Welt der Wissenschaft: Gammaastronomie GLAST-Mission Die Ein Blick in die kosmischen Hexenkessel Einer der letzten astronomisch noch nicht ausreichend erforschten Spektralbereiche ist derjenige der Gammastrahlen. Das neue Weltraumteleskop GLAST, dessen Start für den 16. Mai vorgesehen ist, wird diese Lücke schließen. Jenseits der Erdatmosphäre wird es die hochenergetischen Photonen registrieren, die Einblicke in die heftigsten Vorgänge des Universums erlauben. Von Giselher Lichti und Andreas von Kienlin W ieviel anders sähe unsere nen massereicher Sterne, der Einsturz von kung treten, werden sie auch Gamma­ Welt aus, wenn unsere Materie in alles verschlingende Schwarze quanten genannt; ihre Energie wird, wie in Augen nicht für sichtbares Löcher, Kollisionen von Neutronensternen der Teilchenphysik üblich, in Elektronvolt Licht, sondern für hoch­ sowie Stoßwellen, die entstehen, wenn fast (eV) angegeben (siehe Glossar auf S. 44). ener­getische Gammastrahlung empfindlich lichtschnelle Materieströme auf interstella­ wären. Statt der romantisch funkelnden res Gas prallen. Wegen des Teilchencharakters der Gam­ maquanten versagt das gewohnte Instru­ Sterne am nachtschwarzen Himmel würden Gammastrahlen gehören wie Photonen mentarium der Astronomie. Gammastrah­ wir ein Feuerwerk aus hellen Blitzen und ein des sichtbaren Lichts zum elektromagne­ len können nämlich nicht wie sichtbares geheimnisvolles Leuchten wahrnehmen, tischen Spektrum. Ihre Energie ist jedoch Licht mit Spiegeln und Linsen eingesam­ das uns zu Zeugen der wuchtigsten und millionen- bis milliardenfach größer, ihre melt und auf kleine Detektoren fokussiert energiereichsten Prozesse werden ließe, Wellenlänge entsprechend kleiner. Da sie werden. Stattdessen sind Instrumente mit die das Universum zu bieten hat: Explosio­ wie Teilchen mit Materie in Wechselwir­ großen Zählerflächen erforderlich, um die geringen Flüsse der kosmischen Gam­ maquanten nachzuweisen. Erst durch die Didaktisches Material zu diesem Beitrag Fortschritte in der Detektorentwicklung steht Ihnen kostenlos auf der Website für die Kern- und Hochenergiephysik www.wissenschaft-schulen.de zur Verfü- gelang es, geeignete Instrumente für den gung. Nachweis und Eigenschaften von Einsatz in der Astrophysik zu bauen. Gamma-»Strahlung« sind Standardthe- Die Beobachtung des Sternhimmels im men im Oberstufenunterricht, aber sie werden oft nur in eingeschränktem Sinn im Gammabereich wird zusätzlich durch den Zusammenhang mit Radioaktivität behandelt. Die Materialien zur astronomischen Umstand erschwert, dass Gammaquanten Bedeutung der Gammastrahlen ermöglichen nun, anhand der aktuellen Forschung bereits in großer Höhe bei Wechselwir­ in die Thematik einzuführen. Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« führen wir kungen mit den Luftmolekülen absorbiert in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Lehrer­fortbildung in Bad Wildbad werden. Dies macht technisch aufwändige durch. Es wird von der Klaus Tschira Stiftung gGmbH großzügig gefördert. Ballon- oder Satellitenmissionen nötig. Erst bei sehr hohen Energien oberhalb von 40 Mai 2008 Sterne und Weltraum 100 Gigaelektronvolt (1 GeV = 109 eV) las­ sen sich Gammastrahlen vom Boden aus indirekt nachweisen, und zwar über das Tscherenkow-Licht von Teilchenschauern, die bei der Umwandlung der Energie ein­ zelner hochenergetischer Gammaquanten in der oberen Atmosphäre entstehen (sie­ he SuW 8/2006, S. 36, sowie SuW 8/2007, S. 26). Die Gammaastronomie wurde 1967 mit einem speziellen Experiment an Bord des NASA-Satelliten OSO-3 eröffnet. Als wei­ tere wissenschaftliche Missionen folgten 1972 SAS-2 (NASA) und drei Jahre später COS-B (ESA); beide lieferten Karten der Gammastrahlung unseres Milchstraßen­ systems. Mit dem Compton Gamma-Ray Observatory (CGRO) der NASA, das von 1991 bis 2000 in Betrieb war, etablierte sich die Gammaastronomie endgültig als eigenständiger Forschungszweig. Als einzige noch laufende Mission untersucht das Gammaobservatorium Integral der ESA seit 2002 den Himmel im Bereich der harten Röntgen- und weichen Gamma­ strahlung (20 keV bis 10 MeV). Die Instrumente an Bord dieser Satelliten führten zu zahlreichen neuen Entdeckun­ NASA Neuer Pionier der Gammaastronomie gen und Erkenntnissen. Allerdings reichte ihre Empfindlichkeit nicht aus, um alle Das Gamma-Ray Large Area Space Telescope (GLAST) wird als eines der großen Welt- Entdeckungen zu erklären. Diese Aufgabe raumteleskope die astronomische Forschung der nächsten Jahre dominieren. Etwa soll nun das Gamma-Ray Large Area Space zwei Monate nach dem Start, der am 16. Mai erfolgen soll, wird die NASA das Teleskop Telescope (GLAST) übernehmen, das im