PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik

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PHY102 Praktikum
für das Nebenfach Physik
Frühjahrsemester 2016
Physik-Institut der Universität Zürich
ii
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
Inhaltsverzeichnis
I
II
Einführung
1
Versuchsanleitungen
7
0. Einführungsversuch (EV)
9
1. Stösse (St)
15
2. γ-Absorption (Ab)
23
3. Innere Reibung von Flüssigkeiten (IR1)
35
4. Optische Abbildung durch Linsen (DL)
43
5. Kennlinien elektrischer Leiter (KL)
51
6. Polarisation (P)
61
7. Interferenzen und Spektrometer (InSp)
71
8. Wechselströme (WS)
85
iii
iv
INHALTSVERZEICHNIS
III
Fehlerrechnung
IV
Musterbericht
V
VI
Einheiten und Konstanten
Testatzettel
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
93
111
121
129
Teil I
Einführung
1
Einführung
Allgemeines
Das hier beschriebene Grundlagenraktikum PHY102 ist ein Bestandteil des Nebenfachs Physik (30
oder 60 ECTS Punkte). Das Physik-Praktikum soll Ihnen Erfahrungen vermitteln im Umgang mit
klassischen und modernen Messeinrichtungen, im Planen, effizienten Durchführen und Auswerten
von Experimenten und im Verfassen von prägnanten zusammenfassenden Berichten.
Ein wichtiges Ziel des Praktikums ist es auch, Sie mit der Behandlung von Messfehlern und der
Fehlerrechnung vertraut zu machen. Jede Messung ist fehlerbehaftet, und die Angabe eines Messresultats ohne die gleichzeitige Angabe der Messgenauigkeit ist vollkommen sinnlos. Zufällige Fehler,
wie sie z.B. durch statistische Schwankungen einer Zählrate enstehen, können im allgemeinen recht
zuverlässig abgeschätzt werden, indem man eine Messung unter identischen Bedingungen mehrmals wiederholt und die erzielten Ergebnisse miteinander vergleicht. Systematische Fehler enstehen
durch eine unvollständige Kenntnis des Messaufbaus oder durch schlecht geeichte Messinstrumente
(z.B. eine zu schnell laufende Uhr). Sie sind im allgemeinen deutlich schwieriger zu erkennen und
abzuschätzen. Es benötigt viel experimentelle Erfahrung, um allfällige systematische Fehlerquellen
zu identifizieren, sie wenn möglich zu eliminieren, und falls dies nicht möglich sein sollte, ihren
Einfluss auf die Messgenauigkeit zu bestimmen.
Die theoretischen Grundlagen der Fehlerrechnung werden in einer Vorlesung behandelt. Eine kurze
Einführung in wesentliche Konzepte der Fehlerrechnung sowie eine kleine Sammlung relevanter
Formeln finden Sie im Anhang zu dieser Praktikumsanleitung. Als eine erste und ganz einfache
praktische Übung im Umgang mit Messfehlern und Fehlerrechnung dient der Einführungsversuch
(EV).
Versuchen Sie wo immer möglich, die zu erwartenden Messergebnisse mit gesundem Menschenverstand abzuschätzen. Dies wird Ihnen helfen, grobe Fehler frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren.
Organisatorisches
Der Praktikumsbetrieb beginnt mit der Vorlesung zur Fehlerrechnung in der zweiten Semesterwoche. Danach folgt mit dem einfachen Einführungsversuch (Versuchsanleitung EV) eine praktische
Arbeit zur Fehlerrechnung. Zu diesem Versuch brauchen Sie keinen Bericht anzufertigen.
Im weiteren Verlauf des Semesters werden Sie in der Regel wöchentlich einen weiteren Versuch
3
4
ausführen. Zu jedem dieser Versuche muss jeder von Ihnen einen kurzen, eigenständigen Versuchsbericht anfertigen (Details siehe unten). Zusätzlich zum Einführungsversuch müssen Sie acht Versuche
als Teil des Leistungsnachweises für das Modul PHY102 durchführen und erfolgreich abschliessen.
Zur Durchführung jedes Versuchs stehen Ihnen 3 Stunden zur Verfügung. Sie werden die Versuche
normalerweise in Zweiergruppen durchführen und dabei von einem Praktikumsassistenten betreut.
Dieser ist während der gesamten Dauer des Versuchs anwesend und steht Ihnen für Fragen und
Diskussionen zur Verfügung.
Zur Anfertigung des Versuchsberichts haben Sie eine Woche Zeit. Der Bericht wird beim betreuenden Assistenten abgegeben und von diesem korrigiert. Etwa eine Woche später wird Ihnen der
Bericht zur Überarbeitung zurückgegeben bzw. akzeptiert.
Die Praktikumsräume befinden sich im Bau 11, Stockwerk G, einige Versuche sind in Stockwerk
E. Die Reihenfolge der Versuche wird am Anfang des Semesters festgelegt und ein entsprechender
Plan am Anschlagbrett vor den Praktikumsräumen (bei Büro 11-G-06) angeschlagen.
Vorbereitung
Machen Sie sich VOR dem Versuchsnachmittag anhand der Praktikumsanleitung mit dem theoretischen Hintergrund und dem Ziel des Versuches sowie mit den wesentlichen Schritten des Versuchsablaufs vertraut.
Eine gründliche Vorbereitung an Hand dieser Praktikumsanleitung hilft Ihnen, die zur Durchführung
der Versuche zur Verfügung stehende Zeit optimal zu nutzen. Die Vorlesungsskripten stellen dabei
eine wertvolle Ergänzung dar, vor allem wenn der zum Versuch gehörende Stoff in der Vorlesung noch nicht behandelt wurde. Dies lässt sich leider nicht vermeiden, da aus organisatorischen
Gründen (Anzahl Versuchsaufbauten, räumliche und finanzielle Einschränkungen) nicht alle Versuche für alle Studierenden gleichzeitig aufgebaut werden können.
Notieren Sie allfällige Unklarheiten und diskutieren Sie diese mit dem Praktikumsassistenten. Spezielle Physikbücher sind zur Vorbereitung der Praktikumsversuche nicht erforderlich.
Die folgenden Materialien sind von Ihnen mitzubringen:
• Die Praktikumsanleitung.
• Ein A4–Heft oder einen Ordner, in dem Sie die Messprotokolle und Versuchberichte eintragen bzw. ablegen. In dem Heft muss genügend Platz zum Aufzeichnen von Tabellen und
graphischen Darstellungen vorhanden sein.
• Ein einfacher Taschenrechner wird für eine vorläufige Auswertung der Versuche benötigt.
• Ihr Testatzettel, in welchem der Praktikumsassistent die erfolgreiche Ausführung des Versuchs
testiert (der Testatzettel befindet sich auf der letzten Seite dieser Anleitung).
Millimeterpapier wird, falls benötigt, vom Praktikumsassistenten verteilt.
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5
Durchführung des Versuchs
Am Praktikumsnachmittag sollen Sie innerhalb der drei zur Verfügung stehenden Stunden den
Versuch durchführen und eine vorläufige Auswertung vornehmen.
Bevor Sie mit der Versuchsdurchführung beginnen, gibt der Praktikumsassistent eine kurze Einführung in die Funktionsweise und Bedienung der verwendeten Messgeräte. Aufgepasst:
• Die Versuchsaufbauten, insbesondere elektrische Schaltungen, müssen vor der Inbetriebnahme
vom Assistenten kontrolliert werden.
• Gehen Sie sorgfältig mit den zum Teil teuren Geräten um. Verursachen Sie grob fahrlässig
einen Schaden, können Sie verpflichtet werden, einen Beitrag zu den Reparaturkosten zu
leisten.
Führen Sie dann den Versuch gemäss der Versuchsanleitung aus. Stellen Sie alle genommenen
Messwerte sowie allfällige am Versuchsplatz angegebene zusätzliche Grössen tabellarisch in einem
Messprotokoll zusammen, welches Sie direkt in das mitgebrachte Heft schreiben. Ein während der
Messung sauber geführtes Messprotokoll hilft Ihnen später beim Abfassen des Berichtes genau zu
rekonstruieren, was Sie unter welchen Bedingungen gemessen haben. Jeder muss eine eigene Kopie
des Messprotokols besitzen!
Führen Sie schon während des Versuchs oder unmittelbar danach eine provisorische Auswertung
durch, inklusive entsprechender grafischer Darstellungen. Dies gibt Ihnen die Möglichkeit, eventuell
bei der Auswertung auftretende Fragen direkt mit dem Assistenten zu diskutieren sowie allfällige
grobe Fehler zu erkennen und noch am Versuchsnachmittag zu korrigieren.
Um sicher zu stellen, dass Sie alle für das Erstellen des Versuchsberichts notwendigen Daten aufgenommen haben und dass bei der Durchführung des Versuchs keine groben Fehler aufgetreten
sind, muss das Messprotokoll mit den Namen der beteiligten Studierenden, dem Datum, den an
den Messinstrumenten abgelesenen Messwerten (Einheiten! ), den am Versuchsplatz angegebenen
Grössen, Skizzen, Bemerkungen, vorläufiger Auswertung, Fehlerabschätzung etc. nach Abschluss
des Experimentes vom betreuenden Assistenten kontrolliert und gegengezeichnet werden.
Versuchsbericht
Das Erstellen eines guten Versuchsberichts ist ein wesentlicher Teil der wissenschaftlichen Ausbildung! Der Bericht soll so kurz wie möglich und so ausführlich wie nötig abgefasst werden. Häufig
wird er auf Englisch zu schreiben sein. Gestalten Sie den Bericht so, dass Sie selbst auch nach einem
Jahr noch auf den ersten Blick erkennen können, worum es sich bei dem Versuch gehandelt hat
und welches die wesentlichen Resultate waren. Sie werden dabei eine gewisse Routine entwickeln,
die es Ihnen schliesslich erlauben sollte, einen Bericht in etwa drei bis vier Stunden zu erstellen.
Im Anhang zu dieser Anleitung finden Sie einen kommentierten “Musterbericht”, anhand dessen
Sie die wichtigsten Merkmale eines guten Berichtes erkennen können.
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Eine Woche nach der Durchführung des Versuchs geben Sie den Versuchsbericht zusammen mit
dem Messprotokoll bei dem Assistenten ab, der den Versuch betreut hat. Ist der betreffende Assistent nicht anwesend, können Sie die Berichte in einen für diesen Zweck zur Verfügung stehenden
Briefkasten im Praktikumsgebäude 11-G einwerfen. Notieren Sie in jedem Fall den Namen des Assistenten und den Ihren deutlich auf dem Titelblatt. Der Assistent hat das Recht, die Annahme
nicht fristgemäss abgegebener Berichte zu verweigern.
In der Regel wird der Bericht von dem Assistenten korrigiert, der den Versuch auch betreut hat. Ist
der Bericht in Ordnung, wird der Assistent Ihnen das Testat für den Versuch erteilen, ansonsten
kann er das Testat verweigern und eine Nachbesserung des Berichts verlangen. Falls der Bericht auch
in der nachgebesserten Version nicht akzeptabel ist oder wenn er nicht fristgerecht abgegeben wird,
hat der Assistent das Recht, den Bericht zurückweisen und das Testat für den Versuch verweigern.
Testat
Ein Testatzettel ist auf der letzten Seite dieser Praktikumsanleitung eingeheftet. Auf diesem Zettel
wird der Assistent Ihnen nach erfolgter Kontrolle des Messprotokolls zunächst die erfolgreiche
Durchführung des Versuchs testieren. Sobald der Versuchsbericht vollständig und fehlerlos ist und
akzeptiert wird, gibt er Ihnen dann das endgültige Testat für den Versuch.
• Bewahren Sie den ausgefüllten Testatzettel bis zum Ende des Semesters sorgfältigst auf. Er
dient Ihrer eigenen Kontrolle und bei allfälligen Rückfragen.
Fragen ?
Für allfällige Fragen zu den Versuchen stehen Ihnen die jeweiligen Assistenten an den Praktikumsnachmittagen zur Verfügung.
Des weiteren stehen Ihnen der Vorlesungsdozent sowie die für das Praktikum Verantwortlichen nach
vorheriger Anmeldung gern zur Beantwortung von Fragen, für Anliegen und für die Diskussion von
Wünschen und Verbesserungsvorschlägen zur Verfügung. Für Kontaktinformationen konsultieren
Sie bitte das Vorlesungsverzeichnis oder die Webseite zum Praktikum.
Abwesenheit
Sind sie krank oder müssen Sie einen Versuch aus anderen wichtigen Gründen verpassen, so informieren Sie die Praktikumsleiter bitte so frühzeitig wie möglich. Es wird dann ein Ersatztermin
vereinbart.
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Teil II
Versuchsanleitungen
7
EV
0. Einführungsversuch
0.1
Einleitung
Am Beispiel eines einfachen Experiments zur Bestimmung der Erdbeschleunigung g mit Hilfe eines
mathematischen Pendels soll die Durchführung, das Protokollieren und das Auswerten eines Versuches demonstriert und geübt werden. Dazu gehört eine Diskussion verschiedener Messmethoden
und der damit verknüpften Fehler. Stichworte zu diesem Versuch sind:
• die Genauigkeit von Messgeräten und die Ablesegenauigkeit,
• das Protokollieren und Auswerten von Messresultaten,
• systematische und zufällige Fehler,
• das Histogrammieren der Resultate einer Messung, und
• die Bestimmung des Mittelwerts und des Fehlers einer Messung.
0.2
Theoretische Grundlagen
l
FFa
ϕ
m
Ruhe
G
Abbildung 1: Mathematisches Pendel
Eine Masse m hängt an einem Faden, dessen Länge l
wesentlich grösser ist als der Durchmesser von m. Wir
nehmen an, die Schwingungsbewegung verlaufe reibungsfrei. Für eine punktförmige Masse ist bei kleinen
Schwingungsamplituden die Schwingungsdauer T unabhängig von der Masse und der Amplitude; sie hängt
nur noch von der Pendellänge und der Erdbeschleunigung ab (vergl. den Anhang zu diesem Versuch):
s
l
4 π2 l
oder
g =
(1)
T = 2π
g
T2
Die Bestimmung von g lässt sich also auf die Messung der Länge und der Schwingungsdauer des
Pendels zurückführen.
9
10
0. Einführungsversuch
0.3
Experimenteller Teil
0.3.1
Aufgabenstellung
• Bestimmung der Erdbeschleunigung g aus Länge und Schwingungsdauer eines mathematischen Pendels,
• Diskussion verschiedener Zeitmessmethoden,
• Diskussion der Fehlerfortpflanzung und Bestimmung des Fehlers von g.
0.3.2
Messungen
• Messen Sie die Pendellänge mit dem Massstab und schätzen Sie den Fehler der Messung.
• Zeitmessung: (vergl. auch den Abschnitt Fehlerrechnung) Führen Sie für konstante Pendellänge und kleine Amplituden (ϕ = 5◦ − 10◦ ; im Bogenmass ϕ = 0.09 − 0.18) die folgenden
Zeitmessungen durch:
(a) Messen Sie mit einer gewöhnlichen Stoppuhr mehrmals die Zeit T für eine einzelne
Schwingung und berechnen Sie den Mittelwert T der Messungen.
(b) Messen Sie mit einer elektronischen Uhr mehrmals die Zeit T für eine einzelne Schwingung und berechnen Sie den Mittelwert der Messungen.
(c) Messen Sie mit einer gewöhnlichen Stoppuhr mehrmals die Zeit für fünf Schwingungen.
Berechnen Sie daraus T und T .
(d) Messen Sie mit einer elektronischen Uhr mehrmals die Zeit für fünf Schwingungen. Berechnen Sie daraus T und T .
• Tragen Sie die Ergebnisse in die Tabellen in Abschnitt 0.3.5 ein.
• Diskutieren Sie die genannten Zeitmessungen unter folgenden Gesichtspunkten:
– Bei welcher Methode ist es sinnvoll, den statistischen Fehler von T zu berechnen? Bei
welcher Methode ist es sinnvoll, den Fehler zu schätzen? Begründen Sie die Antworten.
– Es ist üblich, eine Schwingungsdauer nach Methode (c) oder (d) zu messen. Warum sind
diese Methoden den Methoden (a) und (b) vorzuziehen ?
0.3.3
Auswertung
• Berechnen Sie g aus dem Mittelwert von T und der Pendellänge l. Nach Gleichung (1) gilt:
g=
4 π2 l
T
2
(2)
• Berechnen Sie den Messfehler auf g aus den relativen Fehlern auf T und l. Verwenden Sie
dabei die relevanten Gleichungen zur Fehlerfortpflanzung aus dem Abschnitt Fehlerrechnung.
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0.3. EXPERIMENTELLER TEIL
11
√
• Überprüfen von T ∝ l: Es stehen zwei Pendel verschiedener Längen l zur Verfügung. Messen
√
Sie die Schwingungsdauer dieser Pendel. Stellen Sie T als Funktion von l graphisch dar. Auf
was für einer Kurve sollten die Messpunkte liegen ?
• Am Versuchsplatz liegen Tabellen mit je 50 Messwerten aus. Tragen Sie die Messwerte in
in Histogramm ein, d.h. die Häufigkeit der Messwerte als Funktion der Messwerte. Hierbei
ist es wichtig, die Breite der Messwertintervalle (englisch binning) so zu wählen, dass die
Verteilungsfunktion zu erkennen ist: ein zu kleines Intervall führt zu einer flachen Kurve, ein zu
breites schliesst einen Grossteil der Messwerte ein, sodass die gesamte Verteilung in zu wenigen
Balken repräsentiert wird. Auf der Rückseite der Tabelle finden Sie hierzu Beispiele. Als
Daumenregel können Sie versuchen, dass Intervall so zu wählen, dass zwei bis drei Intervalle
innerhalb der Standardabweichung liegen.
0.3.4
Zusatzaufgabe (falls die Zeit reicht)
• Amplitudenabhängigkeit der Schwingungsdauer:
– Überlegen Sie, welche Uhr Sie verwenden sollten, um die kleinen Unterschiede der Schwingungsdauer bei verschiedenen Amplituden zu messen.
– Messen Sie nun die Schwingungsdauer bei drei verschiedenen Amplituden (Auslenkungen
aus der Ruhelage).
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0.3.5
0. Einführungsversuch
Messprotokoll
Bestimmung von g
Pendellänge: l =
Fehler: ml =
Zeitmessungen für eine Schwingung:
Stoppuhr T (s)
el. Uhr T (s)
1.
2.
3.
4.
5.
6.
T =
mT
rT =
mT
T
Zeitmessung für fünf Schwingungen:
Stoppuhr 5T (s)
Stoppuhr T (s)
el. Uhr 5T (s)
el. Uhr T (s)
1.
2.
3.
T =
XXX
XXX
mT
XXX
XXX
rT
XXX
XXX
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0.3. EXPERIMENTELLER TEIL
13
Längenabhängigkeit von T
Länge l (m)
5T (s)
T (s)
1.
.
.
2.
.
.
3.
.
.
4.
.
.
Amplitudenabhängigkeit von T
Amplitude
5T (s)
T (s)
1.
.
.
2.
.
.
3.
.
.
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0. Einführungsversuch
0.4
Anhang
l
m
Ruhe
FFa
ϕ
Gt
tangential
Gn
normal
Abbildung 2: Mathematisches Pendel
Die Masse m hängt an einem Faden, dessen Länge
l wesentlich grösser ist als der Durchmesser von
m. Die Masse kann deshalb als Massepunkt betrachtet werden. Ausserdem sei angenommen, dass
die Bewegung reibungsfrei verläuft. Als Koordinate wird zweckmässigerweise der Auslenkungswinkel ϕ(t) gewählt. Die Bewegungsgleichung m~a =
~ wird in eine Normal- und eine TangentiF~F a + G
alkomponente zerlegt:
d2 ϕ
tangential : ml 2 = −mg sin ϕ
(3)
dt
2
dϕ
normal : ml
= FFa − mg cos ϕ
dt
Die beiden Gleichungen enthalten die unbekannte Fadenkraft FF a (t) und den zu bestimmenden
Auslenkwinkel ϕ(t). Letzteren erhält man aus der Gleichung (3). Die Gleichung lässt sich aber in
dieser Form nicht elementar lösen. Wir betrachten deshalb nur kleine Winkel (ϕ << π/2). Dann
gilt näherungsweise sin ϕ ≈ ϕ:
ml
d2 ϕ
= −mg ϕ
dt2
d2 ϕ g
+ ϕ = 0
dt2
l
oder
(4)
Da man aus Erfahrung weiss, dass die Pendelbewegung periodisch ist, wählt man folgenden Lösungsansatz:
ϕ(t) = ϕ0 cos(ωt + δ)
ϕ0 =
Amplitude
ω = 2πν = 2π/T = Kreisfrequenz
δ = Phasenkonstante
(5)
ϕ0 und δ hängen von den Anfangsbedingungen ab, ω muss so bestimmt werden, dass der Lösungsansatz Gleichung (4) erfüllt. Zweimaliges Differenzieren von Gleichung (5) ergibt:
d2 ϕ
= −ϕ0 ω 2 cos(ωt + δ)
dt2
(6)
und durch Einsetzen in Gleichung (4) folgt:
g
−ϕ0 ω cos(ωt + δ) + ϕ0 cos(ωt + δ) = 0
l
2
r
⇒
ω =
g
2π
=
l
T
(7)
Die Schwingungsdauer T des Pendels ist für kleine Schwingungsamplituden also unabhängig von
der Masse und der Amplitude. Für grössere Amplituden ist die Bewegung zwar noch periodisch,
aber nicht mehr harmonisch; die Schwingungsdauer wächst dann mit zunehmender Amplitude.
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St
1. Stösse
1.1
Einleitung
Stösse kommen überall dort vor, wo zwei oder mehrere Körper kurzzeitig in Wechselwirkung geraten, so beim Aufprall eines Balls an einer Wand, bei einem Autounfall, bei Absprüngen, Landungen,
usw. Bei allen Stössen wird Energie und Impuls, häufig auch Drehimpuls, ausgetauscht. Viele physikalische, chemische und wohl auch biologische Vorgänge beruhen auf Stössen:
• Stösse zwischen den Atomen führen zu thermischen Gleichgewichtszuständen in Gasen, Flüssigkeiten und Festkörpern.
• Der Wärmeaustausch zwischen zwei Körpern ist die Folge von Stössen ihrer Atome entlang
der Berührungsfläche.
• Stösse zwischen Molekülen führen zu chemischen Reaktionen.
• Bei der Absorption von Licht stossen Lichtquanten mit atomaren Gebilden zusammen.
• Die ionisierende Wirkung rascher, geladener Teilchen (Elektronen, Protonen, α -Teilchen, π
-Mesonen) beruht auf Stossprozessen.
• Radioaktive Isotope können durch Stösse zwischen geladenen Teilchen oder zwischen Neutronen und Atomkernen erzeugt werden (siehe Versuch Ra).
In diesem Versuch werden einige wesentliche Aspekte von Stössen am Beispiel des Sprungs auf eine
Platte untersucht (Abbildung 1.1). Stichworte zu diesem Versuch sind:
• “Kraftstoss”
• Stossdauer und die entsprechenden Kräfte
• harte und weiche Sprünge auf eine Platte
1.2
Theoretischer Teil
Beim Stoss zwischen zwei Massen m1 und m2 treten zeitabhängige Kräfte F~ (t) zwischen den beiden
Stosspartnern auf, die zu einer Änderung der Einzelimpulse p~i = mi~vi der beiden Stosspartnern
15
16
1. Stösse
m1
v1
m1 m2
m2
v2
F2
Vor dem Stoss
Einzelimpulse:
p~1 = m1~v1
p~2 = m2~v2
1(t)
v1́
F1
m2
m1
v2́
2(t)
Während des Stosses
Impulsänderungen: ∆~
p1 , ∆~
p2
Impulserhaltung: ∆(~
p1 + p~2 ) = 0
Kraft auf Kugel 1: F~2→1 (t)
Kraft auf Kugel 2: F~1→2 (t)
3. Newtonsches Prinzip:
F~1→2 = −F~2→1
Nach dem Stoss
Einzelimpulse:
p~10 = m1~v10
p~20 = m2~v20
Abbildung 1.1: Einfacher Stossprozess zweier Kugeln.
führen (aus dem Impulserhaltungssatz folgt aber, dass sich der Gesamtimpuls p~tot = p~1 + p~2 nicht
ändert, sofern bei dem Stoss keine äusseren Kräfte wirken).
