungsrate ↓, orale Bioverfügbarkeit ↑) verbessern. #301.06{sidB19wVsvq} Folgen: Verbesserung des therapeutischen CsA-Indexes: CsA-Bioverfügbarkeit (AUC, Cmax) ↑; Plasma-Kreatinin ↓, immunsuppressive Wirkung des CsA ↑; Transplantat: Abstoßung ↓; Überlebenszeit ↑, Inzidenz der durch Ciclosporin A induzierten Nephrotoxizität ↓ (→ renoprotektiver Effekt), sekundäres Arterioskleroserisiko ↓, (Triglyceride ↓, Blutdruck ↓, Thromboxan A2 ↓. #301_302{sidVCprRJdc} Hinweis: Unter einer immunsuppressiven Therapie mit Ciclosporin A zur Verhinderung von Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantationen (z. B. Niere) empfiehlt sich die frühzeitige Gabe (bereits in der postoperativen Phase) von Omega-3-Fettsäuren (z. B. 3 g EPA/DHA/d, p. o.). #302.01{sid57W7Hgro} Auch unter der immunsuppressiven Therapie mit Tacrolimus kann eine begleitende Gabe von Omega-3-Fettsäuren sinnvoll sein, da die Nebenwirkungen von Tacrolimus denen von Ciclosporin A ähnlich sind. #302.02{sidlQd5iefC} Cicosporin A führt häufig zu Gewebeschäden im proximalen Tubulusbereich der Niere, was seine Anwendung in etwa 25 % der behandelten Fälle nach Nierentransplantationen einschränken kann. Omega-3-Fettsäuren können bei Nieren-, Pankreas- oder Herztransplantationen die Überlebenszeit des Transplantats erhöhen sowie die Entwicklung einer sekundären Arteriosklerose und/oder chronischen Niereninsuffizienz durch Ciclosporin A reduzieren (□ Tab. 23.1). #302.03{sidZ9cbfnmR} Tab. 23.1 Einfluss von Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) auf Entzündungsfaktoren (Auswahl) #302.04{sidT96lYfvk} Funktion Effekt der Omega-3Fettsäuren Entzündungsvermittler, Thrombozytenaggregation, Gefäßverengung s Thrombozytenaggregation, Vasokonstriktion s verringert Thrombozytenaggreagtion, Vasodilatation i Entzündung, Chemotaxis von Leukozyten, Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies, Erhöhung der intrazellulären Calciumkonzentrationen s Chemotaxis von Makrophagen, Thrombozytenaggregation erhöht Gefäßpermeabilität s Entzündungsvermittler, Steigerung der Lymphozytenproliferation, Stimulierung von PAF, Expression von Adhäsionsmolekülen auf Endothelzellen, Bildung reaktiver Sauerstoffspezies durch Neutrophile s Faktor #302.05{sid3ZBKXahm} Arachidonsäure #302.06{sidnjTRLjpN} Thromboxan A2 (TXA2) #302.07{sidhjWPA4Fq} Prostacyclin (PGI2/3) #302.08{sidKE17pGV4} Leukotrien B4 (LTB4) #302.09{sidtWfHcya4} Plättchenaktivierender Faktor (PAF) #302.10{siddLlZg7Wr} Interleukin-1 und TNF-alpha #302.11{sid486HCGQp} Empfänger von Nierentransplantaten versterben i. d. R. nicht an einer Niereninsuffizienz, sondern an einer progredienten kardiovaskulären Erkrankung. Zu der häufigsten Komplikation gehört dabei die Hyperlipidämie (v. a. Triglyceridämie). Die adjuvante Gabe von Omega-3-Fettsäuren kann nicht nur die durch Ciclosporin A induzierte Nebenwirkungsrate (→ Nephrotoxizität, Hypertonie, Hypertriglyceridämie) reduzieren, sondern auch den therapeutischen Index (Bioverfügbarkeit, immunsuppressive Wirkung) des Immunsuppressivums verbessern. #302.12{sidtHfbFynw} Studien: Eine aktuelle tierexperimentelle Untersuchung gibt erste Hinweise darauf, dass Docosahexaensäure (DHA) die Bioverfügbarkeit von Ciclosporin A durch eine Reduktion der intestinalen CYP3A-Metabolisierung erhöhen kann. Darüber hinaus haben tierexperimentelle Studien ergeben, dass Nierenschäden durch Ciclosporin mit einem Anstieg des oxidierten Glutathions (Glutathiondisulfid/GSSG) und einem Abfall der Glutathion-Reduktaseund Glutathion-Peroxidase-Aktivität in der Nierenrinde assoziiert sind. #303.01{sidRjtdHkXP} 23.1.2 Ciclosporin A und Magnesium #303.02{sidEordliRV} Ciclosporin A induziert Hypomagnesiämie #303.03{sidJ2jd3wNl} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Mechanismus: Ciclosporin A durchbricht den renalen Magnesiumspareffekt; die renale Magnesiumexkretion steigt an und die tubuläre Rückresorption von Magnesium sinkt. #303.04{sidVPzlzjdk} Folgen: Magnesiummangel: (Serum < 0,76 mmol/l), sekundäre Elektrolytveränderungen (Natrium, Kalium, Calcium); Wadenkrämpfe, Spasmen, Muskelschwäche, -krämpfe, neurotoxische Symptome (z. B. Parästhesien); erhöhtes kardiovaskuläres (z. B. Hypertonie, Kardiomyopathie) und nephrotoxisches Risiko. #303.05{sidu40ZwqVg} Hinweis: Unter einer immunsuppressiven Therapie mit Ciclosporin A sollte der Elektrolythaushalt (Magnesium, Kalium, Natrium) engmaschig kontrolliert werden. Zur Kompensation der durch Ciclosporin A induzierten Magnesiumverluste ist eine adjuvante Supplementierung von Magnesium (z. B. 4–6 mg MG pro kg KG tgl., p. o.) empfehlenswert. #303.06{sidMQMyaQGO} 23.1.3 Ciclosporin A und Kalium #303.07{sid7yCMgaZw} Erhöhung der Kaliumspiegel #303.08{sidEbcN5FYd} Mechanismus: Additive kaliumretinierende Wirkung von Ciclosporin A oder Tacrolimus in Kombination mit Kaliumpräparaten. #303.09{sidrbxLrXoR} Folgen: Risiko für Hyperkaliämie; Bradykardie, Blutdruckabfall, Schwäche, Unruhe. #303.10{sidCND53dPc} Hinweis: Unter einer immunsuppressiven Therapie mit Ciclosporin A oder Tacrolimus sollte der Elektrolythaushalt (Magnesium, Kalium, Natrium) engmaschig kontrolliert werden. Die Supplementierung kaliumhaltiger Mineralstoffpräparate sollte vermieden werden. #303.11{sidHm8jNdSU} 23.1.4 Ciclosporin A und Folsäure #303.12{sid1PaCfIEp} Hyperhomocysteinämie nach Transplantation (Niere, Herz) #303.13{sidfhj0hIbm} Mechanismus: Störungen der Nierenfunktion infolge pharmakoninduzierter Schäden im proximalen Tubulusbereich der Nieren. Serumkreatinin korreliert positiv, glomeruläre Filtrationsrate und renale Clearance korrelieren negativ mit Homocysteinspiegel; Abfall der Folsäure- und Vitamin-B6-Spiegel. #303.14{sid4NJXQeaD} Folgen: Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l); erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse durch homocysteininduzierte prooxidative Endothelschäden (Risikoerhöhung von 6 % pro 1 µmol/l Hcy). #303.15{sid35fRJGF5} Hinweis: Unter einer immunsuppressiven Therapie mit Ciclosporin A oder Tacrolimus sollte regelmäßig, alle 2–3 Monate, der Homocystein(Hcy)-Plasmaspiegel kontrolliert werden, da Patienten mit Herz- und Nierentransplantationen häufig erheblich erhöhte Homocysteinwerte aufweisen. Eine regelmäßige Supplementierung von Folsäure (1–5 mg tgl., p. o.) zusammen mit Vitamin B12 (z. B. als Methylcobalamin) und B6 ist empfehlenswert. #303.16{siduJO3FV1P} Studien: Patienten mit Nierenfunktionsstörungen (Nierensinsuffizienz, Dialyse) und Nierentransplantationen weisen gegenüber gesunden Kontrollen häufig signifikant erhöhte Homocysteinplasmaspiegel (häufig > 20 µmol/l) auf. Die endothel- und neurotoxische Aminosäure steigert bei Herztransplantierten zum Teil erheblich die Progression kardiovaskulärer Ereignisse. In Studien an Nierentransplantierten, die mit Ciclosporin A oder Tacrolimus behandelt wurden, konnte durch Supplementierung von Folsäure (z. B. 5 mg tgl., p. o. über drei Monate) der Homocysteinspiegel signifikant reduziert werden. #303.17{sidtYTmoWTd} 23.1.5 Azathioprin und Folsäure #303.18{sid6f2sR4ol} Azathioprin induziert Anämie #303.19{sidKhEEE0lj} Mechanismus: Azathioprin (Purinantagonist) supprimiert die Purin- bzw. DNA-Synthese; unzureichende diätetische Folsäuredigestion und -utilisation, Störung des Folsäure-/Vitamin-B12-Haushalts. #303.20{sidvKMrsdF0} Folgen: Beeinträchtigung der Erythropoese (Anämie): makrozytäre hyperchrome Anämie (MCV ↑, MCH ↑); polymorphkernige Leuko- und Thrombopenie; gastrointestinale Störungen (z. B. Magen- und Darmulzera); Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l). #304.01{sidIH3CCeVv} Hinweis: Bei durch Azathioprin induzierter Anämie sollte eine Supplementierung von Folsäure (1–5 mg tgl.) zusammen mit Vitamin B12 und B6 erfolgen. Folsäure wird als Cofaktor für die Biosynthese von Purinen und Pyrimidinen benötigt. Folsäuremangel führt zu Störungen der DNA-Synthese und Erythropoese. Das Immunsuppressivum Azathioprin wird bei Organtransplantationen, Morbus Crohn und Autoimmunerkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis) eingesetzt. #304.02{sidEtP30kYe} 23.1.6 Ciclosporin A und Grapefruitsaft #304.03{sidnlj2JYHy} Grapefruitsaft erhöht Ciclosporin-A-Spiegel HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #304.04{sidyGYkfSVa} Mechanismus: Das wasserlösliche Furanocumarin Dihydroxy-Bergamottin aus dem Grapefruitsaft vermindert die bei der Resorption im Darm erfolgende Metabolisierung von Ciclosporin A über die Oxygenase CYP3A4 (siehe auch ▸ Kap. 2.6). #304.05{sidzRWIpDq0} Folgen: Anstieg der Ciclosporin-A-Wirkspiegel mit erhöhtem Risiko für nierentoxische Schäden. #304.06{sidLIDmH08O} Hinweis: Unter einer immunsuppressiven Therapie mit Ciclosporin A oder Tacrolimus sollte der Konsum von Grapefuitsaft vermieden werden. Das wasserlösliche Furanocumarin Dihydroxy-Bergamottin aus Grapefruitsaft kann den CYP3A4-vermittelten intestinalen First-Pass-Effekt oral applizierter Immunsuppressiva (z. B. Ciclosporin, Tacrolimus) verringern. Bei gleichzeitigem Trinken von Grapefruitsaft steigt die Bioverfügbarkeit dieser CYP3A4Substrate mit dem Risiko toxikologisch relevanter Nierenschäden. Durch den Konsum größerer Mengen Saft (≥ 500 ml tgl.) werden die für die CYP3A4-Hemmung verantwortlichen Inhaltsstoffe vermehrt resorbiert und damit auch der hepatischen Abbau dieser Arzneimittel gehemmt. Grapefruitsaft sollte deshalb bei einer entsprechenden Medikation mit Substraten des CYP3A4 gemieden werden. #304.07{sidACszDQhl} Literatur #304.08{sid9dypfCU9} Al-Rasheed AK et al. Cyclosporine A neurotoxicity in a patient with idiopathic renal magnesium wasting. Pediatr Neurol, 23 (4): 353–356, 2000 #304.09{sidJLUMFAm5} Andreassen AK et al. Hypertension prophylaxis with omega-3 fatty acids in heart transplant recipients. J Am Coll Cardiol, 29 (6): 1324–1331, 1997 #304.10{sidr7j7SxSh} Ardalan MR et al. Calcitriol started in the donor, expands the population of CD 4 +CD 25 + T cells in renal transplan recipients. Transplant Proc, 39 (4): 951–953, 2007 #304.11{sid2mBUzgqV} Arnadottir M. Hyperhomcysteinemia in cyclosporine-treated renal transplant recipients. Transplantation, 61 (3): 509– 512, 1996 #304.12{sidRV1xayyv} Badalamenti S et al. Renal effects of dietary supplementation with fish oil in cyclosporine-treated liver transplant recipients. Hepatology, 22 (6): 1695–1671, 1995 #304.13{sidRzD2TTrP} Bennett WM et al. Delayed omega-3 fatty acid supplements in renal transplantation. A double-blind, placebocontrolled study. Transplantation, 59 (3), 352–356, 1995 #304.14{sidLJWi1H1v} Busanch G et al. Effect of n-3- polyunsaturated fatty acids on cyclosporine pharmakokinetics in kidney graft recipients: a randomized placebo-controlled study. J Neph, 11 (2): 87–93, 1998 #304.15{sidsHzTgegc} Colke DE et al. Correlation between total homocysteine and cyclosporine concentrations on cardic transplant recipients. Clin Chem, 44 (11): 2307–2312, 1998 #304.16{sidgl6Hecyp} Donadio JV. n-3 fatty acids and their role in nephrologic practice. Curr Opin Nephrol Hypertens, 10 (5): 639–642, 2001 #304.17{sidFo3W3QcW} Fernandez-Miranda C et al. Plasma homocystine levels in renal transplanted patients on cyclosporine or tacrolimus therapy. Clin Transplant, 14 (2): 110–114, 2000 #304.18{sidQuVV8KaY} Hirunpanich V et al. Demonstration of docosahexaenoic acid as a bioavailability enhancer for CYP3A substrates: in vitro and in vivo evidence using cyclosporin in rats. Drug Metab Dispos, 34 (2): 305–310, 2006 #304.19{sidxHrwZfHG} Holm T et al. Omega-3 fatty acids improve blood pressure control and preserve renal function in hypertensive heart transplant recipients. Eur Heart J, 22 (5): 428–436, 2001 #305.01{sidYQQ4eulG} Kakar S et al. 6’7’-Dihydroxybergamottin contributes to the grapefruit juice effect. Clin Pharmacol Ther, 75: 569–579, 2004 #305.02{sidUfo2I4VO} Kutschka I et al. Increased plasma homocysteine concentrations accelerate cardiac allograft vasculopathy. J Heart Lung Transplant, 23 (11): 1260–1265, 2004 #305.03{sidNgWhLiDR} Larner AJ. Myopathy with ragged red fibres following renal transplantation: possible role of cyclosporineinduced hypomagnesaemia. Acta Neuropahtol, 88 (2): 189–192, 1994 #305.04{sid4kzXx8pC} Machado DJ et al. Hyperhomocyst(e)inemia in chronic stable renal transplant patients. Rev Hosp Clin Fac Med Sao Paulo, 55 (5): 161–168, 2000 #305.05{sidEMyWsKdO} Mazouz H et al. Relationship between hyperhomocystinemia and azathioprine therapy in kidney graft recipients. In: Congress Of The European Society For Organ Transplantation, 9th slo, Norway, 1999 #305.06{sidn3b3VCFs} Mervaala EM. Effects of dietary sodium and magnesium on cyclosporin A-induced hypertension and nephrotoxicity in spontaneously hypertensive rats. Hypertension, 29 (3): 822–827, 1997 #305.07{sidMOVJZnAY} Mihatsch MJ et al. The side effects of cilcosporine-A and Tacrolimus. Clin Nephrol, 49 (6): 356–363, 1998 #305.08{sidQsCueaQQ} Woo M et al. Toxicities of tacrolimus and cyclosporin A after allogenic blood stem cell transplantation. Bone Marrow Transplant, 29 (12): 1095–1098, 1997 #305.09{sidWkOOKIbX} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Zazgornik J et al. Diminished serum folic acid levels in renal transplant recipients. Clin Nephrol, 18 (6): 306–310, 1982 #305.10{sidQCaThYiz} Zhang AB, Zheng SS. Strong additive effect of calcitriol and cyclosporine A on lymphocyte proliferation in vitro and rat liver allotransplantations in vivo. Chin Med, 119 (24): 2090–2095, 2006 #306.01{sidZP7QorXM} 24 Kardiaka und Koronartherapeutika #306.02{sidGPwzX0gR} Zur Gruppe der Kardiaka gehören die Herzglykoside (z. B. Digitoxin, Beta-Acetyldigoxin, Metildigoxin), die aufgrund ihrer positiv inotropen und damit herzleistungssteigernden Wirkung zur Pharmakotherapie der schweren Herzinsuffizienz eingesetzt werden. Die pharmakodynamische Wirkung der herzwirksamen Glykoside (→ Bindung an magnesiumabhängige Na+/K+-ATPase) ist mit einem hohen Interaktionspotenzial mit dem Magnesium- und Kaliumhaushalt assoziiert, insbesondere bei Hypo- und Hyperkaliämie. #306.03{sidzDvhux4V} 24.1 Koronartherapeutika und Mikronährstoffe #306.04{sidcGsAT0st} Die wichtigsten Vertreter unter den Koronarmitteln sind die organischen Nitrate (z. B. Glyceroltrinitrat, Isosorbiddinitrat, Molsidomin), die zur symptomatischen Therapie der koronaren Herzkrankheit (KHK) eingesetzt werden. Nitrate (NO-Prodrugs, NO-Donatoren) werden durch reduzierende Biotransformation in den gasförmigen Neurotransmitter Stickstoffmonoxid (NO) überführt, der vasodilatatorisch, antithrombotisch und endothelprotektiv wirkt. Oxidativer Stress limitiert die Verfügbarkeit von NO und scheint auch bei der Abschwächung der Nitratwirkung (Nitrattoleranz) eine Rolle zu spielen. Antioxidanzien haben einen günstigen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit und Wirkung von NO. #306.05{sidFS2j8lrr} Fallbeispiel #306.06{sidrasR5JHQ} Die 65-jährige Patientin Johanna M. wird aufgrund einer Herzinsuffizienz seit Längerem mit Herzglykosiden und Furosemid behandelt. Apothekerin P. ist aufgefallen, dass die Patientin seit einiger Zeit häufiger über Appetitlosigkeit, Darmträgheit, Müdigkeit und Muskelschwäche klagt. Bei ihrem letzten Besuch in der Apotheke berichtet die Patientin zusätzlich von zeitweisem Herzjagen und einem schnellen Puls. Müdigkeit, Muskelschwäche, Herzrasen und Appetitlosigkeit, häufig verbunden mit Obstipation, sind die typischen Symptome eines Kaliummangels. Thiazide und Schleifendiuretika wie Furosemid führen zu einem Verlust an Kalium, Magnesium und Vitamin B1. Ein Abfall der Kaliumspiegel im Serum unter 3,5 mmol/l (Hypokaliämie) kann sich dabei aufgrund der heute üblichen kaliumarmen Ernährung (Obst, Gemüse) relativ rasch entwickeln. Die Hypokaliämie erhöht die Rezeptorbindung von Herzglykosiden an die Na+K+ATPasen der Herzmuskelzellen. Die Wirkung und Toxizität der Herzglykoside wird dadurch verstärkt. Die Glykosidtoleranz kann durch die adjuvante Gabe von Magnesium und Kalium verbessert werden. Da eine unkontrollierte Kaliumsubstitution die Glykosidwirksamkeit abschwächt (pharmakodynamischer Antagonimus), empfiehlt Apothekerin P. der Patientin zunächst mit ihrem Arzt über ihre Beschwerden zu sprechen und bei ihm den Kaliumspiegel überprüfen zu lassen. Wahrscheinlich sind eine vorübergehende Reduktion der Herzglykosiddosis und eine orale Kaliumsubstitution (Kaliumchlorid) erforderlich. Zur Unterstützung der Herzmuskelfunktion und Kompensation medikationsbedingter Verluste gibt die Apothekerin Frau M. ein Magnesiumpräparat sowie eine Vitamin-B-Kombination mit Vitamin B1, Folsäure, Vitamin B6 und B12 zur regelmäßigen Einnahme mit. #307.01{sidhIN9zKt9} 24.1.1 Herzglykoside und Kalium/Magnesium #307.02{sidhRnksZyc} Kaliummangel (Hypokaliämie) verstärkt Wirkung und Toxizität von Herzglykosiden #307.03{sid2rt0RjxI} Mechanismus: Hypokaliämie (< 3,5 mmol/l) erhöht stark die Affinität und Rezeptorbindung der Herzglykoside an die Na+/K+-ATPase der Herzmuskelzelle. Eine Kaliumverarmung kann durch kaliumausscheidende Diuretika (Thiazide, Schleifendiuretika) oder Laxanzien gesteigert werden (○Abb. 21.1). #307.04{sid01X6xPXD} Folgen: Wirkung und Toxizität der herzwirksamen Glykoside wird verstärkt. Mögliche Folgen: Herzrasen, schneller Puls, potenziell lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen; gastrointestinale Störungen, Halluzinationen, Sehstörungen (z. B. Störungen des Farbsehens, Photophobie). #307.05{sidPx6lqlLM} Hinweis: Die Kalium- und Magnesiumspiegel sollten bei einer Therapie mit herzwirksamen Glykosiden sorgfältig überwacht und in jedem Fall durch eine orale Substitution korrigiert werden (siehe auch S. 191ff.). #307.06{sidZHzu7BNm} Eine Hypokaliämie begünstigt die Rezeptorbindung von Herzglykosiden an die Na+/K+-ATPase, während eine Hyperkaliämie die Glykosidbindung und -wirkung verringert. Unter der Therapie mit herzwirksamen Glykosiden empfiehlt sich die orale Substitution eines Magnesiumpräparats (z. B. 300 mg Magnesium/Tag, als Magnesiumorotat), da Magnesium die Kaliumverwertung und Glykosidtoleranz generell verbessert und als Calciumantagonist die Herzmuskelzelle vor einer Überladung mit Calciumionen schützt (optimale Magnesiumserumspiegel: ≥ 0,85–1,2 mmol/l). #307.07{sidpUwWL2v4} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Magnesium ist Aktivator von mehr als 600 Enzymsystemen und an allen ATP-abhängigen Prozessen beteiligt. Über die Interaktion mit Phosphoplipiden wirkt es membranstabilisierend und reguliert als Cofaktor der Na+/K+-ATPase die Erregungsleitung in Nerven- und Muskelzellen. Ein Magnesiummangel erhöht die Durchlässigkeit von Kalium durch K+-Kanäle, was wiederum Auswirkungen auf das Herzmuskelaktionspotenzial hat. Seine antagonistische Wirkung gegenüber Calcium schützt die Myokardzelle bei ischämischen Perfusionsstörungen vor einer Calciumüberladung. Aufgrund dieser Eigenschaften ökonomisiert Magnesium die kardiale Bioenergetik und wirkt antiarrhythmisch. #307.08{sidiTLeNaCI} Studien: In einer aktuellen Studie an Patienten mit Herzinsuffizienz NYHA-Stadium IV führte die adjuvante Supplementierung von Magnesium (1. Monat: 6 000 mg Magnesiumorotat/d ≙ 400 mg Mg, dann: 3 000 mg Magnesiumorotat/d, p. o. ≙ 200 mg Mg) gegenüber Placebo nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von zwölf Monaten bei 38,5 % der mit Magnesiumorotat behandelten Patienten zu einer signifikanten Verbesserung der klinischen Symptomatik, zum Teil sogar mit einem Wechsel in das weniger schwere NYHA-Stadium III. Bei 50 % der Verumgruppe konnte der Zustand stabil gehalten werden. Demgegenüber trat in der Placebogruppe bei keinem einzigen Patienten eine Verbesserung der kardiovaskulären Symptome ein, sondern die Schwere der Herzinsuffizienz verschlechterte sich sogar bei 56,3 % der Patienten. #307.09{sid2V9Z0E6z} Bemerkenswert ist, dass die Verbesserung der kardialen Bioenergetik auch mit einem Gewinn an Lebenszeit assoziiert war: Die Überlebensrate der Patienten in der Verumgruppe betrug nach einjähriger Therapie mit Magnesiumorotat 75,7 %, während in der Placebogruppe nur 51,6 % der herzinsuffizienten Patienten überlebten (○Abb. 24.1). #308.01{sid9sniLozN} Abb. 24.1 Einfluss von Magnesiumorotat auf die Überlebensrate nach zwölf Monaten bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz (NYHA IV, MACH-Studie) #307.10{sidhEWyDWaj} 24.1.2 Herzglykoside, Furosemid und Vitamin B1 #307.11{sid5AvhzzoA} Furosemid und/oder Herzglykoside stören den kardialen Thiaminstatus #307.12{sidgcWlO33c} Mechanismus: Die Thiaminaufnahme in die Kardiozyten wird durch Furosemid und/oder Herzglykoside beeinträchtigt. Furosemid erhöht signifikant die renale Thiaminexkretion (siehe ▸ Kap. 21.1.3). #307_308{sidJCWiOsrW} Folgen: Thiaminmangel (erythrozytäre Transketolase-Aktivität ↓). Verschlechterung der Herzmuskelfunktion: z. B. Herzinsuffizienz ↑, Kardiomyopathie. #308.02{sid73HdevpZ} Hinweis: Zur Unterstützung der Herzfunktion und Kompensation medikationsbedingter Verluste sollte neben Magnesium regelmäßig ein Vitamin-B-Komplex mit Thiamin, Folsäure, Vitamin B6 und B12 ergänzt werden. Das lipidlösliche Benfotiamin ist aufgrund seiner dosislinearen Resorption besonders gut zur oralen Substitution geeignet. #308.03{sidrF6mzn21} Herzinsuffiziente Patienten haben ernährungs- und medikationsbedingt häufig einen schlechten Vitamin-B1-Status. Entsprechend seiner physiologischen Bedeutung im Kohlenhydrat- und Energiestoffwechsel besitzt der Herzmuskel den höchsten Vitamin-B1-Gehalt (3–8 µg pro g). Aufgrund der geringen Speicherkapazität und der kurzen biologischen Halbwertszeit des Thiamins ist eine regelmäßige Vitamin-B1-Zufuhr (z. B. 50 mg Benfotiamin/d) bei herzinsuffizienten Patienten sinnvoll. #308.04{sidTdQG7cqU} 24.1.3 Herzglykoside und Kalium #308.05{sidLjKISWtZ} Unkontrollierte Kaliumeinnahme schwächt die Wirkung von Herzglykosiden ab #308.06{sidtbjgHb41} Mechanismus: Ein Anstieg der extrazellulären Kaliumspiegel, z. B. durch unkontrollierte Selbstmedikation mit Kaliumpräparaten, verringert die Affinität und Rezeptorbindung der Herzglykoside an die Na+/K+-ATPase der Herzmuskelzelle. #308.07{sidPgdGwm3O} Folgen: Abgeschwächte Glykosidwirkung. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #308.08{sidcb3DLGEi} Hinweis: Eine unkontrollierte Selbstmedikation mit Kaliumpräparaten ist unter einer Therapie mit Herzglykosiden zu vermeiden. Generell sollten die Serumelektrolyte bei einer Therapie mit herzwirksamen Glykosiden sorgfältig überwacht und gegebenenfalls korrigiert werden (siehe ▸ Kap. 3.4). #308.09{sid2w9MJFKr} 24.1.4 Kardiaka und Eisen #308.10{sidpcxIlitH} Eisen kann den Bedarf an herzwirksamen Medikamenten verringern #308.11{sidFp3RLMPZ} Mechanismus: Additive Effekte auf die kardiale Bioenergetik durch Eisen und Kardiaka. Eisen kann bei koronarer Herzkrankheit die Belastungstoleranz des Myokards steigern sowie die kardiale Auswurfleistung verbessern (→ mitochondriale Funktion). #308.12{siddcuMj2sr} Folge: Verbesserung der kardialen Bioenergetik durch labordiagnostisch validierte Gabe von Eisen; Normalisierung des myokardialen Eisenstatus. #308.13{siduKYduEvI} Hinweis: Die labordiagnostisch validierte Gabe (z. B. CRP, Leberwerte, Ferritin, löslicher Transferrin-Rezeptor) des Energy-Response-Modifiers Eisen kann bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit den Bedarf an herzwirksamen Medikamenten verringern. #308_309{sidYapG1yJX} Studien: Patienten mit Herzmuskelschwäche haben häufig einen Eisenmangel. Bereits ein leichter Eisenmangel ist nachteilig bei einer Herzinsuffizienz. Mit Eisen behandelte Patienten berichten über eine bessere Lebensqualität, sind generell belastbarer und müssen seltener ins Krankenhaus. Wahrscheinlich haben sie auch eine längere Überlebenszeit. Ursache dafür ist eine mitochondriale Dysfunktion. Eisen (Fe) ist als Cofaktor von Eisen-SchwefelClustern (Fe-S) in allen drei Komplexen an denen Coenzym Q10 in der mitochondrialen Atmungskette eine Rolle spielt beteiligt. Bei Eisenmangel können die Mitochondrien weniger ATP produzieren. Gerade der Herzmuskel ist aber für seine Pumpfunktion auf eine hohe Energiezufuhr angewiesen. #309.01{sidpZ5I8lxi} Eine Arbeitsgruppe um Haddad et al. von der Medizinischen Hochschule in Hannover haben nun herausgefunden, warum Eisen für die Herzfunktion so wichtig ist. Der intrazelluläre und mitochondriale Eisengehalt wird durch zwei mRNA-bindende Eisen regulierende Proteine (IRP: Iron-Regulatory Proteins), IRP1 und IRP2 gesteuert. Schaltet man die IRP-Proteine bei Mäusen aus entwickeln diese einen Eisenmangel im Herzmuskel, jedoch nicht im Blut oder in anderen Organen. Diese IRP-Mangel-Mäuse konnten die linksventrikuläre systolische (LV) Funktion nicht steigern als Antwort auf eine akute Belastung mit Dobutamin. Nach einem Herzinfarkt entwickelten die Tiere zudem eine ausgeprägte linksventrikuläre Dysfunktion und verstarben auch häufiger an letzterer. Als Pathomechanismus wurde nachgewiesen, dass die Aktivität der Fe-S-Cluster im Komplex I der mitochondrialen Atmungskette im linken Ventrikel bei IRP-Mangel-Mäuse reduziert war. Wurde diesen Mäusen Eisen verabreicht, konnte die Tiere ihre Eisenspeicher im Herzen auffüllen, die Herzmuskelzellen produzierten wieder ausreichend ATP und die Herzfunktion normalisierte sich. #309.02{sid1ijPUak7} Kommentar: Die Herzinsuffizienz zählt zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Generell sollte daher der Eisenhaushalt regelmäßig bei den betroffenen Patienten labormedizinisch anhand aussagekräftiger Laborparameter (z. B. löslicher Transferrin-Rezeptor, Ferritin) kontrolliert werden und bei Eisenmangel vom behandelnden Arzt Eisen verschrieben werden. Bei herzinsuffizienten Patienten sollte neben dem Eisenhaushalt auch der Vitamin-D-Status kontrolliert werden, da letzteres aufgrund seiner regulierenden Wirkung auf die EisenHepcidin-Ferroportin-Achse eine enge Beziehung zum Eisen-Haushalt hat. #309.03{sid4llULgQR} 24.1.5 Kardiaka und L-Carnitin #309.04{sidf3gr75Jn} L-Carnitin kann den Bedarf an herzwirksamen Medikamenten verringern #309.05{sidvS5c1997} Mechanismus: Additive Effekte auf die kardiale Bioenergetik durch L-Carnitin und Kardiaka. L-Carnitin kann bei koronarer Herzkrankheit die Belastungstoleranz des Myokards steigern, die kardiale Auswurfleistung verbessern, die ischämiebedingten EKG-Veränderungen verringern und die Myokardleistung ökonomisieren. #309.06{sidJo0DapyM} Folgen: Verbesserung der kardialen Bioenergetik durch adjuvante Gabe von L-Carnitin; Normalisierung der myokardialen Carnitinbilanz. #309.07{sidLCFTHjAy} Hinweis: Die adjuvante Gabe des Energy-Response-Modifiers L-Carnitin (2–6 g tgl., als Carnitintartrat p. o.) kann bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit den Bedarf an herzwirksamen Medikamenten (○Abb. 24.2) verringern. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #310.01{sidxtN1l8PF} Abb. 24.2 Reduktion des Verbrauchs herzwirksamer Medikamente durch L-Carnitin (2 000 mg/d, p. o.) bei 2 300 Patienten mit koronarer Herzkrankheit #309.08{sidmLFtwp8c} Das Myokard bezieht seine Energie zu 50–60 % aus der Oxidation freier Fettsäuren (Beta-Oxidation). Dadurch ist eine normale Herzfunktion auf eine ausreichende Versorgung mit L-Carnitin angewiesen. Eine Verarmung der Herzmuskelzelle an freiem Carnitin ist eine gemeinsame biochemische Endstrecke ischämischer Herzerkrankungen. #309.09{siduL6qmGnu} Carnitin ist essenziell für den Transport langkettiger Fettsäuren aus dem Zytosol in die Mitochondrien. Die im Zytosol enthaltenen Fettsäuren werden durch Coenzym A aktiviert (Acyl-CoA). Erst durch die Veresterung der aktivierten Fettsäuren zu Acyl-Carnitin können sie die innere Mitochondrienmembran passieren und energetisch im Rahmen der Beta-Oxidation verwertet werden (○Abb. 3.11). #309_310{siduliegubs} Studien: Die Auswertung von Multizenterstudien mit insgesamt 3 525 Patienten, die über ein Jahr täglich 2 g LCarnitin supplementierten, zeigte neben der Verminderung von Angina-pectoris-Anfällen und Verbesserung der physischen Leistungsfähigkeit einen signifikant verringerten Verbrauch an Nitraten und anderen herzwirksamen Arzneimitteln (z. B. Glykoside, Diuretika, Antiarrythmika). Im Vergleich zum L-Carnitin scheint die kardioprotektive Wirkung des Propionyl-L-Carnitin stärker zu sein, da es in der Zelle zu Succinyl-CoA umgewandelt wird, welches den Fluss der Metabolite durch den Citratzyklus stimuliert. #310.02{sidBJEmY0nc} 24.1.6 Kardiaka und Coenzym Q10 #310.03{sidt4xnFsnm} Coenzym Q10 verbessert die Herzfunktion #310.04{sidSjtEzSL6} Mechanismus: Additive Effekte auf die kardiale Bioenergetik von Coenzym Q10 (Ubiquinon/Ubiquinol) und Kardiaka; Coenzym Q10 ist als Ferment der Atmungskette essenziell für die mitochondriale ATP-Produktion; bei Herzinsuffizienz hat Coenzym Q10 einen positiven Einfluss auf die körperliche Belastungsfähigkeit (z. B. Verbesserung der kardialen Auswurfleistung, des enddiastolischen Volumenindexes, der Endothelfunktion). #310.05{sidrSdNTx3U} Folgen: Verbesserung der kardialen Funktionsstörungen durch adjuvante Gabe von Coenzym Q10; Normalisierung der myokardialen Coenzym-Q10-Bilanz; der Bedarf an Arzneimitteln zur Pharmakotherapie der Herzinsuffizienz kann durch Coenzym Q10 gesenkt werden. #310.06{sidCNeEOXCO} Hinweis: Die adjuvante Gabe des Energy-Response-Modifiers Coenzym Q10 (2–10 mg/kg KG/d, p. o., z. B. als Ubiquinol) kann bei Patienten mit Herzinsuffizienz die kardialen Funktionsstörungen verringern, die körperliche Belastbarkeit steigern und den Bedarf an herzwirksamen Medikamenten verringern. Der Richtwert für therapeutisch wirksame Coenzym-Q10-Plasmaspiegel in der adjuvanten Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz, Bluthochdruck) dürfte nach einigen Studien bei ≥ 2,5 µg/ml liegen. #310_311{sidLG1TyzIo} Coenzym Q10 ist als Ferment der Atmungskette essenziell für die mitochondriale und extramitochondriale Energiegewinnung. Etwa 50 Prozent des körpereigenen Coenzyms Q10 sind intrazellulär in den Mitochondrien gespeichert, in denen die lebenswichtige Umwandlung von Nahrungsenergie in Zellenergie stattfindet. Coenzym Q10 katalysiert metabolische Prozesse und hält die ATP-Produktion am Laufen, weshalb es u. a. auch als EnergyResponse-Modifier oder Metabolomic bezeichnet wird. Die höchsten Coenzym-Q10-Konzentrationen finden sich in Organen mit hohem Energiebedarf, wie z. B. im Herzmuskel, in der Leber, in den Nieren und in der Bauchspeicheldrüse. Coenzym Q10 spielt durch seine Fähigkeit Elektronen aufzunehmen und weiterzuleiten eine Schlüsselrolle bei der zellulären Energieproduktion. In der mitochondrialen Atmungskette werden mithilfe von Coenzym-Q10-Elektronen von den aus der Oxidation von Glucose und Fettsäuren entstehenden Redoxäquivalenten NADH auf Sauerstoff unter Bildung von Wasser übertragen. Das entstehende Membranpotenzial (∆ψ) wird zur Synthese von energiereichen Phosphaten (Adenosintriphosphat, ATP) verwendet. Die Konservierung der hierbei frei werdenden Energie in Form von ATP wird auch als oxidative Phosphorylierung bezeichnet (○Abb. 5.3). Der aerobe Stoffwechsel ist daher obligat auf eine adäquate Verfügbarkeit von Coenzym Q10 angewiesen. #311.01{sidf5MjE2Aj} Studien: Eine Reihe von klinischen Studien belegen einen günstigen Einfluss des Coenzym Q10 auf den Verbrauch herzwirksamer Medikamente, den enddiastolischen Volumenindex, die myokardiale Ejektionsfraktion sowie auf die Häufigkeit von Lungenödemen und anderen Störungen bei kongestiver Kardiomyopathie. In einer Langzeitstudie an 424 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz konnte unter der regelmäßigen Supplementierung von Coenzym Q10 (Dosierung: 75–600 mg/d, durchschnittlich 242 mg Coenzym Q10/d, p. o.) der Schweregrad der Herzinsuffizienz nach NYHA deutlich verbessert und der Bedarf an herzwirksamen Arzneimitteln gesenkt werden (○Abb. 24.3, ○Abb. 24.4). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #311.02{sideivlNGuH} Abb. 24.3 Einstufung von Patienten (n = 424) mit chronischer Herzinsuffizienz vor und nach Supplementierung von Coenzym Q10 (durchschnittlich 242 mg/d, p. o., 17,8 Monate) #312.01{sidF52G1h5e} Abb. 24.4 Einfluss von Coenzym Q10 auf die Anzahl der eingenommenen Medikamente #311.03{sidND4Gk6Mv} In einer aktuellen randomisierten, placebokontrollierten Interventionsstudie mit 443 Probanden im Alter von 70–88 Jahren, senkte die kombinierte Gabe von Coenzym Q10 und Selen die kardiovaskuläre Mortalität um 47 % (Verum 5,9 % versus Placebo 12,6 % nach 5,2 Jahren; p = 0,015). Die Blutspiegel des Herzinsuffizienzmarkers NT-proBNP (N-terminales Fragment des Vorläuferproteins des natriuretischen Peptids vom Typ B) lagen in der Verum-Gruppe mit 215 ng/l deutlich niedriger als in der Placebo-Gruppe mit 304 ng/l (p = 0,014). In dieser Studie wurde eine Kombination aus 200 mg Coenzym Q10 und 200 µg Selen eingesetzt. Die Kombination dieser mitotropen Mikronährstoffe ist sinnvoll, da Selen über die Thioredoxin-Reduktase für die Regeneration von Coenzym Q10 und Vitamin C wichtig ist. #311.04{sidVOGgWcv3} 24.1.7 Nitrate und Vitamin C #311.05{sidrbzWEw9w} Vitamin C verringert die Nitrattoleranz #311.06{sidbvVY5TX6} Mechanismus: Als Ursache der Nitrattoleranz wird eine durch reaktive Sauerstoffspezies (Superoxidradikale) induzierte verminderte NO-Bioverfügbarkeit mit verstärkter Umwandlung von NO in Peroxynitrit und geringere Aktivierung der Guanylatcyclase diskutiert. Vitamin C schützt NO vor der Inaktivierung durch freie Radikale und kann die NO-Bioverfügbarkeit erhöhen. #311.07{sidNcqmi8Nk} Folge: Verringerung der endothelialen Dysfunktion durch Vitamin C (Vitamin-C-Plasmaspiegel von ≥ 90 µmol/l). #311.08{sidBFwRE80g} Hinweis: Bei hoher Dosierung oder Dauerapplikation, jedoch nicht bei intermittierender Gabe, der zur KHKTherapie eingesetzten Nitrate wird eine Abschwächung der Nitratwirkung (Nitrattoleranz) beobachtet. Die adjuvante Gabe antioxidativer Mikronährstoffe wie Vitamin C, Coenzym Q10 und Vitamin E kann die Endothelfunktion verbessern und eine Nitrattoleranz verringern. #312.02{sidL6UB0qsC} Studien: In klinischen Studien konnte die regelmäßige Supplementierung von Vitamin C (2–6 g tgl., p. o., über den Tag verteilt) die Nitrattoleranz verringern bzw. ihr vorbeugen. #312.03{sidlW6oWyIa} Literatur #312.04{sidH0av7Zf2} Alehagen U et al. Cardiovascular mortality and N-terminal-proBNP reduced after combined selenium and coenzyme Q10 supplementation: A 5-year prospective randomized double-blind placebo-controlled trial among elderly Swedish citizens. Int J Cardiol, Epub ahead of print, 2012 #312.05{sidPczfJBRr} Baggio E et al. Italian multicenter study on the safety and efficacy of coenzyme Q10 as adjunctive therapy in heart failure. CoQ10 Drug Surveillance Investigators. Mol Aspects Med, (15 suppl): 287–294, 1994 #312.06{sid0Q16bRed} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Bassenge E et al. Dietary supplement with vitamin C prevents nitrate tolerance. Journal of Clinical Investigation, 102 (1): 67–71, 1998 #312.07{sidmGJrMAvO} Burke BE, Neuenschwander R, Olson RD. Randomized, double-blind, placebo-controlled trial of coenzyme Q10 in isolated systolic hypertension. South Med J, 94: 1112–1117, 2001 #312.08{sidNrrTBr70} Crippa G et al. Magnesium and cardiovascular drugs: interactions and therapeutic role. 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Furosemide and digoxin inhibit thiamin uptake in cardiac cells. Eur Jnl of Pharm, 361 (1): 151–155, 1998 #314.01{sidoyfwstaC} 25 Laxanzien #314.02{sidXqgvCNbl} Antiresorptiv und hydragog wirkende Laxanzien (z. B. Bisacodyl) hemmen die Natrium- und Wasserresorption über eine Blockade der intestinalen Na+/K+-ATPase und fördern den Einstrom von Wasser und Elektrolyten in das Darmlumen. Es kommt zur Erweichung des Stuhles und Abkürzung der Transitzeit mit der Folge der beschleunigten Stuhlentleerung. Bei chronischer Obstipation, einer bei bis zu 20 % der erwachsenen Bevölkerung auftretenden Funktionsstörung des Gastrointestinaltrakts, ist die regelmäßige Anwendung von Laxanzien weit verbreitet. #314.03{sidgyanHgf2} 25.1 Laxanzien und Elektrolythaushalt #314.04{sidrodNgvkm} Der chronische Missbrauch von darmirritierenden Laxanzien führt zu enteralen Verlusten von Natrium, Kalium, Magnesium und Wasser. Der Organismus versucht durch vermehrte Freisetzung des Hormons Aldosteron (sekundärer Hyperaldosteronismus), welches die Natrium- und Wasserresorption in der Niere fördert, der Verarmung an Elektrolyten vorzubeugen. Allerdings steigert Aldosteron die renale Kaliumexkretion, sodass sich enterale und renale Kaliumverluste summieren (Hypokaliämie). Es entwickelt sich ein Circulus vitiosus, da die Kaliumverarmung die Darmperistaltik zusätzlich beeinträchtigt. Unter Laxanzienabusus kommt es daher immer wieder zu Hypokaliämien. Weitere Störungen im Elektrolythaushalt bei chronischer Laxanzieneinnahme sind Calciumverluste mit Hypocalcämie und Osteoporose sowie Magnesiumverluste mit Hypomagnesiämie. Neben dem Elektrolythaushalt kann auch der Haushalt anderer Mikronährstoffe, vor allem der fettlöslichen Vitamine und BVitamine durch die regelmäßige Einnahme von Laxanzien beeinträchtigt werden. #314.05{sidQNQ5wt0g} 25.1.1 Laxanzien und Elektrolyte #314.06{sidAxBmSBXr} Elektolytverluste durch Laxanzien (z. B. Bisacodyl) #314.07{side9cjEFHm} Mechanismus: Störungen des Elektrolythaushalts durch intestinale Verluste von Natrium, Kalium, Magnesium und Calcium. #314.08{sidxALz04eZ} Folgen: Kaliummangel (Hypokaliämie): Apathie, Tonusverlust der glatten Darmmuskulatur mit Darmatonie und Obstipation (Circulus vitiosus), Muskelschwäche, Nierenfunktionsstörungen. Calciummangel: erhöhtes Risiko für Osteoporose. Magnesiummangel: Adynamie, neuromuskuläre Störungen, Muskelschwäche, psychische Störungen. #314.09{sidvt8IUY35} Hinweis: Unter der Einnahme von Laxanzien (z. B. Bisacodyl, Natriumpicosulfat) sollte auf eine adäquate Versorgung mit Elektrolyten (Mg, K, Ca, Na), B-Vitaminen (v. a. Folsäure) und auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Vor einer Langzeitanwendung sollte gewarnt werden! Magnesiumsalze sind in höherer Dosierung milde und effektive Laxanzien. #315.01{sidgQmSdU4b} 25.2 Laxanzien und andere Mikronährstoffe #315.02{sidoLe1V8P5} 25.2.1 Laxanzien und Folsäure HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #315.03{sid9g1OBpJ7} Laxanzienabusus beeinträchtigt den Folsäurestatus #315.04{sidSfj7LGrX} Mechanismus: Beeinträchtigung der Folsäureresorption und -utilisation durch Laxanzien. #315.05{sidDDWaz8sX} Folgen: Abfall der Folsäureserumspiegel, Anstieg der Homocysteinplasmaspiegel; unspezifische Folsäuremangelsymptome wie Adynamie, psychische Störungen (z. B. depressive Verstimmungen) oder Müdigkeit sind bei Langzeitanwendung von Laxanzien (Laxanzienabusus) nich auszuschließen. #315.06{sidOw5gu3Eo} Hinweis: Unter der Einnahme von Abführmitteln sollte insbesondere bei älteren Personen, die aufgrund von Darmstörungen (chronische Obstipation) häufig und zum Teil regelmäßig Laxanzien einnehmen, auf eine adäquate Versorgung mit Folsäure und Vitamin B12 geachtet werden. #315.07{sidUFwaha80} Studien: Eine aktuelle Studie aus Schweden, die den Einfluss von Laxanzien und Obstipation auf den Folsäure-, Vitamin-B12- und Homocysteinhaushalt bei älteren Personen untersuchte, ergab, dass Laxanzien bei älteren Personen unabhängig von der Nierenfunktion den Homocysteinspiegel erhöhen und den Folsäurespiegel signifikant erniedrigen können. Bei Personen mit Obstipation, die keine Laxanzien einnahmen, war dagegen in dieser Untersuchung kein signifikanter Effekt auf den Homocystein- und Folsäurestatus nachweisbar. #315.08{sidwIP8PI6m} 25.2.2 Paraffinöl und fettlösliche Vitamine #315.09{sido6Zvp8QQ} Verlust fettlöslicher Vitamine #315.10{sidwvTYOgY9} Mechanismus: Gestörte Resorption und Bioverfügbarkeit fettlöslicher Vitamine durch erhöhte intestinale Ausscheidung. #315.11{sidwV3vKnAv} Folgen: Bedarf an fettlöslichen Vitaminen (A, Carotinoide, D, E und K) kann steigen; Serumspiegel der betroffenen Vitamine kann absinken. #315.12{sid2nsKlBGw} Hinweis: Mineralölhaltige Laxanzien (z. B. Paraffinöl) können den Bedarf an fettlöslichen Vitaminen steigern. #315.13{sidgmthK7Ly} Literatur #315.14{sidFF2eTZoQ} Clark JH et al. Serum beta-carotene, retinol and alpha-tocopherol levels during mineral oil therapy for constipation. Am J Dis Child, 141 (11): 1210–1212, 1987 #315.15{sidK6JNhvYb} Fleming BJ et al. Laxative-induced hypokalemia, sodium depletion and hyperreninemia. Effects of potassium and sodium replacement on the renin-angiotensin-aldosterone system. Ann Intern Med, 83 (1): 60–62, 1975 #315.16{sid0Fc94gGe} Moreto M et al. Effects of secretagogues on the K+ permeability of mucosal and serosal borders of rabbit colonic mucosa. Biochem Biophys Acta, 648 (2): 215–224, 1981 #315.17{sidYoB47Mur} Nilsson SE et al. Laxative treatment elevates plasma homocysteine: a study on a population-based Swedish sample of old people. Eur Clin Pharmacol, 60 (1): 45–49, 2004 #315.18{sidkPahhQfE} Ritsema GH, Eilers G. Potassium supplements prevent serious hypokalemia in colon cleansing. Clin Radiol, 49 (12): 874–876 1994 #316.01{sidk9SdGoZf} 26 Lipid- und Cholesterinsenker #316.02{sid6RoCj1m1} Lipid- und cholesterinsenkende Arzneimittel beeinflussen eine Vielzahl von Mikronährstoffen (□ Tab. 26.1). Die dominierende Gruppe unter den Lipidsenkern bilden die Statine, die mittlerweile über 90 % der Verordnungen von allen lipidsenkenden Pharmaka erreicht haben. Statine besitzen als Hemmstoffe der HMG-CoA-Reduktase ein hohes Interaktionspotenzial mit der körpereigenen Synthese von Coenzym Q10. #316.03{sidi7TCz96z} 26.1 Lipidsenker und Mikronährstoffe #316.04{sidHNfu2SGn} Statininduzierte Störungen des Coenzym-Q10-Status: Die Blockade der HMG-CoA-Reduktase durch Statine (HMG-CoA-Reduktase-Hemmer, CSE-Hemmer) zählt zu den pharmakotherapeutisch wirksamsten Maßnahmen, erhöhte Gesamt- und LDL-Cholesterinspiegel im Blut zu senken. Die Biosynthese des Cholesterins verläuft über 3Hydroxy-3-methyl-glutaryl-CoA (HMG-CoA), das aus drei Molekülen Acetyl-CoA gebildet wird. Der darauf folgende und geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist die Reduktion von HMG-CoA zu Mevalonsäure durch die HMG-CoAReduktase, dem Schlüsselenzym der Cholesterin-Biosynthese (○Abb. 26.1). #316.05{sidCSUAW8VE} Tab. 26.1 Lipid- und Cholesterinsenker und die beeinflussten Mikronährstoffe #316.06{sidms3tF8Vm} Arzneimittel #316.07{sidPMrMF3Wk} Statine/CSE-Hemmer (z. B. Simvastatin, Lovastatin, Pravastatin) Betroffener Mikronährstoff, Mechanismus Coenzym Q10, Hemmung der HMG-CoA-Reduktase #316.08{sidR7KYdvVe} Selen, Störung der enzymatischen Isopentylierung von Selenocystein-tRNA #316.09{sidFMfVOwkn} Nicotinsäure (Niacin) #316.10{sidpqE5PAE3} Fibrate (z. B. Bezafibrat, Fenofibrat) #316.11{sidN2mhgy5C} Anionenaustauscher (z. B. Colestyramin) Vitamin B6, Hemmung der HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Mögliche Folgen Coenzym-Q 10-Depletion, möglicherweise erhöhtes Risiko für statininduzierte Myopathien Synthese wichtiger Selenoproteine (z. B. Selenoprotein N) wird gehemmt Pyridoxalkinase Anstieg der HomocysteinPlasmaspiegel Störung der renalen Homocystein-Clearance Anstieg der HomocysteinPlasmaspiegel Folsäure, Vitamin B12, Vitamin Beeinträchtigung des Mikronährstoffhaushalts A, D, E und K, Verminderung der Resorption #317{sidYCu3xYhb} Abb. 26.1 Interferenzen zwischen CSE-Hemmern, Coenzym Q10 und Selenhaushalt #316_317{sid3Xb3hj5x} Coenzym Q10: CSE-Hemmer hemmen nicht nur die Synthese des Cholesterins, sondern auch die anderer, aus Isopentenylpyrophosphat (Isopentenyl-PP) aufgebauter Biomoleküle, wie das körpereigene Coenzym Q10. Coenzym Q10 (Ubichinon/Ubichinol) übernimmt als essenzieller Bestandteil mitochondrialer Enzymkomplexe eine zentrale Aufgabe bei der Energieproduktion (ATP-Produktion) im Körper. Dabei fungiert das Vitaminoid als Elektronentransporter (Komplex I-III) im Rahmen der oxidativen Phosphorylierung. Coenzym Q10 stabilisiert die Zellmembranen und greift regulierend in die Funktion von Ionenkanälen (Calciumkanäle) durch Beeinflussung der Membranfluidität und damit indirekt in die Zell-Zell-Kommunikation ein. Darüber hinaus schützt das lipophile Antioxidans zusammen mit Vitamin E die Phospholipide der Zellmembranen vor radikalinduzierten Schäden und wirkt der Lipidperoxidation (z. B. LDL-Cholesterin) entgegen. Organe und Gewebe mit hohem Energieumsatz, wie das Herz oder die Skelettmuskulatur, sind besonders reich an Coenzym Q10. Eine Coenzym-Q10-Insuffizienz kann die Leistungsfähigkeit des gesamten Organismus beeinträchtigen. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #318.01{sidZbCEVCJ0} Bereits Anfang der 1990er Jahre berichteten die ersten Arbeiten über eine Abnahme der Coenzym-Q10Konzentrationen in Serum durch Statine. Mittlerweile liegen über acht kontrollierte Studien am Menschen vor, die eine Beeinträchtigung des Q10Status unter Statingabe belegen. Studien an Patienten mit Hypercholesterinämie zeigen eine signifikante und dosisabhängige Reduktion der Coenzym-Q10-Spiegel im Serum unter einer Therapie mit Pravastatin oder Lovastatin (○Abb. 26.2). #318.02{sidnekDy9c0} Abb. 26.2 Coenzym-Q10-Status nach Gabe von Pravastatin und Lovastatin #318.03{sid4n8NIIsA} Das Nebenwirkungsprofil der CSE-Hemmer beinhaltet neben gastrointestinalen Beschwerden vor allem Störungen des muskulären Energiestoffwechsels, der physiologischer Weise eng mit dem Coenzym-Q10-Status assoziiert ist. Müdigkeit, Schwäche, Muskelschmerzen (vor allem bei körperlicher Aktivität) und Myopathien werden auch bei schlechter Coenzym-Q10-Versorgung beobachtet. Ein biochemisch und pharmakologisch plausibler Erklärungsansatz könnte dabei die statininduzierte mitochondriale Dysfunktion als Folge der Coenzym-Q10Depletion sein. Coenzym-Q10 ist für die Bildung von Adenosintriphosphat, dem wichtigsten Energielieferanten für unseren Körper essenziell. Eine gute Coenzym-Q10-Versorgung führt zu einer besseren ATP-Versorgung der Organe und Muskelzellen. Äußerst kritisch sind Überdosierungen der CSE-Hemmer, da hohe Gewebekonzentrationen den myozytären Energiestoffwechsel komplett blockieren, wodurch es zur Auflösung der quergestreiften Muskulatur, der sogenannten Rhabdomyolyse, kommen kann. #318.04{sidYdwqLwDw} Studien: In einer aktuellen Studie an Patienten, die unter der Therapie mit Statinen Muskelschmerzen und Myopathien entwickelten wurde der Einfluss einer 30-tägigen Intervention mit Coenzym Q10 (100 mg/d) oder Vitamin E (400 I. E./d) untersucht. Ergebnis: Die 30-tägige Supplementierung von Coenzym Q10 führte zu einem deutlichen Rückgang der Schmerzen um 40 % (p < 0,001) und der damit verbundenen Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten um 38 % (p < 0,02). Dagegen war in der Vitamin-E-Gruppe kein Effekt nachweisbar. #319.01{sidLhyLVUxz} Die Ergebnisse einer aktuellen Metaanalyse von 13 kontrollierten und randomisierten Studien mit insgesamt 91 140 Teilnehmern weist auf einen Zusammenhang zwischen einer Statintherapie und einem erhöhten Risiko für Diabetes hin. Insgesamt ergab sich dabei ein um 9 % erhöhtes Diabetesrisiko (Odds-Ratio 1,09; 95 % CI 1,02 bis 1,17). Das diabetogene Risiko war in allen ausgewerteten Studien ungefähr gleich, sodass es sich um einen Klasseneffekt der Statine handelt. Das diabetogene Risiko war vor allem bei älteren Patienten erhöht. Ein direkter molekularer Mechanismus konnte bisher nicht geklärt werden. Da aber auch andere Arzneimittel wie Thiazide, welche mit dem Haushalt mitotroper Mikronährstoffe (z. B. Magnesium) interferieren, das Risiko für Glucosetoleranzstörungen steigern, ist eine statinassoziierte mitochondriale Dysfunktion nicht auszuschließen. Darüber hinaus kommt es im Alter zu einem Abfall der Coenzym-Q10-Spiegel im Pankreas und zunehmenden superoxidinduzierten Schäden der mitochondrialen DNA (mtDNA). Neben der genetischen Diposition werden Alterungsprozesse vor allem durch nukleäre und mitochondriale DNA-Mutationen und daraus resultierender mitochondrialer Dysfunktion bestimmt. Die Störungen des mitochondrialen Stoffwechsels durch Cholesterinsenker vom Statin-Typ dürfte eine wichtige pathobiochemische Rolle bei der diabetogenen Wirkung spielen. #319.02{sidnMLRgcD0} Die Bedeutung des Coenzyms Q10 für den mitochondrialen Energiestoffwechsel legt nahe, dass die Kompromittierung der endogenen Coenzym-Q10-Synthese ein pathologisches Bindeglied bei der Entwicklung der statininduzierten Myopathien spielen könnte. Im Rahmen einer lipidsenkenden Therapie mit Statinen (z. B. Lovastatin, Simvastatin), kann eine adjuvante und labordiagnotisch evaluierte Supplementierung von Coenzym Q10 (etwa 2–10 mg/kg KG/d, p. o.), insbesondere bei älteren Personen und Patienten mit Herzinsuffizienz, die in der Regel einen schlechten Coenzym Q10Status aufweisen, empfohlen werden. #319.03{sid7SnEFkbS} Selen: Neben dem Coenzym-Q10-Stoffwechsel scheinen CSE-Hemmer auch mit dem Selenstoffwechsel zu interferieren. Der physiologische Zusammenanhang besteht in einem gemeinsamen Schritt der Cholesterin- und der Selenoprotein-Biosynthese. Isopentenylpyrophosphat ist nicht nur Substrat für die Farnesylpyrophosphat-Synthase, sondern auch für die tRNS-Isopentenyl-Transferase, welches die Isopentenylierung von Selenocystein-tRNS und damit die Reifung zum funktionsfähigen Molekül bewirkt. Die Blockade der HMG-CoA-Reduktase durch CSEHemmer reduziert nicht nur die Synthese des Cholesterins, sondern auch die verschiedener Selenoproteine, unter anderem die des an der Myozytenregeneration beteiligten Selenoproteins N (○Abb. 26.1). Die durch CSE-Hemmer induzierten muskulären Störungen ähneln nicht nur in ihrer Symptomatik (z. B. Müdigkeit, Muskelschmerzen), sondern auch histopathologisch (z. B. zellulärer Mitochondrienverlust, Bildung von Vakuolen, herdförmige desorganisierte, dünne Myofibrillen) denen eines Selenmangels. Eine generelle Empfehlung zur Selensubstitution unter einer Statintherapie ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch verfrüht. Dennoch sollte der Selenstatus im Vollblut kontrolliert werden. Die selenabhängige Thioredoxin-Reduktase-1 (Zytosol) ist die effektivste Coenzym-Q10- HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Reduktase außerhalb der Mitochondrien, welches oxidativ verbrauchtes Coenzym Q10 zu Ubichinol regeneriert. #319.04{sidlGvNCDOb} 26.1.1 CSE-Hemmer und Coenzym Q10 #319.05{sidjOdZ1ikx} CSE-Hemmer verringern den Coenzym-Q10-Serumspiegel #319.06{sid0GX2ekDt} Mechanismus: CSE-Hemmer (z. B. Pravastatin, Lovastatin) hemmen durch Blockade der HMG-CoA-Reduktase nicht nur die Synthese des Cholesterins, sondern auch die anderer, aus Isopentenylpyrophosphat aufgebauten Biomoleküle, wie das körpereigene Coenzym Q10. Coenzym Q10 (Energy-Response-Modifier) übernimmt als essenzieller Bestandteil mitochondrialer Enzymkomplexe eine zentrale Aufgabe bei der Energieproduktion (ATPProduktion) im Körper. #320.01{sidjgZn5gHo} Folgen: Abfall der Ubichinon/Ubichinol-Serumspiegel (suboptimaler CoenzymQ10-Serumspiegel: < 2,0 mg/l) und Verschlechterung des zellulären Coenzym-Q10-Status. Risiko für Störungen des muskulären Energiestoffwechsels durch Coenzym-Q10-Mangel, die sich durch Müdigkeit, Schwäche, Muskelschmerzen (v. a. bei körperlicher Aktivität) und Myopathien äußern können und in ihrer Symptomatik den durch CSE-Hemmerinduzierten Myopathien ähneln können. #320.02{sid6FYsfsGa} Hinweis: Zur Kompensation einer statinbedingten Verschlechterung des Coenzym-Q10-Status kann eine regelmäßige Substitution von Coenzym Q10 (2–10 mg/kg KG tgl., p. o., z. B. als Ubichinol zu den Mahlzeiten) in der Kombination mit Selen (z. B. Selen als Na-selenit 2–3 μg/kg KG tgl., p. o.) empfohlen werden. #320.03{sidz8DvvUje} Studien: Coenzym Q10 beugt zudem potenziell prooxidativen Effekten von α-Tocopherol vor und erhöht zusätzlich die Oxidationsresistenz des LDL-Cholesterins unter einer Therapie mit Statinen. Der Richtwert für therapeutisch wirksame Coenzym-Q10-Plasmaspiegel in der adjuvanten Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz, Bluthochdruck) dürfte nach einigen Studien bei ≥ 2,5 mg/l liegen. #320.04{sidENE7fW9w} Eine aktuelle prospektive und randomisierte Cross-over-Studie (ENDOTACT-Studie) untersuchte den Einfluss von Coenzym Q10 und Cerivastatin auf die endotheliale Dysfunktion der Arteria brachialis bei männlichen Patienten mit manifester endothelialer Dysfunktion (Flow-Mediated Vasodilatation, FMD < 4,5 %). Jeder Patient durchlief drei Therapiephasen von jeweils 6 Wochen Dauer und je 2 Wochen Washout-Phase: 1. Monotherapie mit Cerivastatin (0,3 mg/d, p. o.), 2. Monotherapie mit Coenzym Q10 (150 mg/d, p. o.) und 3. Kombinationstherapie von Cerivastatin mit Coenzym Q10. Dabei verbesserte sich die endotheliale Dysfunktion in allen drei Therapiephasen signifikant. Unter der Monotherapie mit Cerivastatin kam es zu einem signifikanten Abfall der Coenzym-Q10-Plasmaspiegel (1,23 ± 0,34 → 0,87 ± 0,35 µg/ml). Die Coenzym-Q10-Spiegel im Plasma stiegen unter der Therapie mit Coenzym Q10 und der Kombinationstherapie von Coenzym Q10 mit Cerivastatin von durchschnittlich 0,94 ± 0,30 µg/ml auf 2,61 ± 0,98 µg/ml bzw. 2,39 ± 1,06 µg/ml an. #320.05{sidz4BkaecP} Ähnliche Ergebnisse zeigt eine japanische Studie, die den Einfluss der täglichen Einnahme von 10 mg Atorvastatin auf den Ubichinon10- und Ubichinol10-Serumspiegel bei Patienten mit Hypercholesterinämie erfasste. Neben einem signifikanten Abfall des Gesamt- und LDL-Cholesterins war nach 8-wöchiger Therapie mit Atorvastatin bei allen Patienten ohne Ausnahme eine ausgeprägte Reduktion der Ubichinol- und Ubichinon-Spiegel sowie des GesamtCoenzym Q10 im Serum (0,81 ± 0,21 → 0,46 ± 0,10 µg/ml bzw. 0,10 ± 0,06 → 0,06 ± 0,02 µg/ml bzw. 0,91 ± 0,23 → 0,52 ± 0,11 µg/ml) nachweisbar. #320.06{sidwz1qQExU} 26.1.2 CSE-Hemmer und Grapefruitsaft #320.07{sidtJBeNF29} Starker Anstieg der Simvastatinspiegel durch Grapefruitsaft #320.08{sid60zciqiV} Mechanismus: Das wasserlösliche Furanocumarin Dihydroxy-Bergamottin aus dem Grapefruitsaft vermindert die bei der Resorption im Darm erfolgende Metabolisierung von CSE-Hemmern (z. B. Simvastatin) durch die Oxygenase CYP3A4 und erhöht dadurch die resorbierte Menge. #320.09{sidOK81CiGt} Folgen: Anstieg der Wirkspiegel von Simvastatin und erhöhtes Risiko für Myopathien bis hin zur Rhabdomyolyse. #320.10{sidUH0S9hqw} Hinweis: Unter einer Therapie mit CSE-Hemmern sollte Grapefruitsaft in größeren Mengen gemieden werden; bei den ersten Anzeichen von Muskelschmerzen sollte sofort Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden. #321.01{sidY0afURTs} Fallbeispiel #321.02{sidc1IxRw37} Eine 40-jährige Frau wurde wegen starker Muskelschwäche in den Oberschenkeln ins Krankenhaus eingeliefert. Obwohl noch Tage zuvor subjektiv gesund, konnte die Patienten nun keine 20 Meter mehr gehen. Die Einnahme von 80 mg Simvastatin täglich zusammen mit stark erhöhten Kreatinkinase- und MyoglobinWerten deuteten auf eine durch CSE-Hemmer induzierte Rhabdomyolyse hin. Nach Absetzen des Simvastatins und Umstellung auf Ezetimib verschwand nach zwei Tagen die Muskelschwäche und die erhöhten Laborwerte fielen deutlich ab. Die Patientin hatte vor rund zwei Jahren aufgrund einer Hypercholesterinämie begonnen, täglich 40 mg Simvastatin einzunehmen. 