umbenennen. Bereich der hochenergetischen Gamma­ strahlung wesentlich empfindlicher ist als LAT-Sensoren und Elektronik alle seine Vorgänger. Large Area Telescope (LAT) GLAST ist eine internationale Mission, die den Himmel im Energiebereich von 20 MeV bis mehr als 300 GeV erforschen soll. Das Hauptinstrument, das Large-Area Telescope (LAT), ist im Wesentlichen ein Nachfolgeinstrument des Gammastrah­ LAT C ollabo ration lenteleskops EGRET, das an Bord von CGRO Datenverarbeitung hochenergetische Gammastrahlung mit Hilfe einer Funkenkammer gemessen hat. Allerdings wird das LAT zum Nachweis der Gammaquanten großflächige Radiatoren (2 Stück) GLAST Burst Monitor (GBM) Natriumiodid-Detektoren (12 Stück) Silizium­ streifendetektoren verwenden und damit eine um den Faktor 30 höhere Empfind­ lichkeit, ein größeres Gesichtsfeld und eine BGO-Detektoren (2 Stück) Stromversorgung bessere Winkelauflösung erreichen. Dank seiner schnellen Reaktionszeit wird es auch GLAST enthält zwei wissenschaftliche Experimente: das Large Area Telescope (LAT) und variable Ereignisse am Himmel mit hoher den GLAST Burst Monitor (GBM). Die zwölf Natriumiodid-Detektoren und zwei BGO- Zeitauflösung untersuchen können. Detektoren des GBM sind zusammen mit der zum Instrument gehörenden Stromversor- Dadurch wird es mit dem LAT auch gungsbox und dem Bordrechner außen am Satellitenbus angebracht. möglich sein, die rätselhaften kurzen, aber www.astronomie-heute.de Mai 2008 41 sehr intensiven Gammablitze (gamma-ray Wie GLAST kosmische Gammastrahlen registriert bursts, GRBs) zu untersuchen. Unterstützt wird diese Aufgabe durch ein zweites Ins­ trument, den GLAST Burst Monitor (GBM), der hauptsächlich Gammablitze im Be­ F ür den Nachweis der Gammastrahlung oberhalb von 20 MeV nutzt Da in der erdnahen Umlaufbahn zahlreiche geladene Teilchen vorhanden sind, das Hauptinstrument von GLAST, das die Störsignale im Streifendetektor und ter Röntgenstrahlung (10 keV bis 30 MeV) Large-Area Telescope (LAT), den Effekt der im Kalorimeter erzeugen, ist das LAT von vermessen soll. Die Funktionsweise beider Paarbildung: Ein Gammaquant kann sich einem Antikoinzidenzschild umgeben, der Instrumente ist im nebenstehenden Kas­ im elektrischen Feld eines Atomkerns in diese unerwünschten Ereignisse aus dem ten beschrieben. zwei Teilchen umwandeln, nämlich in ein Datenstrom herausfiltert: Nur Ereignisse, Elektron (e–) und ein Positron (e+). Die die zwei Spuren in den Streifenzählern, Spuren dieser beiden elektrisch geladenen ein Signal im Kalorimeter und kein zeit- An der Entwicklung und dem Bau der Teilchen werden in einem Siliziumstrei- gleiches Signal im Antikoinzidenzdetektor Messinstrumente beteiligte sich in den fendetektor sichtbar gemacht. Aus der erzeugt haben, werden als Gammaquan- letzten Jahren eine Vielzahl von Wissen­ Rekonstruktion der Spuren lässt sich die ten betrachtet und registriert. schaftlern aus Deutschland, Frankreich, Richtung des einfallenden Gammaquants Italien, Japan, Schweden und den USA. Die bestimmen. reich niedriger Gammaenergien und har­ Das GLAST-Projekt Die Energie des Gammaquants ergibt beiden Autoren dieses Artikels waren am Das LAT ist modular aus 16 identischen Detektortürmen aufgebaut. Jeder besteht aus einem Teilchenspurdetektor, einem Max-Planck-Institut für extraterrestrische sich aus der in einem Kalorimeter gemes- Kalorimeter und einer Datenaufnahme- Physik in Garching für den Bau der Detek­ senen kinetischen Energie des Elektrons einheit. Der Teilchenspurdetektor setzt toren und der Stromversorgung für den und des Positrons. Beide Teilchen werden sich aus 18 übereinander geschichteten GLAST Burst Monitor verantwortlich, der dabei fast vollständig abgestoppt. Dies Siliziumstreifenzählern zusammen. von den Firmen Jena-Optronik GmbH in geschieht durch Wechselwirkung mit Zwischen diesen befinden sich dünne Jena und EADS Astrium AG in Friedrichs­ dem elektrischen Feld von Atomkernen: Konverterfolien aus Wolfram, in denen der hafen ausgeführt wurde. Die finanziellen Die positive Ladung der Kerne lenkt die Paarbildungsprozess stattfindet. Mittel dafür stellte das Deutsche Zentrum Elektronen und Positronen aus ihrer Bahn für Luft- und Raumfahrt (DLR) bereit. Für ab, wodurch diese elektromagnetische Teilchenspurdetektors angebracht ist, die Projektleitung auf Ebene der NASA Strahlung, Bremsstrahlung genannt, enthält acht Lagen mit jeweils zwölf und die Entwicklung der zentralen Pro­ aussenden. Diese Strahlungsquanten Cäsiumiodid-Szintillatorstäben, die von zessiereinheit des GBM sind Kollegen zerfallen nun in weitere Elektron-Posi­tron- Photodioden ausgelesen werden. Diese vom Marshall Space Flight Center und der Paare. Durch