Zusammenfassung Dissertation Christine Mitter Distressed Investing – eine Alternative zur Sanierung österreichischer Krisenunternehmen? Fast täglich wird derzeit in den aktuellen Wirtschaftsnachrichten über spektakuläre Unternehmensinsolvenzen oder Pleitenrekorde berichtet. Dieser Zunahme an Insolvenzen steht eine mangelnde Bereitschaft der Banken gegenüber, Krisen- oder gar Konkursunternehmen mit neuen Kreditmitteln zu versorgen oder bestehende Darlehen zu prolongieren. Gerade die Sanierungsfinanzierung spielt jedoch für das Gelingen der Restrukturierung eine entscheidende Rolle. Die Lösung dieses Dilemmas könnte in dem in den USA bereits weit verbreiteten Distressed Investing liegen. Distressed Investors oder Vultures (Geier) sind auf Krisen- oder Konkursunternehmen spezialisierte Investoren, die neben Risikokapital auch Know-how und Verhandlungsgeschick in den Sanierungsprozess einbringen und bei Unternehmenssanierungen in den USA bereits eine bedeutende Rolle spielen. Während in den USA ein riesiger Markt für Titel von notleidenden Unternehmen existiert (siehe Abb. 1) und nahezu alle Arten von Forderungen gegenüber Krisen- und Konkursunternehmen (Anteilsrechte, Bankkredite, Anleihen, Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, Schadenersatzansprüche) gehandelt werden, existiert in Österreich kein aktiver Markt für Distressed Securities. Der Markt für öffentlich und privat gehandelte Fremdkapitaltitel von US-Krisen- und Konkursunternehmen (in Mrd. USD) 1.000 900 800 700 600 Nennwert 500 Marktwert 400 300 200 100 0 1990 1992 1993 1995 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Abb. 1: Der Markt für Distressed Debt in den USA (Quelle: Altman). In Österreich konzentriert sich das Interesse auf Beteiligungen an Krisenunternehmen (Distressed Equity). Die bisher getätigten Transaktionen wurden großteils von österreichischen und einigen wenigen deutschen Beteiligungsgesellschaften durchgeführt. Die Tatsache, dass einige der auf Distressed Investments spezialisierten Private-EquityGesellschaften erst vor kurzem gegründet wurden, lässt zudem vermuten, dass in Zukunft noch mit steigendem Interesse an dieser Anlagekategorie zu rechnen ist. Steigende 1 Zusammenfassung Dissertation Christine Mitter Insolvenzzahlen, Kapitalüberhänge bei Finanzinvestoren und eine zunehmende Kapitalmarktorientierung der österreichischen Unternehmen und Anleger werden diese Entwicklung vorantreiben. Im Bereich Distressed Debt sollten jüngste Entwicklungen am Bankensektor wie Basel II und die FMA-Mindeststandards für das Kreditgeschäft und andere Geschäfte mit Adressenausfallsrisiken (FMA-MS-K) sowie gestiegener Performancedruck dazu beitragen, dass Banken Distressed Debt-Verkäufe forcieren. Immerhin drücken notleidende Kredite auf Rentabiltität und Rating der Banken und binden erhebliche Ressourcen. Für diese Sicht sprechen darüber hinaus ein – wenn auch noch verhaltenes – Interesse der Banken an Veräußerungen von Problemkrediten sowie die Kontaktaufnahme internationaler Vultures und Investmentbanken mit österreichischen Kreditinstituten. Insbesondere in Bezug auf den Verkauf von Problemkrediten stellt sich die Frage, wie rechtliche Aspekte (Bankgeheimnis, Datenschutzgesetz, Übertragbarkeit von Kreditsicherheiten etc.) zu behandeln sind. Weitere Umsetzungsprobleme ergeben sich aus Unterschieden im Insolvenzrecht, in der Größe des Kapitalmarktes oder in der Unternehmenslandschaft sowie aus kulturellen Barrieren. Generell scheinen die Rahmenbedingungen für Distressed Investing in Österreich weniger gut geeignet zu sein als in den USA. Die aktuelle Entwicklung in Deutschland, einem Land mit ähnlichen institutionellen Gegebenheiten wie Österreich, zeigt jedoch, dass derartige Rahmenbedingungen Distressed Investments nicht von vornherein ausschließen und viele Umsetzungsprobleme überwindbar sind. Änderungen in der Praxis der Sanierungsfinanzierung sind deshalb auch in Österreich zu erwarten. Ein vollständiger Wandel in der Finanzierung österreichischer Sanierungsfälle wird allerdings nicht eintreten. Banken werden weiterhin eine wichtige Rolle in der Finanzierung von Krisenunternehmen spielen, schließlich können Distressed Investors die enormen Finanzierungsvolumina der Banken gar nicht übernehmen. In manchen Teilbereichen, in denen sich Banken aus oben angeführten Gründen aus der Sanierungsfinanzierung zurückziehen, kann Distressed Investing allerdings die Finanzierungsmöglichkeiten des Krisenunternehmens erweitern und einen wichtigen Beitrag zur Unternehmenssanierung leisten. 2