In der Regel kennt man den genauen zeitlichen Verlauf der Kraft F~ (t) zwischen den beiden Stosspartnern nicht. Man kann aber davon ausgehen, dass diese Kraft nur während einer endlichen Zeit
τ , der Stossdauer, wirkt.
Die Impulsänderung ist dann durch den sogenannten “Kraftstoss” gegeben:
Z τ
∆~
p =
F~ (t) dt
(1.1)
Kraft Fz (t)
[N]
0
Nimmt man an, dass der Stoss parallel zur
z-Achse des gewählten Koordinatensystems
erfolgt, so vereinfacht sich Gleichung (1.1) zu
Z τ
∆pz =
Fz (t) dt
(1.2)
Mittlere
Kraft Fz (t)
[N]
0
0
τ
Stossdauer
t Zeit t
[s]
0
Die Impulsänderung des Körpers, auf den
während des Stosses die Kraft Fz (t) wirkt,
ist also gleich der Fläche unter der Kurve
Fz (t) (siehe Abbildung 1.2).
Abbildung 1.2: Zeitlicher Verlauf eines Kraftstosses in z-Richtung.
Die mittlere Kraft während des Stosses ist
Fz =
1
τ
Z
τ
Fz (t) dt
(1.3)
0
Die Rechteckfläche F̄z · τ unter der mittleren Kraft ist also gleich der Fläche unter der Kurve Fz (t)
und damit gleich der Impulsänderung des Stosspartners.
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1.2. THEORETISCHER TEIL
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Sprung auf eine Platte
Ein Sprung aus der Höhe z0 auf eine Platte lässt sich in zwei Schritte zerlegen:
1. Freier Fall, bis die Füsse die Platte berühren.
2. Abbremsen, d.h. Stoss zwischen Platte und Springer.
Aus der Energieerhaltung während des freien Falls erhält man die Geschwindigkeit v0 unmittelbar
vor der Landung
p
v0 = 2g (z0 − z1 )
(1.4)
wobei z0 die Höhe des Schwerpunktes vor dem Sprung, z1 die Höhe des Schwerpunkts beim Auftreffen auf der Platte und z0 − z1 die Fallhöhe ist.
z
Während des Stosses wirken die in der nebenstehenden Skizze eingezeichneten Kräfte. Damit erhält man
während des Stosses die Bewegungsgleichung:
N(t)
dp
= ma = N (t) − mg
dt
G = mg
Abbildung 1.3: Kräfte während des
Stosses.
(1.5)
Die im Experiment verwendete Sprungplatte verhält
sich wie eine Waage, zeigt also immer die Normalkraft
N (t) an:
N (t) = ma + mg
(1.6)
Am besten lässt sich der Sprung mit Hilfe graphischer Darstellungen beschreiben (siehe Abbildung 1.4). Aus der Höhe des Schwerpunktes z(t), der Schwerpunktsgeschwindigkeit v(t) und der
Schwerpunktsbeschleunigung a(t) ergeben sich die während des Stosses wirkenden Kräfte. Für t ≤ 0
fällt der Springer frei, während des Zeitintervalls 0 ≤ t ≤ τ wird der Aufprall (Stoss) abgefedert.
Frage 1: Welche Form hat die Kurve z(t) für t ≤ 0?
Integration der Gleichung (1.5) ergibt
Z
∆p = p(τ ) − p(0) =
τ
(N − mg) dt
(1.7)
0
wobei
p(τ ) = 0
(1.8)
p
p(0) = −m v0 = −m 2g (z0 − z1 )
(1.9)
Dieser Zusammenhang soll im Experiment überprüft werden.
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1. Stösse
Höhe z
[m]
z0
z1
Geschwindigkeit v
[m/s]
0
τ
Zeit t
[s]
0
τ
Zeit t
[s]
0
τ
Zeit t
[s]
0
v0
Beschleunigung a
[m/s ]
0
-g
Abbildung 1.4: Höhe, Geschwindigkeit und Beschleunigung des Schwerpunkts beim Sprung auf eine
Platte. Beim Absprung befinden sich die Füsse ca. 30 cm über der Platte, bei t = 0 treffen sie mit
einer Geschwindigkeit von ca. 2.5 m/s auf die Platte auf. Der Springer federt den Sprung ab und
nimmt eine Endposition mit leicht gebeugten Knien ein.
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1.3. EXPERIMENTELLER TEIL
1.3
1.3.1
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Experimenteller Teil
Versuchsanordnung
Die Unterseite der in diesem Versuch verwendeten Sprungplatte ist in jeder der vier Ecken mit
einem Piezokristall versehen (Abbildung 1.5). Bei einer Belastung der Platte werden die Kristalle
zusammengedrückt und liefern elektrische Spannungssignale, welche proportional zu ihrer Deformation und damit zur Belastung der Platte sind (siehe Anhang).
P= Piezokristall
P
P
Ladung
[C]
P
Verstärker
Spannung
[V]
Drucker
P
Oszilloskop (KO)
Messplattform
Abbildung 1.5: Versuchsanordnung.
Die Signale der vier Kristalle werden addiert und in einem ladungsempfindlichen Verstärker verstärkt.
Die Ausgangssignale des Verstärkers werden mit dem Oszilloskop aufgezeichnet und können ausgedruckt werden.
1.3.2
Versuchsdurchführung
1. Lassen Sie sich vom Assistenten die Bedienung von Verstärker, Oszilloskop (KO) und Drucker
erklären und demonstrieren.
2. Stellen Sie die y-Ablenkung am KO auf eine Empflindlichkeit von 1 V/cm ein.
3. Eichen Sie durch Auflegen von Gewichten auf die Platte den Zusammenhang zwischen Kraft
und gemessener Spannung.
4. Springen Sie mehrmals aus ca. 50 cm Höhe auf die Platte. Federn Sie die verschiedenen
Sprünge bei der Landung unterschiedlich ab, so dass sie Messungen für “harte” und “weiche”
Landungen bekommen.
5. Drucken Sie die gemessenen Kurven für eine quantitative Auswertung aus.
Qualitative Betrachtungen
Skizzieren und erklären Sie für folgende Beispiele das Bild auf dem KO-Schirm:
• Stellen Sie sich auf die Platte und machen Sie einige Kniebeugen.
• Gehen Sie auf der Platte am Ort.
• Stellen Sie die y-Ablenkung auf einen empfindlicheren Bereich und versuchen Sie, ganz ruhig
auf der Platte zu stehen.
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20
1. Stösse
• Wie 3) - atmen Sie jetzt aber tief ein und aus.
1.3.3
Auswertung
• Bestimmen Sie Ihre Masse und berechnen Sie die Impulsänderung bei der Landung gemäss
∆p = p(τ ) − p(0) = −p(0) = mv0
• Wählen Sie eine der ausgedruckten Kurven N (t) aus. Ziehen Sie Ihr Gewicht mg ab und
schätzen Sie die Fläche unter der korrigierten Kurve ab (Abbildungen 1.6 und 1.7, die mit
dem KO aufgenommenen Kurven werden nicht so schön glatt sein, wie die in den Abbildungen
gezeigten!)
Rτ
• Vergleichen Sie den Kraftstoss 0 F dt mit der oben berechneten Impulsänderung mv0 und
verifizieren Sie Gleichung 1.7.
Normalkraft
N(t)
3
[mg]
2.5
Resultierende
Kraft
2
N(t)-mg
1.5
[mg]
2
1
1.5
0.5
1
0
0.5
-0.5
0
t1
Zeit t [s]
t2
Abbildung 1.6: Mit dem Oszilloskop gemessene Kurve.
-1
t1
Zeit t [s]
t2
Abbildung 1.7: Gemessene Kurve, nachdem
das Gewicht der Versuchsperson abgezogen
worden ist.
Beantworten Sie folgende Fragen:
Frage 2: Wie gross sind die Stosszeiten für harte und weiche Landungen?
Frage 3: Wie gross sind die entsprechenden Maxima von N (t)?
Frage 4: Vergleichen Sie qualitativ die Resultate der harten und der weichen Landung miteinander: Was ist gleich? Wo liegen die Unterschiede?
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1.4. ANHANG
1.4
1.4.1
21
Anhang
Piezokristalle
Im Jahre 1880 entdeckten die Gebrüder Curie, dass bei gewissen Kristallen unter der Wirkung
von Druck und Zug positive und negative Ladungen auf bestimmten Kristallflächen erscheinen.
Man nennt dies den piezoelektrischen Effekt. Experimente zeigen, dass die Ladungsvorzeichen bei
Vertauschung von Druck und Zug wechseln. Die Ladungsmenge ist der Grösse der mechanischen
Belastung proportional.
Der piezoelektrische Effekt kann an folgendem Modell erklärt werden: Ein Quarzkristall (SiO2 ) besteht aus schraubenförmig angeordneten Silizium- und Sauerstoffatomen. Die Siliziumatome sind
positiv, die Sauerstoffatome negativ geladen. Wir betrachten zur Vereinfachung eine ebene Anordnung von sechs Atomen (Abbildung 1.8a). Wird auf einen Kristall in Richtung der X1 -Achse ein
Druck ausgeübt, so rückt das Si-Atom 1 zwischen die Sauerstoffatome 2 und 6, das Sauerstoffatom
4 zwischen die Si-Atome 5 und 3. Auf der Oberfläche A wird positive, auf der Oberfläche B negative
Ladung entfernt (Abbildung 1.8b). Wird der Kristall in der X1 -Richtung gedehnt, so kehren sich die
Vorzeichen der Ladungen auf den Flächen A und B um (Abbildung 1.8c). Dieselben Erscheinungen
treten bei Belastungen in der X2 - und in der X3 - Richtung auf. Bei Druck oder Zug senkrecht zur
dargestellten Ebene verschieben sich keine Ladungen. Der piezoelektrische Effekt hängt also von
der Belastungsrichtung ab. Piezokristalle werden in Technik und Medizin häufig zu Druck- und
Kraftmessungen verwendet.
1
_6
5
X1
+
+
X2
a)
1
_ _ _ _ +_ _ _ _
A
_
_
2
6
_2
+
_
4
X
1 1
+ + + ++ + + A
X1
3
X3
5 +
+ 3
_
+ ++ + + +++ B
4
b)
6
_
_
5 +
2
+ 3
_ _ _ __ _ _ B
4
c)
Abbildung 1.8: Der piezoelektrische Effekt – drei Si-Atome (grosse Kreise) und drei Sauerstoffatome (kleine Kreise) angeordnet in einer Ebene des Quartzkristalls: Linkes Bild a) Normalzustand,
mittleres Bild b) bei Druckbelastung, rechtes Bild c) bei Zugbelastung.
1.4.2
Kraftsensor
Für eine genaue Messung der Kraft darf keine Ladung von den Kristallflächen abfliessen. Deshalb
muss der Kristall sehr sorgfältig elektrisch isoliert werden (Abbildung 1.9). Ausserdem muss das
angeschlossene Messinstrument einen hohen Innenwiderstand haben. In technischen Anwendungen
verwendet man dazu speziell entwickelte Verstärker. Das zur Kraft F~ proportionale Ausgangssignal
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22
1. Stösse
kann z.B. mit dem Oszilloskop aufgezeichnet werden (vgl. experimenteller Teil).
F
Q
_ + _
_
_ _
+
_
+ _ +
+
+ +
_
+
Isolationen
Abbildung 1.9: Die experimentelle
Anordnung beim piezoelektrischen
Effekt.
Bei geeigneter Anordnung der Kristalle können mit einer Messplatte neben der Vertikalkomponente der wirkenden Kräfte auch die Horizontalkomponenten und Drehmomente bezüglich einer
vertikalen Achse gemessen werden. In der Biomechanik werden auf diese Art Bewegungsabläufe
untersucht, z. B. der Start eines Schnelläufers oder eines Hochspringers, Bewegungen während einer Arbeit, die im Stehen ausgeführt wird, Gehen mit Schienen oder Prothesen usw. Wegen der
hohen Empfindlichkeit ist es auch möglich, kleine Verschiebungen des Körperschwerpunktes und
damit Gleichgewichtsstörungen (vgl. experimenteller Teil, Punkte 3. und 4.) festzustellen.
1.4.3
Ultraschallerzeugung
Wird an einen Piezokristall eine äussere elektrische Spannung angelegt, so treten Deformationen
des Kristalls auf, die proportional zur angelegten Spannung sind. Legt man eine Wechselspannung
an, so schwingt der Kristall. Diesen Effekt benützt man zur Erzeugung von Ultraschall.
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Ab
2. γ-Absorption
2.1
Einleitung
Man weiss, dass starke γ-Strahlung schädigende Wirkungen auf den menschlichen Organismus hat.
Die Intensität der natürlichen Strahlung ist so klein, dass vermutlich keine Schädigungen auftreten.
Wird dagegen mit stärkeren Quellen gearbeitet, so müssen die damit beschäftigten Personen vor
Strahlenbelastungen geschützt werden. Um Abschirmungen richtig zu dimensionieren, müssen die
Absorptionseigenschaften des Abschirmungsmaterials bekannt sein.
In diesem Versuch sollen die Absorptionseigenschaften von Blei, Aluminium und Wasser bei γEnergien von 0.66 MeV, resp. 1.17 und 1.33 MeV untersucht werden. Stichworte zu diesem Versuch
sind:
• elektromagnetische Wellen
• Quantennatur der elektromagnetischen Strahlung
• Exponentialfunktion
• Absorption von γ-Strahlung
2.2
2.2.1
Theoretischer Teil
Quellen für γ-Strahlung
γ-Strahlung ist elektromagnetische Strahlung von sehr kurzer Wellenlänge (λ < 10−2 nm), die von
Atomkernen emittiert wird. Die Energie der Strahlung ist charakteristisch für einen bestimmten
Kern. Sie liegt zwischen ca. 100 keV und mehreren MeV (eV = Elektronenvolt, 1 eV = 1.6 · 10−19
Joule). Im Versuch werden eine 60 Co- und eine 137 Cs-Quelle verwendet.
In beiden Quellen entsteht zuerst durch β − -Zerfall (Emission eines Elektrons) ein Tochterkern:
60 Ni, resp. 137 Ba. Der Tochterkern befindet sich in einem angeregten (= höher energetischen) Zustand. Beim Übergang in einen tieferen Zustand wird die Energiedifferenz ∆E als γ-Quant emittiert
(Abb. 2.1). Die γ-Strahlung der 60 Co-Quelle enthält immer beide Energien. Im Experiment wird
der Schwächungskoeffizient, bzw. die Halbwertsdicke der gemischten Strahlung bestimmt.
23
24
2. γ-Absorption
60Co
T1/2 = 5.26 a
β - (Emax = 0.312 MeV)
137Cs
β - (Emax = 0.514 MeV)
ΔE = 1.173 MeV
ΔE = 0.66 MeV
ΔE = 1.332 MeV
137Ba (stabil)
60Ni (stabil)
Abbildung 2.1: Zerfallsschemata für
2.2.2
T1/2 = 30 a
60 Co.
Abbildung 2.2: Zerfallsschemata für
137 Cs.
Absorptionsgesetz
Die Quantentheorie lehrt, dass γ-Strahlung nicht nur als elektromagnetische Welle sondern auch als
Korpuskelstrahlung beschrieben werden kann (vergl. Vorlesung). Für Absorptionsprozesse eignet
sich die Korpuskeldarstellung besser.
Es sei die Schwächung der Strahlung in einer dünnen Schicht der Dicke dx betrachtet. Die verschiedenen Prozesse, die zur Abschwächung der γ-Strahlung beitragen, sind im Anhang beschrieben.
Die Intensität der Strahlung ist proportional zur Zahl N (x) der auftreffenden Quanten.
Die Anzahl der Quanten, die in der Schicht absorbiert oder gestreut werden, ist für dünne Schichten proportional zur Schichtdicke und zu N (x).
N(x+dx)
N(x)
dx
dN = −µ N (x) dx ⇒
x
dN
= −µ dx
N
(2.1)
Abbildung 2.3: Zum Absorptionsgesetz.
Die Materialkonstante µ, der Schwächungskoeffizient, hängt von der γ-Energie ab: µ = µ(γ). Das
negative Vorzeichen deutet an, dass die Zahl der
Quanten abnimmt.
N(x)
Die Integration von Gl. 2.1 ergibt:
x=0
x
x+dx
N0
N (x) = N0 e−µx
N0 /2
x
d1/2
Abbildung 2.4: Absorptionskurve.
(2.2)
wobei N0 die Anzahl Quanten bei x = 0 ist.
Gleichung 2.2 zeigt, dass die Intensität der γStrahlung nie ganz auf Null absinkt. In der Praxis
wählt man die Absorberdicke so, dass die Intensität der durchtretenden Strahlung sicher unterhalb der Toleranzgrenze liegt.
Die sogenannte Halbwertsdicke d1/2 gibt an, nach welcher Schichtdicke die Intensität auf die Hälfte
ihres ursprünglichen Wertes abgesunken ist (siehe auch Abbildung 2.4).
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2.2. THEORETISCHER TEIL
25
Es gilt:
N0
= N0 e−µd1/2
2
⇒
ln 2 = µd1/2
⇒
d1/2 =
ln 2
µ
(2.3)
Die Halbwertsdicke d1/2 hängt vom Absorbermaterial und von der Energie der γ-Strahlung ab. In
der folgenden Tabelle sind Halbwertsdicken (in cm) für verschiedene Materialien zusammengestellt:
Energie
0.l MeV
0.5 MeV
l MeV
2 MeV
5 MeV
Blei
0.0l4
0.41
0.88
1.36
1.46
Aluminium
1.7
3.0
4.3
5.7
9.5
Luft
3.6 · 103
5.9 · 103
8.3 · 103
13.4 · 103
21.5 · 103
Wasser
4.1
7.3
9.9
17.3
21.7
Für die Abschirmung gegen Röntgenstrahlen wird oft die Zehntelswertdicke angegeben (durchgelassene Intensität = I0 /10). In der folgenden Tabelle sind die Zehntelwertsdicken (in cm) für
verschiedene Materialien zusammengestellt:
Spannung
50 kV
l00 kV
300 kV
Energie
50 keV
l00 keV
300 keV
Wasser
9
17
28
Beton
1.7
4.8
l0
Blei
0.01
0.07
0.4
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26
2. γ-Absorption
2.3
2.3.1
Experimenteller Teil
Messung der Halbwertsdicke d1/2
Um die Halbwertsdicke zu bestimmen, misst man die Intensität der γ-Strahlung in Abhängigkeit
der Absorberdicke. Die γ-Quanten werden einzeln während eines vorgegebenen Zeitintervalls ∆t
mit einem Geiger-Müller-Rohr gezählt. Die Funktionsweise des Zählrohrs ist im Versuch RA beschrieben.
N(x)
log N(x)
N0
log N1
N1
log N1/2
N1 /2
Abbildung 2.5: Absorptionskurve.
2.3.2
d1/2
x
d1/2
x
Abbildung 2.6: Logarithmierte Darstellung.
Halblogarithmische Darstellung
Logarithmieren von Gleichung 2.2 ergibt
log N = log N0 − µ x log e
(2.4)
Wird log N als Funktion von x dargestellt, so ergibt sich also eine Gerade mit der Steigung
a = −µ log e (siehe Abb. 2.6)1 . In den Abbildungen 2.5 und 2.6 ist illustriert, wie sich die Halbwertsdicke d1/2 aus der graphischen Darstellung der Messpunkte N (x) bzw. derer Logarithmen
log N (x) bestimmen lässt.
2.3.3
Versuchsaufbau
Die radioaktive Quelle befindet sich in einer Metallkapsel, in der die β -Strahlung vollständig absorbiert wird (vergl. Abbildung 2.7). Diese trägt somit auch bei der Messung ohne Absorberplatten
nicht zur Zählrate bei.
Achtung: Um sicherzustellen, dass die Strahlung am Versuchsplatz unterhalb der erlaubten Toleranzdosis bleibt, befinden sich die radioaktiven Quellen in einem Bleiklotz. Die austretende Strahlendosis kann mit Hilfe eines am Versuchsplatz vorhandenen Messgeräts gemessen werden.
1
Der Einfachheit halber benützt man in Rechnungen den natürlichen Logarithmus ln N (x). Bei der Auftragung
der Messdaten auf halblogarithmischem Papier erweist sich jedoch der dekadische Logarithmus als weitaus einfacher.
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2.3. EXPERIMENTELLER TEIL
27
Pb-Abschirmungen
Zählrohr
Zähler
Absorberplatten
Quelle
Abbildung 2.7: Versuchsaufbau
Um den Untergrund (natürliche Radioaktivität, Höhenstrahlung, gestreute γ-Quanten) möglichst
klein zu halten, ist das Zählrohr ebenfalls mit Blei umgeben. In der Mitte zwischen Quelle und
Zählrohr stehen die zu untersuchenden Absorberplatten.
Die Plattendicken sind:
Blei:
Aluminium:
Wasser:
2.3.4
4 mm / Platte
2 cm / Platte
l0 cm
Durchführung
• Lassen Sie sich vom Assistenten die Funktionsweise und die Bedienung des Zählrohrs erläutern.
• Wählen Sie ein vernünftiges Zeitintervall ∆t. Die Messwerte sollen so gross sein, dass der
Fehler klein genug ist!
• Stellen Sie die Quellen beiseite, und messen Sie den Untergrund während drei Zeitintervallen.
• Stellen Sie nun die Quelle auf. Messen Sie zuerst die Pulszahl ohne Absorber (x = 0). Stellen
Sie für jedes weitere Messintervall eine zusätzliche Absorberplatte in die Halterung zwischen
Quelle und Zählrohr.
• Führen Sie den Versuch für die beiden Quellen 137 Cs und 60 Co und für die Absorbermaterialien Blei (total l0 Platten) und Aluminium (total 5 Platten) durch.
• Stellen Sie zum Schluss anstelle der Absorberplatten das mit Wasser gefüllte Rohr auf, und
messen Sie die Pulszahl. Achtung: da auch im Plexiglas γ-Strahlung absorbiert wird, müssen
Sie die Pulszahl zuerst mit dem leeren Rohr messen!
• Stellen Sie die Messwerte in einer übersichtlichen Tabelle zusammen.
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28
2. γ-Absorption
2.3.5
Versuchsbericht
• Beschreiben Sie, wie man die Halbwertsdicke eines Materials experimentell bestimmt.
Auswertung:
• Zeichnen Sie die Messresultate (Pulszahl in Funktion der Absorberdicke) auf halblogarithmisches Millimeterpapier auf. Vergessen Sie nicht, den Untergrund zu subtrahieren.
• Bestimmung Sie den Fehler auf den gemessenen Pulszahlen: für den Fehler mN einer gemessenen Pulszahl gilt (Herleitung im Anhang zum Versuch Ra):
√
mN = N
(2.5)
und für die für den Untergrund korrigierte Pulszahl N 0 (x) = N (x) − U ist
q
√
mN 0 = m2N + MU2 = N + U
(2.6)
Zeichnen Sie zu jedem Messpunkt den zugehörigen Fehler in das halblogarithmische Diagramm ein.
• Zeichnen Sie von Auge die beste Gerade durch die Messpunkte. Bestimmen Sie graphisch die
Halbwertsbreite, wie in Abb. 2.8 gezeigt. Spielt es eine Rolle, wo auf der Geraden Sie diese
graphische Konstruktion einzeichnen, d.h. für welche Werte N 0 ?
• Bestimmen Sie aus der Steigung dieser Geraden die Halbwertsdicke d1/2 - beachten Sie dabei,
dass es sich hier um einen halb-logarithmischen Graphen handelt! (vgl. Abb. 2.8).
• Zeichnen Sie ausser dieser Geraden auch die steilste und die flachste mit den Messfehlern verträglichen Geraden ein. Bestimmen Sie aus den Steigungen dieser Geraden eine Abschätzung
für den Fehler von d1/2 .
Beantworten Sie folgende Fragen:
• Aus dem Experiment kennen wir die Halbwertsdicke von Blei für γ-Energien von 0.66 MeV,
resp. 1.17 und 1.33 MeV. Wie dick muss eine Bleiplatte sein, wenn die durchgelassene Strahlungsintensität auf 1/10 abgeschwächt werden soll? (Verwenden Sie die graphische Darstellung.)