die sukzessive Wiederholung Anordnung erlaubt es, das räumliche Profil University of Alabama in Huntsville ver­ dieses Prozesses bildet sich eine elektro- von Teilchenschauern zu messen und antwortlich. magnetische Kaskade aus. daraus die Energieverluste zu bestimmen. Das Kalorimeter, das unterhalb des Nach ihrer Auslieferung in die USA Teilchenspurdetektor wurden die Komponenten der wissen­ schaftlichen Flughardware dort zu den Antikoinzidenzschild kompletten Instrumenten zusammenge­ setzt und für ein Jahr vielfach getestet und wurden schließlich beide Instrumente an den Satellitenbauer General Dynamics, C4 Systems, in Phoenix, Arizona, übergeben und dort auf den Satelliten integriert (Foto LAT-Collaboration anschließend kalibriert. Im Sommer 2006 Isolationsfolie S. 44). Von Mai 2007 bis Februar 2008 wurde Trägerrost der gesamte Satellit auf seine Tauglichkeit Datenaufnahmeeinheit für Weltraumbedingungen geprüft – dazu Kalorimeter gehörten Vibrationstests, Überprüfungen in der Vakuum- und Kältekammer sowie Tests für elektromagnetische Verträglich­ keit. Im März traf der etwa 4,5 Tonnen schwere Satellit bei der Firma Astrotech nahe dem Kennedy Space Center in Flori­ da ein. Dort wurden die letzten Tests zur Das LAT ist modular aus 16 gleichen Detektoreinheiten mit den Abmessungen 40 3 40 Startvorbereitung durchgeführt. Am 16. 3 87,5 cm aufgebaut (Foto oben links). Die Grafik zeigt schematisch den Aufbau einer Mai soll nun GLAST von der benachbart Detektoreinheit und die übrigen Komponenten des LAT. Das LAT-Kalorimeter besteht gelegenen Cape Canaveral Air Force Sta­ aus acht Lagen mit jeweils zwölf Cäsiumiodid-Szintillatorstäben, die von Photodioden tion mit einer schweren Delta II-Rakete in ausgelesen werden (rechts unten). eine 565 Kilometer hohe Erdumlaufbahn 42 Mai 2008 Sterne und Weltraum Mit ihr lässt sich auch die hadronische Zwölf solcher Natriumiodid-Detektoren Ausleseelektronik Komponente der kosmischen Hintergrund- des GLAST Burst Monitor (GBM) weisen strahlung unterdrücken, wodurch die Strahlung von 10 keV bis 1 MeV nach. Energieauflösung erhöht wird. (Hadronen sind Teilchen wie Protonen und Neutronen, die der starken Wechselwirkung unterwor- Eintrittsfenster aus Beryllium, dahinter scheibenförmiger Natriumiodid-Kristall Der das LAT umgebende, segmentiert aufgebaute Antikoinzidenzschild besteht MPE fen sind.) aus Plastikszintillatoren, die mit Hilfe von Lichtleitern, die an kleine Photomultiplier Photomultiplier gekoppelt sind, ausgelesen werden. Mit diesem Antikoinzidenzdetektor wird der jeder Detektor eine andere Intensität. Aus um einen Faktor 1000 höhere Teilchenhin- den Intensitätsverhältnissen ergibt sich tergrund signifikant reduziert: Im Detektor dann grob die Richtung des Bursts. Die Grafik rechts zeigt das Gesichtsfeld de statt, von denen nur etwa 30 als gute des GBM. In einem großen Raumwinkel- Ereignisse zum Boden übertragen werden. bereich von ungefähr 9 Steradian können Zum GLAST Burst Monitor (GBM) Gammablitze bereits an Bord mit einer gehören zwölf Natriumiodid-Szintillations- Genauigkeit von weniger als 15 Grad lokali- detektoren, die harte Röntgen- und nieder­ siert werden, die dann am Boden auf bis zu energetische Gammastrahlung im Bereich 3 Grad verbessert wird. Man erwartet, dass von 10 keV bis 1 MeV nachweisen können. der GBM etwa 200 Gammablitze pro Jahr Einfallende Gammastrahlung lässt den entdecken wird. Kristall kurz aufleuchten. Dieses Szintilla- Bahn des GLASTSatelliten GBM Collaboration / SuW-Grafik finden einige tausend Ereignisse pro Sekun- Gesichtsfeld des LAT-Instruments Gesichtsfeld des GMB-Instruments Um die Energielücke zwischen den Na- tionslicht wird durch einen angekoppelten triumiodid-Detektoren und dem LAT (von Die Gesichtsfelder des Large-Area Photomultiplier in elektrische Ladungs- 1 MeV bis etwa 20 MeV) zu schließen, ist Telescope (LAT, grau) und des GLAST pakete umgewandelt, die dann weiter der GLAST Burst Monitor noch mit zwei so Burst Monitor (GBM, rot) sind unter- verstärkt und an die zentrale Prozessierein- genannten BGO-Detektoren ausgestattet, schiedlich groß. heit weitergeleitet werden (Foto oben). die Gammastrahlung von 150 keV bis 30 Die Natriumiodid-Kristalle haben einen MeV messen sollen. Sie bestehen aus zwei Durchmesser von 12,7 Zentimetern und zylindrischen, 12,7 cm 3 12,7 cm großen sind 1,27 Zentimeter dick. Diese flache Wismutgermanatkristallen (Bi4Ge3O12), Scheibenform verleiht den Detektoren eine deren Szintillationslicht mit zwei Photo- richtungsabhängige Empfindlichkeit. Je multipliern gemessen und in ein elektro- nach Winkel relativ zur Detektornormalen nisches Signal umgewandelt wird (Foto ändert sich die Größe der