18 Monate später wurde die Dosis auf 80 mg täglich verdoppelt. Etwa zwei Wochen vor ihrer stationären Aufnahme begann sie dem Rat einer Wellness-Zeitschrift folgend täglich eine frische Grapefruit zu essen. Da Grapefruit die CYP3A4 im Darm hemmt, führte dies zu einem starken Anstieg der Simvastatinspiegel mit den oben beschriebenen toxikologisch relevanten Nebenwirkungen (siehe auch ▸ Kap. 2.6). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #321.03{sidZDL7GYTi} 26.1.3 CSE-Hemmer und Nicotinsäure #321.04{sidDey8qQ9K} Nicotinsäure verstärkt und erweitert das lipidsenkende und kardioprotektive Wirkprofil der CSE-Hemmer #321.05{sid3gFOlb2U} Mechanismus: Der antiatherosklerotische Effekt der Nicotinsäure dürfte vor allem auf der Senkung des Non-HDLCholesterins, Erhöhung des HDL-Cholesterins sowie Verbesserung der endothelabhängigen und -unabhängigen Vasodilatation beruhen. #321.06{sidOxmxYr7b} Dadurch erweitert sie die lipidmodulierende Effektivität der CSE-Hemmer (Statine), insbesondere in der Therapie komplexer Dyslipoproteinämien (z. B. erhöhtes LDL-C, erhöhte Triglyceride und niedriges HDL-C, □ Tab. 26.2). #321.07{sid80Yrb9nV} Folgen: Additive Verbesserung des Lipidprofils durch die Kombination zweier unterschiedlicher Lipidsenker; Reduktion kardialer klinischer Ereignisse (z. B. Herzinfarkt, Bypass-OP). #321.08{sid3hBHrbm1} Hinweis: Nicotinsäure kann sowohl als Monotherapeutikum, in Kombination mit Statinen (z. B. Advicor®: 500 mg Niacin pro 20 mg Lovastatin, in Deutschland nicht erhältlich) oder Gallensäurenbindern bzw. auch in Dreierkombination eingesetzt werden. #321.09{sidP2MDNRei} Tab. 26.2 Lipidmodulierende Eigenschaften der CSE-Hemmer und Nicotinsäure #321.10{sidHDSgxvcV} LDL HDL GC TG Lp(a) ↓ – ↓ – – ↓ ↑ ↓ ↓ ↓ Arzneimittel #321.11{sidcdxedbLt} CSE-Hemmer #321.12{sidOgrdW4Kc} Nicotinsäure #321.13{sidIIIk9JnY} In klinischen Studien konnte die Herzinfarktrate durch die Kombination gegenüber einer Monotherapie mit Statinen nochmals signifikant reduziert werden. Angiographisch war sogar eine Abnahme der atherosklerotischen Plaques nachgewiesen worden. Eine aktuelle Auswertung von elf randomisierten klinischen Studien mit über 9 900 Patienten bescheinigt der Nicotinsäure erneut eine gute Wirksamkeit in der Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen. Die Therapie mit Nicotinsäure war hierbei mit einer signifikanten Reduktion des kombinierten Endpunkts sämtlicher kardiovaskulären Ereignisse (OR: 0,66; 95 % CI: 0,49–0,89; p = 0,007) sowie auch der schweren kardiovaskulären Ereignisse (OR: 0,75; 95 % CI: 0,59–0,96; p = 0,02) assoziiert. #322.01{sidQ53LaJZQ} Statine senken durch die Blockade der HMG-CoA-Reduktase das Gesamt- und LDL-Cholesterin. Die atherogenen Triglyceride werden dagegen nur geringfügig reduziert und das kardioprotektive HDL-Cholesterin wenig erhöht. Nicotinsäure senkt dosisabhängig das stark atherogen wirkende Lipoprotein (a), das Gesamt- und LDL-Cholesterin (um 10–20 %) sowie den Triglyceridspiegel (um 30–70 %). Die fribrinolytische Aktivität des Blutes wird gesteigert, das HDL-Cholesterin erheblich erhöht (um 20–35 %). #322_323{sidg0wYo8sE} Die lipidmodulierende Wirkung der Nicotinsäure beruht überwiegend auf einer Hemmung der Lipolyse durch Blockade der Triglyceridlipase sowie einer Reduktion der Synthese von Cholesterin, VLDL, Apolipoprotein B und Triglyceriden in der Leber. Von besonderer therapeutischer Bedeutung ist die HDL-Cholesterin erhöhende Wirkung, da HDL in der Lage ist, Cholesterin aus den sogenannten Schaumzellen, den Vorstufen der arteriosklerotischen Plaques, abzutransportieren und somit den schädlichen Belag in der Gefäßwand abzubauen. Nicotinsäure besitzt unter den verschiedenen Lipidsenkern den stärkste HDL-Cholesterin erhöhenden Effekt. Ihre Wirkung entfaltet Nicotinsäure nach Bindung an einen G-Protein gekoppelten Rezeptor 109A (GPR 109A, ○Abb. 26.3). Dieser Rezeptor ist vor allem in Adipozyten zu finden. So kommt es im Fettgewebe nach Aktivierung von GPR 109A zur Hemmung der Freisetzung von Fettsäuren. Dadurch sinkt zum einen der Triglycerid-Spiegel im Blut um etwa 50 %. Zum anderen wird auch der LDL-Cholesterin-Spiegel um etwa 20 % gesenkt, während das HDL-Cholesterin um bis zu 35 % ansteigt. Darüber hinaus schützt Nicotinsäure das LDL-Cholesterin vor der oxidativen Modifikation und reduziert die Adhäsion der Leukozyten an die Gefäßwand sowie deren Migration in den subendothelialen Raum. Unter einer Therapie mit Nicotinsäure sollte regelmäßig eine Kombination von Vitamin B6 (z. B. 10–20 mg tgl.), Folsäure und Vitamin B12 eingenommen werden, um einen Anstieg des Homocysteins zu vermeiden. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #322.02{sidRWR15GFk} Abb. 26.3 Nicotinsäure-induzierter HDL-C-Anstieg: Reduktion von TG, VLDL- und LDL-Partikeln führt sekundär zu verringertem Austausch von Cholesterinestern aus HDL-Partikeln und steigert HDL-C #323.01{sidATlcwCqn} Die Flush-Problematik der Nicotinsäure kann durch langsames Auftitrieren der Nicotinsäuregesamtdosis abgemildert werden. In der Praxis haben sich vor allem veresterte Nicotinsäure-Formulierungen, wie Inositolhexanicotinat – auch No-Flush-Niacin genannt – bewährt. Im Vergleich zur Nicotinsäure hat letztere deutlich weniger Nebenwirkungen (z. B. Flush). Der Flush wird über die Freisetzung von gefäßerweiterndem Prostaglandin D2 und Wechselwirkung mit dem Rezeptor DP1 in der Haut vermittelt (○Abb. 26.4). Auch der GPR 109A-Rezeptor scheint dabei eine wichtige Rolle zu spielen. Antagonisten des DP1-Rezeptors wie Laropiprant wirken der nicotinsäureinduzierten Gefäßerweiterung entgegen ohne das Lipidprofil zu beeinflussen. #323.02{sid80Sj2Fmg} Abb. 26.4 Flush-Reaktion der Nicotinsäure #323.03{sid0tdkU1FK} Hinweis #323.04{sidc9EWypYw} Vor einer Kombinationstherapie von Nicotinsäure mit Statinen ist eine Bestimmung der SerumKreatinphosphokinase (CPK) empfehlenswert (vor allem bei Niereninsuffizienz, Alter > 70, Hypothyreose, Alkoholabusus, Myopathien unter früherer Therapie mit Statinen oder Fibraten). Patienten sollten sorgfältig hinsichtlich Symptome einer Rhabdomyolyse (z. B. Muskelschmerzen, Muskelschwäche) überwacht werden! Dies gilt insbesondere während der ersten Monate der Therapie bei jeglicher Dosissteigerung eines der beiden Arzneimittel. #324.01{sidqJsQbFfn} In ersten klinischen Studien zeigte die Kombination von Nicotinsäure mit Laropiprant (Tredaptive®) zunächst eine gute Verträglichkeit und lipidmodulierende Wirkung. Eine aktuelle kardiovaskuläre Endpunktstudie (HPS2-THRIVE), welche die Vorteile einer Statin-Therapie in Kombination mit Tredaptive® zeigen sollte, brachte allerdings nicht das gewünschte Ergebnis. Die Herzinfarkt- und Schlaganfallrate konnte im Vergleich zu einer alleinigen Statin-Therapie nicht gesenkt werden. Die Studie zeigte zusätzlich eine Erhöhung der Inzidenz einiger schwerwiegender, nichttödlicher unerwünschter Ereignisse in der Patientengruppe, die Tredaptive® erhielten (z. B. GIT, Stoffwechsel, Muskulatur, Haut). Im Auftrag der Europäischen Kommission wurden die Ergebnisse der HPS2-THRIVE-Studie hinsichtlich ihrer Auswirkung auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Tredaptive® durch den Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) und durch den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bewertet. Sowohl der PRAC als auch der CHMP kamen zu dem Schluss, dass der Nutzen von Tredaptive® die Risiken nicht mehr überwiegt. Der Vertrieb von Tredaptive® wurde deshalb im Januar 2013 eingestellt. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #324.02{sidGXhrxPxz} 26.1.4 CSE-Hemmer und Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) #324.03{sidZAlzKZm1} Omega-3-Fettsäuren verstärken und erweitern das lipidsenkende und kardioprotektive Wirkprofil der CSE-Hemmer #324.04{sidQ6hVJQ8f} Mechanismus: Omega-3-Fettsäuren besitzen eine ausgeprägte triglyceridsenkende Wirkung und erweitern die lipidsenkende Effektivität der CSE-Hemmer (Statine), insbesondere in der Therapie komplexer Dyslipoproteinämien (z. B. erhöhtes LDL-C sowie hohe TG und VLDL). Verstärkung und Erweiterung des kardioprotektiven Wirkprofils der CSE-Hemmer durch die Kombination mit endothelprotektiv, blutdrucksenkend, antiarrhythmisch und antientzündlich wirkenden Omega-3-Fettsäuren. Durch die Kombination von CSEHemmern mit Omega-3-Fettsäuren kann die Herzinfarkt- und Schlaganfallrate reduziert werden (□ Tab. 26.3). #324.05{sidI84lUPCJ} Folgen: Additive Verringerung kardiovaskulärer Risikofaktoren, z. B. plötzlicher Herztod, Herzinfarkt- und Schlaganfallrate ↓. #324_325{sidOj9oRTDX} Hinweis: In Studien an Patienten mit KHK führte die Kombination von Statinen mit Omega-3-Fettsäuren (1,5–3 g EPA/DHA tgl., p. o.) zu einer signifikanten Reduktion der Triglycerid- (20–30 %) und der VLDL-Serumspiegel (30– 40 %). Die Blutdruckwerte und das HDL-Cholesterin wurden verbessert, das hochsensitive C-reaktive Protein (hsCRP) gesenkt. hs-CRP ist ein Parameter für entzündliche Prozesse in der Gefäßwand; ein Anstieg erhöht das Risiko für KHK. Da durch die Kombination mehrere kardiovaskuläre Risikofaktoren gleichzeitig beeinflusst werden, bietet sie sich insbesondere zur Behandlung des metabolischen Syndroms an. #324.06{sidMsv226N9} Tab. 26.3 Einfluss der CSE-Hemmer und Omega-3-Fettsäuren auf kardiovaskuläre Risikofaktoren #324.07{sid6K4leFWh} Omega-3-Fettsäuren CSE-Hemmer #324.08{sidKBCkHeL0} LDL-Cholesterin ↓ #324.09{sidKvxaL7rh} Plaquestabilisierung #324.10{sidYPg5i5yT} Entzündungshemmung #324.11{sidow4PfOvg} Kombination senkt Triglyceride ↓ Plaquestabilisierung, Endothelproduktion (NO-Synthase) Entzündungshemmung (hochsensitive C-reaktives Protein ↓), Stabilisierung arteriosklerotischer Plaques, Herzrhythmusstörungen ↓ (z. V. ventrikuläre Extrasystolen/VES, Couplets = 2 VES, Triplets = 3 VES nacheinander, Thromboxan A2 ↓), Blutdruck ↓, HDL-Cholesterin ↑, Blutgerinnung (Fibrinogen ↓, Thrombozytenaggregation ↓) Herzinfarkt- und Schlaganfallrate #325.01{sidOWyShWLc} In der JELIS-(Japan EPA Intervention Study)-Studie konnten japanische Forscher nachweisen, dass die adjuvante Gabe von Omega-3-Fettsäuren bei einer Therapie mit Statinen die Rate der Koronarereignisse signifikant verringert. In dieser aktuellen Studie waren über 18 645 Patienten mit Hypercholesterinämie eingeschlossen, die mit einem Statin in niedriger Dosierung behandelt wurden. Über 9 000 Studienteilnehmer erhielten zusätzlich täglich 1 800 mg Eicosapentaensäure (EPA) in Form von Kapseln. Nach einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 4,6 Jahren betrug die Rate kardialer Ereignisse in der nur mit Statinen behandelten Kontrollgruppe 3,5 Prozent und in der EPA-Gruppe 2,8 Prozent. Allerdings war für die Risikoreduktion von Bedeutung, ob die Patienten bereits eine Koronarerkrankung hatten oder nicht. In der Gruppe ohne Anzeichen für eine KHK (n = 14,981) war nur eine nicht signifikante Reduktion nachweisbar. Dagegen profitierte die Subgruppe der Patienten mit dokumentierter koronarer Herzkrankheit (n = 3 664) von einer signifikanten Senkung der Rate koronarer Ereignisse um 19 % durch EPA (○ Abb. 26.5). In einer weiteren Analyse der JELIS-Studie, in der die Beziehung zwischen koronarer Herzkrankheit und Non-HDL-Cholesterin untersucht wurde führte die Supplementierung von 1 800 mg EPA/d, p. o. bei Patienten, die nicht die Zielwerte für LDL- und/oder Non-HDL-Cholesterin erreichten zusätzlich zum Statin zu einer additiven signifikanten Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse um 38 % (p = 0,007). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #325.02{sidKs5Le26R} Abb. 26.5 JELIS-Studie: Statine und EPA. Yokoyama et al, 2007 #326.01{sidcpkIjq5k} Abb. 26.6 Effekte von EPA bei Patienten mit KHK, die nicht die Zielwerte für LDL- und/oder Non-HDL-Cholesterin erreichten #325_326{sidLelMRRjK} Neben Omega-3-Fettsäuren kann auch Pantethin, (3,4-Dithiahexamethylen) bis (pantothenamid), ein Derivat der Pantothensäure, zur Erweiterung und Verstärkung der lipidsenkenden Effekte mit CSE-Hemmern kombiniert werden. Pantethin (3 × 300 mg/d, p. o.) senkt die Triglyceridwerte, das Gesamtcholesterin und erhöht die HDLWerte. Dieser Mechanismus beruht auf einer Hemmung der Cholesterinsynthese und einem beschleunigten Abbau von Fettsäuren in den Mitochondrien. Aufgrund seines geringen Nebenwirkungsprofils ist Pantethin besonders für Diabetiker mit Hyperlipidämien und Hämodialyse-Patienten geeignet. #327.01{sid4HWdOTZ5} Tab. 26.4 Kardioprotektive Eigenschaften von Vitamin D (in vitro, in vivo) #327.02{sidQivDiH0M} Kardioprotektive Eigenschaften Parameter #327.03{sidcPwKL515} Antiinflammatorische Wirkung #327.04{sidaTWZNwIl} Endothel #327.05{sidojYmWHRK} Herzmuskel #327.06{sidGHLTh1K9} Blutdrucksenkende Wirkungen #327.07{sidrVvNVJFv} Parathormon #327.08{sidn2reOKwY} Lipidstoffwechsel Inhibierung der Produktion des über den redoxsensitiven Transkriptionsfaktor NFkappa B gebildeten proinflammatorischen Zytokine (z. B. TNF-α) Hemmung der Zellproliferation über Wechselwirkung mit Vitamin-DRezeptoren (VDR) in Endothelzellen Stärkung der Herzmuskelkraft (positiv inotrop) Hemmung der Aktivierung des Renin-Aldosteron-Angiotensin-Systems, Aktivitätserhöhung der Adenylatcyclase wirkt intrazellulärer Calciumbelastung entgegen und verringert die Gefäßreaktivität. Suppression von Parathormon (PTH) Triglyceridsenkende Wirkung #326.02{sidg7ZUubfW} 26.1.5 CSE-Hemmer und Vitamin D #326.03{siduH09pltA} Vitamin D verbessert die lipidmodulierende Wirkung und reduziert das Risiko einer statininduzierten Myalgie #326.04{sidzpAjHCVl} Mechanismus: Wechselwirkung der hydroxylierten Vitamin-D-Metabolite (25(OH)D) mit der HMG-CoA-Reduktase, Verstärkung und Erweiterung des kardioprotektiven Wirkprofils der CSE-Hemmer bei 25(OH)D-Serumspiegel > 30 ng/ml (Referenz: 30–60 ng/ml). Ein guter Vitamin-D-Status scheint nicht nur die lipidmodulierene Wirkung der Statine zu verbessern, sondern auch die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität (z. B. plötzlicher Herztod, Schlaganfall) zu reduzieren (□ Tab. 26.4). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #326.05{sid0JwGDE7o} Folgen: Additive Verringerung kardiovaskulärer Risikofaktoren, z. B. erhöhte Triglycerid- und ParathormonSpiegel, plötzlicher Herztod, Herzinfarkt- und Schlaganfallrate ↓. #326_327{siddr6amEAU} Hinweis: Vitamin D hat einen regulierenden Einfluss auf die Herzmuskelleistung, die myokardiale CalciumHomöostase und den Blutdruck. Einer myokardialen Hypertrophie wirkt Vitamin D entgegen. Die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems wird durch Vitamin D gehemmt, erhöhte Parathormon- und Triglyceridspiegel gesenkt. Die Nebenschilddrüse schüttet bei unzureichender Versorgung mit Vitamin D vermehrt Parathormon aus. Man spricht im Fachjargon von einem sekundären Hyperparathyreoidismus. Parathormon kann auf vielfältige Weise das Herz-Kreislauf-System schädigen: Erhöhte Parathormon-Spiegel begünstigen die Verkalkung der Arterienwände und der Herzklappen, erhöhen den Blutdruck, fördern eine Hypertrophie des Herzmuskels und können Herzrhythmusstörungen begünstigen. Vitamin D ist der natürliche Gegenspieler des Parathormons. Um das Risiko für einen Anstieg der Parathormonspiegel zu vermeiden sind 25(OH)D-Spiegel von ≥ 40 ng/ml notwendig. Der Vitamin-D-Status korreliert wie auch der Magnesiumstatus invers mit hsCRP und NT-proBNP, anerkannten kardiovaskulärern Risikoparametern. In verschiedenen Studien wurde gezeigt, dass Vitamin D die allgemeine und die kardiovaskuläre Mortalität senkt bzw. dass ein Mangel an Vitamin D signifikant die allgemeine und vor allem die kardiovaskuläre Mortalität erhöht (□ Tab. 26.4). #328.01{sidjR3FB5Hw} Abb. 26.7 Einfluss von Vitamin-D-Metaboliten auf die Cholesterinsynthese (Modell) #328.02{sid9fuSANPj} Tab. 26.5 Einfluss des Vitamin-D-Status (Calcidiol im Serum) auf die lipidmodulierende Wirkung von Atorvastatin #328.03{sidPTTCRLWE} #328.04{sidAO5MySwv} Parameter #328.05{siddsdob0NJ} Cholesterin mg/dl #328.06{sidupD38v7T} TG mg/dl #328.07{sidLMO3hmzE} HDL mg/dl #328.08{sidA7s9I3tT} LDL mg/dl < 30 n mol/l n = 13 30–50 n mol/l n = 34 > 50 n mol/l n = 16 Basis 12 Mo. Basis 12 Mo. Basis 12 Mo. 173 ± 47 164 ± 51 177 ± 49 157 ± 31* 202 ± 43 163 ± 25*** 151 ± 49 177 ± 94 154 ± 121 114 ± 55 157 ± 61 110 ± 37**** 34 ± 6 45 ± 9 36 ± 11 49 ± 13** 41 ± 8 50 ± 10***** 111 ± 48 92 ± 45 112 ± 42 86 ± 31 114 ± 29 89 ± 26 #328.09{sidv3HYFRfo} * p = 0,021, **p = 0,001, ***p = 0,003, ****p = 0,0001, *****p = 0,008 HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #327.09{sideKbYD4ya} Studien: In einer Studie des Herzzentrums Ludwigshafen an über 3 000 Patienten mit koronarer Herzerkrankung (Patienten mit Koronarangiographie) wurde der Einfluss des Vitamin-D-Status auf die kardiovaskuläre Mortalität über einen Zeitraum von 7,7 Jahren verfolgt. Dabei zeigte sich, dass der Vitamin-D-Status invers mit dem Schweregrad der Herzinsuffizienz und einer schlechten linksventrikuläre Auswurffraktion korreliert. Ein Vitamin-DMangel (Calcidiol < 25 nmol/l) war im Vergleich zu einem guten Vitamin-D-Status (Calcidiol ≥ 75 nmol/l) mit einem 2,8-fach erhöhten Risiko für Tod durch Herzversagen und einem fünffach erhöhten Risiko für einen plötzlichen Herztod assoziiert. #327.10{sidrJt1H8Gd} In experimentellen Studien interagieren Vitamin D und seine hydroxlierten Metaboliten (25(OH)D und 1,25-(OH)2D) mit der HMG-CoA-Reduktase, sodass die Aktivität dieses für die Cholesterinsynthese verantwortlichen Enzyms dosisabhängig herunterreguliert und die Cholesterinsynthese gehemmt wird (○Abb. 26.7). Darüber hinaus kann 25OH-Vitamin-D die Aktivität des Enzyms Lanosterol-14α-Demethylase (CYP 51A1) hemmen, welches ebenfalls bei der Cholesterin-Biosynthese eine wichtige Rolle spielt. In einer aktuellen Studie an 63 hospitalisierten Patienten mit akutem Herzinfarkt (n = 63, 40 Männer, 23 Frauen) wurde nun der Einfluss des Vitamin-D-Status (Calcidiol im Serum) auf die lipidmodulierende Wirkung von Atorvastatin untersucht, insbesondere auf die Reduktion des Gesamt-Cholesterins und der Triglyceride (□ Tab. 26.5). #327.11{sidAFNZeQZb} Die Cholesterin- und Triglyceridsenkende Wirkung von Atorvastatin war bei einem Calcidiol-Spiegel von 30 bis 50 nmol/l und einem normalem Vitamin-D-Status (Calcidiol: > 50 nmol/l) signifikant effektiver als bei einem ausgeprägten Vitamin-D-Mangel (Calcidiol: < 30 nmol/l). Die Ergebnisse dieser Studie lassen vermuten, dass ein normaler Vitamin-D-Status notwendig ist für die ausreichende lipidmodulierende Wirkung von Statinen. #327_329{sidLQxSuyRc} Darüber hinaus konnte in Studien (z. B. JUPITER-Studie) unter der Therapie mit hochpotenten Statinen wie Rosuvastatin ein signifikanter Anstieg der 25(OH)D-Spiegel beobachtet werden. Möglicherweise lassen sich einige der pleiotropen Effekte der Statine mit der Erhöhung des 25(OH)D-Status erklären. #329.01{sid2vpZoZi9} Abb. 26.8 Pleiotrope Effekte der Statine und Vitamin D (Hypothese) #329.02{sidC1iivob1} Vitamin D wirkt Statinassoziierten Muskelsymptomen (SAMS) entgegen #329.03{sidExwnw4Eb} Eine unzureichende Versorgung mit Vitamin D (25(OH)D < 30 ng/ml) steigert nicht nur das individuelle kardiovaskuläre Risiko und die damit verbundene Sterblichkeit. Nach aktuellen Studien senkt das Sonnenvitamin den Blutdruck bei Hypertonikern, wirkt der Arteriosklerose entgegen, verbessert bei Herzinsuffizienz die Herzmuskelleistung und verringert das Risiko für eine periphere arterielle Verschlusskrankheit. Darüber hinaus begünstigt ein Vitamin-D-Mangel aktuellen Studien zufolge auch das Auftreten von Statinassoziierten Muskelsymptomen (SAMS), die häufig unter einer Therapie mit Cholesterinsenkern von Statin-Typ entstehen. Bemerkenswert ist, dass in den aktuellen Leitlinien der Europäischen Atherosklerose-Gesellschaft aus dem Jahre 2015 (Eur Heart J, 2015) die Hypovitaminose D (25(OH)D < 20 ng/ml) unter den Begleiterkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, HIV-Infektion, Schilddrüsenunterfunktion), welche eine Statinassoziierte Muskelsymptome (SAMS) fördern können explizit als Risikofaktor aufgeführt wird. #329.04{sidC4pbrr6N} In einer Studie an 621 Patienten unter Statintherapie wurde der 25(OH)D-Spiegel untersucht. 128 Patienten mit Myalgie hatten gegenüber den Patienten ohne Myalgie einen signifikant niedrigeren Vitamin-D-Status: 28,7 ± 1,2 gegenüber 34,3 ± 0,6 ng/ml (p< 0,0001). 64 % der Patienten mit Myalgie (n =82) und 43 % der asymptomatischen Patienten (n =214) hatten einen ausgeprägten Vitamin-D-Mangel. 38 der 82 Patienten mit Vitamin-D-Mangel und statininduzierter Myalgie erhielten neben dem Statin für einen Zeitraum von zwölf Wochen 50 000 I. E. Vitamin D pro Woche. Der 25(OH)D-Spiegel stieg darunter von 20,4 ± 7,3 auf 48,2 ± 17,9 ng/ml signifikant an (p < 0,0001). Bei 35 von 38 Patienten (92 %) führte die Supplementierung von Vitamin D zum vollständigen Abklingen der Myalgiesymptome. #329_330{sid7TLWnF42} In einer weiteren aktuellen Interventionsstudie an 150 Patienten mit Hypercholesterinämie (Alter ± 60 Jahre) und mit einem unzureichenden 25(OH)D-Status (< 32 ng/ml), die aufgrund von SAMS nicht mit einem Statin behandelt werden konnten, wurde zunächst der 25(OH)D-Status durch die Supplementierung von 2 × 50 000 I. E. Vitamin D pro Woche für drei Wochen und danach 1 × 50 000 I. E. Vitamin D pro Woche ausgeglichen. Nach 3 Wochen wurden die Statine erneut zur Therapie der Hypercholesterinämie eingesetzt. Unter der begleitenden Supplementierung von Vitamin D waren nach 8,1 Monaten 131 von 150 Patienten (= 87 %) frei von Muskelschmerzen und die Statine wurden gut vertragen. Der 25(OH)D-Spiegel stieg von durchschnittlich 21 auf 40 ng/ml und normalisierte sich bei 117 (78 %) von anfangs 150 Patienten mit Vitamin-D-Mangel und Statinunverträglichkeit (→ SAMS). Das LDL-Cholesterin wurde im Durchschnitt von 146 mg/dl auf 95 mg/dl deutlich gesenkt. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #330.01{sidfXdIx3sb} Hinweis: Der 25(OH)D-Status sollte labordiagnostisch überprüft (Zielwert: 40–60 ng/ml) und entsprechend kompensiert (40–60 I. E. Vitamin D pro kg KG/d, p. o.) werden. Eine optimale Calciumresorption und –utilisation ist erst ab 25(OH)D-Spiegeln von ≥ 32 ng(ml bzw. ≥ 80 nmol/l zu erwarten. #330.02{sidpojQWlei} Unter Langzeitmediaktion mit Protonenpumpenhemern ist generell eine Supplementierung von organisch gebundenem Calcium (z. B. Calcium als Citrat oder Lactoglkuconat zu empfehlen. #330.03{sidcOSVuSqA} Auch ein calciumreiches Mineralwasser (z. B. mit 300–500 mg Calcium/l) ist zur Stützung des Calciumhaushalts empfehlenswert. Eine Statinintoleranz, die mit einem Vitamin D-Mangel gemeinsam auftritt kann in den meisten Fällen (88–95 %) durch die Supplementierung von Vitamin D sicher und nebenwirkungsfrei kompensiert werden (N Am J Med Sci, 2015). #330.04{sidw6wq481i} 26.1.6 Nicotinsäure und Vitamin B6 #330.05{sidKU8WLadi} Pharmakologische Dosen von Nicotinsäure steigern den Homocysteinspiegel #330.06{sidYLH6ekDg} Mechanismus: In pharmakologischer Dosierung ist Nicotinsäure ein Vitamin-B6-Antagonist (Hemmung der Pyridoxalkinase). Vitamin B6 ist zusammen mit Folsäure und Vitamin B12 essenzielles Coenzym bei der Entgiftung der angio- und neurotoxischen Aminosäure Homocystein (○Abb. 3.2). #330.07{sidtK23dYIx} Folgen: Anstieg der Homocysteinspiegel im Plasma (≥ 10 µmol/l) möglich. #330.08{sidgTMz7whu} Hinweis: Unter einer Therapie mit Nicotinsäure sollte regelmäßig eine Kombination von Vitamin B6 (z. B. 10–20 mg tgl.), Folsäure und Vitamin B12 eingenommen werden, um einen Anstieg des Homocysteins zu vermeiden. Vitamin B6 trägt zur Normalisierung des Homocysteinspiegels bei, ohne die lipidmodulierende Wirkung der Nicotinsäure zu beeinträchtigen. #330.09{sidMauSLf7G} 26.1.7 Fibrate und Folsäure #330.10{sidE0QVfMMr} Folsäure reduziert die fibratinduzierte Erhöhung der Homocysteinplasmaspiegel #330.11{sidCyXvXZvi} Mechanismus: Eine lipidsenkende Therapie mit Fenofibrat oder Bezafibrat erhöht signifikant den Plasmaspiegel des gefäß- und neurotoxischen Homocysteins. Als Mechanismus wird eine Störung der Nierenfunktion und/oder Aktivierung von Transkriptionsfaktoren (PPARalpha) durch Fibrate diskutiert (□ Tab. 3.2). #330.12{sidEBRLCLcP} Folgen: Adjuvante Gabe von Folsäure kompensiert den fibratinduzierten Anstieg der Homocystein-Plasmaspiegel. #330.13{sid2T1zDhzj} Hinweis: Fibrate senken vor allem erhöhte Triglyceridspiegel, während ihre cholesterinsenkende Wirkung weniger stark ausgeprägt ist. Unter einer Therapie mit Beza- oder Fenofibrat sollte generell eine adjuvante Supplementierung mit Folsäure (z. B. 1 mg tgl., p. o.), Vitamin B6 und B12 erfolgen, um dem Risiko einer potenziellen Hyperhomocysteinämie vorzubeugen. Gemfibrozil und CSE-Hemmer (z. B. Simvastatin) erhöhen den Homocysteinspiegel dagegen nicht. #330.14{sidLobjlRsP} 26.1.8 Gemfibrozil und lipidlösliche Antioxidanzien #330.15{sidRT2qyy89} Reduktion der Coenzym-Q10- und Vitamin-E-Serumspiegel unter Gemfibrozil #330_331{sid1qjycgV8} Mechanismus: Vitamin E und Coenzym Q10 werden im Blut an Lipoproteine (VLDL, LDL) gebunden transportiert. Eine lipidsenkende Therapie beeinflusst die Blutspiegel der lipophilen Antioxidanzien. Unter Gemfibrozil können die Coenzym Q10-, α- und γ-Tocopherol-Serumspiegel abfallen. #331.01{sidfaKe0AOP} Folgen: Potenzielle Störung der prooxidativen und antioxidativen Homöostase; mögliche Beeinträchtigung der kardialen Bioenergetik. #331.02{sidF7pmo996} Hinweis: In einer randomisierten, placebokontrollierten Cross-over-Studie an Patienten mit Hyperlipoproteinämien ist unter der Therapie mit Gemfibrozil ein Abfall der Coenzym-Q10- (1,3 → 0,76 µmol/l) und Vitamin-E-Serumspiegel (α-Toc: 68,5 → 40,8 µmol/l; γ-Toc: 8,6 → 4,3 µmol/l) beobachtet worden. Mechanismus und klinische Relevanz dieser Interaktion sind noch ungeklärt. #331.03{sidphU6rIF4} 26.1.9 Anionenaustauscher und Vitamin A, D, E und K #331.04{sidKvZC1MnU} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Colestyramininduzierter Mangel an fettlöslichen Vitaminen A, D, E, K und Carotinoiden (z. B. Betacarotin) #331.05{sidaXXd3VNv} Mechanismus: Die zur Cholesterinsenkung eingesetzten Anionenaustauscherharze Colestyramin und Colestipol fördern über die Adsorption von Gallensäuren die Gallensäurenexkretion und verkleinern damit den hepatischen Gallensäurepool. Durch die Bindung der Gallensäuren können Nahrungsfette im Darm nicht mehr optimal resorbiert werden. Störungen der Fettdigestion und -resorption gehen häufig mit einer Steatorrhö einher und können zu einem Mangel an fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K, Provitamin A) führen. #331.06{sidKgvlPDcB} Folgen: Abfall der Vitaminkonzentrationen im Plasma. Bei Langzeitmedikation Hypovitaminosen der fettlöslichen Vitamine (Hypovitaminose D → Hypocalcämie, Osteopathien; Hypovitaminose K → Blutungen, Knochendichte ↓). #331.07{sidz9xYwWZG} Hinweis: Unter einer Therapie mit Colestyramin oder Colestipol sollte eine Supplementierung der fettlöslichen Vitamine erfolgen, z. B. durch Multivitamin-Mineralstoff-Kombination. Um Interferenzen mit der Nährstoffresorption zu minimieren wird empfohlen, entsprechende Supplemente 1h vor oder 4h nach dem Anionenaustauscher einzunehmen ▸ Kap. 3.5.1). #331.08{sideS1OLwej} Neben dem Vitaminhaushalt interferieren Anionenaustauscher auch mit dem Mineralstoffhaushalt. Im Darmlumen verbleibende freie Fettsäuren können mit Magnesium, Calcium, Eisen und Zink schwerlösliche Komplexe bilden und dadurch die Resorption dieser Mineralstoffe reduzieren. #331.09{sidzad3trji} 26.1.10 Anionenaustauscher und Vitamin B12, Folsäure #331.10{sidrOMHCHGj} Anionenaustauscher stören die Folsäure- und Vitamin-B12-Resorption #331.11{sidCQ6Cg6Mf} Mechanismus: Colestyramin und Colestipol binden den Vitamin-B12-Intrinsic-Faktor-Komplex und hemmen darüber die Vitamin-B12-Absorption aus dem Ileum. Die Bildung eines unlöslichen Komplexes mit Pteroylglutamat beeinträchtigt zusätzlich die Bioverfügbarkeit und Resorption der Folsäure. #331.12{sidUvQaF2Z9} Folgen: Abfall der Folsäure- und Vitamin-B12-Plasmaspiegel; potenzielles Risiko einer Hyperhomocysteinämie. #331.13{sidhBpouJUN} Hinweis: Unter einer Therapie mit Colestyramin oder Colestipol sollte generell eine Supplementierung von Folsäure, Vitamin B12 und B6 erfolgen □ Tab. 3.2). Da Anionenaustauscher auch mit der Resorption anderer Mikronährstoffe (z. B. Vitamin A, D, E, K, mg, Ca, Zn, Fe) interferieren, empfiehlt sich eine Multivitamin-MineralstoffKombination. Einnahme: zeitversetzt 1h vor oder 4h nach dem Anionenaustauscher. #331.14{sidaFL1f8tQ} Studien: In Studien an gesunden Probanden, die an vier aufeinander folgenden Tagen 16 g Colestyramin täglich erhielten, sank die Vitamin-B12-Resorption um 55–90 %. Als Folge der Colestyramintherapie kann zudem ein Abfall der Folatkonzentrationen im Serum um bis zu 50 % (7,7 → 4,4 µg/l) und der Erythrozyten (231 → 147 µg/l) auftreten. #332.01{sidTD8OGsrG} 26.1.11 Anionenaustauscher und Vitamin C #332.02{sidfe8PsmUT} Vitamin-C-Mangel durch eine Colestyramintherapie cholestatischer Lebererkrankungen #332.03{sid9XF6RKUg} Mechanismus: Bei chronisch cholestatischen Lebererkrankungen kann ein Vitamin-C-Mangel durch den gallensäurenbindenden Anionenaustauscher Colestyramin hervorgerufen werden. #332.04{sidqDh2I8dv} Folgen: Abfall der Vitamin-C-Plasmaspiegel; Störungen des Antipyrinmetabolismus und anderer mikrosomaler Stoffwechselleistungen der Leber (z. B. Hydroxylierungen). #332.05{sidLEprgFeB} Hinweis: Bei einer Therapie von cholestatischen Lebererkrankungen mit Colestyramin kann eine Vitamin-CSubstitution (200–500 mg tgl. p. o.; zeitlich versetzt zur Colestyramintherapie, von Nutzen sein. #332.06{sidKOR7qS1F} Literatur #332.07{sid3Qp8SSqC} Aberg F et al. Gemfibrozil-induced decrease in serum ubiqiuinone and alph- and gamma-totopherol levels in men with combined hyperlipidemia. Eur J Clin Invest, 28 (3): 235–242, 1998 #332.08{sidJqtFzjlg} Ahmed W et al. Low serum 25 (OH) vitamin D levels (< 32 ng/mL) are associated with reversible myositis-myalgia in statin-treated patients. Transl Res, 153: 11–16, 2009 #332.09{sidCXYB6Q9d} Arsenio L et al. Hyperlipidemia, diabetes and atherosclerosis: Efficacy of treatment with panthetine. Acta Biomed Ateneo Parmense, 55: 25–42, 1984 #332.10{sidWUixnpaf} Arsenio L et al. Effectiveness of long-term treatment with pantethine in patients with dyslipidemia. 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Als nichtmedikamentöse Maßnahmen wird den Betroffenen vor allem ein geregelter Schlaf, Abbau von Stress, eine Reduktion des Alkoholkonsums und die Vermeidung unnötiger Triggerfaktoren empfohlen. #335.03{sidMOz21fGV} Viele Patienten mit Migräne, bei denen die Indikation für eine Migräneprophylaxe besteht, suchen nach natürlichen Alternativen oder Begleitmaßnahmen zu den gängigen Migräneprophylaktika. Neben der Einnahme von Pestwurz-Extrakten (Petasites hybridus) belegen die Ergebnisse aktueller Studien an Migränepatienten zunehmend, dass auch Mikronährstoffe, die in den mitochondrialen Energiestoffwechsel eingreifen, wie Vitamin B2 (Riboflavin), Magnesium und Coenzym Q10, in der Lage sind die Dauer, die Schwere und die monatliche Attackenfrequenz der Migräne zu reduzieren. #335.04{sidupwUbM3F} 27.1 Migräneprophylaktika und Mikronährstoffe #335.05{sid5RDOIpIx} 27.1.1 Betablocker und Vitamin B2 #335.06{sidvJQ97C6l} Vitamin B2 unterstützt die Wirksamkeit von Betablockern #335.07{sidNwO49heo} Mechanismus: Vitamin B2 (Riboflavin) ist Substrat der mitochondrialen Atmungskette (Kplx I, II), Harmonisierung des Neurotransmitterhaushalts (z. B. Serotonin). #335.08{sidccAN5SOY} Folgen: Verbesserung des mitochondrialen Energiestoffwechsels im Gehirn (→ Sauerstoffverwertung der Gehirnund Nervenzellen), Optimierung der migräneprophylaktischen Effektivität von Betablockern. #335.09{sidwdju2ruD} Hinweis: Die adjuvante Supplementierung von Vitamin B2 (z. B. 4 × 100 mg tgl., p. o.), auch in Kombination mit Magnesium und Coenzym Q10, kann die Effektivität einer medikamentösen Migräneprophylaxe (z. B. Betablocker) verbessern. Aufgrund seiner guten Wirksamkeit und seines günstigen Nebenwirkungsprofils ist Riboflavin ein sinnvolles Adjuvans zur medikamentösen Migräneprophylaxe mit Betablockern (z. B. Metoprolol, Propranolol). Die volle Wirkung entfaltet Riboflavin erst nach mehrmonatiger Einnahme. #335_336{sidthYHs9kV} Studien: Bei der Pathogenese der Migräne wird unter anderem auch eine Störung des mitochondrialen Energiestoffwechsels diskutiert. Da Riboflavin als Coenzym in der Atmungskette (Komplex I und II) fungiert untersuchten belgische Wissenschaftler im Jahre 1998 in einer randomisierten und doppelblinden klinischen Studie an 55 Patienten mit Migräne, ob Vitamin B2 die Häufigkeit und Schwere der Migräneattacken reduzieren kann. Die Probanden erhielten über einen Zeitraum von drei Monaten täglich 400 mg Riboflavin oder ein Placebo. Nach dreimonatiger Therapie war die Häufigkeit der Attacken in der Placebo-Gruppe unverändert, in der RiboflavinGruppe hingegen von 3,8 auf 1,8/Monat gesunken (p = 0,0001). Auch die Dauer und der Schweregrad der Attacken wurden durch das B-Vitamin signifikant verringert. Ähnliche Ergebnisse liefert eine aktuelle Studie an 41 Kindern und Heranwachsenden, die 200 mg bzw. 400 mg Riboflavin täglich für 3, 4 oder 6 Monate erhielten. Auch hier wurde die Häufigkeit und Intensität der Migräneattacken durch Riboflavin gesenkt (p < 0,01). #336.01{sidmHsxLlfV} Neben Vitamin B2 (Riboflavin) haben sich auch andere Mikronährstoffe wie Magnesium und Coenzym Q10 in der Prophylaxe der Migräne als hilfreich erwiesen. Diese können auch durchaus mit Vitamin B2 kombiniert werden, da sie sich in ihrer Funktion im mitochondrialen Stoffwechsel sinnvoll ergänzen. #336.02{sidCizs6sEc} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 27.1.2 Betablocker und Magnesium #336.03{sidF6hy6mkA} Magnesium unterstützt die Wirksamkeit von Betablockern #336.04{sidTw0F2nbt} Mechanismus: Magnesium: Substrat der mitochondrialen Atmungskette (Kplx V: ATP-Synthase), Anti-StressMineral, Stabilisierung von Zellmembranen, Verringerung der Thrombozytenaggregation und Neigung zur Vasokonstriktion, Harmonisierung des Neurotransmitterhaushalts (z. B. Serotonin). #336.05{sidAb8UMYlK} Folgen: Verbesserung des mitochondrialen Energiestoffwechsels im Gehirn (→ Sauerstoffverwertung der Gehirnund Nervenzellen), Optimierung der migräneprophylaktischen Effektivität von Betablockern. #336.06{sidepxZ73ll} Hinweis: Im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen weisen Migränepatienten häufig signifikant niedrigere Magnesiumspiegel im Gehirn, Liquor und den Erythrozyten (bzw. Vollblut) auf. Die adjuvante Supplementierung von Magnesium (z. B. 4 –6 mg MG/kg KG tgl., als Mg-Citrat p. o.), auch in Kombination mit Riboflavin und Coenzym Q10, kann die Effektivität einer medikamentösen Migräneprophylaxe (z. B. Betablocker) verbessern. In der Therapie von Migräneanfällen haben sich in der Komplementärmedizin auch Infusionen mit Magnesiumsulfat (1–2 g MgSO4 = 4–8 mmol Mg = 100–200 mg Mg/15–30 min) bewährt. #336.07{sidHlj46Sgs} 27.1.3 Betablocker und Coenzym Q10 #336.08{sidMDEgxvgl} Coenzym Q10 unterstützt die Wirksamkeit von Betablockern #336.09{sidDNIMC61N} Mechanismus: Coenzym Q10 ist ein Substrat der mitochondrialen Atmungskette (Kplx I-III). #336.10{sidzdMFAAn8} Folgen: Verbesserung des mitochondrialen Energiestoffwechsels im Gehirn (→ Sauerstoffverwertung der Gehirnund Nervenzellen), Optimierung der migräneprophylaktischen Effektivität von Betablockern. #336.11{sidLHqbI89Z} Hinweis: Die adjuvante Supplementierung von Coenzym Q10 (z. B. 150 mg tgl., p. o.), auch in Kombination mit Magnesium und Riboflavin, kann die Effektivität einer medikamentösen Migräneprophylaxe (z. B. Betablocker) verbessern. Coenzym Q10 kann auch bei Kindern und in der Schwangerschaft zur Migräneprophylaxe eingesetzt werden. #336.12{sidaHRPba0z} Literatur #336.13{sidHenVg3sB} Assarzadegan F, Asgarzadeh S, Hatamabadi HR et al. Serum concentration of magnesium as an independent risk factor in migraine attacks: a matched case-control study and review of the literature. Int Clin Psychopharmacol, 31 (5): 287–292, 2016 #336.14{sideeWVvk3T} Carotenuto M, Esposito M. Nutraceuticals safety and efficacy in migraine without aura in a population of children affected by neurofibromatosis type I. Neurol Sci (Epub ahead of print), 2013 #336.15{sid3NVfcFBz} Condo M et al. Riboflavin prophylaxis in pediatric and adolescent migraine. J Headache Pain, 2009; 10 (5): 361– 365. #336.16{sidbJSQHnBP} D‘Onofrio F, Raimo S, Spitaleri D et al. Usefulness of nutraceuticals in migraine prophylaxis. Neurol Sci, 38 (Suppl 1): 117–120, 2017 #336.17{sidY4xecAIp} Gallelli L, Avenoso T, Falcone D et al. 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B. diabetische Polyneuropathie) wird häufig die zur Gruppe der Vitaminoide zählende α-Liponsäure eingesetzt. α-Liponsäure, auch Thioctsäure genannt, ist eine schwefelhaltige Fettsäure (6,8-Dithiooctansäure). Im Stoffwechsel fungiert α-Liponsäure als wasserstoffübertragendes Coenzym und ist funktioneller Bestandteil von mitochondrialen Multienzymkomplexen (z. B. Pyruvat-Dehydrogenase/PDH, α-Ketoglutarat-Dehydrogenase/KGDH), die bei der oxidativen Decarboxylierung von α-Ketosäuren und der Glucoseutilisation eine zentrale Rolle spielen (○Abb. 28.1). In verschiedenen Studien zur Wirksamkeit von α-Liponsäure (intravenös, peroral) bei diabetischer Polyneuropathie, konnte eine Besserung neuropathischer Beschwerden wie Schmerzen, Parästhesien und Taubheitsgefühl nachgewiesen werden. #338.03{sidLHMKOg3K} 28.1 Neuropathie-Präparate und Mikronährstoffe #338.04{sidndCzIdFL} 28.1.1 α-Liponsäure und Nahrungsbestandteile #338.05{sidFnDhZIR7} Beeinträchtigung der Resorption und oralen Bioverfügbarkeit von α-Liponsäure #338.06{sidXbU7YgyE} Mechanismus: Nahrungsbestandteile (z. B. mehrwertige Kationen) können durch Komplexbildung und/oder Verschiebung des Magen-pH-Werts die orale Bioverfügbarkeit von α-Liponsäure bei Einnahme zu den Mahlzeiten signifikant verringern. #339.01{sidIvG7n70j} Abb. 28.1 Stoffwechselfunktionen von α-Liponsäure #338.07{sidHl54AIeM} Folgen: Beeinträchtigung (Verlust) der antineuropathischen Wirksamkeit von α-Lipon-säure. #338.08{sidahhv56tE} Hinweis: Zur Vermeidung eines Wirksamkeitsverlusts sollten α-Liponsäure-Präparate (z. B. 2 × 600 mg/d, p. o.) nüchtern, mindestens eine halbe Stunde vor dem Essen eingenommen werden. #338.09{sideGrDT2NJ} 28.1.2 α-Liponsäure und Biotin #338.10{sidjJAuCHzb} α-Liponsäure konkurriert mit Biotin um das aktive Zentrum biotinabhängiger Enzymkomplexe #338.11{sidq0ku9zXK} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Mechanismus: α-Liponsäure konkurriert aufgrund struktureller Ähnlichkeit mit Biotin um das aktive Zentrum biotinabhängiger Enzymkomplexe. #338.12{sidlSoQVF7q} Folgen: Kompetitive Hemmung der Aktivität biotinabhängiger Carboxylasen (z. B. Pyruvat-Carboxylase, BetaMethylcrotonyl-CoA-Carboxylase). #338.13{sidTElgeqrw} Hinweis: Unter einer langfristigen antineuropathischen und analgetischen Therapie mit α-Liponsäure kann es im Sinne einer optimalen Erhaltung des Mikronährstoff-Gleichgewichts sinnvoll sein, begleitend Biotin (z. B. 0,2–0,5 mg/d, p. o.) einzunehmen. #338.14{sidqhtBKlZA} Studien: In tierexperimentellen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die Gabe von α-Liponsäure die Aktivität biotinabhängiger Enzyme (z. B. Pyruvat-Carboxylase) hemmt. Vermutlich handelt es sich dabei um eine kompetitive Hemmung, bei der α-Liponsäure aufgrund ihrer Strukturähnlichkeit mit Biotin um das aktive Zentrum biotinabhängiger Enzyme konkurriert und Bindungsstellen an diesen Enzymen besetzt. Aufgehoben wurde diese Hemmung, wenn α-Liponsäure und Biotin gleichzeitig verabreicht wurden. #338.15{sidjJFSb1YM} 28.1.3 α-Liponsäure und orale Antidiabetika #338.16{sidFUx5U2oZ} α-Liponsäure kann die blutzuckersenkende Wirkung der Sulfonylharnstoffe (z. B. Glibenclamid) verstärken #338.17{sid4iEAWhSr} Mechanismus: α-Liponsäure steigert als Cofaktor der PDH und KGDH die Glucoseverwertung. #339.02{sidBaN4Q2s9} Folgen: Mögliche additive blutzuckersenkende Wirkung, Schwankungen des Blutzuckerspiegels, erhöhtes Risiko für Hypoglykämien. #339.03{sidPsvdTFIH} Hinweis: In der Anfangsphase einer α-Liponsäuretherapie sollte bei Typ-2-Diabetikern, die mit oralen Antidiabetika behandelt werden, eine engmaschige Blutzuckerkontrolle erfolgen, um Unterzuckerungserscheinungen zu vermeiden. #339.04{sidX9AVhORX} Literatur #339.05{sidcvTcwnX9} Boulton AJ, Kempler P, Ametov A, Ziegler D. Whither pathogenetic treatments for diabetic polyneuropathy? Diabetes Metab Res Rev, 29 (5): 327–333, 2013 #339.06{sidaE3FS4qM} Cronan JE. Biotin and Lipoic Acid: Synthesis, Attachment, and Regulation. EcoSal Plus, 6 (1), doi: 10.1128/ecosalplus.ESP-0001–2012, 2014 #339.07{sido2xH2tuY} Gomes MB, Negrato CA. 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Sind bereits eine oder mehrere Frakturen als Folge der Osteoporose aufgetreten, liegt eine manifeste Osteoporose vor. #341.03{sidjOW2Yev9} 29.1 Osteoporosemittel und Mikronährstoffe #341.04{sidm6ZUjezd} 29.1.1 Wirkungsmechanismus der Bisphosphonate HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #341.05{sid1HCWATqh} Bisphosphonate zählen zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln in der Osteoporosetherapie. Darüber hinaus werden Bisphosphonate erfolgreich bei Morbus Paget, Knochenmetastasen solider Tumoren, multiplem Myelom und der tumorinduzierten Hypercalcämie eingesetzt. Bisphosphonate können in zwei Gruppen eingeteilt werden: die stickstofffreien Nicht-Aminobisphosphonate Etidronat und Clodronat und die sehr potenten basisch substituierten Aminobisphosphonate Alendronat, Ibandronat, Risedronat und Zoledronat. #341.06{sidI0YWA19n} Der Wirkmechanismus der Bisphosphonate beruht überwiegend auf der Hemmung der osteoklastären Knochenresorption. Unabhängig vom Applikationsweg (oral, i. v.) lagern sich Bisphosphonate an der Knochenoberfläche an. In Regionen mit gesteigertem Knochenumsatz ist ihre Aufnahme besonders hoch. Bisphosphonate werden hier von Osteoklasten mittels Endozytose aufgenommen. Zu den weiteren Zelltypen, die Bisphosphonate über Endozytose internalisieren können zählen: Osteoblasten, Epithel- und Endothelzellen, Monozyten sowie neoplastische Zellen wie Myelom- und Prostatakarzinom-Zellen. Die Nicht-Aminobisphosphonate können aufgrund ihrer strukturellen Ähnlichkeit mit Pyrophosphat (über das Enzym Typ-II-Aminoacyl-t-RNA-Synthase) in die Phosphatkette ATP-haltiger Metabolite eingebaut werden. Die entstehenden ATP-Analoga sind für die Osteoklasten toxisch, hemmen ATP-abhängige Enzyme und induzieren eine Apoptose. Die basisch-substituierten Aminobisphophonate werden dagegen nicht zu ATP-Analoga metabolisiert. Ihr wesentlicher Wirkmechanismus beruht anscheinend auf der kompetitiven Hemmung des Enzyms Farnesyl-Pyrophosphat-Synthase (FPPS), eines Schlüsselenzyms des Mevalonsäure-Wegs. Dies führt zur intrazellulären Akkumulation von Isopentenyl-Diphosphat (IPP) und Hemmung der Prenylierung niedermolekularer GTP-bindender Proteine (GTPasen) in den Osteoklasten. Beide Mechanismen führen letztlich zur Apoptose der Osteoklasten. #341.07{sidj4N5NmNR} Vitamin D und Knochenmineralisation #341_342{sidtG8DRpBA} Zahlreiche Studien zeigen, dass ein Vitamin-D-Mangel in Europa weit verbreitet ist. So gibt eine Untersuchung an 8 532 postmenopausalen Frauen die Prävalenz einer unzureichenden Versorgung mit Vitamin D (25(OH)D < 30 ng/ml) mit 79,6 % an. 1α,25-(OH)2-Vitamin-D (Calcitriol) steigert im Duodenum und Jejunum die Calciumabsorption und induziert in den Nierentubuli die Reabsorption des Knochenminerals. Für eine optimale Calciumresorption aus dem Darm dürfte nach Untersuchungen von Heaney ein 25(OH)D-Status von 32 ng/ml bzw. 80 nmol/l notwendig sein (○Abb. 29.1). In Abhängigkeit von den Calciumblutspiegeln fördert 1α,25-(OH)2-Vitamin-D im Knochen entweder die Mineralisierung der Knochenmatrix oder die Mobilisierung von Calcium. Bei einem ausreichenden Calciumangebot und niedrigen Parathormonspiegeln überwiegt die Knochenmineralisation. Bei diesem von den Osteoblasten vermittelten Prozess induziert 1α,25-(OH)2-Vitamin-D die Transkription verschiedener an der Mineralisation beteiligter Proteine (z. B. Osteopontin, Osteocalcin). Fallen dagegen die Calciumspiegel im Blut ab, aktiviert 1α,25(OH)2-Vitamin-D zusammen mit Parathormon die Auslagerung von Calcium aus dem Skelettsystem. Vitamin D supprimiert die Parathormonausschüttung und damit die Knochenresorption durch die Osteoklasten. Zudem unterstützt es den Muskelstoffwechsel (Muskelkraft und -funktion) und reduziert dadurch die Sturz- und Frakturrate. Der Ausgleich eines Vitamin-D-Mangels (25(OH)D < 20 ng/ml) ist generell mit einer Verminderung der Sturzrate und Reduktion von proximalen Femurfrakturen bei Frauen und Männern assoziiert. #342.01{sidpb6d5YY5} Abb. 29.1 Der 25-OH-Vitamin-D-Schwellenwert: Calciumabsorption (Modell) #342.02{sid79dBZ3oC} Vitamin D verbessert ossäre Wirkung der Bisphosphonate #342_343{sidSEmKBDcP} Verschiedene Studien belegen, dass Vitamin D die Wirkung der Bisphosphonate auf das Knochenwachstum verbessert. In einer Studie an 112 Frauen unter Bisphosphonattherapie wurde der Einfluss des Vitamin-D-Status auf die Parathormonspiegel und die Wirksamkeit der Bisphosphonate untersucht. Dabei hatten Frauen mit einem 25(OH)D-Spiegel > 70 nmol/l signifikant niedrigere Parathormonspiegel (41,2 ng/l). Parathormonspiegel ≤ 41 ng/l und 25(OH)D-Spiegel > 70 nmol/l waren im Vergleich zu PTH-Spiegeln > 41 ng/l mit einer besseren Ansprechrate auf die Therapie mit Bisphosphonaten und mit einer signifikant höheren Knochendichte im Bereich der Hüfte verbunden (2,5 % versus –0,2 %, p = 0,04). In einer weiteren Studie an 1 515 Frauen mit postmenopausaler Osteoporose unter der Therapie mit Alendronat, Risedronat und Raloxifen wurde nachgewiesen, dass Patienten mit einer Bisphosphonattherapie signifikant schlechtere Therapieergebnisse (→ Veränderung der Knochendichte) zeigen, wenn initial sehr niedrige 25-OH-Vitamin-D-Spiegel (Calcidiol < 50 nmol/l bzw. 20 ng/ml) vorliegen. Die Risikorate (adjusted Odds-Ratio) für Frakturereignisse in der Gruppe mit Vitamin-D-Mangel im Vergleich zur Gruppe mit normalem Vitamin-D-Status (25(OH)D-Spiegel > 50 nmo/l bzw. 20 ng/ml) war 1,77 (1,20–2,59; 95 % CI; p = 0,004; Odds-Ratio 1,77; 95 % Cl 1,20–2,59). Die ossäre Wirkung der Bisphosphonate wird durch Vitamin D verbessert. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #343.01{sidP73r6OKQ} Ein sekundärer Hyperparathyreoidismus findet sich häufig bei Prostatakarzinompatienten mit Knochenmetastasen, der sich unter der Applikation von potenten Bisphosphonaten wie Zolendronsäure verschärfen kann. Erhöhte Parathormon-Spiegel können die Effektivität der Bisphosphonate im Hinblick auf ihre ossäre Wirkung, aber auch auf die Überlebenszeit der behandelten Patienten beeinträchtigen. Dies zeigen erneut die Ergebnisse einer aktuellen prospektiven Studie an 643 Patienten mit metastasiertem, hormonrefraktärem Prostatakarzinom bei der erhöhte PTH-Spiegel negativ mit der Überlebenszeit assoziiert waren (HR 1,448; 95 % CI, 1,045–2,006; p < 0,03). Der 25(OH)D- und PTH-Status sollte vor der Therapie mit Bisphosphonaten grundsätzlich kontrolliert und im Therapieverlauf durch regelmäßige Laborkontrolle kompensiert werden. Auf eine ausreichend hohe Supplementierung von Calcium und Vitamin D (z. B. 4 000 I. E. Vitamin D pro Tag, p. o.) sollte zudem geachtet werden (siehe auch S. 190). #343.02{sidhUdWFTmL} Nebenwirkungen der Bisphosphonate #343.03{sidK2tugYNx} Zu den häufigen Nebenwirkungen der Bisphosphonate zählen Akute-Phase-Reaktionen (z. B. grippeartige Symptome, wie Abgeschlagenheit, Muskel- und Knochenschmerzen), gastrointestinale Störungen (z. B. Schleimhauentzündungen, Durchfälle, Blähungen), nephrotoxische Komplikationen (z. B. Schäden am Tubulusapparat) und Osteonekrosen der Kieferknochen. Eine Therapie mit Bisphosphonaten bei Patienten mit Vitamin-D-Mangel und unzureichender diätetischer Calciumzufuhr kann ohne die begleitende Supplementierung von Vitamin D zu einer Hypomagnesiämie und Hypocalcämie bis hin zur Tetanie sowie schweren Störungen der Knochenmineralisierung führen. Die bisphosphonatinduzierte Hypocalcämie und der sekundäre Hyperparathyreoidismus können durch eine adäquate Supplementierung von Vitamin D (z. B. 20 000 I. E./Woche, p. o.) und Calcium vermieden werden. Generell sollte der pharmakotherapeutische Einsatz von Bisphosphonaten (peroral, intravenös) immer unter einer regelmäßigen labormedizinischen Kontrolle der 25(OH)D- und der Parathormon-Spiegel erfolgen. #343.04{sidU0DRNugO} Unter der Langzeitanwendung von Bisphosphonaten wurde in den vergangenen Jahren immer wieder Oberschenkelhalsfrakturen mit ungewöhnlicher Lokalisation beobachtet. In einem Review von Fallprotokollen aus dem Jahre 2009 im Journal of Bone and Joint Surgery wird über Patientinnen berichtet, bei denen unter der Langzeittherapie mit Alendronat vermehrt subtrochantäre oder diaphysäre Femurfrakturen nach einem Bagetelltrauma auftraten. Die Patientinnen waren im Mittel 61 Jahre alt und hatten im Durchschnitt 8,6 Jahre lang Alendronat eingenommen. Obwohl noch nicht abschließend geklärt ist, dass Bisphosphonate tatsächlich für diese atypischen Knochenfrakturen verantwortlich sind, hat die FDA verfügt, dass in den Produktinformationen auf diese potenzielle Nebenwirkung hingewiesen werden muss. Auch im Hinblick auf potenzielle Nebenwirkungen der Bisphosphonate sollte der Vitamin-D- und Vitamin-K-Haushalt vor Therapiebeginn kontrolliert und gezielt ausgeglichen werden. Laborparameter sind 25(OH)D (Calcidiol) und das untercarboxylierte Osteocalcin (ucOC) im Serum. Erhöhte Parathormon-Spiegel und ein Vitamin-D-Mangel scheinen auch das Risiko für Osteonekrosen der Kieferknochen unter einer Therapie mit Bisphosphonaten zu begünstigen. #343.05{sidSchHkzzA} Parathormon und Krebs #343_344{sidp8tkpVpl} Eine Hypocalcämie wird vor allem unter der intravenösen Applikation von Bisphosphonaten (z. B. Zolendronsäure) beobachtet. Die Folge der Hypocalcämie ist ein sekundärer Hyperparathyreoidismus bzw. Anstieg der Parathormon-Spiegel (Referenz: 12–65 ng/l). Erhöhte Parathormon-Spiegel können nicht nur die ossäre Wirksamkeit der Bisphosphonate beeinträchtigen. Parathormon ist auch ein potenter Stimulator der Osteoklastenaktivität, welcher die Produktion von Zytokinen und Wachstumsfaktoren im Mikromilieu des Knochens begünstigt, die das Tumorwachstum fördern können. Das Parathormon-related Protein (PTHrP) wird in nahezu jeder menschlichen Zelle zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Entwicklung, der Differenzierung und im Wachstum exprimiert. Aufgrund dieser endokrinen Wirkungsweise ist PTHrP in der Onkologie vor allem als Effektor des paraneoplastischen Syndroms der tumorinduzierten Hypercalcämie bekannt geworden. Durch seine N-terminale Homologie zu PTH wirkt PTHrP durch Bindung an den Parathormonrezeptor Typ 1 (PTH1 R) als Calciumregulator. Da zahlreiche Krebszellen den PTH1 R exprimieren wird angenommen, dass PTH die Tumorprogression und die Zellproliferation direkt steigert. In einigen Studien an Krebspatienten mit Knochenmetastasen (z. B. Mamma-, Prostatakarzinom) unter der Therapie mit Zolendronsäure waren erhöhten Parathormonspiegel mit einem erhöhten Risiko der Krankheitsprogression als auch einer erhöhten Mortalität assoziiert. Neben der ungünstigen Prognose zeigen die betroffenen Patienten auch häufig eine ausgeprägte Therapieresistenz. Aktuelle Forschungsergebnisse legen nahe, dass hierfür meist defiziente Apoptosesignalwege verantwortlich sind. So konnte in verschiedenen Untersuchungen ein antiapoptotischer Effekt von PTHrP gezeigt werden. #344.01{sidq3ygBnKS} Vitamin-D-haltige Kombinationspräparate #344.02{sidtlbo52jJ} Nach einer aktuellen Arbeit von Favus ist bei einem Vitamin-D-Mangel eine Therapie mit Bisphosphonaten kontraindiziert. Der 25(OH)D-Spiegel sollte vor Beginn einer derartigen Therapie grundsätzlich über 30 ng/ml liegen. Die derzeit in Deutschland in der Osteoporosetherapie eingesetzten Kombinationen eines Bisphosphonats mit Vitamin D (z. B. 70 mg Alendronsäure und 2 800 I. E. Vitamin D bzw. 70 mg Alendronsäure und 5 600 I. E. Vitamin D – empfohlene Dosierung 1 × wöchentlich) sind im Hinblick auf einen adäquaten Vitamin-D-Status von > 75 nmol/l deutlich unterdosiert. Rechnet man die Wochendosis auf die Tagesdosis um, so werden täglich nur 400 I. E. bzw. 800 I. E. zugeführt. Für einen Calcidiol-Spiegel von > 75 nmol/l bzw. 30 ng/ml müssen jedoch mindestens täglich 2 600–4 000 I. E. Vitamin D zugeführt werden. Zur Vermeidung eines sekundären Hyperparathyreoidismus sind sogar Calcidiol-Spiegel von ≥ 100 nmol/l (40 ng/ml) notwendig. #344.03{siduthEp5ik} Unter der Therapie mit Bisphosphonaten sollte der Vitamin-D-Status (25(OH)D im Serum 100–150 nmol/l bzw. 40– 60 ng/ml) 1–2-mal jährlich kontrolliert und gegebenenfalls durch gezielte Supplementierung (z. B. 40–60 I. E. Vitamin D/kg KG tgl., p. o.) kompensiert werden. Zur Vermeidung eines sekundären Hyperparathyreoidismus gehen viele Experten mittlerweile von einem Calcidiol-Spiegel im Bereich von 100–200 nmol/l bzw. 40–80 ng/ml aus. #344.04{sidwApui85y} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 29.1.2 Bisphosphonate und Vitamin D #344.05{sidHMXNIn89} Vitamin D verbessert die Wirksamkeit von Bisphosphonaten (z. B. Alendronat) #344.06{sidfSEAX74E} Mechanismus: Vitamin D fördert die Mineralisierung der Knochenmatrix, hemmt die PTH-Sekretion und verbessert die Muskelkraft. Bei der Pathogenese der Kiefernekrose spielt eine fehlende Heilung des Mundepithels, die mit einer gestörten Funktion der Keratinozyten einhergeht, eine zentrale Rolle. Letztere brauchen zu ihrer Differenzierung Vitamin D, welches gleichzeitig ihre überschießende Proliferation hemmt. #344.07{sidKXbdO8JT} Folgen: Optimierung der ossären Bisphosphonatwirkung und möglicherweise auch Verringerung der Nebenwirkungsrate (z. B. bisphosphonatassoziierte atypische Frakturen und Kiefernekrosen) durch Normalisierung des Vitamin-D-Status (Referenz/25(OH)D im Serum: 40–60 ng/ml), Verbesserung der immunologischen und metabolischen Situation bei Patienten mit Osteoporose oder Krebserkrankungen. #344_345{sidkqQg4zuh} Hinweis: Der Ausgleich des 25(OH)D-Status (z. B. 40–60 I. E. Vitamin D/kg KG tgl., p. o.) ist generell mit einer Verminderung der Sturzrate, Reduktion von proximalen Femurfrakturen bei Frauen und Männern sowie Verbesserung der Lebensqualität bei Krebspatienten assoziiert. Der maximale Krafteffekt auf die Muskulatur liegt bei ≥ 40 /ng/ml. #345.01{sid9Io5RuGz} 29.1.3 Bisphosphonate und Vitamin K #345.02{sidXI0SnX3g} Vitamin K verbessert die Wirksamkeit von Bisphosphonaten (z. B. Alendronat) #345.03{sidKDmszXrN} Mechanismus: Vitamin K fördert über die Carboxylierung des Knochenproteins Osteocalcin (carbOsteocalcin) die Utilisation von Calcium und die Mineralisierung der Knochenmatrix, wirkt der osteoklastären Knochenresorption entgegen, und reduziert damit die Frakturrate. #345.04{sidyGREZGy5} Folgen: Optimierung der ossären Bisphosphonatwirkung und möglicherweise auch Verringerung der Nebenwirkungsrate (z. B. bisphosphonatassoziierte atypische Frakturen und Kiefernekrosen) durch Normalisierung des Vitamin-K-Status (Laboparameter: ucOC im Serum). #345.05{sidphVhNDQW} Hinweis: Der Ausgleich einer Vitamin-K-Insuffizienz ist generell mit einer Verminderung der Frakturrate verbunden. Einige Untersuchungen deuten daraufhin, dass neben dem Vitamin-D-Status auch der Vitamin-K-Status Einfluss auf die Bisphosphonatwirkung hat. #345.06{sidlQsOVeyY} Vitamin K spielt eine zentrale Rolle im Knochenstoffwechsel. Als Coenzym der γ-Glutamyl-Carboxylase ist das Vitamin essenziell für die γ-Carboxylierung peptidgebundener Glutaminsäure-Reste. Zu den bekannten Vitamin-Kabhängigen Knochenproteinen, die an der Mineralisation und Regulation des Knochengewebes beteiligt sind, zählen das Osteocalcin, das Matrix-Gla-Protein (MGP) und das Knochenprotein S. Osteocalcin ist ein nicht kollagenes Glykoprotein, das in den Osteoblasten gebildet wird. Vitamin K stimuliert die Knochenneubildung und verringert die Calcium- und Hydroxyprolin-Ausscheidung im Urin. Eine unzureichende diätetische Versorgung mit Vitamin K dürfte ein wichtiger pathogenetischer Faktor bei der Osteoporoseentstehung sein. Patienten mit Osteoporose weisen im Vergleich zu gesunden Kontrollen erniedrigte Vitamin-K-Serumspiegel und erhöhte Konzentrationen an untercarboxyliertem Osteocalcin (ucOC) auf. In verschiedenen Studien waren hohe Spiegel an ucOC mit einer erniedrigten Knochendichte und einem erhöhten Frakturrisiko assoziiert. In Studien führte die Supplementierung von 1–5 mg Vitamin K1 täglich zu einem Abfall der ucOC-Spiegel und zu einem Anstieg der Knochendichte. Erhöhte Spiegel an ucOC finden sich auch bei Patienten mit Frakturereignissen unter einer Therapie mit Amino-Bisphosphonaten. Die Ergebnisse verschiedener Interventionsstudien belegen die gute ossäre Wirksamkeit von Vitamin K. In einer randomisierten Studie an 241 postmenopausalen Frauen führte die Supplementierung von 45 mg Vitamin K2 (MK-4, Menatetrenon) über einen Zeitraum von 24 Monaten gegenüber der Kontroll-Gruppe zu einem signifikanten Anstieg des carboxylierten Osteocalcins (carbOC) sowie zu einer signifikant verringerten Frakturrate. #345.07{sidClvCccOc} Studien: In aktuellen Studien war ein erhöhter Spiegel an untercarboxyliertem Osteocalcin (ucOC), Marker für eine Vitamin-K-Insuffizienz, unter der Therapie mit Bisphosphonaten mit einem erhöhten Risiko für Bisphosphonatassoziierte atypische Frakturen assoziiert. Die ossäre Wirkung von Alendronat (5 mg/d, p. o.) konnte im Hinblick auf die Knochendichte durch die adjuvante Supplementierung von Vitamin K2 (45 mg MK-4/d, p. o.) bei postmenopausalen Frauen verbessert werden. #345_346{sidYmPMQkW8} Anmerkung: Von den verschiedenen Vitamin-K-Formen Vitamin K1 (Phyllochinon), Vitamin K2 als MK-4 (Menatetrenon) oder MK-7 (Menaquinon-7) weist das aus Natto (fermentierte Sojabohnen) gewonnene MK-7 einige Vorteile auf. MK-7 ist deutlich hydrophober und besitzt im Vergleich zu den anderen Vitamin-K-Formen eine längere Halbwertszeit (HWZ: etwa 2–3 Tage), wodurch stabilere Serumspiegel resultieren. Im Vergleich zu Vitamin K1 ist die Verteilung von MK-7 in verschiedenen Geweben deutlich besser. Die Bioverfügbarkeit von MK-7 ist etwa 6-fach höher als von Vitamin K1. MK-7 ist daher auch effizienter in der Carboxylierung hepatischer (z. B. Prothrombin) und extrahepatischer Proteine (z. B. MGP, Osteocalcin). Die ossäre Wirksamkeit des Vitamin-D-Hormons wird insbesondere von MK-7 verbessert. MK-7 kann dementsprechend in niedrigeren Dosierungsbereichen (z. B. 50– 200 µg MK-7/Tag, p. o.) eingesetzt werden. #346.01{sid7MQHQ8SL} 29.1.4 Bisphosphonate und Mineralstoffe #346.02{sidbcw9CZDN} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Mineralstoffe vermindern die Resorption von Bisphosphonaten #346.03{sidvRx5NRXU} Mechanismus: Bildung schwer resorbierbarer Mineralstoff-Bisphosphonat-Komplexe bei gleichzeitiger Einnahme. #346.04{sidnhnYYK8k} Folgen: Verminderte Resorption der Bisphophonate, Abnahme der Bioverfügbarkeit (bis 60 %) und Wirksamkeit von Bisphosphonaten (z. B. Alendronat, Etidronat, Risedronat). #346.05{sidWqKOOLPb} Hinweis: Ein mehrstündiger Einnahmeabstand (≥ 2h) zwischen Mineralstoffen (Mineralstoffpräparate, Nahrungsmittel) und Bisphosphonaten sollte eingehalten werden. Alendronat und Risedronat morgens nüchtern (mindestens 30 Minuten vor der ersten Mahlzeit) nach dem Aufstehen mit einem vollen Glas Wasser einnehmen. Anschließend 30 Minuten nicht hinlegen. Die Supplementierung von knochenwirksamen Mikronährstoffen wie Vitamin D (z. B. 20–40 I. E. Vitamin D/kg KG tgl., p. o.) und Calcium (z. B. 800 mg/d, p. o.; Einnahmeabstand zu Bisphosphonaten beachten!) ist in jedem Fall empfehlenswert. #346.06{sidhAZL5Hap} 29.1.5 Vitamin D und Magnesium #346.07{sidCRIrWpPq} Magnesium reguliert und fördert den Vitamin-D-Stoffwechsel #346.08{sidzfsHfDl9} Mechanismus: Magnesium ist essenziell für die Bildung des Vitamin-D-bindenden Proteins (VDBP), welches Vitamin D und seine stoffwechselaktiven Formen [z. B. 25(OH)D, 1,25(OH)2D] im Blut transportiert und im Gewebe verteilt. Magnesium reguliert durch drei Enzyme den Vitamin-D-Haushalt im Körper: Die 25-Hydroxylase (25OHase), die 1-alpha-Hydroxylase (1α-OHase) und die 24-Hydroxylase (24-OHase). Die 24-Hydroxylase kann 25(OH)D und 1,25(OH)2D durch Einfügen einer weiteren OH-Gruppe in Position 24 zu 24,25(OH)2D und 1,24,25(OH)3D abbauen. Im Tierversuch führt ein Magnesiummangel zu einer verminderten Aktivität der 1-alphaHydroxylase und einer erhöhten Aktivität der 24-Hydoxylase in den Nieren. Ein Mangel an Magnesium ist folglich mit einer Hypovitaminose D [25(OH)D < 20 ng/ml] assoziiert. #346.09{sidAlvf6DuZ} Folgen: Vitamin D und Magnesium unterstützen sich gegenseitig im Stoffwechsel an vielen Stellen. Bei einer täglichen Dosierung von 40–60 I. E. Vitamin D pro kg Körpergewicht ist eine begleitende Einnahme von 4–6 mg Magnesium pro kg Körpergewicht pro Tag sinnvoll (z. B. 300 mg Magnesium pro Tag, als Mg-Citrat oder MgGlycinat). #346.10{siduJVHreLb} Hinweis: Parathormon (PTH) und 1,25(OH)2D fördern im Magen-Darm-Trakt die Aufnahme von Magnesium aus dem Speisebrei. Ein Magnesiummangel kann andererseits die Responderate des Gewebes auf beide Hormone beeinträchtigen. Bekanntestes Beispiel ist die sogenannte magnesiumabhängige Vitamin-D-resistente Rachitis, die nur auf eine Magnesiumtherapie anspricht. #346.11{sidbUymMG7Q} 29.1.6 Vitamin D und Vitamin A #346.12{sidrVgz24DM} Auf Rezeptorebene wirkt Vitamin A zusammen mit Vitamin D #346_348{sidOAiNAjtF} Mechanismus: Die beiden Prohormone Vitamin D und Retinol werden im Stoffwechsel in ihre hormonaktiven Formen Calcitriol bzw. 9-cis-Retinsäure umgewandelt. Diese entfalten ähnlich den Sexualhormonen ihre vielfältigen Wirkungen über die Bindung an eigene Rezeptoren: Vitamin-D-Rezeptor (VDR) für 1,25(OH)2D und RXR für 9-cisRetinsäure (bzw. RAR für all-trans-Retinsäure). VDR und RXR/RAR gehören zur großen Familie der Steroidhormone. Das Ablesen eines Gens erfolgt erst dann, wenn VDR und RXR am Gen zu einem Molekülverbund mit zwei unterschiedlichen Untereinheiten, zu einem sogenannten Heterodimer (VDR•RXR) vereinigen. #348.01{sidFhG9lQS4} Folgen: Die eigentlichen Effekte von Vitamin D erfolgen also meistens nach Aktivierung über 25(OH)D zum Vitamin-D-Hormon 1,25(OH)2D über den VDR zusammen mit dem RXR von Vitamin A (→ 9-cis-Retinsäure) (○ Abb. 29.2). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #347{sidbKr2wQUI} Abb. 29.2 Vitamin D, Magnesium und Vitamin A #348.02{sidsvQHYWjZ} Hinweis: Bei vielen Indikationen für Vitamin D kann neben der Supplementierung von 40–60 I. E. Vitamin D pro kg KG pro Tag die ergänzende Einnahme von Retinol (z. B. 20–30 I. E. Retinol pro kg KG pro Tag) empfohlen werden. #348.03{sidRVjmhvM3} 29.1.7 Vitamin D und Vitamin B2 #348.04{sidn4xnIK9k} Riboflavin unterstützt den Vitamin-D-Stoffwechsel #348_349{sidKLSsYgFL} Mechanismus: Riboflavin ist in Form von FAD und FMN Schrittmacher von etwa 60 Enzymen. Dabei sind beide Coenzyme entweder als prosthetische Gruppe reversibel und dissoziabel an Apoenzyme gebunden (z. B. XanthinOxidase und GSH-Reduktase) oder aber kovalent über die 8α-Methylgruppe sehr fest mit dem Apoproteinanteil verbunden (Bsp. Succinat-Dehydrogenase) in der inneren und die Monoaminoxidase in der äußeren Mitochondrienmembran. Die von Riboflavin abhängigen Enzyme aus der Gruppe der Mono-Oxygenasen und der Oxido-Reduktasen sind an den wesentlichen Schritten der Vitamin-D-Synthese involviert. Die Flavoproteine FAD und FMN spielen beispielweise beim Austausch von Elektronen in der mitochondrialen Elektronentransportkette und bei der Übertragung von Hydroxyl-Gruppen eine wesentliche Rolle. Hydroxyl-Gruppen übertragende Enzyme wie 24Hydoxylase (24-OHase), die 25-Hydroxylase (25-OHase) und die 1α-Hydroxylase (1α-OHase) werden von Riboflavin reguliert (○ Abb. 29.3). #348.05{sidDz30wsV8} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Abb. 29.3 CYP-Enzyme die unter Beteiligung von FAD und FMN an der Synthese und am Abbau von Vitamin D beteiligt sind. Nach Pinto 2014 #349.01{sidH2EuIPHi} Hinweis: Die Bildung von 25-Hydroxy-Vitamin-D [25(OH)D], 1,25-Dihydroxy-Vitamin D [1,25(OH)2D] sowie der Abbauprodukte 24,25(OH)2D und 1,24,25(OH)3D von Riboflavin abhängig. Das Ansprechen auf eine Therapie mit Vitamin D kann durch die Supplementierung von Riboflavin (z. B. 20–60 mg/d, p. o.) optimiert werden. Auch andere Mikronährstoffe wie Magnesium (siehe oben) und Vitamin C spielen bei der Regulierung des Vitamin-DStoffwechsels eine Rolle. #349.02{sidKHl0qQpr} 29.1.8 Strontiumranelat und Calcium #349.03{sid4EX7rjGJ} Calcium verringert die Resorption von Strontiumranelat #349.04{sidCDs94x8z} Mechanismus: Calcium verringert die Strontiumranelatresorption. #349.05{sidfMlUJrjQ} Folgen: Verminderte Resorption von Strontiumranelat (→ Abnahme der Bioverfügbarkeit und Wirksamkeit). #349.06{sid3GqBsnR5} Hinweis: Ein mehrstündiger Einnahmeabstand (≥ 2h) zwischen Mineralstoffen (Mineralstoffpräparate, Nahrungsmittel) und Strontiumranelat sollte eingehalten werden. Calcium und calciumhaltige Nahrungsmittel (z. B. Milch) können die Bioverfügbarkeit von Strontiumranelat um bis zu 70 % verringern. Die Supplementierung von knochenwirksamen Mikronährstoffen wie Calcium (z. B. 1 500 mg/d, p. o.) und Vitamin D (z. B. 2 500 I. E./d, p. o.) ist in jedem Fall empfehlenswert (Einnahmeabstand zu Strontiumranelat!). #349.07{sidK4xfgL0j} Literatur #349.08{sidhezSRb2r} Adami S et al. Vitamin D status and response to treatment in post-menopausal osteoporosis. Osteoporos Int, 20 (2): 239–244, 2009 #349.09{sidsYzhidYo} Berruti A, Cook R, Saad F et al. Prognostic role of serum parathyroid hormone levels in advanced prostate cancer patients undergoing zoledronic acid administration. Oncologist, 17 (5): 645–652, 2012 #349.10{sidL9TnTNiM} Berruti A et al. Effect of zoledronic acid treatment based on serum parathyroid hormone levels in patients with malignant bone disease. Proc Am Soc Clin Oncol 495S: Abstr 8610, 2006 #349.11{sidgZzadhQ8} Bolton-Smith C, McMurdo ME, Paterson CR et al. Two-year randomized controlled trial of vitamin K1 (phylloquinone) and vitamin D3 plus calcium on the bone health of older women. J Bone Miner Res, 22 (4): 509–519, 2007 #349.12{sidJPJt96V0} Bruyere O, Reginster JY. 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Etwa 10 % der Betroffenen sind bei Ausbruch der Krankheit jünger als 40 Jahre. #352.03{sidN12NPgoe} 30.1 Parkinsonmittel und Mikronährstoffe #352.04{sidWPlcWJ3m} Die Parkinsonkrankheit ist eine progrediente degenerative Erkrankung des ZNS. Erste Anzeichen sind ein rhythmisches Zittern nur einer Hand oder eines Fußes, vor allem in Ruhehaltung. Die mit der Degeneration dopaminerger Neurone in der Substantia nigra assoziierten Leitsymptome Akinese, Rigor und Tremor sind Ausdruck des gestörten Gleichgewichts zwischen Dopamin, Glutaminsäure und Acetylcholin. Die Ätiologie der Parkinsonkrankheit ist weitgehend unbekannt. Ein mehrdimensionaler Krankheitsprozess mit multifaktorieller Genese ist wahrscheinlich. Neben genetischen Faktoren, Störungen des zerebralen Energiestoffwechsels (CaHomöostase, Komplex-I-Mangel), Umwelteinflüssen (Vergiftungen mit Schwermetallen), einer verstärkten Freisetzung von Glutamat und neuronaler Apoptose werden vor allem oxidative Schäden für die Neurodegeneration verantwortlich gemacht: #352.05{sid7I1q6dm7} Defekt des mitochondrialen Komplex I (NADH-CoQ-Reduktase): reduzierte ATP-Produktion, erhöhte Radikalbildung, #352.06{sidVSyzaGTp} Eisen, (Aluminium), Neuromelanin, #352.07{sidzKqU3Vfh} GSH-Depletion und erhöhte γ-Glutamyl-Transpeptidase-Aktivität in der Substantia nigra, #352.08{sidzWbFysET} Homocystein, #352.09{sidBQEm6ONk} Hypoxie, Reperfusionsischämie, #352.10{sidkRgROEEN} mitochondriale Atmungskette: Superoxid-Leak, nitrosativer Stress, #352.11{sidwfuVCnwG} MPTP (= Verunreinigung in Designer-Drogen), #352.12{sidfArAqtdZ} Neurotransmitterstoffwechsel: Autoxidation von Katecholaminen, MAO-Aktivität (Fenton-Reaktion, ▸ Kap. 30.1.7). #352.13{sid5TCSzmhE} Proteinglykosilierung (AGE-Bildung), #352.14{sidElFtfWog} Störung der zellulären Calcium-Homöostase (exzessiver Calcium-Influx), #352.15{sid5ymJaOVA} überaktive Mikrogliazellen: Produktion von Zytokinen, Stick- und Superoxiden, #352.16{sidJFJueXvz} Überstimulation von NMDA-Rezeptoren durch Glutamat. #352.17{sid0ScpsfU3} 30.1.1 Mechanismen bei Parkinson #352.18{sidcFZ1WqO4} Oxidativer Stress #352_353{sidECtkWNVP} Erste Hinweise, dass oxidativer und nitrosativer Stress an den degenerativen Prozessen bei Parkinson beteiligt ist, basieren auf der Beobachtung, dass die Drogenverunreinigung MPTP bei Mensch und Tier schwere irreversible parkinsonähnliche Symptome auslöst. MPTP (1-Methyl-4-phenyl-1,2,3,6-tetrahydropyridin) wird durch das Enzym Monoaminoxidase-B (MAO-B) zum stark neurotoxischen MPP+ umgewandelt. In den nigrostriatalen Nervenzellen hemmt MPP+ den Enzymkomplex I der mitochondrialen Atmungskette. Eine Blockade des Komplex I (NADHUbichinon-Reduktase) führt zu ATP-Mangel, exzessiver Radikalbildung, GSH-Depletion und schließlich zum oxidativen Zelluntergang. MAO-B-Hemmer wie Selegelin verhindern bei Mäusen und Primaten die neurotoxische Wirkung des MPP+. #353.01{sidRZT3ds5g} In den Gehirnen verstorbener Parkinsonpatienten finden sich unnormal hohe Konzentrationen prooxidativ wirksamer Substanzen sowie erhöhte Marker radikalassoziierter Stoffwechselprozesse. Im Vergleich zu gesunden Kontrollen ist der nigrostriatale GSH-Spiegel signifikant reduziert und die Aktivität des GSH-abbauenden Enzyms γ-GlutamylTranspeptidase gesteigert. In der Substantia nigra ist die Konzentration an freiem Eisen stark erhöht und die des Eisen bindenden Proteins Ferritin erniedrigt. Zusätzlich finden sich erhöhte Zink- und verminderte Kupferkonzentrationen. #353.02{sidNHXyfgxb} Die pathogenen Mechanismen, die zum oxidativen Zelluntergang dopaminerger Neurone beitragen können sind komplex. So ist bereits der physiologische Dopaminabbau durch die Monoaminoxidase-B mit der Bildung von H2O2 verbunden. In Gegenwart von Eisen wird H2O2 zum zytotoxischen Hydroxylradikal reduziert. Da die Aktivität der MAO-B im Alter zunimmt, könnte der damit verbundene Anstieg der Lipidperoxidation zur allmählichen Erschöpfung des neuronalen GSH-Systems führen. Die wesentliche Eisenquelle in der Substantia nigra bildet das Pigment Neuromelanin. Mit zunehmendem Alter steigt die Neuromelaninkonzentration in den dopaminproduzierenden Neuronen an. Bemerkenswert ist, dass bei Parkinsonpatienten im Vergleich zu Kontrollen Eisen und Aluminium in den Neuromelaningranula akkumulieren. Neuromelanin wirkt bei niedrigem Eisengehalt antioxidativ. Bei einer Anreicherung prooxidativ wirksamer Übergangsmetalle wie Eisen wird Neuromelanin allerdings selber zum Oxidanz und steigert die Bildung zytotoxischer Radikale. In den pathologisch veränderten Hirnarealen von Parkinsonpatienten finden sich hohe Konzentrationen an 3-Nitrotyrosin, einem spezifischen Marker für Peroxynitrit (= Nitrostress). Peroxynitrit (PON) ist eine hochgradig neuro- und zytotoxische Verbindung, die durch schnelle Reaktion von Stickstoffmonoxid (NO•) mit Superoxid (•O2–) gebildet wird. Der mitochondriale Enzymkomplex I und die TyrosinHydroxylase werden durch PON gehemmt. Die Bildung von Peroxynitrit wird durch den Superoxid-Leak der Atmungskette und überaktive Mikrogliazellen, die bei der Phagozytose von geschädigtem Nervenzellmaterial NO• und •O2– freisetzen, gesteigert. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #353.03{sidi5IgQnj9} L-Dopa und Eisen bei Restless-Legs-Syndrom #353.04{sidIjvSHlMS} L-Dopa wird nicht nur in der Therapie des Morbus Parkinson eingesetzt, sondern auch bei Restless-Legs-Syndrom. Das Restless-Legs-Syndrom, RLS (Syndrom der ruhelosen Beine) ist eine neurologische Erkrankung mit einem erhöhten Bewegungsdrang in den Beinen. In der Umgangssprache wird RLS auch als „Rastloser Schlaf“ bezeichnet. In Zuständen der Ruhe (z. B. Schlaf) klagen Patienten mit RLS in den Beinen und/oder Füßen über neuropathieartige Empfindungsstörungen wie Kribbeln, Wärmgefühl oder Schmerzen. Die Missempfindungen lösen bei den Betroffenen einen unwiderstehlichen Drang aus sich zu bewegen, die Muskulatur anzuspannen oder zu dehnen. Häufig treten auch unwillkürliche Bewegungen und Schlafstörungen auf. #353_354{sidtf478Xgj} Schätzungen zufolge sind etwa 5 bis 10 % der deutschen Bevölkerung von RLS betroffen. Damit wäre die RLS eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen überhaupt. Die Ursachen des RLS sind noch nicht eindeutig geklärt. Eine zentrale Rolle in der Pathogenese scheint jedoch eine Störung im Neurotransmitter-Haushalt, insbesondere des Dopamins, zu spielen. Bei RLS-Patienten ist häufig ein niedriger Eisen-Status, zum Teil auch ein Eisenmangel nachweisbar (Laborparameter: Serum-Ferritin). Eisenmangel scheint die Symptomatik bei RLS zu verstärken. Als Cofaktor der Tyrosin-Hydroxylase spielt Eisen eine essenzielle Rolle bei der Synthese des Neurotransmitters Dopamin (○Abb. 30.1). #354.01{sid6MisnwM2} Abb. 30.1 Eisenabhängige Biosynthese von Dopamin #354.02{sidW8H1YDOl} In einer aktuellen randomisierten, placebokontrollierten doppelblinden Studie an 60 Patienten mit RLS (SerumFerritin ≤ 45 µg/l) wurde der Einfluss der intravenösen Applikation von Eisen (III) auf die RLS-Symptomatik geprüft. Die Patienten erhielten dabei entweder 1 000 mg Eisensucrose (n= 29) oder 0,9 % Kochsalzlösung intravenös. Primärer Endpunkt der Studie war der Score auf der RLS Severity Scale (IRLS) in der 11 Woche nach Intervention. Der mittlere IRLS Score sank dabei bis zur 11. Woche in der Eisengruppe von 24 auf 7 und in der Placebogruppe von 26 auf 17, der Unterschied war aber statistisch nicht mehr signifikant (p= 0,123). Die Drop-out-Rate betrug in der Placebogruppe 61 %, gegenüber 17 % in der Eisengruppe, was auf eine bessere Langzeitkontrolle der Symptome nach intravenöser Eisentherapie schließen lässt. Obwohl die günstige Wirkung von Eisen auf die RLSSymptomatik nach elf Wochen nicht signifikant war, zeigt doch die Studie das Eisen die Symptome kurzzeitig und im Langzeitverlauf günstig beeinflussen kann. #354.03{sidkLC4xs85} Hinweis: Vor der Therapie mit L-Dopa ist abzuklären, ob die Restless-Legs-Beschwerden auf einen Eisenmangelzustand zurückzuführen sind. Dieser sollte dann durch eine geeignete Eisensubstitution behandelt werden. Rationale für eine Eisentherapie (p. o., i. v.) sollte bei RLS immer der Eisen-Status (Serum-Ferritin < 50 µg/l) sein. Idealerweise sollte der Ferritinwert über 100 µg/l liegen. Möglicherweise können auch ParkinsonPatienten mit schlechtem Eisen-Status (Ferritin < 50 µg/l) von einer Eisentherapie profitieren. Bei Kindern mit RLS wird eine Dosierung von 3–6 mg Eisen pro kg Körpergewicht empfohlen. #355.01{sidLmrHIRxP} Fallbeispiel #355.02{sids2GEhPaD} Die Tochter einer 68-jährigen Parkinsonpatientin, die seit einigen Jahren erfolgreich mit L-Dopa behandelt wird, wendet sich telefonisch an die betreuende Ärztin mit der Bitte, die Richtigkeit der Verordnung ihrer Mutter zu überprüfen. Bei der Mutter hat sich seit etwa zwei Wochen der Gang deutlich verschlechtert, sie wirkt sehr depressiv und weist beim Sprechen eine ausgeprägte mimische Starre auf. Die Minussymptome (Hypo- bzw. Akinese) des Parkinson-Syndroms, die überwiegend durch einen Dopaminmangel bedingt sind, haben sich verschlechtert. Nach einiger Überlegung hat die Ärztin eine Idee und erkundigt sich, ob die Mutter seit neuestem Multivitamine, vor allem Vitamin B6, einnimmt. Tatsächlich nahm die betroffene Patientin seit kurzem eine hochdosierte Vitamin-B-Kombination (Vitamin-B-Kplx-100) mit 100 mg Vitamin B6 ein, den ihr der Sohn von einer Geschäftsreise aus den USA mitgebracht hatte. Die Ärztin erinnert sich an eine Interaktion zwischen Vitamin B6 und L-Dopa und liest in einem Lehrbuch nach: Vitamin B6 ist Coenzym von L-AminosäureDecarboxylasen und katalysiert die periphere Decarboxylierung von L-Dopa zu Dopamin (○ Abb. 30.2). Dadurch ist in den nigrostriatalen dopaminergen Nervenendigungen weniger L-Dopa verfügbar, welches zur aktiven Wirksubstanz Dopamin decarboxyliert werden kann. Parkinsonsymptome wie Rigor, Akinesie und Tremor treten dadurch verstärkt auf. Die unphysiologisch erhöhten Dopaminspiegel in der Peripherie führen zudem zu ausgeprägten gastrointestinalen und kardiovaskulären Störungen. Obwohl die Kombination von LDopa mit einem Decarboxylasehemmer (z. B. Carbidopa) die Problematik dieser Interaktion abschwächt, sollte Vitamin B6 ohne ärztliche Rücksprache nicht in hohen Dosierungen (über 5–10 mg tgl., p. o.) von den HiQPdf Evaluation 09.05.2017 betroffenen Patienten eingenommen werden! #354.04{sid6XbZW2x7} Abb. 30.2 Abbaubeschleunigung von L-Dopa durch Enzyminduktion #355.03{sidXUzLaWct} 30.1.2 L-Dopa und Vitamin B6 #355.04{sidFKNx2Lh7} Wirksamkeitsverlust von L-Dopa durch Vitamin B6 #355.05{sidkswhN82u} Mechanismus: Induktion der L-Dopa-Decarboxylase durch das Coenzym Pyridoxalphosphat in der Peripherie (wahrscheinlich auch im Gastrointestinaltrakt). #355.06{sidHUqNtSGN} Folgen: Beschleunigte Konversion von L-Dopa zu Dopamin in der Peripherie; Abnahme der oralen Bioverfügbarkeit von L-Dopa; Zunahme der Parkinsonsymptome (z. B. Rigor, Akinesie und Tremor); erhöhtes Risiko für gastrointestinale und kardiovaskuläre Störungen (z. B. Obstipation, Schwindel, Appetitlosigkeit, Herzrhythmusstörungen). #355.07{sidoDWMVbTc} Hinweis: Parkinsonpatienten, die mit L-Dopa und einem Decarboxylasehemmer (z. B. Carbidopa) therapiert werden, sollten Vitamin B6 ohne ärztliche Rücksprache nicht in hohen pharmakologischen Dosierungen (über 5–10 mg/Tag, p. o.) einnehmen. #355_356{sidL1yTWMx8} Bis heute hat sich L-Dopa als Goldstandard in der Behandlung des Morbus Parkinson behauptet, mit dem alle Symptome des Parkinson-Syndroms, insbesondere die Akinese und die psychischen Störungen, gebessert werden. L-Dopa (Levodopa, L-3,4-Dihydroxyphenylalanin) gelangt bei oraler Applikation durch aktive Resorption aus dem Duodenum in den systemischen Kreislauf. Aufgrund seiner Aminosäure-Partialstruktur und der Ähnlichkeit zu seiner biosynthetischen Vorstufe, der natürlichen Aminosäure L-Tyrosin, kann es die Blut-Hirn-Schranke durch einen aktiven Transport überwinden. Der Na+-unabhängige L-Aminsosäure-Transporter (LAT1) weist Substratselektivität für große neutrale Aminosäuren mit verzweigtkettigen (z. B. Leucin) oder aromatischen Seitenketten auf. Da bei alleiniger Gabe von L-Dopa bis zu 90 % der oral applizierten Dosis bereits in der Peripherie abgebaut wird und im ZNS nur noch etwa 10 % zur Verfügung steht, wird L-Dopa heute ausschließlich in fixer Kombination mit einem Decarboxylasehemmer (Benserazid, Carbidopa) in einem Mengenverhältnis von 4:1 eingesetzt. Benserazid und Carbidopa hemmen die periphere Decarboxylierung von L-Dopa zu Dopamin und erhöhen dadurch die zerebrale Verfügbarkeit von Dopamin. Durch die Kombination werden deutlich geringere Dosierungen von L-Dopa benötigt und damit auch die peripheren vegetativen Nebenwirkungen reduziert. Vitamin B6 ist in Form von Pyridoxal-5’Phosphat Coenzym zahlreicher Enzyme, die überwiegend im Aminosäurestoffwechsel eine Rolle spielen. Als Coenzym von L-Aminosäure-Decarboxylasen beschleunigt das Vitamin die periphere Decarboxylierung von L-Dopa zu Dopamin. In den nigrostriatalen dopaminergen Nervenendigungen ist weniger L-Dopa verfügbar, welches zur aktiven Wirksubstanz Dopamin decarboxyliert werden kann. Die Einnahme höherer Vitamin-B6-Dosen (z. B. Supplemente) kann dadurch die Bioverfügbarkeit und damit die Wirksamkeit von L-Dopa erheblich beeinträchtigen (○Abb. 30.2). #356.01{sidY9igipRg} 30.1.3 Carbidopa, Benserazid und Niacin #356.02{sidbfiR3gv0} Niacin-Depletion durch Decarboxylasehemmer #356.03{sidPQvkPOSL} Mechanismus: Hemmung der Kynurenin-Hydroxylase mit der Folge einer reduzierten Synthese von NicotinamidCoenzymen aus L-Tryptophan (60 mg Tryptophan = 1 mg Niacin); zudem können Hydrazine wie Carbidopa Pyridoxalphosphat binden: Pyridoxal-Hydrazone hemmen die Pyridoxal-Phosphokinase und stören den Tryptophanmetabolismus. #356.04{sid3sxtmosI} Folgen: Verminderte renale N-Methyl-Nicotinamid-Ausscheidung; marginaler Niacinmangel; Störungen des zentralen Nervensystems (z. B. Ataxien, Verwirrungszustände, Halluzinationen, Demenz). #356.05{sidhVAp6hoh} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Hinweis: Unter der Therapie mit L-Dopa und Benserazid bzw. Carbidopa sollten Parkinsonpatienten auf eine adäquate Versorgung von Vitamin B3 (z. B. 200 mg Niacinamid/d, p. o.) in Form eines Vitamin-B-Komplexes mit Folsäure, Vitamin B6 und B12 achten. #356.06{sidQpyiVB4a} Die Ausscheidung von N-Methyl-Nicotinamid kann als Zeichen eines Niacinmangels sowohl nach Gabe von L-Dopa als unter der Kombination mit einem peripheren Decarboxylasehemmer um bis zu 40 % verringert sein. #356.07{sidQYeL3DW5} 30.1.4 L-Dopa und Homocystein #356.08{sid2PERXUp2} Anstieg der Homocystein-Plasmaspiegel durch L-Dopa #356.09{sidSauHANOg} Mechanismus: Methylierung von L-Dopa und Dopamin durch das Enzym Catechol-O-Methyltransferase (COMT), welches S-Adenosyl-Methionin (SAM) als Methylgruppenüberträger benutzt; aus SAM entsteht nach Übertragung der Methylgruppe S-Adenosyl-Homocystein (SAH), das durch die SAH-Hydrolase zu Homocystein und Adenosin umgewandelt wird. L-Dopa kann Plasmaspiegel an Vitamin B12 (= Coenzyme der Methionin-Synthase) verringern. #356.10{sidIBKJuUCP} Folgen: Anstieg der gefäß- und neurotoxischen Aminosäure Homocystein im Plasma (Hyperhomocysteinämie ≥ 10 µmol/l); potenziell erhöhtes Risiko für atherothrombotische Ereignisse, Hirnatrophie, vaskuläre Demenz und neurokognitive Störungen. #356.11{sid7lmBfTEL} Hinweis: Unter der Therapie mit L-Dopa sollten Parkinsonpatienten regelmäßig eine Kombination von Folsäure (z. B. 0,4–1 mg Metafolin tgl.), Vitamin B6 (z. B. 5 mg tgl.) und B12 (z. B. 100–1 000 µg tgl.) ergänzen, um einer mit LDopa assoziierten Hyperhomocysteinämie vorzubeugen. COMT-Hemmer vermindern den Abbau von L-Dopa zu 3O-Methyldopa und verringern das Risiko einer durch L-Dopa induzierten Hyperhomocysteinämie. #356_357{sideP4HV1vZ} Erhöhte Homocysteinspiegel und erniedrigte erythrozytäre SAM-Konzentrationen finden sich häufig bei Parkinsonpatienten unter der Medikation mit L-Dopa. Die höchsten Homocysteinwerte werden beim homozygoten Genotypträger für die C 677 T-MTHFR-Mutation gemessen. Die Metabolisierung von L-Dopa über die Catechol-OMethyltransferase (COMT) führt über den gesteigerten Verbrauch von SAM zu einem Anstieg der neuro- und gefäßtoxischen Aminosäure Homocystein. Homocystein beeinträchtigt die SAM-abhängige Methylierung von Phospholipiden, Myelin und Neurotransmittervorstufen, schädigt Neurotransmitter-Rezeptoren und steigert die Apoptose von Nervenzellen (→ Neurodegeneration). Zur Synthese methylierter Proteine, Neurotransmitter, Nukleinsäuren, und Phospholipiden dient allen Methyltransferasen das aus Methionin gebildete S-AdenosylMethionin (SAM), welches nach Übertragung der Methylgruppe in Homocystein umgewandelt wird. Die Methylierungsreaktion und die dafür erforderliche Konzentration an SAM unterliegt im wesentlichen der Kontrolle der riboflavinabhängigen 5,10-Methylen-Tetrahydrofolat-Reduktase (MTHFR), der Vitamin-B12-abhängigen MethioninSynthase (MS) und der Vitamin-B6-abhänigen Cystathionin-Beta-Synthase (CBS, ○Abb. 30.3). #357{sidfp8fJebf} Abb. 30.3 Der Homocysteinstoffwechsel. A: Remethylierung, B: Transsulfurierung, BHMT: Betain-Homocystein- Methyltransferase (Leber, Niere) HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #358.01{sidpaocJn4D} 30.1.5 L-Dopa und Vitamin C #358.02{sidOZHUHza9} Vitamin C kann orale Bioverfügbarkeit von L-Dopa verbessern #358.03{sidhcoyCck1} Mechanismus: Vitamin C kann Resorption von L-Dopa verbessern. #358.04{sidc3gSWSE5} Folgen: Anstieg der L-Dopa-Menge im Organismus (AUC) und der maximalen Plasmakonzentration (cmax) von LDopa; Steigerung der oralen Bioverfügbarkeit von L-Dopa bei gleichzeitiger Einnahme mit Vitamin C. #358.05{sidz6XdYSTq} Hinweis: Gleichzeitige Einnahme von L-Dopa mit Vitamin C (z. B. 200–500 mg tgl.) kann bei älteren Parkinsonpatienten die L-Dopa-Resorption und damit die altersbedingte Beeinträchtigung der L-DopaBioverfügbarkeit verbessern. #358.06{siddCwK2qwZ} 30.1.6 L-Dopa, Entacapon und Eisen #358.07{sid3H9pUC6K} Eisen vermindert die Resorption von L-Dopa und Entacapon #358.08{sidv0ZmhYyv} Mechanismus: Komplexbildung zwischen Eisen und L-Dopa und/oder Entacapon (COMT-Hemmer) im Gastrointestinaltrakt. #358.09{sid4678jwMo} Folgen: Verminderte Resorption und orale Bioverfügbarkeit bei gleichzeitiger Einnahme; Wirksamkeitsverlust von L-Dopa und des COMT-Hemmers Entacapon. #358.10{sid1qBmvGgS} Hinweis: Gleichzeitige Einnahme von Eisensalzen und anderen Mineralstoffpräparaten mit L-Dopa und/oder Entacapon ist zu vermeiden; ein Einnahmeabstand von 2–3h ist einzuhalten. #358.11{sidaTIdoBRt} 30.1.7 L-Dopa und Coenzym Q10 #358.12{sidM5hlHeF4} L-Dopa kann Bedarf an Coenzym Q10 und Antioxidanzien steigern #358.13{sidFa7wjY2S} Mechanismus: Bei Synthese, Freisetzung, Wiederaufnahme und enzymatischem Abbau von Neurotransmittern entstehen permanent reaktive Sauerstoffspezies (ROS) (○ Abb. 30.4): #358.14{sidmiBXDYLW} Dopamin + O2 + H2O → H2O2 + NH + 3,4(OH)2 - Phenaylacetaldehyd #358.15{sidnJs5RZjp} H2O2 + Fe2 + → •OH + Fe3 + + HO– (Fenton-Reaktion) #358.16{sidEBr6v0gi} Der physiologische Dopaminabbau über die Monoaminoxidase-B (MAO-B) bzw. Autoxidation von Dopamin führt zur Bildung von Wasserstoffperoxid (H2O2). #358.17{sid6O9eMYue} Abb. 30.4 Der Dopaminstoffwechsel als Quelle für Oxidativen Stress #358.18{sid8cr81iJV} Folgen: Abfall der Antioxidanzienspiegel in Plasma und Zerebrospinalflüssigkeit (z. B. Coenzym Q10, Vitamin E, GSH). Prooxidative Effekte bei der Metabolisierung von L-Dopa können Bedarf an Antioxidanzien (z. B. Coenzym Q10, GSH) steigern. #359.01{sidoXvXvk91} Hinweis: Der adjuvante Einsatz antioxidativ und neuroprotektiv wirksamer Mikronährstoffe wie Coenzym Q10 (z. B. 5–20 mg/Ubichinol/kg KG tgl., p. o.) sollte bei Parkinsonpatienten so früh wie möglich (ab Diagnose) erfolgen. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #359.02{sidu60lD3Uq} Studien: Coenzym Q10 (Ubichinon/Ubichinol) und Antioxidanzien wie L-Glutathion oder Vitamin E stellen eine pathogenetisch sinnvolle Ergänzung zur herkömmlichen Therapie des Parkinson-Syndroms dar und können dazu beitragen die Krankheitsprogression zu verlangsamen. Nach einer aktuellen Studie an Morbus-Parkinson-Patienten im Frühstadium dürfte der Richtwert für therapeutisch wirksame Coenzym-Q10Plasmaspiegel bei etwa ≥ 4 µg/ml liegen. Vier mitochondriale Multienzymkomplexe der Atmungskette sind für den Wasserstoff- bzw. Elektronentransport im Rahmen der zellulären ATP-Produktion verantwortlich. Wasserstoff und Elektronen werden durch die genannten Enzymkomplexe von den reduzierten wasserstoffübertragenden Coenzymen zum Sauerstoff transportiert, wobei die oxidierten wasserstoffübertragenden Coenzyme und Wassser entstehen. Der mit Abstand größte Enzymkomplex ist die NADH-Ubichinon-Oxidoreduktase, die auch als Komplex I bezeichnet wird. Im Vergleich zu gesunden Kontrollen ist bei Parkinsonpatienten die Aktivität des Komplex I und die Coenzym-Q10Konzentration in der Substantia nigra reduziert. Eine enge Korrelation besteht auch zwischen der Aktivität des Komplex I und den Coenzym-Q10-Spiegeln im Plasma und den Thrombozyten, die bei Patienten mit Parkinson häufig verringert sind. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Supplementierung von Coenzym Q10 (Ubichinon) bei Parkinsonpatienten die Aktivität des Komplex I steigern und die Parkinson-Symptomatik (UPDRS/Parkinson-Skala) signifikant verbessern kann. Bemerkenswert ist, dass die orale Gabe von Coenzym Q10 und Nicotinamid bei Mäusen die durch das Neurotoxin MPTP (Aktivierung durch MAO-B) induzierte Degeneration nigrostriataler dopaminerger Neurone signifikant reduziert. #359.03{sidPN38x0mi} 30.1.8 L-Dopa und Nahrungsprotein #359.04{sidh1TQ1XJd} Proteinreiche Mahlzeiten vermindern die Wirkung von L-Dopa #359.05{sidj7vSJclB} Mechanismus: Aminosäuren aus der Nahrung (z. B. verzweigtkettige Aminosäuren) können bei proteinreicher Ernährung die Aufnahme von L-Dopa über die Blut-Hirn-Schranke beeinträchtigen (kompetitive Hemmung: LAminosäure-Transporter, LAT1). #359.06{sidjLjrAsT0} Folgen: Verminderte orale Bioverfügbarkeit bei Einnahme zu proteinreicher Mahlzeiten; Wirksamkeitsverlust von LDopa möglich. #359.07{sidZK14aoMU} Hinweis: L-Dopa sollte in einem mehrstündigen Abstand (2–3h) zu proteinreichen Mahlzeiten eingenommen werden. Eine kohlenhydratbetonte Ernährung hat einen günstigen Einfluss auf die Wirkung von L-Dopa. Eine Harnansäuerung durch die schwefelhaltige Aminosäure Methionin kann die renale Elimination von Anticholinergika (schwache Basen) beschleunigen und ihre Wirkung abschwächen. #359.08{sidWnyGsOE5} Literatur #359.09{sidll9rrr4N} Abdin AA, Hamouda HE. Mechanism of the neuroprotective role of coenzyme Q10 with or without L-dopa in rotenone-induced parkinsonism. 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Aufgrund der weltweit hohen und zunehmenden Prävalenz depressiver Störungen gehören die SSRI mittlerweile zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln in der gesamten Medizin. #362.03{sidgVoimfDV} 31.1 Antidepressiva, Neuroleptika und Mikronährstoffe #362.04{sidaguYCa1r} Die Ergebnisse verschiedener Studien geben besorgniserregende Hinweise darauf, dass die Therapie mit SSRI wie Paroxetin in den ersten Behandlungsmonaten die Suizidneigung bei depressiven Patienten signifikant erhöhen kann (○Abb. 31.1, ○Abb. 31.2). Im Vergleich zu Placebo verdoppeln SSRI die Häufigkeit von Verhaltensstörungen wie Ängstlichkeit, oppositionelles Verhalten, Aggressivität und Wutausbrüche. Diese unerwünschten Wirkungen könnten dazu beitragen, dass die Selbsttötungstendenz unter einer antidepressiven Therapie deutlich gesteigert wird. Die potenzielle Suizidalität wird Studien zu folge nicht nur bei Erwachsenen, sondern vor allem bei Kindern und Jugendlichen erhöht. Nach Empfehlungen der europäischen Zulassungsbehörde EMEA (European Medicines Agency) sollen daher bei Kindern und Jugendlichen keine SSRI mehr eingesetzt werden. #363.01{sid4p6lzMO8} Abb. 31.1 Monatliche Erfassung des Suizidrisikos bei Patienten aus Ontario (Alter ab 66 Jahre). Während des ersten Behandlungsmonats ist die Suizidneigung unter SSRI fünffach höher im Vergleich zu anderen Antidepressiva (p = 0,0009). #363.02{sidsRjYdvab} Abb. 31.2 Suizidspektrum bei Patienten aus Ontario (Alter ab 66 Jahre) nach Beginn einer antidepressiven Therapie mit SSRI gegenüber anderen Antidepressiva #364.01{sidDH0LDBon} Tab. 31.1 Nebenwirkungen der SSRI #364.02{sidpu4xY2mE} Nebenwirkung Organ #364.03{sidjrTJ4RnE} Auge Akkomodationsstörungen, Sehstörungen #364.01{sidDH0LDBon} Tab. 31.1 Nebenwirkungen der SSRI #364.02{sidpu4xY2mE} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Nebenwirkung Organ #364.04{sidhTjy2lLi} Nervensystem #364.05{sidh9IL3IrH} Psyche #364.06{sid6dd0bDKZ} Herz #364.07{sidgRYQqfgw} Herz-Kreislauf-System #364.08{sidaCJnJKTS} GIT #364.09{sid6bhvkL0r} Nieren- und Harnwege #364.10{sidKvhO2dFw} Ohren #364.11{sidow02MP3g} Muskulatur Kopfschmerzen, Tremor, Schwindel, Migräne, Parästhesien Agitiertheit, Halluzinationen, Nervosität, Schlafstörungen, Libidoabnahme, Konzentrationsstörungen, Manie, Panikattacken, Suizidversuche Palpitationen, Herzrhythmusstörungen (z. B. Tachykardie) Hypertonie, Hypotonie Dyspepsie, Mundtrockenheit, Obstipation, Flatulenz, Schleimhautblutungen Miktionsstörungen, Polyurie Tinnitus Myalgie #362.05{sidkGYahz6a} Neben der Diskussion um den Anstieg der Suizidalität unter der Therapie mit SSRI wird zunehmend auch die Effektivität der konventionellen Antidepressiva in Frage gestellt. Nach einer Analyse von 47 Studien, die der amerikanischen Aufsichtsbehörde zwischen 1987 und 1999 für die Zulassung von Citalopram, Paroxetin, Fluoxetin, Nefazodon, Sertralin und Venlafaxin vorgelegt wurden, macht der Placeboeffekt zwischen 68 bis 89 % des Verumeffekts aus. Möglicherweise ist der Erfolg noch geringer, da bei der Berechnung neun Studien unberücksichtigt blieben, die keinen signifikanten Unterschied ergaben. Der Umstand, dass Antidepressiva im Vergleich zu Placebo als wirkschwache Arzneimittel gelten, wird zum Teil als „dirty little secret“ bezeichnet. #362_363{sidayC0WUE6} Aufgrund der begrenzten Wirksamkeit und hohen Nebenwirkungsrate der konventionellen Antidepressiva sollte in der Therapie von leichten und mittelgradigen Depressionen grundsätzlich neben psychotherapeutischen Verfahren über natürliche Alternativen nachgedacht werden. Depressive Patienten weisen häufig eine unzureichende Versorgung mit gehirnaktiven Mikronährstoffen auf, die für den gesunden Neurotransmitterstoffwechsel und die reibungslose Hirnfunktion eine wesentliche Voraussetzung bilden. Darunter sind vor allem die Nervenvitamine Folsäure und Vitamin B12, die maritimen Gehirnfettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) sowie die stimmungsaufhellend wirkenden Aminosäuren S-Adenosylmethionin und L-Tryptophan zu nennen. Der kontrollierte Einsatz von diesen Mikronährstoffen kann Studien zufolge die erfolgreiche Therapie von unipolaren und bipolaren Depressionen erweitern, die Pharmakotherapie optimieren und den Bedarf an Antidepressiva senken sowie die Lebensqualität der betroffenen Patienten deutlich verbessern. #363.03{sidulwySLOu} 31.1.1 SSRI und Folsäure #363.04{sidSj4pwlkH} Folsäuremangel beeinträchtigt Wirksamkeit von SSRI #363.05{sidcRLK4IaD} Mechanismus: Suboptimaler Folsäurestatus (Serum: < 3,5 ng/ml) beeinträchtigt Responderrate auf antidepressive Therapie mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI, z. B. Sertralin, Fluoxetin); Mangel an Folsäure und Vitamin B12 stören SAM-abhängige Methylierung im Nervensystem, erhöhen das neurotoxische Homocystein und können die Entwicklung von Depressionen fördern, die Verfügbarkeit von Serotonin im ZNS sinkt bei Folsäuremangel. #364.12{sidlxm9et8O} Folgen: SSRI-Resistenz ↑; Ansprechrate auf SSRI-Therapie ↓; Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l). #364.13{sid1A5U7gE1} Hinweis: Unter einer Therapie mit Antidepressiva (v. a. SSRI) sollte der Folsäure- und Vitamin-B12-Status (Vitamin-B12-Mangel: Vitamin B12 (Serum): < 450 ng/l; Holo-TC (Plasma): < 70 pmol/l; MMS (Serum): > 40 µg/l; MMS (Urin): ≥ 1,60 mg/g Kreatinin) sowie die Homocystein-Plasmaspiegel kontrolliert werden, am besten ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung, und regelmäßig Folsäure (z. B. 1–2 mg Metafolin tgl., p. o.) in Kombination mit Vitamin B12 (1 000–2 000 µg tgl., p. o.) und Vitamin B6 eingenommen werden. #364.14{sidCfX79LDI} Studien: Verschiedene Studien belegen, dass depressive Patienten häufig einen unzureichenden Folsäure- und Vitamin-B12-Status aufweisen. Beide Vitamine besitzen eine zentrale Stellung bei der Regulation und Synthese von Neurotransmittern (○Abb. 31.3). Das Auftreten depressiver Symptome ist häufig auch mit erhöhten Homocysteinplasmaspiegeln (Hcy ≥ 10 µmol/l) assoziiert. Der Erfolg und die Ansprechrate einer antidepressiven Therapie mit SSRI kann durch die adjuvante Folsäuregabe signifikant verbessert werden. #364.15{sidmtfdgmwR} In einer aktuellen Studie an 110 Patienten mit schwerer Depression, die innerhalb einer achtwöchigen Therapie mit Fluoxetin auf das Antidepressivum angesprochen hatten, wurde auch der Folsäure- und Vitamin-B12-Status sowie der Homocysteinspiegel erfasst. Als Endpunkt zur Erfassung der Therapieresponse und der Verbesserung der depressiven Symptome galt eine 30%ige Abnahme der Symptomatik auf der Hamilton-Depressions-Skala. Dabei wurde festgestellt, dass die Patienten mit niedrigen Folsäurespiegeln von weniger als 2,5 ng/ml deutlich später (im Mittel 1,5 Wochen) auf die Fluoxetin-Therapie ansprachen, als Patienten mit normalen Folsäurestatus (p = 0,0028). Der Vitamin-B12-Status und der Homocysteinspiegel zeigten in dieser Studie jedoch keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Therapieresponse. #364_365{sidoy1j5opy} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Die Ergebnisse dieser Studie belegen, eine signifikante Korrelation zwischen dem Serum-Folatspiegel und dem Zeitpunkt der klinischen Besserung unter der Therapie mit Fluoxetin, wobei Patienten mit niedrigem Folsäurestatus einen deutlich verzögerten Eintritt der Besserung zeigten gegenüber Patienten mit normalem Folsäurestatus. Die gleiche Arbeitsgruppe konnte bereits in früheren Studien nachweisen, dass niedrige Serumfolatspiegel bei Patienten unter einer Therapie mit Fluoxetin auch einen Rückfall begünstigen. #365.01{sidFxndcnY2} Abb. 31.3 Biosynthese von Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin #365.02{sid57VZl7mf} 31.1.2 Antidepressiva und SAM #365.03{sidzRXTjfIt} S-Adenosylmethionin (SAM) gleich wirksam wie Imipramin in der Therapie von Depressionen #365.04{sid7WqOq3Km} Mechanismus: SAM steigert die Verfügbarkeit von Serotonin und Noradrenalin und hat einen synergistischen Effekt in Kombination mit Folsäure und Vitamin B12 im Hinblick auf die antidepressive Wirksamkeit von trizyklischen Antidepressiva (z. B. Imipramin). #365.05{sidXU3o5b8F} Folgen: Der therapeutische Bedarf an synthetischen Antidepressiva kann durch SAM reduziert und die Responderrate auf trizyklische Antidepressiva erhöht werden. #365_366{sid1idCp6Sv} Hinweis: SAM (2–4 × 400 mg/d, p. o.) kann das antidepressive Wirkspektrum der klassischen Antidepressiva (z. B. Imipramin) erweitern und auch deren therapeutische notwendige Dosis erheblich verringern. Die begleitende Gabe von Folsäure und Vitamin B12 ist bei jeder Therapie mit SAM im Hinblick auf den Homocystein- bzw. Methylgruppenstoffwechsel in jedem Fall empfehlenswert. #366.01{sidSU9Jl27C} Studien: In Studien an Patienten mit Depressionen und Burnout-Syndrom konnten verringerte Spiegel an SAM in der Zerebrospinalflüssigkeit nachgewiesen werden. Ein Mangel an 5-Methyl-Tetrahydrofolsäure und/oder Vitamin B12 stört S-Adenosyl-Methionin(SAM)-abhängige Methylierungsreakionen im Nervensystem und beeinträchtigt als Folge die Verfügbarkeit und Utilisation verschiedener Neurotransmitter (z. B. Noradrenalin). SAM ist zusammen mit Eisen, Folsäure und Tetrahydrobiopterin (BH4) am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt bei der Biosynthese von Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin bzw. Serotonin über das Enzym Tyrosin- bzw. Tryptophan-Hydroxylase beteiligt (○Abb. 31.4). Die Ergebnisse verschiedener Studien belegen, dass die Supplementierung von SAM auch die Verfügbarkeit von Serotonin im ZNS steigert. Eine unzureichende Verfügbarkeit von 5-Methyl-Tetrahydrofolsäure und/oder Vitamin B12 führt darüber hinaus zu einem Anstieg des Homocysteins, dem neurotoxischen Stoffwechselmetabolit des Methyl-Gruppen-Stoffwechsels, der zusätzlich die Ausprägung und Entwicklung neuropsychiatrischer Phänomene nachteilig beeinflussen kann. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #366.02{sid68Wtmnxs} Abb. 31.4 Synthese von Neurotransmittern aus Aminosäuren mithilfe von SAM und B-Vitaminen #366.03{sidKAATFMbk} In einer aktuellen Multizenterstudie an Patienten mit moderaten bis schweren Depressionen (HAMD-Score ≥ 18) wurde die Wirksamkeit von SAM (n = 143: 1 600 mg SAM/d, p. o., oder n = 147: 400 mg SAM i. m.) mit der von Imipramin (n = 148: 150 mg IMI/d, p. o.) verglichen. Dabei konnte im Hinblick auf die Effektivität von Imipramin im Vergleich zur oralen oder parenteralen SAM-Gabe kein wesentlicher Unterschied festgestellt werden. SAM war genauso effektiv wie Imipramin, jedoch war die Nebenwirkungsrate in der SAM-Gruppe deutlich geringer als in der Imipramin-Gruppe. #366_367{sidKJcrjOI7} Die parenterale und orale Applikation von SAM ist mit einem signifikanten Anstieg der SAM-Konzentrationen in der Cerebrospinalflüssigkeit assoziiert. In zahlreichen randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudien, in denen die Effektivität von SAM (2–4 × 400 mg SAM/d, p. o.) im Vergleich zu synthetischen Antidepressiva untersucht wurde, ist eine vergleichbare Wirksamkeit bei einer besseren Verträglichkeit von SAM gezeigt worden. S-Adenosylmethionin (SAM) spielt als wichtigster Methylgruppendonator im Intermediärstoffwechsel eine zentrale Rolle bei der Synthese von Phospholipiden, Neurotransmittern und zerebralen Polyaminen sowie bei der Regulierung bioelektrischer Vorgänge (○Abb. 31.5). Die antidepressive Wirkung dürfte nach den Ergebnissen tierexperimenteller Studien unter anderem auf einer Steigerung der zerebralen Polyaminsynthese beruhen. #367.01{sidXOdmFzSa} Abb. 31.5 Stoffwechsel der Aminosäure L-Methionin bzw. S-Adenosyl-Methionin #367.02{sid8olKFlXP} 31.1.3 Antidepressiva und Omega-3-Fettsäuren (DHA/EPA) #367.03{sidKZVK7M8s} EPA und DHA unterstützen die Wirksamkeit von Antidepressiva #367.04{sidBDj2BTYB} Mechanismus: EPA und DHA modulieren den Neurotransmitterstoffwechsel im ZNS (z. B. Synthese, Aufnahme und Re-Uptake von Dopamin und Serotonin, Rezeptorbindung), steigern die Fluidität und Stabilität der Nervenzellmembranen, wirken stimmungsaufhellend. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #367.05{sidt8sGqCnx} Folgen: Harmonisierung der Signalübertragung im Neurotransmitterstoffwechsel (z. B. Dopamin, Serotonin), Steigerung der neuronalen Bioverfügbarkeit an Serotonin, Unterstützung der antidepressiven Wirkung (→ EPA/DHA: „Mood stabilizer“). #367.06{sidLB3v1t8S} Hinweis: Die Supplementierung von EPA/DHA (z. B. 2 000 mg/d, p. o.) kann die Wirksamkeit der Antidepressiva (z. B. SSRI) verbessern und gleichzeitig deren Bedarf verringern. #367_368{sidsDWd2xSX} Auch entzündliche Mechanismen sind an der Entstehung von Erkrankungen des ZNS wie Depressionen und Demenz beteiligt. Proinflammatorische Zytokine (z. B. TNF-α) können in den Stoffwechsel der Aminosäure LTryptophan eingreifen und die Verfügbarkeit an Serotonin (○Abb. 31.6) verringern. Neuroinflammatorische Prozesse begünstigen hierüber die Entwicklung von Depressionen. Omega-3-Fettsäuren wie EPA und DHA wirken diesen Prozessen entgegen und steigern die Verfügbarkeit an Serotonin. Omega-3-Fettsäuren gelten auch als eine sinnvolle präventive und therapeutische Option in der Behandlung von Psychosen. #368.01{sid3csVpb3G} 31.1.4 Antidepressiva und Vitamin D #368.02{sidT58rzm6c} Vitamin D verbessert die antidepressive Wirkung #368.03{sidk0lbRqIY} Mechanismus: Vitamin D ist essenziell für Gehirnmorphologie, Neuroplastizität, neuronale Differenzierung und Reifung, Synthese von neurotrophen Faktoren (z. B. Glial-cell line derived neurotrophic factor, GDNF: körpereigener Nervenwachstumsfaktor, von Gliazellen produziert, ist eine Art Lebenselixier für alternde Nervenzellen). Zudem schützt Vitamin D die Nervenzellen aufgrund seiner ausgeprägten antientzündlichen und antioxidativen Wirkung und reduziert den neuronalen Calciumstress. Die Verfügbarkeit an Neurotransmittern (z. B. Serotonin, Dopamin) wird durch das Neurosteroid 1,25(OH)2D verbessert. #368.04{sidej7B1JdI} Folgen: Harmonisierung der Signalübertragung im Neurotransmitterstoffwechsel (z. B. Serotonin), Steigerung der neuronalen Bioverfügbarkeit an Serotonin, Verbesserung der antidepressiven Wirkung (→ 1,25(OH)2D: „Mood stabilizer“). #368.05{sidwm8pJQ6J} Hinweis: Die Supplementierung von Vitamin D (z. B. 40–60 I. E. Vitamin D pro kg KG pro Tag) kann die Wirksamkeit der Antidepressiva (z. B. SSRI) verbessern und gleichzeitig deren Bedarf verringern. #368.06{sidNuOgrbE4} Studien: In einer 8-wöchigen Doppelblinden und placebokontrollierten Interventionsstudie an 42 Patienten mit Depressionen war die Kombination von 1 500 I. E. Vitamin D kombiniert mit 20 mg Fluoxetin in der Kontrolle der depressiven Symptome einer Monotherapie mit Fluoxetin signifikant überlegen. #368.07{sideAsabBM7} Der Vitamin-D-Rezeptor (VDR) wird in verschiedenen Teilen des Gehirns exprimiert. Dazu zählen: basales Vorderhirn, Caudate und Putamen, Cerebellum, Corpus geniculatum laterale, Gyrus cinguli, Hypothalamus, präfrontaler Cortex, Mesencephalon, Substantia nigra und Thalamus. Das Enzym 1α-OHase, welches für die Umwandlung von 25(OH)D in seine hormonaktive Form 1,25(OH)2D verantwortlich ist, konnte in vielen Regionen des Gehirns (z. B. Hippokampus, Mittelhirn) zusammen mit dem VDR nachgewiesen werden. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass VDR-Genpolymorphismen mit dem Abbau kognitiver Fähigkeiten und dem Risiko an neurodegenerativer Erkrankungen (z. B. Depressionen, Morbus Alzheimer, Parkinson) assoziiert sind. #368.08{sidpjFtxgO1} 31.1.5 SSRI, MAO-Hemmer und 5-HTP #368.09{sidp1LvPrAy} Serotoninsyndrom: Kombination meiden #368.10{sid07kOiFAJ} Mechanismus: Additive bzw. potenzierte serotonerge Stimulation durch Kombination von 5-HTP mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (z. B. Fluoxetin) und/oder Monoaminoxidasehemmern (z. B. Tranylcypromin). #368.11{sidVeX5rNcV} Folgen: Toxische Serotoninkonzentrationen im Gehirn; starker Blutdruckanstieg, Unruhe, Tremor, Hyperthermie, Delirium, Koma, Schock; zum Teil letaler Verlauf. #368.12{sidiW7BAo6N} Hinweis: Die kombinierte Gabe von SSRI und MAO-Hemmern mit 5-HTP ist aufgrund potenziell lebensbedrohlicher Nebenwirkungen zu vermeiden. Bei entsprechender Medikation mit SSRI sollte eine Dosistitration des 5-HTP unter ärztlicher und labordiagnostischer Kontrolle des Serotoninstatus bei langsamem Ausschleichen des Antidepressivums erfolgen. #369.01{sidd42nrYNC} 31.1.6 Antidepressiva und 5-HTP #369.02{sidmHPVRNfr} 5-Hydroxytryptophan (5-HTP) gleich wirksam wie Fluvoxamin in der Therapie von Depressionen #369.03{sidTMHFFdDH} Mechanismus: 5-HTP ist ein Zwischenprodukt der Serotoninsynthese aus L-Tryptophan, im Gegensatz zu seiner Vorstufe L-Tryptophan wird es nahezu vollständig in Serotonin umgewandelt. #369.04{sidhjeSGMkC} Folgen: Die Synthese und Verfügbarkeit von Serotonin bei depressiven Patienten mit Serotonin-Insuffizienz wird durch 5-HTP gesteigert, der therapeutische Bedarf an synthetischen Antidepressiva wie SSRI kann durch 5-HTP reduziert werden. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #369.05{sidpeWkRRL2} Hinweis: 5-HTP (z. B. 3 × 100 mg/d, p. o.) kann den Bedarf an Antidepressiva deutlich verringern. Die begleitende Gabe von Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12 ist bei einer Therapie mit 5-HTP empfehlenswert. Um die unerwünschten Wirkungen des Serotonins in der Peripherie zu minimieren und gleichzeitig die Verfügbarkeit dieses Neurotransmitters im ZNS zu steigern wird 5-HTP auch in Kombination mit einem peripheren DercarboxylaseInhibitor wie Carbidopa eingesetzt. #369.06{sidKPLArUI7} Die essenzielle Aminosäure L-Tryptophan ist nicht nur an der Proteinbiosynthese beteiligt, sondern auch ein wichtiger Präkursor für die endogene Synthese des Neurotransmitters Serotonin, des Epiphysenhormons Melatonin, der Nicotinsäure (Vitamin B3) und der Picolinsäure (○Abb. 31.6). Serotonin ist u. a. an der Regulierung des SchlafWach-Rhythmus, der Befindlichkeit und Stimmungslage, der Appetitkontrolle und der Schmerzempfindung beteiligt. Störungen im Serotoninstoffwechsel des ZNS spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Schlafstörungen und depressiven Erkrankungen (○Abb. 31.6). Entzündungsprozesse fördern die Aktivität der IndolaminDioxygenase, begünstigen den Abbau von L-Tryptophan zu Kynurenin und verringern dadurch die Umwandlung von L-Tryptophan zu Serotonin. Faktoren wie Magnesiummangel, Stress, Insulinresistenz und/oder Vitamin B6-Mangel beeinträchtigen auf der anderen Seite die Aktivität der Tryptophan-Hydroxylase. Dadurch wird die Verfügbarkeit von Serotonin aus L-Tryptophan verringert (→ Serotonin-Insuffizienz). #370.01{sidbeSRMT47} Abb. 31.6 Stoffwechsel von L-Tryptophan #369.07{sidEVMPpswp} Depressive Patienten weisen häufig eine Serotonin-Insuffizienz auf. Die Verfügbarkeit an Serotonin kann durch die Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) gesteigert werden. Allerdings unterstützen auch viele gehirnaktive Mikronährstoffe wie 5-HTP, SAM, Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) und Magnesium auf natürlichem Wege die körpereigene Produktion von Serotonin. Die kontrollierte Gabe von 5-HTP (z. B. 3 × 100 mg pro Tag, p. o.) kann das Serotonindefizit auf natürlichem Wege ausgleichen und die depressive Symptomatik bei den Betroffenen lindern. In vergleichenden Studien war 5-HTP bei depressiven Patienten gleich gut wirksam wie SSRI (z. B. Fluvoxamin), allerdings mit einer geringeren Nebenwirkungsrate und besseren Ansprechrate. 5-HTP sollte allerdings nur unter ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden. Mögliche Interaktionen von 5-HTP mit SSRI (→ Risiko des Serotoninsyndroms, ▸ Kap. 31.1.4) und anderen Antidepressiva müssen vor dem therapeutischen Einsatz ausgeschlossen werden! #369.08{sidJw5nTwsJ} 31.1.7 Psychopharmaka und Magnesium #369.09{sidxbJSSTiB} Magnesium unterstützt die Wirksamkeit von Antidepressiva #369.10{sid52NVRPUk} Mechanismus: Magnesiummangel begünstigt die Entwicklung von Depressionen und Demenz, Magnesium reguliert den neuronalen Energiestoffwechsel im ZNS, ist ein natürlicher Antagonist des NMDA-Rezeptors, unterstützt die Verfügbarkeit von Serotonin aus L-Tryptophan, vermindert die Ausschüttung von Stresshormonen (○Abb. 31.6). #369_370{sidJhABJw3D} Folgen: Harmonisierung der Signalübertragung im Neurotransmitterstoffwechsel (z. B. Serotonin), Verbesserung der antidepressiven Wirkung und Responderrate der Antidepressiva (z. B. SSRI), Unterstützung des neuronalen Energiestoffwechsels. #370.02{sid6w0kN6j2} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Hinweis: Die Supplementierung von Magnesium (z. B. 500 mg/d, p. o.) kann die Wirksamkeit von Antidepressiva verbessern. #370.03{sid9vWCRi1K} Im Hinblick auf die optimale Versorgung mit Magnesium dürfte die Anzahl derjenigen mit einem insuffizienten Magnesiumstatus ähnlich hoch sein wie bei Vitamin D. Schätzungsweise sprechen bis zu 60 % der mit Antidepressiva behandelten Patienten nicht ausreichend auf die antidepressive Pharmakotherapie an. Ein Magnesiummangel begünstigt die NMDA-induzierte Öffnung von Calciumkanälen, die neuronale Schäden und eine neurologische Dysfunktion nach sich ziehen kann. Im Cerebrospinal Fluid (CSF) von depressiven Patienten findet sich häufig ein Magnesiummangel. Bereits 1921 wurde die erfolgreiche Magnesiumtherapie bei therapieresistenten Depressionen beschrieben. In aktuellen Studien an depressiven Typ-2-Diabetikern war eine Supplementierung von Magnesium (450 mg/d, p. o.) mit depressiver Symptomatik gleich wirksam wie das Antidepressivum Imipramin (50 mg/d, p. o.). Grundsätzlich sollte der Magnesium- und Vitamin-D-Status bei depressiven Patienten kontrolliert und durch ausreichend hohe Supplementierung kompensiert werden. #371.01{sidiJWgsKui} 31.1.8 Psychopharmaka und Vitamin B2 #371.02{sidInPdgRfE} Vitamin-B2-Mangel durch trizyklische Antidepressiva und Neuroleptika (Phenothiazine) #371.03{sidQbC6vqq4} Mechanismus: Trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin, Imipramin) und Neuroleptika (z. B. Chlorpromazin) können aufgrund struktureller Analogie (→ Phenothiazin-Ring) die Riboflavinkinase und damit die metabolische Aktivierung von Riboflavin in seine coenzymatische aktive Stoffwechselform Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD) inhibieren; erhöhte Riboflavin-Exkretion. #371.04{sidRGnnFHjz} Folgen: Riboflavinmangel (erythrozytäre Glutathion-Reduktase-Aktivität nach Stimulierung mit FAD > 1,2); Störungen im Niacin- und Vitamin-B6-Haushalt; Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l); Mangelsymptome: Blepharitis (Augenlidentzündung), Mundwinkelrhagaden, seborrisches Ekzem, Zungenatrophie. #371.05{sidmfr28eVU} Hinweis: Unter der Einnahme trizyklischer Antidepressiva oder Neuroleptika (Phenothiazine) ist die Supplementierung von Riboflavin (z. B. 10 mg tgl., p. o.) in Form eines Vitamin-B-Komplexes empfehlenswert, um medikamentöse Störungen des Riboflavinhaushalts vorzubeugen. Bei Riboflavinmangel sind zur Aufsättigung der reduzierten Körperspeicher höhere Dosierungen (z. B. 25–100 mg tgl., p. o.) erforderlich. #371.06{siddDr18gSo} Riboflavin übernimmt als Baustein der Coenzyme Flavin-Mononukleotid (FMN) und Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD) eine wichtige Funktion beim Wasserstofftransport in der mitochondrialen Atmungskette, der oxidativen Phosphorylierung, der Dehydrierung von Fettsäuren (Acyl-CoA-Dehydrogenase), der oxidativen Desaminierung von Aminosäuren und dem Abbau von Purinen (Xanthinoxidase). Aufgrund der chinoiden Struktur des Riboflavins besitzen die Flavinenzyme ausgeprägte Redoxeigenschaften. Beim Schutz zellulärer Proteine vor der oxidativen Schädigung durch Peroxide zählt die flavinhaltige GSH-Reduktase zusammen mit der selenabhängigen GSHPeroxidase zu den wichtigsten endogenen antioxidativen Schutzsystemen. Eine hohe GSH-Reduktase-Aktivität findet sich in den Erythrozyten und in der Augenlinse. Neben Cytochrom-P450-Enzymen sind auch flavinhaltige Monooxygenasen an der oxidativen Biotransformation und Entgiftung von Xenobiotika beteiligt. Das Flavinenzym NADPH-Oxidase spielt eine wichtige Rolle bei der Phagozytose (Respiratory burst). #371.07{sidrhPdGMb4} 31.1.9 Psychopharmaka und Coenzym Q10 #371.08{sidf3a4I7kN} Trizyklische Antidepressiva und Neuroleptika (Phenothiazine) können Coenzym-Q10-Status stören #371.09{sidiOQRijrH} Mechanismus: Trizyklische Antidepressiva und Neuroleptika (z. B. Chlorpromazin) interferieren mit Coenzym-Q10abhängigen mitochondrialen Enzymkomplexen der Atmungskette wie z. B. NADH: CoenzymQ10-Oxidoreduktase, Succinat:Coenzym-Q10-Oxidoreduktase. #371.10{sidRpGz1Ztp} Folgen: Risiko für Störungen des mitochondrialen Energiestoffwechsels (z. B. Herzmuskel: möglicherweise proarrhythmische Effekte, EKG-Veränderungen); Abfall der Coenzym-Q10-Serumspiegel (< 1,2 mg/l). #371.11{sidpxPovSFT} Hinweis: Unter der Therapie mit trizyklischen Antidepressiva oder Neuroleptika kann eine regelmäßige Supplementierung von den Atmungskettenfermenten Coenzym Q10 (z. B. 100 mg tgl., p. o.) und Riboflavin sinnvoll sein, um medikationsbedingten Störungen des mitochondrialen Energiestoffwechsels vorzubeugen. #371.12{sid0XGPWZ3R} Studien: Die Ergebnisse einer aktuellen Studie belegen, dass eine Therapie mit Amitriptylin die Coenzym-Q10- und ATP-Spiegel bei depressiven Patienten reduziert und die Lipidperoxidation erhöht. Eine mitochondriale Dysfunktion spielt möglicherweise bei der Pathophysiologie der Depression eine zentrale Rolle. #372.01{sid7zZwTo4R} 31.1.10 Haloperidol und Vitamin E #372.02{sidkV4x9EpX} Vitamin E kann Verträglichkeit und therapeutische Breite von Haloperidol steigern #372.03{sidiv5rGPO2} Mechanismus: Spätdyskinesien (abnorme, unwillkürliche Bewegungen) zählen zu den häufigsten Nebenwirkungen einer Therapie mit dem hochpotenten Neuroleptikum Haloperidol. Oxidativer Stress (u. a. über Aktivierung des redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFκB) und neuronale Glutathiondepletion spielen bei der Entstehung von tardiven Dyskinesien eine zentrale pathogenetische Rolle. Vitamin E verringert die durch Haloperidol induzierten oxidativen Nervenzellschäden (z. B. durch H2O2) und beugt einer Glutathiondepletion im ZNS vor. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #372.04{sidOzzTO8aN} Folgen: Nervenzellprotektion durch adjuvante Vitamin-E-Gabe; Lipidperoxidation im ZNS ↓; neuronaler Glutathionstatus ↑; Verbesserung der Verträglichkeit und therapeutischen Breite einer neuroleptischen Therapie mit Haloperidol durch das neuroprotektive Vitamin E. #372.05{sidVzZVohBe} Hinweis: Unter einer neuroleptischen Therapie mit Haloperidol empfiehlt sich die begleitende Einnahme von Vitamin E (z. B. 500 I. E. α-Tocopherol tgl., p. o.) zusammen mit den Antioxidanzien Vitamin C, Coenzym Q10 und Selen. #372.06{sidkkoKdjNU} Studien: Grundlegende Nervenfunktionen wie Synthese, Freisetzung und Wiederaufnahme von Neurotransmittern im ZNS sind mit der permanenten Generierung von Sauerstoffradikalen (z. B. H2O2) verbunden. Untersuchungen an schizophrenen Patienten weisen daraufhin, dass verzögerte Dyskinesien, von denen über 20 % der Patienten betroffen sind, die langfristig mit dem Dopamin-Rezeptorantagonisten Haloperidol behandelt werden, mit erhöhter Produktion reaktiver Sauerstoffverbindungen (z. B. H2O2) assoziiert sind. In Studien konnte durch die perorale Gabe von Vitamin E (1. Woche: 400 I. E. tgl., 2. Woche: 800 I. E. tgl. und ab der 3. Woche: 1 200 I. E. tgl., p. o.) eine signifikante Reduktion an abnormen, unwillkürlichen Bewegungen erzielt werden. Nach den bisher vorliegenden Studienergebnissen können Dyskinesien vor allem dann durch Vitamin E gemildert werden, wenn die Therapie mit Neuroleptika seit fünf oder weniger Jahren besteht. #372.07{sidIIlos9kI} 31.1.11 Lithium und Natrium #372.08{sidmZNHkQel} Wirkungsabschwächung von Lithium durch hohe Natriumaufnahme #372.09{sidMMd8PdDl} Mechanismus: Beschleunigte renale Exkretion von Lithiumionen durch erhöhte Natriumaufnahme (Kochsalz). #372.10{sidzHLdvpwP} Folgen: Wirkungsverlust von Lithium. #372.11{sidfyDoBNDJ} Hinweis: Unter der Therapie mit dem Psychopharmakon Lithium sollte auf eine gleichmäßige Aufnahme von Kochsalz geachtet werden. #372.12{sidqdzN2JuR} Lithium besitzt eine äußerst geringe therapeutische Breite. Die Wirkung von Lithiumsalzen wird durch die Höhe der Natriumaufnahme als auch durch die aufgenommene Flüssigkeitsmenge beeinflusst. Die Elimination von Lithium erfolgt ausschließlich renal. Lithium wird zusammen mit Natrium rückresorbiert. Eine eingeschränkte Kochsalzaufnahme bei gleichzeitig geringer Flüssigkeitszufuhr kann daher zur Lithiumkumulation und -intoxikation (z. B. Krämpfe, Erbrechen, Herzrhythmusstörungen, Muskelschwäche) führen. Auch Natriumverluste, die im Sommer durch starkes Schwitzen oder beim Saunabad auftreten können, sollten wegen der Gefahr von Überdosierungen ausgeglichen werden. Umgekehrt kommt es bei hoher Natriumaufnahme zu verstärkter Lithiumelimination und Wirkungsabschwächung des Arzneimittels. Lithiumionen greifen in den Stoffwechsel von Phosphatidylinositol ein und führen zu einer deutlichen Abnahme der Inositolspiegel im Zentralnervensystem. #372.13{sidQ1lqIPvl} 31.1.12 Lithium und Iod #372.14{sidPYw4PNhT} Störung der Aufnahme und des Einbaus von Iod #372.15{sidymiKr32B} Mechanismus: Lithium blockiert die Aufnahme von Iodid in die Zelle und den Einbau in die Schilddrüsenhormone. #373.01{sidLbqVZS3n} Folgen: Hypothyreose, Entwicklung einer euthyreoten Struma (bei schlechter Iodversorgung ist die Schilddrüse unter Lithiumtherapie häufig nur durch Strumabildung in der Lage ausreichend Schilddrüsenhormone zu bilden). #373.02{sidg6lb77n2} Hinweis: Vor der Therapie mit Lithium sollte die Schilddrüsenfunktion (auch der Selenstatus) überprüft werden. #373.03{sidT1kDuJxY} Studien: Lithium akkumuliert in der Schilddrüse entgegen einem Konzentrationsgradienten und blockiert über eine Aktivitätshemmung der Adenylatcyclase die Freisetzung von Triiodthyronin (T) und Levothyroxin (T4). Die Thyreotopinwirkung an der Schilddrüse wird durch Lithium vermindert. Bei einer mehr als zwölf Monate dauernden Lithiumtherapie wurde in 2–15 % der Fälle eine beninge euthyreote Struma beobachtet. Neben der direkten Beeinflussung der Schilddrüse scheint Lithium auch Autoimmunprozesse in der Schilddrüse zu begünstigen (→ Antikörper gegen Thyreoglobulin). #373.04{sidkjSXMHxr} 31.2 Psychostimulanzien und Mikronährstoffe #373.05{sidbH7YMJLA} In den westlichen Industrienationen zählen Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) zu den häufigsten neurokognitiven Störungen bei Kindern. Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 5 und 20 % Prozent der Schulkinder an diesem Syndrom leiden, das bereits 1845 von dem Frankfurter Kinderpsychiater Heinrich Hoffmann im „Struwwelpeter“ eindrucksvoll beschrieben wird. Jungen sind häufiger von hyperkinetischen Verhaltensstörungen betroffen als Mädchen. Neben der motorischen Hyperaktivität fallen die Kinder vor allem durch Konzentrationsschwäche und impulsives Verhalten auf. Störungen der schulischen Leistung, soziale Isolation und ein schlechtes Selbstwertgefühl sind häufige Folgen. #373.06{sideFqVGz9V} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Die Entstehung des ADHS-Syndroms ist komplex und bisher noch weitgehend unbekannt. Genetische Einflussfaktoren sowie Störungen im Neurotransmitter- (z. B. Dopamin, Serotonin) und Energiestoffwechsel des Gehirns (ATP-Produktion) sind jedoch von zentraler Bedeutung. Hyperkinetische Verhaltensstörungen können sich aber auch auf dem Boden einer frühen Schädigung des Gehirns, Belastungen mit Umweltgiften (z. B. Blei), Infektionen, Autoimmun- und Schilddrüsenerkrankungen entwickeln. #373.07{sidAD7mnUxA} 31.2.1 Methylphenidat und ADHS #373.08{sidezhC0RY5} Die Störung im Neurotransmitterstoffwechsel bildet unter anderem die therapeutische Rationale für den Einsatz von Methylphenidat bei Kindern mit ADHS. Methylphenidat (z. B. Ritalin) ist ein Psychostimulans aus der Gruppe der Amphetamine, welches die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin an den Schaltstellen der Nervenzellen beeinflusst und dadurch den Bewegungsdrang der betroffenen Kinder dämpft. In den westlichen Industrienationen war in den vergangenen Jahren ein starker Anstieg der Verordnungshäufigkeit zu beobachten (○Abb. 31.7). In Deutschland ist nach Angaben des Siegmund-Freud-Institutes die Anwendung von Methylphenidat sogar um das 270-fache angestiegen. #374.01{sidr0l2Pd9v} Abb. 31.7 Methylphenidat-Verordnungen in Deutschland von 1990 bis 2006. Schwabe, Paffrath, 2007 #374.02{sidoX3XkyIG} Abb. 31.8 Dopamintransmission und Dopamin-Transporter (DAT). Dopamin (Punkte) wird aus Vesikeln in der präsynaptischen Nervenzelle in den synaptischen Spalt freigesetzt. Von dort wird ein Teil über den Dopamin-Transporter (DAT) von derselben Zelle wieder aufgenommen, während ein anderer Teil über die Dopaminrezeptoren (DR) in die postsynaptische Nervenzelle gelangt. Methylphenidat blockiert den DAT und erhöht dadurch die Dopamin-Konzentration im synaptischen Spalt und die Aufnahme über die DR in die Postsynapse. #373.09{sidyvJYxafP} Methylphenidat wirkt im Striatum, einem Teil des Großhirns, das eine wichtige Schaltstelle im motorischen System darstellt. Wirkort ist der synaptische Spalt, die Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen (○Abb. 31.8). In diesem Bereich werden Nervenimpulse durch den Austausch der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin übertragen. Methylphenidat hemmt den Dopamin-Transporter und damit die Wiederaufnahme von Dopamin aus dem synaptischen Spalt in die präsynaptische Nervenzelle. Es erhöht somit die Dopamin-Konzentration im synaptischen Spalt und verstärkt die dopaminvermittelte Signaltransmission von der Präsynapse auf die Postsynapse. Dadurch dämpft es den Bewegungsdrang der betroffenen Kinder. Der Mechanismus, durch den Methylphenidat die kognitiven Effekte und Verhaltenseffekte hervorruft, ist nicht eindeutig nachgewiesen. #373_374{sidYj7ov1z8} Neben den Imbalancen im Neurotransmitterhaushalt scheint nach aktuellen Studien eine unzureichende diätetische Versorgung mit langkettigen maritimen Gehirnfettsäuren (DHA, EPA) sowie Gehirn aktiven Mikronährstoffen wie Magnesium, Eisen und Zink wesentlich an der Entstehung und Ausprägung der hyperkinetischen Verhaltensstörungen beizutragen. #374.03{sidMs5SRnjT} 31.2.2 Psychostimulanzien und Zink #374.04{sid3aEx15VY} Zink verbessert die Therapie hyperkinetischer Verhaltensstörungen mit Psychostimulanzien (z. B. Methylphenidat) HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #374.05{sidJdC8VtV6} Mechanismus: Zink verbessert die neuronale Glucoseutilisation, fördert die gesunde Entwicklung des Gehirns, hemmt den Dopamin-Transporter und besitzt darüber hinaus eine modulierende Wirkung auf die Verfügbarkeit verschiedener Neurotransmitter (z. B. Dopamin): Psychologische Symptome bei Zinkmangel (z. B. Aggressivität, Reizbarkeit) #374.06{sidKvdqfH5q} Folgen: Harmonisierung der Signalübertragung im Neurotransmitterstoffwechsel (z. B. Dopamin), Unterstützung des neuronalen Energiestoffwechsels, Verminderung der hyperkinetischen Verhaltensstörungen (z. B. Impulsivität, Hyperaktivität). #375.01{sidl7JXSCEJ} Hinweis: Die Supplementierung von Zink (10–25 mg/d, p. o.) kann die Wirksamkeit von Methylphenidat bei hyperkinetischen Verhaltensstörungen verbessern und den Bedarf an Psychostimulanzien verringern. Kinder mit hyperkinetischer Verhaltensstörung weisen häufig einen diätetischen Mangel an Zink auf. In Studien hatte die Supplementierung von Zink einen günstigen Einfluss auf die ADHS-Symptomatik (z. B. Hyperaktivität, Impulsivität, kognitive Leistungsfähigkeit) und die Wirksamkeit von Methylphenidat. #375.02{sidx0qDgkMe} Das Spurenelement Zink ist ein unabdingbares Substrat und Cofaktor für die gesunde Entwicklung und Reifung des zentralen Nervensystems, des Immunsystems und des Hormonsystems. Zink ist Bestandteil von mehr als 300 Enzymsystemen (u. a. Dehydrogenasen, Hydroxylasen, Transferasen) und übernimmt als solches eine wichtige Rolle bei einer Vielzahl elementarer Reaktionen im Intermediärstoffwechsel. Zinkhaltige Enzyme sind am Stoffwechsel der Kohlenhydrate, Lipide und Proteine sowie an der Nukleinsäuresynthese beteiligt. #375.03{sidBnpN7k14} Neurobiochemische und metabolische Störungen im Gehirn bei Zinkmangel #375.04{sidPEN28iZh} Beeinträchtigung der exzitatorischen und inibitorischen Neurotransmission, #375.05{sidd5QwSxaz} Aktivitätseinschränkung von Enzymen der Katecholaminbiosynthese (z. B. Dopamin-β-Hydroxylase), #375.06{siduXk0FYGD} erhöhte Vulnerabilität des Dopamin-(DAT)-Transporters und Glutamat-(NMDA)-Rezeptors, #375.07{sid8r1uQPt1} Reduktion der GABA-Spiegel im Hippokampus, #375.08{sidx2dqSSkL} Störungen des neuronalen Glucose- und Energiestoffwechsels, #375.09{sidkLrGPqcz} Fehlbildungen im ZNS. #375.10{sidKLmVKMAA} Der neuronale Energiestoffwechsel ist auf eine ausreichende Verfügbarkeit von Zink angewiesen. Zinkmangel ist mit erhöhter Neigung zu Aggressivität und Reizbarkeit assoziiert. Zink besitzt eine entscheidende Rolle bei der Regulation der exzitatorischen und inhibitorischen Neurotransmission (siehe Kasten). Eine Störung der neuronalen Transmission führt zu Nervosität, Gedächtnisstörungen und motorischer Unruhe, den bekannten Symptomen des ADHS. #375.11{sidgKERlr4V} Studien: Kontrollierte Studien haben gezeigt, dass Kinder mit ADHS im Vergleich zu gesunden Kindern häufig erniedrigte Zinkspiegel im Serum, den roten Blutkörperchen, den Haaren und den Nägeln aufweisen. Einige Untersuchungen deuten auch auf einen direkten Zusammenhang zwischen der Ausprägung des Zinkdefizits und der Schwere der ADHS-Symptomatik hin. #375.12{sidfS6UKTVE} Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass ein Mangel an Zink z. B. die Aktivität der Dopamin-β-Hydroxylase (wandelt Dopamin in Noradrenalin um) und der Phenylethanolamin-N-methyltransferase (wandelt Noradrenalin in Adrenalin um) im Cortex, Cerebellum und Hippokampus beeinträchtigt. Zink ist darüber hinaus an der Synthese von Melatonin beteiligt, welches eine bedeutende Rolle im Dopamin-Haushalt spielt. Als natürlicher Inhibitor des Dopamin-Transporters (DAT) scheint die Supplementierung von Zink einen direkten positiven Effekt auf die ADHSSymptome zu haben. In einer doppelblinden und placebokontrollierten Studie an 44 Kindern mit ADHS (Alter 5–11 Jahre) konnte durch die begleitende Gabe von Zink (15 mg/d, p. o.) neben der Therapie mit Methylphenidat (1 mg/kg KG/d, p. o.) die Schwere der ADHS-Symptomatik (z. B. Parents ADHS Rating Scale) nach sechs Wochen signifikant verbessert werden (p < 0,001, ○Abb. 31.9). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #376.01{sidgcghyxgi} Abb. 31.9 Beurteilung der Schwere der ADHS-Symptomatik von Seiten der Eltern #375.13{sidFsTEhXVu} Im Tierversuch konnte zudem beobachtet werden, dass Methylphenidat mehrere mitochondriale Atmungskettenkomplexe (z. B. Komplex I) im Kleinhirn, präfontalen Cortex, Striatum und cerebralen Cortex hemmen kann. Auch die Superoxid-Produktion im Kleinhirn wird durch Methylphenidat gesteigert. Zink ist Cofaktor der Superoxid-Dismutase, die Superoxidradikale entgiftet. #376.02{sida6NMwVdc} Die labordiagnostische Objektivierung des Mikronährstoffstatus sowie die Kompensation von Mikronährstoffdefiziten sollte bei hyperkinetischen Verhaltensstörungen die Grundlage jeder Therapie sein, Auswahl von Laborparametern: Omega-3-Fettsäuren (AA:EPA-Quotient), Magnesium (Vollblut), Eisen (Ferritin), Zink (Vollblut), Vitamin D (25(OH)D), Vitamin B6 (Vollblut), Neurostress-Profil (2. MU, Speichel). #376.03{sid1zLJq6mq} 31.2.3 Psychostimulanzien und Omega-3-Fettsäuren (DHA/EPA) #376.04{sidihpYvepm} EPA und DHA unterstützen die medikamentöse Therapie hyperkinetischer Verhaltensstörungen #376.05{sidfnNRfghP} Mechanismus: EPA/DHA regulieren die neuronale Glucoseutilisation, fördern die gesunde Entwicklung der Gehirn- und Nervenzellen, modulieren den Neurotransmitterstoffwechsel im ZNS (z. B. Synthese, Aufnahme und ReUptake von Dopamin und Serotonin, Rezeptorbindung), steigern die Fluidität und Stabilität der Nervenzellmembranen und verbessern die zerebrale Durchblutung. #376.06{sidEvc9yY5c} Folgen: Harmonisierung der Signalübertragung im Neurotransmitterstoffwechsel (z. B. Dopamin, Serotonin), Unterstützung des neuronalen Energiestoffwechsels, Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit (z. B. Leseund Sprechfähigkeit), Verminderung der hyperkinetischen Verhaltensstörungen (z. B. Impulsivität, Hyperaktivität). #376.07{sido375o7DN} Hinweis: Die Supplementierung von EPA/DHA (z. B. 2 000 mg/d, p. o.) kann die Wirksamkeit von Methylphenidat oder Atomoxetin bei ADHS verbessern und den Bedarf an Psychostimulanzien deutlich verringern. #376_377{sid8ejgvb9W} Kinder mit hyperkinetischer Verhaltensstörung weisen häufig eine unzureichende Versorgung mit diesen Gehirnfettsäuren auf. In zahlreichen Studien hatte die Supplementierung von EPA/DHA einen günstigen Einfluss auf die ADHS-Symptomatik (z. B. Hyperaktivität, Impulsivität, kognitive Leistungsfähigkeit, Stimmungsschwankungen). Neben der labordiagnostischen Objektivierung des Fettsäurestatus (z. B. AA:EPA-Ratio) sollte auch der Status anderer Mikronährstoffe wie Magnesium (Erythrozyten), Eisen (Ferritin), Zink und Vitamin B6 kontrolliert und gezielt kompensiert werden. #377.01{sid8E3QlQXE} Die langkettige Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) sind wesentliche Bausteine aller Zellmembranen und damit für das Wachstum und die Regeneration der Zellen essenziell. Gleichzeitig sind sie Ausgangssubstanzen für die köpereigene Synthese der sogenannten Eicosanoide (Prostaglandine, Prostacycline, Thromboxane und Leukotriene). Diese Gewebshormone sind an einer Vielzahl von Zellfunktionen und Regulationsprozessen im Organismus beteiligt, wie der Entwicklung des Gehirns und Nervensystems, der Regulation des Immunsystems sowie bei Entzündungen und der Blutgerinnung. #377.02{sid8rpJVWrZ} Docosahexaensäure (DHA) ist ein wichtiger Baustein der Gehirn- und Nervenzellen sowie der Netzhaut. Der mütterliche DHA-Status beeinflusst maßgeblich die Entwicklung von Intelligenz und Sehfähigkeit des Embryos bzw. Feten. Insbesondere in den letzten zwei bis drei Monaten vor der Geburt und in der Neugeborenenperiode werden große Mengen DHA vom Un- und Neugeborenen verbraucht. Muttermilch enthält im Vergleich zu Kuhmilch bedeutend höhere Mengen DHA und andere essenzielle Fettsäuren. Wenn nicht gestillt wird, muss daher bei künstlicher Milch auf eine adäquate Zusammensetzung hinsichtlich der essenziellen Fettsäuren geachtet werden. Die regelmäßige Einnahme von Omega-3-Gehirnfettsäuren in der Schwangerschaft fördert die gesunde Entwicklung des Kindes (z. B. bessere sprachliche, feinmotorische und soziale Entwicklung) wie die aktuellen Ergebnisse der ALSPAC-Studie unterstreichen. #377.03{sidthK44b1X} Die langkettigen mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) haben großen Einfluss auf das Verhalten und die kognitive Leistungsfähigkeiten (siehe Kasten). Unser Körper wandelt diese essenziellen Fettsäuren in hormonartige Botenstoffe um, die sogenannten Eicosanoide, welche zahlreiche Prozesse in unserem ZNS regulieren. Ein Ungleichgewicht oder eine Unterversorgung hat weit reichende Folgen, die sich unter anderem in geistigen Entwicklungsstörungen und psychiatrischen Erkrankungen wie ADHS äußern können. Auch Lese- und Rechtschreibschwäche (Dyslexia), Beeinträchtigung der motorischen Koordination (Dyspraxie) und autistische Auffälligkeiten sind mit einem gestörten Metabolismus der Omega-3Fettsäuren vergesellschaftet. #377.04{sidbHizArl8} Studien: Mittlerweile liegt eine Reihe von klinischen Studien vor, in denen Kinder mit ADHS oder assoziierten Syndromen von der Supplementierung mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren profitierten. In verschiedenen Studien an Kindern mit ADHS führte die Gabe von DHA und EPA (z. B. 2 000 mg DHA/EPA/d, p. o.) zu einer signifikanten Verbesserung der mit ADHS verbundenen Verhaltensstörungen (z. B. Impulsivität, Hyperakivität). Als Laborparameter kann das Verhältnis der Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren im Blut sowie der AA:EPA-Quotient herangezogen werden. Der Stoffwechsel der Omega-3-Fettsäuren wird insbesondere von den Mineralstoffen Magnesium und Zink unterstützt. #377.05{sidmhPlECtK} Omega-3-Fettsäuren(EPA/DHA)-Mangel und neuronale Störungen HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #377.06{sidzjyrfcnC} Störungen des Neurotransmitterstoffwechsels: #377.07{sidkeZYRrpw} Abfall der Dopaminkonzentrationen im frontalen Cortex und Bulbus olfactorius, #377.08{sidVu8R86Vj} Reduktion der Dopaminfreisetzung aus Vesikeln, #377.09{sid4cCcPU5w} Abnahme der prä- und postsynaptischen Dopaminrezeptordichte im frontalen Cortex, #377.10{sidVo2hGzKN} verminderte Bindung von Dopamin und Serotonin an ihre Rezeptoren, #377.11{sid6MreEosJ} Beeinträchtigung des neuronale Glucose- und Energiestoffwechsels, #378.01{sidRkSe4FEv} Reduktion wichtiger Phospholipide (z. B. Phosphatidylserin), die für die Kommunikation und den Informationsaustausch zwischen Nervenszellen wichtig sind, #378.02{sidog8r2sR3} Beeinträchtigung der zerebralen Durchblutung, #378.03{sidfQyrTf9S} Störung der Integrität der Blut-Hirn-Schranke, #378.04{sidWJYrT0Ct} Abfall des Phophatidylseringehalts im Cortex, Blubus olfactorius und den Mitochondrien. #378.05{sidwSQYO22q} 31.2.4 Psychostimulanzien und Magnesium #378.06{sidtcpgZoE5} Magnesium unterstützt die medikamentöse Therapie hyperkinetischer Verhaltensstörungen #378.07{sidAN3i7Q1U} Mechanismus: Magnesium reguliert den neuronalen Glucose- und Energiestoffwechsel im ZNS, ist ein natürlicher Antagonist des NMDA-Rezeptors (Glutamat = exzitatorischer Neurotransmitter und NMDA-Rezeptor-Agonist), fördert die Verfügbarkeit von Serotonin aus L-Tryptophan, verminderte die Ausschüttung von Stresshormonen und wirkt muskelrelaxierend. #378.08{sid1LKoyA7k} Folgen: Harmonisierung der Signalübertragung im Neurotransmitterstoffwechsel (z. B. Serotonin), verminderte Vulnerabilität gegenüber exzitatorischen Neurotransmittern (z. B. Glutamat), Steigerung der Stressresistenz, Reduktion von Stimmungsschwankungen, Verminderung der hyperkinetischen Verhaltensstörungen (z. B. Hyperaktivität, Impulsivität) #378.09{siduEDtnynq} Hinweis: Die Supplementierung von Magnesium (6–10 mg Magnesium/kg KG/d, p. o., z. B. als Citrat, Orotat, Taurat) kann die Wirksamkeit von Methylphenidat bei hyperkinetischen Verhaltensstörungen verbessern (und zum Teil den Bedarf an Psychostimulanzien verringern). Kinder mit hyperkinetischer Verhaltensstörung weisen häufig einen Magnesiummangel auf (→ erythrozytäre Magnesiumspiegel < 2,2 mmol/l). Eine Magnesiumtherapie hat einen günstigen Einfluss auf verschiedene ADHS-Symptome (z. B. Hyperaktivität, Impulsivität, Stimmungsschwankungen). #378.10{sidxFKZUg30} 31.2.5 Psychostimulanzien und Eisen #378.11{sid1eNj5nyy} Eisen unterstützt die medikamentöse Therapie hyperkinetischer Verhaltensstörungen #378.12{sidztdY7UYv} Mechanismus: Eisen ist Cofaktor der Tyrosin-Hydroxylase, dem limitierenden Enzym für die KatecholaminSynthese (z. B. Dopamin). Unzureichende Versorgung mit Eisen beeinträchtigt die zerebrale Glucoseverwertung und begünstigt das Auftreten von Konzentrations- und Lernstörungen. Ein Eisenmangel ist mit der Entwicklung von dopaminergen Dysfunktionen (z. B. Dichte des Dopamin-Transporters ↓, Dopamin Rezeptoren D1 und D2 ↓ in den Basalganglien) und psychopathologischen Erkrankungen wie ADHS assoziiert, Entzündungsprozesse ↑ (z. B. IL-6). #378.13{sidl99mfVLu} Folgen: Eisen unterstützt die medikamentöse Therapie (z. B. Methylphenidat) hyperkinetischer Verhaltensstörungen. #378.14{sidOcI7A0uR} Hinweis: Bei ADHS ist die labordiagnostische Objektivierung (z. B. Ferritin, löslicher Transferrin-Rezeptor, sTfR) und entsprechende Kompensation des Eisenstatus generell sinnvoll. #378.15{sidE3ka4iG8} 31.2.6 Risperidon und Eisen #378.16{sidPo7gE7XS} Langzeittherapie mit Risperidon ist mit Eisendepletion assoziiert #378.17{sidKHzkuh2h} Mechanismus: Risperidon induziert die Bildung von proinflammatorischen Zytokinen: IL-6 ist ein bekannter Induktor der Hepcidin-Synthese, Hepcidin beeinträchtig durch Down-Regulation von Ferroportin die zelluläre Eisenaufnahme (z. B. Gehirn). Eisen ist Cofaktor der Tyrosin-Hydroxylase, dem limitierenden Enzym für die Katecholamin-Biosynthese (z. B. Dopamin). Eisenmangel steigert Hyperprolaktinämie. #379.01{sidzhdjiZ7k} Folgen: Eisen unterstützt die medikamentöse Therapie psychopathologischer Erkrankungen mit Risperidon. #379.02{sidE4rFSpcF} Hinweis: Unter einer Therapie mit Risperidon die labordiagnostische Objektivierung (z. B. Ferritin, löslicher Transferrin-Rezeptor, sTfR) und entsprechende Kompensation des Eisenstatus generell sinnvoll. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #379.03{sid4VruHKFZ} Studien: An einer aktuellen Studie an 115 Kindern (Alter: 11,6 ± 2,8 Jahre) war bei 45 % eine Eisen-Depletion und bei 14 % eine Eisenmangelanämie nachweisbar. Der Eisen-Status war invers assoziiert mit den IL-6 und Prolaktinspiegeln. Letztere waren nahezu um 50 % in der Gruppe mit Eisenmangel erhöht. #379.04{sidjzkiD9R8} 31.2.7 Psychostimulanzien und Phosphatidylserin #379.05{sid4gnnSYVN} Phosphatidylserin unterstützt die medikamentöse Therapie hyperkinetischer Verhaltensstörungen #379.06{sidb1dNQXDM} Mechanismus: Phosphatidylserin (PS) ist das dominierende Phospholipid im Gehirn und spielt eine zentrale Rolle bei der Freisetzung und Signaltransduktion von Neurotransmittern (z. B. Dopamin, Serotonin). Unzureichende Versorgung mit PS begünstigt Störungen der zerebralen Glucoseverwertung sowie Konzentrations- und Lernstörungen. #379.07{sidCnt3lNs0} Folgen: Phosphatidylserin unterstützt die medikamentöse Therapie hyperkinetischer Verhaltensstörungen. #379.08{sidMVbjPtF1} Hinweis: Bei ADHS ist die begleitende Supplementierung von gehirnaktiven Mikronährstoffen wie Phosphatidylserin (100–200 mg PS/d, p. o.) zusammen mit B-Vitaminen und Omega-3-Fettsäuren sinnvoll. #379.09{sidGrCgH7Eg} Studien: Phosphatidylserin ist das dominierende Phospholipid im Gehirn. Dort ermöglicht es die Kommunikation zwischen den Nervenzellen und fördert die Bildung der zur Reizweiterleitung wichtigen Neurotransmitter Serotonin, Noradrenalin, Dopamin und Acetylcholin. Auch die synaptischen Aktivitäten der Neurotransmitter und der damit verbundene Informationsaustausch zwischen den Neuronen im Gehirn und Nervensystem werden durch Phosphatidylserin reguliert. Speziell die kognitiven Prozesse der Speicherung und des Abrufens von Informationen werden verbessert. #379.10{sidrw4GQAhM} In einer aktuellen, doppelblinden, placebokontrollierten Studie an 36 Kindern mit ADHS (Alter: 4–14) konnte durch die Supplementierung von Phosphatidylserin (200 mg PS/d, p. o.) über einen Zeitraum von zwei Monaten der ADHS-Score (z. B. Aufmerksamkeit, Impulsivität) sowie die kognitive Leistungsfähigkeit (z. B. auditorisches Kurzzeitgedächtnis) signifikant verbessert werden. #379.11{sidOZMueDrL} Literatur #379.12{sidQS7zGCDz} Akhondzadeh S et al. Zinc sulfate as an adjunct to methylphenidate for the treatment of attention deficit hyperactivity disorder in children: A double blind and randomized trial. BMC Psychiatry, 4: 1–6, 2004 #379.13{sidJYF6D0Po} Alpert M et al. Prediction of treatment response in geriatric depression from baseline folate level: interaction with an SSRI or tricyclic antidepressant. 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Autoreaktive T-Lymphozyten (CD 8 +-zytotoxische T-Zellen) und Autoantikörper gegen die Thyreoperoxidase (TPO) und Thyreoglobulin (TG) induzieren autoimmundestruktive Prozesse mit der Folge einer Hypothyreose. Bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse kann die Therapie mit L-Thyroxin durch den labordiagnostisch validierten Einsatz von Selen optimiert werden. #383.03{sidyEMG3fwd} 32.1 Selen und Schilddrüse #383.04{sidRwGnHwbC} Selen ist ein essenzielles Spurenelement, das in mindestens 25 Enzymgruppen benötigt wird. Bislang gut charakterisiert sind die Glutathionperoxidasen (antioxidative Schutzenzyme), die Thioredoxinreduktasen (regulieren den Redoxhaushalt der Zelle, die DNA-Synthese sowie den Zellteilungszyklus) und die Dejodasen (Umwandlung von T4 in das aktive Schilddrüsenhormon T3). Selenoprotein P (SelP) mag antioxidative Eigenschaften haben, vor allem aber dürfte es ein Selentransportprotein sein. Es weist multiple Selenocysteinreste auf und stellt fast 50 % des gesamten Plasmaselens. Darüber hinaus stellt es die Versorgung des Gehirns mit Selen unter Mangelbedingungen sicher. #383.05{sidTr7bTYOk} Selen ist Cofaktor antioxidativ und antientzündlich wirkender Selenoproteine, zu denen die Glutathionperoxidasen (GSH-Px) und die Thioredoxin-Reduktasen (TrxR) gehören. Das Selenoprotein TrxR beeinflusst die DNA-Synthese, die Proteinfaltung durch Reduktion oxidierter Proteindisulfidbrücken und die Aktivität von Transskriptionsfaktoren (NF-κB, AP-1). Das menschliche Genom enthält 25 Gene, die für 17 verschiedene Selenoproteinfamilien codieren. Die GSH-Px spielt eine zentrale Rolle bei der Elimination zelltoxischer Peroxide (○Abb. 32.1). Eine besonders hohe Aktivität dieses antioxidativen Schutzenzyms findet sich in der Schilddrüse. Die Schilddrüse ist mit 600–1 240 ng/g das Gewebe mit dem größten Selengehalt im Körper. Für einen adäquaten Hormonstoffwechsel benötigt die Schilddrüse nicht nur eine ausreichende Menge Iod, sondern auch Eisen, Zink und Selen. #384.01{sidnsgaJWWv} Abb. 32.1 Selen und Schilddrüsenhormonstoffwechsel #383_384{sidCRhHyZa7} Ein Selenmangel ist mit einer verminderten Aktivität der GSH-Px und IrxR im Schilddrüsengewebe assoziiert. Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) und Lipidperoxide werden somit nur noch unzureichend metabolisiert. Dies führt zu einer permanenten Exposition der Thyreozyten mit H2O2 und damit potenziell zu oxidativem und nitrosativem Stress. Freie Radikale wie H2O2 können die Aktivität der Thyreoperoxidase (TPO) und der Deiodinasen sowie die HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Iodidaufnahme und den Iodidtransport in die Schilddrüsenfollikel hemmen. Als Folge werden Entzündungsprozesse angestoßen, die in ihrem Verlauf eine follikuläre Atrophie und im Spätstadium zu einer milden bis moderaten Fibrose führen. Durch die Entzündungsreaktion kommt es zu einer erhöhten Zytokinproduktion und dadurch zu einer weiteren Überladung mit ROS. T-Zell-Zytokine wie TNF-α und IL-1 lösen eine Sensibilisierung der Thyreozyten gegenüber Fas-vermittelter Apoptose-Induktion aus und erhöhen die Expression proinflammatorischer Substanzen wie Adhäsionsmoleküle, Zytokine und NO durch die Schilddrüsenzellen. Für eine optimale Aktivität der GSH-Px sowie der TrxR sind Selenspiegel im Serum von etwa 100 µg/l (120 µg/l im Vollblut) bzw. 120 µg/l (140 µg/l im Vollblut) notwendig. #384.02{sidhGMfYJl7} Weitere wichtige Selenoproteine im Schilddrüsenstoffwechsel sind die Deiodinasen, die u. a. die reduktive Deiodierung von L-Thyroxin (T4) in das aktive Schilddrüsenhormon Triiodthyronin (T3) katalysieren (○Abb. 32.1). Die 5’-Deiodinase umfasst drei Isoenzyme und ist in verschiedenen Geweben verteilt. Die Typ-1–5’-Deiodinase wird vor allem in der Schilddrüse, der Leber, den Nieren und der Muskulatur exprimiert. Sie wandelt im peripheren Gewebe T4 zu T3 um, wobei ca. 80 % des Serum-T3 5’-Deiodinaseabhängig synthetisiert wird. Darüber hinaus metabolisiert sie das biologisch inaktive rT3 zu 3,3’-T2, das dann zur Resynthese von Schilddrüsenhormonen benutzt wird. Die Typ-2–5’-Deiodinase findet sich in Gehirn, Keratinozyten, Hypophyse, Plazenta, Herzmuskel, Skelettmuskulatur und braunem Fettgewebe. Sie wandelt T4 zu T3 durch Deiodierung am äußeren Ring des T4-Moleküls um. Dies geschieht hauptsächlich intrazellulär. Die Aktivität des Enzyms steht in Wechselwirkung zur T4-Konzentration. Die TSH-Regulation ist von einer normalen Typ-2–5’-Deiodinase-Aktivität abhängig. Die Bedeutung der Typ-3–5’Deiodinase, die überwiegend im Gehirn und in der Plazenta synthetisiert wird, scheint im Schutz des Gehirns und des Föten vor übermäßiger T4-Einwirkung bei Hyperthyreose zu bestehen. Sie wandelt T4 zu inaktivem rT3 um. Ein Mangel an Selen führt zur Aktivitätsminderung der Typ-1- sowie der Typ-2–5’-Deiodinase und damit zur Verminderung des intrazellulären T3. Die TSH-Regulation wird über T3-Rezeptoren im entsprechenden Nukleus der Hypophyse gesteuert. Pathophysiologisch führt eine intrazelluläre Erniedrigung des T3 zu einem Feedback mit konsekutiver Erhöhung des TSH. #385.01{sidxBk7asLr} Aufgrund von Metaanalysen gilt derzeit die Messung des Gesamtselens im Vollblut oder Serum/Plasma mittels Atomabsorptionsspektroskopie (AAS) oder Massenspektroskopie (ICP-MS) als valide Methode. Die Messung im Vollblut ist vorzuziehen, da Selen sich annähernd gleich in zellulärer und flüssiger Phase verteilt. Möglicherweise bietet die Bestimmung der Konzentration des Transportproteins Selenoprotein P (SeP oder SEPP1) in Zukunft eine bessere Möglichkeit der Messung. Ein entsprechender Test wurde entwickelt und dürfte bald als kommerzieller Kit zur Verfügung stehen. #385.02{sidMlmucown} Derzeit ist der optimale Selenspiegel für den Menschen nicht genau bekannt, da die meisten Selenenzyme kinetisch noch nicht ausreichend charakterisiert sind. Die derzeit beste Schätzung des Optimalwerts nach Rayman (Lancet 2012) liegt bei ca. 130–150 µg Selen/l Serum bzw. 162,5–187,5 µg Selen/l Vollblut. #385.03{sidxfUSDkK9} 32.1.1 L-Thyroxin und Selen #385.04{sid1IxidIaq} Selen optimiert die Wirkung von L-Thyroxin bei Autoimmunthyreoiditis #385.05{sidR9r1ysHn} Mechanismus: Immunoendrokrine Wirkung von Selen (Cofaktor der GSH-Px und Deiodinasen): Optimierung des Schilddrüsenhormonstoffwechsels (T4 → T3), Hemmung der Lipidperoxidation, Reduktion der TSH-Spiegel sowie Antikörpertiter gegen Thyreoglobulin (TG-Ak) und Thyreoperoxidase (TPO-Ak). #385.06{sidOwFW1mgi} Folgen: Entzündungsprozesse und Radikalproduktion im Schilddrüsengewebe ↓, Zytokinproduktion ↓, Verbesserung der klinischen Symptome und der Lebensqualität. #385.07{sidMEpzH9E1} Hinweis: Selen (z. B. 200–300 µg Selen/d, p. o. als Natriumselenit) kann neben der Besserung der klinischen Symptome zu einem statistisch signifikanten Anstieg des Selenspiegels sowie zu einer signifikanten Reduktion der Antikörpertiter gegen die Thyreoperoxidase (TPO-Ak) und einer signifikanten Senkung der TG-Ak- und TSH-Spiegel führen. #385.08{sidN1uHz7wM} Die Hashimoto-Thyreoiditis ist mit entzündlichen Prozessen verbunden, die in der frühen Phase mit einer leichten Lymphozyteninfiltration der Schilddrüse beginnen, symptomlos verlaufen und daher häufig nicht erkannt werden. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer dichten lymphoiden Zellinfiltration mit destruktiver Thyreoiditis und schließlich zur Fibrosierung der Schilddrüse. Bei der klinischen Untersuchung findet man eine nicht schmerzhafte Struma. Das klinische Bild wird im fortgeschrittenen Stadium durch die Symptome der Hypothyreose (z. B. Müdigkeit, Leistungs-, Muskelschwäche, Kälteempfindlichkeit, Kribbelparästhesien an Händen und Füßen) geprägt. Andere Autoimmunerkrankungen wie perniziöse Anämie (→ Vitamin-B12-Status) und endokrine Störungen (z. B. NNRInsuffizienz) werden häufig mit beobachtet. #385.09{sidcfVADqCO} Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis haben häufig einen unzureichenden Selen-Status. Neben der Substitutionstherapie mit Schilddrüsenhormonen (z. B. 50–100 µg L-Thyroxin/d) konnte in verschiedenen klinischen Studien durch die Gabe des immunmodulierend und antioxidativ wirkenden Selens (z. B. 200–300 µg Selen/d, p. o. als Natriumselenit) neben der klinischen Besserung ein statistisch signifikanter Anstieg des Selenspiegels sowie eine signifikante Reduktion der Antikörpertiter gegen die Thyreoperoxidase (TPO-Ak) und eine signifikante Senkung der TG-Ak- und TSH-Spiegel beobachtet werden (der TPO-Autoantikörper-Spiegel ist ein Grad für die Entzündung in der Schilddrüse). Wichtig: Aufgrund der Assoziation mit anderen Autoimmunerkrankungen wie Typ-A-Gastritis sollte grundsätzlich auch der Vitamin-B12-Status (→ Methylmalonsäure) kontrolliert und gegebenenfalls durch intramuskuläre Applikation kompensiert werden. #385_386{sid1bEXpYZz} Studien: In einer prospektiven, placebokontrollierten Studie erhielten 36 Frauen (Verum: 41,6 ± 12,1 Jahre, Placebo: 43,0 ± 12,1 Jahre) mit manifester Hashimoto-Thyreoiditis über einen Zeitraum von drei Monaten täglich 200 µg Selen als Natriumselenit. Die Frauen in der Selen-Gruppe zeigten im Vergleich zu den 34 Frauen der Placebo-Gruppe einen signifikanten Rückgang der TPO-Ak auf 63,6 %. Bei 9 von 36 Frauen war sogar eine Normalisierung der TPO-Ak nachweisbar. Auch die Lebensqualität der Frauen in der Verum-Gruppe hatte sich deutlich verbessert. In einer randomisierten Studie wurden Kinder und Jugendliche (8–17 Jahre) mit labordiagnostisch gesicherter Autoimmunthyreoiditis und nachfolgender hypothyreotischer Stoffwechsellage auf die Wirkung einer Selensubstitution über 24 Wochen hin untersucht. Untersucht wurden subjektive Symptome mittels visueller Analogskala und Laborparameter wie Schilddrüsenhormone, Schilddrüsenautoantikörper, CRP und Selen vor, während und sechs Monate nach Therapie. Bei den Kindern und Jugendlichen kam es unter der zusätzlichen Selentherapie zu einer signifikanten Besserung der klinischen Symptomatik und zum Rückgang der Schilddrüsenautoantikörper-Titer. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #386.01{sidgEmlj1nt} 32.1.2 Iod und Selen #386.02{sidCLqokgJq} Selenmangel verstärkt eine bereits durch Iodmangel vorhandene Hypothyreose #386.03{sidZVZrKDUP} Mechanismus: Verminderte Umwandlung von T4 in T3, GSH-Px-Aktivitäts #386.04{sidpre3XLoh} Folgen: Oxidative Schäden des Schilddrüsengewebes durch H2O2 ↑ #386.05{sidTGBVyWcV} Hinweis: Bei Selenmangel kommt es durch Verringerung der GSH-Px-Aktivität bei gleichzeitigem Iodmangel zu oxidativen Schäden durch H2O2, welches aufgrund der TSH-Stimulation vermehrt bei der Synthese von Schilddrüsenhormonen gebildet wird. #386.06{sidxZmwnQTk} Studien: Bei älteren Menschen mit einem niedrigen Selenstatus konnte in einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie gezeigt werden, dass sich nach der Supplementierung von Selen nicht nur der Selenstatus verbessert, sondern auch der T4-Spiegel abnahm, als Ausdruck der verstärkten Umwandlung von T4 in T3. In einer Untersuchung bei stillenden Frauen wurde bei marginalem Selen-Angebot von < 20 µg/Tag eine verminderte fT3-Konzentration im Serum festgestellt als Folge einer verminderten Aktivität der Thyroxin-5´Deiodase-1. Die Supplementierung von 50 µg Selen pro Tag normalisierte den fT3-Spiegel der Stillenden signifikant. #386.07{sidE77oIMK9} 32.1.3 L-Thyroxin, Eisen und Calcium #386.08{sid5kyZLCZc} Eisen und Calcium verringern Resorption von L-Thyroxin #386.09{sidE9fa2hdo} Mechanismus: Verminderte Resorption von L-Thyroxin durch Komplexbildung mit Calcium oder Eisen. #386.10{sidFHDo2ZU4} Folgen: Verminderte Bioverfügbarkeit und Wirkung (auch Wirkungsschwankungen) von L-Thyroxin. #386.11{sidFD5oWX59} Hinweis: Einnahmeabstand von 1 bis 2 Stunden mit Calcium- bzw. Eisenpräparaten, gesamte Tagesdosis von LThyroxin sollte morgens nüchtern, mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück mit reichlich Flüssigkeit unzerkaut eingenommen werden. #386.12{sid8M6BtS2L} 32.1.4 L-Thyroxin und Vitamin D #386.13{sidulI8VRfC} Vitamin D wirkt Entzündungsprozessen bei Hashimoto entgegen #386.14{sid7MPrgerT} Mechanismus: Vitamin D wirkt antientzündlich, antioxidativ, immunregulierend (z. B. C3-Komplement) und greift über VDR in den Schilddrüsenhormonstoffwechsel ein. Zudem werden die Thyreoperoxidase-Antikörper (TPO-AK) durch Vitamin D gesenkt und damit die pathogologische autoimmunbedingte Schilddrüsenentzündung. #386.15{sidxdUykGFR} Folgen: Vitamin D verbessert die Stoffwechsellage bei Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis. #386_387{sidIBCVfgA1} Hinweis: Verschiedene Studien belegen, dass Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis im Vergleich zu gesunden Personen signifikant erniedrigte 25(OH)D-Spiegel im Blutserum aufweisen. Dabei steht der Vitamin-D-Mangel im direkten Zusammenhang mit einem Anstieg der Antikörper-Spiegel (z. B. TPO-(Thyreoperoxidase-)Antikörper) sowie der Dauer, Schwere und dem Fortschreiten (Progression) der entzündlichen Schilddrüsenerkrankung, bis hin zur klinisch erkennbaren (manifesten) Hypothyreose. Einige unspezifische Beschwerden des Vitamin-D-Mangels, wie Müdigkeit, Gelenkschmerzen und Leistungsabfall, überschneiden sich mit den Symptomen der HashimotoThyreoiditis. Außer in vielen anderen Organen sind auch in der Schilddrüse Rezeptoren für Vitamin-D-Hormon nachgewiesen worden. Störungen des Immunsystems als Folge eines Vitamin-D-Mangels können die autoimmunbedingten Entzündungsprozesse in der Schilddrüse verstärken. #387.01{sidtqGZTSWW} Studien: In einer aktuellen Studie an Patienten mit Vitamin-D-Mangel und Hashimoto-Thyreoiditis wurde über 4 Monate der Einfluss einer Vitamin-D-Supplementierung (1 200–4 000 I. E. Vitamin D/d, p. o.) auf die Schilddrüsenfunktion und Krankheitsaktivität untersucht. Dabei stieg der 25(OH)D-Spiegel von 14,6 auf 45,7 ng/ml und die TPO-Antikörper-Spiegel fielen als Zeichen einer reduzierten Krankheitsaktivität signifikant um 20,3 % (364 ± 181 → 290 ± 116 IU/ml). Obwohl dieser Abfall auf den ersten Blick relativ gering erscheint, ist er doch umso bedeutender, weil die TPO-Antikörper über die Aktivierung des C3-Komplements direkt an der Zerstörung gesunder Schilddrüsenzellen beteiligt sind. Das C3-Komplement ist ein Eiweiß, das zusammen mit mehreren anderen Proteinen ein System zur Abwehr von Erregern im Blut bildet und bei Entzündungsprozessen eine Rolle spielt. Es ist eng verzahnt mit unserem Immunsystem. #387.02{sid3ZQhtuVI} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 32.1.5 L-Thyroxin und Vitamin B12 #387.03{sidOvW8lQZZ} Vitamin-B12-Mangel bei Hashimoto Thyreoiditis #387.04{sidYz79OVvI} Mechanismus: Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis weisen vermehrt auch eine Autoimmunerkrankung des Magen-Darm-Trakts, eine Typ-A-Gastritis auf. Bei der Typ-A-Gastritis bildet der Körper Antikörper gegen bestimmte Zellen in der Magenschleimhaut, die sogenannten Belegzellen. #387.05{sidCu768XGp} Folgen: Mangel an Vitamin B12, Neuropathien, #387.06{sidE3PED7B5} Hinweis: Da Vitamin-B12-Mangel zur Hirnatrophie und zu schweren Nervenschäden führen kann, sollte der VitaminB12-Status bei allen Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis in jedem Fall ärztlich abgeklärt und durch orale, hoch dosierte Supplementierung (z. B. 1 000 µg Me-Cobalamin/d) oder intramuskulärer Gabe von Vitamin B12 ausgeglichen werden. #387.07{sid22NzXMoT} Normalerweise produzieren die Zellen im GIT Magensäure und den Transportfaktor Intrinsic-Faktor. Magensäure und Intrinsic-Faktor sind für die Aufnahme von Vitamin B12 aus der Nahrung notwendig. Fehlt der Intrinsic-Faktor, kann sich ein Vitamin-B12-Mangel entwickeln. #387.08{sid8kTBooof} 32.1.6 L-Thyroxin und Eisen #387.09{sid1yhXp7GF} Eisenmangel verschlechtert die Schilddrüsenfunktion #387.10{sid7zfugSud} Mechanismus: Eisen kommt vor allem in den apikalen Zellmembranen der Thyreozyten vor. Die ThyroidPeroxidase ist ein Häm-Enzym, das Eisen als Zentralatom komplex gebunden hat. #387.11{sidQikrFcVy} Folgen: Eisen verbessert die Wirksamkeit von L-Thyroxin bei Schilddrüsenerkrankungen wie HashimotoThyreoiditis. #387.12{sidqpyMKDEE} Hinweis: Die Bildung von Schilddrüsenhormonen ist nicht nur von Iod, sondern auch von Eisen abhängig. Eisenmangel kann den Schilddrüsenstoffwechsel beeinträchtigen. Die Gabe von Eisen verbesserte bei Kindern, die unter einem Kropf und Eisenmangel litten, deutlich die Wirksamkeit von Iod. Die vergrößerte Schilddrüse ließ sich so wesentlich besser behandeln. Auch bei anämischen Frauen verbessert die Gabe von Eisen die Schilddrüsenhormonspiegel. Gleichzeitig ist Eisen auch wichtiger Bestandteil des Schilddrüsenenzyms ThyroidPeroxidase (TPO). Ein Eisenmangel trägt zu einer Hemmung des Schilddrüsenstoffwechsels bei, kann also eine Schilddrüsenunterfunktion mit verursachen und vor allem verstärken. Gleichzeitig ist bei einer Schilddrüsenunterfunktion die Aufnahme von Eisen verschlechtert. #387_388{sidNwGd0LU5} Die Bestimmung des Ferritins, CRP und des löslichen Transferrin-Rezeptors (sTfR) sind geeignete Möglichkeiten der labormedizinischen Kontrolle des Eisenstatus. Ferritin ist nur ein Maß für den Eisenspeicher und kann durch Entzündungsprozesse verfälscht werden. Daher sollten zum Ferritin immer auch der Entzündungsparameter CRP sowie zur Untermauerung der Eisen-Diagnostik der lösliche sTfR bzw. Ferritin-Index sowie die Leberwerte (z. B. Gamma-GT) mit gemessen werden. #388.01{sidI2NRnSn0} Literatur #388.02{sidPCKuwesE} Anke M et al. Die Versorgung Erwachsener Deutschlands mit Iod, Selen, Zink bzw. Vanadium und mögliche Interaktionen dieser Elemente mit dem Iodstoffwechsel. In: Aktuelle Aspekte des Iodmangels und Iodüberschusses. Interdisziplinäres Iodsymposium. K Bauch (Hrsg.), S. 147–176. Blackwell-Wiss.-Verl., Berlin 2000 #388.03{sid5iWkcZuD} Elias E, Mazokopakis EE, Papadomanolaki MG et al. Is vitamin D related to pathogenesis and treatment of Hashimoto‘s thyroiditis? Hell J Nucl Med, 18 (3): 222–227, 2015 #388.04{sid6caGIL6D} Gärtner R et al. Selenium supplementation in patients with autoimmune thyroiditis decreases thyroid peroxidase antibodies concentrations. J Clin Endocrinol Metab, 87 (4):1687–1691, 2002 #388.05{sidIRvZxIOX} Gröber U. Selen und Hashimoto-Thyreoiditis. Dtsch Apoth Ztg, 148 (11): 61–64, 2008 #388.06{sidFguA5qDv} Hu S, Rayman MP. Multiple nutritional factors and the risk of Hashimoto‘s Thyroiditis. Thyroid; doi: 10.1089/thy.2016.0635, 2017 #388.07{sidqle4yePx} Mazokopakis EE et al. Effects of 12 months treatment with L-selenomethionine on serum anti-TPO Levels in Patients with Hashimoto‘s thyroiditis. Thyroid, 17 (7): 609–612, 2007 #388.08{sid5iNmRkOY} Ranjbar A et al. Immunendokriner Effekt des Selens bei Immunthyreoiditis mit hyperthyreoter Stoffwechsellage im Kindes- und Jugendalter. Zs f Orthomol Med, 4: 6–9, 2010 #388.09{sidqoEhRlbg} Rayman MP. Selenium and human health. Lancet, 379 (9822): 1256–1268, 2012 #388.10{sid3qhNtHT5} Schlemmer L, Kahaly GJ. Selen und Hashimoto-Thyreoiditis. Zs f Orthomol Med, 3: 14–18, 2010 #388.11{sidMQPXawro} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Vanderpas JB et al. Selenium deficiency mitigates hypothyroxinemia in iodine deficient subjects. Am J Clin Nutr, 57: 271–275, 1993 #389.01{sidZsWlk6ln} 33 Sexualhormone und Antiestrogene #389.02{sidbPOeW7CM} Orale Kontrazeptiva können bei langfristiger Einnahme mit einer Reihe von Vitaminen und Mineralstoffen interagieren. So zeigen verschiedene Studien, dass unter der Therapie mit oralen Ovulationshemmern die Plasmaspiegel der B-Vitamine (z. B. Vitamin B6, B12, Folsäure) und Spurenelemente (z. B. Zink) abfallen (□ Tab. 33.1). Dadurch können subklinische Mangelzustände induziert und/oder verstärkt werden, die sich durch psychische Befindlichkeitsstörungen (z. B. Reizbarkeit) äußern. Da sich die Vitaminspiegel durch eine Verringerung des Estrogenanteils zum Teil normalisieren lassen, werden die Veränderungen des Vitaminstatus überwiegend auf die Estrogenkomponente in Kombinationspräparaten zurückgeführt. Gestagene beeinflussen den Vitaminstatus nur wenig. #389.03{sidI99jkqq0} 33.1 Kontrazeptiva und Mikronährstoffe #389.04{siduWr7XrRS} 33.1.1 Orale Kontrazeptiva und Vitamin B6 #389.05{sid1diWw9OQ} Vitamin-B6-Mangel durch orale Kontrazeptiva #389.06{sidnkQAYQ1Z} Mechanismus: Erhöhter Bedarf an Vitamin B6; Abfall der Vitamin-B6-Serumspiegel; Störungen im Tryptophanmetabolismus als Folge der reduzierten Aktivität der von Pyridoxalphosphat abhängigen Kynureninase. #389.07{sidosowMldA} Folgen: Erhöhte Xanthurensäure-Exkretion nach Tryptophanbelastung (> 30 mg/24h); erhöhter Aktivierungskoeffizient der erythrozytären Aspartat-Aminotransferase (≥ 1,85); Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l); Störungen im Tryptophanstoffwechsel (→ Serotoninmangel im Zentralnervensystem): Kopfschmerzen, Reizbarkeit, depressive Verstimmungen; zum Teil verminderte Glucosetoleranz. #389.08{sidXL5OkXmi} Hinweis: L-Tryptophan ist eine essenzielle Aminosäure, die unter physiologischen Bedingungen zu den Neurohormonen Serotonin und Melatonin verstoffwechselt wird. Im Blut wird L-Tryptophan zu 80 bis 90 % an Albumin gebunden und nur ein geringer Teil liegt frei im Plasma vor. Nur etwa 1 % des aufgenommenen L-Tryptophans wird in Serotonin umgewandelt. Dabei erfolgt der größte Anteil der Serotonin-Synthese in den enterochromaffinen Zellen des Gastrointestinaltrakts und nur ein geringer Teil im zentralen Nervensystem. #390.01{sidaEM0BbsW} Tab. 33.1 Einfluss oraler Kontrazeptiva auf die Plasma- bzw. Serumspiegel von Mikronährstoffen #390.02{sid7k2WzJnH} Mikronährstoff Einfluss auf den Plasma/Serumspiegel Vitamin B2 (Riboflavin) ↓ Gruppe #390.03{sidCy3FSEe9} Vitamine #390.04{sidGGWUrYcL} ↓ Vitamin B6 (Pyridoxin) #390.05{sidRobjXM7f} ↓ Vitamin B12 (Cobalamin) #390.06{sidoG6aTJoF} ↓ Folsäure #390.07{sidffrAMxcT} ↓ Vitamin C #390.08{sidyD4qyIMP} ↑ Vitamin A #390.09{sidTXQN6cKd} Mineralstoffe Magnesium ↓ #390.10{sidYbu9NuH9} ↓ #390.11{sidgdN6hqNZ} ↑ Zink Kupfer #390.12{sidIoJIjBze} ↑ Eisen #389.09{siduZLzmV4X} Unter physiologischen Bedingungen wird etwa 1 % des L-Tryptophans durch das Enzym Tryptophan-5-Hydroxylase (TPH) in 5-Hydroxytryptophan umgewandelt. Dieser Stoffwechselweg ist von den Cofaktoren Folsäure, Vitamin B3, Eisen, Kupfer und Vitamin C abhängig. Insulinresistenz, Hypercortisolismus (Stress) sowie Niacin- und Vitamin-B6- HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Mangel beeinträchtigen die Aktivität der TPH. Auch das im Rahmen von Nitrostress entstehende Peroxynitrit kann die TPH blockieren. 5-Hydroxytryptophan wird weiter durch die aromatische L-Aminosäure-Decarboxylase (AD) in Serotonin überführt. Ein Mangel an Vitamin B6 und die Induktion der Tryptophan-2,3-Dioxygenase (TDO) z. B. durch Estrogene, erhöht als Folge der Akkumulation von Kynurenin und 3-OH-Kynurenin die Xanthurensäurebildung. Erhöhte Xanthurensäurespiegel begünstigen die Bildung von ROS. Die hydroxylierte Chinonstruktur der Xanthurensäure bindet Eisen und bildet so einen Komplex, der z. B. die DNA oxidativ schädigen kann. Xanthurensäure kann auch mit Insulin Komplexe bilden und die Stoffwechselaktivität des Hormons einschränken. Die Supplementierung von Vitamin B6 kann Störungen der Glucosetoleranz entgegen wirken. #390.13{sidpTRbCG62} Auch verschiedene immunologische und endokrinologische Mechanismen können den oxidativen Abbau von LTryptophan zu Kynurenin begünstigen. In der Leber wird L-Tryptophan über die Tryptophan-2,3-Dioxygenase (TDO) zu Kynurenin abgebaut und in Makrophagen, Astrozyten und Mikrogliazellen über die Indolamin-2,3-Dioxygenase (IDO). Die IDO wird durch proinflammatorische Zytokine wie TNF-α und Interferon-ץ induziert. Infolge der Enzyminduktion wird der Abbau von L-Tryptophan in Richtung Kynureninstoffwechsel verstärkt. Die Folge ist eine Abnahme der Tryptophan-Konzentrationen im Plasma mit einer reduzierten Biosyntheseleistung an Serotonin. Eine Serotonin-Insuffizienz kann sich im GIT durch Motilitätsstörungen und Schmerzen äußern und zentralnervös durch Depressionen und Angstzustände. Darüber hinaus führt die Aktivierung der IDO zu einer vermehrten Produktion von Chinolinsäure, einem Agonisten des NMDA-Rezeptors. Unter der Einnahme oraler Kontrazeptiva ist die regelmäßige Supplementierung von Vitamin B6 (z. B. 5 bis 25 mg/d, p. o.) in Kombination mit Folsäure und Vitamin B12 empfehlenswert, um einem medikationsbedingten erhöhten Bedarf zu kompensieren. Bei Symptomen eines gestörten Tryptophanstoffwechsels (z. B. depressive Verstimmungen) sollten Vitamin B6 (z. B. 50 bis 100 mg/d, p. o.) und 5-HTP (z. B. 200 mg/d p. o.) gegeben werden. #390.14{sidSezVyD3K} Die langfristige Einnahme von oralen Kontrazeptiva kann zu Vitamin-B6-Mangelsymptomen führen, die sich bei Frauen vor allem in psychischen Befindlichkeitsstörungen äußern. Bei unzureichender Vitamin-B6-Versorgung werden verstärkt alternative Stoffwechselwege des Tryptophan-Metabolismus beschritten, mit der Folge einer erhöhten Bildung von Kynurenin, 3-OH-Kynurenin und Xanthurensäure (○Abb. 33.1). Die verstärkte Induktion der Tryptophan-2,3-Dioxygenase (TDO) durch Estrogen kann ebenfalls die Xanthinsäurebildung begünstigen. Die durch Estrogen induzierten Störungen des Tryptophanhaushalts scheinen unter der Einnahme von Ovulationshemmern häufiger die Ursache für Depressionen zu sein. Darüber hinaus kann eine exzessive Bildung von Xanthurensäure den Zinkstatus beeinträchtigen, da Xanthurensäure mit Zink Komplexe bildet, die vermehrt renal ausgeschieden werden. #391.01{sidQJLANpOH} Abb. 33.1 Störungen im Tryptophanstoffwechsel bei Vitamin-B6 -Mangel. TPH: Tryptophan-Hydroxylase, AD: L-AminosäureDecarboxylase, TDO: Tryptophan-Oxidase, IDO: Indolamin-2,3-Dioxygenase #391.02{sidAh1tfs4D} Studien: In einer Untersuchung an 46 Frauen, die orale Kontrazeptiva einnahmen, wurde der Kohlenhydrat- und Vitamin-B6-Status vor und nach der Gabe von Pyridoxin untersucht. Dabei zeigte sich bei 18 Frauen eine VitaminB6-Depletion im Gewebe. Die Zufuhr von Vitamin B6 war bei diesen Frauen mit einer verbesserten Glucosetoleranz assoziiert, die sich in einer rascheren Abnahme des Glucose- und Pyruvatspiegels nach einem oralen Glucosetoleranztest äußerte. Diese Effekte konnten in einer Vergleichsgruppe von 28 Frauen, die keinen VitaminB6-Mangel aufwiesen, nicht beobachtet werden. Eine mögliche Erklärung könnte in der vermehrten Bildung des Tryptophan-Metaboliten Chinolinsäure durch die Gabe von Vitamin B6 liegen. Chinolinsäure ist ein Inhibitor der hepatischen Phosphoenolpyruvatcarboxykinase, einem Schlüsselenzym der Gluconeogenese (→ Neusynthese von Glucose aus Nicht-Kohlenhydratvorstufen). Diese These wird gestützt durch die Beobachtung, dass bei Frauen, die unter der Therapie mit oralen Kontrazeptiva keinen Vitamin-B6-Mangel aufwiesen, die Glucosetoleranz verbessert werden konnte, wenn diese L-Tryptophan zur Steigerung der Chinolinsäure-Synthese erhielten. #391.03{sidE8yQjhN0} 33.1.2 Orale Kontrazeptiva und Vitamin B2 HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #391.04{sidHvh16flL} Erhöhter Vitamin-B2-Bedarf durch orale Kontrazeptiva #391.05{sid0fzcSPt6} Mechanismus: Langfristige Einnahme von oralen Kontrazeptiva kann Riboflavinbedarf steigern. #392.01{sidQoNIbKQy} Folgen: Riboflavinmangel (Glutathion-Reduktase Aktivität der Erythrozyten ↓); Kopfschmerzen, Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen. #392.02{sidSTcvnvqU} Hinweis: Bei langfristiger Einnahme oraler Kontrazeptiva ist eine adäquate Riboflavin-Versorgung durch prophylaktische Supplementierung von Vitamin B2 (z. B. 10 mg tgl., p. o.) in Kombination mit Folsäure, Vitamin B6 und B12 empfehlenswert. #392.03{sidI0OgbvZC} 33.1.3 Orale Kontrazeptiva und Folsäure #392.04{sidBevauVNT} Orale Kontrazeptiva stören die Folsäureresorption #392.05{sidcUff91jj} Mechanismus: Orale Kontrazeptiva können die intestinale Dekonjugation von Folsäure-Polyglutamaten im Darm über Hemmung der Folsäure-Dekonjugase stören und damit die Bioverfügbarkeit von Nahrungsfolaten senken; darüber hinaus steigern sie die renale Folsäureexkretion. #392.06{sidvqtt3faf} Folgen: Abfall der Folsäureplasmaspiegel; Blässe, Vergesslichkeit, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, depressive Verstimmungen; Megaloblastenanämie; Leuko- und Thrombozytopenie; Hyperhomocysteinämie (≥ 10 µmol/l); erhöhtes Risiko für zytologische Veränderungen im Zervixschleim (zervikale Dysplasie). #392.07{sidY9pg8T6J} Hinweis: Bei Einnahme oraler Kontrazeptiva sollte regelmäßig die Einnahme einer Kombination von Folsäure bzw. 5-Methyl-THF (0,4–1 mg tgl., p. o.), Vitamin B12 und B6 erfolgen. Die Häufigkeit eines Folsäuremangels bei Frauen, die orale Kontrazeptiva benutzen soll über 20 % betragen. Ein Folsäuremangel kann bis zu einem halben Jahr nach Absetzen der Kontrazeptiva andauern und sich dementsprechend nachteilig auf eine Schwangerschaft auswirken! #392.08{sidyMNOHi92} Studien: Die in der Nahrung dominierenden Polyglutamatverbindungen der Folsäure müssen vor der eigentlichen Resorption durch eine zinkabhängige γ-Glutamyl-Carboxypeptidase (Folsäure-Dekonjugase) in die resorbierbaren Monoglutamate hydrolysiert werden. Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass unter der Einnahme oraler Kontrazeptiva auch die Vitamin-B12-Serumspiegel abfallen können. Möglicherweise hängt dies mit einer estrogenbedingten Zunahme der Bindungsproteine (→ Transcobalamin) zusammen. #392.09{sidawv0JTWT} 33.1.4 Orale Kontrazeptiva und Magnesium #392.10{sidXOpNqD2h} Orale Kontrazeptiva und Estrogene stören den Magnesiumhaushalt #392.11{sidYBlsMbuS} Mechanismus: Orale Kontrazeptiva und Estrogene fördern einerseits die Einlagerung von Magnesium in das Gewebe und die Knochen und können andererseits die renale Magnesiumausscheidung erhöhen. #392.12{sidMpaijJq7} Folgen: Die Störung im Magnesiumhaushalt kann den Calcium/Magnesium-Quotienten erhöhen (> 2), vor allem bei Personen, die zu wenig Magnesium mit der Ernährung aufnehmen. Das Risiko für Nebenwirkungen der Hormontherapie (z. B. Embolien) kann zunehmen. #392.13{sidhSX0YmWT} Hinweis: Bei Einnahme oraler Kontrazeptiva und Estrogenen ist eine regelmäßige Supplementierung von Magnesium (z. B. 200–300 mg tgl.) empfehlenswert. Magnesium greift regulierend in den Stoffwechsel der Prostaglandine ein. Es fördert die Synthese des vasodilatatorisch und antithrombotisch wirkenden Prostacyclins und reduziert die Belastung mit dem vasokonstriktorisch wirkenden Thromboxan A2. (TXA2 steigert die Thrombozytenaggregation und führt zur Gefäßverengung). Die antikoagulatorischen und vasodilatatorischen Eigenschaften spielen in der Prophylaxe und Therapie der Migräne mit Magnesium eine wesentliche Rolle. Estrogenbedingte Störungen im Magnesium- und Calciumhaushalt dürften auch wesentlich an der Entwicklung des prämenstruellen Syndroms beteiligt sein. #393.01{sidDZoH46PT} 33.1.5 Orale Kontrazeptiva und Vitamin C #393.02{sidiVawsCLu} Estrogene können Vitamin-C-Bedarf erhöhen #393.03{siddyAUHpjk} Mechanismus: Orale Kontrazeptiva steigern vermutlich als Folge des Anstiegs von Kupfer und Coeruloplasmin im Plasma die oxidative Metabolisierung von Vitamin C. Das kupferabhängige Enzym Coeruloplasmin ist eine Ferrioxidase, die Fe2 + zu Fe3 + sowie Ascorbinsäure zu Dehydroascorbinsäure oxidieren kann; weitere Faktoren: Störung der Resorption, Steigerung des Vitamin-C-Abbaus und der Vitamin-C-Exkretion, Umverteilung ins Gewebe. #393.04{sid9uhvuQhz} Folgen: Abfall der Vitamin-C-Konzentrationen in Plasma, Leukozyten und Thrombozyten. #393.05{sid0R0z6A6D} Hinweis: Bei Einnahme oraler Kontrazeptiva ist eine regelmäßige Supplementierung von Vitamin C (z. B. 200–500 mg tgl., p. o.) empfehlenswert. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #393.06{sidwCFd2NjE} Studien: In einer Studie an 126 Frauen (Alter: ~ 27,6 Jahre), von denen 63 über ein Jahr lang orale Kontrazeptiva eingenommen hatten, wurde im Vergleich zur Kontrollgruppe ein signifikanter niedriger Vitamin-C-Spiegel in den Leukozyten beobachtet (18,7 ± 7,8 mg/100 g Leukozyten bzw. 25,7 ± 14,5 mg/100 g Leukozyten, p < 0.05). Von einer langfristigen hochdosierten Vitamin-C-Zufuhr unter der Einnahme oraler Kontrazeptiva wird jedoch teilweise abgeraten, da Vitamin C in höheren Dosen (z. B. 1 000 mg tgl., p. o.) nach einer englischen Studie die Bioverfügbarkeit von Ethinylestradiol (EE2) deutlich steigert. Ethinylestradiol hat aufgrund eines ausgeprägten FirstPass-Effekts (→ Konjugation mit Sulfat im Darm und in der Leber) in der Regel nur eine Bioverfügbarkeit von etwa 40 %. Vitamin C soll in hoher Dosierung (z. B. 1 000 mg tgl.) bei gleichzeitiger Einnahme die Bildung von Sulfatkonjugaten mit Ethinylestradiol verringern, sodass die Bioverfügbarkeit und die Plasmakonzentrationen deutlich ansteigen können. #393.07{sidQxj7JWeA} Eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 1993 zeigt jedoch, dass die potenzielle Wechselwirkung zwischen Vitamin C (1 g tgl., p. o., ½ h vor der EE2-Einnahme) und Ethinylestradiol bei der Konjugation mit Sulfatresten nicht zu einem Anstieg der Bioverfügbarkeit führt und demnach auch nicht von klinischer Relevanz ist. Die Autoren empfehlen daher Vitamin C von der Liste der Stoffe, die mit der Pharmokinetik von Ethinylestradiol interferieren, zu streichen. #393.08{sidlMqQqbLR} 33.1.6 Antiestrogene und Vitamin D #393.09{sidzcbWbmbI} Vitamin D reduziert aromatasehemmerassoziierte Arthralgien und Myalgien #393.10{sidi2XwWLi8} Mechanismus: Vitamin D (muskuloskelettale Wirkungen): Skelettmuskeln und Nerven besitzen spezifische Vitamin-D-Rezeptoren (VDR), welche die Muskelzelldifferenzierung und -reifung sowie die Muskelkontraktion und Muskelrelaxation steuern; Vitamin-D-Hormon beeinflusst über den VDR die Verteilung des intrazellulären Calciums sowie die Aufnahme von anorganischen Phosphaten, die für die Proteinsynthese von ATP und Kreatininphosphat essenziell sind. Darüber hinaus begünstigt eine Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml) einen sekundären Hyperparathyreoidismus, der für eine Atrophie und Reduktion der Typ-IIa-Muskelfasern verantwortlich gemacht wird; Vitamin-D-Mangel führt zu Muskelschmerzen, proximaler Myopathie mit typischem Watschelgang und Schwierigkeiten Treppen zu steigen; Vitamin D besitzt analgetische und antientzündliche Eigenschaften, da es der Synthese proinflammatorischer Zytokine (z. B. TNF-α) im Gelenk entgegenwirkt. #393.11{sidFzUvPlsp} Folgen: Supplementierung von Vitamin D (z. B. 40 000 I. E./Woche, p. o.) kann die Arthralgie- Fatigue- und Myalgierate unter Aromatasehemmern signifikant reduzieren und die Lebensqualität der Patienten verbessern. #393.12{sidw6EytAVk} Hinweis: Referenz für die Supplementierung von Vitamin D sollte ein Calcidiol-(25(OH)D)Spiegel im Serum von 40–60 ng/ml (= 100–150 nmol/l) sein. #394.01{sidQF6ut9e0} Nach ihrem Wirkprinzip werden die Antiestrogene in Estrogen-Rezeptor-Antagonisten/Modulatoren und Aromatasehemmer gegliedert. #394.02{sideurv6XFk} Tamoxifen ist ein selektiver Estrogen-Rezeptor-Modulator (SERM) mit antiestrogenen und antikanzerogenen Eigenschaften, der in der adjuvanten Brustkrebstherapie und in der Palliativtherapie metastasierter Mammakarzinome eingesetzt wird. Das Antiestrogen hemmt die Expression estrogenregulierter Gene (z. B. die von Promotoren der Angiogenese). Darüber hinaus gibt es Hinweise auf eine direkte Apoptoseinduktion durch Tamoxifen. In Zellkulturen wurde nach Zugabe von Tamoxifen u. a. eine vermehrte Expression des biologisch aktiven transforming growth factor β (TGF-β1) nachgewiesen. Inzwischen hat man TGF-β als einen negativen Wachstumsfaktor für das Mammakarzinom identifiziert. Auch Calcitriol steigert die Synthese und Freisetzung von TGF-β1. Dies könnte einer der Gründe dafür sein, warum die Kombination von 1,25-(OH)2-Vitamin D und Tamoxifen im Tiermodell zu einer verstärkten Inhibition der Karzinogenese und erhöhten Apoptoserate führt. Neben TGF-β1 werden durch Calcitriol auch die Gene p21 und p27 hochreguliert. #394.03{sidHPcRWZZZ} Obwohl Tamoxifen einen antiresorptiven Effekt auf den Knochen hat, kann es das Fehlen der Estrogenstimulierten Knochenneubildung nicht ausgleichen. In verschiedenen Studien konnte vor allem bei prämenopausalen Frauen unter einer Therapie mit Tamoxifen ein Knochendichteverlust beobachtet werden. Weitere Nebenwirkungen unter Tamoxifen sind unter anderem Knochen- und Muskelschmerzen sowie häufig ein Anstieg der Triglyceride im Serum. #394.04{sidlGtjOH7d} Aromatasehemmer blockieren die Estrogensynthese. Da sie den Estrogenspiegel senken, bedingen sie ein hohes Risiko für Osteoporose. Schon im Rahmen einer der kurzfristigen Anwendung von Letrozol konnte in Studien bereits eine signifikante Zunahme von Knochenresorptionsmarkern beobachtet werden. Die adjuvante Therapie mit Anastrozol zeigte eine deutlich höhere Frakturrate als eine Therapie mit Tamoxifen (ATAC-Studie). Im Gegensatz zu Anastrozol und Letrozol wirkt der steroidale Aromatasehemmer Exemestan dem Knochenschwund entgegen und erhöht die mechanische Belastbarkeit des Knochens. #394.05{sidmUd4I482} Bis zu 50 % der Frauen, die Aromatasehemmer nehmen, klagen über Arthralgien und Myalgien. Die Supplementierung von Vitamin D (z. B. 40 000 I. E./Woche, p. o.) kann sowohl das Risiko für Störungen des Knochenstoffwechsels unter Tamoxifen bzw. Aromatasehemmern reduzieren als auch den Krankheitsverlauf und die Lebensqualität der Krebspatienten positiv beeinflussen. Einem Anstieg der Serumtriglyceride unter Tamoxifen wirkt Vitamin D entgegen. Das Auftreten von Arthralgien unter Aromatasehemmern wie Anastrozol, Letrolzol und Exemestan kann durch Vitamin D signifikant verringert werden. #394.06{sid3aKrZd9i} Studien: In einer Studie an 290 Frauen unter Therapie mit Aromatasehemmer wurde der Vitamin-D-Status erfasst. 90 % der Frauen hatten einen 25(OH)D-Spiegel im Serum < 30 ng/ml. Selbst nach der täglichen Supplementierung von 800 I. E. Vitamin D und 16 000 I. E. Vitamin D alle zwei Wochen über einen Zeitraum von drei Monaten erreichten 50 % der Frauen keinen adäquaten Vitamin-D-Status. In der Gruppe mit 25(OH)D-Spiegeln zwischen 30 bis 40 ng/ml traten signifikant weniger Arthralgien gegenüber den Gruppen < 30 ng/ml auf. Ein Anstieg des 25(OH)D-Spiegels ≥ 40 ng/ml beugte dem Auftreten von Arthralgien signifikant vor. Eine Supplementierung von 40 000–50 000 I. E. Vitamin D pro Woche ist zur Vorbeugung und Therapie von aromatasehemmerassoziierte Arthralgien und Myalgien empfehlenswert. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #394.07{sid2lh6xJCb} 33.1.7 Tamoxifen und Coenzym Q10 #394.08{sidwFHYbzto} Mitotrope Mikronährstoffe unterstützen die Wirksamkeit und verringern die Nebenwirkungen #394_395{sidIniG7CAX} Mechanismus: Antioxidanzien (Vitamin C, Vitamin E) und mitochondriale Substrate (Coenzym Q10, Riboflavin, Niacin) haben einen günstigen Einfluss auf Nebenwirkungen von Tamoxifen und die Tumormarker (CEA, CA 15–3), antiangiogenetische Wirkung von Coenzym Q10, Vitamin B2 und Vitamin B3. #395.01{sidsaQKBLhL} Folgen: Die Einnahme von mitotropen Mikronährstoffen verringert die tamoxifenassoziierten Nebenwirkungen (z. B. Hypertriglyceridämie) Die Ergebnisse einer aktuellen Studie lassen vermuten, dass die Supplementierung von Coenzym Q10, Riboflavin und Niacin zusammen mit Tamoxifen beim Mammakarzinom das Risiko der Rezidiv- und Metastasenbildung verringern kann. #395.02{sidL4yjELXu} Hinweis: Unter einer Therapie mit dem Antiestrogen Tamoxifen kann eine Supplementierung von Coenzym Q10 (z. B. 100 mg/d) in Kombination mit Riboflavin (z. B. 10 mg, tgl.) und Niacin (z. B. 50 mg tgl., p. o.) empfohlen werden. Die adjuvante Supplementierung von Vitamin C (z. B. 500 mg tgl., p. o.) und Vitamin E (z. B. 400 I. E., tgl., p. o.) kann das Risiko einer tamoxifeninduzierten Hypertriglyceridämie verringern (siehe auch S. 90). #395.03{sidL7pvRESp} Studien: Die Supplementierung von Coenzym Q10 (100 mg/d) in Kombination mit Riboflavin (10 mg/d) und Niacin (50 mg/d) zeigte in einer aktuellen Studie einen günstigen Einfluss auf die Tumormarker CEA und CA15–3 bei Patientinnen mit Brustkrebs unter einer Therapie mit Tamoxifen (○Abb. 33.2). Die Ergebnisse dieser Studie lassen vermuten, dass die Supplementierung von mitochondrialen Substraten wie Coenzym Q10 zusammen mit Tamoxifen bei Frauen mit Brustkrebs das Risiko der Rezidiv- und Metastasenbildung verringern kann. #395.04{sidCQrsNFAu} Abb. 33.2 Einfluss der Kombination von Coenzym Q10, Riboflavin und Niacin auf Tumormarker (CEA, CA 15–3) bei Brustkrebspatientinnen unter Tamoxifen. Co: 100 mg Coenzym Q10, R: 10 mg Riboflavin, N: 50 mg Niacin #395.05{sidxvnttJ4D} Literatur #395.06{sidbvW0tgj5} Adams PW et al. Influence of oral contraceptives, pyridoxine (vitamin B6), and tryptophan on carbohydrate metabolism. Lancet 1 (7963): 759–764, 1976 #395.07{sid1SHJMKk5} Ahmed F et al. Effect of oral contraceptive agents on vitamin nutrition status. Am J Clin Nutr, 28: 606–615, 1975 #395.08{sidR0Y5DN0u} Bermond A. Therapy of side effects of oral contraceptive agents with vitamin B6. Acta Vitaminol Enzymol, 4: 45–54, 1982 #395.09{sidsBKN6LPx} Briggs MH. Megadose vitamin C and metabloic effects on the pill. Brit Med J, 283: 1547–1551, 1981 #395.10{sid15zVGNlj} Brown RR et al. Effects of oral contraceptives on tryptophan metabolism and vitamin B6 requirements in women. Acta Vitaminol Enzymol, 29 (1–6): 151–157, 1975 #396.01{sidXvEJ1GUM} Butterworth CE et al. Improvement in cervical dysplasia associated with folic acid therapy in users of oral contraceptives. Am J Clin Nutr, 35 (1): 73–82, 1982 #396.02{sidBa21Qgls} Gröber U. Vitamin D3 und Arzneimittel. 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Breast Cancer Res Treat, 114 (2): 377–384, 2009 HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #397.04{sidvrNuRF2o} Zamah NM et al. Absence of an effect of high vitamin C dosage on the systemic availabiltiy of ethinyl estradiol in women using a combination oral contraceptive. Contraception, 48 (4): 377–391, 1993 #398.01{sidPFy0RpIC} 34 Virustatika #398.02{sidZl6cM3Gn} HIV-Infizierte und Patienten mit AIDS haben krankheits- und medikationsbedingt einen erhöhten Bedarf an immunmodulierend und antioxidativ wirksamen Mikronährstoffen (□ Tab. 34.1). Die Blutspiegel zahlreicher Vitamine (z. B. Vitamin A, Tocopherole, Vitamin B12, Vitamin D) und Spurenelemente (z. B. Selen) sind bei HIVinfizierten Personen gegenüber Gesunden signifikant verringert. Ergebnisse epidemiologischer Studien deuten daraufhin, dass ein Selen-, Vitamin D- und/oder Vitamin-B12-Mangel die Krankheitsprogression beschleunigt. #398.03{sidh5iBIoCS} 34.1 Virustatika und Mikronährstoffe #398.04{sidxVi2v0fh} 34.1.1 Kritische Mikronährstoffe #398_399{sidmO4QYGrj} Bemerkenswert ist der bereits im frühen Stadium der Erkrankung auftretende Mangel an Antioxidanzien, der mit einer reduzierten Aktivität der selenabhängigen Glutathion-Peroxidase und einer allgemein erhöhten oxidativen Belastung assoziiert ist. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass oxidativer und nitrosativer Stress die HIVReplikation und die Krankheitsprogression steigert. Als Schaltstelle und Mediator zwischen oxidativem Stress und der Progression der HIV-Erkrankung kommt dabei dem redoxsensitiven Transkriptionsfaktor NFκB eine zentrale Stellung zu (○Abb. 34.1). Antioxidanzien wie Tocopherole, L-Glutathion oder α-Liponsäure können die Aktivierung von NFκB unterbinden und scheinen einen günstigen Einfluss auf die Immunfunktion und die Krankheitsprogression bei HIV-Infizierten zu haben. So hatten z. B. in einer prospektiven Studie an über 300 HIV-Infizierten diejenigen mit hohem Vitamin E-Spiegel (> 23,5 µmol) ein um 30 % niedrigeres Risiko für die Progression zum Vollbild AIDS. #398.05{sidLkOrUXlD} Tab. 34.1 Kritische Mikronährstoffe (Auswahl) bei HIV-Infektion und AIDS #398.06{sidYSgUwugd} Kommentar Mikronährstoff #398.07{sidn3h1lHz9} Antioxidanzien #398.08{sid6zqPZh7K} Vitamin A, Betacarotin #398.09{sidVlq1L80E} Vitamin D #398.10{sid4ZllwEjB} Vitamin C und E #398.11{sida7ZzAO3K} B-Vitamine #398.12{sidecg8WPbA} Selen #398.13{sidXWSnrqHt} Zink Oxidativer Stress kann die HIV-Replikation verstärken und das Risiko für opportunistische Infektionen steigern. Studien zufolge beschleunigen Vitamin-A- und/oder Betacarontinmangel die Krankheitsprogression, ein guter Vitamin-A-Status kann die perinatale HIVTransmission verringern. Vitamin-D-Mangel steigert die Viruslast und fördert die Krankheitsprogression HIV-Infizierte weisen häufig niedrige Spiegel an Vitamin C und E auf, Vitamin-C- und Vitamin-E-Supplemente haben einen günstigen Einfluss auf die Viruslast und die Krankheitsprogression. Niacin: Neuere Studien legen nahe, dass eine HIV-Infektion mit einer NiacinDepletion assoziiert ist. Vitamin B1, B2 und B6: häufig nur unzureichende Versorgung, B-Vitamine haben einen günstigen Einfluss auf die Überlebensdauer. Vitamin B12: Vitamin-B12-Mangel steigert deutlich die Krankheitsprogression. Selenmangel beeinträchtigt die Aktivität der GSH-Peroxidase und steigert Studien zufolge das Mortalitätsrisiko. Zink trägt zur Stabilisierung des geschwächten Immunsystems und des Körpergewichts bei Malnutrition bei. Das Risiko für opportunistische Infektionen (z. B. Pneumocystis carinii) kann durch Zink verringert werden. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #399.01{sidStTt9KYU} Abb. 34.1 Zytokin-Produktion und Aktivierung der Virusreplikation durch den redoxsensitiven Transkriptionsfaktor NFκB. Nach Schreck et al, 1992 #399.02{sidlKdOkfBn} Die seit Mitte der 1990er Jahre entwickelte antiretrovirale Kombinationstherapie aus Präparaten mit unterschiedlichen Angriffspunkten innerhalb des viralen Replikationszyklus (z. B. Kombination von 2 NRTI und 1 PI) hat zu einer dramatischen Reduktion der mit HIV assoziierten Morbidität und Letalität geführt. Im Hinblick auf die diätetische Versorgung mit essenziellen Mikronährstoffen sind jedoch die zahlreichen gastrointestinalen Nebenwirkungen der antiretroviralen Virustatika und die hohe Anzahl der täglich einzunehmenden Tabletten problematisch (□ Tab. 34.2). Die meisten Präparate lösen Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö und Appetitlosigkeit aus, die zu erheblichen Störungen der Mikronährstoffresorption und -utilisation führen. Auch die Menge der täglich eingenommen Kapseln und Tabletten wirkt sich nachteilig auf den Appetit und die Nahrungsaufnahme bei HIV-infizierten Patienten aus. Im Durchschnitt müssen die Patienten täglich zwischen 12 und 20 Tabletten einnehmen. #401.01{sidU4KRTV5h} Tab. 34.2 Nebenwirkungen antiretroviraler Virustatika (Auswahl) (Forts.) #401.02{sidRq1pNbol} Antiretrovirale Virustatika Gastrointestinale Störungen Störungen des zentralen und peripheren Nervensystems Blut Sonstige Besonderheiten Blut Sonstige Besonderheiten Muskel- und Gelenkschmerzen, Myopathie, Knochenmarkinsuffizienz #400.01{sid3GFd3F9g} Tab. 34.2 Nebenwirkungen antiretroviraler Virustatika (Auswahl) #400.02{sidd28UPRgk} Antiretrovirale Virustatika Gastrointestinale Störungen Störungen des zentralen und peripheren Nervensystems #400.03{sidmWIEayfd} Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NTRI) #400.04{sidPU2ScBa3} Zidovudin (AZT) #400.05{sidu5Bph7OO} Didanosin (DDI) #400.06{sidZgwqss0E} Lamivudin (3TC) #400.07{sidhEkVQGVF} Zalcitabin (ddC) #400.08{sid4bXSlMHk} Stavudin (D4T) #400.09{sidxvMXkrZy} Übelkeit, Diarrhö, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Anstieg von Leberenzymen (Hepatotoxizität) Kopfschmerzen, Müdigkeit, Parästhesien Makrozytäre Anämie, Neutropenie, Lactatazidose, Pankreatitis Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Hepatotoxizität Polyneuropathie, Kopfschmerzen Schwerwiegende Pankreatitis, Lactatazidose Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Anstieg von Leberenzymen (Hepatotoxizität) Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Polyneuropathien Lactatazidose, Pankreatitis Muskel- und Gelenkschmerzen Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Stomatitis, Appetitlosigkeit, Anstieg von Leberenzymen (Hepatotoxizität) Periphere Neuropathie (bis 30 %) Lactatazidose, Pankreatitis Muskel- und Gelenkschmerzen Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Appetitlosigkeit, Anstieg von Leberenzymen (Hepatotoxizität) Periphere Neuropathie (bis 24 %) v. a. in Kombination mit DDI), Kopfschmerzen Lactatazidose (selten), Pankreatitis Lipoatrophie (Fettwasting) #401.01{sidU4KRTV5h} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 34.2 Nebenwirkungen antiretroviraler Virustatika (Auswahl) (Forts.) #401.02{sidRq1pNbol} Antiretrovirale Virustatika Gastrointestinale Störungen Störungen des zentralen und peripheren Nervensystems Blut Sonstige Besonderheiten Dyslipidämie (Hypercholesterinämie, Triglyceridämie) Exanthem (15 %) Nichtnukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) #400.10{sid7DSXuqMo} Efavirenz #400.11{sidu3kKSEip} Nevirapin Erhöhung der Leber- und Gallenwerte (v. a. γ-GT) Verwirrtheit, Schwindel, Konzentrationsstörungen, Schlaflosigkeit Erhöhung der Leber- und Gallenwerte (v. a. γ-GT), schwerwiegende Hepatotoxizität (bis 15 %), Übelkeit Kopfschmerzen, Schläfrigkeit Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Schwäche, Sensibiliätsstörungen Muskelschmerzen, Exanthem #400.12{sidvGFUXOZv} Protease-Inhibitoren (PI) #400.13{sidwgw3UHHz} Indinavir #401.03{sidyxdBV4WG} Nofinavir #401.04{sidNUGmKfgR} Ritonavir #401.05{sid7LoEhbMx} Saquinavir Diarrhö (sehr häufig), Übelkeit, Erbrechen, Meteorismus Nierensteine (bis zu 25 %), Dyslipidämie, Glucosetoleranzstörungen Lipodystrophie (Änderung des Fettverteilungsmusters) Dyslipidämie, Glucosetoleranzstörungen Lipodystrophie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Erhöhung der Leberwerte Kopfschmerzen, Müdigkeit, periorale Parästhesien, Neuropathie Dyslipidämie, Glucosetoleranzstörungen Lipodystrophie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Meteorismus Kopfschmerzen, Müdigkeit, Sensibilitässtörungen Dyslipidämie, Glucosetoleranzstörungen Lipodystrophie #399.03{sidApHEB3Xr} Ernährungsstatus: Mangelernährung bei HIV #399.04{sidbEQ8ji8s} Bei vielen HIV-Infizierten tritt bereits im asymptomatischen Stadium infolge Malabsorption und krankheitsbedingten Störungen der Nährstoffutilisation eine Mangelernährung auf. Zu den wichtigsten Ursachen für eine HIV-assoziierte Malnutrition sowie einen erhöhten Bedarf an Makro- und Mikronährstoffen gehören: #401.06{sidTjoN8DMn} Reduzierte Nahrungsaufnahme und inadäquate Kalorienzufuhr infolge Anorexie, Candidosen, Diarrhö, Erbrechen, Gastritis, Übelkeit, Ulzera, inflammatorische Zytokine. #401.07{sid0XMrPIkX} Malabsorption/Maldigestion: Schädigung der Darmschleimhaut durch spezifische (HIV-induzierte Enteropathie), unspezifische (HSV) und opportunistische (CMV, Krypto-, Mikrosporidiose) Darminfektionen; Lactasemangel; gastrointestinale Motilitätsstörungen (Magenentleerung, Diarrhöen) durch autonome Neuropathien. #401.08{sidaXoZc6UX} Atrophie der Darmzotten und bakterielle Translokation. #401.09{sidzu2dd4o9} Hormonelle Störungen: Ein niedriger Testosteronspiegel korreliert bei HIV-Infizierten mit dem Verlust immunkompetenter Muskelzellmasse. #401.10{sidXTzZfLrR} Gestörte Nährstoffutilisation, ineffizienter Substratstoffwechsel und relativ erhöhter Energieumsatz aufgrund kataboler Stoffwechsellage. #401.11{sid5Ox5qcUc} Nebenwirkungen antiretroviraler Virustatika (□ Tab. 34.2). #401.12{sid2U4M8I7M} Nukleosidanaloga und mitochondriale Toxizität #401.13{sidQeNVDfsh} Die Nebenwirkungen der antiretroviralen Medikamente treten Substanzklassen- und präparatespezifisch auf. Der Begriff „mitochondriale Toxizität“ beschreibt einen Hauptmechanismus, über den Nukleosidanaloga multiple Stoffwechsel- und Organveränderungen auslösen können. #401.14{sid5bVGLYZs} Eine intakte mitochondriale Atmungskette ist Voraussetzung für viele Stoffwechselfunktionen, deren Hauptaufgabe die oxidative Synthese von ATP ist. Zusätzlich metabolisiert die Atmungskette aber auch NADH sowie FADH als Endprodukte des Fettsäureabbaus. Dies erklärt die bei mitochondrialer Toxizität häufig beobachtete fein- oder grobtropfige intrazelluläre Akkumulation von Triglyceriden. Letztlich ist eine intakte Atmungskette auch für die Synthese von DNA-Bausteinen unabdingbar, da die Dihydroorotsäure-Dehydrogenase (DHODH), ein für die Neusynthese von Pyrimidinnukleosiden wichtiges Enzym, in der inneren Mitochondrienmembran lokalisiert ist (siehe auch ▸ Kap. 4). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #401_402{sidM3vXQPdO} Die nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) sind Prodrugs, die nach Aufnahme in die Körperzellen zum Triphosphat phosphoryliert (aktiviert) werden und die Reverse Transkriptase des HI-Virus hemmen. Die NRTI-Triphosphate können jedoch nicht nur die Reverse Transkriptase inhibieren, sondern auch die sogenannte DNA-Polymerase-γ. Diese Polymerase ist für die Replikation der mitochondrialen DNA (mtDNA) essenziell. Die Inhibition der Polymerase-γ durch NRTIs führt zu einer weitgehenden Depletion der mitochondrialen DNA (mtDNA) und damit zu einer Einschränkung der oxidativen Phosphorylierung und der zellulären ATP-Synthese (Atmungskettendefekt). #402.01{sidfmHpFwZV} Die gegenwärtigen Dosierungen einiger Nukleosidanaloga liegen im Hinblick auf die mitochondrialen Nebenwirkungen an der oberen Grenze der Verträglichkeit. Hinsichtlich der Potenz mit der Polymerase-γ zu interagieren, besteht folgende Hierarchie: Zalcitabin (DDC) > Didanosin (DDI) > Stavudin (D 4 T) > Lamivudin (3TC) > Abacavir > Tenofovir. Dabei können sich zwei oder mehrere Nukleosidanaloga in ihrer Toxizität addieren und gegenseitig potenzieren. Didanosin, Stavudin und Zalcitabin sind mit einer erhöhten mitochondrialen Toxizität assoziiert und sollten daher nach Möglichkeit nicht kombiniert werden. #402.02{sidcAeZyazq} Die mitochondriale Toxizität des Zidovudins (AZT) dürfte primär auf der oxidativen Schädigung der Mitochondrien durch Peroxide und Glutathion-Depletion beruhen. Das aktive Triphosphat des AZT interagiert nur wenig mit der Polymerase-γ. Allerdings kann ein Teil des oral aufgenommenen Zidovudins in einigen Zellen in Stavudin (D 4 T) umgewandelt werden. #402.03{sidQJ4hFzGw} Klinisch manifestiert sich die mitochondriale Schädigung an zahlreichen Zielorganen (z. B. Skelettmuskel, □ Tab. 34.3). Als systemisches Zeichen der NRTI-induzierten Störung des mitochondrialen Energiestoffwechsels findet sich eine Erhöhung des Serumlactatspiegels, der zu einer Entgleisung des physiologischen Säure-BasenGleichgewichts führen kann (○Abb. 34.2). #402.04{sidhlZnkaPc} Die Bestimmung der mtDNA in den betroffenen Geweben dürfte derzeit der sensitivste Laborparameter für die mitochondriale Toxizität sein. Diese Messmethode ist jedoch invasiv und bisher klinisch nicht evaluiert. Bei manifester Symptomatik kann eine Gewebsbiopsie allerdings hilfreich sein. Im Muskel und in anderen Geweben weisen verschiedene Phänomene auf eine mitochondriale Toxizität hin. Dazu zählen höhergradige ultrastrukturelle Anomalien der Mitochondrien, eine Verminderung der histochemischen Aktivität der Cytochrom-c-Oxidase bei gleichzeitig vermehrter Succinatdehydrogenase(Komplex II)-Aktivität, der Nachweis einer intrazellulären, insbesondere mikrovesikulären Steatose, sowie sogenannte Ragged-Red Fibers. #402.05{sidNyu0hmOE} Tab. 34.3 Manifestationsorte mitochondrialer Toxizität #402.06{sidgjSAg5Gj} Merkmal Manifestationsort #402.07{sid4QGdvDA6} Skelettmuskel #402.08{sidTHBV6OB3} Peripheres Nervensystem, untere Extremitäten #402.09{sidKuBjfjTc} Herzmuskel #402.10{sidh8vkzATJ} Pankreas #402.11{siddsTPHpJT} Leber #402.12{sidQD3IJZOl} Niere #402.13{sidL53C7Png} Fettgewebe Mitochondriale Myopathie, belastungsabhängige Skelettmuskelschwäche Distal symmetrische Polyneuropathie Kardiomyopathie Pankreatitis Vermehrte Fetteinlagerung (Steatose), Hepatitis Mitochondriale Tubulustoxizität (z. B. Tenofovir) Lipoatrophie (ausgeprägter Verlust an subkutanem Fettgewebe), Lipodystrophie (metabolische und morphologische Veränderungen): Dyslipidämie mit Hypercholesterinämie, Triglyceridämie und niedrigem HDLCholesterin; periphere und hepatische Insulinresistzenz HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #403.01{sidD8Xnq4i3} Abb. 34.2 Antiretrovirale Virustatika und mitochondriale Toxizität #403.02{sidTjvlwxI4} Nebenwirkungsmanagement mit Mikronährstoffen #403.03{sidP8PktAKL} Interaktionen zwischen antiretroviralen Virustatika und anderen Arzneimitteln müssen beachtet werden, um das Risiko der mitochondrialen Toxizität zu verringern. Vor allem bei DDI ist Vorsicht geboten, da die mitochondriale Toxizität durch Interaktionen mit Ribavirin, Hydroxyurea und Allopurinol verstärkt wird. Auch unter Tenofovir muss die DDI-Tagesdosis auf 250 mg herabgesetzt werden. Ein Metabolit von Brivudin hemmt die DihydroorotsäureDehydrogenase und sensibilisiert somit potenziell gegenüber der mitochondrialen Toxizität von NRTI. Brivudin sollte daher nicht mit antiretroviralen Pyrimidinanaloga kombiniert werden. Lopinavir erhöht über verschiedene Mechanismen die Serumspiegel von Tenofovir und zusätzlich auch die Konzentration in den Zellen der proximalen Nierentubuli. Publiziert sind drei Fälle einer renalen Osteomalazie unter Tenofovir bei Patienten, die gleichzeitig Lopinavir erhielten. Ob hier ein Kausalzusammenhang besteht, ist bisher noch unklar. #403_404{sidOZTotiC2} Negative Auswirkungen auf den Mitochondrienstoffwechsel können auch aus einer Komedikation mit Ibuprofen, Valproinsäure und Acetylsalicylsäure resultieren – diese Substanzen hemmen die mitochondriale Utilisation von Fettsäuren. Acetylsalicylsäure kann so die Mitochondrien schädigen und zu einem Reye-Syndrom führen. Valproinsäure kann eine lebensbedrohliche Lactatazidose triggern. Amiodaron und Tamoxifen inhibieren die mitochondriale ATP-Synthese. Paracetamol reduziert das antioxidative Glutathion und kompromittiert so die Mitochondrienfunktion indirekt über Radikalmechanismen. Aminoglykoside und Chloramphenicol inhibieren nicht nur die Proteinsynthese von Bakterien, sondern unter bestimmten Umständen auch die Proteinsynthese der den Bakterien ähnlichen Mitochondrien. Adefovir und Cidofovir hemmen die Polymerase-γ. Auch Alkohol ist ein mitochondriales Toxin. Die wichtigste Intervention ist das Absetzen der für die mitochondriale Toxizität verantwortlichen NRTI. In randomisierten Studien führte der Ersatz von D 4 T durch Alternativ-NRTI zu einer leichten, langsam einsetzenden, aber objektivierbaren Besserung der Lipoatrophie. Hingegen führte ein Switch von PIs zu NNRTI in mehreren Studien nicht zu einer Besserung der Lipoatrophie. Dies unterstreicht die wesentliche Rolle der mitochondrialen Toxizität in der Pathogenese des Fettwastings. #404.01{sidOezRD9bp} Bei HIV-infizierten Patienten findet sich häufig ein Vitamin-D-Mangel. Ein Mangel an Vitamin D wirkt sich bei HIVInfizierten nachteilig auf die Viruslast und die Krankheitsprogression aus. In einer Metaanalyse konnte bei HIVinfizierten Männern und Frauen ein dreifach erhöhtes Risiko für Osteoporose nachgewiesen werden. Im Hinblick auf das HIV-assoziierte Risiko für Knochenfrakturen kann das Virus offensichtlich selbst die Knochenintegrität beeinträchtigen. HIV-1-Glykoproteine (p55-gag, gp120) stören die ossäre Calciumverwertung und reduzieren die Aktivität der Osteoblasten. In infizierten Makrophagen induziert HIV-1 die Produktion von Makrophagen-CSF, was zusammen mit RANK-L zur gesteigerten Osteoklastogenese führt. Die Hochregulierung proinflammatorischer Zytokine wie TNF-α kann zusätzlich eine Osteoblasten-Apoptose induzieren und das Risiko für virale Schäden von Knochenzellen steigern. #404.02{sid3F3fXchz} Neben der HIV-Infektion selbst, steigert die antiretrovirale Therapie mit NRTI (z. B. Zidovudin), NNRTI (z. B. Efavirenz) und Proteaseinhibitoren (z. B. Ritonavir, Saquinavir) signifikant das Risiko für eine arzneimittelinduzierte Osteopathie. Störungen des Vitamin-D-Stoffwechsels (z. B. CYP3A4) spielen dabei eine wesentliche Rolle. Vitamin D kann bei HIV-Infizierten das Risiko für eine HAART-induzierte Osteopathie und möglicherweise auch die mitochondriale Toxizität der antiretroviralen Virustatika (z. B. Muskelschmerzen, Lipidanomalien) verringern. #404.03{sid1pi1qELc} Mikronährstoffe, die aufgrund ihrer zentralen Stellung im mitochondrialen Energiestoffwechsel protektive Eigenschaften gegen metabolische Störungen der Zelle besitzen, können die mitochondriale Toxizität (z. B. Neuropathien, Lactatazidose) der Nucleosidanaloga verringern. Dazu zählen vor allem L-Carnitin, Coenzym Q10, Riboflavin, Vitamin B1, α-Liponsäure und Magnesiumorotat (□ Tab. 34.4). #404.04{sidEkyKcgEG} Orotsäure ist die biologische Vorstufe der Pyrimidinnukleotide (z. B. Uridin-5’-monophosphat), die für die Ribonukleinsäuren und damit für die RNS-abhängige Proteinsynthese sowie für die Bildung von Phospholipiden und den mitochondrialen Energiestoffwechsel von essenzieller Bedeutung sind. Es konnte gezeigt werden, dass die NRTI-induzierte Inhibierung der mitochondrialen Atmungskette auch mit einer Hemmung der von NAD+/Ubichinon abhängigen Dihydroorotat-Dehydrogenase assoziiert ist. Dieses Enzym katalysiert die Umwandlung von Dihydroorotat in Orotat, das über die Orotat-Phosphoribosyl-Transferase und die Orotodin-5’-PhosphatDecarboxylase weiter zu Uridin-5’-monophosphat umgewandelt wird. #405.01{sid9c9Xox1C} Tab. 34.4 Mitotrope Mikronährstoffe zur Prophylaxe und supportiven Therapie der mitochondrialen Toxizität #405.02{sid3EL80ruk} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Empfohlene Tagesdosierung (p. o.) Mikronährstoff #405.03{sidjglJKCpA} L-Carnitin Parenteral: 2 000 mg in 250 ml 0,9 % NaCl langsam i. v. für 10 Tage #405.04{sidplsrVsp2} Oral: 2 000–6 000 mg (z. B. 3 × 1 000 mg/d, p. o., bevorzugt Acetyl-LCarnitin #405.05{sidRsAtfruk} Coenzym Q10 #405.06{sidBI5vkixB} Benfotiamin (lipidlösliches Vitamin B1) #405.07{sidQQdAwLYy} Riboflavin (Vitamin B2) #405.08{sidIGqpI5u6} Vitamin B12 #405.09{sidiuBonU0J} α-Liponsäure 200–1 000 mg (z. B. 3 × 100 mg/d) 300–900 mg (z. B. 3 × 150 mg/d) 50–400 mg 1 000–2 000 µg i. v. oder i. m. für 7 Tage Parenteral: 600–1 200 mg in 100–200 ml 0,9 % NaCl langsam i. v., 1–2× pro Woche #405.10{sidCJAfA3Cp} Oral: 1–3 × 600 mg/d #405.11{sidSzKimMMb} Vitamin D #405.12{sidF0DhZFBk} Vitamin C #405.13{siduvTUt8bc} Vitamin E (Tocopherole/Tocotrienole) #405.14{sidftbZdFaF} Magnesium (als Orotat) 2 000–5 000 I. E./d 1 000–3 000 mg (z. B. 3 × 1 000 mg/d) 500–1 000 I. E. 200–1 000 mg #404.05{sidEa6138r9} 34.1.2 Virustatika und Vitamin D #404.06{sidUe9XOjpn} Vitamin D reduziert Risiko für HAART-induzierte Osteopathie #404_405{sid1NEiXVbg} Mechanismus: Vitamin D fördert die Calciumresorption und -utilisation, schützt die Knochenintegrität, supprimiert Parathormon und die gesteigerte Osteoklastenaktivität, verbessert das immunologische und metabolische Wirkprofil von antiretorviralen Virustatika; antiinflammatorische (z. B. Reduktion von TNF-α ↓) und immunmodulierende Wirkung (z. B. T-Lymphozyten). #405.15{sid00wer1rL} Folgen: Supplementierung von Vitamin D (z. B. 50 I. E. Vitamin D pro kg KG pro Tag) kann Risiko für HAARTinduzierte Osteopathie und metabolische Störungen verringern, die Viruslast und den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen. Zudem können antiretrovirale Virustatika wie Saquinavir, Ritonavir, Efavirenz oder Zidovudin den Vitamin-D-Bedarf steigern. #405.16{sid5wLHqSzK} Hinweis: Referenz für die Supplementierung von Vitamin D sollte ein Calcidiol (25(OH)D)-Spiegel im Serum von 40–60 ng/ml (= 100–150 nmol/l) sein. #405.17{sidCKRpo8Eb} Bei HIV-infizierten Patienten findet sich häufig ein Vitamin-D-Mangel. Ein Mangel an Vitamin D wirkt sich bei HIVInfizierten nachteilig auf die Viruslast und die Krankheitsprogression aus. In einer Metaanalyse konnte bei HIVinfizierten Männern und Frauen ein dreifach erhöhtes Risiko für Osteoporose nachgewiesen werden. Im Hinblick auf das HIV-assoziierte Risiko für Knochenfrakturen kann das Virus offensichtlich selbst die Knochenintegrität beeinträchtigen. HIV-1 Glykoproteine (p55-gag, gp120) stören die ossäre Calciumverwertung und reduzieren die Aktivität der Osteoblasten. In infizierten Makrophagen induziert HIV-1 die Produktion von Makrophagen-CSF, was zusammen mit RANK-L zur gesteigerten Osteoklastogenese führt. Die Hochregulierung proinflammatorischer Zytokine wie TNF-α kann zusätzlich eine Osteoblasten-Apoptose induzieren und das Risiko für virale Schäden von Knochenzellen steigern. #405_406{sid9Daxbno7} Neben der HIV-Infektion selbst steigert die antiretrovirale Therapie mit NRTI (z. B. Zidovudin), NNRTI (z. B. Efavirenz) und Proteaseinhibitoren (z. B. Ritonavir, Saquinavir) signifikant das Risiko für eine arzneimittelinduzierte Osteopathie. Störungen des Vitamin-D-Stoffwechsels (z. B. CYP3A4) spielen dabei eine wesentliche Rolle. Vitamin D kann bei HIV-Infizierten das Risiko für eine HAART-induzierte Osteopathie und möglicherweise auch die mitochondriale Toxizität der antiretroviralen Virustatika (z. B. Muskelschmerzen, Lipidanomalien) verringern. #406.01{sidzcwThvph} 34.1.3 Zidovudin und Antioxidanzien #406.02{sidrAYP6ykf} Antioxidanzien verringern oxidative Muskelschäden durch AZT #406.03{sidoPALAijf} Mechanismus: Zidovudin (AZT) kann bei Langzeiteinnahme oxidative Schäden (Peroxide) der mitochondrialen DNA (mtDNA-Depletion) hervorrufen (mitochondriale Toxizität); Interaktion mit DNA-Polymerase-γ (gering); ein Teil des oral aufgenommenen Zidovudins kann in einigen Zellen des menschlichen Körpers in Stavudin (D 4 T) umgewandelt werden. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #406.04{sidK9piJnwC} Folgen: Mitochondriale Myopathie: belastungsabhängige Skelettmuskelschwäche, Muskelschmerzen; Labor: gesteigerte renale Exkretion von 8-oxo-7,8-dihydro-2’-deoxyguanosin (8-oxo-dG: Marker für oxidative DNASchäden), Malondialdehyd (MDA). #406.05{sid3YzWm4KQ} Hinweis: Die adjuvante Einnahme von Antioxidanzien wie Coenzym Q10, Vitamin E und C kann zidovudininduzierten oxidativen Muskelschäden vorbeugen und das durch die HIV-Infektion geschwächte Immunsystem stabilisieren. #406.06{sid3wqyZKej} Studien: In einer Untersuchung an HIV-infizierten Patienten, die mit dem Nukleosid-Analogon Zidovudin (250 mg/12h) therapiert wurden, führte die Komedikation mit 1 000 mg Vitamin C/d und 600 mg α-Tocopherol/d nach einem Monat als Zeichen einer verringerten mitochondrialen Toxizität zu einer signifikanten Abnahme der renalen 8oxo-dG-Ausscheidung (○ Abb. 34.3). In Zellkulturen steigern freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies (ROS) die HIV-Replikation, während die Reduktion der oxidativen Belastung des Stoffwechsels durch Antioxidanzien die Virusvermehrung hemmt. #406.07{sidW5e9Iznb} Abb. 34.3 Einfluss von Vitamin C und Vitamin E auf die durch Zidovudin (AZT) induzierte renale 8-oxo-dG-Exkretion #407.01{sidu0YiNSvz} 34.1.4 NRTI und L-Carnitin #407.02{sidbtgfKGtg} L-Carnitin reduziert NRTI-induzierte Neuropathie #407.03{sidflXKRssK} Mechanismus: Inhibierung der mitochondrialen DNA-Polymerase-γ durch NRTI (z. B. DDI, DDC, AZT) führt zur quantitativen Verminderung (Depletion), der in jedem Mitochondrium in mehrfacher Kopie vorliegenden mitochondrialen DNA (mtDNA); Interferenz mit Nervenwachstumsfaktoren (NGF). #407.04{sidlq79upAg} Folgen: Blockade der mitochondrialen Atmungskette und zellulären ATP-Versorgung; Nervensystem: mitochondriale Axonschädigung, Störung der nervalen Erregungsleitung und -übertragung, distal symmetrische Polyneuropathie (→ Sensibilitätsstörungen, schmerzhafte Parästhesien). #407.05{sid9HXqWj6J} Hinweis: L-Carnitin (z. B. 3 × 1 000 mg Acetyl-L-Carnitin/d, p. o.) kann die Symptome und Schwere einer durch NRTI induzierten Neuropathie bei HIV-infizierten Patienten verbessern. Ein Vitamin-B12-Mangel sollte labordiagnostisch ausgeschlossen werden. #407.06{sidRDOgVvWc} Studien: Eine Therapie mit antiretroviralen Virustatika wie nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (z. B. DDI, DDC, D 4 T) und Protease-Inhibitoren (z. B. Ritonavir) ist häufig mit dem Auftreten von Neuropathien assoziiert. Als Ursache werden Störungen der mitochondrialen (mt) Atmungskette infolge oxidativer mtDNA-Schäden sowie eine Interferenz mit dem Nervenwachstumsfaktor (NGF) diskutiert. In einer aktuellen Studie an HIV-Patienten mit virustatikainduzierten schmerzhaften Neuropathien führte die orale Supplementierung von 2 000 mg Acetyl-L-Carnitin über einen Zeitraum von 4 Wochen zu einer signifikanten Verringerung der Schmerzintensität. Auch NRTI-induzierte mitochondriale Myopathien (z. B. durch Zidovudin) sprechen gut auf eine Therapie mit L-Carnitin und Coenzym Q10 an. Die L-Carnitin-Serumspiegel sind bei HIV-Patienten medikations- und ernährungsbedingt häufig deutlich verringert. Das mitochondriale Substrat L-Carnitin und sein kurzkettiger Ester Acetyl-L-Carnitin weisen aufgrund ihrer zentralen Stellung im Intermediärstoffwechsel wichtige protektive Funktionen gegen metabolische Störungen der Zelle auf. Bei einer unzureichenden Versorgung mit L-Carnitin können langkettige Fettsäuren (LC) als LC-Acyl-CoAEster in den Mitochondrien akkumulieren. Dadurch wird die Aktivität wichtiger mitochondrialer Enzyme, wie z. B. die der Citrat-Synthetase und der Pyruvat-Dehydrogenase (PDH) gehemmt. Die reduzierte PDH-Aktivität durch einen Überschuss an LC-Acyl-CoA-Ester kann z. B. dazuführen, dass aus Pyruvat anstelle von Acetyl-CoA vermehrt Lactat mit der Folge einer Lactatazidose gebildet wird. Langkettige Fettsäuren, die im Überschuss neuro- und zelltoxische Wirkungen haben, können in Form von Carnitinestern entgiftet werden. Neben dem Transport aktivierter langkettiger Fettsäuren und der Verbesserung der Glucoseverwertung besitzt L-Carnitin antioxidative, analgetische und neuroprotektive Eigenschaften. Die Regeneration peripher gelegener Nervenzellen wird durch L-Carnitin gefördert. In der Therapie von neurologischen Störungen scheint Acetyl-L-Carnitin nach der gegenwärtigen Studienlage wirksamer zu sein als L-Carnitin. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #407.07{sidUahOrPiW} 34.1.5 NRTI und B-Vitamine #407.08{sidIhl2AXu5} NRTI-assoziierte Hyperlactatämie und Lactatazidose #407.09{sidHhLMtsL1} Mechanismus: NRTI-induzierte mitochondriale Toxizität, erhöhter Bedarf/Mangel an B-Vitaminen (vor allem Thiamin und Riboflavin). #407.10{sideBvmtpqf} Folgen: Lactatspiegel > 2,2 mmol/l (Hyperlactatämie); unspezifische Symptome: Übelkeit, Oberbauchbeschwerden, Myalgien; Risiko für lebensbedrohliche Lactatazidose. #407_408{sidRfnOnLP0} Hinweis: Im Falle einer Hyperlactatämie und einer Lactatazidose ist ein Therapieversuch mit Vitamin B1 (vorzugsweise als Benfotiamin, z. B. 2 × 300 mg Benfotiamin/d, p. o.), α-Liponsäure (z. B. 2 × 600 mg/d, p. o.) und Vitamin B2 (z. B. 2 × 50 mg/d, p. o.) empfehlenswert. Je nach Schweregrad der Hyperlactatämie (vor allem bei lebensbedrohlicher Lactatazidose) ist ein Absetzen der für die mitochondriale Toxizität verantwortlichen NRTIs erforderlich. #408.01{sidCZCNJbNq} Unter der Langzeitmedikation mit NRTI (AZT, DDC, 3TC, D 4 T) gehören Neuro- und Myopathien (z. B. Müdigkeit, Muskelschwäche, Wasting) zu den häufigsten Nebenwirkungen. Dabei scheint neben der durch NRTI induzierten Störung der mitochondrialen Atmungskette auch ein krankheits- und medikationsbedingter erhöhter Bedarf an BVitaminen, insbesondere an Thiamin und Riboflavin eine wichtige Rolle zu spielen. Eine unzureichende Versorgung mit Vitaminen der B-Gruppe ist bei HIV-Infizierten mit einer signifikanten Verschlechterung der Krankheitsprognose und der Überlebensdauer assoziiert. Thiamin und Riboflavin besitzen in Form ihrer aktiven Coenzyme (TDP bzw. FMN/FAD) eine zentrale Stellung bei der mitochondrialen Energieproduktion aus Kohlenhydraten und Lipiden. Ein Mangel an diesen B-Vitaminen kann den Kohlenhydratstoffwechsel sowie den Lactat- und Fettsäureabbau beeinträchtigen. Eine Hyperlactatämie gilt als ein typisches Zeichen der mitochondrialen Toxizität. Erhöhte Lactatserumspiegel werden vor allem unter einer prolongierten Therapie mit Stavudin (D 4 T) beobachtet. Ein additiver Effekt durch Didanosin (DDI) und Ribavirin ist wahrscheinlich. Lactat (Normalwerte im Serum: 0,6–2,2 mmol/l), das Endprodukt der anaeroben Glykolyse wird durch Oxidation im Citrat- oder durch Gluconeogenese im Corizyklus weiter verwertet. Thiamin ist Cofaktor des mitochondrialen Pyruvat-Dehydrogenase-Komplexes, der Pyruvat in den Citratzyklus und somit in den aeroben Stoffwechsel einschleust. Thiaminmangel reduziert den Pyruvatverbrauch und erhöht den Lactatspiegel. Mitochondriale Myopathien mit intrazellulärer Fettakkumulation, erhöhter Lactatproduktion und Kreatinphosphat-Depletion sind die Folge. Auch die unter antiretroviraler Therapie beobachtete Hyperlipidämie und Lipodystrophie ist mit der toxischen Wirkung der NRTI auf die Mitochondrien assoziiert. HIV-Patienten mit NRTI-induzierter Lactatazidose und Hyperlactatämie konnten mit hochdosierter oraler und intravenöser Applikation von Thiamin (2 × 400 mg, i. v.) und Riboflavin (50 mg/d, p. o.) erfolgreich behandelt werden. Die Supplementierung von Antioxidanzien wie Coenzym Q10, Vitamin E, N-Acetylcystein oder Selen hat zusätzlich einen günstigen Einfluss auf die Lactatspiegel. #408.02{sidsZS5pBWn} 34.1.6 Adefovir-Dipivoxil und L-Carnitin #408.03{sidJc2GaqaS} Iatrogener Carnitinmangel #408.04{sidXjoAoend} Mechanismus: Iatrogener Carnitinmangel durch erhöhte renale Pivaloyl-L-Carnitin-Exkretion. #408.05{sidxmObXgbz} Folgen: Carnitindepletion; Abfall der Carnitin-Serumspiegel (< 30 µmol/l); erhöhtes Risiko für muskuläre Störungen (z. B. Schwäche). #408.06{sidNZ5ggpPm} Hinweis: Unter einer Therapie mit dem Nukleotidanalogon Adevofir-Dipivoxil (Indikation: chronische Hepatitis B) ist eine Komedikation mit L-Carnitin (z. B. 2 000 mg L-Carnitin/d, p. o.) empfehlenswert, um medikationsbedingten Störungen des Carnitinhaushalts vorzubeugen. #408.07{sidScmygUdd} Virushepatitiden stellen aufgrund gleichartiger Übertragungswege häufige Begleiterkrankungen bei HIV-Infizierten dar. Hierbei spielen vor allem chronische Verläufe der Hepatitis B und/oder Hepatitis C eine Rolle. Der Verlauf der chronischen Hepatitis-B-Infektion (z. B. Entwicklung einer Leberzirrhose) wird durch die gleichzeitige HIV-Infektion negativ beeinflusst. Das Nukleotidanalogon Adefovir wird bei HIV-infizierten Patienten zur Behandlung der chronischen Hepatitis B eingesetzt. #408.08{sid4WL7MB3t} Literatur #408.09{sidZ627PO3s} Allard JP et al. Oxidative Stress and plasma antioxidant micronutrients in humans with HIV infection. 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Viele Patienten nehmen Vitamine und anderen Mikronährstoffe ein, mit der Absicht ihre Standardtherapie zu optimieren oder die therapie- und krankheitsbedingten Nebenwirkungen zu verringern. Bis zu 70 % der Betroffenen supplementieren antioxidative und immunstabilisierende Mikronährstoffe, häufig ohne das Wissen des behandelnden Arztes. Obwohl berechtigte Bedenken von onkologischer Seite bestehen, dass Mikronährstoffe die Effektivität der Chemo- oder Strahlentherapie beeinträchtigen könnten, geben aktuelle Studien zunehmend Hinweise darauf, dass die medikationsorientierte Supplementierung von Antioxidanzien und anderen Mikronährstoffen nicht nur das Ansprechen auf die antineoplastischen Verfahren (CT, RT) durch eine bessere Compliance, verringerte Rate an Nebenwirkungen und damit auch an Therapieabbrüchen steigert, sondern auch die Lebensqualität und die Prognose der onkologischen Patienten verbessert. #411.03{sidG0K8o8kM} 35.1 Mikronährstoffe in der Krebstherapie #411.04{sidNL74jreu} Weltweit erkranken pro Jahr etwa 14 Millionen Menschen an Krebs. Zu den häufigsten Krebserkrankungen zählen Neoplasien des Dick- und Enddarms, der Lunge sowie in Abhängigkeit vom Geschlecht neoplastische Veränderungen der Brustdrüse und der Prostata. Bis zum Jahre 2030 ist infolge der zunehmend älter werdenden Bevölkerung mit einer Verdopplung der Krebserkrankungen zu rechnen. In der Therapie von Krebserkrankungen konnten die schulmedizinischen Maßnahmen in den letzten Jahren, nach längerer Stagnation erstmals deutlich verbesserte Behandlungsergebnisse und bei manchen Tumorentitäten auch verlängerte Überlebenszeiten erreichen. Dies wurde unter anderem durch neue medikamentöse Therapieprinzipien aus dem Bereich der molekularen Therapie, aber auch durch verbesserte diagnostische Methoden und optimierte Bestrahlungstechniken realisiert. Gleichzeitig wurde die antitumorale Therapie aber auch intensiver, zum Teil aggressiver und dadurch nicht selten nebenwirkungsreicher. #411.05{sidTpq6j6wp} In der Onkologie gewinnen komplementärmedizinische Therapiekonzepte zunehmend an Bedeutung. Komplementäre Onkologie versteht sich vor allem als ein supportives, möglichst individuell ausgelegtes, begleitendes Cluster verschiedener Einzelmaßnahmen aus der Ernährungsmedizin und Naturheilkunde. Die Gründe für die Inanspruchnahme komplementärmedizinischer Therapien sind vielfältig. Sie sind meistens in einem patienteneignen, salutogenetisch orientierten Konzept zur Gesundung, Heilung und Bewältigung der Krebserkrankung zu finden. In der Onkologie werden komplementäre Therapiemaßnahmen als erweiterte Supportivtherapie begleitend und ergänzend zu den jeweils aktuellen konventionellen Therapiekonzepten eingesetzt. Im Folgenden wird der Fokus ganz bewusst auf den Einsatz von Mikronährstoffen in der interventionellen Phase der Primärtherapie, in der palliativen Phase und in der Nachsorgephase gelegt. #411_412{siduUlnBs32} Das Bedürfnis des onkologischen Patienten nach sanften Therapieverfahren und Nutzung komplementärer Maßnahmen hat in den letzten 20 Jahren stark zugenommen. Viele Patienten nehmen Vitamine und anderen Mikronährstoffe ein, mit der Absicht ihre Standardtherapie zu optimieren oder die therapie- und krankheitsbedingten Nebenwirkungen zu verringern. Je nach Tumorentität und Geschlecht supplementieren 30–90 % der Betroffenen antioxidative und immunstabilisierende Mikronährstoffe, häufig ohne das Wissen des behandelnden Arztes. Obwohl berechtigte Bedenken von onkologischer Seite bestehen, dass Nahrungsergänzungsmittel die Effektivität der Chemo- oder Strahlentherapie beeinträchtigen könnten, geben aktuelle Studien zunehmend Hinweise darauf, dass die medikationsorientierte Supplementierung von ausgewählten Antioxidanzien, wie Selen und Mikronährstoffen, wie L-Carnitin und Vitamin D nicht nur das Ansprechen auf die antineoplastischen Verfahren (CT, RT) durch eine bessere Compliance, verringerte Rate an Nebenwirkungen und damit auch an Therapieabbrüchen steigert, sondern auch die Lebensqualität und die Prognose der onkologischen Patienten verbessern kann. Dabei sollte der komplementärmedizinische Einsatz von Mikronährstoffen stets so ausgewählt und zeitlich abgestimmt werden, dass es nicht zu einer Wirkungsabschwächung der zytoreduktiven onkologischen Therapien kommt. #412.01{sidt6EH25Gg} 35.1.1 Zielsetzung supportiver und komplementärmedizinischer Maßnahmen #412.02{sidp4VNm7gO} Die Überlebensraten bei soliden Tumoren im fortgeschrittenen Stadium (z. B. Mamma-, Prostata-, Lungenkarzinom) sehen immer noch schlecht aus. Die Remissionsrate liegt bei Karzinomen und undifferenzierten Sarkomen zwischen 10 und 50 %, bei akuten Leukosen zwischen 30 und 90 %, bei chronischen Leukosen zwischen 50 und 80 % und bei Plasmozytomen um die 40 %. Der therapeutische Erfolg ist stark abhängig von der Art und der Lokalisation des kanzerogenen Prozesses sowie von der Ansprechrate auf die tumordestruktiven Maßnahmen. Schlechte Resultate werden immer noch beim Magen-, Kolon-, Rektum-, Pankreas- und Bronchialkarzinom sowie beim Hypernephrom erzielt. #412.03{sidIl9du43z} Die Zerstörung bestehender Tumoren ist nach wie vor eine zentrale Domäne der Onkologie, jedoch sollten die dazu eingesetzten Verfahren den Patienten so wenig wie möglich belasten. Supportive und komplementärmedizinische Maßnahmen gewinnen daher im Rahmen onkologischer Behandlungskonzepte zunehmend an Bedeutung. Ihre Ziele sind primär die Prävention und Verringerung therapie- und krankheitsassoziierter Nebenwirkungen, um vor allem im palliativen Sinne die Lebensqualität der betroffenen Patienten zu verbessern und nicht durch eine tumordestruktive Therapie zu verschlechtern. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #412.04{sidbxzK8p1i} 35.1.2 Tumorassoziierte Malnutrition: Ursachen und Konsequenzen #412.05{sidsJFGhMm6} Therapieerfolg und Heilungsprozesse werden bei Tumorerkrankungen wesentlich vom Ernährungsstatus beeinflusst. Der Ernährungszustand sollte daher bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose erfasst (z. B. Subject Global Assessment Score, SGA, Bioelektrische Impedanzanalyse, BIA) und eine ernährungsmedizinische Betreuung von Anfang an in die Therapieplanung einbezogen werden. Tumortherapien, insbesondere bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, sind häufig mit Anorexie und Gewichtsverlust assoziiert. Mangelernährung ist einer der häufigsten Todesursachen bei onkologischen Patienten. Eine frühzeitige individuelle Ernährungstherapie kann die Prognose und Therapiemöglichkeiten von Tumorpatienten verbessern und die Nebenwirkungsrate der tumordestruktiven Methoden vermindern. #413.01{sidqKriWLY4} Tab. 35.1 Ursachen der tumorassoziierten Malnutrition #413.02{sid9OwC1foq} Beispiel Ursache #413.03{siduzP5m9Rl} Unzureichende Makro- und Mikronährstoffzufuhr #413.04{sidmIeZgzqz} Metabolische Veränderungen #413.05{sidmSsklCJu} Nebenwirkungen der tumordestruktiven Therapie #413.06{sidRwsuJ5T0} Operative Eingriffe #413.07{sidclZveNGa} Psychische Faktoren Anorexie, gastrointestinale Beschwerden, Krankenhauskost Proinflammatorische Zytokine, katabole Hormone, Neurotransmitter, Steigerung des Ruheenergieumsatzes Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Mukosaschäden, Stomatitis, Ulzerationen Gastrektomie, Dünndarmresektion, Pankreatektomie Angst, Depressionen #412.06{sidNtis2Hex} Der Begriff tumorassoziierte Mangelernährung (□ Tab. 35.1) umfasst Makro- und Mikronährstoffdefizite, die nachweislich negative Auswirkungen auf die Gewebe- und Körperstruktur, die Organfunktionen, den Stoffwechsel sowie auf den klinischen Verlauf und die Lebensqualität haben. In einer Untersuchung zur Mangelernährung in deutschen Krankenhäusern waren 41 % der Tumorpatienten nicht ausreichend ernährt. Bereits zum Zeitpunkt der Tumordiagnose haben je nach Tumorentität 30 bis 90 % der Patienten ungewollt an Gewicht verloren. Besonders ausgeprägt ist die Mangelernährung bei Patienten mit Tumoren des Gastrointestinaltrakts □ Tab. 35.2). Bis zu 20 % der Krebspatienten weisen einen Gewichtsverlust von über 10 % ihres Ausgangsgewichts in sechs Monaten auf, was den Kriterien einer Mangelernährung (Malnutrition) entspricht. #413.08{sids15fplAr} Tab. 35.2 Gewichtsverlust: Prävalenz (%) bei onkologischen Patienten #413.09{sidwBqnKKrK} Häufigkeit Tumorart (Auswahl) #413.10{sidGD0tcuqW} Mammakarzinom, akute myeloische Leukämie, Sarkome, Non-Hodgkin-Lymphom #413.11{sidCWiyxs2T} 30–40 % 45–60 % Bronchial-, Kolon-, Prostatakarzinom #413.12{sidhp5EfF4Q} Magen-, Oesophagus-, Pankreaskarzinome, HNO Tumore 80–90 % #413.13{sidLiJ4oYqh} Neben dem Gewichtsverlust leiden 20 bis 40 %, im fortgeschrittenen Stadium sogar bis zu 80 % der onkologischen Patienten an einer Anorexie. Unter einer Anorexie versteht man bei Tumorpatienten einen Komplex aus verschiedenen Symptomen wie Appetitlosigkeit, frühzeitiges Sättigungsgefühl, Aversionen gegen bestimmte Nahrungsmittel, Geruchs- und Geschmacksstörungen. Aber auch gastrointestinale Störungen, Schmerzen und psychische Belastung können eine Anorexie begünstigen. Eine lang anhaltende Anorexie mündet häufig in einer schweren körperlichen Auszehrung, die auch als Tumorkachexie bezeichnet wird. #415.01{sidf7QwzIte} Tab. 35.3 Folgen der tumorassoziierten Mangelernährung #415.02{sidNikFStLT} Beispiel Folge #415.03{sidZfzSYsB0} Verminderte Lebensqualität #415.04{sidQNa0rvTu} Reduzierte Ansprechrate auf die tumordestruktive Therapie #415.05{sidyybCqP3T} Erhöhtes Risiko für chemotherapieinduzierte Nebenwirkungen #415.06{sid6JfGoNEp} Immunologische Instabilität und verminderte Immunkompetenz Abgeschlagenheit, Anämie, Depressionen, Müdigkeit, Schwäche) und verkürzte Überlebenszeit CTX, RT Mukositis, Stomatitis Infektionen, Sepsis #415.01{sidf7QwzIte} Tab. 35.3 Folgen der tumorassoziierten Mangelernährung #415.02{sidNikFStLT} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Beispiel Folge #415.07{sid4SK0YmbC} Eingeschränkte physische und psychische Leistungsfähigkeit #415.08{sidB2bb03XL} Erhöhtes Risiko für Anämie #415.09{sidrBDhCH7I} Erhöhtes Risiko für postoperative Komplikationen Fatigue Tumoranämie Wundheilungsstörungen, verlängerter Krankenhausaufenthalt #413.14{sidg1b5jQin} An der Pathogenese der tumorassoziierten Malnutrition sind zahlreiche Faktoren beteiligt. Neben dem direkt konsumierenden Einfluss des Tumors spielen dabei vor allem die Anorexie (z. B. Appetitlosigkeit, vorzeitige Sättigung, Nahrungsmittelaversionen, Geschmacksstörungen), gastrointestinale Beschwerden, Nebenwirkungen der Tumortherapie (z. B. Übelkeit, Erbrechen) sowie hormon- und zytokinbedingte Stoffwechselstörungen (z. B. Dysregulation der hypothalamischen Neurochemie) eine Rolle (○Abb. 35.1). #414.01{sidYnnUKrRk} Abb. 35.1 Ursachen für Mikronährstoffdefizite bei Tumorpatienten, CT: Chemotherapie, RT: Radiotherapie. Nach Nitenberg 2000 #413_414{siduz9iLuNj} Tumorpatienten weisen häufig einen erhöhten Ruheenergieumsatz auf, der insbesondere von der Größe und Lokalisation des Tumors abhängt. Proinflammatorische Zytokine (z. B. TNF-α, Il-1β und IL-6), katabol wirkende Hormone (z. B. Glucagon, Cortisol) sowie die von Tumoren sezernierten katabolen Proteine wie Proteolysis inducing factor (PIF), Lipid mobilizing factor (LMF) und Zink-α2-Glykoprotein (ZAG) verschieben das metabolische Gleichgewicht in Richtung Muskelprotein- und Fettabbau. Neben dem Verlust an Muskelmasse ist dabei als Folge einer erhöhten Lipolyserate und einer verstärkten Fettoxidation auch ein Verlust an Körperfettmasse zu beobachten. Interleukin-6, Corticosteroide und PIF führen zu einer muskulären Depletion an Glutamin. Glutaminmangel beeinträchtigt erheblich die Integrität des Dünndarms sowie die Funktionalität und Stabilität des Immunsystems. Der Kohlenhydratstoffwechsel ist gekennzeichnet durch eine erhöhte Gluconeogenese aus Aminosäuren und Lactat bei gleichzeitig eingeschränkter Glucoseoxidation und gesteigerter Lactatproduktion. Die häufig reduzierte Insulinsensitivität (Hyperinsulinämie) führt zu einer eingeschränkten Glucoseaufnahme in die peripheren Gewebe, während in den Tumorzellen die Glucoseutilisation bevorzugt abläuft. #416.01{sidsOjhK8uZ} Tab. 35.4 Anorexogene Mediatoren der Tumorkachexie (Auswahl) #416.02{sid8cNkSAsd} Organ Mediatoren Effekte #416.03{sidpwfGHVbG} Muskulatur #416.04{sidpNGdx0lt} Fettgewebe #416.05{sidSe58uxLe} Leber HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Proinflammatorische Zytokine (z. B. IL-1β, IL6), katabole Hormone (z. B. Cortisol), PIF Induktion des Ubiquitin-ProteasomStoffwechselwegs, Muskelproteinabbau (Steigerung der Proteolyse, Inhibierung der Proteinsynthese), muskuläre Glutamindepletion Katabole Hormone (z. B. Katecholamine, Cortisol), LMF, ZAG Steigerung der Lipolyse durch hormonsensitive Lipoproteinlipase Proinflammatorische Zytokine (z. B. IL-6), katabole Hormone (z. B. Cortisol, Katecholamine) Gluconeogenese (→ Verwertung glukoplastischer Aminosäuren aus dem Abbau von Muskelprotein), Synthese von Akutphaseproteinen (z. B. C-reaktives Protein) #414.02{sidcrYT0pCs} Malnutrition beeinträchtigt den Immunstatus, die Therapietoleranz sowie die verschiedenen Organ- und Stoffwechselfunktionen □ Tab. 35.3). Die Folge ist eine erhöhte Komplikationsrate durch Entzündungen (z. B. Schleimhäute), Sekundärinfektionen (z. B. Pneumonien, Dekubitus, Thrombose), lebensbedrohliche Blutvergiftungen (Sepsis), verlängertem Krankenhausaufenthalt und verzögerter Wundheilung; insbesondere bei Brustkrebspatientinnen mit Malnutrition war das Ansprechen auf eine Chemotherapie schlechter. Die Sterblichkeit von Tumorpatienten ist bei Malnutrition um etwa 30 % erhöht. #415.10{sidWPGrWkql} Die schwerste Form der tumorassoziierten Malnutrition mit körperlicher Auszehrung wird als Kachexie (Tumorkachexie) bezeichnet □ Tab. 35.4). Sie tritt mit einer Häufigkeit von 60 bis 80 % bei Bronchial-, Magen-, Pankreas- und Prostatakarzinomen auf. Die Tumorkachexie ist neben der Sepsis die zweithäufigste und bei 20 % der Tumorpatienten die unmittelbare Todesursache. #415.11{siduhEkzHhp} Die verschiedenen Faktoren, die zur Entwicklung der Malnutrition führen (○Abb. 35.1), betreffen natürlich nicht nur die energieliefernden Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Proteine, Fette), sondern auch die biokatalytischen und immunmodulierenden Mikronährstoffe. Da Makronährstoffe die natürlichen Träger für Mikronährstoffe sind, zählt die Malnutrition zu einer der Hauptursachen für einen inadäquaten Mikronährstoffstatus bei Tumorpatienten. Viele Tumorpatienten haben bereits bei Diagnosestellung ihre Vorräte an Vitaminen und anderen Nährstoffen aufgebraucht und sind deshalb auf eine adäquate Supplementierung mit entsprechenden Präparaten angewiesen. #415.12{sidt7HRFSbx} 35.1.3 Therapieorientiertes Nebenwirkungsmanagement mit Mikronährstoffen #415.13{sidUo58tVGZ} Die Vielzahl der in der Therapie maligner Tumoren eingesetzten Zytostatika und ihre multiplen Wirkmechanismen sind mit zahlreichen und zum Teil sehr spezifischen Interaktionen mit dem Haushalt essenzieller Mikronährstoffe assoziiert. Hierdurch kann einerseits der Mikronährstoffbedarf unter einer antineoplastischen Therapie deutlich ansteigen, andererseits bietet die medikationsorientierte Supplementierung von Mikronährstoffen (z. B. Acetyl-LCarnitin bei cisplatininduzierter Neuropathie) zahlreiche therapeutische Ansatzpunkte für die Supportivtherapie und das onkologische Nebenwirkungsmanagement. #415_416{sid9sKhzZDf} Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente besitzen in der Primär- und Sekundärprävention ernährungsbedingter Krankheiten ein beachtliches Potenzial. Bei Tumorpatienten ist die diätetische Versorgung mit Vitaminen und anderen essenziellen Mikronährstoffen häufig nur unzureichend. Zum Zeitpunkt der Tumordiagnose weisen viele Betroffene bereits Nährstoffmängel (z. B. Selen) auf, da im Kampf gegen die Erkrankung die Speicher immunmodulierend und antioxidativ wirksamer Mikronährstoffe stark beansprucht wurden. In diesen Fällen ist es nicht auszuschließen, dass der Mikronährstoffmangel schon während der Zeit der Tumorentstehung bestanden und auch zur Progression beigetragen hat. #416.06{sidHbFySl8a} Neben der Ernährungstherapie zählt der indikations- und therapieangepasste Einsatz von Mikronährstoffen zu den wichtigsten supportiven Maßnahmen moderner komplementär-onkologischer Therapiekonzepte. Eine an das Krankheitsstadium und an die individuellen Bedürfnisse angepasste Supplementierung von Mikronährstoffen (z. B. Selen, Vitamin D, L-Carnitin) kann dazu beitragen #416.07{sidkQfVJ4v5} die Lebensqualität der Tumorpatienten zu steigern, #416.08{sidfCXlbkug} das geschwächte Immunsystem zu stärken, #416.09{sidly1Eifr8} die Regeneration und Wundheilung nach einer Operation zu fördern, #416.10{sidHsf1IxM5} Entzündungsprozesse zu hemmen, #416.11{sid36Z7bxwX} der Rezidiv- und Metastasenbildung vorzubeugen sowie, #416.12{sidyieSm3R1} die Nebenwirkungsrate tumordestruktiver Maßnahmen zu verringern (→ Zytoprotektion) und deren Effektivität durch eine bessere Compliance, verringerte Rate an Therapieabbrüchen und höheren Dosierung zu steigern. #416.13{sidwsNPDPZN} 35.1.4 Kritische Mikronährstoffe bei Tumorpatienten #416.14{sidlLE97tYe} Eine bereits vor der Tumormanifestation bestehende Fehlernährung, Entzündungsprozesse sowie Inappetenz und Nahrungsmittelaversionen infolge einer Anorexie sind die wesentlichen Ursachen, die bei onkologischen Patienten zur Entwicklung eines Mikronährstoffmangels beitragen (○Abb. 35.1). Im Vergleich zu Gesunden sind bei Tumorpatienten bereits bei Diagnosestellung und weit vor dem Auftreten klinisch relevanter Veränderungen des Ernährungsstatus erniedrigte Konzentrationen an Spurenelementen und Vitaminen (z. B. Selen, Vitamin B12, Vitamin D) im Vollblut und Plasma nachweisbar. Dabei ist die Versorgungslage mit immunmodulierend und antioxidativ wirkenden Mikronährstoffen (z. B. Vitamin C, Tocopherole), sowie solchen mit geringer Speicher- bzw. Reservekapazität (z. B. Vitamin B1, Folsäure, Vitamin K) besonders kritisch □ Tab. 35.5, □ Tab. 35.6). Dass die HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Versorgung mit Antioxidanzien unzureichend ist, lässt sich auch daran erkennen, dass Laborparameter für oxidativen Stress (z. B. F2-Isoprostane) bei Krebspatienten häufig erhöht sind. #417.01{sid4Oi4qDOw} Tab. 35.5 Kritische Mikronährstoffe (v. a. Antioxidanzien und Immunmodulatoren) bei Tumorpatienten #417.02{sid2NcSXGnD} Substanzen Mikronährstoffgruppe #417.03{sidpm667FQE} Vitamin D, Vitamin B12, Vitamin C, Vitamin K, Folsäure, Vitamin E (Tocopherole, -trienole), Carotinoide, Vitamin A Vitamine #417.04{sidikmoOwoQ} L-Carnitin (v. a. bei Tumoranämie, Fatigue-Syndrom), Coenzym Q10 (Ubichinon/-ol) Vitaminoide #417.05{sidtq3mEa0b} Selen, Zink (v. a. bei Kopf-Hals-Tumoren), Eisen (v. a. bei Tumoranämie, Fatigue-Syndrom), Magnesium, Kalium, Calcium Mineralstoffe und Spurenelemente #417.06{sidjZdURQg1} L-Glutamin, L-Cystein, L-Glutathion, L-Arginin Aminosäuren #417.07{sidA97mdbcp} Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA) (v. a. bei Tumoranorexie und Tumorkachexie) Essenzielle langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren #417.08{sidyEKYeSk5} Mikronährstoffe mit geringer Speicher- bzw. Reservekapazität #417.09{sidamodjWPY} 4–10 Tage Vitamin B1 #417.10{sidmmlJbBKq} Vitamin C, Vitamin B2, Vitamin B3, 2–6 Wochen Vitamin B6, Vitamin K #417.11{sidrDJIkTtZ} 2–4 Monate Folsäure, Vitamin D #417.12{sidGsv9DMcV} 6–12 Monate Vitamin E (Tocopherole/-trienole) #418.01{sidYlquaWya} Tab. 35.6 Nebenwirkungen der Chemotherapie, die mit einem erhöhten Bedarf oder Mangel an Mikronährstoffen assoziiert sind #418.02{sidDIp3Vbs8} Zytostatikum Nebenwirkung #418.03{sidlXK4WtTX} Hoch emetogen: Cisplatin, Dacarbazin, Lomustin Übelkeit und Erbrechen #418.04{sidbtBhjC2s} Emetogen: Doxorubicin, Epirubicin, Daunorubicin, Carboplatin, Carmustin (BCNU), Cyclophosphamid, Etoposid, Ifosfamid, Mitomycin C #418.05{sidMZB8vxlF} Fluorouracil (5-FU), Methotrexat (MTX), Idarubicin, Cisplatin, Irinotecan, Dactinomycin Diarrhö #418.06{sidGKxNFaP7} Schleimhautschäden (Mukositis) und Ulzertationen im GIT #418.07{sidIdcv8Zsz} Anorexie (z. B. Geruchs- und Geschmacksstörungen, Appetitverlust, vorzeitige Sättigung Doxorubicin, Epirubicin, Daunorubicin, Etoposid, Fluorouracil (5FU), Methotrexat (MTX), Vincaalkaloide (e. g. Vincristin), Mitomycin C Praktisch alle Zytostatika #418.08{sidzniP4dFt} Tab. 35.7 Folgen von Operationen im Gastrointestinaltrakt, die einen Mangel bzw. erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen hervorrufen #418.09{siduMCk9x33} Mikronährstoffgruppe Mikronährstoff Vitamine Vitamin B12 (→ Intrinsic-Factor-Mangel), Vitamin A, D, E, K, Carotinoide (z. B. Lycopin), Folsäure (→ pH-Gradient), Vitamin C Betroffene Organe #418.10{sid068ZsB4Y} Magen (z. B. Gastrektomie) #418.08{sidzniP4dFt} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 35.7 Folgen von Operationen im Gastrointestinaltrakt, die einen Mangel bzw. erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen hervorrufen #418.09{siduMCk9x33} Mikronährstoffgruppe Mikronährstoff Betroffene Organe #418.11{sidXlrdvWWI} Mineralstoffe #418.12{sidqJ8qfLIp} Calcium (→ Lactoseintoleranz, Anazidität), Magnesium Zink, Eisen (→ Anazidität), Selen Spurenelemente #418.13{sid3arlr7ow} Dünndarm (z. B. Dünndarmresektion) #418.14{siddhRSVRbY} Blauchspeicheldrüse (z. B. Pankreatektomie) Vitamine Vitamin B12, (→ bakterielle Fehlbesiedelung, Dysbiose), Vitamin A, D, E, K, Carotinoide (→ Steatorrhö) Vitamine #418.15{sidwe6A8eUW} Vitaminoide #418.16{sidk1WRJTxn} Vitamin A, D, E, K, Carotinoide (→ Steatorrhö), Vitamin B12 Coenzym Q10 Omega-3-Fettsäuren (→ Steatorrhö) Fettsäuren #416.15{sidC8ohPbMJ} Vitamin C #416_417{siddzQbO1pG} Oxidativer Stress und Entzündungsprozesse sind nicht nur kausal an der Tumorentstehung beteiligt, sondern beeinflussen auch maßgeblich den Verlauf einer Krebserkrankung. Die hohe Belastung mit reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) ist bei onkologischen Patienten mit einem erhöhten Verbrauch antioxidativ wirkender Vitamine assoziiert. Die Vitamin-C-Konzentrationen im Plasma sind folglich bei vielen Krebspatienten erniedrigt. Ein Vitamin-C-Mangel findet sich vor allem bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, der bis zum manifesten Skorbut reichen kann. Auch kann ein bestehendes Vitamin-C-Defizit durch die tumordestruktive Therapie (z. B. Interleukin-2) verstärkt werden. Niedrige Vitamin-C-Plasmaspiegel (< 11 µmol/l) sind bei Krebspatienten mit einer erhöhten Entzündungsaktivität (hohes CRP), schlechtem Ernährungszustand (niedriges Albumin) und einer kürzeren Überlebenszeit assoziiert. #417.13{sidGlIaBPcH} Im Hinblick auf die Nebenwirkungsrate und tumordestruktive Wirkung von Zytostatika gibt es Hinweise, dass Vitamin C die Wirksamkeit einiger Zytostatika verstärken kann. Die kombinierte Gabe von Adriamycin mit einer parenteralen Applikation von Vitamin C (2 g/kg KG, i. v. oder intraperitoneal) konnte im Tierversuch (Maus, Meerschwein) die kardiotoxischen Nebenwirkungen des Anthrazyklins reduzieren und die Überlebenszeit signifikant erhöhen. Die zytotoxische Wirkung des Anthrazyklins wurde dabei nicht beeinträchtigt. Pharmakologische In-vitroStudien haben zudem gezeigt, dass Vitamin C die zytotoxische Wirkung von antineoplastischen Substanzen wie Cisplatin, Dacarbazin, Doxorubicin, Paclitaxel, Tamoxifen und 5-Fluorouracil (5-FU) verstärkt. Bemerkenswert sind auch Untersuchungen, in denen gezeigt wurde, dass die intraperitoneale Applikation von Vitamin C zusammen mit Vitamin K in der Lage ist die tumordestruktive Wirkung verschiedener Zytostatika zu potenzieren. #417_418{sidzGsuEJbm} Nach einer aktuellen In-vitro-Studie scheinen Krebszellen des Hirntumors Glioblastoma multiforme wesentlich sensibler auf eine Bestrahlung zu reagieren, wenn kurz vor der Bestrahlung hoch dosiertes Vitamin C appliziert wird. Die Autoren dieser Studie zeigten, dass bei der Kombination von Vitamin C (5 mmol/l) mit Bestrahlung (6 Gy) signifikant mehr Tumorzellen durch Induktion von Doppelstrangbrüchen der DNS abgetötet werden als bei Bestrahlung oder Applikation von Vitamin C allein. Ein vergleichbarer Effekt zeigte sich bei Leukämiezellen, die mit 2 Gy bestrahlt wurden. Sollte sich in klinischen Studien bestätigen, dass hoch dosiertes Vitamin C in Verbindung mit Bestrahlung die Heilungschancen erhöht, könnte es bei strahlenresistenten Krebsarten sinnvoll sein, beide Behandlungsformen zu kombinieren. #419.01{sid46eoYkAI} Im Rahmen einer prospektiven, chinesischen Kohortenstudie wurden 4 877 Frauen mit invasivem Brustkrebs (Alter: 20–75 Jahre) bezüglich ihrer Einnahme von Vitaminpräparaten befragt und über einen Zeitraum von im Mittel etwa vier Jahren nachbeobachtet. Die Auswertung der Daten ergab, dass die Einnahme von Vitaminen innerhalb der ersten sechs Monate nach der Diagnosestellung mit einer Reduktion der Letalität und des Rezidivrisikos assoziiert war, wobei der Effekt abhängig von der Auswahl der Vitamine und der Einnahmedauer war und nicht immer Signifikanz erreichte. Bei Frauen, die über mehr als drei Monate Vitamin C einnahmen, war die Letalität um 44 % und das Rezidivrisiko um 38 % verringert (p = 0,009 bzw. 0,01). Bei Frauen, die eine Chemotherapie erhielten, war das Risiko gleichermaßen vermindert, wenn sie die Vitamine während oder gerade nicht während einer Chemotherapie einnahmen. #419.02{sidEqZVSuxj} Tumordestruktive Wirkung von Ascorbat #419.03{sidRmFgOKOV} In-vitro- und tierexperimentelle Studien belegen, dass die parenterale Applikation von hoch dosiertem Ascorbat – durch die Induktion von Peroxiden – selektiv Tumorzellen (z. B. Ovarial-, Pankreastumoren, Glioblastom) abtötet, ohne gesunde Zellen zu schädigen. Ascorbat kann in Konzentrationen > 1 000 µmol die Bildung von Wasserstoffperoxid (H2O2) induzieren, welches vor allem zelltoxisch auf Tumorzellen wirkt. Peroxid-Radikale, die durch Ascorbat in pharmakologisch wirksamen Konzentrationen gebildet werden, können Krebszellen auf verschiedene Arten durch ATP-Depletion zerstören. H2O2 kann zum einen DNA-Einzelstrangbrüche verursachen, die durch die Poly(ADP-ribose)-Polymerase (PARP) repariert werden (○ Abb. 35.2). Verstärkte PARP-Aktivität kann zur NAD+ und im Weiteren zu ATP-Depletion führen. Auf der anderen Seite kann H2O2 im Zellzwischenraum teilweise durch die Glutathion(GSH)-Peroxidase entfernt werden. GSH-Peroxidase bedarf zwingend der Anwesenheit von GSH, das enzymatisch zu Glutathion-Disulfid (GSSG) oxidiert wird. GSSG wird wieder zu GSH mittels Reduktionsäquivalenten von NADPH reduziert, das seinerseits durch Glucose über den Pentosephosphat-Weg regeneriert wird. Die zur Reduktion von NADP+ zu NADPH dienende Glucose entfällt nun aber für die Bildung von ATP. In Krebszellen, die sich durch anaeroben Abbau von ATP mit Energie versorgen (Warburg-Effekt), kann das Rekrutieren von Glucose für den Pentosephosphat-Weg in einem erniedrigten ATP-Status resultieren, der schließlich zum Zelltod führt. Außerdem sind die Mitochondrien mancher Krebszellen durch erhöhte Vulnerabilität ihrer Doppelmembran gegen H2O2 gekennzeichnet. Die Mitochondrien solcher Zellen dürften zu Beginn weniger gut HiQPdf Evaluation 09.05.2017 in der Lage sein, ATP zu produzieren, als normale Zellen. Eine erhöhte Vulnerabilität gegen H2O2 – mit oder ohne initial ineffiziente ATP-Produktion – könnte so zu einer verringerten ATP-Bildung beitragen. Diese durch H2O2 induzierten Stoffwechselwege zur ATP-Depletion sind voneinander unabhängig, und mehr als einer dieser Mechanismen kann für das Absterben H2O2-empfindlicher Krebszellen verantwortlich sein. Pharmakologisch wirksame Ascorbatkonzentrationen sollten jedoch normale Zellen nicht beeinträchtigen, weil deren primäre ATPProduktion auf aerober Glykolyse beruht und weil ihre Mitochondrien auf H2O2 nicht so empfindlich ansprechen wie jene in Krebszellen. #420.01{sidsslEhRNZ} Abb. 35.2 Peroxidinduzierte Schäden auf Tumorzellen durch Ascorbat #419_420{sidgFuMohHR} Ein Vitamin-C-Mangel sollte in jedem Fall durch eine gezielte Supplementierung kompensiert werden, da mit einer deutlichen Verschlechterung der Lebensqualität bei Vitamin-C-Plasmaspiegeln, die auch bei Skorbut beobachtet werden, zu rechnen ist. Eine aktuelle multizentrische Studie zeigt, dass eine adjuvante hoch dosierte parenterale Applikation (7,5 g Vitamin C pro Woche, i. v., Dauer im Median 6,8 Monate) von Vitamin C auf den postoperativen Verlauf von Brustkrebspatientinnen in der Verum-Gruppe (n = 409) im Hinblick auf die Hauptzielgrößen (z. B. Antriebsmangel, Erschöpfung, Müdigkeit und im Gesamtscore nach Wei-Lachin) gegenüber der Kontroll-Gruppe (n = 379) mit einer deutlichen Verbesserung assoziiert war. Auch in den sekundären Zielparametern wie Reduktion von Nebenwirkungen der konventionellen tumordestruktiven Therapie, Pflegebedürftigkeit und Leistungsindex nach Karnofsky wurde eine signifikante Verbesserung in der Verum-Gruppe gegenüber Placebo beobachtet. #420.02{sids6wBsG3P} Oxidativer Stress, Entzündungsprozesse und Vitamin-C-Mangel spielen bei der Ätiologie der chemo- und/oder strahlentherapiebedingten Nebenwirkungen eine wichtige Rolle. Die Ergebnisse einer aktuellen multizentrischen retrospektive epidemiologische Kohortenstudie an 125 Brustkrebspatientinnen (UICC-Klassifikation: IIa bis IIIb) im Alter von durchschnittlich 56 Jahren zeigen, dass die parenterale Applikation von Vitamin C (7,5 g/Infusion 1 × pro Woche; nicht am Tag der Chemo- oder Strahlentherapie) über mindestens vier Wochen begleitend zu einer adjuvanten tumordestruktiven Therapie (Operation; CTX: EC, CMF oder FEC; Hormontherapie; RT) signifikant die krankheits- oder therapiebedingten Beschwerden wie Nausea (p = 0,022), Appetitlosigkeit (p = 0,046), Depressionen (p = 0,017), Fatigue (p = 0,023) und hämorrhagische Diathese (p = 0,032) verringert. Die Intensität dieser Beschwerden war in der Kontrollgruppe ohne Vitamin-C-Infusionen in der Nachsorgephase nahezu doppelt so hoch wie in der Interventionsgruppe mit Vitamin-C-Infusionen. Bemerkenswert ist auch, dass unter den Vitamin-CInfusionen keine Nebenwirkungen beobachtet wurden (○Abb. 35.3). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #421{sidUIHOdOX1} Abb. 35.3 Einfluss einer Vitamin-C-Infusionstherapie (7,5 g Vitamin C, 1 × pro Woche, nicht am Tag der Chemo- bzw. Strahlentherapie) auf Nebenwirkungen der adjuvanten tumordestruktiven Therapie bei 125 Frauen mit Brustkrebs. Nach Vollbracht 2011 #420_421{sidiO9UnapD} Tumoren der Bauchspeicheldrüse machen 2–3 % aller bösartigen Neubildungen beim Erwachsenen aus. In Deutschland erkranken in der männlichen Bevölkerung 10–12 und in der weiblichen Bevölkerung 7–9 Individuen pro 100 000 Einwohner pro Jahr an diesem Tumor. In den letzten Jahren haben Krebserkrankungen der Bauchspeicheldrüse stetig zugenommen. Häufig werden die Tumore erst in fortgeschrittenen Stadien entdeckt. Wegen der oft späten Diagnose und des aggressiven Verlaufs ist diese Krebserkrankung trotz der relativ geringen Häufigkeit weltweit die fünfthäufigste tumorbedingte Todesursache. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 60. und 75. Lebensjahr. Etwa 80 % der Tumore finden sich im Kopf, 20 % im Körper und 10 % im Schwanz der Bauchspeicheldrüse. Bei etwa 80–90 % der Tumore der Bauchspeicheldrüse handelt es sich um drüsige Karzinome, die vom Erscheinungsbild den Gangstrukturen der normalen Bauchspeicheldrüse ähneln (duktales Adenokarzinom). #421_422{sid9vPPmvjg} Erste Ergebnisse einer Vitamin-C-Hochdosisinfusionstherapie (50–125 g Vitamin C pro Infusion, 2 × pro Woche nach Ausschluss eines G-6-PDH-Mangels, Dosiseskalation bis Vitamin-C-Plasmaspiegel ≥ 20 000 µmol/l bzw. 350 mg/dl) in der Kombination mit Gemcitabin (1 000 mg/m2, 1 × wöchentlich für drei Wochen) bei einer kleinen Anzahl von neun Patienten mit Pankreaskarzinom (Stadium IV) zeigen eine gute Verträglichkeit des Zytostatikums mit der Vitamin-C-Infusion sowie einen günstigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf (PACMAN-Studie). Bei einem in der Studie anhand von CT-Scans dokumentierten Patienten konnte innerhalb von vier Monaten eine 9-fache Abnahme der primären Tumorgröße beobachtet werden. Die Patienten konnten ihren Performance-Status beibehalten oder verbessern und verloren im Behandlungszeitraum von durchschnittlich 6 Monaten (177 Tage, Spanne: 69–556 Tage) nur etwa 5,3 ± 1,6 kg Körpergewicht. Die Zeit bis zur Krankheitsprogression betrug bei allen Patienten 26 ± 7 Wochen. Bei einer historischen Kontrolle aus dem Jahre 1997 betrug die durchschnittliche Überlebenszeit von mit Gemcitabin behandelten Patienten mit Pankreaskarzinom etwa 5,65 Monate. Die durchschnittliche Überlebenszeit in dieser Pilot-Studie lag bei etwa 13 ± 2 Monaten bei Patienten, die mindestens zwei Therapiezyklen (= 8 Wochen) abgeschlossen hatten. In dieser kleinen Studie wurden auch die Ascorbat-Radikal-Spiegel erfasst sowie die F2Isoprostane als Marker der Lipidperoxidation und der GSH-Spiegel in den roten Blutkörperchen. Bemerkenswert dabei war, dass unter der Vitamin-C-Hochdosistherapie die Ascorbat-Radikal-Spiegel signifikant anstiegen, aber die Lipidperoxidation bzw. F2-Isoprostanspiegel sogar abfielen, und sich der zelluläre GSH-Spiegel nicht signifikant änderte (○Abb. 35.4). Unter der Vitamin-C-Hochdosisinfusionstherapie traten vor allem Nebenwirkungen wie Nausea, Durst und Diarrhö auf. #422.01{sidVG5aI8Js} Abb. 35.4 Gesamtüberleben bei Patienten (n = 9) mit Pankreaskarzinom (Stadium IV), die mit Gemcitabin (1 × pro Woche) in Kombination mit einer Vitamin-C-Hochdosisinfusionstherapie (z. B. 125 g pro Infusion, 2 × pro Woche) behandelt wurden #422.02{sido5USWxBM} Wird eine Hochdosistherapie mit Vitamin C in tumordestruktiver Intention appliziert, sollte nach aktuellen Daten nicht gleichzeitig (auch nicht am selben Tag) L-Glutathion infundiert werden (Chen, 2011), da die tumordestruktive Wirksamkeit von Ascorbat induzierter Peroxid-Bildung aufgehoben werden kann. #422.03{sidR4BaFn4F} Die Neurofibromatose Typ 1 (NF1), auch Morbus Recklinghausen genannt, ist eine autosomal-dominant und monogen vererbte Multiorganerkrankung, die vor allem die Haut und das Nervensystem betrifft. Mit etwa 90 % zählt die NF1 zu den häufigsten Formen der Neurofibromatose. Sie kommt mit einer Inzidenz von etwa 1:2 500 vor. Bei einer NF1 kommt es zum Verlust der Tumorsuppressorfunktion des Neurofibromin, welches im gesunden Zustand das Signaltransduktionsprotein RAS reguliert. Eine durch einen Mangel an funktionierendem Neurofibromin andauernde Aktivierung des RAS fördert die Entstehung und Proliferation von neuronalen Tumoren. Der krankheitsverursachende Gendefekt befindet sich auf dem NF1-Gen der auf dem langen Arm von Chromosom 17 liegt. Bei der NF1 treten eine Reihe von Tumoren auf, die sowohl das zentrale Nervensystem betreffen als auch außerhalb davon auftreten können. Bei Kindern zählen dabei Gliome im Bereich des Sehnervs, sogenannte Optikusgliome zu den am häufigsten bekannten Tumoren. Symptomatisch werden Optikusgliome meist durch progredienten Visusverlust und Gesichtsfeldeinschränkungen. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #422_423{sidCy54I9Z1} Im aktuellen Fall wird ein 5 Jahre alter Junge beschrieben, bei dem im Alter von 14 Monaten ein NF1 mit Optikusgliom diagnostiziert wurde. Aufgrund der Tumorprogression wurde gemäß dem Protokoll der Internationalen Gesellschaft für pädiatrische Onkologie für low-grade progessive Gliome zunächst eine Chemotherapie mit dem Alkylanz Carboplatin und dem Vincaalkaloid Vincristin über einen Zeitraum von 15 Monaten verordnet. Im Alter von 2,8 Jahren wurde die Chemotherapie abgesetzt, da trotzt der antineoplastischen Medikation weiterhin ein Größenprogredientes Optikusgliom nachweisbar war. Der Junge erhielt ab dem August 2013 einmal pro Woche eine Hochdosisinfusionstherapie mit Vitamin C (1. Woche: 7 g Vitamin C/Infusion; 2. bis 4. Woche: 10 g Vitamin C/Infusion und im Anschluss 15 g Vitamin C/Woche, insgesamt 106 Infusionen mit Vitamin C) über einen Zeitraum von 30 Monaten. Darunter wurden die Vitamin-C-Blutspiegel dreimal bestimmt (nach 7 g, 10 g und 15 g Vitamin C), die zwischen 190 mg/dl und 210 mg/dl lagen. Nach 30 Monaten mit insgesamt 106 Infusionen konnte eine deutliche Reduktion der Tumorgröße sowie eine Stabilisierung des Glioms im Bereich der Sehnervenkreuzung mit Beteiligung des Hypothalamus unter der Vitamin-C-Hochdosisinfusionstherapie nachgewiesen werden (○ Abb. 35.5). Im Februar 2016 empfiehlt der Onkologe aufgrund der Wachstumshemmung und Stabilisierung des Tumors durch Vitamin C, dass die Vitamin C-Infusionstherapie fortgeführt und nach einem Jahr erneut kontrolliert und ihr Erfolg wieder beurteilt werden soll. #423.01{sidUDN6UEk5} Abb. 35.5 Veränderungen des Glioms im Bereich der Sehnervenkreuzung mit Beteiligung des Hypothalamus (hypothalamischechiasmatisches Gliom) unter der Chemotherapie und Vitamin-C-Infusionstherapie #423.02{sidFJEHSqX7} B-Vitamine #423_424{sidXf5PtiJP} Krebspatienten mit fortgeschrittener Erkrankung, chronischer Mangelernährung oder Patienten nach Knochenmarkstransplantation haben als Folge eines ausgeprägten Vitamin-B1-Mangels ein hohes Risiko für die Entwicklung einer Wernicke-Enzephalopathie. Auch werden schwere metabolische Störungen im Kohlenhydratstoffwechsel (→ Lactatazidose) mit Wernicke-Enzephalopathie (z. B. Somnolenz, Augenmuskelparesen, Ataxie) zum Teil bei 5-FU-basierten Chemotherapien beobachtet. Das Zytostatikum 5Fluorouracil (5-FU) hemmt die metabolische Aktivierung von Thiamin zum stoffwechselaktiven Thiamindiphosphat (TDP). Auch die ifosfamidinduzierten neurotoxischen Symptome (z. B. Bewusstseinstrübungen, Halluzinationen) werden neben der iatrogenen Störung des L-Carnitin-Haushalts auch mit einer Beeinträchtigung im Vitamin-B1Stoffwechsel in Verbindung gebracht. Eine Unterversorgung mit Folsäure, Vitamin B6 und B12 findet sich gehäuft bei neu diagnostizierten Tumorpatienten sowie bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen. #424.01{sidqW4yuUju} Das Prä-Prohormon Vitamin D #424.02{sid7mRyNV1w} Nach verschiedenen Studien dürfte eine unzureichende UV-Lichtexposition und ein Mangel am Prä-Prohormon Vitamin D [25(OH)D < 20 ng/ml bzw. 50 nmol/l] nicht nur die allgemeine sowie die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität erhöhen, sondern auch ein wichtiger ätiologischer Faktor bei der Pathogenese zahlreicher Erkrankungen sein, wie zum Beispiel Krebs. In einer aktuellen Metaanalyse aus dem Jahr 2016 war ein 25(OH)D-Status von ≥ 40 ng/ml gegenüber einem 25(OH)D-Status von 20 ng/ml mit einem signifikant 70 % reduzierten Risiko an Krebs zu erkranken assoziiert. Krebspatienten haben häufig einen Vitamin-D-Mangel, der einen negativen Einfluss auf den Krankheitsverlauf und die Therapie hat (○ Abb. 35.6). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #425{sidC4RwAhZx} Abb. 35.6 Vitamin D: Rationalen in der Onkologie #424.03{sidwRUWygPz} Bei Brustkrebspatientinnen konnte unter einer anthrazyklin- und taxanhaltigen Polychemotherapie ein deutlicher Abfall des 25(OH)D-Spiegels beobachtet werden. Einige Zytostatika (z. B. Docetaxel) sind Liganden des PregnanX-Rezeptors und können unter anderem über die Induktion der 24-Hydroxylase (24-OHase) den enzymatischen Abbau von 25(OH)D und 1,25(OH)2D fördern. Docetaxel ist ein bekannter Auslöser kutaner Nebenwirkungen und Geschmacksstörungen. Ein Vitamin-D-Mangel kann das Auftreten einer chemotherapieinduzierten Mukositis und Dysgeusie begünstigen. In Fallberichten konnten mukokutane Nebenwirkungen (z. B. Stomatitis) und Geschmacksstörungen, die bei Krebspatienten unter einer Polychemotherapie mit TCH oder FOLFOX6 auftraten, erfolgreich durch die Supplementierung von Vitamin D behandelt werden. Auch Arthralgien oder eine abnehmende Knochendichte unter der Therapie mit Aromatasehemmern (AI) wie Letrozol konnten durch die labordiagnostisch validierte Supplementierung von Vitamin D (z. B. 50 000 I. E. Vitamin D/Woche für 12 Wochen, p. o.) bei Brustkrebspatientinnen mit Vitamin-D-Mangel deutlich verringert werden. #424_425{sidZjIPFKIo} Ähnliche Ergebnisse liegen zum Einsatz von Bisphosphonaten vor. Nach einer aktuellen Arbeit von Favus ist bei einem Vitamin-D-Mangel eine Therapie mit Bisphosphonaten kontraindiziert. Der 25(OH)D-Spiegel sollte vor Beginn einer derartigen Therapie grundsätzlich ≥ 32 ng/ml liegen. Die ossäre Wirksamkeit der Bisphosphonate kann gemäß aktueller Daten bei einem adäquaten Vitamin-D-Status (25(OH)D ≥ 32 ng/ml) verbessert sein. Dies könnte damit zusammenhängen, dass erst ab einem 25-OH-D-Spiegel von ≥ 40 ng/ml kein starker Anstieg der Parathormonspiegel mehr nachweisbar ist. Ein sekundärer Hyperparathyreoidismus findet sich häufig bei Prostatakarzinompatienten mit Knochenmetastasen, der sich unter der Applikation von potenten Bisphosphonaten wie Zolendronsäure verschärfen kann. Erhöhte Parathormon-Spiegel können die Effektivität der Bisphosphonate im Hinblick auf ihre ossäre Wirkung, aber auch auf die Überlebenszeit der behandelten Patienten beeinträchtigen. Dies zeigen erneut die Ergebnisse einer aktuellen prospektiven Studie an 643 Patienten mit metastasiertem, hormonrefraktärem Prostatakarzinom bei der erhöhte PTH-Spiegel negativ mit der Überlebenszeit assoziiert waren (HR 1,448, 95 % CI, 1,045–2,006, p < 0,03). Krebspatienten, die eine intravenöse Bisphosphonat-Therapie erhalten, haben ein 2,7- bis 4,2-fach erhöhtes Risiko für eine Bisphosphonat induzierte Kiefernekrose (BRONJ) im Vergleich zu Patienten, die keine intravenöse Therapie erhalten. Bei der Pathogenese der Kiefernekrose spielt eine fehlende Heilung des Mundepithels, die mit einer gestörten Funktion der Keratinozyten einhergeht, eine zentrale Rolle. Letztere brauchen zu ihrer Differenzierung Vitamin D, welches gleichzeitig ihre überschießende Proliferation hemmt. Das Risiko einer Bisphosphonat bedingten Osteonekrose der Kieferknochen kann nach aktuellen Studien durch die Supplementierung von Vitamin D reduziert werden. Bei palliativen Krebspatienten kann die Supplementierung von Vitamin D auch den Bedarf an opioidhaltigen Analgetika verringern, wie erste Untersuchungen zeigen. Dabei dürften analgetische und antiinflammatorische Effekte des Sonnenhormons eine Rolle spielen. Bei Krebspatienten mit fortgeschrittener Erkrankung kann Vitamin D dazu beitragen, dass das Risiko für Fatigue und Kachexie verringert wird. Bei Tumoranämie sollte in jedem Fall an Vitamin D gedacht werden, da es die Hepcidin-Ferroportin-Achse reguliert und den Eisenstatus verbessert. #425_426{sidisNmnfdc} Rituximab ist ein monoklonaler Antikörper gegen das Oberflächenantigen CD20. Dieses Oberflächenantigen wird hauptsachlich von B-Lymphozyten exprimiert. Rituximab wird in der Krebstherapie zusätzlich zum CHOP-Schema zur Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen (z. B. diffus-großzelliges B-Zell-Lymphom) eingesetzt. Dabei bindet Rituximab an CD20 und mobilisiert so die körpereigene Immunantwort. Zusätzlich besitzt der Antikörper eine abtötende Wirkung auf die CD20-positive Zelle. Ein Vitamin-D-Mangel kann die Antikörpertherapie bei Lymphompatienten unwirksam machen und die Überlebensrate senken, wie aktuelle Studien an älteren Patienten mit diffus-großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) zeigen. Ältere Krebspatienten mit diffus-großzelligem B-ZellLymphom, die eine Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Rituximab erhalten und einen Vitamin-D-Mangel haben, weisen ein schlechteres ereignisfreies 3-Jahres-Überleben und Gesamtüberleben als Patienten mit normalem Vitamin-D-Spiegel auf. Eine Supplementierung von Vitamin D normalisierte bei Kontrollpersonen die verminderte rituximabvermittelte zelluläre Zytotoxizität. Der Vitamin-D-Status sollte grundsätzlich bei allen Krebspatienten (25(OH)D, Serum) bei Diagnosestellung kontrolliert und durch adäquate Supplementierung kompensiert werden (25(OH)D-Zielwert: 40–60 ng/ml bzw. 100–150 nmol). Dies gilt insbesondere für Krebspatienten mit schlechtem Ernährungsstatus, Therapien mit Anthrazyklin-, Platin-, Taxan- und monoklonaler antikörperhaltigen Chemotherapie sowie bei muskulären, mukokutanen Störungen, Tumoranämie, Fatigue und Tumorkachexie. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #426.01{sidlTMA5p0P} L-Carnitin und Coenzym Q10 #426.02{sidTDAI58Lm} Ein Mangel an L-Carnitin und/oder erhöhter Bedarf an Coenzym Q10 wird bei zahlreichen chronischen Erkrankungen, insbesondere auch bei Tumorerkrankungen beschrieben. Der L-Carnitin-Mangel ist multifaktoriell bedingt, u. a. durch Malnutrition, er kann aber auch als Folge von unerwünschten Interaktionen mit verschiedenen Zytostatika (z. B. Anthrazykline, Cisplatin) auftreten. Studien zufolge weisen bis zu 70 % der Patienten mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen einen Mangel an L-Carnitin auf, der vom Organismus nicht ausgeglichen werden kann. #426.03{sidvoLcIxYt} Die bisher bekannten Ursachen für einen L-Carnitin-Mangel bei Krebspatienten mit unterschiedlichen Tumorentitäten sind vielfältig: #426.04{sidFlXmjI0l} nutritive Defizienz bei Mangelernährung (z. B. zu wenig Eisen, Vitamin C, L-Methionin), #426.05{sidSHtCxWfi} Interaktion von Zytostatika (z. B. Anthrazykline) mit dem Carnitintransporter OCTN2 (Transport von L-Carnitin in die Zelle), #426.06{sidYI1mJzmR} Störung der L-Carnitinbiosynthese durch Anthrazykline, #426.07{sidCtutnFFK} Steigerung der renalen Carnitinexkretion durch Cisplatin und Ifosfamid sowie #426.08{sidJbZsL4I9} Bildung von unphysiologischen Carnitinestern und erhöhte renale Ausscheidung. #426.09{sidhdOdFdQU} Für den Einsatz von L-Carnitin im onkologischen Nebenwirkungsmanagement (z. B. Zytoprotektion) sprechen die gute Verträglichkeit, die immunstabilisierende Wirkung, die potenzielle zytoprotektive Wirkung unter zytostatischer Therapie sowie die fehlende Beeinträchtigung des erwünschten zytotoxischen Effekts der antineoplastischen Therapie. Da L-Carnitin zu einer Hemmung proinflammtorischer Zytokine, einer Inhibierung der Skelettmuskelapoptose sowie zu einer vermehrten Energiebereitstellung aus der β-Oxidation führt und es im Rahmen einer Chemotherapie, durch Arzneimittelinteraktionen zu einer Verstärkung des ohnehin schon häufig nachweisbaren L-Carnitin-Mangels kommen kann, spielt L-Carnitin in der supportiven Onkologie eine wichtige Rolle. #426.10{sid1DLmdy38} Im Rahmen einer randomisierten, placebokontrollierten, multizentrischen, prospektiven, doppelt verblindeten Studie (CARPAN) wurde bei 72 Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom untersucht, ob die Einnahme mit LCarnitin (2 × 2 000 mg/d, p. o.) einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf und die Fatigue-Symptomatik hat. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass L-Carnitin in pharmakologischer oraler Dosierung von 4 g/Tag einen signifikant positiven Effekt sowohl auf die untersuchte Fatigue-Symptomatik und die Lebensqualität als auch auf den Ernährungszustand von Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom hatte. Darüber hinaus konnte die Studie überraschenderweise zeigen, dass unter der Therapie mit L-Carnitin das Gesamtüberleben verlängert war und die Krankenhausverweildauer gesenkt werden konnte. #427.01{sidqtqhWyNz} Neuropathien, die als Ausdruck einer neurotoxischen Schädigung in der Folge einer medikamentösen Tumortherapie, z. B. mit Taxanen und Platinsubstanzen, auftreten, werden in der gynäkologischen Onkologie häufig beschrieben und können zu teilweise lang anhaltenden Funktionseinschränkungen, Verlust an Lebensqualität oder auch zu Therapieabbrüchen führen. Das Spektrum der konventionellen Supportiva ist hier sehr begrenzt. Aus dem Bereich der Komplementärmedizin werden neuroprotektive Effekte für mitotrope Mikronährstoffe wie L-Carnitin und α-Liponsäure beschrieben. So publizierten im Jahr 2012 Yuanyue et al. im Journal of Clinical Oncology eine vergleichbare Untersuchung zur Neuroprotektion unter taxanhaltiger Chemotherapie, mit der Gabe von 3 g LCarnitin. Sie kamen zu einer positiven Beurteilung der neuroprotektiven Effekte bei 51 % der Patientinnen. Darüber hinaus wurde die Fatigue-Symptomatik vermindert und der Performance-Status verbessert. Zur Auswertung der Neurotoxizitat wurden in dieser Untersuchung neben evaluierten Fragebögen auch neurophysiologische Untersuchungen eingesetzt. #427.02{sidKvCJNr6v} L-Carnitin stimuliert die Expression des „nerve growth factor“ (NGF) und vermittelt dadurch einen Wachstumsreiz für die betroffenen Axone. Die dadurch stimulierte Nervenzelle reagiert mit einer Zytokinausschüttung, die wiederum zu einer lokalem Mastzellstimulation und damit einer weiteren proinflammatorischen Umgebungsreaktion führt. Dadurch kann ein über das endogene Cannabinoid-Rezeptorsystem gesteuertes neuropathisches Schmerzempfinden getriggert werden. Ein ganz innovativer Therapieansatz, der noch nicht in klinischen Studien evaluiert wurde, kombiniert eine neuroprotektive bzw. restaurative Therapie, wie z. B. L-Carnitin, mit einer antiinflammatorischen Modulation der Mastzellaktivität durch endogene Cannabinoide. Diese momentan nur zur topischen Anwendung verfügbaren Substanzen, wie Anandamide, Palmitoylethanolamid oder sein Analogon Adelmidrol führen in diesem System zu einer Schmerz-Desensiblisierung am Axon. #427.03{siddPY8wnDm} Die Supplementierung (z. B. 3 × 2 g L-Carnitin/d, p. o.) und/oder parenterale Applikation von L-Carnitin (z. B. 1–2 g in 100 ml 0,9 % NaCl 20 min vor der CT) ist vor allem in Erwägung zu ziehen bei Krebspatienten mit schlechtem Ernährungsstatus (in Kombination mit Omega-3-Fettsäuren), Chemotherapie mit Anthrazyklin- (in Kombination mit Coenzym Q10, z. B. 300 mg Ubiquinol), Cisplatin-, Ifosfamid und taxanhaltigen antineoplastischen Substanzen sowie bei CT-induzierter Neuropathie, Fatigue und Tumorkachexie (in Kombination mit Omega-3-Fettsäuren). #427.04{sidhTIoRpZR} Selen als Natriumselenit HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #427_428{sid5bnsb37U} Selen ist ein für die Gesundheit des Menschen essenzieller Mikronährstoff, seine biologische Aktivitäten und antikanzerogenen Eigenschaften dürften überwiegend resultieren aus dem Einbau in Form der 21. proteinogenen Aminosäure Selenocystein in Selenoproteine, kodiert von 25 verschiedenen menschlichen Genen. Selenoproteine, wie die Glutathion-Peroxidase (GSH-Px) und die Thioredoxin-Reduktase (TrxR) spielen für die optimale Funktion der Immunzellen bei der Regulierung des Redox-Status und der Kontrolle von oxidativem Zellstress eine große Rolle. Selenoprotein P (SeP) mag antioxidative Eigenschaften haben, vor allem aber dürfte es ein Selentransportprotein sein. Es weist multiple Selenocysteinreste auf und stellt fast 50 % des gesamten Plasmaselens. Darüber hinaus stellt es die Versorgung des Gehirns mit Selen unter Mangelbedingungen sicher. Selen ist bei der Kontrolle von Entzündungsreaktionen über den Transkriptionsfaktor NFkappaB von zentraler Bedeutung. Pharmakodynamische Befunde legen nahe, dass Natriumselenit verschiedene, in Krebszellen zentrale Signaltransduktionswege ansteuert und die multimodal regulierte Apoptose induziert. Der Wirkstoff Natriumselenit wirkt zudem selbst als Antioxidans und Radikalfänger. Dies ist darauf zurückzuführen, dass er einerseits als anorganisches Salz natürlicherweise in verschiedenen Redoxzuständen auftreten kann, während ein organisches, vorwiegend durch kovalente Bindungen gekennzeichnetes Molekül durch freie Elektronen sogar zerstört werden kann. Er ist zugleich die natürliche Selenform, die nach Aufnahme in die Zelle schnell und spezifisch in Selenoenzyme eingebaut wird. Daher ist Natriumselenit-Pentahydrat weltweit die einzige Substanz, die als Wirkstoff („active pharmaceutical ingredient“, API) für Selenarzneimittel zugelassen ist. Antikörperbasierte Therapien wie Trastuzumab-Emtansin-Konjugate oder auch Checkpoint-Inhibitoren wie Nivolumab oder Ipilimumab sind in mehrfacher Hinsicht auf einen adäquaten Selenspiegel beim Patienten angewiesen: einerseits zur Reduktion der oft langanhaltenden entzündlichen Nebenwirkungen, andererseits, weil sie zur Wirkung (ADCC, „antibody dependent cellular cytotoxicity“) auf ein nicht supprimiertes Immunsystem beim Patienten angewiesen sind. #428.01{sid0HQpYpMU} Zwei Cochrane-Reviews aus den Jahren 2011 und 2014 untersuchten zum einen, ob es eine Beziehung zwischen Selenzufuhr und Krebsrisiko gibt, zum anderen die Wirksamkeit der Selensupplemente bei der Krebsvorsorge. Die Analyse beinhaltete 49 prospektive, nicht interventionelle Studien und sechs randomisierte klinische Tests. Nach epidemiologischen Studien erkranken Personen mit einer besseren Selenversorgung weniger häufig an Krebs (OR: 0,69; 95 % VI: 0,53–0,91) und zeigen eine geringere Krebs-bedingte Sterblichkeit (OR: 0,55; 95 % VI: 0,36–0,83). Die Effekte auf die Krebsinzidenz waren deutlicher bei Männern als bei Frauen (OR: 0,66; 95 % VI: 0,42–1,05 bzw. OR: 0,90; 95 % VI: 0,45–1,77). Bei Mammakarzinom-Patientinnen mit genetischer Prädisposition (BRCA-1) konnte gezeigt werden, dass mit 300 µg Se/d die Zahl oxidativer DNA-Schäden und Chromosomenbrüche nahezu auf das Niveau gesunder Probanden absinkt. Mehr als fünf randomisierte Studien beschäftigten sich mit der Frage, ob die toxischen Auswirkungen einer Chemo- oder Strahlentherapie durch gleichzeitige Gabe von hoch dosiertem Selen abgemildert, die primären Effekte der onkologischen Behandlung dabei aber nicht beeinträchtigt werden (□ Tab. 35.8). #429.01{sidFTSQ4NvY} Tab. 35.8 Studien zu den Auswirkungen der Gabe von hoch dosiertem Selen während der Chemo- oder Strahlentherapie. #429.02{sidILRjYEVH} Design Ergebnisse Patienten mit verschiedenen soliden Tumoren, Chemotherapie mit Cisplatin (n = 41), randomisierte CrossoverStudie, Gabe von 4 mg/d Selen (als Selen-kappaCarrageenan) für 4 Tage vor und für 4 Tage nach dem ersten und zweiten Chemotherapiezyklus Mit Selen-Supplementierung: eindeutig höhere Leukozytenzahl 14 Tage nach Ende der Chemotherapie (3,35 ± 2,01 × 109/l versus 2,31 ± 1,38 × 109, geringerer Bedarf an Bluttransfusionen (0 versus 62 ± 38 ml, p < 0,05) Patientinnen mit Ovarialkarzinom und Chemotherapie (Cisplatin, Cyclophosphamid; n = 31): Selen 200 µg/d, Kontrollpatientinnen ohne Selen-Supplementierung Signifikanter Anstieg des SerumSelenspiegels, der GlutathionperoxidaseAktivität in den Erythrozyten (nach 2 und 3 Monaten) und in den Leukozyten (nach 3 Monaten); signifikante Reduktion der Alopezie, Blähungen, Abdominalschmerzen, des Schwächegefühls und des Appetitverlusts Patienten mit kürzlich diagnostiziertem NonHodgkin-Lymphom (n = 50), Studie randomisiert, offen (open-label): Chemotherapie + Natriumselenit 200 µg/kg/d, Chemotherapie gemäß CHOP-Programm Signifikanter Rückgang des Tumormarkers Bcl-2 in der Supplement-Gruppe nach 30 Tagen (Endwert: 8,6 ± 6,9 ng/ml versus 36,9 ± 7,9 ng/ml; p < 0,05 für die Prüfsubstanz versus Placebo), vollständige Ansprechrate: 60 versus 40 %, mediane Gesamtüberlebensrate bei Patienten mit vollständiger Remission: 21,9 ± 1,4 Monate versus 19,7 ± 2,0 Monate; p = 0,01 Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren im Kopf-Hals-Bereich und Bestrahlungstherapie (n = 39) Studie randomisiert, offen: Dysphagie (Schluckbeschwerden): 22,7 versus 35,3 %; Veränderung des Geschmacksempfindens: 22,7 versus 47,1 %; Mundtrockenheit: 22,7 versus 23,5 %; Stomatitis: 36,4 versus 23,5 % Nur der Rückgang der Schluckbeschwerden Autor #429.03{sidFlzCpow9} Hu et al., 1997 #429.04{sidOR5eKr0Y} Sieja et al., 2004 #429.05{sidLCSILkwG} Asfour et al., 2006/ 2007 #429.06{sidjET4q3rf} Büntzel et al., 2010 #429.01{sidFTSQ4NvY} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 35.8 Studien zu den Auswirkungen der Gabe von hoch dosiertem Selen während der Chemo- oder Strahlentherapie. #429.02{sidILRjYEVH} Design Ergebnisse Gruppe A mit Natriumselenit (500 µg an den Bestrahlungstagen, 300 µg an den anderen Tagen; n = 22) Gruppe B ohne SelenSupplementierung (n = 17) in der letzten Woche der Bestrahlungstherapie war statistisch signifikant. Patientinnen mit Gebärmutter- oder Gebärmutterhalskrebs (n = 81) in der Bestrahlungsphase nach der chirurgischen Entfernung des Tumors und mit einer SelenSerumkonzentration < 84 µg/l Studie randomisiert, offen: Gruppe A mit Natriumselenit (500 µg an den Bestrahlungstagen, 300 µg an den anderen Tagen; n = 39) Gruppe B ohne SelenSupplementierung (n = 42) Signifikanter Anstieg des SerumSelenspiegels in Gruppe A am Ende der Studie, strahlungsbedingte Diarrhö (Stufe ≥ 2) am Ende der Studie: 20,5 versus 44,5 % (p = 0,04), keine Unterschiede hinsichtlich Bluttests, dem funktionellen Status oder der Lebensqualität Autor #429.07{sidjQ1OU5bv} Mücke et al., 2010 #429.08{sidISuxH7k6} CHOP: Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison. #428.02{sidkNqfFWhW} Eine aktuelle Phase-I-Studie (SECAR-Studie) beschäftigt sich mit der Sicherheit und Wirksamkeit von intravenös verabreichtem Natriumselenit bei Krebspatienten (n = 34; 70 % davon mit Lungenkarzinom) mit Resistenz gegen Zytostatika. Erst nach einer intravenösen Gabe von Selen erhielten die Patienten eine First-Line-Chemotherapie, um das veränderte Ansprechen auf die Zytostatika untersuchen und hinsichtlich möglicher günstiger klinischer Effekte eine erste Bewertung vornehmen zu können. Bemerkenswerterweise sprachen viele Patienten der Studie nach intravenöser Applikation von Natriumselenit wieder auf ihre First-Line-Chemotherapie an. Diese Ergebnisse bestätigen andere Befunde und weisen darauf hin, dass Natriumselenit an sich für eine Untergruppe von Tumorpatienten klinisch hilfreich ist und dass weiterhin dessen Wirkungen im Zusammenspiel mit einer nachfolgenden Chemotherapie zu einem positven Behandlungsresultat beitragen. Die Erkenntnisse aus diesen Studien legen drei antikanzerogene Wirkungsmechanismen des Natriumselenits nahe: Die Substanz hat einen AntiTumor-Effekt per se, sie kehrt eine Chemoresistenz um und mildert toxische Nebenwirkungen der Chemotherapie. In dieser Studie zeigte sich Natriumselenit, intravenös appliziert bis zu 10,2 mg/m2 nach geltendem Protokoll, als sicher und gut verträglich. Die in der SECAR-Studie über eine Dosiseskalation ermittelte maximal tolerierte Dosis (MTD) mit 10,2 mg/m2 Körperoberfläche (entspricht ca. 17 646 µg Se/d bei einer durchschnittlichen KOF von 1,73 m2). Auch die radiogenbedingten Nebenwirkungen auf die Speicheldrüsen konnten in einer aktuellen placebokontrollierten Studie an Patienten mit Schilddrüsenkarzinom im Rahmen der Radioiod-Therapie mit dem radioaktiven Iod-Isotop 131Iod signifikant reduziert werden. #428_430{sid2O0fvUaq} Für die klinische Praxis ist wegweisend, nach entsprechenden Laboruntersuchungen, wenn immer möglich, jeglichen Mangel an Selen auszugleichen. Die hier vorgestellten Studien zeigen, dass ein Anheben des Selen-Serumspiegels die toxischen Nebenwirkungen von Chemo- und Bestrahlungstherapien vermindern, ohne gleichzeitig deren primäre Anti-Tumor-Effekte zu beeinträchtigen. Dies entspricht auch der praktischen Erfahrung unserer Gruppe mit Natriumselenit (z. B. 1 mg Natriumselenit in 100 ml 0,9 % NaCl als Prämedikation vor einer Chemotherapie). Leider ist der optimale Selenspiegel für den Menschen nicht bekannt, da die meisten Selenenzyme kinetisch noch nicht ausreichend charakterisiert sind. Die derzeit beste Schätzung des Optimalwerts (Rayman, Lancet 2012) liegt bei ca. 130–150 µg Se/l Serum bzw. 162,5–187,5 µg Se/l Vollblut. In der Onkologie ist das Selensalz der ersten Wahl Natriumselenit. #430.01{sidLmrXro8p} Weitere Mineralstoffe #430.02{sidN6YSmW5y} Erniedrigte Zinkspiegel im Blut und gleichzeitig erhöhte Kupferspiegel finden sich häufig bei Tumorpatienten. Dieses Phänomen kann zum einen mit entzündlichen Prozessen und zum anderen mit der bei Zinkmangel verringerten Produktion von Metallothionein, welches Einfluss auf die Resorption von Zink und die Regulierung des Kupferspiegels hat, im Zusammenhang stehen. Ein erhöhter Kupferspiegel findet sich ebenfalls bei akuten und chronischen Infekten, bei Störungen des Eisenhaushalts, bei verschiedenen Tumoren (z. B. Bronchial-, Mamma-, Leberzell- und Prostatakarzinom) sowie vor allem bei Leberschäden mit Störungen des Gallenabflusses und bei exokriner Pankreasinsuffizienz. In Untersuchungen an Patienten mit Zinkmangel wurde auch eine Beeinträchtigung der zellulären Immunität, nachweisbar anhand einer reduzierten lytischen Aktivität der NK-Zellen beobachtet. Für die Bewertung des Kupfer- und Zinkstatus wird z. T. der Kupfer-Zink-Quotient als Verlaufsparameter herangezogen, der bei Krebspatienten im Vergleich zu Gesunden häufig erhöht ist. Ein Abfall bzw. Anstieg des Quotienten auf < 1,5 bzw. > 1,5 soll für einige Tumorentitäten von prognostischer Bedeutung sein. In einer Untersuchung an Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom lag die durchschnittliche Überlebensrate bei einem Kupfer-Zink-Quotient > 2 bei 25 Wochen, während die Überlebensrate bei niedrigem Kupfer-Zink-Verhältnis bei über 40 Wochen lag. Eine unzureichende Versorgung mit Eisen, L-Carnitin, Folsäure und Vitamin B12 ist häufig bei Tumorpatienten mit Tumoranämie und Fatigue-Syndrom nachweisbar. Die labordiagnostisch kontrollierte Korrektur des bestehenden Eisendefizits (z. B. Transferrin-Sättigung, Ferritin) ist vor allem bei einer therapeutischen Intervention mit rekombinantem Erythropoetin (EPO) bei Patienten mit Tumoranämie empfehlenswert. Bei Patienten mit Tumoren im Hals- und Kopfbereich findet sich vermehrt ein Magnesiummangel. Schwere Hypomagnesiämien werden vor allem unter cisplatinbasierten Chemotherapien beobachtet, die nicht selten mit dem Auftreten von Magnesiummangeltetanien verbunden sind. Hier sollte in jedem Fall eine prophylaktische Supplementierung mit Magnesium erfolgen. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #430.03{sidjgSCdScD} Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) #430_431{sidDG3TuejO} Ernährungs- und therapiebedingt kommt es bei Krebspatienten häufig zu einer diätetischen Unterversorgung an diesen essenziellen langkettigen Fettsäuren. In verschiedenen Studien an Patienten mit Tumorkachexie (z. B. Pankreaskarzinom) und fortgeschrittener Tumorerkrankung konnte ein positiver Effekt auf die Gewichtsstabilisierung, den Appetit und die Lebensqualität, zum Teil auch auf die Überlebensrate, durch die Supplementierung der langkettigen, mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäure Eicosapentaensäure (z. B. 2 g EPA pro Tag) beobachtet werden. Die antikachektisch wirkenden Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA inhibieren die TNF-α- und PIF-Signaltransduktionskaskade, wobei dabei der Hemmung des NFkappaB-Systems eine Schlüsselstellung zukommt (○Abb. 35.7). Die Produktion von proinflammatorischen und kachexiefördernden Zytokinen wie IL-1β, IL-6 und TNF-α wird durch EPA und DHA downreguliert und die katabolen Wirkungen des Proteolysis Inducing Factor (PIF) auf das Muskelprotein und der LMF-induzierten Lipolyse verringert. Auch andere Mikronährstoffe wie Selen (z. B. 200 µg/d, p. o.), L-Carnitin (z. B. 3 × 1 000 mg/d, p. o.) und Vitamin D wirken einer Tumorkachexie entgegen. In einer randomisierten klinischen Studie konnte durch die Gabe von langkettigen Omega3-Fettsäuren (18 g Fischöl/d, p. o.) und Vitamin E eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit sowohl bei mangelernährten als auch bei gut ernährten Patienten mit generalisierten soliden Tumoren im Vergleich zu Placebo erzielt werden. #431.01{sidNHqbQgGW} Abb. 35.7 Ansatzpunkte der antikachektischen Wirkung von Mikronährstoffen #431.02{sidFBYVCcbo} 35.1.5 Erhöhter Mikronährstoffbedarf bei Tumorpatienten #431.03{sidtWzFBn8i} Der Bedarf an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen ist bei Tumorpatienten therapie- und krankheitsbedingt erhöht und kann auch durch eine gesunde, vollwertige Kost kaum noch gesichert werden. Eine ausgewogene Ernährung ist vor allem in der Phase der Chemo- bzw. Strahlentherapie aufgrund der häufigen Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen nur schwer möglich. Anorexie und Erbrechen sind häufig mit Störungen des Elektrolyt- (z. B. Hypokaliämie, Hypercalcämie) und Säure-Basen-Haushalts verbunden. Chemo- und bestrahlungsinduzierte Schleimhautschäden (z. B. Strahlenkolitis, Diarrhöen) beeinträchtigen zusätzlich die Nährstoffresorption (z. B. Vitamin B12) und verursachen ausgeprägte Mikronährstoffverluste. #431_432{sidTlmrNwB5} Spezifische Interaktionen zwischen Zytostatika und Mikronährstoffen sollten bereits in die Planungsphase der tumordestruktiven Therapie einbezogen werden □ Tab. 35.7). So führen z. B. cisplatinbasierte Chemotherapien häufig zu Störungen im Magnesium- und Kaliumhaushalt, die mit einem erhöhten Risiko für eine Hypomagnesiämie und Hypokaliämie assoziiert sind. Eine Therapie mit Cisplatin ist auch häufig mit Störungen im Carnitinhaushalt vergesellschaftet. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #432.01{sidqHArIWXI} Die onkologischen Basistherapien (Chemo- bzw. Strahlentherapie) sind zwar sehr effektiv, aber leider auch entsprechend aggressiv. Aufgrund ihrer fehlenden Selektivität wird außer Tumorzellen auch Normalgewebe geschädigt, insbesondere das hämatopoetische System (z. B. Granulozytopenie) sowie die rasch proliferierenden Zellsysteme der Schleimhäute (→ Schleimhauttoxizität), des Immunsystems (→ Immundefekte, z. B. schwere bakterielle und virale Infekte) und des Knochenmarks (→ Störungen der Knochenmarkregeneration). Die Schleimhäute im Bronchial- und im Magen-Darm-Trakt reagieren besonders empfindlich auf eine Chemo- oder Strahlentherapie. Schädigungen der Darmschleimhaut sind mit Abdominalschmerzen, Zerstörung der intestinalen Flora, erhöhten Nährstoffverlusten (→ Erbrechen, Übelkeit) sowie einer gestörten Nährstoffresorption (→ Durchfall) und -utilisation verbunden (□ Tab. 35.6). In der Phase der Chemo- bzw. Strahlentherapie nehmen die Betroffenen dadurch zum Teil wochenlang weniger als die Hälfte ihres eigentlichen Bedarfs an essenziellen Mikronährstoffen auf. #432.02{sid3sED5ynO} Darüber hinaus wird eine der wichtigsten Immunbarrieren des Körpers im Darm (GALT: Gut Associated Lymphatic Tissue) und Bronchialtrakt (BALT: Bronchus Associated Lymphatic Tissue) geschädigt, sodass infektiöse Mikroorganismen leichter über die Schleimhäute in den durch die Krankheit und Therapie geschwächten Körper eindringen können (→ bakterielle Translokation). Erhöhte Komplikationsraten, die sich in Form von Sekundärinfektionen und Sepsis äußern können sind die Folge. Das Darmschleimhautsystem ist das größte körpereigene immunkompetente System und leistet im gesunden Organismus essenzielle lokale und systemische Abwehr- und Kontrollfunktionen. Ausgeprägte immunmodulierende und antiinflammatorische Wirkungen besitzen die langkettigen ungesättigten Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA) sowie die Aminosäuren L-Cystein, L-Glutamin, LGlycin und L-Arginin. Zur Unterstützung des Immunsystems und dem Erhalt der Darmfunktion werden mit L-Glutamin, Omega-3-Fettsäuren und Antioxidanzien angereicherte Trinklösungen, sogenannte Immundiäten (Immunonutrition), angeboten. Die Aminosäure Glutamin ist für den Dünndarm das primär energieliefernde Substrat und ein unentbehrlicher Nährstoff zur Aufrechterhaltung der normalen Darmfunktion. Mit Glutamin angereicherte Immundiäten können bei Krebspatienten die Häufigkeit infektiöser Komplikationen und die Krankenhausaufenthaltsdauer verkürzen. L-Glutamin (ca. 0,2–0,5 g/kg KG/Tag) wird vor allem in Kombination mit Tributyrin, Omega-3-Fettsäuren und Antioxidanzien im Rahmen enteraler oder parenteraler Ernährungsregimes bei Knochenmarkstransplantationen (KMT) und in der Therapie hyperkataboler Zustände wie der Tumorkachexie eingesetzt. #432_433{sidplutRxSC} Neben der Chemo- und Strahlentherapie können auch operative Eingriffe im Bereich des Magen-Darm-Trakts ausgeprägte Resorptions- und Utilisationsstörungen von Mikronährstoffen auslösen (□ Tab. 35.9). Beispielswiese kann der monoklonale Antikörper Cetuximab stark mit dem Magnesium-Haushalt interferieren. Cetuximab wird in der Therapie des metastasierten, EGFR-exprimierenden kolorektalen Karzinoms mit RAS-Wildtyp in Kombination mit Irinotecan oder Oxaliplatin eingesetzt. Als First-Line-Therapie kann Cetuximab auch mit FOLFOX (FOLinsäure, 5-Fluorouracil, Oxaliplatin) kombiniert werden. In Verbindung mit Strahlentherapie oder einer Platin-basierten Chemotherapie wird Cetuximab zusätzlich bei Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Halsbereich (SCCHN) eingesetzt. Durch die Blockade des EGFR in der Niere kommt es zum Magnesium-Wasting mit Hypomagnesiämie (< 0,76 mmol/l), teils ist auch Hypocalcämie sowie Hypokaliämie nachweisbar. In einer aktuellen Studie wird zudem von einer kürzeren Überlebenszeit der Patientengruppe mit Hypomagnesiämie unter einer Therapie mit Cetuximab berichtet. Die aktive, transzelluläre Rückresorption von Magnesium in der Niere erfolgt durch den Ionenkanal TRPM6. Die Expression von TRPM6 ist von der Aktivierung der EGFR Signalkaskade abhängig. In der Niere wurde der EGFR unter anderem entlang des dicken, aufsteigenden Teils der Henle-Schleife und der Pars convoluta im distalen Tubulus nachgewiesen. Diese beiden renalen Abschnitte sind für die Magnesium-Reabsorption wichtig. Um eine Hypomagnesiämie 3. oder 4. Grades zu vermeiden sind nach Studien 2- bis 7-mal pro Woche intravenöse Gaben von je 4–10 g Magnesiumsulfat notwendig. Die antineoplastische Aktivität von Cetuximab wird durch die Substitution von Magnesium nicht beeinflusst. Neben dem Magnesiumhaushalt sollte beim Einsatz monoklonaler Antikörper immer auch ein Blick auf den 25(OH)D-Status geworfen werden. #434.01{sidP095zDtz} Strahlentherapie-Nebenwirkungen, die einen Mangel bzw. erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen hervorrufen #434.02{sidMWBaC1ps} Appetitlosigkeit, Anorexie, #434.03{sidbkpwMTyi} Übelkeit und Erbrechen, #434.04{sidZmQaOzZH} Geruchs-, Geschmacks- und Schluckstörungen, #434.05{sidU8R3emz2} Fisteln (z. B. Ösophagus), #434.06{sid9olv7RK0} Mundtrockenheit, #434.07{sidlBsc95p5} Diarrhö, #434.08{sidGU3KG5Yk} Mukositis, #434.09{sidWxj21ht4} Ulzerationen des Magen-Darm-Trakts, #434.10{sidXXo4JfR1} akute und chronische Strahlenenteritis. #434.11{sidTviodpm7} Bedacht werden sollten auch die Nebenwirkungen der in der Tumorschmerztherapie eingesetzten opioidhaltigen Analgetika und anderen adjuvanten Arzneimitteln (z. B. Glucocorticoide, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Neuroleptika). Opioide besitzen eine ausgeprägte obstipierende Wirkung, die sowohl durch eine Herabsetzung der Darmmotilität und der intestinalen Sekretion wie durch die Wirkung auf zerebrale und spinale Rezeptoren bedingt ist. Die Obstipation ist neben der Übelkeit die wichtigste und hartnäckigste Nebenwirkung der Opioid-Analgetika. Eine Schmerztherapie mit Opioiden muss daher fast immer mit einer Gabe von Laxanzien unterstützt werden. Ist die Dünndarmpassage beschleunigt, werden komplexe Nahrungsinhaltsstoffe nur noch unzureichend aufgespalten. Darüber hinaus sinkt auch der Resorptionsumfang, da die Kontaktzeit mit dem absorbierenden Epithel verkürzt wird. Opioide und Laxanzien führen dadurch zu erheblichen Störungen der Mikronährstoffdigestion und -utilisation. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #434.12{sidVSPoe54Y} 35.1.6 Freie Radikale und oxidativer Stress #434.13{sidMVFSGluW} Freie Radikale spielen nicht nur bei allen Stadien der Krebsentwicklung (Initiation, Promotion und Progression) eine pathogenetische Rolle, sondern auch bei der Tumorprogression. Als freie Radikale werden chemisch instabile, kurzlebige und hochreaktive Moleküle bezeichnet, die ein oder mehrere ungepaarte Elektronen besitzen. Um ihren instabilen Zustand auszugleichen, entreißen freie Radikale anderen Molekülen ein Elektron. Über Kettenreaktionen können dabei permanent weitere zelltoxische Radikale und reaktive Folgeprodukte entstehen (→ Radikalkettenreaktion). Allein die DNA einer einzigen menschlichen Zelle ist pro Tag etwa 10 000 oxidativen Angriffen durch freie Radikale ausgesetzt. #433.01{sidpwAWj1Cx} Tab. 35.9 Spezifische chemotherapiebedingte Störungen im Mikronährstoffhaushalt (Auswahl) #433.02{sidrEdKuLpJ} Mikronährstoff Mechanismus Folge Magnesium EGFR-Blockade im Nephron beeinträchtigt aktiven MagnesiumTransport Magnesium-Wasting, Magnesiummangel (→ Hypomagnesiämie < 0,76 mmol/l), Risiko für Fatigue L-Carnitin Erhöhte renale Exkretion von LCarnitin Cisplatin induzierte CarnitinInsuffizienz, erhöhtes Risiko für Begleitkomplikationen (z. B. Fatigue) Magnesium, Kalium Erhöhte renale Exkretion von Magnesium und Kalium Hypomagnesiämie, Hypokaliämie, Fettstoffwechselstörungen, Glucosetoleranzstörungen, erhöhte Nephrotoxizität Vitamin D Abbau von 25(OH)D und 1,25(OH)2D über die 24-OHase in inaktive Metabolite Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml), Risiko für Störungen des Knochenstoffwechsels und Beeinträchtigung der Immunkompetenz Vitamin B1 Hemmung der Phosphorylierung von Thiamin zum coenzymatisch aktiven TDP Risiko für Herzinsuffizienz, Lactatazidose, Neurotoxizität L-Carnitin Erhöhte renale Exkretion von LCarnitin Ifosfamidinduzierte Carnitininsuffizienz, erhöhtes Risiko für Begleitkomplikationen (z. B. Fatigue) Folsäure FolsäureAntagonismus Folatmangel, Homocysteinämie, Mukositis Vitamin D Abbau von 25(OH)D und 1,25-(OH)2D über die 24-OHase in inaktive Metabolite Vitamin-D-Mangel (25(OH)D < 20 ng/ml), Risiko für Störungen des Knochenstoffwechsels und Beeinträchtigung der Immunkompetenz Folsäure FolsäureAntagonismus Mukositis, Durchfall, Thrombozytopenie, Neutropenie, Homocysteinämie Zytostatikum #433.03{sidlOWoLVM9} Cetuximab #433.04{sidR3WjjQyh} Cisplatin #433.05{sidIq2TT1n9} Cisplatin #433.06{sidEc9zUkGF} Cyclophosphamid #433.07{sidsDFpuwGx} 5-Fluorouracil #433.08{sid5y4lHFtQ} Ifosfamid #433.09{sid0mB5XUnf} Methotrexat #433.10{sidCNaBt7fL} Paclitaxel #433.11{sidOibiVY5g} Pemetrexed #434.14{sidHrzytnnM} Freie Radikale und reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) haben aufgrund verschiedener Mechanismen kanzerogene Eigenschaften: #434.15{sidbdI2uwEZ} oxidative DNA- und Membranschäden (z. B. Basenschäden, Strangbrüche), #434.16{siddZ8pJXjM} Lipidperoxidation: Lipidperoxidationsprodukte (MDA, 4-HNE) wirken zytotoxisch und können die DNA modifizieren, #434.17{sidjTlwwYJy} prämutagene DNA-Basenprodukte (z. B. 8-Hydroxycytosin, 8-Hydroxyadenin), #434.18{sidSx0USSLe} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Aktivierung des redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFκB und Genaktivierung proinflammatorischer Zytokine (z. B. IL-1, TNF-α), #434.19{sidCLLb1wgW} Aktivierung der Protoonkogene c-fos und c-jun, #434.20{sid6VehZvyu} Störungen der zellulären Signaltransduktion, #434.21{sidrX29lU5u} Störungen der Zell-Zell-Kommunikation (gap-junctions, Connexin). #434_435{sid2T491Jc0} Die an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA) reichen Phospholipide der Zellmembranen sind durch einen Angriff aggressiver Radikale besonders gefährdet. Lipidperoxidation und Quervernetzung von Membranlipiden verursachen ausgeprägte Membranschäden, wodurch zelluläre Kommunikations- und Transportsysteme (z. B. ZellZell-Kommunikation über Connexin) gestört werden. Steigerungen der Membranpermeabilität für Calciumionen sowie Veränderungen in der Bindungskapazität zellulärer Rezeptoren und Enzymaktivitäten können einen frühzeitigen Zelltod auslösen. Produkte der Lipidperoxidation wie 4-Hydroxynonenal (4-HNE) oder Malondialdehyd (MDA) wirken stark zytotoxisch und modifizieren die DNA. #435.01{sidB8M3pTZR} Der endogene Redoxstatus beeinflusst auch die Aktivierung von Proto-Onkogenen wie c-fos, des Tumorsuppressorgens p53 und des Transkriptionsfaktors Nuclear-Factor-kappaB (NFκB). So aktivieren reaktive Sauerstoffspezies wie Wasserstoffperoxid (H2O2) den redoxsensitiven Transkriptionsfaktor NFκB. NFκB ist u. a. verantwortlich für die Auslösung der kompletten Entzündungskaskade, die Replikation von Retroviren und die fortlaufende Produktion von Zytokinen. Über proinflammatorische und oxidative Reize gelangt der normalerweise an einen Inhibitor (I-κB) gebundene NFκB in den Zellkern und stimuliert dort die Transkription von Zytokinen wie TNF-α. TNF-α (= Kachektin) bildet die Zündkerze im Entzündungsstoffwechsel und wird auch als Auslöser der tumorassoziierten Kachexie für die körperliche Auszehrung bei Tumorpatienten verantwortlich gemacht. Bemerkenswert ist, dass Selenmangel im Tierversuch signifikant die Bindung von Zellkernproteinen an die Regulatorsequenz des NFκB-Gens steigert. Neben Selen wird die Aktivierung des NFκB und Bildung von TNF-α auch von Vitamin C, Retinoiden, Vitamin E, Omega-3-Fettsäuren und α-Liponsäure herunterreguliert. #435.02{sid8gDEnXoz} Die chemotherapieinduzierte Bildung von freien Radikalen wird auch als Ursache der Prämutagenität und Organotoxizität einiger Zytostatika, wie z. B. die Kardiotoxizität der Anthrazykline diskutiert (□ Tab. 35.9). Anthrazykline sind tetrazyklische Antibiotika, die häufig in der Therapie von Mammakarzinomen, Sarkomen, Hodgkin’scher Krankheit und bei akuter Leukämie eingesetzt werden. Die klinisch eingesetzten Anthrazykline (z. B. Doxorubicin, Epirubicin) sind redoxzyklierende Anthrachinone, die durch das Flavocoenzym NADPH-CytochromP450-Reduktase zum Anthrazyklin-Semichinon-Radikal reduziert werden. Das nach Ein-Elektronen-Reduktion entstandene Semichinon kann ein Elektron, das nach Zwei-Elektronen-Reduktion entstandene Dihydrochinon kann zwei Elektronen auf molekularen Sauerstoff übertragen, sodass Superoxidanion-Radikale (•O2-) und Wasserstoffperoxid (H2O2) entstehen (○Abb. 35.8). H2O2 ist besonders gefährlich aufgrund seiner Reaktion mit Eisen, die zu den hoch genotoxischen Hydroxyl-Radikalen (•OH) führt (Fenton-Reaktion). Da Anthrazykline hervorragende Chelatoren sind, reagieren sie bevorzugt mit Metallen wie Eisen. Ein weiterer Weg der Radikalgenese erfolgt über die Bildung von Anthrazyklin-Fe3 +-Komplexen. Dies sind starke Oxidanzien mit der Fähigkeit der direkten Lipidperoxidation ohne die Anwesenheit von freien Sauerstoffspezies. Anthrazyklin-Fe3 +Komplexe haben eine hohe Affinität zum Phospholipid Cardiolipin, das in der inneren Membran des mitochondrialen und sarkoplasmatischen Retikulums vorkommt. Die Bindung an Cardiolipin und die damit verbundenen Störungen der mitochondrialen Atmungskette (z. B. Kreatinkinase) scheinen wesentlich zur kardiotoxischen Wirkung der Anthrazykline beizutragen. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #436{sidvT1lWKbM} Abb. 35.8 Anthrazyklininduzierte Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies #435.03{sid6yJ3vngY} Hydroxylradikale (HO•) können in den Lymphozyten von Krebspatienten oxidative Veränderungen der DNA-Base Guanin unter Bildung des 8-Hydroxyguanins hervorrufen mit der Folge von Fehlpaarungen bei der Zellreplikation (z. B. Tranversion von GC zu TA). Gegenüber Kontrollen ist die Konzentration an 8-Hydroxyguanin im Urin von Krebspatienten erhöht. Produkte oxidativer DNA-Basenschäden wie 8-Hydroxycytosin und 8-Hydroxyadenin besitzen prämutagene Eigenschaften und könnten für das Auftreten von therapieinduzierten Sekundärtumoren verantwortlich sein. #435.04{sidL1twxnHm} 35.1.7 Antioxidanzien und Chemotherapie #435_437{sidCdp1Mxoi} Die adjuvante Einnahme diätetischer Antioxidanzien während der tumordestruktiven Maßnahmen wird immer noch sehr kontrovers diskutiert, da die Wirkungsweise von Chemo- und Strahlentherapie zum Teil auf der Bildung von freien Radikalen beruht. Allerdings wirkt der überwiegende Anteil der gegenwärtig in der Therapie eingesetzten Zytostatika, wie z. B. die Antimetaboliten, die Stickstofflost-Derivate (z. B. Cyclophosphamid), die Platin-Komplexe (z. B. Cisplatin), die Vinca-Alkaloide, Taxane oder die Anthrazykline (z. B. Epirubicin) nicht primär über oxidativen Stress. Wenn Antioxidanzien zu einer deutlichen Beeinflussung der der tumordestruktiven Effektivität der Standardtherapien führen würden, dann dürften vor allem die an antioxidativen und phytaminreichen Obst- und Gemüsesorten sowie grüner Tee (z. B. reich an Epigallocatechin) während der Therapiephase nicht konsumiert werden. Die häufige pauschale und unkritische Ablehnung einer Supplementierung von antioxidativ wirksamen und immunmodulierenden Mikronährstoffen während der Phase der Chemotherapie ist demnach nicht gerechtfertigt. #437.01{sidTtciJWb6} Antioxidanzien wie Vitamin C, Vitamin E, Retinoide oder Selen fungieren nicht nur als Radikalfänger, sondern üben neben ihrer antioxidativen Zellschutzfunktion eine Vielzahl von essenziellen Stoffwechselaufgaben aus. Dabei stehen vor allem immunmodulierende, apoptoseinduzierende sowie die Zellproliferation und -differenzierung regulierende Eigenschaften im Vordergrund. Human-, Tier- und In-vitro-Studien haben gezeigt, dass Antioxidanzien über vielfältige Mechanismen das Wachstum von Krebszellen verringern können. Zu diesen zählen u. a. eine Steigerung der Zelldifferenzierung und Apoptose, sowie eine Hemmung der Proteinkinase C- und Adenylatcyclase-Aktivität in neoplastischen Zellen. #437.02{sidhZHFUXGR} Einige experimentelle und klinische Studien lassen vermuten, dass die orale Substitution einer breitgefächerten Nährstoffkombination mit hohem Antioxidanzienanteil (z. B. Vitamin C, E, Selen) vor, während und nach der tumordestruktiven Therapie in der Lage ist, die Effektivität einer Chemo- oder Strahlentherapie durch eine verbesserte Verträglichkeit und erhöhte Sensibilität der Tumoren zu steigern sowie die toxischen Effekte auf gesunde Zellsysteme abzuschwächen. #437.03{sidFlanyD2c} Oxidativer Stress und Zellproliferation #437.04{sid9LxDKKPt} Der zelluläre Redoxstatus spielt eine Schlüsselrolle bei redoxabhängigen Signalkaskaden und in der Kontrolle des Zellwachstums. Die Zellteilung wird durch cyklinabhängige Kinasen (CDK) reguliert. Diese Kinasen begleiten die Zellen gewissermaßen im Zellzyklus mit unterschiedlicher Aktivität und schalten dabei unter anderem Schlüsselenzyme der DNA-Synthese und -reparatur an und aus. Aufgabe der CDK 2, 4 und 6 ist die Phosphorylierung des Retinoblastom-Genprodukts (pRb) während der G1-Phase. Durch die Phosphorylierung wird der assoziierte Transkriptionsfaktor E2F freigesetzt, der wiederum wichtige Gene für die DNA-Replikation anschaltet. Inhibitoren der cyklinabhängigen Kinasen (CKI) wie das Protein p21 können die Zellproliferation hemmen. p21 kann p53-abhängig und p53-unabhängig z. B. durch oxidativen Stress aktiviert werden. Dadurch wird die Rb-Phosphorylierung blockiert und die Zelle in der G1-Phase arretiert. Die weitere Zellteilung wird dadurch gestoppt, woduch die besonders gefährliche Phase der Mitose mit der breitgefächerten DNA-Exposition vermieden wird. H2O2 und Hydroxylradikale scheinen besonders bei der p21-Aktivierung involviert zu sein. #437_438{sid1V0bvt8P} Die tumordestruktive Effektivität antineoplastischer Arzneimittel hängt vor allem von einer schnellen Proliferationsrate des entsprechenden Tumorzelltyps ab. Viele maligne Tumoren lassen sich jedoch wegen eines großen Anteils nicht in Teilung befindlicher, in der G0(G1)-Phase verharrender Zelle durch proliferationshemmende Zytostatika schlecht oder gar nicht beeinflussen. Bemerkenswert ist, dass reaktive Sauerstoffspezies und Aldehyde die Proliferation von Krebszellen stark reduzieren können, mit dem Korrelat, dass auch Zytostatika über radikalinduzierende Prozesse das Tumorzellwachstum verlangsamen. Dadurch können die Zellen länger in der G0Phase (= Ruhephase) verharren und sich der antineoplatischen Wirkung entziehen. Bei soliden Tumoren liegen oftmals etwa 90 % aller Tumorzellen in der Ruhephase vor. Die meisten Zytostatika wirken jedoch phasenspezifisch und üben ihre tumordestruktive Wirkung vor allem in der S-Phase (z. B. Antimetaboliten: MTX, 5-FU), der G2-Phase (z. B. Cyclophosphamid) und der M-Phase (z. B. Vincaalkaloide, Taxane) aus. Neben der Beeinflussung der Genexpression verbessern definierte Antioxidanzien möglicherweise die Effektivität einer tumordestruktiven Therapie auch dadurch, indem sie über ihre Scavengerfunktion einer Verlangsamung der Tumorzellproliferation vorbeugen und damit den Effektivitätsgrad antineoplastischer Arzneimittel steigern (Hypothese). HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #438.01{sidYvuCWEBI} Studien zu Antioxidanzien #438.02{sidncnfJIL6} Studien an Zellkulturen zeigen, dass Antioxidanzien wie Vitamin C, Vitamin E oder Carotinoide in der Lage sind, den wachstumshemmenden Effekt verschiedener Zytostatika (z. B. 5-FU, Doxorubicin, Vincristin) auf bestimmte Krebszellen selektiv zu verstärken. Die Ergebnisse der wenigen bisher vorliegenden Anwendungsbeobachtungen und kleineren Studien an Tumorpatienten sowie eigene praktische Erfahrungen legen nahe, dass die Kombination definierter Antioxidanzien mit der Chemo- und/oder Strahlentherapie einen günstigen Einfluss auf die Effektivität der tumordestruktiven Maßnahmen und die Lebensqualität der Patienten hat. #438.03{sidItnywdqe} In einer Anwendungsbeobachtung erhielten 18 nicht randomisierte Patienten (vier Frauen und 14 Männer) mit kleinzelligem Bronchialkarzinom zusätzlich zur Chemo- und/oder Strahlentherapie eine Kombination definierter Antioxidanzien (Vitamine, Spurenelemente, Fettsäuren, p. o.). Die mittlere Überlebenszeit war signifikant verlängert und die Patienten tolerierten die Chemo- und Strahlentherapie besser unter der begleitenden Antioxidanzientherapie. 14 Patienten (77 %) überlebten länger als zwölf Monate und sechs Patienten (33 %) mehr als zwei Jahre. Bei der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle von Lungenkrebs (ca. 80 %) handelt es sich um nichtkleinzellige Bronchialkarzinome (NSCLC). Bei den meisten NSCLC-Patienten ist der Tumor bei Diagnosestellung wegen des weit fortgeschrittenen lokalen Wachstums oder infolge einer Metastasierung bereits inoperabel. Von diesen Patienten überleben nur wenige die nächsten fünf Jahre. #438.04{sidaWsoAYaa} In einer randomisierten Studie an Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC (Stadium IIIb, IV) war die Ansprechrate der Tumoren in der Gruppe, die zusätzlich zur Chemotherapie (Cisplatin + Paclitaxel) eine Kombination definierter Antioxidanzien (siehe unten) erhielten, besser als in der Gruppe, die nur mit Chemotherapie behandelt wurde (□ Tab. 35.11). #437.05{sidDYMG5NCs} Tab. 35.10 Radikalinduzierte Organschäden durch Zytostatikatherapie #437.06{sid49WPQX5H} Organtoxizität Zytostatikum #437.07{sid0EPj2S9c} Kardiotoxizität Anthrazykline (z. B. Doxorubicin, Epirubicin) #437.08{sideBgWFIR1} Lungentoxizität Bleomycin, Busulfan, Carmustin #437.09{sidHYjR5FUB} Nephrotoxizität Cisplatin, Ifosfamid, Cyclophosphamid, MTX #437.10{sidJAYzpOL2} Hepatotoxizität Carmustin, MTX #438.05{sidyiYoQED9} Tab. 35.11 Vorläufige Ergebnisse einer randomisierten klinischen Studie zum Einsatz hochdosierter definierter Antioxidanzien als Komedikation zur Chemotherapie (Cisplatin + Paclitaxel) bei Patienten mit NSCLC #438.06{sidw9aBP72p} Chemotherapie (= 29) Chemotherapie + Antioxidanzien (n = 28) 3 6 11 16 0 1 9 15 5 4 15 8 7 Monate 14 Monate Behandlung und Tumorantwort #438.07{sidSmUX3zqp} Mittlere Anzahl der Chemotherapiezyklen #438.08{sidSyUs6hXW} Anzahl der Patienten, die 6 Zyklen absolviert haben #438.09{sidEYGP72PF} Komplette Remission #438.10{sidkY8LXpuE} Partielle Remission #438.11{sidl2eJGHTE} Stabile Erkrankung #438.12{sidTzVAXrQO} Fortschreitende Erkrankung #438.13{sidqd1DFzDc} Mittlere Überlebenszeit nach 1 Jahr (Monate) #439.01{sidegVGzS1J} Die Patienten erhielten bereits 48 Stunden vor der Chemotherapie die folgende Antioxidanzien-Kombination (□ Tab. 35.12): Die Nährstoff-Kombination wurde täglich oral verabreicht und während des gesamten Behandlungszyklus bis einen Monat nach Beendigung der Therapie gegeben. Danach wurden sie auf die Hälfte der Dosis reduziert und weitergeführt. #439.02{sidyQDOiiej} In einer Studie an postmenopausalen Patientinnen mit Mammakarzinom reduzierte die adjuvante orale Einnahme von Vitamin C (500 mg/d) und Vitamin E (400 I. E./d) gegenüber der Kontrollgruppe signifikant die durch Tamoxifen induzierte Hypertriglyceridämie. Zusätzlich führte die Koadministration der beiden Antioxidanzien zu einem Anstieg des HDL- und Reduktion des Gesamt- sowie des LDL-Cholesterins. Die Autoren gehen davon aus, dass die Effektivität der Tamoxifentherapie durch eine definierte orale Gabe von Antioxidanzien optimiert werden kann. #439.03{sidRXmFO548} Eine Verbesserung der tumordestruktiven Therapie bei gleichzeitiger Reduktion der Nebenwirkungsrate durch definierte (hohe) Dosen von Antioxidanzien (oral und parenteral, □ Tab. 35.12) wird in einer aktuellen Anwendungsbeobachtung der University of Kansas an Frauen mit fortgeschrittenem epithelialen Ovarialkarzinom (Stadium IIIc) beschrieben. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #439.04{sidqPjlHdyN} Tab. 35.12 Antioxidanzien-Kombination: Zusammensetzung und Tagesdosierung #439.05{sid57JRM5Jf} Tagesdosis (oral) Antioxidans /Immunmodulator #439.06{sidkMMRrA1b} 6 100 mg Vitamin C #439.07{sidOrThdk24} 1 050 mg D-α-Tocopherol #439.08{sid722yLzgU} 60 mg Betacarotin #439.09{sid30spi2jl} 6 mg Kupfersulfat #439.10{sid3Xuv5tpr} 9 mg Mangansulfat #439.11{sidM0ut1ONg} 45 mg Zinksulfat #439.12{sidLMYGpYrM} 900 µg Selen #439.13{sidZGbcuj19} In dieser Untersuchung supplementierten die Patientinnen mit Ovarialkarzinom nach einer Primäroperation adjuvant zur First-Line-Chemotherapie bzw. Konsolidierungstherapie mit Carboplatin und Paclitaxel regelmäßig hochdosierte diätetische Antioxidanzien (□ Tab. 35.13). Zusätzlich erfolgte 1 bis 2× wöchentlich eine intravenöse Applikation von Vitamin C (Dosierung: 60 g/Infusion, 2× pro Woche, Zeitraum: 40 Monate), die sich an Wirkspiegeln von über 200 mg/dl für Vitamin C im Plasma orientierte. Für derartige Plasmaspiegel wird eine Wirkungsverstärkung antineoplastischer Substanzen durch Vitamin C beschrieben. Die Komedikation mit Antioxidanzien zeigte einen überaus günstigen Effekt auf die tumordestruktive Effektivität und Nebenwirkungsrate der Chemotherapie (z. B. Paclitaxel: Neurotoxizität, Myelosuppression) sowie auf die Remissionsdauer (z. B. Tumormarker CA-125) und die Lebensqualität. Die positiven Resultate müssen nun in größeren randomisierten und kontrollierten Studien bestätigt werden. #439_440{sid6i6LgsLJ} Die zytostatische Therapie von Ovarialkarzinomen erfolgt häufig mit einer Kombination aus Cyclophosphamid und Cisplatin (CP). In einer aktuellen Studie an Patientinnen mit Ovarialkarzinom, die mit Cyclophosphamid und Cisplatin behandelt wurden, führte die orale Supplementierung multipler Antioxidanzien mit Selen zu einer signifikanten Verbesserung des Immunstatus (→ Anzahl der Neutrophilen) und Reduktion der chemotherapieinduzierten Nebenwirkungsrate. Die Patientinnen (n = 31) erhielten neben der zytostatischen Basistherapie über einen Zeitraum von drei Monaten täglich eine Antioxidanzien-Kombination aus 200 µg Selen (Selenhefe), 800 mg Vitamin C, 144 mg Vitamin E, 60 mg Betacarotin, 18 mg Vitamin B2 und 180 mg Vitamin B3, aufgeteilt in 4 Einzelgaben. Im Vergleich zu den Kontrollen ohne Antioxidanzien (n= 31) wiesen die Patientinnen der Antioxidanzien-Gruppe nach 3 Monaten signifikant höhere Selenserumspiegel (130,23 ± 64,30 gegenüber 51,41 ± 18,21 µg/l) und eine höhere Aktivität der erythrozytären GSH-Peroxidase-Aktivität auf. Auch die Anzahl der Leukozyten (z. B. neutrophile Granulozyten) war in der Gruppe, die regelmäßig Antioxidanzien eingenommen hatte, signifikant höher. Gegenüber der Kontrollgruppe war in der Antioxidanzien-Gruppe die Häufigkeit chemotherapieassoziierter Nebenwirkungen wie Appetitverlust, Übelkeit, Erbrechen, Stomatitis, Haarausfall, Flatulenz, abdominelle Schmerzen, Schwäche und Unwohlsein signifikant geringer. Neurotoxische Symptome durch Cisplatin traten bei einer Frau aus der Antioxidanzien-Gruppe und bei zwei Frauen in der Kontrollgruppe auf. #440.01{sidUpLUYoxI} Ein aktuell publizierter systematischer Review (Block, Cancer Treat Rev, 2007) kontrollierter randomisierter Studien zum Einfluss von Antioxidanzien auf die Chemotherapie kommt zu dem Schluss, dass die Supplementierung von Antioxidanzien sich nicht nachteilig auf die Chemotherapie auswirkt, sondern eher einen günstigen Einfluss auf die Nebenwirkungsrate und die Tumorresponse hat. In keiner der hierbei untersuchten Studien war eine signifikante Beeinträchtigung der Chemotherapie nachweisbar. Jedoch zeigten viele Studien, dass die Supplementierung von Antioxidanzien entweder die Überlebenszeit, die Tumorresponse oder beides erhöhte, sowie die Rate an Nebenwirkungen gegenüber den Vergleichsgruppen verringerte. #440.02{sidd0KDLeOI} Tab. 35.13 Komedikation mit Antioxidanzien bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom #440.03{sidUJjWSiKH} Mikronährstoff Patientin 55 Jahre Patientin 60 Jahre Vitamin C 9 000 mg/d 3 000 mg/d 1 200 E. E./d 1 200 I. E./d 300 mg/d – 25 mg/d 25 mg/d 10 000 I. E./d 5 000 I. E./d Applikation #440.04{sidkai0RWsm} Oral #440.05{sidKa1friJO} Vitamin E #440.06{sidAkcVfN9O} Coenzym Q10 #440.07{sidNGPJpDwH} Carotinoide #440.08{sidt64S3ZlG} Vitamin A #440.02{sidd0KDLeOI} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 35.13 Komedikation mit Antioxidanzien bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom #440.03{sidUJjWSiKH} Mikronährstoff Patientin 55 Jahre Vitamin-C-Infusion 60 g, 2×/Woche, Vitamin-CPlasmaspiegel: > 200 mg/dl Vitamin-C-Infusion 60 g, 1×/10–14 Tage Applikation #440.09{sidteoS9Pv3} Parenteral in der CT-Phase #440.10{sidd5JPid2M} Parenteral nach der CT Patientin 60 Jahre 60 g, 2×/Woche, VitaminPlasmaspiegel: > 200 mg/dl #440.11{sidaHgWRRuj} Diese Daten werden durch die Ergebnisse einer weiteren Publikation (Block, Inter J Cancer, 2008) der gleichen Arbeitsgruppe im International Journal of Cancer unterstützt. Dabei erfolgte nach einem standardisierten Verfahren eine Literaturrecherche von 1966 bis Oktober 2007 mithilfe folgender Datenbanken: Medline, Cochrane, CinAhl, AMED, AltHealthWatch and EMBASE. Eingeschlossen waren nur randomisierte, kontrollierte klinische Studien, die Angaben zum Einfluss von Antioxidanzien auf die chemotherapieassoziierte Toxizität machten. Nur 33 von 965 untersuchten Artikeln, mit 2 446 Teilnehmern, entsprachen den angelegten Kriterien. Die Auswertung ergab, dass die Supplementierung von Antioxidanzien während der Chemotherapie vor allem die Dosis limitierende Toxizität der Zytostatika reduziert und damit eine höhere Dosierung bei gleichzeitig besserer Verträglichkeit erlaubt (□ Tab. 35.14). Die Arbeitsgruppe fordert dennoch zu recht, dass weitere sinnvoll strukturierte Studien mit einer hohen Patientenanzahl und definierten Antioxidanzien notwendig sind, um den Vorteil der adjuvanten Supplementierung während der Chemotherapie zu bestätigen. #445.01{sidEgRAJs1P} Tab. 35.14 Randomisierte klinische Studien mit Glutathion, Vitamin E und AntioxidanzienKombinationen sowie Chemotherapie (Auswahl) (Forts.) #445.02{sidhSQdrIy9} Patienten, n Studie/Tumorart(en) BehandlungsprotokollChemotherapieSchema Abschwächung der Toxizität: Behandlungsgruppe vs. Kontrollgruppe Ansprechen: Behandlungsgruppe vs. Kontrollgruppe Schlussfolgerung #442.01{sidnSzmqfWg} Tab. 35.14 Randomisierte klinische Studien mit Glutathion, Vitamin E und AntioxidanzienKombinationen sowie Chemotherapie (Auswahl) #442.02{sidaiv53rYl} Studie/Tumorart(en) Patienten, n BehandlungsprotokollChemotherapieSchema Abschwächung der Toxizität: Behandlungsgruppe vs. Kontrollgruppe Ansprechen: Behandlungsgruppe vs. Kontrollgruppe Schlussfolgerung N = 52; 26 Chemo + GSH, 26 Chemo + Placebo 1 500 mg/m2 IV über 15 Minuten, unmittelbar vor Chemo Oxaliplatin 100 mg/m2 als IVInfusion, danach 5-FU, 1 500 mg/m2 i. v. als 24h-Infusion mit Leucovorin, 150 mg/m2 als Infusion Bei 30 % in GSHGruppe vs. 100 % in Kontrollgruppe trat Neurotoxizität 2.