• Um welchen Faktor wurde die Strahlung durch 10 cm Wasser abgeschwächt? Wieviel Blei,
resp. Aluminium wäre nötig für die gleiche Abschwächung? (Verwenden Sie die graphischen
Darstellungen.)
Zusatzaufgabe: Nach Gleichung 2.5 gilt für den Fehler der Pulszahl mN =
diesen Zusammenhang experimentell:
• Verwenden Sie die
berplatte auf.
137 Cs-Quelle
√
N . Überprüfen Sie
und stellen Sie zwischen Quelle und Zählrohr eine Bleiabsor-
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2.3. EXPERIMENTELLER TEIL
29
2
1000
Pulszahl N'
7
6
5
4
3
Steigung:
Δy = ln N'1 - ln N'2
2
Δx
graphisch:
d1/2
100
7
2
4
6
Absorberdicke x
8
10
Abbildung 2.8: Halblogarithmische Darstellung mit Fehlerbalken und Konstruktion zur Bestimmung der Geradensteigung und der graphischen Bestimmung der Halbwertsbreite.
• Messen Sie 50× die Pulszahl während 1 s.
• Bestimmen Sie Mittelwert und Fehler der Pulszahl und vergleichen Sie das Resultat mit
√
mN = N .
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30
2. γ-Absorption
2.4
2.4.1
Anhang
Wechselwirkunq der γ-Strahlung mit Materie
An der Abschwächung der γ-Strahlung beim Durchgang durch Materie sind folgende Prozesse
beteiligt:
• Photoeffekt (Absorption),
• Paarbildung (Absorption) und
• Comptoneffekt (Streuung).
a) Photoeffekt
Trifft ein γ-Quant auf ein Atom des Absorbermaterials, so kann es seine Energie an die Hüllenelektronen abgeben. Ein Elektron kann dabei in einen gebundenen Zustand höherer Energie übergehen (Anregung), oder es wird, wenn die Energie des Photons grösser ist als die Bindungsenergie
des Elektrons, aus der Elektronenhülle herausgeschlagen (Ionisation). Die Wahrscheinlichkeit für
die Absorption des γ-Quants steigt dann sprungartig an. Man spricht von K-, L-, M-Kanten der
Absorptionskurve (Abb. 2.9). Das Elektron verlässt in diesem Fall das Atom mit der kinetischen
Energie:
mv 2
= hν − EB
(2.7)
2
Dabei ist:
hν
ν
h
EB
m
=
=
=
=
=
Energie des Quants
Frequenz der γ-Strahlung
Plancksche Konstante = 6.626 · 10−34 Js
Bindungsenergie des Elektrons
Ruhemasse des Elektrons
µ ph
Der Schwächungskoeffizient µph für Photoeffekt
ist proportional zu
Z5
(hν)3
M
L
K
hν
(2.8)
Der Photoeffekt ist wichtig bei kleinen γEnergien und Absorbermaterialien mit hoher
Ladungszahl Z.
Abbildung 2.9: Schwächungskoeffizient µph
für Photoeffekt.
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2.4. ANHANG
31
b) Paarbildung
Für γ-Energien ≥ 1 MeV können in der Nähe eines Atomkerns aus dem γ-Quant ein Elektron und
ein Positron entstehen.
µp
Der Schwächungskoeffizient µp für Paarbildung ist proportional zu
hν
Z 2 ln 2
(2.9)
m0 c2
hν
1 MeV
Abbildung 2.10: Schwächungskoeffizient µp für
Paarbildung.
In dieser Gleichung ist m0 die Ruhemasse des
Elektrons bzw. Positrons.
c) Comptoneffekt
hν '
hν
ϕ2
Ein Quant der Energie hν trifft auf ein Elektron des Absorbermaterials. Nach dem Stoss
fliegt das Elektron unter dem Winkel φ1 und
ein Quant der Energie hν 0 < hν unter dem
Winkel φ2 weg (Abb. 2.11).
ϕ1
ee-
peAbbildung 2.11: Compton-Streuung.
µc
Der Schwächungskoeffizient µp für den
Comptoneffekt ist wie in der Abbildung
(2.12) gezeigt von der Energie abhängig. Der
Schwächungskoeffizient µc pro Atom ist proportional zu Z.
hν
Abbildung 2.12: Energieabhängigkeit
Schwächungskoeffizienten µp .
vom
d) Totaler Schwächungskoeffizient
Der totale Schwächungskoeffizient setzt sich aus den oben erwähnten Beiträgen zusammen. In
der Abbildung 2.13 sind die einzelnen Beiträge und der totale Schwächungskoeffizient für Blei als
Funktion der γ-Energie dargestellt.
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32
2. γ-Absorption
µ
µtot
µP
µPh
µC
1 MeV ca.8 MeV
hν
Abbildung 2.13: Totaler Schwächungskoeffizient.
2.4.2
Absorption von α- und β-Strahlung
a) α-Strahlung
α-Teilchen verlieren ihre Energie bei Stössen mit Elektronen des Absorbermaterials. Ihre Reichweite hat, bis auf kleine Unsicherheiten, einen festen Wert, der von der Teilchenenergie und vom
Absorbermaterial abhängt.
Eα1 < Eα2
N
N0
Als Beispiel für eine Energie von 5 MeV:
N0
2
• Luft: R = 4 cm
• Wasser, Gewebe: R = 5 · 10−3 cm
R1
R2
r
N = N (r) bezeichnet die Anzahl α-Teilchen
nach der Absorberdicke r
Abbildung 2.14: Reichweite von α-Teilchen.
b) β-Strahlung
β-Teilchen (Elektronen) geben ihre Energie ebenfalls bei Stössen mit Elektronen des Absorbermaterials ab. Sie werden aber ausserdem bei elastischen Stössen mit den Kernen praktisch ohne
Energieverlust abgelenkt, sodass die Reichweite keineswegs der wirklichen Bahnlänge im Absorber
entspricht. Dies hat zur Folge, dass die Reichweiten für Elektronen einer bestimmten Energie grosse
Streuungen aufweisen (Abb. 2.15).
Jede β-aktive Quelle emittiert Elektronen mit einer kontinuierlichen Energieverteilung (Abb 2.16).
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
2.4. ANHANG
33
N
N0
N = N (r) bezeichnet die Anzahl Elektronen
nach der Absorberdicke r
N0 ist die Anzahl Elektronen vor dem Absorber
R ist die sogenannte Reichweite der Strahlung. Man erhält sie aus dem Schnittpunkt
der Tangente im Wendepunkt mit der rAchse.
r
R
Abbildung 2.15: Reichweite von β-Teilchen.
Die maximale Energie Emax ist charakteristisch für den zerfallenden Kern. Betrachtet man die
Intensität der β-Strahlung einer solchen Quelle in Funktion der Absorberdicke, so erhält man einen
annähernd exponentiellen Verlauf (Abb. 2.16).
N
N
Emax E
R max
r
Abbildung 2.16: Energieverteilung und Reichweite für die emittierten Elektronen. Rmax ist die
Reichweite R für die β-Teilchen mit der Energie Emax.
In der folgenden Tabelle sind die Reichweiten Rmax für einige ausgewählte β-Quellen in verschiedenen Absorbern zusammengestellt:
β-Quelle
3H
14 C
35 S
203 Hg
131 I
32 P
Eβmax
(MeV)
0.018
0.155
0.167
0.214
0.606
1.71
in Luft
(mm)
3
270
270
350
1550
5430
in Wasser
Gewebe (mm)
4 · 10−3
0.35
0.35
0.45
2.0
7.0
in Aluminium
Glas (mm)
1.5 · 10−3
1.4 · 10−1
1.4 · 10−1
1.7
0.8
2.7
Blei
(mm)
3.5 · 10−4
3.1 · 10−2
3.1 · 10−2
4 · 10−2
0.2
0.6
Oft wird die Reichweite in g/cm2 oder mg/cm2 angegeben. Beispiele:
Wasser:
Blei:
Aluminium:
Luft:
1 g/cm2
1 g/cm2
1 g/cm2
1 g/cm2
entspricht
entspricht
entspricht
entspricht
1 cm
0.088 cm
0.37 cm
775 cm
Dicke
Dicke
Dicke
Dicke
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34
2.4.3
2. γ-Absorption
Absorption von Protonen und Ionen
Bei Protonen und Ionen ist der Energieverlust zum Ende der Reichweite hin konzentriert. Das erlaubt die “gezielte” Behandlung von im Körper liegenden Tumoren bei mässiger Strahlenbelastung
des umliegenden Gewebes, dies im Gegensatz zur Behandlung mit Röntgenstrahlung.
Abbildung 2.17: Ionisationsprofil von 12 C Ionen in Wasser.
Abbildung 2.18: Protonentherapie am PSI in
Villigen.
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IR1
3. Innere Reibung von Flüssigkeiten
3.1
Einleitung
Zwischen den Molekülen in Flüssigkeiten wirken anziehende Van der Waals Kräfte oder — wie im
Falle des Wassers — Kräfte, die von sogenannten Wasserstoffbrückenbindungen ausgehen. Um die
Moleküle gegeneinander zu bewegen, muss deshalb Arbeit geleistet werden. Makroskopisch lässt
sich dies als eine Verschiebung der Flüssigkeit gegen den Widerstand innerer Reibungskräfte beschreiben. Die Stärke dieser Reibungskräfte wird durch die Zähigkeit oder Viskosität der Flüssigkeit
beschrieben.
Bei Leitungssystemen aller Art, insbesondere auch beim Blutkreislaufsystem des Menschen, spielen
der Leitungsdurchmesser und die Viskosität der Flüssigkeit eine entscheidende Rolle. Mit einfachen
Mitteln wird in diesem Versuch die Viskosität von Wasser und Rizinusöl bestimmt und demonstriert
wie der Leitungswiderstand mit abnehmendem Leitungsdurchmesser stark zunimmt.
3.2
Theoretischer Teil
a) Das Newtonsche Reibungsgesetz
Bei laminarer Strömung einer Flüssigkeit oder eines Gases treten zwischen Schichten, welche mit
verschiedenen Geschwindigkeiten strömen, Reibungskräfte F~R in Form von Schubspannungen auf.
Ein einfaches Beispiel ist in Abb. 3.1 illustriert: Eine Flüssigkeitsschicht ist zwischen zwei Platten eingeschlossen, wobei die obere Platte sich mit der Geschwindigkeit v gegenüber der ruhenden
υ
FR
F
d
υ
Abbildung 3.1: Zum Newtonschen Reibungsgesetz.
35
36
3. Innere Reibung von Flüssigkeiten
unteren Platte bewegt. An den Grenzflächen haften erfahrungsgemäss die Flüssigkeitsmoleküle an
den Platten, so dass die beiden äussersten Lagen der Flüssigkeitsschicht ebenfalls die Geschwindigkeit v gegeneinander aufweisen. Über die Dicke der Flüssigkeitsschicht stellt sich ein lineares
Geschwindigkeitsgefälle ein.
Um die Geschwindigkeit v der oberen Platte aufrecht zu erhalten, muss eine Kraft F = FR aufgewendet werden. Ist die Geschwindigkeit nicht zu gross und der Plattenabstand klein gegenüber der
Plattenausdehnung, so gilt das Newtonsche Reibungsgesetz
FR = η · A ·
v
d
(3.1)
Dabei ist A die Fläche der Platte, und die Zähigkeit oder Viskosität η eine für die betreffende
Flüssigkeit charakteristische, stark temperaturabhängige Materialgrösse. Als Einheit der Viskosität
wurde das Poise eingeführt:
g
1 Poise = 1
= 0.1 Pa · s
(3.2)
cm · s
Für den allgemeinen Fall eines nicht-linearen Geschwindigkeitsprofils gilt das Newtonsche Reibungsgesetz in differentieller Form:
dv
FR (z) = η · A ·
(3.3)
dz
b) Das Gesetz von Hagen-Poiseuille
Mit Hilfe des Newtonschen Reibungsgesetzes kann die laminare Strömung in einem zylindrischen
Rohr mit Länge l und innerem Radius R berechnet werden (siehe Abb. 3.2).
Man betrachtet dazu die Kräfte auf das in einem gedachten konzentrischen Zylinder mit dem Radius
r ≤ R eingeschlossene Flüssigkeitsvolumen. Zwischen den beiden Enden des Rohres herrsche ein
Druckunterschied ∆p = p1 −p2 . Infolge dieses Druckunterschiedes wirkt auf den Zylinder eine Kraft
Fp = π · r2 · ∆p
(3.4)
Das an der Mantelfläche des Zylinders herrschende Geschwindigkeitsgefälle (dv/dr)|r erzeugt nach
Gl. 3.3 eine Reibungskraft
dv FR = η · 2 π · r · l ·
(3.5)
dr r
R
p1
r
l
FR
FP
p2
Abbildung 3.2: Zur Berechnung der Kräfte auf eine in einem zylindrischen Rohr fliessende Flüssigkeit.
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3.2. THEORETISCHER TEIL
37
r
υ(r)
υmax
Abbildung 3.3: Geschwindigkeitsprofil in einem zylindrischen Rohr.
Im stationären Fall (konstantes Geschwindigkeitsprofil) sind Druckkraft und Reibungskraft im
Gleichgewicht, d.h.
dv 2
π · r · ∆p + η · 2 π · r · l ·
=0
(3.6)
dr r
Daraus ergibt sich für das Geschwindigkeitsgefälle im Abstand r von der Achse
dv ∆p
=−
·r
dr r
2η · l
(3.7)
Die Geschwindigkeit als Funktion des Radius erhält man durch Integration dieser Gleichung unter
Beachtung der Randbedingung v(r = R) = 0:
v(r) =
∆p
· (R2 − r2 )
4η · l
(3.8)
Es ergibt sich also eine parabolische Geschwindigkeitsverteilung, wie in Abb. 3.3 skizziert. Die
Strömungsgeschwindigkeit ist in der Mitte des Rohres am grössten und nimmt zum Rand hin
quadratisch ab.
Die Flüssigkeitsmenge dQ, die während der Zeit t durch einen gedachten Hohlzylinder mit Radius r
und Wandstärke dr (siehe Abb. 3.4) fliesst, ist dann
dQ = t · v(r) · 2 π · r · dr = t ·
π · r · ∆p · (R2 − r2 )
dr
2η · l
(3.9)
Durch Integration dieser Gleichung ergibt sich für die durch den gesamten Rohrquerschnitt fliessende Flüssigkeitsmenge das Hagen-Poiseuillesche Gesetz
Z
Q=t·
0
R
π · r · ∆p · (R2 − r2 )
π · R4 · ∆p
dr =
·t
2η · l
8η · l
(3.10)
Ist die Geometrie des Rohres bekannt, so kann die Viskosität η der durch das Rohr strömenden
Flüssigkeit aus den Messgrössen Q, t und ∆p bestimmt werden.
dr
r
Abbildung 3.4: Zur Herleitung des Hagen-Poiseuilleschen Gesetzes.
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38
3. Innere Reibung von Flüssigkeiten
c) Laminare und turbulente Strömung, Reynoldsche Zahl
Die Newtonsche Gleichung 3.3 gilt nur für den Fall der laminaren Strömung, d.h. für nicht zu
grosse Strömungsgeschwindigkeiten. Oberhalb einer gewissen kritischen Geschwindigkeit vkrit beginnen in der Flüssigkeit Wirbel aufzutreten und es kommt zu einer turbulenten Strömung. Die
Wirbel enthalten infolge ihrer Rotationsbewegung kinetische Energie, welche zur Aufrechterhaltung
der Strömung kontinuierlich von aussen zugeführt werden muss. Der Strömungswiderstand nimmt
deshalb beim Übergang von der laminaren zur turbulenten Strömung stark zu. Für ein gegebenes
System ist die kritische Geschwindigkeit vkrit durch die Dichte ρ und die Viskosität η der Flüssigkeit
sowie durch eine charakteristische Ausdehnung d des Systems (z.B. der Rohrdurchmesser im Falle
eines zylindrisches Rohr) bestimmt. Ein Mass für den Strömungszustand ist die aus diesen Grössen
gebildete dimensionslose Reynoldsche Zahl
Re =
ρ·v·d
η
(3.11)
Solange Re einen gewissen kritischen Wert Re krit nicht übersteigt, bleibt die Strömung laminar.
Für Re > Re krit stellt sich Turbulenz ein.
Für gerade, zylindrische Rohre ist Re krit ≈ 2300 und mit Gl. 3.11 folgt
vkrit = 2300
η
ρ·d
(3.12)
wobei d der Durchmesser des Rohres ist. Die Strömung bleibt laminar solange die mittlere Strömungsgeschwindigkeit im Rohr vkrit nicht übersteigt.
d) Das Gesetz von Stokes
Bei zähen Flüssigkeiten, z.B. Öl, würden sich beim Durchfluss durch Kapillaren derart lange Ausflusszeiten ergeben, dass man ihre Viskosität zweckmässiger nach einer anderen Methode misst.
Ein einfaches Verfahren stellt die Messung der Fallgeschwindigkeit einer Kugel durch die Flüssigkeit dar. Die auf die Kugel wirkenden Kräfte sind in Abb. 3.5 dargestellt. Die Gewichtskraft FG
FA FR
FG
z
Abbildung 3.5: Kräfte auf eine in einer viskosen Flüssigkeit fallenden Kugel.
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3.2. THEORETISCHER TEIL
39
und die Auftriebskraft FA sind:
FG = m · g =
FA =
4
π · r 3 ρK · g
3
4
π · r3 · ρF l · g
3
wobei ρK die Dichte und r der Radius der Kugel und ρFl die Dichte der Flüssigkeit sind.
Für die Reibungskraft FR gilt bei laminarer Strömung das Stokessche Reibungsgesetz:
FR = 6 π · η · r · v
(3.13)
wobei
η = Viskosität der Flüssigkeit
r = Radius der Kugel
v = Geschwindigkeit der Kugel
Da die Reibungskraft propotional mit der Geschwindigkeit der Kugel zunimmt, wird sich ein stationärer Zustand einstellen, in dem die auf die Kugel wirkenden Kräfte im Gleichgewicht sind und
die Kugel mit konstanter Geschwindigkeit sinkt (siehe Anhang). In diesem stationären Zustand ist
4
π · r3 · (ρK − ρFl ) · g − 6 π · η · r · v = 0
3
(3.14)
Sind die Dichte und der Radius der Kugel sowie die Dichte der Flüssigkeit bekannt, lässt sich somit
die Viskosität der Flüssigkeit aus der Fallgeschwindigkeit der Kugel bestimmen:
η=
2 r2 · g · (ρK − ρFl )
9v
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(3.15)
40
3. Innere Reibung von Flüssigkeiten
3.3
Experimenteller Teil
a) Bestimmung der Viskosität von Wasser
Die Viskosität von Wasser soll nach Gl. 3.10 bestimmt werden. Dazu wird die Wassermenge Q
gemessen, die während einem vorgegebenen Zeitintervall ∆t durch eine Kapillare mit bekanntem
Radius R und Länge l fliesst. Die Messung soll an zwei Kapillaren mit unterschiedlichem Radius
durchgeführt werden.
Die Versuchsanordnung ist in Abb. 3.6 skizziert. Sie besteht aus einem Messzylinder mit einem
Auslaufstutzen, in welchem die zu messende Kapillare befestigt wird. Bei gegebener Höhe h der
Flüssigkeitssäule im Messzylinder beträgt der Druckunterschied ∆p = p1 − p2 zwischen Einlass und
Auslass der Kapillare:
∆p = p1 − p2 = pL + ρ · g · h − pL = ρ · g · h
(3.16)
• Messen Sie die Länge l der zu verwendeten Kapillaren. Der Innendurchmesser der Kapillaren
ist angegeben. Montieren Sie die erste Kapillare am Ausfluss des Messzylinders.
• Füllen Sie den Messzylinder mit entionisiertem Wasser. Es darf ausschliesslich entionisiertes
Wasser verwendet werden, da normales Leitungswasser zu Verstopfungen in den sehr feinen
Kapillaren führen würde. Beim Füllen darf die für die jeweilige Kapillare angegebene maximale Füllhöhe nicht überschritten werden, um sicher zu stellen, dass beim Ausströmen der
Flüssigkeit die kritische Geschwindigkeit vkrit in der Kapillare nicht überschritten wird.
• Lassen Sie das Wasser während eines Zeitintervalls ∆t durch die Kapillare in einen der Messbecher auslaufen. Messen Sie ∆t sowie die Höhe ha der Flüssigkeitssäule am Anfang und ihre
Höhe hb am Ende des Zeitintervalls (lassen Sie sich vom Assistenten vernünftige Werte für
das Zeitintervall ∆t angeben).
• Bestimmen Sie die ausgeströmte Wassermenge Q durch Wägen des gefüllten Messbechers.
Wägen Sie auch den leeren Messbecher und ziehen Sie seine Masse vom Messergebnis ab!
ρW
2r
h
Luftdruck
pL
Luftdruck pL
l
Abbildung 3.6: Anordnung zur Bestimmung der Viskosität von Wasser.
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3.3. EXPERIMENTELLER TEIL
41
• Berechnen Sie die Viskosität η des Wassers nach Gl. 3.10. Setzen Sie dabei als Wert für den
Druck ∆p den Mittelwert der Druckdifferenzen am Anfang der Messung und am Ende der
Messung ein:
∆pa + ∆pe
ha + he
∆p =
= ρW · g ·
(3.17)
2
2
• Führen Sie die Messung jeweils zweimal an zwei Kapillaren unterschiedlichen Durchmessers
durch. Berechnen Sie den Mittelwert Ihrer Ergebnisse und schätzen Sie den Fehler ab.
• Berechnen Sie für beide Kapillaren aus der ausgeströmten Wassermenge, der vestrichenen
Zeit und dem Leitungsquerschnitt die mittlere Strömungsgeschwindigkeit des Wassers in der
Kapillare, und verifizieren Sie, dass diese die kritische Geschwindigkeit nicht übersteigt.
b) Bestimmung der Viskosität von Rizinusöl
Die Viskosität von Rizinusöl soll nach Gl. 3.15 aus der Fallgeschwindigkeit von Kügelchen im
Öl bestimmt werden. Die Fallgeschwindigkeit wird dabei über die Fallzeit durch eine gewählte
Fallstrecke gemessen. Die Messung soll für drei unterschiedliche Kugelradien durchgeführt werden.
Die Viskosität des Öls ist stark temperaturabhängig. Kontrollieren Sie während der Messungen
fortlaufend die Temperatur!
• Führen Sie den Versuch zunächst für die mittelgrossen Kügelchen durch. Wählen Sie ein
Kügelchen aus, lassen Sie es durch das Rizinusöl fallen und beobachten Sie seine Fallgeschwindigkeit qualitativ.
• Wählen Sie aufgrund Ihrer Beobachtung eine geeignete Fallstrecke für die weiteren Messungen
aus. Markieren Sie Startpunkt und Endpunkt auf dem Glaszylinder und messen Sie die Länge
∆l der Fallstrecke. Achten Sie bei der Wahl der Fallstrecke insbesondere darauf, dass die
Kügelchen bereits vor dem Startpunkt eine konstante Fallgeschwindigkeit erreicht haben.
Weiterhin sollte die Fallstrecke lang genug gewählt werden, sodass eine verlässliche Messung
der Fallzeit mit Hilfe einer Stopuhr möglich ist.
• Wählen Sie ein neues Kügelchen der gleichen Grösse aus und messen Sie seinen Durchmesser
mit Hilfe der Mikrometerschraube. Lassen Sie das Kügelchen durch das Öl fallen und messen
Sie die Zeit ∆t, die das Kügelchen benötigt, um die gewählte Fallstrecke zu durchlaufen.
Berechnen Sie die Fallgeschwindigkeit v = ∆l/∆t und die Viskosität η nach Gl. 3.15. Benutzen
Sie dabei den gemessenen Kugelradius und die folgenden Werte für die Dichten:
– Rizinusöl: ρFl = 0.96 × 103 kg m−3
– Kügelchen: ρK = 7.86 × 103 kg m−3
• Wiederholen Sie die Messung zunächst für insgesamt fünf verschiedene Kügelchen mittlerer
Grösse und dann für jeweils fünf der grösseren und fünf der kleineren Kügelchen. Wenn nötig,
wählen Sie für die Kügelchen unterschiedlicher Grösse jeweils die Start- und Endpunkte der
Fallstrecke neu.