Fläche, mit der rechts). Die beiden BGO-Detektoren sind die einfallende Gammastrahlung gemes- auf zwei gegenüberliegenden Seiten des sen wird. Frontal einfallende Strahlung GLAST-Satelliten montiert, so dass jeder sieht die volle kreisförmige Kristallquer- Detektor Strahlung von einer Hälfte des schnittsfläche; seitlich, unter 90 Grad, Himmels registriert. Im Gegensatz zu den einfallende Strahlung hingegen sieht nur Natriumiodid-Detektoren sind sie nicht Der BGO-Detektor des Glast Burst Monitor die schmale rechteckige Seitenfläche der richtungsempfindlich. (GBM) Kristalle. Zylindrischer BGO-Kristall mit Umhüllung MPE Photomultiplier Ausleseelektronik Die Suche nach Gammastrahlungsausbrüchen geschieht in der zentralen innerhalb weniger Hundertstelsekunden am Satelliten GLAST angebracht, dass Prozessiereinheit des GBM. Dort untersu- alarmiert. Nach spätestens zwei Sekun- jeder Detektor in eine andere Richtung chen verschiedene Trigger-Algorithmen die den wird die im GBM-Rechner bestimmte schaut (siehe Grafik S. 41 unten). Durch Zählraten der Natriumiodid-Detektoren Posi­tion des Bursts zusammen mit der diese spezielle Anordnung wird erreicht, auf rasche Anstiege. Steigt die Zählrate in Angabe über die Stärke und dem Anteil an dass Gammablitze unabhängig von der mindestens zwei Detektoren signifikant hochenergetischen Gammaquanten eben- Richtung, aus der sie aufleuchten, stets an, so wird der GBM in den Burstmodus falls dem LAT übermittelt. Der Bordrechner von mindestens drei der zwölf Detektoren geschaltet; für einige hundert Sekunden entscheidet dann, ob der gesamte Satellit registriert werden. Durch die unterschied- werden dann die einzelnen Ereignisse umorientiert werden soll, um nach hoch- liche Winkelanordnung der Detektoren mit Zeit- und Energieinformationen zur energetischer verzögerter Gammaemis­ relativ zur einfallenden Strahlung misst Erde gesendet. Paral­lel dazu wird das LAT sion des Bursts zu suchen. Die zwölf GBM-Detektoren sind so www.astronomie-heute.de Mai 2008 43 Die erste Inbetriebnahme des kompletten GBM-Instruments erfolgte am National Space Science and Technology Center in Huntsville, Alabama (ganz links). Gemeinsam mit dem LAT wurde es anschließend im Reinraum der »Factory of the Future« bei General Dynamics, C4 Systems, in Phoenix, Arizona, in den Satelliten GLAST integriert NSSTC; General Dynamics (links). geschossen werden (Foto S. 45 oben). Von zwei Kilometer). Beide sind Endprodukte nomischen Einheiten erreichen (was etwa dort soll er für mindestens fünf Jahre das der Stern­entwicklung und entstehen bei dem Durchmesser der Jupiterbahn ent­ Universum im Licht der Gammastrahlung Supernova-Explosionen. Schwarze Löcher spricht). erforschen. Nach erfolgreicher Inbetrieb­ sind dabei Regionen der Raumzeit, an Schwarze Löcher saugen Materie aus nahme – etwa neun Wochen nach dem denen die Materie so stark konzentriert ihrer Umgebung an. Da deren Drehimpuls Start – soll GLAST neu benannt werden. ist, dass ihre Gravitationskraft selbst Licht erhalten bleibt, bildet sich um das zentra­ Entsprechende Namensvorschläge konnte nicht mehr entweichen lässt, wenn es eine le Schwarze Loch eine Akkretionsscheibe jedermann bis Ende März einreichen; aus­ theoretische Grenze, den Ereignishorizont, aus, in der sich die Materie spiralförmig gewählt wird entweder der Name einer be­ unterschritten hat. auf den Ereignishorizont zu bewegt, be­ rühmten Persönlichkeit oder ein sonstiger einprägsamer Begriff. Wissenschaftliche Zielsetzung Mit ihrer enormen Energie können Gam­ Neben den stellaren Schwarzen Löchern vor sie schließlich dahinter verschwindet. gibt es zudem die »extrem massereichen« Dabei werden enorme Energiemengen Schwarzen Löcher in den Zentren aktiver freigesetzt. Aufgrund von Prozessen, die Galaxien. Deren Ereignishorizont kann man noch nicht völlig versteht, schießen eine Ausdehnung von rund zehn Astro­ senkrecht zur Akkretionsscheibe Strah­ mastrahlen den Weltraum nahezu un­ gehindert durchdringen. Im Gegensatz zu Licht und Röntgenstrahlung werden Glossar sie weder von Staub noch von Gaswolken merklich absorbiert und können uns so­ Elektronvolt: Einheit der Energie in der Teilchenphysik. 