–4. Grades auf (p = 0,004); Inzidenz und Schweregrad anderer Toxizitäten waren ähnlich zwischen den Gruppen CR- + PR-Raten lagen bei 27 % in GSHGruppe vs. 23 % in Kontrollgruppe; keine Gruppe meldete eine CR; medianes Überleben: 16 vs. 17 Monate Bei GSH-Gruppe trat deutlich schwächere Neuropathie auf als in der Kontrollgruppe N = 54, 27 Chemo + GSH, 27 Chemo alleine 2 500 mg/m2 i. v. über 15 Minuten, unmittelbar vor Chemo CDDP 50 mg/m2 als i. v. Infusion bei 26 Patientinnen; CDDP 75 mg/m2 i. v. bei 28 Patientinnen Bei 26 % vs. 50 % trat Neurotoxizität auf; bei 37 % vs. 78 % trat Oligurie auf CR- + PR-Raten lagen bei 70 % vs. 59 %; CR-Raten bei 22 % und 11 %; keine Überlebensraten gemeldet; keine statistische Analyse wegen kleinem Stichprobenumfang Bei GSH-Gruppe trat geringere Neurotoxizität und Oligurie auf und Tumoransprechraten waren höher als in Kontrollgruppe N = 207 30 mg/kg i. v. täglich ab Chemo-Beginn bis zur Entlassung 5-FU Prodrug (FT-207) 16 mg/kg/Tag i. v. bis zur Entlassung, danach oral 12 mg/kg/Tag über 24–36 Monate Keine signifikanten Unterschiede bei GI Toxizitäten, höhere 5FU-Serumspiegel in GSH-Gruppe Ähnliche Überlebensraten GSH-Gruppe wies keine Toxizitätsunterschiede auf, aber signifikant höhere Überlebensraten bei Patienten im Stadium III #442.03{sidpSyoubj8} Glutathion (GSH) #442.04{sidRsWiocYm} Fortgeschrittenes kolorektales Karzinom #442.05{sidVWjGDFZN} Fortgeschrittenes Ovarialkarzinom #442.06{sidzU0y7LfV} Magenkarzinom #442.07{sid5MjbOCfk} Vitamin E #445.01{sidEgRAJs1P} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 35.14 Randomisierte klinische Studien mit Glutathion, Vitamin E und AntioxidanzienKombinationen sowie Chemotherapie (Auswahl) (Forts.) #445.02{sidhSQdrIy9} Patienten, n BehandlungsprotokollChemotherapieSchema Abschwächung der Toxizität: Behandlungsgruppe vs. Kontrollgruppe Ansprechen: Behandlungsgruppe vs. Kontrollgruppe Schlussfolgerung N = 32 Oral 300 mg/2× täglich Entweder 175 mg/m2 i. v. Paclitaxel plus Carboplatin (AUC 6 an Tag 1) oder 175 mg/m2 i. v. Paclitaxel plus 80 mg/m2 Epirubicin an Tag 1 Neurotoxizität bei 3/16 (18,7 %) Vitamin-EPatienten vs. 10/16 (62,5 %) in Kontrollgruppe (p = 0,03). PNP-Skala Vitamin E 2,25 vs. 11 in Kontrollgruppe (p = 0,01) k. A. Vitamin E schützt vor peripherer Nervenschädigung N = 27, 13 Chemo + Vitamin E vs. 14 Chemo alleine Oral 300 mg/Tag Alpha-Tocopherol vor Chemo; dann weiterhin für 3 Monate nach Behandlung CDDP verabreicht in verschiedenen Dosen und Schemata basierend auf spezifischer Tumorlokalisation, z. B. bei Lungenkrebs, 75 mg/m2 i. v. an Tag 1 und GEM 1 000 mg/m2 i. v. an Tag 1 und 8 alle 3 Wochen Bei 30,7 % vs. 85,7 % trat Neurotoxizität auf (p < 0,01); andere Toxizitäten waren ähnlich in beiden Gruppen CR- + PR-Raten lagen bei 62 % vs. 73 % (NS); CR-Raten und Überlebensraten wurden nicht gemeldet Bei der Vitamin-EGruppe war Schweregrad und Inzidenz der Neurotoxizität signifikant reduziert; die Kontrollgruppe wies höhere Tumoransprechrate auf als die VitaminE-Gruppe N = 30 (beendet; 40 registriert) Oral 600 mg/Tag während Chemo und für 3 Monate danach Cisplatin-basierte Therapie Neurotoxizität trat bei 3/14 (21,4 %) Vitamin-E-Patienten auf vs. 11/16 (68,5 %) in Kontrollgruppe; p = 0,026 K. A. Vitamin E verfügt möglicherweise über wichtige neuroprotektive Wirkungen N = 48; 25 Chemo + Antioxidanzien vs. 23 Chemo + Placebo Oral Vitamin C (1 g LAscorbinsäure), Vitamin E (400 mg in Form von DL-AlphaTocopherolacetat) und Selen (100 µg), alle in milchig-weißem Getränk gelöst CDDP IV in verschiedenen Dosisstärken (geplante Höchstdosis: 100 mg/m2) jeder Zyklus 1–5 Tage mit wiederholten ZytostatikaInfusionen alle 21 Tage Neuro- und Ototoxizität ist nicht signifikant reduziert, außer bei Korrelationsanalyse in Bezug auf Antioxidanzienspiegel im Plasma; auch erhielten mehr Patienten in der Antioxidanzien-Gruppe die geplanten CDDPHöchstdosen CR- + PR-Raten lagen bei 44 % vs. 48 %; CR-Raten bei 36 % vs. 26 %; Überlebensraten wurden nicht gemeldet Im AntioxidanzienArm konnten mehr Patienten die optimalen CDDPDosen erhalten; Ansprechraten waren ähnlich in beiden Gruppen, jedoch waren die CR-Raten in AntioxidanzienGruppe höher als in Kontrollgruppe N = 20 Co-Q10, oral 100 Anthrazykline (kumulative Dosis festgelegt auf 240 mg/m2 = 120 mg/m2 i. v. Daunorubicin und 120 mg/m2 i. v. Doxorubicin) Co-Q10-Gruppe wies K. A. Schützende Wirkung von Co-Q10 auf 100 mg/m2 IV CDDP und 600 mg/m2 i. v. Cyclophosphamid In der Selen-Gruppe Leukozyten signifikant erhöht (p < 0,001); alle Nebenwirkungen signifikant erniedrigt, außer Diarrhö Studie/Tumorart(en) #442.08{sidiJXBPZgy} Solider Tumor bzw. keine myeloische Leukämie (jeweils bösartig) #442.09{sidEaFVHApG} Verschiedene bösartige Tumoren (n): Lunge (15), HNC (5), Eierstöcke (3), Uterus (2), Magen (1), Hoden (1) #442.10{sidxJXgIWTC} Solider Tumor bzw. keine myeloische Leukämie (jeweils bösartig) #445.03{sidG9N9oWsN} Antioxidanzien #445.04{sidMvLHb1UC} Verschiedene bösartige Tumoren (n): Hoden (16), Osteosarkom (13), GI (6), urogenital (5), HNC (5), Melanom (3) #445.05{sid5aZn3VHE} Kinder mit Leukämie oder Non-Hodgkin- Lymphom #445.06{sidfxnov6Ka} Ovarialkarzinom [64] mg zweimal täglich N = 62 Für Studiengruppe zusätzlich Selen (200 µg/Tag) zu Kombination aus β-Carotin, Vitamin C, Vitamin E, Vitamin B2, Vitamin B3, für beide Gruppen im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikant geringere Reduktion der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) auf; die interventrikuläre Septumwanddicke fiel nur in der Kontrollgruppe ab Herzfunktion unter Therapie mit Anthrazyklinen K. A. Positive Wirkungen von Selen wurde festgestellt bei gleichzeitiger Einnahme mit Chemo #445.01{sidEgRAJs1P} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 35.14 Randomisierte klinische Studien mit Glutathion, Vitamin E und AntioxidanzienKombinationen sowie Chemotherapie (Auswahl) (Forts.) #445.02{sidhSQdrIy9} Patienten, n BehandlungsprotokollChemotherapieSchema Abschwächung der Toxizität: Behandlungsgruppe vs. Kontrollgruppe Ansprechen: Behandlungsgruppe vs. Kontrollgruppe Schlussfolgerung N = 60 Selen oral (200 µg/Tag) plus Zink (21 mg/Tag) über 50 Tage 500 mg/m2 IV MTX an Tag 1, 250 mg/m2 i. v. 5FU an Tag 2 und 600 mg/m2 i. v. LFolinsäure an Tag 2 Alle Patienten mangelernährt bei Baseline. 21/30 (70 %) in Selen-Gruppe zeigen keinen weiter abnehmenden, sondern zunehmenden Appetit; 24/30 (80 %) in Kontrollgruppe wiesen signifikante Abnahme aller Parameter auf (Körpergewicht usw.) (p < 0,01) K. A. Selen plus Zink verbessert möglicherweise allgemeinen klinischen Verlauf Studie/Tumorart(en) #445.07{sidg70CsMlw} Krebs des Verdauungstrakts [65] #445.08{sidtrympD59} Chemo = Chemotherapie; IV = intravenös; CR = vollständiges Ansprechen (komplette Remission); SD = Stabilisierung der Erkrankung; PR = partielle Remission; NS = nicht signifikant; k. A. = keine Angabe; AUC = Fläche unter der Kurve (area under the curve); PNP = periphere Neuropathie; NSCLC = nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom; HNC = Kopf-Hals-Krebs; GI = gastrointestinales Karzinom; CML = chronische myeloische Leukämie; CDDP = Cisplatin; VP-16 = Etoposid; GEM = Gemcitabin; DOX = Doxorubicin; 5-FU = Fluorouracil; FA = Folinsäure (Leucovorin); Irinotecan = CPT-11; TAM = Tamoxifen; MTX = Methotrexat; Co-Q10 = Coenzym Q10 #441.01{sidfg91cIdx} 35.2 Medikationsassoziierte Nebenwirkungen der Chemotherapie #441.02{sidHxqX2Bpf} 35.2.1 Nebenwirkungsmanagement mit Mikronährstoffen #441.03{sidaXOx1sBR} Eine frühzeitige individuelle Mikronährstofftherapie kann die Ausgangssituation der betroffenen Patienten zur tumordestruktiven Therapie verbessern und die Nebenwirkungen toxischer Therapien verringern (□ Tab. 35.15). Die Vielzahl der in der Therapie maligner Tumoren eingesetzten Zytostatika und ihre multiplen Wirkmechanismen sind mit zahlreichen und zum Teil sehr spezifischen Interaktionen mit dem Haushalt essenzieller Mikronährstoffe assoziiert. Hierdurch kann einerseits der Mikronährstoffbedarf unter einer antineoplastischen Therapie ansteigen, andererseits bietet die medikationsorientierte Supplementierung von Mikronährstoffen (z. B. Acetyl-L-Carnitin bei cisplatininduzierter Neuropathie) zahlreiche therapeutische Ansatzpunkte für die Supportivtherapie und das onkologische Nebenwirkungsmanagement. #446.01{sidS0OZwESu} Tab. 35.15 Nebenwirkungsmanagement mit Mikronährstoffen (Beispiele) #446.02{sidbUAH6p2T} Mechanismus Organ Therapeutische Intervention/Prämedikation Bildung von AnthrazyklinFe3 +-Komplexen, Reduktion zum Anthrazyklin-SemichinonRadikal, Wechselwirkung mit Cardiolipin Herz (anthrazyklininduzierte Kardiotoxizität) Intravenöse Applikation von LCarnitin vor der anthazyklinhaltigen CT: 2 000 mg LCarnitin in 250 ml 0,9 % NaCl, i. v., 1h vor CT. Perorale Prämedikation mit: Coenzym Q10 Zytostatikum #446.03{sidBG21XKkX} Anthrazykline (z. B. Doxorubicin) (z. B. 240 mg/d), Selen (1 000 µg/d) und L-Carnitin (3 000 mg/d) #446.04{sid3179svyj} Cisplatin #441.04{sidh77xqt7D} Radikalinduktion Niere (kumulative Nephrotoxizität) Intravenöse Applikation von Na-Selenit vor CisplatinTherapie: 1 000 µg Na-Selenit in 100 ml 0,9 % NaCl, i. v., 1h vor CT Zu den Mikronährstoffen, die sich vor allem für ein gezieltes Nebenwirkungsmanagement eignen zählen insbesondere das Spurenelement Selen in Form des Natriumselenits, die mitochondrialen Substrate L-Carnitin und Coenzym Q10, das Tripeptid L-Glutathion sowie Vitamin D und Vitamin C. Dabei kommt der (parenteralen) HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Prämedikation im Hinblick auf die effektive Prävention chemotherapiebedingter Nebenwirkungen mit einigen Mikronährstoffen wie L-Carnitin und Natriumselenit eine wesentliche Bedeutung zu, da bestimmte Zytostatika in der Lage sind die zellulären Transportsysteme (OCTN2) von Substanzen wie L-Carnitin zu blockieren. #441.05{sidEHzqfQ1G} Nephrotoxizität #441.06{sid9SyuqWir} Cisplatin und Selen #441.07{sid6rbPgl7W} Das Platinderivat Cisplatin (CDDP) aus der Gruppe der Alkylanzien wird vor allem in der Therapie von Plattenepithelkarzinomen an Kopf und Hals und bei Bronchial-, Ovarial-, Zervix- und Hodenkarzinomen eingesetzt. Die häufigsten Nebenwirkungen und Toxizitäten von Cisplatin sind Übelkeit und Erbrechen, Elektrolytentgleisungen, Ototoxizität, Neurotoxizität und Nephrotoxizität. Insbesondere in Kombination mit anderen nephrotoxischen Zytostatika (z. B. Ifosfamid) sowie Radiotherapie im Bereich der Nieren ist das Risiko für Nierenschäden besonders hoch. Im Vergleich zum Blutplasma reichert sich Cisplatin fünffach stärker in den Tubulusepithelzellen an. Hier kann es zu Nekrosen der proximalen Tubuli und Apoptose in den distalen Nephronen kommen. Als Folge fällt die Perfusionsleistung und Konzentrationsfähigkeit der Tubuli ab. Die renale Toxizität manifestiert sich durch eine Abnahme der Kreatininclearance bzw. durch eine Erhöhung des Serumkreatinins und der Serumharnsäure. #441.08{sidNvdNPffA} Die cisplatininduzierte Toxizität wird überwiegend durch oxidative Organschäden verursacht, bedingt durch die Bildung von freien Radikalen und reaktiven Thiolen. Die Interaktion des Zytostatikums mit mitochondrialen und zytolsolischen SH-Gruppen sowie die zelluläre GSH-Depletion und Inhibierung der mtDNA Replikation dürften bei der Pathogenese der cisplatininduzierten Nephrotoxizität eine zentrale Rolle spielen. Cisplatin fördert zudem eine Depletion der mitochondrialen Protektoren L-Carnitin, L-Glutathion und Magnesium. Cisplatin schädigt dosisabhängig das renale Tubulussystem, was mit Proteinurie und Elektrolytverlusten (z. B. Magnesium, Kalium) assoziiert ist. Die Elektrolytstörungen können zum Teil zu schweren Mangelsymptomen (z. B. Herzrhythmusstörungen, Tremor, Krämpfe) führen. Selbst unter einer adäquaten Gabe von Magnesium (z. B. 2–4 g Magnesiumsulfat = 200–400 mg Magnesium i. v. bei jeder Cisplatin-Applikation) kann nicht ausgeschlossen werden, dass der behandelte Patient eine ausgeprägte Hypomagnesämie entwickelt. Die Prämedikation mit Selen (Natriumselenit) vor einer Chemotherapie mit Cisplatin kann die cisplatinassoziierte Nephrotoxizität verringern. #441.09{sidZTY8GKxB} Cisplatin-Mechanismen der mitochondrialen Toxizität: #446.05{sidB4sLvwA6} Lipidperoxidation (ROS), Interaktion mit mitochondrialen und zytosolischen SH-Gruppen, #446.06{sidvKv70jwO} mitochondriale und zelluläre GSH-Depletion, GSH:GSSG-Quotient ↓, #446.07{sidq6aaVVSi} mitochondriale DNA (mtDNA): Inhibierung der mtDNA Transkription und Replikation, #446.08{sid5G838UBZ} mitochondriale Vakuolisierung, #446.09{sidhMmkRMdK} renale Depletion der mitotropen Nährstoffe L-Carnitin und Magnesium. #446.10{sidbCHR635Z} Studien: In einer randomisierten Studie an Krebspatienten, die mit Cisplatin therapiert wurden, führte die adjuvante Gabe von Selen (4 000 µg Se/d, Zeitraum: 4 Tage vor bis 4 Tage nach der CTX mit Cisplatin 60–80 mg/m2) gegenüber Kontrollen ohne Selen zu einem signifikanten Anstieg der Selenserumspiegel (70,4 ± 22,86 auf 157,04 ± 60,23 µg/l), geringerer Myelosuppression (Abfall der Leukozyten) und verringertem Bedarf an Granulozyten-Koloniestimulierenden Faktor (110,1 ± 82,2 gegenüber 723,7 ± 192,6 I. U.) sowie notwendiger Bluttransfusionen. Die Nephrotoxizität von Cisplatin gemessen anhand verschiedener Enzyme im Urin (z. B. ALP, GGT, NAG) wurde durch Selengabe gegenüber der Kontrollgruppe signifikant verringert. #446.11{sidS1Ph2FQz} Ifosfamid und L-Carnitin #446.12{sidMM7cHaQc} Das Stickstofflost-Derivat Ifosfamid wird vor allem in der Therapie von Weichteilsarkomen, Non-HodgkinLymphomen, Ewing-Sarkomen, Hodentumoren, Mammakarzinomen und Zervixkarzinomen eingesetzt. Eine typische Nebenwirkung von Ifosfamid ist die vorwiegend den Tubulusapparat betreffende Nephrotoxizität. Für die renalen Nebenwirkungen wird vor allem der Ifosfamid-Metabolit Chloroacetaldehyd verantwortlich gemacht. #446.13{sidnBLTFyRu} Chloroacetaldehyd inhibiert den Komplex I der mitochondrialen Atmungskette und löst Störungen im Haushalt von LCarnitin aus. Der Stoffwechselmetabolit des Ifosfamids kann zur entsprechenden Säure oxidiert werden und freies Coenzym A (CoA) binden. Dadurch wird der Coenzym A-Pool in den Mitochondrien gestört und energieliefernde Coenzym A-abhängige Stoffwechselwege blockiert. L-Carnitin übernimmt die Chloroacetyl-Gruppe vom Coenzym A und transportiert sie aus den Mitochondrien und der Zelle hinaus. Da Chloroacetyl-Carnitin in der Niere schlechter rückresorbiert wird als freies Carnitin kommt es infolge erhöhter Ausscheidung (Urin) zu einem sekundären Carnitinmangel (○Abb. 35.9). Unter einer Therapie mit Ifosfamid sollten die gleichen supportiven Maßnahmen (z. B. L-Carnitin, Selen) getroffen werden wie unter Cisplatin. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #447.01{sid2MWq9VMY} Abb. 35.9 Ifosfamidinduzierter Carnitinmangel #446.14{sid1MZFYCOF} Neurotoxizität #446.15{sidSinV6ZJT} Cisplatin und L-Glutathion #446_447{sidVOhN2QHd} Bei cisplatinbasierten Chemotherapien muss mit der Entwicklung toxischer Nebenwirkungen auf das periphere Nervensystem gerechnet werden. Typische Symptome sind Kribbeln oder Parästhesien in den Extremitäten. Cisplatin schädigt vorwiegend die Axone der großen sensorischen Nervenfasern. Typische Symptome der cisplatinassoziierten Neurotoxizität sind distal symmetrische sensible Ausfälle und Reizerscheinungen (Parästhesien). Im Bereich der Hirnnerven können insbesondere der II. und VIII. betroffen sein, wobei Hörverluste im hoch frequenten Bereich (4–8 kHz) charakteristisch sind. #447.02{sid90uix716} Das Tripeptid L-Glutathion (L-γ-Glutamyl-Cystein-Glycin) ist quantitativ die wichtigste intrazelluläre schwefelhaltige Verbindung. L-Glutathion (GSH) und die Glutathion abhängigen Enzyme GSH-Peroxidase und GSSG-Reduktase spielen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung des intrazellulären Redoxgleichgewichts. Zellen, Lipide, Proteine und Nukleinsäuren werden durch Glutathion vor der oxidativen Schädigung durch freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies geschützt. #447.03{sidTLSjxuxD} Der intrazelluläre Transport von Glutathion erfolgt über das Enzym γ-Glutamyltranspeptidase. Dieses Enzym findet sich in hohen Konzentrationen in den Nieren und im peripheren Nervensystem. Experimentelle Studienergebnisse legen den Schluss nahe, dass Glutathion zum Schutz vor cisplatininduzierter Neurotoxizität eingesetzt werden kann. #447.04{sidcSe2xSWm} In einer randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudie an 50 Patienten mit fortgeschrittenem Magenkarzinom führte die intravenöse Applikation von L-Glutathion (1 500 mg GSH/m2 in 100 ml 0,9 % NaCl, i. v., 15 min vor der CT, sowie 600 mg GSH i. m. am 2. und 5. Tag nach der CT) zu einer signifikanten Reduktion der cisplatininduzierten sensorischen Neuropathie. Gleichzeitig konnte durch L-Glutathion der Bedarf an Bluttransfusionen verringert werden. Die Tumorresponse war signifikant höher in der Glutathion-Gruppe als in der Kontrollgruppe. #447.05{sidrkfalAmH} Cisplatin, Paclitaxel und Acetyl-L-Carnitin und α-Liponsäure #447.06{sidUoBzI7Y2} Weitere antineuropathisch und analgetisch wirksame Mikronährstoffe sind die Vitaminoide α-Liponsäure und das LCarnitin (Acetyl-L-Carnitin). In verschiedenen Studien konnte die intravenöse Applikation von Acetyl-L-Carnitin (z. B. 1 000–2 000 mg/Infusion, langsam) die Häufigkeit einer zytostatikainduzierten peripheren Neuropathie (z. B. Cisplatin, Paclitaxel) verringern. Es wird vermutet, dass die positiven Effekte des Acetyl-L-Carnitins u. a. mit einem Anstieg des Nerve growth factors (NGF) und Wechselwirkung mit redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NFkappaB in Verbindung stehen. #447.07{sidI66JdzOo} Oxaliplatin und Magnesium und Calcium #447.08{sidEA7IjGBK} Oxaliplatin wird vor allem in der adjuvanten und palliativen Therapie des kolorektalen Karzinoms eingesetzt. Dosislimitierend ist eine akute sensorische Neuropathie, die sich vor allem durch Parästhesien und Dysthäsien in den Extremitäten und im Mundbereich äußern, die in Verbindung mit Kälte erheblich verstärkt werden. #447_448{sidfMXQlvNX} Platinderivate können ausgeprägte Elektrolytstörungen (z. B. Hyponatriämie, Hypocalämie, Hypomagnesiämie) hervorrufen. Oxaliplatin kann zudem intrazellulär Calciumionen komplexieren und dadurch die elektrophysiologischen Eigenschaften der Nervenzelle (Hyperpolarisation) beeinträchtigen. Die intravenöse Applikation von Calcium und Magnesium kann die Hyperpolarisation der Nervenzellen (→ Schließen von Natrium-Kanälen) steigern und den neurotoxischen Wirkungen von Oxaliplatin entgegen wirken. #448.01{sidX3sTTCMp} In einer retrospektiven Studie an 161 Patienten, die aufgrund eines fortgeschrittenen kolorektalen Karzinoms mit Oxaliplatin und 5-FU therapiert wurden, erhielten 69 Patienten vor und nach der Oxaliplatin-Therapie eine Infusion mit Magnesium und Calcium. 65 Patienten dienten als Kontrollgruppe. Während in der Kontrollgruppe bei 26 % der Patienten eine Grad-3-Neurotoxizität auftrat, war diese nur bei 7 % der Calcium/Magnesium-Gruppe nachweisbar. Zusätzlich erholten sich die Patienten in der Calcium/Magnesium-Gruppe schneller von einer Grad 2- und Grad 3Neuropathie als in der Kontrollgruppe. #448.02{sidscK12825} Ifosfamid und Thiamin (Benfotiamin) #448.03{sid4b2dUbFt} Die ifosfamidinduzierten neurotoxischen Symptome ähneln zum Teil denen einer Wernicke-Encephalopathie (z. B. Sehstörungen, Halluzinationen) die durch einen Vitamin-B1-Mangel verursacht wird. Die intravenöse Applikation von Thiamin (100 mg, i. v./4h) konnte bei Patienten mit ifosfamidinduzierter Encephalopathie die zentralnervösen Störungen deutlich bessern. Das lipidlösliche und hochbioverfügbare Vitamin-B1-Prodrug Benfotiamin ist in seiner HiQPdf Evaluation 09.05.2017 antineuropathischen und analgetischen Wirkung den wasserlöslichen Thiaminsalzen überlegen. Für die Prophylaxe und Therapie der Ifosfamid-induzierten Neuropathien ist Benfotiamin aufgrund der peroralen Applikation (z. B. 2 × 150–300 mg Benfotiamin/d, p. o.) besser geeignet. #448.04{sidkvzui5MY} Kardiotoxizität #448.05{sidDbHBl6eX} Anthrazykline und L-Carnitin #448.06{sid4j9puTmu} Die klinisch eingesetzten Anthrazykline (z. B. Doxorubicin) sind redoxzyklierende Anthrachinone, die durch das Flavocoenzym NADPH-Cytochrom-P450-Reduktase zum Anthrazyklin-Semichinon-Radikal unter der Bildung von Superoxidanion-Radikalen (•O2-) und Wasserstoffperoxid (H2O2) metabolisiert werden. Ein weiterer Weg der Radikalgenese erfolgt über die Bildung von Anthrazyklin-Fe3 +-Komplexe. Anthrazyklin-Fe3 +-Komplexe sind starke Oxidanzien mit der Fähigkeit der direkten Lipidperoxidation an der Mitochondrienmembran der Kardiozyten (→ Interaktion mit Cardiolipin). Dies kann zur Myokardfibrose führen und damit zur Kardiomyopathie. #448.07{sidijgVmyRD} Die Bedeutung des Eisens, insbesondere des chelatisierten Eisens, für die Kardiotoxizität wird dadurch unterstrichen, dass Eisenchelatoren (z. B. ICRF-187 =Dexrazoxan) die kardiotoxischen Wirkungen signifikant verringern können. Bei bis zu 40 % aller mit Anthrazyklinen behandelten Patienten treten während oder unmittelbar nach der Anthrazyklininfusion kardiale Rhythmusprobleme auf. #448.08{sidFMzVXeRl} Die parenterale Prämedikation mit L-Carnitin (z. B. 2 000 mg L-Carnitin, 1–2h vor CT) kann die kardiotoxische Wirkung der Anthrazykline ohne Beeinträchtigung ihrer zytotoxischen Wirksamkeit senken. #448.09{sidkUf9SqZ6} In einer Studie an Patienten mit Brust- oder Bronchialkarzinomen wurde der Einfluss von Doxorubicin oder Doxorubicin mit L-Carnitin auf die maximale Ventrikelzirkumferenz (VCFmax) mittels Echokardiographie als Parameter zur Bestimmung der kardialen Kontraktilität erfasst. Bei den Patienten, die nur mit Doxorubicin behandelt wurden kam es zu einem signifikanten Abfall der systolischen VCF. Dagegen unterschieden sich selbst nach 6 therapeutischen Zyklen die systolischen VCF von Patienten, die mit Doxorubicin und L-Carnitin (3 × 1 000 mg LCarntin/d, p. o. und 1 000 mg L-Carnitin, i. v. vor Doxorubicin) therapiert wurden, nicht von denen, die weder Doxorubicin noch L-Carnitin erhalten hatten. Auch eine Zunahme der Kreatinkinase-Aktivität (CK-MB) nach Doxorubicingabe, die zur Einschätzung der akuten Toxizität bestimmt wird, konnte in Studien durch die adjuvante Gabe von L-Carnitin verhindert werden. #448.10{sidAHTjDWH5} Anthrazykline und Selen #448_449{sidgznqdnHX} Eine Studie an Patienten mit aggressivem B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom, die eine anthrazyklinbasierte Chemotherapie, eine Radiotherapie oder beides bekamen, zeigt, dass der initiale Selenserumspiegel einen wichtigen prognostischen Faktor darstellt. Die Selenserumspiegel lagen zwischen 0,33 und 1,51 µmol/l bzw. 26 bis 119 µg/l. Höhere Selenspiegel korrelierten signifikant mit einer höheren Dosisfreisetzung (AUC), Responderrate, Remissionsdauer und einem höherem Gesamtüberleben beim aggressiven Non-Hodgkin-Lymphom. Die Supplementierung von Selen wird von den Autoren der Studie als mögliche neue Therapiestrategie angesehen. #449.01{sidjKJ7Fflm} Anthrazykline und Coenzym Q10 #449.02{sidsfidMUpU} Coenzym Q10 (Ubichinol/-on) übernimmt im Organismus als essenzieller Bestandteil der mitochondrialer Atmungskette eine zentrale Aufgabe bei der zellulären Energie-(ATP)-Produktion. Dabei fungiert das Vitaminoid als Elektronentransporter im Rahmen der oxidativen Phosphorylierung. Coenzym Q10 stabilisiert die Zellmembranen und greift regulierend in die Funktion von Ionenkanälen (Calcium-Kanäle) durch Beeinflussung der Membranfluidität und damit indirekt in die Zell-Zell-Kommunikation ein. Darüber hinaus schützt das lipophile Antioxidanz zusammen mit Vitamin E die Phospholipide der Zellmembranen vor radikalinduzierten Schäden und wirkt der Lipidperoxidation (z. B. LDL-Cholesterin) entgegen. Organe und Gewebe mit hohem Energieumsatz, wie das Myokard, sind besonders reich an Coenzym Q10. #449_450{sid2tUh2ONX} Einige Tierversuche und Humanstudien zeigen eine protektive Wirkung von Coenzym Q10 auf die kardiotoxische Wirkung der Anthrazykline. In einer kontrollierten Studie an Kindern mit akuter lymphoblastischer Leukämie oder Non-Hodgkin-Lymphom führte die adjuvante Gabe von Coenzym Q10 (2 × 100 mg/d, p. o.) zu einer signifikanten Reduktion der Anthrazyklin-induzierten Kardiotoxizität. Die Verlaufskontrolle der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) mittels Echokardiographie zeigte bei den Kindern der Coenyzm-Q10-Gruppe (LVEF %: 40,36 ± 4,60 → 35,82 ± 5,02; p < 0,05) eine signifikant bessere kontraktile Funktion des linken Ventrikels als in der Gruppe ohne Coenzym Q10-Supplementierung (LVEF %: 39,89 ± 4,37 → 33,43 ± 3,46; p < 0,002). #449.03{sidwlb8cPbG} Tab. 35.16 Wirkungsmechanismen und Nebenwirkungen der Alkylanzien (Auswahl) #449.04{siddEvmdRnX} Wirkmechanismus Nebenwirkungen Alkylierung von Nukleinsäuren, Vernetzung von DNA-Strängen Myelotoxizität, Hepatotoxizität, Mukositis, Diarrhö, Kardiotoxizität (in hoher Dosierung), Urotoxizität (hämorrhagische Zystitis), Glutathiondepletion von Leberzellen Alkylanzien #449.05{sidFZPX507B} Stickstofflost-Derivate #449.06{sid8w6zsQsZ} Cyclophosphamid #449.03{sidwlb8cPbG} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Tab. 35.16 Wirkungsmechanismen und Nebenwirkungen der Alkylanzien (Auswahl) #449.04{siddEvmdRnX} Wirkmechanismus Nebenwirkungen Alkylanzien #449.07{sidSkkRnFW7} Myelotoxizität, ZNS-Neurotoxizität (Enzephalopathie), Urotoxizität (hämorrhagische Zystitis), Kardiotoxizität (in hoher Dosierung), Nephrotoxizität, Hepatotoxizität (in Kombination mit Etoposid), Glutathiondepletion, Carnitinmangel Ifosfamid #449.08{sidQEqJ1F97} Platin-Komplexe #449.09{sidjXqZmEig} Cisplatin Alkylierung von Nukleinsäuren, Hemmung der DNA-Synthese und Zellteilung #449.10{sidCuCL3v1H} Carboplatin #449.11{sidbtTtsffK} Oxaliplatin Kumulative Nephro- und Ototoxizität, Neurotoxizität (verstärkt in Kombination mit Paclitaxel und Docetaxel), Myelotoxizität (Anämie), Übelkeit, Erbrechen, Mukositis, Dermatitis, Elektrolytstörungen (Hypomagnesiämie, Hypokaliämie, Hypocalcämie, Hyponatriämie), Carnitinmangel, Zinkmangel Nephrotoxizität (hohes Risiko bei Kombination mit Ifosfamid), Ototoxizität, Neurotoxizität, Myelotoxizität (Anämie), Mukositis, Stomatitis, Dermatitis, Übelkeit, Erbrechen, Erytheme, Pruritus, Elektrolytstörungen (Hypomagnesiämie, Hypokaliämie, Hypocalcämie, Hyponatriämie) Kumulative Neurotoxizität (sensorische Neuropathie), Nephrotoxizität, Ototoxizität, Myelotoxizität, Übelkeit, Erbrechen, Mukositis, Diarrhö, Elektrolytstörungen (Hypomagnesiämie, Hypokaliämie, Hypocalcämie, Hyponatriämie) #450.01{sidRocrzCrR} Trastuzumab, Selen und L-Carnitin #450.02{sidiu5dfSkX} Eine Überexpression von HER2 wird bei bis zu 30 % aller primären Mammakarzinome beobachtet. Trastuzumab ist ein rekombinanter, monoklonaler Antikörper, der reversibel an die extrazelluläre Domäne des HER2-Rezeptors bindet. Es kommt dadurch nicht nur zu einer Blockade des Rezeptors, sondern auch zu einer antikörpervermittelten zellulären zytotoxischen Immunreaktion (ADCC) gegen die Tumorzelle. #450.03{sids6mAVeF6} Trastuzumab ist wie die Anthrazykline eine potenziell kardiotoxische Substanz (Symptome: Synkopen, tachykardes Vorhofflimmern, Abfall der LVEF). Eine Wechselwirkung mit den Rezeptoren der HER-Familie am Endokard dürfte dabei eine wichtige pathogenetische Ursache spielen. Der HER2-Rezeptor ist unter anderen auch für die kardiale Funktionsfähigkeit essenziell und spielt in den Kardiomyozyten eine bedeutende Rolle für die mitochondriale Integrität. Da Trastuzumab den HER2-Rezeptor antagonisiert kann es infolge einer Schädigung der mitochondrialen Membranintegrität zu einer Dysfunktion der Atmungskettenphosphorylierung (→ Cytochrom-C-Verlust, oxidativer Stress) mit einem Abfall der ATP-Produktion und des mitochondrialen Membranpotenzials kommen (○Abb. 35.12). Die trastuzumabinduzierte Schädigung des Herzmuskels ist anders als bei den Anthrazyklinen nicht von der kumulativen Dosis abhängig und potenziell reversibel (→ passagere Kontraktilitätsverminderung). #450.04{sidwCm1Po6R} Trastuzumab weist alleine nur eine relativ moderate Karditoxizität auf, wird aber beim Mammakarzinom meist in Kombination mit Taxanen (Docetaxel, Paclitaxel) oder nach einer Therapie mit Anthrazyklinen eingesetzt. In Kombination mit Taxanen oder nach einer Therapie mit Anthrazyklinen kann Trastuzumab zu schweren kardialen Funktionsstörungen führen. Die bisher vorliegenden Studien zeigen sowohl unter palliativer als auch unter adjuvanter Therapie mit Trastuzumab eine erhöhte Kardiotoxizität. Dabei kann eine linksventrikuläre Dysfunktion (Abfall der linksventrikulären Ejektionsfraktion > 10 %) auftreten, die vereinzelt in einer schweren Herzinsuffizienz und zum Teil auch Todesfällen mündet. Das Risiko kardiovaskulärer Schäden ist vom Therapieschema abhängig und liegt zwischen 3 % und 18 % (→ HERA, BCIRG 006) für die asymptomatische systolische Dysfunktion und zwischen 0,4 % bis 3,6 % für schwere Kardiomyopathien und Herzinsuffizienz. Zu den Risikofaktoren zählt vor allem eine kombinierte oder vorangegangene Therapie mit Anthrazyklinen. Unter einer Therapie mit Trastuzumab ist ein ähnliches kardioprotektives Nebenwirkungsmanagement mit Selen und L-Carnitin wie bei einer Therapie mit Anthazyklinen empfehlenswert. #450.05{sid4bRQ2Ian} 35.3 Alkylierende Zytostatika (Alkylanzien) #450.06{sidJZWv5cJJ} 35.3.1 Platinhaltige Polychemotherapie und Vitamin D #450.07{sidOjadGtK3} Vitamin-D-Mangel begünstigt CTX-induzierte Stomatitis, Dysgeusie und Dermatitis #450.08{sid77IpD2Wf} Ein Vitamin-D-Mangel begünstigt das Auftreten einer chemotherapieinduzierten Mukositis und Dysgeusie. In Fallberichten konnten mukotane Nebenwirkungen (z. B. Stomatitis) und Geschmacksstörungen, die bei Krebspatienten unter einer Polychemotherapie mit TCH (Docetaxel, Carboplatin, Trastuzumab) oder FOLFOX6 (5FU, Leukoverin, Oxaliplatin) auftraten, erfolgreich mit der Supplementierung von Vitamin D behandelt werden konnten. #451.01{sidRcLFMqIe} HiQPdf Evaluation 09.05.2017 Grundsätzlich sollte bei Krebspatienten der Vitamin-D-Status kontrolliert und durch adäquate Supplementierung (z. B. 30 000 I. E./Woche, p. o.) kompensiert werden. Dadurch kann die Lebensqualität der Patienten verbessert und die Effektivität der antineoplastischen Therapie aufgrund besserer Compliance und Ansprechrate optimiert und das Risiko für CTX-induzierte Osteopathien verringert werden. #451.02{sidI7Ur5McV} Fallbeispiel #451.03{sid0CMeZ9nP} Eine 59-jährige Brustkrebspatientin mit Überexpression des Her2 beginnt im Januar 2010 mit einer adjuvante Chemoimmuntherapie (TCH) mit Docetaxel (T), Carboplatin (C) und Trastuzumab (H: Herceptin). Eine Woche nach dem 2. CTX-Zyklus (09.02.2010) entwickelt die Patientin eine moderate Stomatitis, eine moderate Dermatitis an den Fingerspitzen und ein ausgeprägte Dysgeusie. Der 3. CTX-Zyklus wurde am 02.03.2010 appliziert. 14 Tage später klagt die Patientin über eine sehr schmerzhafte und entzündete Fissur an der Beugeseite des rechten Daumens. Sie erklärt im Gespräch, dass kein mechanischer Stress die Hautläsionen ausgelöst hat, sie allerdings im Winter häufiger aufgesprungene Hautstellen an den Fingernägeln gehabt hätte. Da in den vergangenen Monaten wenig Sonnenschein war, wird der 25(OH)D-Status kontrolliert und sie beginnt sofort täglich 2 000 I. E. Vitamin D zu supplementieren. Das Laborergebnis weist mit 6,3 ng/ml (Referenz: 40– 60 ng/ml) auf einen ausgeprägten Vitamin-D-Mangel hin. Als die Patientin sich am 22.03. wieder in der Praxis vorstellt, hat sich der Zustand der Haut deutlich verbessert, sodass der 4. CTX-Zyklus am darauf folgenden Tag appliziert werden kann. Obwohl die Chemotherapie (CTX) fortgeführt wurde, waren die Hautläsionen am 06.04.2010 praktisch komplett abgeheilt (○Abb. 35.10). Der Vitamin-D-Status hatte sich unter Supplementierung von täglich 2 000 I. E. Vitamin D mit 19,1 ng/ml zwar verbessert, lag aber immer noch nicht im Referenzbereich. Auch die Stomatitis und Geschmacksstörungen klangen unter der regelmäßigen Einnahme von 2 000 I. E. Vitamin D ab. #452.01{sidZLItDslb} 35.3.2 Cisplatin und Selen #452.02{sidhDB6sZJM} Selen reduziert die Nephrotoxizität von Cisplatin #452.03{sidrFSCHwbs} Mechanismus: Das Platinderivat Cisplatin weist eine ausgeprägte Nephrotoxizität auf. Cisplatin beeinträchtigt die glomeruläre Filtration und kann zu akutem Nierenversagen führen. Die renale Toxizität manifestiert sich durch eine Abnahme der Kreatininclearance (GFR) bzw. durch eine Erhöhung des Serumkreatinins und der Serumharnsäure. Die cisplatininduzierte Toxizität wird überwiegend durch radikalinduzierte Mitochondrien und Organschäden verursacht (○Abb. 35.10, □ Tab. 35.17). Im Tierversuch steigert eine Selenmangelernährung die Nephrotoxizität von Cisplatin. Selen kann die cisplatininduzierte Nephrotoxizität verringern. Als mögliche Mechanismen werden dabei diskutiert: Erhöhung der renalen Selen- und Glutathionspiegel, Metabolisierung zu Methylselenol, Bildung von Cisplatin-Selenol-Komplexen in den Nieren. #451.04{sidt2cwHDhS} Abb. 35.10 A schmerzhafte Hautrisse an der Beugeseite des Daumens, B Besserung der Hautläsionen, C abgeheilte Hautrisse #452.04{sidBEwRhb36} Folgen: Reduktion der nephrotoxischen Wirkungen von Cisplatin, geringere Schädigung des hämatopoetischen Systems (z. B. Leukopenie, Thrombozytopenie), Steigerung der Immunkompetenz durch Selen. #452.05{sidhkmoxO9n} Hinweis: Die orale und intravenöse Applikation von Selen (z. B. 1 000 µg Selen als Natriumselenit in 100 ml 0,9 % NaCl, i. v., 1h vor der CT) kann die cisplatininduzierte Nephrotoxizität deutlich mildern, ohne die zytotoxische Aktivität des Cisplatins zu beeinträchtigen. An den Tagen vor und nach der CT empfiehlt sich die orale Supplementierung von Selen (z. B. 500 µg/d, p. o.). Zielwert für die Selensubstitution sind Selenspiegel im Vollblut von 130 bis 155 µg/l. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #453.01{sidhA8tUsSc} Abb. 35.11 Bioaktivierung von Cisplatin zum Nephrotoxin. Nach Townsend 2003 #452.06{sidmAluh0B2} Außer auf die Nephrotoxizität hat Selen einen günstigen Einfluss auf weitere Nebenwirkungen des Cisplatins, wie Neuro- (periphere sensorische Neuropathie) und Ototoxizität (Gehörverlust), Myelosuppression (Schädigung hämatopoetischer Stammzellen) und Gewichtsverlust. Die cisplatininduzierte Oto- und Nephrotoxozität korreliert signifikant mit erhöhten Lipidperoxidationsprodukten (z. B. Malondialdehyd) und niedrigen Spiegeln an Antioxidanzien (Selen, Vitamin C, E) im Plasma. #452.07{sid3kZOTMUR} Die eigentliche Wirkform der Platinverbindungen ist der elektrophile Aquo-Komplex, der vor allem intrazellulär entsteht. Er bewirkt weitgehend phasenunspezifisch Vernetzungen von DNA-Strängen und hemmt auf diese Weise die Zellteilung. Infolge der höheren Stabilität tritt die Wirkung von Carboplatin und Oxaliplatin langsamer ein und hält länger an als bei Cisplatin. Cisplatin besitzt eine sehr hohe Reaktivität gegenüber einer Vielzahl von nukleophilen Bindungspartnern in der Blutbahn und im Gewebe. Carboplatin weist gegenüber Cisplatin aufgrund seiner geringeren Reaktivität gegenüber Plasmaproteinen eine deutlich geringere Nephro- und Ototoxizität auf. #452.08{sid8X0zxS6d} 35.3.3 Cisplatin und L-Glutathion #452.09{siddrZvzCZf} L-Glutathion reduziert die Neurotoxizität von Cisplatin #452.10{sidc3el1uxH} Mechanismus: Unter einer CT mit Cisplatin treten häufig neurotoxische Störungen auf. Typische Symptome sind Kribbeln oder Parästhesien in den Extremitäten. Als Ursache wird ein progredienter Zelluntergang der Hinterwurzelganglien mit Demyelinisierung und axonaler Degeneration sowie die cisplatinassoziierte mitochondriale Toxizität diskutiert. Das antioxidativ und neuroprotektiv wirkende L-Glutathion kann die cisplatininduzierte Neurotoxizität verringern. #452.11{sidNIHU9jon} Folgen: Reduktion der neurotoxischen Wirkungen von Cisplatin, geringere Schädigung des hämatopoetischen Systems, Steigerung der Immunkompetenz (z. B. NK-Zellfunktion) durch L-Glutathion. #452.12{sideZ7UfXBb} Hinweis: Die intravenöse Applikation von L-Glutathion (z. B. 1 500 mg GSH/m2 in 100 ml 0,9 % NaCl, i. v., 15 min vor der CT, sowie 600 mg GSH i. m. am 2. und 5. Tag nach der CT) kann die Cisplatin-induzierte Neurotoxizität verringern, ohne die zytotoxische Aktivität des Cisplatins zu beeinträchtigen. #453.02{sid1FajvPgO} Das Tripeptid L-Glutathion (L-γ-Glutamyl-Cystein-Glycin) ist quantitativ die wichtigste intrazelluläre schwefelhaltige Verbindung. L-Glutathion (GSH) und die Glutathion-abhängigen Enzyme GSH-Peroxidase und GSSG-Reduktase spielen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung des intrazellulären Redoxgleichgewichts. Zellen, Lipide, Proteine und Nukleinsäuren werden durch Glutathion vor der oxidativen Schädigung durch freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies geschützt. Der intrazelluläre Transport von Glutathion erfolgt über das Enzym γGlutamyltranspeptidase. Dieses Enzym findet sich in hohen Konzentrationen in den Nieren und im peripheren Nervensystem. #453.03{sidTWNjVSu5} Studien: Nach dem Ergebnis klinischer Studien kann Glutathion zum Schutz vor cisplatininduzierter Neurotoxizität eingesetzt werden. In klinischen Studien konnte auch durch die regelmäßige Einnahme von Vitamin E (300 mg Vitamin E/d, p. o., Beginn: 1 d vor der CT; Dauer: 3 Monate) die Inzidenz und die Schwere einer cisplatininduzierten Neuropathie verringert werden. #453.04{sidUkK0vfrS} 35.3.4 Cisplatin, Ifosfamid und L-Carnitin #453.05{sidv72DuxpG} Carnitin-Depletion durch Cisplatin und Ifosfamid #453_454{sidWsLrDO9O} Mechanismus: Cisplatin wirkt nephrotoxisch, hemmt die renale Rückresorption von L-Carnitin im proximalen Tubulus und kann die Carnitinausscheidung (freies Carnitin und Acyl-Carnitin) mit dem Urin bei Tumorpatienten um den Faktor 10 steigern. Auch Ifosfamid führt zu erheblichen renalen Carnitinverlusten. Der Stoffwechselmetabolit Chloracetaldehyd des Ifosfamids kann zur entsprechenden Säure oxidiert werden und freies Coenzym A binden. Dadurch wird der Coenzym-A-Pool in den Mitochondrien gestört und energieliefernde Coenzym-A-abhängige Stoffwechselwege blockiert. L-Carnitin übernimmt die Chloroacetyl-Gruppe vom Coenzym A und transportiert sie aus den Mitochondrien und der Zelle hinaus. Da Chloroacetyl-Carnitin in der Niere schlechter rückresorbiert wird als freies Carntin, kommt es zu einem sekundären Carnitinmangel ○Abb. 35.9). Der Ifosfamidmetabolit Thioglykolsäure ist zudem in der Lage, die Carnitin-Pamitoyl-Transferase 1 (CPT1) zu hemmen. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #454.01{sidC3RcO0ec} Folgen: Carnitin-Depletion (sekundäres Carnitindefizit im Blut und Gewebe); Abfall der Carnitinplasmaspiegel (< 30 µmol/l); Beeinträchtigung der CPT1-Aktivität und des zellulären Carnitin-Transporters OCTN2; Störung der mitochondrialen ATP-Produktion (Energiedefizit); erhöhte mitochondriale Toxizität von Cisplatin und Ifosfamid; erhöhtes Risiko für Fatigue sowie für cisplatin- und ifosfamidinduzierte neuro- und kardiotoxische Nebenwirkungen. #454.02{sidFA7ky9AS} Hinweis: Die Supplementierung von L-Carnitin (z. B. 2 000 mg L-Carnitin, in 100 ml 0,9 % NaCl, i. v.) vor einer CT mit Cisplatin oder Ifosfamid wirkt einem sekundären Carnitindefizit entgegen und kann das Ausmaß einer chemotherapieinduzierten peripheren Neuropathie (neben Cisplatin auch Paclitaxel) signifikant reduzieren. #454.03{sidDCcDNb90} Die Niere hat für die Homöostase des Carnitinhaushalts eine zentrale Bedeutung. Über 95 % des ultrafiltrierten Carnitins werden wieder rückresorbiert. Die Clearancerate für Acyl-Carnitin liegt deutlich höher (> dreifach) als für freies Carnitin. Eine Störung der renalen Rückresorption und/oder vermehrte Bildung von Acyl-Carnitin ist daher mit erhöhten renalen Carnitinverlusten assoziiert (○Abb. 35.12). In einer Pilotstudie an Patienten mit Cisplatin- und/oder paclitaxelinduzierter Neuropathie führte die tägliche intravenöse Applikation von 1 000 mg Acetyl-L-Carnitin (Infusionsdauer: 1–2h) über einen Zeitraum von zehn Tagen zu einer signifikanten Verbesserung des NeuropathieSchweregrades. #454.04{sidUZD1FvyJ} Abb. 35.12 Renale Carnitin-Clearance bei Patienten unter einer Therapie mit Cisplatin. Nach Heuberger 1998 #454.05{sidicVJNkBy} 35.3.5 Oxaliplatin und Calcium/Magnesium #454.06{sidv8v015hG} Calcium und Magnesium verringern die oxaliplatininduzierte akute sensorische Neuropathie #454_455{sidmO7fmZeA} Mechanismus: Oxaliplatin wird vor allem in der adjuvanten und palliativen Therapie des kolorektalen Karzinoms eingesetzt. Dosislimitierend ist eine akute sensorische Neuropathie, die sich vor allem durch Parästhesien und Dysthäsien in den Extremitäten und im Mundbereich äußern, die in Verbindung mit Kälte erheblich verstärkt werden. Platinderivate können ausgeprägte Elektrolytstörungen (z. B. Hyponatriämie, Hypocalcämie, Hypomagnesiämie) hervorrufen. Oxaliplatin kann zudem intrazellulär Calciumionen komplexieren und dadurch die elektrophysiologischen Eigenschaften der Nervenzelle (Hyperpolarisation) beeinträchtigen. Die intravenöse Applikation von Calcium und Magnesium kann die Hyperpolarisation der Nervenzellen (→ Schließen von Natriumkanälen) steigern und den neurotoxischen Wirkungen von Oxaliplatin entgegen wirken. #455.01{sidiDmXiPh9} Folgen: Reduktion der Inzidenz und Intensität der akuten oxaliplatininduzierten Neuropathie; Ausgleich von Elektrolytstörungen. #455.02{sidn957kxo6} Hinweis: Die intravenöse Applikation von 1 g Magnesiumsulfat und 1 g Calciumgluconat kurz vor und kurz nach der Oxaliplatininfusion kann die Inzidenz und die Schwere der akuten sensorischen Neuropathien signifikant reduzieren, ohne die antineoplastische Wirkung von Oxaliplatin zu beeinträchtigen. #455.03{sidNN7PpNYP} Studien: In einer retrospektiven Studie an 161 Patienten, die aufgrund eines fortgeschrittenen kolorektalen Karzinoms mit Oxaliplatin und 5-FU therapiert wurden, erhielten 69 Patienten vor und nach der Oxaliplatintherapie eine Infusion mit Magnesium und Calcium. 65 Patienten dienten als Kontrollgruppe. Während in der Kontrollgruppe bei 26 % der Patienten eine Grad-3-Neurotoxizität auftrat, war diese nur bei 7 % der Calcium/Magnesiumgruppe nachweisbar. Zusätzlich erholten sich die Patienten in der Calcium/Magnesiumgruppe schneller von einer Grad 2und Grad 3-Neuropathie als in der Kontrollgruppe. #455.04{sidndiky9tO} 35.4 Anthrazykline #455.05{siddfwNCOZJ} 35.4.1 Anthrazykline (z. B. Doxorubicin) und Selen HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #455.06{sidAuWKa115} Selen reduziert die anthrazyklininduzierte Kardiotoxizität #455.07{sidJzlYnaoB} Mechanismus: Die anthrazyklininduzierte Kardiotoxizität ist überwiegend mit der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (•OH, H2O2) durch das Anthrayzklin-Semichinon-Radikal und erhöhter Lipidperoxidation der Mitochondrienmembran durch Anthrazyklin-Fe3 +-Komplexe (z. B. Doxorubicin-Fe3 +-Komplex) im kardialen Gewebe assoziiert (○Abb. 35.13); Anthrazyklin-Fe3 +-Komplexe katalysieren zusätzlich die Elektronenübertragung von reduzierten Thiolen (z. B. GSH, Cystein) auf molekularen Sauerstoff (O2) und können zu einer exzessiven zytosolischen Freisetzung von Calcium führen (□ Tab. 35.17). #455.08{sidHfOom1Xb} Tab. 35.17 Wirkmechanismen und wichtige Nebenwirkungen von Anthrazyklinen #455.09{siduQXyUVrn} Wirkmechanismen Nebenwirkungen Anthrazyklin #455.10{sidmLwVtAAn} Doxorubicin, Epirubicin, Daunorubicin, Idarubicin Interkalation in die DNADoppelhelix (Blockade der DNA, Hemmung der RNA-Polymerase), Hemmung der DNATopisomerase I, II (Induktion von Strangbrüchen), Biotransformation zu freien Radikalen (z. B. Anthrazyklin-SemichinonRadikale), Hemmung der mitochondrialen oxidativen Phosphorylierung, Interaktion mit der Zellmembran (Membranfluidität) Kardiotoxizität (Kardiomyopathie, Herzinsuffizienz), Myelotoxizität (Leukopenie, Thrombozytopenie), Mukositis, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö #456.01{sidr1qMfc86} Abb. 35.13 Das protektive Potenzial von mitotropen Mikronährstoffen auf die kardiotoxische Wirkung von Zytostatika #455_456{sid3Xwfiog5} Folgen: Abfall der GSH-Spiegel und der Aktivität der selenabhängigen GSH-Peroxidase (GSH-Px) in Kardiozyten; die Aktivität der mitochondrialen GSH-Peroxidase kann durch Selen gesteigert und die Akkumulation von Lipidperoxidationsprodukten (z. B. Malondialdehyd) im Myokard verringert werden. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #456.02{sidasYxVSh2} Hinweis: Die orale und intravenöse Applikation von Selen (z. B. 1 000 µg Selen als Natriumselenit in 100 ml 0,9 % NaCl, i. v., 1h vor der CT) kann die anthrazyklininduzierte Kardiotoxizität verringern, ohne die zytotoxische Aktivität der Anthrazykline zu beeinträchtigen. An den Tagen vor und nach der CT empfiehlt sich die orale Supplementierung von Selen (z. B. 500 µg/d, p. o.). Zielwert für die Selensubstitution sind Selenspiegel im Vollblut von 130 bis 155 µg/l. #456_457{sidgjvSGKOR} Anthrazykline üben ihre zytotoxische Wirkung durch verschiedene Mechanismen aus (z. B. Interkalation in die DNA, Alkylierung von Makromolekülen, Hemmung der Topoisomerase II, Interaktion mit der Zellmembran, Biotransformation zu freien Radikalen). Wesentliche Rolle für die Zytotoxizität spielt die Interkalation in die DNA, die zur Hemmung der Nukleinsäuresynthese führt. Der Einsatz der Anthrazykline wird durch die akute und chronische Kardiotoxizität, die im Wesentlichen auf der Bildung von Anthrazyklin-Semichinon-Radikalen (Idarubicin > Doxorubicin > Daunorubicin > Epirubicin) und Anthazyklin-Fe3 +-Komplexen beruhen dürfte, eingeschränkt. Die Bedeutung des Eisens, insbesondere des chelatisierten Eisens, für die Kardiotoxozität wird dadurch unterstrichen, dass Eisenchelatoren (ICRF-187 = Dexrazoxan) die kardiotoxischen Wirkungen signifikant verringern können. Das EDTA-ähnliche Dexrazoxan (ICRF-187) bildet nach Biotransformation einen stabilen Komplex mit Eisen (III)-Ionen und unterbricht damit den Mechanismus der Radikalbildung durch Anthrazykline. Die Kardiotoxizität korreliert mit der applizierten Gesamtdosis der Anthrazykline und ist häufig irreversibel. Die chronische Toxizität ist mitunter mit tödlich verlaufendem Herzversagen, akuten lebensbedrohlichen Arrythmien und Kardiomyopathien assoziiert. Histopathologisch finden sich u. a. degenerative Veränderungen der Muskelzellen und Fibrillen, der Mitochondrien und Zellkernverluste. In tierexperimentellen Studien verbesserte Selen als Cofaktor der GSH-Peroxidase den antioxidativen Status des Myokards und beugte den oxidativen Schäden der Kardiozyten durch Anthrazykline vor. Die zelluläre Immunkompetenz wird durch Selen verbessert. Das Myokard ist besonders vulnerabel gegenüber anthrazyklininduzierten oxidativen Schäden, da die Herzmuskelzellen im Vergleich zu anderen Geweben einen relativ niedrigen Spiegel an Glutathion sowie eine geringe physiologische Aktivität der Glutathion-Peroxidase und der Superoxid-Dismutase aufweisen. Neben Selen können auch Vitamin D sowie die beiden mitochondrialen Substrate L-Carnitin und Coenzym Q10 die Kardiotoxizität der Anthrazykline reduzieren, ohne deren zytotoxische Aktivität zu beeinträchtigen. #457.01{sidzS7SSFpC} 35.4.2 Anthrazykline, Herceptin und L-Carnitin #457.02{sidN3VShUhx} L-Carnitin reduziert die anthrazyklininduzierte Kardiotoxizität #457.03{sidU9jGUcT1} Mechanismus: Die anthrazyklininduzierte Kardiotoxizität ist überwiegend mit der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (•OH, H2O2) durch das Anthrayzklin-Semichinon-Radikal und erhöhter Lipidperoxidation der inneren Mitochondrienmembran im kardialen Gewebe assoziiert (siehe auch ○Abb. 35.8 und ○Abb. 35.11); Anthrazyklin-Fe3 +-Komplexe können zusätzlich eine exzessive zytosolische Freisetzung von Calciumionen auslösen; Anthrazyklin-Eisen-Komplexe können an das strukturelle Phospholipid der inneren Mitochondrienmembran Cardiolipin binden. #457.04{sidSB2VS8Qo} Folgen: Inhibierung der mitochondrialen Beta-Oxidation langkettiger Fettsäuren; Störung des intrazellulären Calciumgleichgewichts und Integrität der Mitochondrienmembran; oxidative Schädigung der Myozyten durch freie Radikale; Beeinträchtigung der kardialen Bioenergetik; erhöhtes Risiko für anthrazyklininduzierte kardiale Nebenwirkungen (früh: Frequenzanstieg, QT-Verlängerung, supraventrikuläre und ventrikuläre Tachykardie; spät: Kardiomyopathie, Herzinsuffizienz). #457.05{sidC5E7l9H9} Hinweis: Die orale und/oder parenterale Supplementierung von L-Carnitin (z. B. 2 000 mg L-Carnitin, in 250 ml 0,9 % NaCl, i. v. und 3 × 1 000 L-Carnitin mg/d, p. o.) kann die kardiotoxischen Wirkungen der Anthrazykline signifikant verringern, ohne ihre zytotoxische Aktivität zu beeinträchtigen (□ Tab. 35.18). #458.01{sidJXkeyPLH} Tab. 35.18 L-Carnitin in der onkologischen Intervention (Auswahl) #458.02{sidj17SU97s} Effekt Dosierung/Applikation Verringerung der Anthrazyklininduzierten Kardiotoxizität/Kardiomyopathie Oral: 3–6 g L-Carnitin/d (als -tartrat), p. o., Beginn: 3–4 Tage vor der CTX intravenös: 2 g L-Carnitin als Kurzinfusion in 250 ml 0,9 % NaCl (z. B. 1h vor Anthrazyklin-Applikation) Verringerung der Kardiotoxizität/ Kardiomyopathie bei Kombi mit Taxanen oder Anthrazyklinen Oral: 3–6 g L-Carnitin/d., p. o., Beginn: 3–4 Tage vor der CTX intravenös: 2 g L-Carnitin als Kurzinfusion in 250 ml 0,9 % NaCl (z. B. 1h vor Trastuzumab-Applikation) Adjuvante Therapie des Tumorassoziierten Fatigue-Syndroms Oral: 3–6 g L-Carnitin/d., p. o. parenteral: 2 g L-Carnitin als Kurzinfusion in 250 ml 0,9 % NaCl (z. B. 2–3×/Woche) Chemotherapie mit #458.03{sidnht1fB0o} Anthrazykline (z. B. Epirubicin) #458.04{sidDvzDhnFq} Trastuzumab, Sunitinib #458.05{sidDTVJ2Y4d} Fatigue, Tumoranämie #457_458{sid3sVcJhZZ} Studien: Bei Krebspatienten besteht häufig ein genereller Carnitinmangel (Mangel: freies Carnitin < 35 µmol/l), der vom Organismus nicht ausgeglichen werden kann und der durch die antineoplastische Therapie noch verstärkt wird. Die derzeit in zahlreichen onkologischen Protokollen in unterschiedlichen Dosierungen eingesetzten Anthrazykline, wie Doxorubicin, Epirubicin, Mitoxantron, Daunorubicin und Idarubicin, weisen ein in dieser Reihenfolge absteigendes kardiotoxisches Potenzial auf, als dessen pathologisches Korrelat die toxische Kardiomyopathie anzusehen ist. Man unterscheidet eine dosisunabhängige Frühform von einer dosisabhängigen Spätform, die mit einem Risiko von 4–8 % ab einer kumulativen Schwellendosis von 550 mg/m2 für Doxorubicin beschrieben wird. Als weitere Risikofaktoren werden Kombinationsbehandlungen mit 5-Fluorouracil (5-FU), Mitomycin C und Herceptin, sowie eine mediastinale Bestrahlung angesehen. Die dosisunabhängige Frühform manifestiert sich klinisch meistens durch Herzrhythmusstörungen, ST-Streckensenkungen und subklinischen Veränderungen von Funktionsparametern im Ultraschall. Auch die dosisabhängige Spätform zeigt im Vorfeld einer klinisch manifesten toxisch-dilatativen Herzinsuffizienz häufig subklinische Veränderungen, im Sinne einer eingeschränkten Ejektionsfraktion. HiQPdf Evaluation 09.05.2017 #458.06{sidg8nTOloh} In zahlreichen präklinischen Untersuchungen an Zellkulturen und in Tiermodellen werden eindrucksvolle protektive Effekte von L-Carnitin und seinen Derivaten (Propionyl-L-Carnitin, Acetyl-L-Carnitin) auf die anthrazyklininduzierte Kardiotoxizität dokumentiert. Dabei wird übereinstimmend eine Reduktion mitochondrialer Läsionen und eine verbesserte Sauerstoffaufnahme nach Zugabe von L-Carnitin beschrieben. Im Tierversuch konnten nach einer 6wöchigen Therapie mit Adriamycin bei Ratten neben einem Abfall der Ejektionsfraktion und des linksventrikulären Drucks verschiedene histologische Veränderungen, wie eine Degeneration und Vakuolisierung der Myozyten, interstitielles Ödem, eine Fibrose sowie eine Schädigung der Mitochondrien nachgewiesen werden. Diese Schäden konnten weitgehend vermieden werden, wenn die Tiere gleichzeitig L-Carnitin erhielten. Untersuchungen am Rattenherzen belegen, dass L-Carnitin in der Lage ist, der doxorubicininduzierten Hemmung der zellulären Sauerstoffaufnahme, der mitochondrialen ATP-Produktion, der Proteinsynthese und einem intrazellulären Anstieg freier Calciumionen entgegenzuwirken. Dabei wurden die protektiven Effekte von L-Carnitin ohne eine Beeinträchtigung der antineoplastischen Wirkung der Anthrazykline erreicht. #458_459{sidPg6vcW0k} Anthrazykline wie Adriamycin können wesentliche Schlüsselenzyme des Fettsäurestoffwechsels in ihrer Funktion beeinträchtigen. So reduziert Adriamycin die Bildung von aktivierten Fettsäuren (Acyl-CoAs) durch die Inhibition der Acyl-CoA-Synthetase