• Bestimmen Sie den Mittelwert aller Ergebnisse und schätzen Sie den Fehler ab.
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42
3.4
3. Innere Reibung von Flüssigkeiten
Anhang
Die Bewegungsgleichung der fallenden Kugel ist von der Form
m·
dz
d2 z
=α−β·
dt2
dt
(3.18)
mit den Konstanten α = FG − FA und β = 6 π · η · r. Für die Geschwindigkeit v = dz/dt ergibt sich
damit die Differentialgleichung erster Ordnung:
m·
dv
=α−β·v
dt
(3.19)
deren Lösung eine Exponentialfunktion ist. Die genaue Form der Lösung ergibt sich aus den Randbedingungen. Ist die Anfangsgeschwindigkeit der Kugel Null, so ist der Term auf rechten Seite der
Gleichung positiv, d.h. dv/dt > 0 und die Geschwindigkeit der Kugel nimmt zu. Damit nimmt der
Term auf der rechten Seite ab, womit auch die Geschwindigkeitsänderung kleiner wird. Im Grenzfall
t → ∞ wird dv/dt = 0 und v∞ = α/β. Damit lautet die Lösung der Differentialgleichung
β
α v(t) = · 1 − e− m t
(3.20)
β
wie sich durch Einsetzen leicht verifizieren lässt. Die Kugel wird sich der Endgeschwindigkeit umso
schneller annähern je grösser die Viskosität der Flüssigkeit ist.
Ist die Anfangsgeschwindigkeit der Kugel v(t = 0) 6= 0, so gelten ähnliche Überlegungen. Die
Geschwindigkeit der Kugel wird sich asymptotisch immer dem gleichen Wert v∞ = α/β annähern.
Der Verlauf der Geschwindigkeitskurve für v(t = 0) = 0 und für zwei Werte von v(t = 0) > 0 sind
in Abb. 3.7 schematisch dargestellt.
υ
υ0
υ∞
υ0
0
t
Abbildung 3.7: Geschwindigkeitsverlauf der Kugel für v(t = 0) = 0 (durchgezogene Linie) und für
zwei Werte von v(t = 0) > 0 (gestrichelte Linien).
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DL
4. Optische Abbildung durch Linsen
4.1
Einleitung
Optische Linsen und Linsensysteme bilden die Grundlage zahlreicher bildgebender Apparate, die in
Wissenschaft und Technik wie auch im täglichen Leben Anwendung finden. Beispiele sind Brillen,
Lupen, Mikroskope, Fernrohre und Fotoapparate. Wesentliche Eigenschaften von Linsen und Linsensystemen können durch die einfachen Regeln der geometrischen Optik beschrieben werden. Diese
haben grundsätzlich dann ihre Gültigkeit, wenn die in einem betrachteten Problem auftretenden
Abstände gross gegenüber der Wellenlänge des sichtbaren Lichts sind und die Welleneigenschaften
des Lichts vernachlässigt werden können.
In diesem Versuch werden grundlegende Eigenschaften wie Brennweite und Abbildungsmassstab
von dünnen Linsen und Linsensystemen untersucht.
4.2
Theoretischer Teil
a) Brechung an einer sphärischen Trennfläche
Das einfachste optisch abbildende System besteht aus einer sphärischen Trennfläche mit Krümmungsradius r zwischen zwei Medien mit unterschiedlichen Brechungsindices n1 und n2 . Das Bild B eines
auf der optischen Achse liegenden Punktes G kann, wie in Abb. 4.1 veranschaulicht, mit Hilfe
achsennaher Lichtstrahlen konstruiert werden. Nach dem Brechungsgesetz gilt
sin ϕ1
n2
=
sin ϕ2
n1
n1
ϕ
1
G
α
g
(4.1)
n2
ϕ
2
γ
h β
r
B
b
Abbildung 4.1: Abbildung eines Punktes an einer sphärischen Grenzfläche.
43
44
4. Optische Abbildung durch Linsen
wobei α und β bezüglich der Normalen auf der Grenzfläche gemessen werden. Mit Abb. 4.1 ist
ϕ1 = α + β und ϕ2 = β − γ. Für achsennahe Strahlen sind diese Winkel klein, sodass
n2
sin (α + β)
α+β
=
≈
n1
sin (β − γ)
β−γ
(4.2)
n1 · α + n2 · γ = (n2 − n1 ) · β
(4.3)
oder
Mit h/g = tan α ≈ α, h/r = tan β ≈ β und h/b = tan γ ≈ γ folgt die Abbildungsgleichung
n1 n2
n2 − n1
+
=
g
b
r
(4.4)
Die Lage des Bildpunktes ist also vollständig durch die zwei Brechungsindices und den Krümmungsradius der Grenzfläche bestimmt.
F1
F2
f1
f2
F1 = objektseitiger Brennpunkt
F2 = bildseitiger Brennpunkt
Abbildung 4.2: Zur Definition der Brennpunkte.
Aus Gl. 4.4 ergeben sich zwei interessante Spezialfälle (siehe Abb. 4.2):
• Die Gegenstandsweite g ist gleich der objektseitigen Brennweite f1 , wenn der Bildpunkt im
Unendlichen (b = ∞) liegt, d.h. wenn alle vom Gegenstandspunkt ausgehenden Strahlen zu
achsenparallelen Strahlen werden
n1 · r
= f1
(4.5)
g =
n2 − n1
• Die Bildweite b ist gleich der bildseitigen Brennweite f2 , wenn der Gegenstandspunkt im
Unendlichen (g = ∞) liegt, d.h. wenn achsenparallel einfallende Strahlen in den Bildpunkt
gebrochen werden
n2 · r
b =
= f2
(4.6)
n2 − n1
Mit diesen Definitionen folgt
f2
n2
=
f1
n1
und die Abbildungsgleichung lässt sich schreiben
f1
f2
+
= 1
g
b
(4.7)
(4.8)
Die abbildenden Eigenschaften der sphärischen Grenzfläche können also auch durch die Angabe
der beiden Brennweiten f1 und f2 vollständig beschrieben werden.
Die Bildkonstruktion für einen ausgedehnten Gegenstand ist in Abb. 4.3 illustriert.
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4.2. THEORETISCHER TEIL
45
g
G
F1
F2
B
b
Abbildung 4.3: Bildkonstruktion an einer sphärischen Grenzfläche.
b) Abbildung durch optische Systeme
Ein optisches System (Fernrohr, Mikroskop, . . .) besteht aus mehreren Linsen, die auf einer optischen Achse angeordnet sind. Seine Abbildungseigenschaften können prinzipiell bestimmt werden,
indem man das System als eine Abfolge sphärischer Trennflächen zwischen zwei Medien unterschiedlichen Brechungsindexes betrachtet werden. Sind die objektseitigen und bildseitigen Brennweiten
jeder dieser Trennflächen bekannt, so kann die Bildkonstruktion durch wiederholte Anwendung der
oben beschriebenen Konstruktion durchgeführt werden. Beginnend mit dem abzubildenden Gegenstand und der ersten objektseitigen Trennfläche, wird dabei jeweils das Bild einer Trennfläche als
Gegenstand der nächstfolgenden Trennfläche behandelt. Das Bild der letzten Trennfläche ist dann
das Bild des optischen Systems als Ganzes.
H1
G
H2
F1
F2
B
g
f1
f2
b
Abbildung 4.4: Bildkonstruktion mit Hilfe von Hauptebenen.
Eine sehr viel einfachere Methode zur Bildkonstruktion ist in Abb. 4.4 illustriert. Man kann zeigen,
dass sich ein beliebiges Linsensystem durch die Angabe eines objektseitigen und eines bildseitigen
Brennpunkts sowie zweier Hauptebenen vollständig beschreiben lässt. Achsenparallel einfallende
Strahlen werden in der bildseitigen Hauptebene H2 gebrochen und kreuzen sich im bildseitigen
Brennpunkt F2 , während vom objektseitigen Brennpunkt F1 ausgehende Strahlen in der objektseitigen Hauptebene H1 gebrochen werden und als achsenparallele Strahlen austreten. Zwischen
den beiden Hauptebenen verlaufen alle Strahlen achsenparallel. Bei diesem Strahlengang handelt
es sich um eine Abstraktion; der tatsächliche Verlauf der Lichtstrahlen durch das optische System
ist viel komplizierter.
• Bei einer sogenannten dünnen Linse fallen beide Hauptebenen mit der Linsenebene zusammen. Bei dünnen Linsen kann zur Bildkonstruktion auch der so genannte Mittelpunktsstrahl
verwendet werden (vgl. Strahl L1 in Abb. 4.6).
• Für dicke Linsen oder Linsensysteme können die Hauptebenen, wie in Abb. 4.5 anhand einiger
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46
4. Optische Abbildung durch Linsen
Beispiele skizziert, durchaus ausserhalb der Linse oder des Linsensystems liegen.
H1 H2
H1
H2
H1 H2
Abbildung 4.5: Lage der Hauptebenen für verschiedene dicke Linsen.
Die Abbildungsgleichung (Gl. 4.8) gilt auch für dicke Linsen und Linsensysteme, wobei die Gegenstandsweite g und die objektseitige Brennweite f1 von der objektseitigen Hauptebene aus, die
Bildweite b und die bildseitige Brennweite f2 von der bildseitigen Hauptebene aus gemessen werden.
Befinden sich der Gegenstand G und das Bild B im gleichen Medium, so sind die objektseitige und
die bildseitige Brennweite gleich (f1 = f2 = f ). Die Abbildungsgleichung vereinfacht sich dann zu:
1
1
1
+
=
g
b
f
(4.9)
und der Abbildungsmassstab des optischen Systems ist gegeben durch
B
b
= −
G
g
(4.10)
(vergleiche auch die Konstruktion des Bildes in Abb. 4.4).
c) Reelle und virtuelle Bilder
In Abb. 4.6 ist am Beispiel einer dünnen Sammellinse die Konstruktion reeller Bilder und virtueller Bilder illustriert. Ein reelles Bild entsteht, wenn sich die Lichtstrahlen tatsächlich in einem
Punkt schneiden. Ein virtuelles Bild ensteht, wenn sich nur die Rückverlängerungen der wirklichen
Lichtstrahlen in einem Punkt schneiden. Reelle Bilder können auf einem Schirm sichtbar gemacht
werden, virtuelle Bilder nicht.
b
g
L1
G
B
F2
F1
B
G
F1
g
F2
b
f
f
f
f
Abbildung 4.6: Reelles (links) und virtuelles (rechts) Bild an einer dünnen Sammellinse.
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4.2. THEORETISCHER TEIL
g > 2f
2f > g > f
g<f
g = 2f
g=f
47
F1
f
F1
f
F1
f
F1
f
F1
f
Abbildung 4.7: Übungen zur Bildkonstruktion an einer dünnen Sammellinse.
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48
4. Optische Abbildung durch Linsen
4.3
Experimenteller Teil
Im ersten Teil des Versuchs sollen die Brennweiten zweier dünner Linsen bestimmt, im zweiten
Versuchsteil ein Gegenstand mit vorgegebener Vergrösserung bzw. vorgegebener Gegenstandsweite
abgebildet und im dritten Versuchsteil die Brennpunkte und die Hauptebenen eines Linsensystems
bestimmt werden.
Als Vorbereitung auf den eigentlichen Versuch soll zunächst anhand der in Abb. 4.7 gezeigten
Beispiele die Bildkonstruktion an einer dünnen Sammellinse geübt werden.
• Konstruieren Sie für jedes der fünf gezeigten Beispiele das Bild des Pfeils und bestimmen Sie
jeweils den Abbildungsmassstab aus der Figur.
a) Bestimmung der Brennweite dünner Linsen
Die Brennweiten einer dünnen Sammellinse und einer dünnen Streulinse sollen mit den in Abb. 4.8
illustierten Anordnungen bestimmt werden. Das dafür benötigte parallele Licht kann, wie in Abb. 4.9
dargestellt, mit Hilfe einer Lochblende und einer Sammellinse erzeugt werden. Die möglichst kleine Lochblende wird mit einer Lampe beleuchtet und genau in den Brennpunkt der Sammellinse
geschoben. Das austretende Licht rechts von der Linse ist dann achsenparallel.
Sammellinse
Streulinse
R2
R1
F
F
d
f
f
Schirm
Blende 1
Blende 2
Schirm
Abbildung 4.8: Bestimmung der Brennweite dünner Sammel- und Streulinsen mit Hilfe von parallelem Licht.
f
Lochblende
Spiegel
Abbildung 4.9: Erzeugung parallelen Lichts mit Hilfe einer Sammellinse.
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
4.3. EXPERIMENTELLER TEIL
49
• Setzen Sie die in Abb. 4.9 gezeigte Anordnung zur Erzeugung von parallelem Licht zusammen.
Verifizieren Sie die Parallelität des austretenden Lichts, indem Sie es mit Hilfe des Spiegels in
sich selbst zurückwerfen und das Bild des reflektierten Lichts auf der Lochblende beobachten.
Verschieben Sie die Linse solange, bis der Durchmesser des reflektierten Lichtflecks minimal
ist. Überlegen Sie sich, warum die Lichtstrahlen rechts von der Linse jetzt parallel sind.
• Entfernen Sie nun den Spiegel und setzen Sie die zu vermessende Sammellinse und den Schirm,
wie links in Abb. 4.8 gezeigt, in den Strahlengang. Verschieben Sie den Schirm solange, bis
der Durchmesser des Lichtflecks auf dem Schirm minimal ist. Bestimmen Sie die Brennweite
der Linse aus dem Abstand zwischen Linse und Schirm und schätzen Sie den Fehler ab.
• Entfernen Sie nun die Sammellinse und setzen Sie die zu vermessende Streulinse und die zwei
Kreisblenden, wie rechts in Abb. 4.8 gezeigt, in den Strahlengang. Verschieben Sie die zweite
Kreisblende so, dass sie das durch die erste Kreisblende durchtretende Licht durchlässt und
Sie eine Lichtkreis auf dem Schirm sehen. Messen Sie die zwei Radien R1 und R2 sowie den
Abstand d zwischen der Linse und der zweiten Kreisblende, und berechnen Sie die Brennweite
der Linse mit Hilfe des Strahlensatzes. Schätzen Sie den Fehler ab.
b) Abbildung eines Gegenstands mit Hilfe einer Linse bekannter Brennweite
Ein Gegenstand soll mit Hilfe einer Linse bekannter Brennweite zunächst so abgebildet werden,
dass er auf dem Schirm dreifach vergrössert erscheint. Dann soll er mit Hilfe der gleichen Linse
so abgebildet werden, dass sein Bild genau 1 m von der Linsenebene entfernt scharf erscheint. In
beiden Fällen sollen die korrekten Positionen von Gegenstand, Linse und Schirm zunächst mit Hilfe
der Gl. 4.9 und 4.10 bestimmt und dann im Experiment verifiziert werden.
• Berechnen Sie die Abstände zwischen Gegenstand, Linse und Schirm, die für die gegebene
Brennweite der Linse einen Abbildungsmassstab von drei ergeben.
• Setzen Sie den Aufbau mit den berechneten Abständen zusammen. Verifizieren Sie, dass das
Bild auf dem Schirm scharf ist. Messen Sie Gegenstandsgrösse und Bildgrösse und berechnen
Sie den tatsächlichen Abbildungsmassstab.
• Berechnen Sie den Abstand von Gegenstand und Linse, für den sich im einem Abstand von
1 m von der Linse ein scharfes Bild ergibt.
• Setzen Sie den Aufbau mit dem berechneten Abstand zusammen, und verifizieren Sie, dass
das Bild auf dem Schirm tatsächlich scharf ist.
c) Bestimmung der Brennpunkte und der Hauptebenen eines Linsensystems
Die Bestimmung der Brennweite und der zwei Hauptebenen eines Linsensystems mit Hilfe von
parallelem Licht soll am Beispiel einer einfachen dicken Linse demonstriert werden. Zur Erinnerung:
Die Lage der bildseitigen Hauptebene ist diejenige gedachte Ebene, in der achsenparallel einfallende
Strahlen so gebrochen werden, dass sie sich im bildseitigen Brennpunkt schneiden (siehe Abb. 4.4).
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
50
4. Optische Abbildung durch Linsen
B1
H2
B2
S
R1
R2
F2
h2
f2
S2
d2
Abbildung 4.10: Bestimmung der bildseitigen Hauptebene eines Linsensystems mit Hilfe von parallelem Licht.
Ihre Lage soll mit der in Abb. 4.10 illustrierten Anordnung bestimmt werden. Das dazu benötigte
parallele Licht wird wie im ersten Versuchsteil mit Hilfe einer beleuchteten Lochblende und einer
dünnen Sammellinse erzeugt.
• Setzen Sie wieder die in Abb. 4.9 dargestellte Anordnung zur Erzeugung parallelen Lichts
zusammen, und verifizieren Sie die Parallelität des austretenden Lichts.
• Entfernen Sie den Spiegel und setzen Sie die zu vermessende dicke Linse und den Schirm in
den Strahlengang. Schieben Sie den Schirm in den bildseitigen Brennpunkt des Linsensystems
(betrachten Sie dazu den Lichtfleck auf dem Schirm und verschieben Sie den Schirm so, dass
der Durchmesser des Lichtflecks minimal wird).
• Setzen Sie jetzt , wie in Abb. 4.10 gezeigt, zusätzlich die beiden Kreisblenden B1 und B2 in den
Strahlengang. Verschieben Sie die Kreisblende B2 so, dass sie das durch die erste Kreisblende
durchtretende Licht durchlässt, und Sie den Lichtpunkt auf dem Schirm sehen. Messen Sie
die beiden Radien R1 und R2 sowie den Abstand d2 zwischen Schirm und Blende B2 , und
berechnen sie die Brennweite f2 mit Hilfe des Strahlensatzes. Messen Sie den Abstand S2
zwischen Schirm und Ende des Linsensystems, und bestimmen Sie den Abstand h2 zwischen
dem Ende des Linsensystems und der bildseitigen Hauptebene. Was bedeutet das Vorzeichen
von h2 ?
• Setzen Sie nun die dicke Linse umgekehrt (d.h. mit der Rückseite nach vorn) in den Strahlengang, wiederholen Sie die Messung, und bestimmen Sie so die Position der zweiten Hauptebene. Kontrollieren Sie dabei auch, ob die beiden Brennweiten tatsächlich gleich sind.
• Berechnen Sie den Abstand der zwei Hauptebenen voneinander und zeichnen Sie das Ergebnis
Ihrer Messungen massstabsgetreu auf.
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KL
5. Kennlinien elektrischer Leiter
5.1
Einleitung
Wird an einen elektrischen Leiter eine Spannung V angelegt, so fliesst ein Strom I. Als Widerstand
des Leiters wird der Quotient aus Spannung und Strom definiert:
R = V /I
Einheit: 1 V/A = 1 Ohm = 1 Ω
(5.1)
Der Widerstand hängt vom Material und von der Geometrie des Leiters ab. Im einfachsten Fall
ist der Strom proportional zur angelegten Spannung, der Widerstand also konstant. In diesem Fall
handelt es sich um einen “Ohmschen” Widerstand, es gilt das Ohm’sche Gesetz:
R = V /I = konst.
bei konstanter Temperatur T
(5.2)
In Wirklichkeit ist diese einfache Proportionalität nie exakt vorhanden, sondern der Strom hängt in
viel komplizierterer Weise von der angelegten Spannung ab. Die Eigenschaften solcher Leiter werden
grafisch in Form von sog. Kennlinien oder Charakteristiken, welche den Strom als Funktion
der Spannung darstellen, angegeben.
I(V)
I(V)
I2
I1
V1
V2
V
V
Abbildung 5.2: Kennlinie für einen Leiter mit
konstantem (“Ohmschem”) Widerstand.
Abbildung 5.1: Kennlinie eines elektrischen
Leiters.
In der in Abbildung 5.1 dargestellten Kennlinie ist R = V /I nicht konstant, es gilt R1 = V 1/I1 >
R2 = V 2/I2. Der Widerstand nimmt mit zunehmender Spannung ab. Ist die Kennlinie eine Gerade
durch den Nullpunkt, wie in Abbildung 5.2 dargestellt, so ist R = konstant (Ohm’sches Gesetz).
51
52
5. Kennlinien elektrischer Leiter
In diesem Versuch werden die Kennlinien verschiedener Leitertypen untersucht. Die Form der Kennlinien liefert Informationen über die dabei vorkommenden Leitungsmechanismen. Stichworte zu
diesem Versuch sind:
• elektrische Stromkreise,
• Kirchhoffsche Regeln,
• elektrischer Widerstand verschiedener Elemente,
• Ohmsches Gesetz,
• Messung von Spannung und Strom, und
• Kennlinien verschiedener Elemente
5.2
5.2.1
Theoretischer Teil
Metallische Leiter
Die Leitfähigkeit von Metallen und ihren Legierungen kommt durch die freien Elektronen, die
im Ionengitter leicht beweglich sind, zustande. Bei konstanter Temperatur ist der Widerstand unabhängig von der Spannung und es gilt das Ohmsche Gesetz. Wird aber die Temperatur nicht durch
Kühlung konstant gehalten, so bewirkt die beim Stromdurchgang erzeugte Wärme Q = I · V · t eine
Temperaturerhöhung des Leiters (vgl. Toaster). Dabei nimmt der Widerstand im Allgemeinen zu.
Im einfachsten Fall hängt R linear von der Temperatur ab. Ist T die absolute Temperatur, dann
gilt:
R = R0 (1 + αT )
R
Der Temperaturkoeffizient
α =
1 dR
R0 dT
T
(5.3)
gibt die relative Widerstandsänderung pro Grad
Temperaturänderung an.
Abbildung 5.3: Lineare Abhängigkeit
des Widerstandes von der Temperatur.
Für reine Metalle ist α = 1/273 ≈ 0.4% pro Grad. Durch Verwendung von Legierungen kann α auf
etwa 0.002% pro Grad gesenkt werden.
5.2.2
Halbleiter
Die Leitfähigkeiten von Halbleitern liegen zwischen denjenigen von Isolatoren und Metallen. Die
moderne Technik der Herstellung von Halbleitern aus verschiedenen Materialien und Schichten
ermöglicht es sowohl die Zahl der Leitungselektronen als auch ihre Beweglichkeit in weiten Grenzen
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
5.2. THEORETISCHER TEIL
53
zu variieren. Durch Zugabe von Fremdatomen (Verunreinigungen, Dotierungen) kann die Leitfähigkeit eines Halbleiters stark erhöht werden. Hier unterscheidet man:
• n-dotiertes Material: In das Gitter eines aus vier-wertigen Atomen bestehenden Halbleiterkristalls (z.B. Silizium oder Germanium) werden Atome eines fünf-wertigen Elementes
eingebaut. In der äussersten Schale dieser Fremdatome ist ein Elektron zu viel vorhanden.
Dieses Elektron ist fast frei beweglich und trägt zur Leitfähigkeit bei. Man nennt diese Fremdatome Donatoren.
• p-dotiertes Material: In das Kristallgitter werden Atome eines drei-wertigen Elementes
eingebaut. In der äussersten Schale der Fremdatome fehlt jetzt ein Elektron. Dieses “Loch”
ist bestrebt, ein Elektron aufzunehmen. Wird das Loch durch ein Gitterelektron aufgefüllt,
entsteht an anderer Stelle ein Loch; man spricht von Löcherwanderung. Diese Fremdatome
nennt man Akzeptoren.
Im Folgenden werden einige Anwendungsbeispiele für Halbleiter beschrieben:
Thermistoren
Der Widerstand von Thermistoren ist stark temperaturabhängig. Die sog. NTC (Negative Temperature Coefficient)-Widerstände bestehen aus Oxiden von Cr, Mn, Fe oder ähnlichen. In Fe2 03 ist
zum Beispiel ein Teil der Fe3+ -Ionen durch Fe2+ - oder Ti4+ -Ionen ersetzt. Mit zunehmender Temperatur wird das überzählige Elektron des Fe2+ -Iones frei und zum Leitungselektron (n-Material);
der Widerstand des Materials sinkt. Solche Widerstände können zur Temperaturmessung verwendet werden, da ihre Temperaturkoeffizienten zwischen -2% und -6% pro Grad liegen. Abbildung 5.4
zeigt einige Kennlinien und die Temperaturabhängigkeit eines NTC-Widerstandes.