1 Elektronvolt (eV) ist die mit noch aus den größten Entfernungen kinetische Energie, die ein Elektron beim Durchlaufen einer elektrischen Spannung ungeschwächt und unabgelenkt errei­ von einem Volt im Vakuum gewinnt. Die Umrechnung in SI-Einheiten geschieht über chen. die experimentell bestimmte Beziehung 1 eV = 1,60217733 3 10-19 Joule. Ein Photon Somit wird GLAST Gammaquellen am mit einer Energie von 1 eV hat eine Frequenz von 2,4 3 1014 Hertz und eine Wellen- Rande unseres Universums untersuchen länge von 1,2 Mikrometern. Photonen des sichtbaren Lichts haben eine Energie von und uns einen Blick in dessen Anfangs­ etwa 2 eV. phase erlauben. Da wir die physikalischen Flare: Eruptionen in der Chromosphäre der Sonne, die heißes, ionisiertes Gas bogen- Prozesse kennen, bei denen Gammaquan­ förmig nach oben schleudern und mit der Emission von hochenergetischer Strahlung ten erzeugt werden, und diese Prozesse in verknüpft sind. der Nähe von äußerst exotischen Gebilden Gammastrahlen: Elektromagnetische Strahlung mit Energien von mehr als etwa 200 stattfinden, wird man mit GLAST diese Ob­ Kiloelektronvolt (keV) und Wellenlängen kleiner als etwa 6 3 10-12 Meter. jekte studieren können. Tscherenkow-Licht: Elektromagnetische Strahlung, die entsteht, wenn Teilchen sich Dabei handelt es sich um sehr kom­ in einem Medium mit einer Geschwindigkeit bewegen, die kleiner als die Licht- pakte Himmelskörper wie Neutronenster­ geschwindigkeit im Vakuum, aber größer als die Lichtgeschwindigkeit in diesem ne und Schwarze Löcher (ihr Durchmesser Medium ist. beträgt nur etwa zehn beziehungsweise 44 Mai 2008 Sterne und Weltraum man sich also regelrecht in das Innere Kosmos. Die Astronomen hoffen, aus ihrer eines solchen gewaltigen Mahlstroms Beobachtung Hinweise auf die Entstehung hineinzoomen, und so hoffentlich die dort der ersten Sterne und Schwarzen Löcher ablaufenden Prozesse besser verstehen. zu gewinnen. Nach heutigem Verständnis Denn es ist bis heute noch nicht ganz haben diese Schwarzen Löcher die Struk­ klar, wie die Gammaquanten die kleinen turbildung im Universum stark beeinflusst Emissionsgebiete verlassen können, ohne und sind für die Entstehung von Galaxien sich durch Selbstabsorption (die Umwand­ mit verantwortlich. lung jeweils zweier Gammaquanten in ein EGRET hat 271 kosmische Quellen Elektron-Positron-Paar) gegenseitig zu ver­ entdeckt, von denen 170 noch nicht mit nichten. Vermutlich ist des Rätsels Lösung bekannten Objekten identifiziert werden in Einsteins Relativitätstheorie zu suchen. konnten. Da sie im Gammalicht intensiv Offenbar bewegen sich die Teilchen im leuchten, könnte nun mit GLAST, dessen Jet fast mit Lichtgeschwindigkeit, so dass Instrumente eine hohe Empfindlichkeit durch die Zeit- und Raumdehnung die und ein hohes Auflösungsvermögen besit­ Vorgänge der Selbstabsorption vermieden zen, ihre Identifizierung gelingen. Damit werden können. könnte entschieden werden, ob diese Ob­ jekte eine neue Art von Blazaren, Pulsaren, Wissenschaftler neue Erkenntnisse über Doppelsystemen oder gar eine völlig neue physikalische Gesetzmäßigkeiten. Denn Klasse von Objekten sind. LATs Fähigkeit, Startplatz der Delta II auf der Cape die Kollisionsenergien in den Jets sind mehr Quellen zu messen, sie besser zu Canaveral Air Force Station wesentlich größer als diejenigen, die in lokalisieren, ihr Energiespektrum über ei­ irdischen Beschleunigern jemals erreicht nen größeren Bereich zu bestimmen und werden können. Vielleicht gelingt es mit ihre veränderliche Helligkeit zu verfolgen, len aus fast lichtschnell beschleunigten dem Universum als Labor, die Natur der wird also helfen, die Natur dieser Quellen Teilchen heraus (siehe Grafik unten). subatomaren Kräfte zu enträtseln? zu entschlüsseln. NASA Vor allem vom LAT erhoffen sich die Diese emittieren dabei Gammaquanten, Wegen ihrer extremen Leuchtkraft Dies ist auch in anderem Zusammen­ die hauptsächlich in die gleiche Richtung lassen sich Blazare noch in riesigen Entfer­ hang von großer Bedeutung. So wurde von abgestrahlt werden, in der die Materiejets nungen beobachten – und somit in Zeiten, den Instrumenten SAS-2 und EGRET ein davonschießen. die in der Anfangsphase des Universums isotroper extragalaktischer diffuser Gam­ Ist der Jet, der von einem extrem mas­ liegen. Ihre Gammastrahlen sind also ge­ mastrahlenfluss oberhalb von etwa 30 sereichen Schwarzen Loch im Zentrum wissermaßen Boten aus der Frühzeit des MeV gemessen, dessen Ursprung bis heute einer aktiven Galaxie ausgeht, auf den ir­ dischen Beobachter gerichtet, so sprechen die Astronomen von einem Blazar. Ein solches Objekt erscheint besonders hell im Gammalicht, in dem ein großer Teil der gesamten Leuchtkraft abgestrahlt wird. Die Helligkeit im Gammabereich kann allerdings stark variieren; während ak­ tiver Phasen kann sie diejenige in anderen Wellenlängenbereichen um mehr als das Zehnfache übersteigen. Unter den mit dem EGRET-Teleskop entdeckten Quellen sind schätzungswei­ se 70 Blazare. Mit dem empfindlicheren LAT-Instrument auf GLAST hoffen die beteiligten Forscher, mehrere tausend dieser extremen Objekte zu finden und zu erforschen. Eine besonders interessante Entde­ ckung von EGRET