I(V)
R
T3
T2
T1
T1 < T2 < T3
V
T
Abbildung 5.4: Kennlinien eines Thermistors für verschiedene Temperaturen (linkes Bild) und
Abhängigkeit des Widerstandes von der Temperatur (rechtes Bild).
Halbleiter-Dioden
Eine Halbleiterdiode besteht aus einer p-Material- und einer n-Material-Schicht. Der Kontakt zwischen p-leitendem und n-leitendem Halbleitermaterial erzeugt den pn-Übergang, welcher typisch
ist für die grosse Gruppe der Halbleiterdioden. Diese finden ihren Einsatz ganz allgemein in der
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
54
5. Kennlinien elektrischer Leiter
Gleichrichtung von Spannungen unterschiedlicher Polarität. Die typische
Kennlinie einer Halbleiterdiode zeigt
Abbildung 5.5. Während der Strom
in Durchlassrichtung schon bei kleiner
Spannung rasch ansteigt, ist er in Sperrrichtung sehr klein, bis zur maximal
zulässigen Sperrspannung, die je nach
Bauart zwischen -10 V und -10 kV liegen kann.
I(V)
Vz
V
Sperrgebiet
Durchlassgebiet
Abbildung 5.5: Kennlinie einer Diode.
Vz ist die maximale Sperrspannung.
Dieses Verhalten der Diode lässt sich folgendermassen erklären:
Durchlassrichtung
+ + + __ _ __
_
+
+ ++ _ _
p
n
I
+ _
V0
Die Löcher des p-Materials werden in die n-Schicht,
die freien Elektronen des n-Materials in die p-Schicht
getrieben, d.h. es fliesst dauernd ein Strom durch die
Grenzschicht. Der Widerstand der Trennschicht ist
sehr klein.
Abbildung 5.6: Diode in Durchlassrichtung.
Sperrrichtung
+ + + __ _ __
_
+ + _ _
+ +
p
n
Löcher der p-Schicht und Elektronen der n-Schicht
wandern von der Grenzschicht weg, d.h. Ladungsträger beider Vorzeichen werden aus der Grenzschicht
entfernt. Es entsteht eine nichtleitende Zone. Nach
dem Aufbau der sog. Sperrschicht fliesst kein Strom
mehr.
_ +
V0
Abbildung 5.7: Diode in Sperrrichtung.
Für Dioden verwendet man die in der Abbildung 5.8 gezeichneten Symbole. Die Diode leitet, wenn
die Dreiecksspitze in Richtung des Spannungsabfalls zeigt:
+
Durchlassrichtung
+
Sperrrichtung
Abbildung 5.8: Symbol für Diode in Durchlass- und in Sperrrichtung.
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5.2. THEORETISCHER TEIL
55
V
Dioden werden zum Beispiel zur
Gleichrichtung von Wechselströmen
benützt.
V=V0 sin(ωt)
~
t
R
I
I
Abbildung 5.9: Diode als Gleichrichter.
5.2.3
t
Lichtabhängige Widerstände
Lichtabhängige Widerstände bestehen zum Beispiel aus CdS, einem Material in welchem einfallendes Licht Elektronen freisetzt und so eine Verkleinerung des Widerstandes bewirkt.
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56
5. Kennlinien elektrischer Leiter
5.3
5.3.1
Experimenteller Teil
Aufgabenstellung
• Messung der Kennlinie für folgende Elemente:
– Ohmscher Widerstand
– Glühlampe
– Diode
• Qualitative Beobachtung der Widerstandsänderung an einem lichtempfindlichen Widerstand
• Betrachtung der Temperaturabhängigkeit des Widerstands eines Thermistors
5.3.2
Versuchsdurchführung
Wichtige Hinweise bevor Sie beginnen !
• Während einer Messreihe sollte der Messbereich der Instrumente nicht geändert werden.
• Der Maximalstrom von 200 mA darf nie überschritten werden, sonst brennt die Sicherung
durch!
Messung der Kennlinien
• Nehmen Sie die Kennlinien mit der in Abbildung 5.10 skizzierten Schaltung auf. Am
Potentiometer Rp (es ist im Spannungsgerät
eingebaut) können Spannungen zwischen 0
und V0 abgegriffen werden.
• Ohm’scher Widerstand: Berechnen Sie
für den Widerstand R aus der angegebenen maximalen Leistung P den maximalen Strom Imax für die maximale Spannung Vmax und wählen Sie dann auf dem
Ampèremeter den passenden Messbereich.
Nehmen Sie dann die Kennlinie in Schritten
von 5 V auf. Lesen Sie zu jedem Spannungswert den entsprechenden Strom ab.
I
V0
RP
V
RL = - Ohm'scher Widerstand
- Glühlampe
- Diode
Abbildung 5.10: Anordnung zur Messung der Kennlinien.
• Glühlampe: Die maximal zulässige Spannung ist angegeben. Erhöhen Sie die Spannung
langsam bis Sie den Grenzwert von Spannung oder Strom (200 mA) erreichen und legen Sie
die passenden Messbereiche der Instrumente fest. Nehmen Sie die Kennlinie von 0 V an in
Schritten von 5 V auf. Lesen Sie zu jedem Spannungswert den entsprechenden Strom ab.
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
RL
5.3. EXPERIMENTELLER TEIL
57
• Diode: Messen Sie die Kennlinie der Diode für positive und für negative Spannungen (Diode
umpolen!). Messen Sie den Bereich, in dem die Diode zu leiten beginnt, in möglichst kleinen
Schritten (0.02V) aus. Achtung: Der Strom in der Diode steigt sehr plötzlich an! Der maximal
zulässige Strom ist angegeben.
• Stellen Sie die Messwerte in einer übersichtlichen Tabelle zusammen.
Fotowiderstand
• Prüfen Sie qualitativ, wie bei fester Spannung (V = 3 V) der Widerstand von der Intensität
des einfallenden Lichtes abhängt, indem Sie den Widerstand verschieden stark mit der Hand
abdecken und den Strom jeweils ablesen.
Thermistor
Die Versuchsanordnung ist in der Abbildung 5.11 skizziert. Bei fester Spannung soll der Widerstand
des Thermistors als Funktion der Temperatur bestimmt werden.
Thermometer
I
V0
V
NTC
Wasser
Dewar
Abbildung 5.11: Anordnung zur Messung der Kennlinie des Thermistors (NTC).
• Stellen Sie eine feste Spannung von 10 V ein.
• Messen Sie den Strom für fünf verschiedene Wassertemperaturen zwischen ca. 10◦ C und 90◦ C.
Wichtig: Warten Sie vor der Messung und dem Ablesen des Thermometers jeweils, bis sich
Temperaturgleichgewicht eingestellt hat.
5.3.3
Auswertung
Kennlinien
• Zeichnen Sie die drei Kennlinien auf Millimeterpapier auf.
• Berechnen Sie für jeden Messpunkt (V ,I) den Widerstand R = V /I und stellen Sie R grafisch
als Funktion von V dar (5.12).
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
58
5. Kennlinien elektrischer Leiter
I
R
V
Ri = i
Ii
Ii
Vi
Ri
Vi
V
V
Abbildung 5.12: Auswertung der Kennlinien.
Thermistor
• Berechnen Sie aus den Strom- und Spannungswerten für jede der fünf Temperaturen den
Widerstand und zeichnen Sie diesen als Funktion der Temperatur auf Millimeterpapier auf.
wobei A und B Konstanten und T die Temperatur in Kelvin sind. Durch Logarithmieren ergibt sich (siehe auch den Versuch Kapazitäten (C)) :
ln R = ln A +
B
T
ln R
Δln 1/T
(5.5)
Tragen Sie ln R als Funktion von 1/T auf
und bestimmen Sie B aus der Steigung und
A aus dem Achsenabschnitt der sich ergebenden Geraden.
Δln R
1/T
ln A
• Der Widerstand des verwendeten Thermistors hängt exponentiell von der Temperatur ab:
R(T ) = A eB/T
(5.4)
B=
∆ ln R
∆1/T
Abbildung 5.13: Steigung der Geraden.
• Der Temperaturkoeffizient α entspricht der relativen Widerstandsänderung pro Grad Temperaturänderung. Er kann für den Thermistor durch Ableiten von Gleichung (5.4) nach der
Temperatur T berechnet werden:
dR
B
B/T
= Ae
− 2
dT
T
1 dR
B
= − 2
R dT
T
Der Term auf der linken Seite dieser Gleichung ist gerade die relative Widerstandsänderung
pro Grad Temperaturänderung, d.h. der Temperaturkoeffizient α. Es ist also:
α=
1 dR
B
= − 2
R dT
T
Berechnen Sie α für T = 300 K.
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(5.6)
5.4. ANHANG
5.4
5.4.1
59
Anhang
Einfluss der Innenwiderstände von Messinstrumenten
Jedes Messinstrument hat einen endlichen Innenwiderstand. Bei der Messung kleiner Widerstände
RL kann der Innenwiderstand RiA des Ampèremeters nicht gegenüber RL vernachlässigt werden.
Unter Berücksichtigung der Innenwiderstände erhält man dann folgendes Schaltung:
RiA
I
V0
RP
I
K
I2
I1
Der gemessene Strom teilt sich im Punkt K in
einen Strom I1 durch das Voltmeter und einen
Strom I2 durch den Widerstand RL auf:
I = I1 + I2
RL
V
V
RiV
= I1 RiV = I2 RL
Also:
I1 = I2
Abbildung 5.14: Anordnung zur Messung
kleiner Widerstände RL .
RL
→ 0
RiV
für RiV RL
Ist also der Innenwiderstand des Voltmeters viel grösser als RL , so ist der Strom I1 durch das
Voltmeter sehr klein und der gemessene Strom I stimmt mit dem tatsächlich durch RL fliessenden
Strom I2 = I − I1 gut überein. Ein gutes Voltmeter hat deshalb einen grossen Innenwiderstand
(107 − 108 Ω).
Um grosse Widerstände RL zu messen, d.h. wenn RiV gegen RL nicht zu vernachlässigen ist, baut
man die Schaltung wie folgt auf:
RiA
I
V0
RP
V
I
Die gemessene Spannung setzt sich aus dem Spannungsabfall am Ampèremeter und dem Spannungsabfall an RL zusammen:
RL
RiV
V = IRiA + IRL
Also:
RL =
V
V
− RiA →
I
I
für RiA RL
Abbildung 5.15: Anordnung zur Messung
grosser Widerstände RL .
Der Innenwiderstand eines guten Ampèremeters soll also möglichst klein sein. Beim verwendeten
Instrument beträgt er etwa 1Ω bei 200 mA Messbereich.
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
60
5. Kennlinien elektrischer Leiter
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
P
6. Polarisation
6.1
Einleitung
Interferenz- und Beugungserscheinungen, wie sie in dem Versuch Interferenz und Spektrometer
untersucht werden, zeigen die Wellennatur des Lichts. Polarisationsmessungen zeigen ferner, dass
es sich bei Lichtwellen um transversale Wellen handelt. Wie in den Abbildungen 6.1 und 6.2 am
Beispiel einer auf einem Seil fortlaufenden mechanischen Welle illustriert, kann bei transversalen
Wellen die Transmission der Welle von der Schwingungsrichtung abhängen.
Spalt
Abbildung 6.1: Ist die Schwingungsrichtung
der einfallenden Seilwelle parallel zum Spalt,
so dringt die Welle ungehindert durch den
Spalt.
Abbildung 6.2: Steht die Schwingungsrichtung der Seilwelle senkrecht zum Spalt, wird
die Welle nicht durchgelassen, sondern reflektiert.
Die Schwingungsrichtung der Welle wird als Polarisationsrichtung bezeichnet. Die Transmission der
Seilwelle durch den Spalt hängt von der Polarisationsrichtung und der Stellung des Spalts ab. Das
Modell zeigt auch, dass die Polarisation einer Welle nur in einem anisotropen Medium nachgewiesen
werden kann. Einem isotropen Medium würde im Modell ein kreisförmiges Loch anstelle des Spaltes
entsprechen. Die Transmission durch dieses Loch wäre unabhängig von der Polarisationsrichtung.
In diesem Versuch werden verschiedene Untersuchungen zur Polarisation sichtbaren Lichts durchgeführt. Die Beobachtungen sollen beschrieben und so weit als möglich auch erklärt werden. Stichworte zu diesem Versuch sind:
• (elektromagnetische) Wellen, ihre Beschreibung und Eigenschaften
• Polarisation
61
62
6. Polarisation
6.2
Theoretischer Teil
Sichtbares Licht sind elektromagnetische Wellen mit Wellenlängen im Bereich von etwa 400 nm
bis etwa 700 nm. Die räumlich und zeitlich variablen elektrischen und magnetischen Felder stehen
dabei senkrecht zur Fortpflanzungsrichtung (Abbildungen 6.3 und 6.4).
y
y
t = const. Ortsbild
E
E
x
B
B
z
x = const. Zeitbild
E
t
B
z
Abbildung 6.3: Elektromagnetische Welle im
Ortsbild.
E
B
Abbildung 6.4: Elektromagnetische Welle im
Zeitbild.
~
Als Polarisationsrichtung einer elektromagnetischen Welle wird die Richtung des E-Vektors
bezeich~
net (in älteren Büchern ist gelegentlich noch die Richtung des B-Feldes als Polarisationsrichtung
angegeben).
~
Schwingt der E-Vektor
einer elektromagnetischen Welle immer in derselben Richtung, spricht man
von linear polarisiertem Licht. Natürliches Licht ist unpolarisiert. Die Atome einer Lichtquelle
~
senden unabhängig voneinander einzelne kurze Wellenzüge aus, deren E-Vektoren
statistisch verteilt
in allen Richtungen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung schwingen. Linear polarisiertes Licht kann
aber mit Hilfe von Polarisatoren aus natürlichem Licht hergestellt werden.
y
z
E
Ey
Ez
x
Abbildung 6.5: Zerlegung des elektrischen
~
Feldes E.
6.2.1
Wählt man in einer Ebene senkrecht zur
Fortpflanzungsrichtung der Welle eine y- und
~
eine z-Richtung, so lässt sich jeder E-Vektor
in zwei Komponenten Ey und Ez zerlegen
(Abbildung 6.5). Bei der “Polarisation” des
Lichts wird die eine Komponente, z.B. Ey ,
unterdrückt und die andere durchgelassen.
Nach der Polarisation ergibt sich dann eine
in z-Richtung linear polarisierte Welle. Zur
Polarisation von Licht stehen verschiedene
Methoden zur Verfügung, von denen zwei im
folgenden kurz diskutiert werden.
Polarisationsfilter
Für gewisse Kristalle, z.B. Herapathit und Turmalin hängt das Absorptionsvermögen von der Polarisationsrichtung des einfallenden Lichtes ab. In Polarisationsfiltern liegen nadelförmige Kristalle
ausgerichtet in einer amorphen Trägersubstanz (Abbildung 6.6). In der Längsrichtung der Kristalle
sind die Elektronen der Moleküle leicht beweglich. Unter der Wirkung der zu dieser Richtung paral-
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
6.2. THEORETISCHER TEIL
63
~
lelen Komponente des E-Vektors
fliessen Ströme in den Kristallen und Feldenergie wird absorbiert.
~
Die Komponente des E-Vektors parallel zur Längsachse der Kristalle wird damit stark absorbiert,
die Komponente senkrecht zur Längsachse jedoch grösstenteils durchgelassen. Nach dem Durchgang
durch den Filter ist das Licht weitgehend linear polarisiert.
y
y
E E
Ez
z
ausgerichtete Kristalle
Ey
E
E
x
z
unpolarisiertes Licht
linear polarisiertes Licht
Abbildung 6.6: Lineare Polarisation in einem Kristall.
6.2.2
Doppelbrechung
Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Licht in einem Medium ist v = c/n. Dabei ist c die Vakuumlichtgeschwindigkeit und n der Brechungsindex des Materials. In optisch anisotropen Kristallen,
d.h. in allen Kristallen mit nicht-kubischer Symmetrie, hängt der Brechungsindex von der Einfallsrichtung des Lichtes, bzw. von dessen Polarisationsrichtung ab.
Fällt ein Lichtstrahl auf einen derartigen Kristall, so wird er in zwei senkrecht zueinander polarisierte Strahlen aufgespalten: den sogenannten ordentlichen und den ausserordentlichen Strahl
(Abbildung 6.7). Der ordentliche Strahl gehorcht dem bekannten Brechungsgesetz der geometrischen Optik, der ausserordentliche dagegen nicht. Man nennt diese Kristalle doppelbrechend. In
jedem Kristall existiert mindestens eine Richtung, in welcher keine Doppelbrechung auftritt, d.h.
jeder Kristall besitzt eine oder mehrere optische Achsen.
Der am häufigsten verwendete doppelbrechende Kristall ist der Kalkspat (CaCO3 ).
optische
Achse
CaCO3
ausserordentlicher
Strahl
unpolarisiertes
Licht
ordentlicher
Strahl
Abbildung 6.7: Doppelbrechung in einem anisotropen Kristall, z.B. Kalkspat
(CaCO3 ).
68°
Um linear polarisiertes Licht zu erhalten, muss einer der beiden Strahlen ausgeblendet werden
(Abbildung 6.8). Dazu wird ein Kalkspat entlang der kleineren Diagonale entzwei geschnitten und
mit Kanadabalsam wieder zusammengekittet. Der gebrochene, d.h. der ordentliche Strahl wird an
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
64
6. Polarisation
der Trennschicht total reflektiert und ausgeblendet. Der praktisch ungebrochene ausserordentliche
Strahl ist linear polarisiert.
Nicolsches Prisma
ordentlicher Strahl (n = 1.66)
Kanadabalsam (n = 1.54)
unpolarisiertes Licht
linear polarisiertes Licht
68°
ausserordentlicher Strahl (n = 1.49)
Abbildung 6.8: Polarisation mit einem Nicolschen Prisma.
6.2.3
Polarisation durch Streuung
Dringt unpolarisiertes Licht durch eine trübe Flüssigkeit, so wird es teilweise an den Partikeln
gestreut (die Streuung ist umso stärker je kürzer die Wellenlänge ist). Das senkrecht zur Einfallsrichtung gestreute Licht ist vollständig polarisiert. In allen andern Richtungen (α 6= 90◦ ) ist die
Polarisation partiell (Abbildung 6.9).
Das Sonnenlicht wird beim Durchgang durch die Atmosphäre gestreut, wobei bevorzugt die blauen
Komponenten nach allen Seiten gestreut werden. Deshalb erscheint ein klarer Himmel blau. Das
Himmelsblau ist dabei teilweise polarisiert, und zwar am stärksten unter einem Winkel von 90◦
zur Sonne. An einem klaren Tag kann man sich hiervon leicht mit Hilfe eines Polarisationsfilters
überzeugen.
unpolarisiertes
Licht
α
α ≠ 90°
vollständig linear
polarisiertes Licht
teilweise
polarisiertes Licht
Abbildung 6.9: Polarisation durch Streuung.
6.2.4
Nachweis linear polarisierter Strahlung
Wird unpolarisiertes Licht nacheinander durch zwei Polarisatoren geschickt, so hängt die durchgehende Intensität von der relativen Stellung der beiden Polarisatoren ab. Bei paralleler Anordnung
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
6.2. THEORETISCHER TEIL
65
ist die Intensität maximal, bei gekreuzter Anordnung minimal (Abbildungen 6.10 und 6.11). Der
zweite Polarisator wird damit zum Analysator. Sind Polarisator und Analysator gekreuzt, so spricht
man von einer Dunkelfeld-Anordnung.
y
y
unpolarisiertes
Licht
x
z
z
Polarisator
Intensität
I = Imax
Analysator
y
unpolarisiertes
Licht
x
z
y
Polarisator
Intensität
I≈0
z
Analysator
Abbildung 6.10: Parallele (oben) und gekreuzte (unten) Anordnung von zwei Polarisationsfiltern.
unpolarisiertes
Licht
Polarisator
I =Imax
Analysator
x
unpolarisiertes
Licht
Polarisator
I≈0
Analysator
x
Abbildung 6.11: Parallele (links) und gekreuzte (rechts) Anordnung von zwei Nicol-Prismen.
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
66
6. Polarisation
6.3
Experimenteller Teil
6.3.1
Qualitative Vorversuche
Führen Sie die ersten beiden dieser Versuche selbst durch, lassen Sie sich den dritten und vierten
vom Assistenten demonstrieren!
Beschreiben Sie im Versuchsbericht die Beobachtungen und erklären Sie sie soweit möglich.
• Stellen Sie zwei Polarisationsfilter hintereinander auf (Abbildung 6.12) und beobachten Sie
die Änderung der Intensität auf dem Schirm bei verschiedenen Stellungen des Analysators.
• Durchstrahlen Sie eine Küvette mit einer trüben Flüssigkeit, in der Partikel gleichmässig verteilt sind, mit unpolarisiertem Licht (Abbildung 6.13). Betrachten Sie das seitlich weggestreute
Licht unter verschiedenen Winkeln durch einen Polarisationsfilter (Analysator). Notieren Sie
Ihre Beobachtungen.
Blende
Polarisator Analysator
Schirm
Blende
Polarisator
Küvette
Analysator
Lampe
Lampe
Abbildung 6.12: Versuchsaufbau mit zwei
Polarisationsfiltern.
Abbildung 6.13: Versuchsaufbau mit Polaristionsfilter und Küvette.
• Ein Kalkspat wird über ein gedrucktes oder geschriebenes Wort gehalten. Notieren Sie Ihre
Beobachtungen und lassen Sie sich diese vom Assistenten erklären.
• Zwei Polarisationsfilter werden gekreuzt aufgestellt. Dann wird ein Quarzplättchen zwischen
die beiden Filter gehalten. Notieren Sie Ihre Beobachtungen und überlegen Sie, wie die beobachtete Erscheinung zustande kommt. (Da das Drehvermögen von Quarz sehr stark von der
Wellenlänge des Lichts abhängt, muss für diesen Versuch monochromatisches Licht verwendet
werden.)
6.3.2
Untersuchung der optischen Aktivität einer Zuckerlösung
Prinizp der Messung
Durchstrahlt man ein Gefäss, das eine Zuckerlösung enthält, mit linear polarisiertem Licht, so
wird die Polarisationsrichtung um einen Winkel α gedreht (Abbildung 6.14). Der Drehwinkel α ist
proportional zur Konzentration c der Lösung und zur Länge d des Lichtweges in der Lösung:
α = [α] · d · c
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
(6.1)
6.3. EXPERIMENTELLER TEIL
67
Die Materialkonstante [α] bezeichnet man als spezifisches Drehvermögen. In Tabellen wird [α]
3
meistens in Grad·cm
angegeben, d.h. man misst den Drehwinkel α in Grad, die Länge d in dm und
g·dm
die Konzentration c in g/cm3 .
y
z
y
d
linear
polarisiertes
Licht
α
x
z
Gefäss mit
Zuckerlösung
Abbildung 6.14: Aufbau zur Messung der optischen Aktivität einer Zuckerlösung.
Man nennt Substanzen, welche eine Drehung der Polarisationsrichtung bewirken, optisch aktiv.
Dazu gehören neben den Zuckern zum Beispiel auch Eiweisse. Die Drehrichtung ist durch den
Molekülaufbau festgelegt. Die optische Aktivität wird häufig zum Nachweis und zur Konzentrationsbestimmung von Zucker und Eiweiss angewendet (polarimetrische Messung).
Dabei wird das Gefäss mit der Lösung zwischen zwei gekreuzt aufgestellte Polarisatoren gebracht.
Die Polarisationsrichtung des Lichts wird in der Lösung gedreht und das Bild auf dem Beobachtungsschirm hellt sich auf. Der Analysator muss um den Winkel α gedreht werden, damit die
Intensität wieder minimal wird (Abbildung 6.15).
y
d
unpolarisiertes
z
Licht
optisch aktive
Lösung
x
y
unpolarisiertes
z
Licht
Schirm
z
y
d
I ≠ Imin
α
α
I = Imin
α
x
α
optisch aktive
Lösung
y
z
Schirm
Abbildung 6.15: Versuchsaufbau mit optisch aktiven Lösungen.