war, dass die Helligkeit von Blazaren auf Zeitskalen von weniger als einem Tag stark variieren kann. Das NASA ist nur möglich, wenn die emittierende Region kleiner ist als ein Lichttag – also kleiner als die Strecke, die Licht in einem Tag zurücklegt (was 170 Astronomischen Das Zentrum einer aktiven Galaxie. Vom zentralen Schwarzen Loch werden senkrecht zur Einheiten entspricht). Mit GLAST wird Akkretionsscheibe zwei Jets abgestrahlt. www.astronomie-heute.de Mai 2008 45 aktive Galaxienkerne Pulsar solarer Flare +90° +180° –180° nicht identifizierte EGRET-Quellen –90° Große Magellansche Wolke unverstanden ist. Die einfachste Erklärung LAT für bestimmte Parameter des entspre­ und wo die Teilchen beschleunigt werden, wäre, dass es sich um die Strahlung vieler chenden theoretischen Modells eine solche welche die Gammastrahlung erzeugen. unaufgelöster Punktquellen handelt. Aber Linie messen. Das haben jedenfalls die Er­ Und wie sieht die Geometrie des Teilchen­ auch exotischere Möglichkeiten kämen in gebnisse von Simulationsrechnungen ge­ strahls aus? Diese Frage ist wichtig, denn Frage. Beispielsweise könnte es sich um zeigt, die eine starke Gammalinie bei etwa sie bestimmt, welcher Teil des Himmels den Überrest einer Strahlung handeln, 47 GeV vorhersagen (siehe Grafik unten). vom Emissionskegel überstrichen wird: die im jungen Universum bei noch unbe­ GLAST könnte also nicht nur die Frage nach Erst wenn man das weiß, lässt sich die An­ kannten hochenergetischen Prozessen ent­ dem Ursprung der diffusen Hintergrund­ zahl der Pulsare in unserer Galaxis verläss­ stand und sich noch heute als schwaches strahlung beantworten, sondern auch das lich abschätzen. Glimmen bemerkbar macht. Rätsel der Dunklen Materie lösen. Die fundamentale Frage nach dem Ur­ Zu all diesen Fragen wird GLAST wich­ tige Erkenntnisse beisteuern. Denn der Sa­ sprung dieser Strahlung lässt sich womög­ Pulsare lich mit GLAST beantworten. Denn das LAT Pulsare, schnell rotierende Neutronenster­ indem er mit seiner hohen Zeitauflösung kann mit seiner höheren Empfindlichkeit ne, waren die ersten bei Gammaenergien phasenabhängige hochaufgelöste Ener­ und einer gleichmäßigen Überdeckung des entdeckten Quellen und werden seit 30 giespektren misst. Das erlaubt dann einen Himmels den Beitrag von Punktquellen Jahren gründlich untersucht. Dennoch Vergleich mit den Vorhersagen der theo­ zur diffusen Hintergrundstrahlung von gibt es bei ihnen noch viele offene Fragen. retischen Modelle. So sollte zum Beispiel einer möglichen kosmologischen Kompo­ Beispielsweise ist noch immer unklar, wie unterschieden werden können, ob die nente trennen. Würde eine solche kosmo­ logische Komponente nachgewiesen, so tellit testet die Physik der Pulsaremission, 100 wäre das gewiss eine der herausragenden Entdeckungen von GLAST. Denn eine echte diffuse Komponente könnte vom Zerfall 80 exotischer Teilchen im jungen Universum herrühren. Ein solcher Kandidat ist das Neutralino – das leichteste supersymmet­ Elementarteilchenphysik. Es ist zugleich der aussichtsreichste Kandidat für die Dunkle Materie, die etwa zwanzig Prozent 60 Zählrate rische Teilchen des Standardmodells der 40 LAT Collaboration/SuW-Grafik aller Materie im Universum ausmacht. Die Dunkle Materie wurde postuliert, um das Rotationsverhalten von Galaxien und die Stabilität von Galaxienhaufen zu 20 erklären. Sollte das Neutralino die Dunkle Materie ausmachen, so müsste seine Dich­ te, wie Modellrechnungen zeigen, zum ga­ laktischen Zentrum hin zunehmen. Da die Neutralinos auf Grund ihrer nichtrelativis­ 0 30 40 50 60 70 Energie in Gigaelektronvolt tischen Geschwindigkeiten zerstrahlen und dabei Gammalinien mit Energien im GeV- Sollte die Dunkle Materie aus exotischen Teilchen bestehen, könnte GLAST Hinweise darauf Bereich emittieren würden, müsste das finden. Ein Neutralino beispielsweise sollte sich durch eine Emissionslinie (blau) verraten. 46 Mai 2008 Sterne und Weltraum Die bisher umfassendste Karte von hochenergetischen Gammaquellen am Himmel EGRET Collaboration (links, Mitte)/LAT Collaboration (rechts) erstellte das Teleskop EGRET an Bord des Satelliten CGRO (ganz links). Ein Auge, das diese Gammaquellen sehen könnte, würde den Himmel etwa wie im mittleren Bild gezeigt wahrnehmen. Das rechte Bild, eine Computersimulation, verdeutlicht, wie GLAST mit seiner besseren Energie- und Ortsauflösung den hochenergetischen Gammahimmel beobachten wird. +90° Gammastrahlung bevorzugt in der Magne­ tosphäre oder in der Nähe der Polkappen des Neutronensterns erzeugt wird, denn die Spektren der beiden Fälle sollten sich bei Energien von mehr als 10 GeV deutlich unterscheiden. Solare Flares +180° –180° NASA, MSFC/SuW-Grafik