Modellversuch
• Bauen Sie das Polarimeter nach Abbildung 6.16 auf. Die Röhren mit der Zuckerlösung können
in die Halterung zwischen den beiden Filtern gelegt werden.
• Messen Sie die Abhängigkeit des Drehwinkels α von der Länge d: Legen Sie nacheinander 1,
2 bzw. 3 Messröhren mit Lösungen gleicher Konzentration in die Halterung und beobachten
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
68
6. Polarisation
Blende
Polarisator
Analysator
Röhre
Schirm
Lampe
Abbildung 6.16: Versuchsaufbau zur Bestimmung des Drehvermögens von Rohrzucker.
Sie die zunehmende Drehung der Polarisationsrichtung. Die Länge jeder Röhre ist 10 cm.
• Bestimmen Sie das spezifische Drehvermögen [α] von Rohrzucker: Legen Sie drei Messröhren
mit Lösungen verschiedener Konzentration einzeln in die Halterung und messen Sie für jede
Konzentration den Winkel α. Schätzen Sie den Fehler der Winkelmessung und stellen Sie die
Messergebnisse in einer Tabelle zusammen.
• Tragen Sie den Winkel α als Funktion
der Konzentration auf. Sie erhalten eine Gerade mit der Steigung ∆α/∆c =
[α] · d (vergleiche Gl. 6.1). Berechnen
Sie aus der Steigung dieser Geraden
das spezifische Drehvermögen.
• Messen Sie den Drehwinkel α für Röhre
Nr. 6 und bestimmen Sie aus der
Darstellung die Konzentration c der
Lösung 6.
α
Δα
Δc
c
Abbildung 6.17: Winkel α als Funktion der Konzentration.
Polarimetrische Konzentrationsbestimmung
Die einfachsten Polarimeter entsprechen im Aufbau unserem Modell-Polarimeter. Statt der Polarisationsfilter verwendet man meistens 2 Nicol-Prismen, statt des Schirmes ein Beobachtungsfernrohr.
Wegen der begrenzten Empfindlichkeit des Auges für absolute Helligkeiten lässt sich das Intensitätsminimum nur schwer feststellen und die Messung des Winkels α weist grosse Fehler auf. Für die
Praxis sind deshalb bessere Verfahren entwickelt worden. Die sog. Halbschattenmethode ist heute weit verbreitet: Das Gesichtsfeld im Fernrohr ist in zwei Hälften geteilt. Ohne optisch aktive
Substanz stellt man den Analysator so ein, dass beide Hälften gleich hell sind. Bringt man die zu
untersuchende Lösung in den Strahlengang, so verändern sich die Helligkeiten. Jetzt dreht man den
Analysator, bis der Helligkeitsunterschied verschwindet. Da das Auge für Helligkeitsunterschiede
nebeneinanderliegender Flächen sehr empfindlich ist, lässt sich der Winkel auf diese Art sehr
genau (auf ca. 1/5 - 1/10 Grad) bestimmen.
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
6.3. EXPERIMENTELLER TEIL
69
Für die Messung im Halbschattenpolarimeter stehen Messröhren mit Glukoselösungen zur Verfügung.
Die Konzentration kann direkt auf der Prozentskala im Polarimeter abgelesen werden. Die Bedienung des Polarieters wird im Laufe des Praktikumsnachmittags vom Assistenten demonstriert.
6.3.3
Versuchsbericht
• Beantworten Sie die folgenden Fragen:
– Wellen können longitudinal oder transversal sein. Nennen Sie Beispiele für beide Arten.
– Was versteht man unter der Polarisationsrichtung einer elektromagnetischen Welle?
– Warum ist natürliches Licht unpolarisiert?
– Wie kann man aus natürlichem Licht linear polarisiertes herstellen? Beschreiben und
skizzieren Sie 2 Methoden.
– Wie kann man experimentell erkennen, ob Licht linear polarisiert ist?
– Zucker ist optisch aktiv. Was bedeutet das?
– Wie lässt sich die Drehung der Polarisationsrichtung experimentell beobachten?
– Beschreiben und erklären Sie die Beobachtungen, die Sie bei den qualitativen Vorversuchen gemacht haben.
• Schätzen Sie den Messfehler auf dem gemessenen spezifischen Drehvermögens [α] von
Rohrzucker ab: Zeichnen Sie dazu in der
grafischen Darstellung für jeden Messpunkt
den geschätzten Messfehler ein. Zeichnen
Sie ausser der besten Geraden auch die
flachste und die steilste mit den Messfehlern
verträgliche Gerade ein (Abbildung 6.18).
Bestimmen Sie aus den Steigungen dieser
zusätzlichen Geraden eine Abschätzung für
den Messfehler von [α].
α
steilste Gerade
beste Gerade
flachste Gerade
c
Abbildung 6.18: Winkel α als Funktion
der Konzentration.
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70
6. Polarisation
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
InSp
7. Interferenzen und Spektrometer
7.1
Einleitung
Bereits 1864 sagte Maxwell die Existenz elektromagnetischer Wellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, voraus. Sichtbares Licht, Röntgenstrahlen, γ-Strahlen, Radiowellen usw. gehören
zum Spektrum der elektromagnetischen Strahlung. Ihre Wellenlängen erstrecken sich über einen
riesigen Bereich.
sichtbares
Licht
γ
Röntgen
10-8
UV
Radio
IR
(Wärme)
10-6
10-4
Mikrowellen
(Radar)
10-2
UKW KW
1
MW
102
LW
log λ [m]
Abbildung 7.1: Spektrum elektromagnetischer Wellen.
Mit dem Auge ist nur ein kleiner Ausschnitt dieses Spektrums wahrnehmbar: der Bereich des sichtbaren Lichts erstreckt sich über Wellenlängen von 400 nm (violettes Licht) bis 700 nm (rotes Licht).
Die Farbe des Lichtes ist dabei durch die Wellenlänge bestimmt. Im allgemeinen senden Lichtquellen
kein monochromatisches Licht aus. Das Spektrum, d.h. die vorkommenden Wellenlängen und ihre
relativen Intensitäten sind charakteristisch für eine bestimmte Lichtquelle. Kennt man das Spektrum, so lassen sich Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Quelle ziehen (Spektralanalyse).
Diese Methode wird zum Beispiel in der Chemie und in der Astrophysik angewendet.
7.1.1
Interferenz und Beugung
Die Wellennatur des Lichts lässt sich mit Interferenzexperimenten nachweisen. Unter Interferenz
versteht man die Überlagerung von zwei oder mehreren Wellen, die sich entsprechend ihrer relativen
Phasenlage unter bestimmten Bedingungen gegenseitig auslöschen oder verstärken können. Die
Überlagerung lässt sich gut durch das Zeitbild zweier harmonischer Wellen u1 (x, t) und u2 (x, t)
veranschaulichen.
71
72
7. Interferenzen und Spektrometer
Eine harmonische Welle u(x, t) = u0 sin(kx − ωt) lässt sich in einem Orts- und in einem Zeitbild
grafisch darstellen.
t = konstant
u (x)
Ortsbild: Zu einem festen Zeitpunkt wird
die Erregung u als Funktion von x betrachtet
(“Foto” der Welle):
2π
λ
k = Wellenzahl
x
k =
λ
λ : Wellenlänge
x = konstant
u (t)
Zeitbild: An einem festen Ort wird die Erregung u als Funktion der Zeit betrachtet:
T =
t
T
1
2π
=
ν
ω
Abbildung 7.2: Orts- und Zeitbild einer harmonischen Welle.
T : zeitliche Periode
u1 (t)
t
t
t
t
u (t) = u 1 (t) + u 2 (t)
u (t) = u 1 (t) + u 2 (t)
t
Verstärkung
maximal
Phasen der Wellen
um halbe Periode
verschoben
u2 (t)
u2 (t)
Wellen sind
phasengleich
u1 (t)
Bei der Überlagerung zweier harmonischer Wellen u1 (x, t) und u2 (x, t), ergeben sich im Zeitbild
(für x =) konst die Graphen:
t
Auslöschung
Abbildung 7.3: Überlagerung zweier harmonischer Wellen im Zeitbild.
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7.1. EINLEITUNG
73
u1 (x)
x
x
x
x
u (x) = u1 (x) + u2 (x)
u (x) = u1 (x) + u2 (x)
x
Verstärkung
maximal
Phasen der Wellen
um halbe Wellenlänge
verschoben
u2 (x)
u2 (x)
Wellen sind
phasengleich
u1 (x)
Die Überlagerung der beiden Wellen u1 (x, t) und u2 (x, t) kann auch im Ortsbild (t = konst.)
dargestellt werden.
x
Auslöschung
Abbildung 7.4: Überlagerung zweier harmonischer Wellen im Ortsbild.
Im täglichen Leben sind Interferenzerscheinungen nur selten zu beobachten. Sie können nur dann
beobachtet werden, wenn die sich überlagernden Wellen kohärent sind. Zwei Wellen heissen dann
kohärent, wenn sie eine zeitlich feste Phasenbeziehung zueinander haben, d.h. dass sich ihr Gangunterschied an einem festen Beobachtungsort nicht mit der Zeit ändert. Diese Bedingung ist für
Wellen, die von zwei verschiedenen Lichtquellen ausgesandt werden, aber nie erfüllt. In einer normalen Lichtquelle (eine Ausnahme sind Laser) werden einzelne Atome, z.B. durch Stösse, vollständig
unabhängig voneinander energetisch angeregt. Danach senden sie während einer kurzen Zeit die gewonnene Energie in Form kurzer Wellenzüge elektromagnetischer Strahlung aus. Das beobachtete
Licht stellt die Überlagerung vieler einzelner solcher Wellenzüge dar. Bei einer zweiten Lichtquelle
strahlen die Atome ebenfalls völlig unabhängig voneinander. Die Phasenbeziehung zwischen den
beiden Lichtquellen ändert sich also jedesmal, wenn ein neuer Wellenzug ausgesandt wird. Die
Kohärenzzeit entspricht dabei ungefähr der Zeit, die ein einzelnes Atom für die Emission eines
Wellenzuges braucht, nämlich ca. 10−8 s. Nach dieser Zeit ändert sich die Phasenbeziehung sprungartig, das Interferenzbild mittelt sich für unser Auge aus.
Um beobachtbare Interferenzen zu erzeugen, braucht man also kohärente Wellen. Dies kann durch
einen Kunstgriff erreicht werden: man spaltet künstlich eine einzelne physikalische Lichtquelle in
zwei oder mehrere virtuelle Lichtquellen auf. Die verschiedenen Interferenzanordnungen unterscheiden sich nur durch die Art in welcher die Aufspaltung des Lichts erfolgt.
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74
7. Interferenzen und Spektrometer
Ziel des Versuchs
In diesem Versuch werden vier verschiedene Anordnungen untersucht, mit welchen Interferenzeffekte beobachtet werden können: Doppelspalt, Einzelspalt, Reflexionsgitter und Beugung an Partikeln.
Als monochromatische Lichtquelle wird ein He-Ne Laser (rotes Licht) verwendet. Im zweiten Versuchsteil wird ein einfaches Gitterspektrometer aufgebaut und damit die Wellenlängen im sichtbaren
Teil des Spektrums einer Quecksilberlampe gemessen.
Stichworte zu diesem Versuch sind:
• (elektromagnetische) Wellen, ihre Beschreibung und Eigenschaften,
• Kohärenz als Bedingung für Interferenz,
• Interferenz und Beugung,
• das Spektrum elektromagnetischer Wellen,
• Spektrometer, und
• Messung von Wellenlängen.
7.2
7.2.1
Theoretischer Teil
Doppelspalt (Youngsche Anordnung)
x
P
r1
s0
Q1
ϑ2
r
r2
ϑ
d
x=0
ϑ1
Q2
∆
D
D , r1 , r2 » d ,
d » s0
Schirm
Abbildung 7.5: Doppelspalt, Young’sche Anordnung. Für D d ist ϑ ' ϑ1 ' ϑ2 .
Von links her trifft paralleles, monochromatisches Licht auf einen Doppelspalt. Nach dem Huyghenschen Prinzip (vgl. Vorlesung) stellen die beiden Spalte zwei Quellen Q1 und Q2 dar, von denen
kohärente Kugelwellen ausgehen. Die beiden Wellen können einander bei Überlagerung im Punkt
P je nach ihrer Phasenlage verstärken oder abschwächen.
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7.2. THEORETISCHER TEIL
75
Untersucht werden soll die Intensitätsverteilung I(x) auf einem Schirm im Abstand D vom Doppelspalt. Nach Abbildung 7.4 verstärken sich die beiden Wellen, wenn sie phasengleich oder um
ganzzahlige Vielfache der Wellenlänge verschoben sind:
∆Verst. = |r1 − r2 | = m λ
m = 0, 1, 2... = Ordnungszahl des Maximums
Sind die beiden Wellen um (m − 1/2)λ verschoben, so löschen sie sich aus (Abbildung 7.4):
1
∆Ausl. = |r1 − r2 | = m −
λ,
2
m = 1, 2... = Ordnungszahl des Minimums
Für die Wegdifferenz gilt ∆ = |r1 − r2 | ≈ d · sin ϑ (Abbildung 7.5). Damit ergeben sich Maxima bei:
sin ϑmax = m
λ
d
(7.1)
und Minima bei:
1 λ
sin ϑmin = m −
2 d
(7.2)
Ist der Schirm weit vom Doppelspalt entfernt (D d, x), so ist
x
= tan ϑ ≈ sin ϑ
D
und auf dem Schirm erscheinen die Helligkeitsmaxima bei:
xmax = m
Dλ
d
Die Helligkeitsminima treten auf bei:
xmin =
1 Dλ
m−
2
d
Der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Maxima oder Minima (∆m = 1) ist:
∆x =
Dλ
d
(7.3)
Auf dem Schirm erscheint also ein Muster äquidistanter heller und dunkler Streifen. Sind die beiden
Spalte sehr schmal (d s0 ), so haben alle Maxima dieselbe Helligkeit (Abbildung 7.6).
Frage 1: Nehmen Sie an, der rote Laser würde durch eine Na-Lampe (gelbes Licht) ersetzt.
Wie würde sich das Interferenzbild ändern? Skizzieren Sie die beiden Interferenzmuster.
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76
7. Interferenzen und Spektrometer
I (x)
-2D λ
d
Dλ
d
-D λ
d
x
2D λ
d
Abbildung 7.6: Intensitätsmuster beim Doppelspalt mit d s0 .
Frage 2: Gleichung 7.1 und Gleichung 7.2 geben die Winkel ϑ an, unter denen die Maxima
und die Minima erscheinen. Welches ist die höchste Ordnung (mmax ), die man
bei vorgegebenem Spaltabstand d beobachten kann?
Frage 3: Wie sieht das Interferenzbild auf dem Schirm aus, wenn man d λ wählt?
7.2.2
Interferenz am Einzelspalt
x
s
P
s = s0
ϑ1
ds1
P0
x=0
ϑ
ds2
ϑ2
s=0
∆
D » s0 , x
D
~ϑ =
~ ϑ Schirm
ϑ1 =
2
Abbildung 7.7: Interferenz am Einzelspalt.
Nach dem Huyghenschen Prinzip (vgl.
Vorlesung) ist jeder von der einfallenden Welle getroffene Punkt des Spaltes
Zentrum einer sekundären Kugelwelle.
Für ϑ = 0 und D s0 sind alle in
P0 auftreffenden Wellen in Phase und
es ergibt sich erhalten das Interferenzmaximum 0-ter Ordnung.
Um die Lage der Maxima und Minima
für ϑ 6= 0 zu bestimmen, teilt man den
Spalt in kleine Intervalle ds auf. Die totale Erregung der im Punkt P auftretenden Welle setzt sich aus den Beiträgen aller Intervalle dsi zusammen.
Man summiert, resp. integriert diese
Beiträge unter Berücksichtigung der jeweiligen Wegdifferenz ∆.
Die Intensität ist immer proportional zum Quadrat der Erregung (vgl. Vorlesung). So erhält man
für die Intensität in Abhängigkeit von ϑ:
sin2 ks20 sin ϑ
I(ϑ) ≈ 2
ks0
sin2 ϑ
2
mit
k =
2π
λ
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(7.4)
7.2. THEORETISCHER TEIL
77
Für die Lage der Minima gilt:
ks0
sin
= 0
(wobei ϑmin 6= 0)
sin ϑmin
2
ks0
πs0
sin ϑmin =
sin ϑmin = mπ
2
λ
λ
mit m = 1, 2, 3... Ordnungszahl des Minimums
sin ϑmin = m
s0
(7.5)
und für die Lage der Maxima gilt:
ks0
sin
= 1
sin ϑmax
2
ks0
πs0
1
π
sin ϑmax =
sin ϑmax = m +
2
λ
2
1 λ
sin ϑmax =
m+
mit m = 1, 2... Ordnungszahl des Maximums (7.6)
2 s0
Frage 4: Wie breit muss der Spalt mindestens sein, wenn man das Maximum 1. Ordnung
(m = 1) beobachten will?
Aus Gleichung (7.4) sieht man, dass die Helligkeit der Intensitätsmaxima mit wachsendem Winkel
ϑmax abnimmt. Es ergibt sich die in Abbildung 7.8 dargestellte Intensitätsverteilung.
I (x)
-2D λ
s0
-D λ
s0
Dλ
s0
2D λ
s0
x
Abbildung 7.8: Intensitätsverteilung bei Einzelspalt.
Frage 5: Überlegen Sie sich anhand der Gleichungen (7.5), (7.6) und Abbildung 7.8, was
man auf dem Schirm beobachtet, wenn
• s0 < smin
• s0 λ ist.
(aus Frage 4)
Ist der Schirm weit vom Einzelspalt entfernt (D x), so ist:
x
= tan ϑ ≈ sin ϑ
D
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78
7. Interferenzen und Spektrometer
und auf dem Schirm erscheinen die Helligkeitsmaxima bei:
xmax = 0
1 Dλ
xmax = (m + )
2 s0
und
m = 1, 2, 3...
und die Minima treten auf bei:
xmin = m
Dλ
s0
m = 1, 2, 3...
Der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Maxima oder Minima (∆m = 1, m 6= 0) ist:
∆x =
7.2.3
Dλ
s0
(7.7)
Interferenz am Gitter
x
P
ϑ
d
ϑ
x= 0
∆
D
D»d,x
Schirm
Abbildung 7.9: Interferenz am Gitter.
Ein Gitter besteht aus einer grossen Anzahl äquidistanter Spalte, deren Abstand mit der Wellenlänge des Lichtes vergleichbar ist. Lässt man
paralleles Licht auf ein solches Gitter fallen, so
ist jeder Spaltpunkt Zentrum einer sekundären
Kugelwelle (Prinzip von Huyghens). Diese Sekundärwellen überlagern sich und können sich je
nach ihrer relativen Phasenlage verstärken oder
auslöschen.
Bemerkung: Im folgenden wird nur die Lage der
sog. Hauptmaxima betrachtet (vergl. Vorlesung).
Ausserdem wird angenommen, dass die Spaltbreite s wesentlich kleiner ist als die Gitterkonstante
d, d.h. jeder Spalt wird als eine unendlich schmale
Lichtquelle betrachtet.
Ist die Wegdifferenz zweier Wellen, die von benachbarten Spalten ausgehen und sich im Punkt P
überlagern, ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge, so ergibt sich in P ein Hauptmaximum.
Für d D ist:
∆ ≈ d sin ϑ = m λ
λ
sin ϑmax = m
d
mit m = 0, 1, 2... = Ordnungszahl
(7.8)
Die Lage der Hauptmaxima hängt von der Wellenlänge ab. Enthält das einfallende Licht mehrere
Wellenlängen, so erscheinen die Interferenzstreifen gleicher Ordnung für verschiedene Farben unter
verschiedenen Winkeln. Ist der Schirm weit vom Gitter entfernt (D d, x und ϑ 1), so ist:
x
= tan ϑ ≈ sin ϑ
D
und für die Maxima gilt:
Dλ
xmax = m
(7.9)
d
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7.2. THEORETISCHER TEIL
79
Aus der Lage der Maxima lassen sich nach Gleichung (7.9) die Wellenlängen bestimmen. Die Maxima sind umso schärfer, je mehr Sekundärwellen interferieren.
7.2.4
Interferenz am Reflexionsgitter
Schirm
∆2
Ein Metallkamm mit scharf geschliffenen Kanten kann als Reflexionsgitter
verwendet werden. Paralleles Licht fällt
von links streifend ein. Jede Kante ist
Zentrum einer sekundären Kugelwelle.
∆1
2
1
2
1
ϕ
α
Abbildung 7.10: Interferenz am Reflexionsgitter.
d
Damit ein Interferenzmaximum auftritt, muss die Wegdifferenz zweier Wellen, die von benachbarten
Kanten ausgehen, gleich einem ganzzahligen Vielfachen der Wellenlänge sein:
∆ = ∆1 − ∆2 = m λ
Aus Abbildung 7.10 lässt sich ablesen, dass
(i) ∆1 = d cos α ,
(ii) ∆2 = d cos ϕ ,
(iii) ∆1 > ∆2 für ϕ > α
Bei streifendem Einfall ist:
α 1
⇒
ϕ 1
⇒
α2
2
ϕ2
cos ϕ ≈ 1 −
2
cos α ≈ 1 −
Also:
d 2
(ϕ − α2 ) = m λ
2
r
2mλ
=
+ α2
d
∆ =
ϕmax
7.2.5
(7.10)
Interferenz an einer kreisförmigen Öffnung
Ersetzt man den Einzelspalt durch ein kreisförmiges Loch vom Durchmesser d, so erhält man statt
der Interferenzstreifen ein Muster von konzentrischen hellen und dunklen Ringen.
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80
7. Interferenzen und Spektrometer
ϕ3.Min.
ϕ1.Min.
R1
d
R2
ϕ2.Min.
R3
D
Abbildung 7.11: Interferenz an einer kreisförmigen Öffnung.
Die Lage der Minima erhält man aus einer aufwändigen Rechnung. Wir geben hier nur das Resultat
an:
λ
d
λ
= 2.23
d
λ
= 3.23
d
sin ϕ1.Min. = 1.22
sin ϕ2.Min.
sin ϕ3.Min.
Ist D R1 , R2 , R3 , so gilt sin ϕ ' tan ϕ = R/D und damit
λD
d
λD
= 2.23
d
λD
= 3.23
d
R1 = 1.22
(7.11)
R2
(7.12)
R3
(7.13)
Fällt paralleles Licht auf ein Präparat aus statistisch unabhängig verteilten Partikeln, so erhält man
ebenfalls ein Interferenzbild aus konzentrischen Kreisen mit einem starken Maximum im Zentrum
(Theorem von Babinet). Der Ringdurchmesser hängt jetzt vom Partikeldurchmesser ab. Im diesem
Versuch wird die Interferenz an Lykopodium (Bärlappsporen) beobachten.
Frage 6: In jeder Interferenzanordnung hängt die Lage der Maxima von der Wellenlänge
des Lichtes ab. Was wird man auf dem Schirm beobachten, wenn Sie eine Lichtquelle verwenden, die verschiedene Wellenlängen aussendet (z.B. weisses Licht)?
Auf dieselbe Weise kommt übrigens der sogenannte Mondhof zustande. Hier wird Mondlicht wird
an Nebeltröpfchen gebeugt.
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7.3. EXPERIMENTELLER TEIL I
7.3
7.3.1
81
Experimenteller Teil I
Aufgabenstellung
• Qualitative Beobachtung der verschiedenen Interferenzbilder.
• Bestimmen der Wellenlänge des verwendeten Lasers aus der Interferenz am Doppelspalt.
• Bestimmen des Partikeldurchmessers eines Lykopodiumpräparates aus dem Durchmesser der
Interferenzringe.
7.3.2
Versuchsanordnung
Objekte:
Spalt
Lykopodium
Doppelspalt Kamm
~1m
D=
Laser
Schirm
optische Bank
Abbildung 7.12: Versuchsanordnung.
!!! ACHTUNG: Der Laserstrahl darf auf keinen Fall in die Augen gelangen !!!
Für die Messungen am Doppel- und Einzelspalt steht ein Diagläschen mit Spalten in folgender
Anordnung zur Verfügung:
1 2 3 4 5 6
1
2
Einzelspalte
3
4
5
Doppelspalte
6
Dreifachspalte
Mikrometerschraube
Abbildung 7.13: Diagläschen mit Spalten.