Auch die Strahlung der Sonne gehört zu den Forschungsobjekten von GLAST. Seit Anfang der 1970er Jahre ist bekannt, dass solare Flares Gammastrahlung im MeVBereich emittieren. Die Strahlung stammt –90° von Teilchen, die bei einer solchen Erup­ tion beschleunigt werden und dann mit den Atomkernen der Sonnenatmosphäre 10-18 10-17 10-16 Bestrahlung, 50–300 keV 10-15 [J m–2] in Wechselwirkung treten. Die angeregten Atomkerne emittieren beim Übergang zu­ Diese Himmelskarte in galaktischen Koordinaten enthält die Positionen der 2704 Gam- rück in den Grundzustand diskrete Gam­ mastrahlenausbrüche, die das Burst and Transient Source Experiment (BATSE) an Bord des maquanten. Compton Gamma Ray Observatory (CGRO) während seiner neunjährigen Missionsdauer Doch Bremsstrahlung und der Zerfall von Pi-Mesonen erzeugen auch ein konti­ beobachtete. Ihre gleichmäßige Verteilung am Himmel zeigt, dass die Bursts kosmischen Ursprungs sind und nicht in unserem Milchstraßensystem entstehen. nuierliches Spektrum, das sich bis in den GeV-Energiebereich erstreckt. EGRET hat und der große dynamische Bereich des fast das Maximum erreichen. Man darf 1991 noch mehrere Stunden nach Aus­ LAT ermöglicht zudem ein deutlich besse­ also erwarten, dass GLAST die Flarephysik bruch eines sehr intensiven Flares dessen res Studium der Flarespektren und ihrer einen großen Schritt weiter nach vorn Gammastrahlung bis zu 2 GeV registriert. zeitlichen Entwicklung. Die genaue Mes­ bringen wird. Bis heute ist unklar, wie es zu dieser lang sung der spektralen Form wird ergeben, ob anhaltenden Emission kommen konnte. die Gammastrahlung durch beschleunigte Gammastrahlenbursts Werden die Teilchen in der impulsiven Elektronen oder Protonen erzeugt wird. Gammastrahlenausbrüche (auch Gam­ Phase beschleunigt und dann in »magne­ Für die Vermessung solarer Flares eig­ mablitze oder nach dem englischen tischen Flaschen« gespeichert, oder wer­ net sich auch der GBM mit seinem großen gamma-ray bursts kurz GRBs genannt) den sie kontinuierlich über den gesamten Gesichtsfeld. Er wird wesentlich mehr sind kurzzeitige, einige millisekunden- Zeitraum beschleunigt? Das sind die Fra­ Flares als das LAT beobachten und gerade bis minutenlange Strahlungsausbrüche gen, die uns Astrophysiker interessieren. den Energiebereich von 10 keV bis 30 MeV von Quellen, die – wie wir heute wissen GLAST wird auf verschiedene Weise zur abdecken, in dem die Emissionslinien – in Entfernungen von einigen Milliarden Beantwortung dieser Fragen beitragen. der angeregten Atomkerne auftreten. Da Lichtjahren stehen. Seit mehr als 30 Jahren Das LAT kann die Emissionsregion eines GLAST während des Minimums des elfjäh­ gehören sie zu einem der großen Rätsel der starken Flares mit hoher Auflösung ab­ rigen solaren Aktivitätszyklus startet, wird Astrophysik (siehe SuW 12/2007, S. 42 ff., bilden. Damit lässt sich feststellen, ob die die Zahl der beobachtbaren Flares von Jahr und den Beitrag auf S. 30 in diesem Heft). Beschleunigung punktförmig oder ausge­ zu Jahr zunehmen und nach fünf Jahren Im Zeitraum ihrer Ausbrüche gehören dehnt erfolgt. Die hohe Empfindlichkeit (der geplanten Lebensdauer von GLAST) die GRBs zu den hellsten Gammaquellen www.astronomie-heute.de Mai 2008 47 maenergien, im GeV-Bereich, können sie hochkatapultiert. Die Beobachtungen der bis zu zehntausendmal heller sein als die zeitlichen Entwicklung der spektralen Ener­ hellsten aktiven Galaxienkerne. Die Posi­ gieverteilung über den Energiebereich, der tionen der Gammablitze am Himmel sind mit GLAST gemessen werden kann, wird gleichmäßig verteilt, was einen Ursprung eine Entscheidung zwischen den verschie­ innerhalb unseres Milchstraßensystems denen Emissionsmechanismen erlauben. 100 GBM LAT 1 0,01 10-4 ? 0,01 1 100 104 ausschließt (siehe Grafik auf S. 47 unten). Die kurze Totzeit des LAT wird erst­ Ein GRB wiederholt sich nicht, wie es bei mals das Studium des Zeitverhaltens von anderen veränderlichen Erscheinungen Gammablitzen bei diesen hohen Energien der Fall sein kann. Daher werden Gam­ ermöglichen. Die Beobachtungen der spek­ Die Instrumente LAT und GBM überdecken mablitze häufiger durch Instrumente mit tralen Entwicklung und der Energieab­ zusammen etwa sieben Größenordnungen großem Gesichtsfeld, wie dem LAT und hängigkeit der GRB-Pulsstrukturen haben in der Energie der Gammaquanten. Damit dem GBM, beobachtet. So erwarten wir mit gezeigt, wie äußerst wichtig diese sind, um lassen sich die Spektren von Gammastrah- dem GBM die Entdeckung von etwa 200 zwischen internen und externen Stoßmo­ lenausbrüchen in einem weiten Bereich Gammablitzen pro Jahr. dellen unterscheiden zu können. Stöße erfassen. Photonenenergie [MeV] Der GBM wird zu jedem mit dem LAT sind eine effiziente Methode, um Teilchen entdeckten Gammablitz die spektrale In­ auf hohe Energien zu beschleunigen. Dabei formation in einem breiten Energieband erzeugen die internen Stöße – schnellere Giselher Lichti ist mit hoher Zeitauflösung liefern. Zusam­ Teilchen innerhalb der explodierenden Wissenschaftler am Max- men mit dem LAT werden sogar sieben Quelle laufen auf langsamere auf – die Planck-Institut für extrater- Energiedekaden abgedeckt (siehe Grafik Gammaquanten der prompten Emission, restrische Physik in Garching oben rechts). womit sich auch die irregulären Lichtkur­ und arbeitet seit mehr als Mit Hilfe der vom GBM gemessenen ven von GRBs erklären lassen. Die externen 30 Jahren in der Gamma- Spektren wird es erstmals möglich sein, Stöße, wo die Teilchen mit dem Medium astronomie. Er war bei den einen der der Umgebung in Wechselwirkung tre­ großen Satellitenmissionen COS-B, CGRO und hoch­ener­getischen und der niederenerge­ ten, erzeugen sehr wahrscheinlich das Integral beteiligt und ist Co-Principal Investi- tischen Gammaemission herzustellen – ein Nachleuchten bei größeren Wellenlängen gator des GBM. entscheidender Fortschritt im Hinblick auf (im Röntgenbereich und im Optischen). Andreas von Kienlin die Entscheidung zwischen verschiedenen Die Messungen von GRB-Lichtkurven bei ist Wissenschaftler in der theoretischen Modellen. verschiedenen Energien, wie sie GLAST Gammaastronomie-Gruppe durchführen kann, werden Licht auf diese am Max-Planck-Institut für Beschleunigungsprozesse werfen. extraterrestrische Physik in Zusammenhang Hochenergetische zwischen Gammaemission hatte EGRET in nur wenigen Fällen beob­ achtet. Speziell im Fall von GRB 940217 war Garching. Er ist Co-Investi- erstaunlich, dass dieses hochenergetische Instrumentelle Lücke geschlossen Nachleuchten anderthalb Stunden anhielt. Es konnte hier nur ein exemplarischer nitors (GBM) und des Spektrometers SPI der Es ist bis heute ein Rätsel, wie es zu einer Überblick über die Wissenschaft gegeben Gammaastronomie-Mission Integral der ESA. solch langen Emission kommen kann. werden, die man sich von den Beobach­ Unklar ist auch, wie diese Gammaquanten tungen mit GLAST erhofft. Einen wichtigen produziert werden und vor allem, wie sie Aspekt wollen wir aber noch erwähnen: ihrem Entstehungsgebiet entkommen kön­ GLAST wird eines der großen Teleskope des nen, ohne vorher absorbiert zu werden. Nur nächsten Jahrzehnts sein, und es wird als jene Gammaquanten können entweichen, einziges die Lücke schließen, die zwischen die sich parallel zu den Röntgenphotonen den Energiebereichen klafft, die mit den bewegen, wie es für ein sich mit relativis­ bodengebundenen Tscherenkow-Telesko­ tischer Geschwindigkeit bewegendes Emis­ pen auf der einen Seite und den weltraum­ sionsgebiet der Fall ist. Die Beobachtungen gestützten Röntgenteleskopen auf der mit EGRET zeigen, dass dafür extrem hohe anderen Seite erforscht werden können. gator des GLAST Burst Mo- Literaturhinweise Atwood, W. B. et al.: Ein Fenster zum heißen Universum. In: Spektrum der Wissenschaft 4/2008, S. 34–41. De Angelis, A. und Peruzzo, L.: Das Gammastrahlen-Teleskop MAGIC. In: Sterne und Weltraum 8/2007, S. 26–36. Kann, D. A. et al: Kosmische Gammastrahlenausbrüche. Neue Erkenntnisse Geschwindigkeiten erforderlich sind, die Damit wird es erstmals seit CGRO wie­ höchstens um wenige tausendstel Prozent der möglich sein, Energiespektren von von der Lichtgeschwindigkeit abweichen. Quellen über das gesamte elektromagne­ Weltraum 12/2007, S. 42–50. Für die Erzeugung von Gammastrah­ tische Spektrum mit hoher Genauigkeit Morrison, P.: On gamma-ray astronomy. lung durch Elektronen und Protonen zu vermessen. Wissenschaftler des GLAST- In: Il Nuovo Cimento, 7, 859–864 (1958). kommen mehrere Prozesse in Frage, zum Teams bereiten schon seit einiger Zeit die Völk, H. J.: Neue Ergebnisse der Gamma- Beispiel die direkte Erzeugung über die Koordination solcher Beobachtungen vor. astronomie. In: Sterne und Weltraum Ablenkung der geladenen Teilchen in Man darf hoffen, dass mit diesen gemein­ einem starken Magnetfeld oder aber über samen Anstrengungen unsere Kenntnisse 8/2006, S. 36–45. Weblinks zum Thema siehe unter www. astronomie-heute.de/artikel/948901 inverse Comptonstreuung, wo ein relati­ über das extreme Universum enorm er­ vistisches Teilchen mit einem Photon zu­ weitert werden. 48 Mai 2008 und neue Rätsel in der Ära des Gammasatelliten Swift. In: Sterne und Sterne und Weltraum GBM Collaboration/SuW-Grafik sammenstößt und es zu Gammaenergien relativer Strahlungsfluss am Himmel, und speziell bei hohen Gam­ www.astronomie-heute.de Mai 2008 49