Für diesen Versuch eignen sich der Einzelspalt 2 und die Doppelspalte 4 und 5. Der Laser ist fest
auf einer optischen Bank montiert. Das Dia mit den Spalten lässt sich auf einem Reiter senkrecht
zur optischen Achse verschieben.
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82
7. Interferenzen und Spektrometer
7.3.3
Versuchsdurchführung
Qualitative Beobachtungen
• Betrachten Sie unter der Anleitung des Assistenten qualitativ die verschiedenen Interferenzbilder.
Doppelspalt
• Benutzen Sie die in Abbildung 7.12 gezeigte Messanordnung mit einem Doppelspalt.
• Messen Sie auf dem Schirm mit Hilfe des Massstabes die Abstände ∆x aufeinanderfolgender
Minima. Falls bei der schwachen Zimmerbeleuchtung direkte Ablesung auf dem Massstab
mühsam ist, können Sie ein Blatt Papier auf dem Schirm befestigen. Zeichnen Sie darauf die
Lage der Minima ein und messen Sie anschliessend bei besserem Licht die Abstände auf dem
Papier aus.
• Messen Sie die Distanz D zwischen dem Doppelspalt und dem Schirm. Schätzen Sie den
Messfehler auf D.
• Berechnen Sie die Wellenlänge nach Gleichung (7.3). Der Spaltabstand d ist am Versuchsplatz
angegeben.
Lykopodium (Bärlappsporen)
• Benutzen Sie die in Abbildung 7.12 gezeigte Messanordnung.
• Messen Sie die Distanz D zwischen dem Präparat und dem Schirm. Schätzen Sie den Messfehler auf D.
• Messen Sie auf dem Schirm die Durchmesser 2R der ersten zwei Minima. Schätzen Sie die
Fehler dieser Messungen.
• Berechnen Sie für jeden der beiden Kreise mit Hilfe von Gleichungen (7.11) und (7.12) den
Partikeldurchmesser.
• Messen Sie den Sporendurchmesser direkt mit dem Mikroskop. Beachten Sie die Eichung am
Mikroskop.
• Vergleichen Sie die mit den zwei Messmethoden erzielten Resultate.
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7.4. EXPERIMENTELLER TEIL II
7.4
83
Experimenteller Teil II
7.4.1
Aufgabenstellung
• Aufbau eines einfachen Spektrometers.
• Bestimmen der Wellenlängen im sichtbaren Teil des Spektrums einer Quecksilberlampe mit
Hilfe des selbst gebauten Spektrometers.
7.4.2
Aufbau des Spektrometers
f2
f1
x
ϑ
Hg - Lampe
Spalt
L1
Gitter
L2
Schirm
Abbildung 7.14: Aufbau des Spektrometers.
Die Quecksilberlampe beleuchtet einen Spalt, der sich in der Brennebene der Linse L1 befindet. Die
Linse L2 fokussiert das von der Linse L1 erzeugte parallele Licht in ihrer Brennebene, in welcher
der Beobachtungsschirm aufgestellt ist. Die jeweiligen Brennweiten sind auf den Linsen angegeben.
Achten Sie bei der Justierung darauf, dass das Gitter genau senkrecht zur optischen Achse steht.
Bemerkung: Es dauert etwa 10 Minuten, bis die Quecksilberlampe nach Einschalten mit voller
Intensität brennt.
Frage 7: Welche Funktion hat die Linse L2 ?
7.4.3
Wellenlängenmessung
• Betrachten Sie qualitativ das auf dem Schirm erscheinende Spektrum und beobachten Sie,
wie sich bei höheren Ordnungen die relative Lage der verschiedenen Linien ändert. Skizzieren
Sie das Spektrum.
• Befestigen Sie ein Blatt Papier auf dem Schirm und zeichnen Sie die Lage der Linien darauf
ein. Vergessen Sie nicht, jeweils die Farbe anzugeben. Markieren Sie deutlich das Maximum
0-ter Ordnung (siehe Abbildung 7.15).
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84
7. Interferenzen und Spektrometer
0
v2 or1 v1
vi = violett i-te Ordnung
gri = grün i-te Ordnung
ori = orange i-te Ordnung
v1 or1 v2
agr
1
xgr
1
gr2
gr1
gr1
gr2
Abbildung 7.15: Linien im gemessenen Spektrum.
• Messen Sie auf dem Blatt Papier für jede Farbe den Abstand a zwischen zwei Maxima gleicher
Ordnung (Abbildung 7.15). Schätzen Sie die Messfehler auf den a. Stellen Sie alle Messwerte
in einer Tabelle zusammen.
• In dieser Anordnung gilt für kleine Winkel tan ϑ = x/f2 ≈ sin ϑ (vgl. Abbildung 7.9 und
Gleichung (7.9)) und somit:
f2 λ
xmax = m
d
wobei jeweils xmax = a/2 ist. Berechnen Sie nach dieser Gleichung für jede Linie die Wellenlänge.
7.4.4
Versuchsbericht
• Beantworten Sie die im Text gestellten Fragen.
• Stellen Sie die verlangten Berechnungen und die gefundenen Resultate übersichtlich dar.
• Beschreiben Sie das Prinzip des Gitterspektrometers.
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WS
8. Wechselströme
8.1
Einleitung
In Wechselstromkreisen spielen neben Ohmschen Widerständen auch Kondensatoren (Kapazitäten)
und Spulen (Induktivitäten) wichtige Rolle. In diesem Versuch soll am Beispiel einfacher Schaltkreise mit einem oder zwei Elementen ihr Verhalten in Wechselstromkreisen und ihr Einfluss auf
den Strom- und Spannungsverlauf als Funktion der Frequenz der angelegten Wechselspannung untersucht werden.
Die Untersuchungen beschränken sich auf harmonische Wechselspannungen und -ströme
V (t) = V0 cos ωt
wobei
V0
I0
ω
φ
=
=
=
=
und
I(t) = I0 cos(ωt − φ)
Spannungsamplitude
Stromamplitude
2πν = 2π/T = Kreisfrequenz
Phasenverschiebung zwischen angelegter Spannung und fliessendem Strom
Der zeitliche Verlauf von Strom und Spannung wird mit Hilfe eines Kathodenstrahloszilloskops
(KO) dargestellt. Sie bekommen dabei die Gelegenheit, sich mit der Funktionsweise und Bdienung
eines Oszilloskops vertraut zu machen.
Oszilloskope finden verbreiteten Einsatz in Forschung und Industrie, z.B. zur Fehlersuche und
Einstellung jedweder elektrischer Geräte (z.B. Radio, Fernseher, Mikrowellen- und Radargeräte).
In der Medizin werden sie auch zur überwachung biologischer Funktionen, die sich in Form von
elektrischen Signalen manifestieren, z.B. beim EEG (Elektroenzephalographie, Verfahren zur Messung und Aufzeichnung der elektr. Aktivität des Gehirns) und beim EKG (Elektrokardiographie,
Methode zur Aufzeichnung der elektrischen Vorgänge am Herzen) eingesetzt.
Stichworte zu diesem Versuch sind:
• elektrische Stromkreise
• Messen von Spannung und Strom in Abhängigkeit der Zeit
• Kirchhoffsche Regeln
• Wechselstromwiderstand Impedanz
• Impedanz von Ohmschem Widerstand, Spule und Kondensator
85
86
8.2
8.2.1
8. Wechselströme
Theoretischer Teil
Impedanz einer Spule
Die Wechselstromeigenschaften einer Spule sind durch ihre Induktivität L charakterisiert. Die Induktivität ist durch die Länge l der Spule, ihre Querschnittsfläche A und die Windungszahl N
bestimmt. Für eine lange Spule gilt:
L = µ0
N2 A
l
[L] = 1
V ·s
= 1 H (Henry)
A
(8.1)
Dabei ist µ0 = 4π · 10−7 (Vs/Am) die sogenannte Induktionskonstante. Wird ein magnetisierbarer
Kern in die Spule geschoben, so gilt
N2 · A
L = µµ0
l
wobei µ die magnetische Permeabilität des eingeführten Materials ist. Da z.B. für Eisen µ 1 ist,
kann die Induktivität der Spule auf diese Weise stark vergrössert werden.
Ein einfacher Schaltkreis, bestehend aus einem Wechselspannungsgenerator, der eine
harmonische Spannung V (t) = V0 cos ωt erzeugt, und einer Spule der Induktivität L
ist in Abbildung 8.1 dargestellt. Die Spule soll als ideal angenommen werden, das
heisst ihr Ohmscher Widerstand R wird vernachlässigt.
Anwendung der 2. Kirchhoffschen Regel
(Maschenregel) auf diesen Schaltkreis liefert
den Zusammenhang zwischen der Spannung
V (t) und dem Strom I(t):
V0 cos ωt − L
I
~
V = V0 cos ω t
L
Abbildung 8.1: Stromkreis mit Spule der Induktivität L.
dI
= 0
dt
Durch einmalige Integration ergibt sich die Lösung dieser Differentialgleichung zu:
I(t) =
V0
V0
sin ωt =
cos(ωt − φ)
ωL
ωL
mit
φ = +
π
2
(8.2)
Der Strom ist also gegen die Spannung um die Phase φ = π/2 phasenverschoben (vgl. Abbildung 8.2).
Die Amplitude des Wechselstroms ist I0 = V0 /(ωL). Ein Vergleich mit der allgemeinen Definition
des elektrischen Widerstandes (I = V /R) zeigt, dass hier die Grösse ωL die Rolle eines Widerstandes
spielt. Man nennt
ZL = ωL
(8.3)
den Wechselstromwiderstand, bzw. die Impedanz einer idealen Spule der Induktivität L. Sie nimmt
proportional zur Frequenz der Wechselspannung zu.
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8.2. THEORETISCHER TEIL
87
V
I
V0
V0
ωL
φ
ω
t
t
I = I0 cos (ω t-φ )
V = V0 cos ω t
Abbildung 8.2: Spannung und Strom in Abhängigkeit von der Zeit bei einer Spule.
Allgemein wird der Wechselstromwiderstand für ein Element i definiert als
Zi =
V0
Spannungsamplitude
=
I0
Stromamplitude
(8.4)
Frage 1: Eine 10 cm lange Spule habe eine Querschnittsfläche A von 4 cm2 und 2000
Windungen. Wie gross ist ihre Induktivität L ?
8.2.2
Impedanz eines Kondensators
Wie die Induktivität stellt auch der Kondensator einen Wechselstromwiderstand dar.
Für den in Abbildung 8.3 dargestellten
Stromkreis aus Wechselspannungsgenerator
und Kondensator lautet die 2. Kirchhoffsche
Regel:
Q
V0 cos ωt = VC =
C
Einmaliges Ableiten nach der Zeit ergibt
I
dQ
−ωV0 sin ωt =
= I
C
dt
I
~
C
V = V0 cos ω t
Abbildung 8.3: Stromkreis mit Kondensator
der Kapazität C.
und damit:
I(t) = −ωC V0 sin ωt = ωC V0 cos (ωt − φ)
mit
φ = −
π
2
(8.5)
Der Strom ist also gegen die Spannung um eine Phase φ = −π/2 phasenverschoben (vgl. Abbildung
8.4) und die Impedanz ZC eines Kondensators der Kapazität C ist:
ZC =
1
ωC
Sie ist umgekehrt proportional zur Frequenz ω der Wechselspannung.
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(8.6)
88
8. Wechselströme
I
V
V0 ω C
V0
φ
ω
t
t
I = I0 cos (ω t-φ )
V = V0 cos ω t
Abbildung 8.4: Spannung und Strom in Abhängigkeit von der Zeit bei einem Kondensator.
8.2.3
Kathodenstrahloszilloskop (KO)
Im Versuch sollen alle Ströme und Spannungen mit einem KO gemessen werden. Der prinzipielle
Aufbau eines KO ist in Abbildung 8.5 dargestellt.
y
Plattenpaare
Kathode
Elektronenstrahl
Leuchtschirm
Anode
x
Heizung
Leuchtfleck
_ +
Vy
Vx
Abbildung 8.5: Schematische Darstellung von einem Kathodenstrahloszilloskop.
In einem evakuierten Glaskolben werden die aus einer geheizten Kathode (glühender Draht) emittierten Elektronen gegen eine mit einem kleinen Loch versehene Anode beschleunigt. Die durch das
Loch tretenden Elektronen bilden einen feinen Elektronenstrahl. Dieser Strahl durchläuft nacheinander zwei senkrecht zueinanderstehende Plattenpaare und trifft schliesslich auf den Leuchtschirm,
wo er einen Leuchtfleck erzeugt. Wird an eines der Plattenpaare eine Spannung angelegt, so stösst
die negativ geladene Platte den Strahl ab, während die positive ihn anzieht. Dadurch wird der
Strahl in horizontaler respektive vertikaler Richtung abgelenkt. Die Ablenkung ist jeweils proportional zur angelegten Spannung: x ∝ Vx und y ∝ Vy . Für den normalen Gebrauch des Oszilloskops
wird an das x-Plattenpaar eine intern erzeugte sogenannte Sägezahnspannung angelegt, welche linear mit der Zeit bis zu einem Maximalwert ansteigt und sehr rasch auf den Anfangswert zurückgeht
(Abbildung 8.6).
Dies bewirkt, dass sich der Leuchtfleck wiederholt mit konstanter Geschwindigkeit von links nach
rechts über den Schirm bewegt und rasch wieder nach links zurücksprint. Legt man an das y-
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8.2. THEORETISCHER TEIL
89
Vx
t
Abbildung 8.6: Sägezahnspannung für x-Ablenkung.
Plattenpaar eine beliebige Spannung (z.B. eine harmonische Wechselspannung) an, so ergibt die
Kurve auf dem Schirm eine grafische Darstellung dieser Spannung als Funktion der Zeit. Um gleichzeitig zwei Spannungen messen zu könenn, wird im Versuch ein 2-Strahl Oszilloskop verwendet. So
lassen sich z.B. Phasenverschiebungen leicht darstellen.
Heutzutage werden vermehrt digitale Oszilloskope verwendet. Diese verwandeln die angelegten
Spannungen in digitale Werte. Aus diesen werden dann die entsprechenden Kurven berechnet und
auf einem Bildschirm dargestellt.
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90
8. Wechselströme
8.3
Experimenteller Teil
8.3.1
Aufgabenstellung
• Bestimmen der Induktivität einer Spule mit Eisenkern
• Bestimmen der Kapazität eines Kondensators
• Untersuchen der Frequenzabhängigkeit des Wechselstromwiderstandes von Kondensator und
Spule
8.3.2
Messprinzip
Mit dem KO lassen sich nur Spannungen direkt
messen. Ein Strom kann indirekt über den Spannungsabfall an einem bekannten Ohmschen Widerstand R gemessen werden:
I
V = V0 cos ω t
Generator
~
Z
KO (VZ )
I =
Kanal 1
R
KO (VR)
Kanal 2
Abbildung 8.7: Schaltung für die Messung
von Strom und Spannung mit dem KO.
VR
,
R
I0 =
VR0
R
(8.7)
Der Widerstand R muss dabei wesentlich kleiner
sein als die zu bestimmende Impedanz Z, damit
die Spannungsmessung an Z nicht verfälscht wird.
Für R Z ist VZ +VR ≈ VZ und die Spannung an
Z kann wie in Abbildung 8.7 skizziert gleichzeitig
zum Strom gemessen und mit einem 2-Strahl KO
dargestellt werden.
• Lassen Sie sich die Bedienung des Oszilloskops vom Assistenten erklären und
demonstrieren.
• Beachten Sie, dass die Aussenleiter (Abschirmungen) der Eingänge des KO intern
miteinander und mit Erde verbunden sind! Schliessen Sie also die Eingänge immer
so an, dass die beiden Aussenleiter zum gleichen Punkt im Schaltkreis führen.
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
8.3. EXPERIMENTELLER TEIL
8.3.3
91
Bestimmung der Induktivität einer Spule mit Eisenkern
Generatoreinstellung:
I
V0 = 5V
V = V0 cos ω t
Generator
~
ν = 1000 Hz
L
KO (VL )
R = 22 Ω
Kanal 1
R
KO (VR)
Kanal 2
Abbildung 8.8: Schaltung zur Messung der Induktivität der Spule.
• Beobachten Sie auf dem KO-Schirm die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung,
indem Sie die beiden Kurven übereinander schieben. Skizzieren Sie das Resultat.
• Messen Sie mit dem KO die Amplituden von VL und VR .
• Berechnen Sie nach Gleichung (8.7) die Stromamplitude.
• Berechnen Sie damit ZL nach Gleichung (8.4) und L nach Gleichung (8.3). Benutzen Sie
ω = 2πν.
8.3.4
Bestimmung der Kapazität eines Kondensators
Generatoreinstellung:
I
V0 = 5V
V = V0 cos ω t
Generator
~
KO (VC )
ν = 500Hz
C
R = 22Ω
Kanal 1
R
KO (VR)
Kanal 2
Abbildung 8.9: Schaltung zur Messung der Kapazität.
• Beobachten Sie auf dem KO-Schirm die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung,
indem Sie die beiden Kurven übereinander schieben. Skizzieren Sie das Resultat.
• Messen Sie mit dem KO die Amplituden von VC und VR .
• Berechnen nach Gleichung (8.7) die Stromamplitude.
• Berechnen Sie damit ZC nach Gleichung (8.4) und C nach Gleichung (8.6). Benutzen Sie
ω = 2πν.
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92
8. Wechselströme
8.3.5
Frequenzabhängigkeit von ZL und ZC
• Wiederholen Sie die obigen Messungen für Spule und Kondensator als Funktion der Frequenz der angelegten Wechselspannung. Verwenden Sie die Spule mit Eisenkern. Wählen Sie
folgende Frequenzwerte
– für ZL : ν = 500, l000, 2000 und 3000 Hz
– für ZC : ν = 20, 50, 150, 250, 500 und 750 Hz
• Stellen Sie die Messwerte in einer übersichtlichen Tabelle zusammen.
• Berechnen Sie für jeden Frequenzwert ZL und ZC nach Gleichung (8.4) und stellen Sie ZL
und ZC als Funktionen von ω auf Millimeterpapier auf.
8.3.6
Versuchsbericht
Der Versuchsbericht soll das Folgende enthalten:
• Berechnung der Induktivität (Frage l).
• Skizzen der Versuchsanordnungen.
• Skizzen der beobachteten Phasenverschiebungen bei Kapazität und Induktivität.
• Berechnung der gesuchten Kapazität.
• Berechnung der gesuchten Induktivität.
• Frequenzabhängigkeit von ZL und ZC :
– Tabelle der Messwerte
– grafische Darstellungen von ZL (ν) und ZC (ν)
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Teil III
Fehlerrechnung
93
Fehlerrechnung und Statistik
Einleitung
Die exakte Messung einer physikalischen Grösse ist nicht möglich. Jede Messung weist Fehler auf,
die systematisch oder zufällig sind. Das Ergebnis der Messung muss deshalb ausser dem Messwert
eine Angabe über den Messfehler enthalten. Die Bestimmung des Messfehlers ist die Aufgabe der
Fehlerrechnung.
Systematische Fehler sind vermeidbar, zufällige hingegen nicht. Die zufälligen Fehler werden nach
Regeln aus der Statistik behandelt und erlauben daher eine einheitliche Interpretation.
Unsere kurze Anleitung1 zur Fehlerrechnung wird diese Regeln für einfache Fälle darlegen. Zuvor
aber sollen die Eigenschaften von Fehlern und einige Begriffe aus der Statistik besprochen werden.
Beobachtungsfehler
Zwei Arten von Beobachtungsfehlern werden unterschieden: die systematischen und die zufälligen.
Systematische Fehler treten auf, wenn störende Einflüsse unberücksichtigt oder unerkannt bleiben, die das Ergebnis immer in der gleichen Richtung verfälschen. Das Wiederholen derselben
Messung eliminiert solche Fehler nicht.
Beispiele:
• Bei einer Messung mit dem Mikrometer wird das Objekt zusammengedrückt.
• Bei einzelnen Menschen beschleunigt das Fühlen des Pulses jedesmal den Herzschlag.
• Ein Instrument ist falsch geeicht.
Oft können solche Fehler durch eingehende Prüfung des Messvorganges, eventuell durch Vergleich
mit einer andern Messmethode gefunden werden. Der Experimentator versucht, systematische Fehler zu vermeiden oder aber ihre Ursache zu erfassen und ihre Auswirkung auf das Messergebnis
1
Wichtige Teile dieser Anleitung stützen sich auf Vorlesungen, die Prof. B. L. van der Warden an der Universität
Zürich gehalten hat, und auf sein Buch: Mathematische Statistik, Springer 1965. Ausserdem verweisen wir auf die
Skripten zur Vorlesung von Prof. H. H. Storrer: Einführung in die mathematische Behandlung der Naturwissenschaften.
95
96
rechnerisch zu korrigieren. Zufällige Fehler lassen sich nicht vermeiden. Erfahrungsgemäss ergeben
wiederholte Messungen derselben physikalischen Grösse nicht immer den gleichen Wert. Die Differenz des nachfolgenden zum vorangehenden Messwert fällt unregelmässig aus, einmal positiv, dann
wieder negativ. Auch ihr Betrag wechselt innerhalb gewisser Grenzen ganz zufällig. Zur Schätzung
der Grösse zufälliger Fehler sind viele Messwerte nötig, die zum Beispiel durch Wiederholen der
Messung unter gleichen Bedingungen gewonnen werden.
Hat die Messgrösse einen festen Wert, so streuen beim Wiederholen die Ergebnisse um einen
mittleren Wert, der dem wahren Wert im allgemeinen umso näher kommt, je mehr Messungen
vorliegen. Die Verteilung der Ergebnisse um den mittleren Wert erlaubt die Schätzung des Fehlers.
Streut dagegen die Messgrösse selber um einen mittleren Wert, so gilt das Hauptinteresse
der Verteilung. Der mittlere Wert und ein Mass für die Streuung sind ihre wichtigsten Kennzeichen. Misst man zum Beispiel die Höhe von je 50 Fichten bestimmten Alters an verschiedenen
Standorten, so ergibt sich für jeden Standort eine Verteilung um die mittlere Höhe. Der Vergleich
dieser Verteilungen dient etwa zur Klärung der Frage, ob und wie sich die Höhen an verschiedenen
Standorten unterscheiden. In diesem Fall sind die Messfehler ganz unbedeutend im Vergleich zu
den Höhenunterschieden von Baum zu Baum. Wird dagegen derselbe Baum 50 mal gemessen, so
ergibt sich eine ganz anders geartete Verteilung, die durch das Messverfahren beeinflusst ist.
Um überhaupt eine Verteilung der Messwerte feststellen zu können, muss in beiden Fällen die
Messeinrichtung ausreichend empfindlich sein. Andernfalls ergibt sich bei jeder Wiederholung
derselbe Zahlenwert auf einer wie auch immer gearteten Anzeige. Die Messeinrichtung ist dann zu
grob, um die Streuung der Messwerte zu erfassen. Der Messfehler lässt sich nicht nach den Regeln
der Statistik bestimmen. Er muss geschätzt werden. Er ist von der Grössenordnung des minimalen
Anzeigeintervalls.
Im folgenden besprechen wir ausschliesslich die Fehler einer Messgrösse mit festem Wert. Dabei nehmen wir an, dass keine systematischen Fehler vorliegen und dass die Messeinrichtung so empfindlich
sei, dass die zufälligen Fehler beobachtet werden können.
Statistische Beschreibung von Verteilungen
Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit
Wenn beim Würfeln in 100 Würfen 17-mal die 3 erscheint, so ist die Häufigkeit 17/100 oder 17%.
Die Häufigkeit hi eines Ereignisses i ist die Anzahl ki jener Fälle, in denen es eingetreten ist,
dividiert durch die Gesamtzahl n der Fälle:
hi =
ki
n
(9.1)
Die Häufigkeit unterliegt zufälligen Schwankungen. Bei 100 andern Würfen erscheint die drei vielleicht 15 oder 18 mal. Unter diesem Gesichtspunkt bezeichnet man eine Serie von n Würfen als
Stichprobe. Die Häufigkeit schwankt unter gleichbleibenden Umständen um einen Durchschnittswert. Diesen nennt man die Wahrscheinlichkeit pi des Ereignisses. Sie hängt nicht vom Zufall ab.
Wenn die Versuchszahl klein ist, sind beträchtliche Schwankungen der Häufigkeit zu erwarten. Ist
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
97
sie aber gross, so wird hi meistens nahe bei pi liegen. Für die Grössenordnung σ der zu erwartenden
Abweichungen |hi − pi | berechnet man in der Statistik:
r
pi (1 − pi )
σi =
(9.2)
n
Abweichungen grösser als 2σ kommen nur selten vor, grössere als 3σ fast nie.
Mit zunehmendem n bildet die Häufigkeit ein immer genaueres Mass für die Wahrscheinlichkeit. Auf
diesem Gesetz der grossen Zahl beruht die prinzipielle Möglichkeit, Wahrscheinlichkeiten statistisch
zu erfassen. Die Auswahl der Fälle muss aber rein durch Zufall bedingt sein. Man darf die Statistik
nicht fälschen. Auch müssen die einzelnen Fälle voneinander unabhängig sein. Der Ausgang des
zehnten Versuches darf nicht von dem der ersten neun abhängen.
Beim Würfelspiel ist 3 nicht die einzige Augenzahl, die erscheinen kann. Im Gegenteil: von einem
guten Würfel wird erwartet dass jede der sechs Augenzahlen mit der gleichen Wahrscheinlichkeit
von einem Sechstel vorkommt. Die Verteilung der Wahrscheinlichkeit auf die betreffenden Augenzahlen besteht aus sechs gleichen Werten. Für die Häufigkeit gilt das nur näherungsweise wegen der
zufälligen Schwankungen. Tabelle 9.1 zeigt den Ausgang für drei verschieden grosse Stichproben.
Augenzahl
i
1
2
3
4
5
6
σ
Stichprobe 1
102 Würfe
hi
14
0.14
16
0.16
15
0.15
21
0.21
16
0.16
18
0.18
−2
4 · 10
Stichprobe 2
Würfe
hi
1666
0.1666
1644
0.1644
1673
0.1673
1697
0.1697
1676
0.1676
1644
0.1644
−3
4 · 10
104
Stichprobe 3
Würfe
hi
167009
0.167009
166059
0.166059
166373
0.166373
166480
0.166480
167533
0.167533
166546
0.166546
−4
4 · 10
106
Tabelle 9.1: Beispiele für die Resultate von drei Stichproben beim Würfelspiel.
In einem sogenannten Histogramm (Abbildung 9.1) ist die erste Stichprobe dargestellt. Für jede
Augenzahl i ist darin die Häufigkeit hi als Rechteckfläche dargestellt. Alle Rechtecke zusammen
haben die Fläche:
6
X
hi = 1
(9.3)
i=1
Das bedeutet, dass bei jedem Wurf mit Sicherheit irgend eine der sechs Augenzahlen erscheint.
Die Wahrscheinlichkeitsverteilung im Würfelspiel heisst diskret, weil die Zufallsgrösse (die Augenzahl) nur eine endliche Anzahl bestimmter Werte annimmt. Im andern Extremfall heisst die
Verteilung kontinuierlich. Dann existiert eine Funktion f (x), die sog. Wahrscheinlichkeitsdichte,
mit der Eigenschaft, dass f (x)dx die Wahrscheinlichkeit dafür angibt, dass die Zufallsgrösse Werte
zwischen x und x + dx annimmt. Da x sicher irgendeinen Wert annimmt, ist die Wahrscheinlichkeit
dafür gleich 1. Also gilt:
Z
+∞
f (x) · dx = 1
−∞
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(9.4)
98
hi
f(x)
f(x) = 1/(b-a) falls a < x < b
0.2
f(x) = 0 sonst
Pi
0.166
1/(b-a)
Pi
0.1
1
2
3
4
5
6
a
Augenzahl i
Abbildung 9.1: Histogramm mit den Häufigkeiten zum Resultat der ersten Stichprobe
aus Tabelle 9.1 beim Würfelspiel.
b
x
Abbildung 9.2: Wahrscheinlichkeitsdichte einer uniformen Verteilung.
Als Beispiel kann die Verteilung für eine Zufallsgrösse dienen, für die zwischen den Grenzen a und
b alle Werte gleich wahrscheinlich sind (Abbildung 9.2).
Liegt eine Reihe von Messergebnissen vor, so kann der ganze Wertebereich in Intervalle unterteilt
werden (siehe das Beispiel im Abschnitt III). Nun lässt sich für jedes einzelne Intervall angeben,
wie oft ein Messwert in das betreffende Intervall fällt. Dafür kann man die Häufigkeit berechnen.
Diese Häufigkeiten hängen wieder von der Stichprobe ab. Ist sie sehr gross, so gleichen sich die
zufälligen Schwankungen aus und die Häufigkeiten werden näherungsweise gleich den Wahrscheinlichkeiten. Das sieht man auch, wenn man die Werte aus Tabelle 9.1 der 3 Stichproben vergleicht.
Der Messvorgang legt die Verteilung der Wahrscheinlichkeiten fest. Diese ist meistens unbekannt
und muss daher aus der Verteilung der Häufigkeiten in einer Stichprobe geschätzt werden. Eine
solche Schätzung fällt mehr oder weniger genau aus, da jede Stichprobe zwangsläufig begrenzt ist
(verfügbare Zeit, Auswahl, Kosten,. . .). In diesem Sinne entzieht sich die Wahrscheinlichkeit der
exakten Beobachtung.
Erwartungswert, Varianz, Standardabweichung
Die Statistik definiert als wichtigste Merkmale einer Verteilung der Zufallsgrösse x den Erwartungswert x̂ und die Varianz σ 2 mit Hilfe der Wahrscheinlichkeit, mit der die Zufallsgrösse einen
bestimmten Wert annimmt.
Ist die Verteilung diskret, und nimmt die Zufallsgrösse x die Werte x1 , x2 , . . . , xm mit den Wahrscheinlichkeiten p1 , p2 , . . . , pm an, so wird definiert:
Erwartungswert:
x̂ =
m
X
xk · p k
(9.5)
(xk − x̂)2 · pk
(9.6)
k=1
Varianz:
σ2 =
m
X
k=1
Die Standardabweichung σ (die Quadratwurzel aus der Varianz) ist ein Mass für die Streuung
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
99
um x. Abweichungen |xk − x̂| grösser als 2σ kommen selten vor, grössere als 3σ fast nie. In der
Fehlertheorie nennt man die Abweichung (xk − x̂) den zufälligen Fehler.
Lineare Funktionen mehrerer Zufallsvariablen
Bei Anwendungen der Statistik in der Fehlerrechnung kommen Funktionen von Zufallsgrössen
häufig vor. Für lineare Funktionen benützen wir die folgenden Ergebnisse der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Sind x und y zufällige Grössen, so ist es auch die Summe z = x + cy (c konstant). Für den
Erwartungswert von z wird gezeigt:
ẑ = x̂ + cŷ
(9.7)
Für die Varianz σz2 von z gilt
σz2 = σx2 + c2 · σy2
(9.8)
falls x und y voneinander unabhängig sind (das heisst: die Wahrscheinlichkeit dafür, dass im gepaarten Ereignis (x, y) die Grösse x den Wert xk annimmt, hängt nicht vom Wert yk ab, den die
Grösse y annimmt, und umgekehrt). Dabei bezeichnen σx2 und σy2 die Varianzen der Grössen x und
y.
Die Gleichungen (9.7) und (9.8) lassen sich auf mehr als zwei Zufallsgrössen verallgemeinern. Als
wichtiges Beispiel betrachten wir das arithmetische Mittel z von n unabhängigen Zufallsgrössen
x1 , x2 , . . . , xn :
n
1X
xi
(9.9)
z=
n
i=1
Haben alle Zufallsgrössen xi dieselbe Verteilung, also je den gleichen Erwartungszwert x und die
gleiche Varianz σ 2 , so folgt für den Erwartungswert ẑ und die Varianz σz2 des arithmetischen Mittels:
n
ẑ =
σz2 =
1X
1
x̂i = nx̂ = x̂
n
n
i=1
n
X
1
n2
σi2 =
i=1
1
σ2
2
nσ
=
n2
n
(9.10)
(9.11)
Mittelwert und Fehler einer Stichprobe
Definitionen
Wird die physikalische Grösse x auf dieselbe Weise n mal gemessen, so entsteht eine Stichprobe von
Messwerten x1 , x2 , . . . , xn . Diese Werte streuen um den Erwartungswert x̂ in einem Ausmass, das
durch σ erfasst ist. Da aber die Wahrscheinlichkeiten nicht bekannt sind, müssen diese mit Hilfe
der beobachteten Häufigkeiten geschätzt werden.
Anstelle des Erwartungswertes x̂ ergibt sich der Mittelwert x̄
n
1X
x̄ =
xi
n
i=1
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(9.12)
100
und statt der Standardabweichung σ der Fehler der Einzelmessung s
v
u
n
u 1 X
t
s=
(xi − x̄)2
n−1
(9.13)
i=1
Der Fehler m des Mittelwertes x̄ beträgt gemäss Gleichung (9.11)
v
u
n
X
u
1
s
t
(xi − x̄)2
m= √ =
n(n − 1)
n
(9.14)
i=1
Oft wird auch der relative Fehler r des Mittelwertes angegeben:
r=
m
x̄
(9.15)
Im Gegensatz zum relativen Fehler bezeichnen wir m auch als absoluten Fehler. Die Grössen x̄ und
s hängen von der Stichprobe ab und sind somit zufällig. Für hinreichend grosse Stichproben ist s
ein Mass für die erwarteten Abweichungen |xi − x̂| einzelner Messwerte vom Erwartungswert, m
dagegen ein Mass für die Abweichungen des Mittelwertes x̄ vom Erwartungswert x̂.
Beispiel
Es werden 30 Messungen derselben Länge x mit derselben Sorgfalt und unter denselben Bedingungen vorgenommen. Die Ablesegenauigkeit unseres Massstabes erlaube die Schätzung der Länge auf
0.1 cm genau.
30
30
X
X
xi = 465.1
(xi − x̄)2 = 2.21 cm2
i=1
i=1
Die Summe über die Abweichungen (xi − x̄) sollte 0 sein, ist aber 0.1 cm. Dieser Unterschied ergibt
sich aus den Rundungsfehlern.
Nach den Gleichungen (9.12) bis (9.15) wird:
n
1
1X
xi =
· 465.1 cm = 15.503 cm
x̄ =
n
30
i=1
v
r
u
n
u 1 X
1
2
t
s =
(xi − x̄) =
· 2.21 cm2 = 0.276
n−1
29
cm
i=1
m =
r =
s
√ = 0.050 cm
n
m
0.050
=
= 0.0032 = 0.3%
x̄
15.503
Das Ergebnis, der Mittelwert mit seinem Fehler, enthält die Zahlenwerte in einer Genauigkeit, die
sich nach der Grösse des Fehlers richtet, und hat folgende Form:
x = (15.50 ± 0.05)
cm
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
101
xi
(cm)
15.4
15.6
15.7
15.8
15.6
15.4
15.5
15.5
15.9
15.5
15.8
16.1
15.3
15.6
15.4
(xi − x̄)
(cm)
-0.10
+0.10
+0.20
+0.30
+0.10
-0.10
0.00
0.00
+0.40
0.00
+0.30
+0.60
-0.20
+0.10
-0.10
(xi − x̄)2
(cm2 )
0.0107
0.0093
0.0387
0.0880
0.0093
0.0107
0.0000
0.0000
0.1573
0.0000
0.0880
0.3560
0.0413
0.0093
0.0107
xi
(cm)
15.3
14.9
15.5
15.5
15.1
14.9
15.5
16.0
15.5
15.3
15.2
15.4
15.7
15.6
15.6
465.1
(xi − x̄)
(cm)
-0.20
-0.60
0.00
0.00
-0.40
-0.60
0.00
+0.50
0.00
-0.20
-0.30
-0.10
+0.20
+0.10
+0.10
0.10
·(xi − x̄)2
(cm2 )
0.0413
0.3640
0.0000
0.0000
0.1627
0.3640
0.0000
0.2467
0.0000
0.0413
0.0920
0.0107
0.0387
0.0093
0.0093
2.2093
Tabelle 9.2: Beispiel für die Resultate einer Längenmessung.
Histogramme
Das Histogramm in der Abbildung 9.3 zeigt anschaulich die Verteilung der Messwerte für das
Beispiel aus dem vorhergehenden Abschnitt. Dazu wird die Abszisse in gleiche Intervalle der Länge
∆x (entsprechend der Ablesegenauigkeit ist ∆x = 0.1 cm gewählt) so unterteilt, dass die möglichen
Ablesungen xk jeweils in der Mitte eines Intervalls liegen. Die Fläche fk ·∆x ist gleich der Häufigkeit
hk = nk /n, wobei nk die Anzahl jener Ergebnisse xi bedeutet, die in das Intervall um xk fallen.
Somit ist
nk
hk
=
(9.16)
fk =
∆x
n · ∆x
In Tabelle 9.3 sind die Werte von xk , nk , fk für δx = 0.1 cm und das Beispiel aus Abschnitt III
aufgelistet.
Der Mittelwert x̄ und der Fehler s der Einzelmessung lassen sich auch durch die Grössen xk und
fk ausdrücken:
x̄ =
s2 =
X
1X
xk nk =
xk fk · ∆x
n
k
k
1 X
n X
(xk − x̄)2 · nk =
(xk − x̄)2 · fk · ∆x
n−1
n−1
k
k
Der Index k durchläuft dabei die Intervalle, nicht die Messwerte.
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(9.17)
(9.18)
102
xk
(cm)
14.8
14.9
15.0
15.1
15.2
15.3
15.4
15.5
nk
0
2
0
1
1
3
4
7
fk
(cm−1 )
0
0.67
0
0.33
0.33
1.0
1.33
2.33
xk
(cm)
15.6
15.7
15.8
15.9
16.0
16.1
16.2
nk
5
2
2
1
1
1
0
fk
(cm−1 )
1.67
0.67
0.67
0.33
0.33
0.33
0
Tabelle 9.3: Verteilung der Messwerte
fi
[1/cm]
2
1,5
Abbildung 9.3: Histogramm zu den
Resultaten einer Längenmessung
(Tabelle 9.3).
1
0,5
0
15.0
x
s
16.0
xk
[cm]
s
Die Normalverteilung
Im Beispiel hat sich für die Stichprobe von 30 Messungen die empirische Häufigkeitsverteilung
(Histogramm in Abb. 9.3) der Messwerte ergeben. Empirische Verteilungen sind immer diskret,
ob es nun die zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsverteilung auch ist oder nicht. Die Erfahrung
zeigt, dass viele (nicht alle) empirisch gewonnenen Häufigkeitsverteilungen nicht zu unterscheiden
sind von solchen, denen eine einzige Wahrscheinlichkeitsverteilung zugrunde liegt: die sogenannte
Normalverteilung.
Zur Erklärung dieser Tatsache stellt C. F. Gauss die “Hypothese der Elementarfehler” auf. Danach setzt sich der gesamte Beobachtungsfehler der Einzelmessung aus einer grossen Zahl von
unabhängigen kleinen Fehlern zusammen (zum Beispiel Schwankungen der Temperatur, mechanische Erschütterungen). Die beobachtete Grösse ist dann normal verteilt (als Folge des zentralen
Grenzwertsatzes der Statistik). Die Normalverteilung ist eine kontinuierliche Verteilung mit der
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103
Wahrscheinlichkeitsdichte f (x):
1
f (x) = √
σ 2π
e−
(x−x̂)2
2σ 2
(9.19)
Diese Funktion heisst Gauss’sche Fehlerfunktion und ist in Abbildung 9.4 abgebildet.
f(x)
Abbildung 9.4: Gauss’sche Fehlerfunktion.
0
x
^x
s
s
Für eine kontinuierliche Verteilung mit der Wahrscheinlichkeitsdichte f (x) lauten die Definitionen
für den Erwartungswert und die Varianz:
Z
Erwartungswert
Varianz
+∞
x̂ =
−∞
Z +∞
σ2 =
xf (x)dx
(9.20)
(x − x̂)2 f (x)dx
(9.21)
−∞
Die Wurzel aus der Varianz σ wird auch Standardabweichung genannt. Eine wichtige Eigenschaft der
Normalverteilung ist die folgende: Sind x und y unabhängige und normal verteilte Zufallsgrössen,
so ist z = x + y eine Zufallsgrösse, die wiederum normal verteilt ist. Das ist verständlich, weil sich
der Beobachtungsfehler von z aus den vielen Elementarfehlern von x und von y zusammensetzt.
Für den Erwartungswert z und die Varianz σz2 folgt aus den Gleichungen (9.7) und (9.8):
ẑ = x̂ ± ŷ
σz2 = σx2 + σy2
(9.22)
Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Messung von x einen Wert zwischen a und b zu erhalten ist
Z
P (a, b) =
b
f (x)dx
(9.23)
a
In einer graphischen Darstellung von f (x) ist P (a, b) die von a und b begrenzte Fläche unter
der Kurve. Die Grenzen der Fläche P (x̂ − σ, x̂ + σ) sind in Abbildung 9.4 markiert. Tabelle 9.4
verzeichnet einige Werte von P (a, b), die für die Normalverteilung wichtig sind.
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104
P (−∞, +∞)
P (x̂ − σ, x̂ + σ)
P (x̂ − 2σ, x̂ + 2σ)
P (x̂ − 3σ, x̂ + 3σ)
P (x̂ + 3σ, +∞)
=
=
=
=
=
100
68
95
99.7
0.13
%
%
%
%
%
Die Wahrscheinlichkeit irgendeinen Wert zu messen ist 1
Innerhalb ± einer Standardabweichung
Innerhalb ± zwei Standardabweichungen (s. Abb. 9.4)
Innerhalb ± drei Standardabweichungen
Messwerte grösser als x̂ + 3σ oder
kleiner als x̂ − 3σ sind sehr unwahrscheinlich
Tabelle 9.4: Werte für P (a, b) der Normalverteilung.
Trifft die Hypothese der Elementarfehler zu und erhöht man die Anzahl der Messwerte, so nähert
sich die diskrete Häufigkeitsverteilung der Messreihe immer mehr jener, die bei gleicher Intervallgrösse der Gauss’schen Fehlerfunktion entspricht. Gleichzeitig wird der Fehler der Einzelmessung s
ein immer zuverlässigeres Mass für σ.
Aus P (x̂ − σ, x̂ + σ) = 68% folgt dann umgekehrt auch für die diskrete Messreihe, dass zirka 68%
der Messwerte zwischen x̄ − s und x̄ + s liegen (Abb. 9.5).
fi
[1/cm]
Histogramm der
Längenmessung
2
1,5
Abbildung 9.5: Vergleich von Abbildung 9.3 mit Abbildung 9.4.
1
0,5
0
15.0
x
s
16.0
xk
[cm]
s
Vergleich verschiedener Messungen und gewichtete Mittel
Unabhängige Messungen
Eine physikalische Grösse sei mit zwei unabhängigen Methoden gemessen, mit den Ergebnissen
G1 = (x̄ ± mx )
(9.24)
G2 = (ȳ ± my )
(9.25)
Meistens ist x etwas verschieden von y. Somit stellt sich die Frage: “Ist |x̄ − ȳ| eine zufällige
Differenz oder unterscheiden sich die Erwartungswerte wirklich ?” Das letztere könnte bedeuten,
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
105
dass mindestens eine der Messmethoden einen systematischen Fehler aufweist. Wir nehmen an,
dass die Mittelwerte x̄ und ȳ normale Verteilungen haben mit Varianzen µ2x und µ2y . Die Differenz
d = x̄ − ȳ hat dann eine Normalverteilung mit der Varianz σd2 = µ2x + µ2y . Unter der Annahme
x̂ = ŷ sind demnach Differenzen |d| > 3σd sehr unwahrscheinlich. Kommt eine so grosse Differenz d
trotzdem vor, so wird man die Annahme x̂ = ŷ verwerfen und die Differenz als gesichert betrachten.
Zwei Schwierigkeiten sind mit dieser Überlegung verknüpft: Einerseits sind die Varianzen µ2x und
µ2y nicht genau bekannt, wohl aber die Fehler mx und my , von denen man annehmen muss, dass
sie aus hinreichend grossen Stichproben stammen. So mögen m2x und m2y als Näherung für µ2x und
µ2y dienen. Andererseits liegt die Grenze für d nicht fest: soll man sie bei 2σd , 3σd oder erst bei 4σd
q
setzen? Ziehen wir die Grenze bei 3σd willkürlich, und bezeichnet sd = m2x + m2y die Schätzung
für σd , so lautet die Antwort auf die ursprüngliche Frage: Fällt |x̄ − ȳ| grösser als 3sd aus, so ist
die Annahme eher zu verwerfen, dass die Erwartungswerte x̂ und ŷ gleich seien. Andernfalls ist es
möglich, dass die Differenz zufällig ist und x̂ = ŷ gilt. Das bedeutet aber nicht, dass die Hypothese
x̂ = ŷ richtig sei. Diese Sachlage ist typisch für die Prüfung von Hypothesen (zum Beispiel durch
statistische Tests).
Der gewichtete Mittelwert und sein Fehler
Ist die physikalische Grösse y mehrmals mit unterschiedlicher Genauigkeit gemessen worden, so
können die Ergebnisse (yi ±myi ) durch gewichtete Mittelwertbildung zu einem Mittelwert mit Fehler
zusammengefasst werden. Dabei wird jedem Messwert ein Gewicht gi umgekehrt proportional zu
m2yi zugeordnet:
1
gi ∝ 2
(9.26)
myi
Folgende Formeln beschreiben das Verfahren:
c 2
gi =
Gewicht (c > 0) frei wählbar
myi
n
ȳ =
1 X
gi yi ,
G
i=1
my =
c
√
G
G=
n
X
gi
gewichteter Mittelwert
(9.27)
(9.28)
i=1
Fehler des gewichteten Mittelwertes
(9.29)
my ist immer kleiner als das kleinste my . Beim Rechnen kann c so gewählt werden, dass die gi
praktische Zahlenwerte haben.
Beispiel zum gewichteten Mittel
Gemessen wird die Brennweite einer dünnen Linse mit drei Methoden:
1. Durch Messen der Gegenstandsweite g und der Bildweite b: Aus der Abbildungsgleichung wird
f = gb/(g + b) berechnet. Das Fehlerfortpflanzungsgesetz (Abschnitt III) liefert den Fehler
mf aus den Fehlern von g und b, zum Beispiel f1 = (42.0 ± 0.5) cm.
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106
2. Durch Messen der Gegenstandsweite g und der Vergrösserung m: f = mg/(m − l) mit dem
Ergebnis: f2 = (40.8 ± 0.3) cm.
3. Direkte Messung der Brennweite durch Autokollimation: f3 = (41.1 ± 0.6) cm.
i
1
2
3
fi
42.0
40.8
41.1
m fi
0.5
0.3
0.6
gi
4
11
3
P
gi = 18
Tabelle 9.5: Messresultate für die Brennweite einer Linse.
c = 1
P
gf
P i i = 41.12 cm
gi
1
= pP = 0.24 cm
gi
= (41.1 ± 0.2) cm
f¯ =
mf
f
Das Fehlerfortpflanzungsgesetz
Allgemeine Definitionen
Es kommt häufig vor, dass die physikalische Grösse u, die zu bestimmen ist, nicht direkt gemessen
wird. In solchen Fällen ist u eine bekannte Funktion u(x, y, z, . . .) mehrerer Variablen. Die Grössen
x, y, z, . . . sind direkt gemessen mit den Fehlern mx , my , mz etc. Neben u betrachten wir die
Funktion v(x, y, z, . . .)
v = û + a (x − x̂) + b (y − ŷ) + c (z − ẑ) + . . .
(9.30)
û = u (x̂, ŷ, ẑ, . . .)
(9.31)
wobei
In einer kleinen Umgebung der Stelle (x̂, ŷ, ẑ, . . .) ist v eine brauchbare Näherung für die Funktion
u. v ist eine Zufallsvariable, die aus der Summe der Zufallsvariablen x, y, z, . . . (zusammen mit
konstanten Faktoren a, b, c, . . .) gebildet ist. Sind diese unabhängig, so gilt als Verallgemeinerung
der Gleichungen (9.7) und (9.8):
v̂ = û
σv2 = a2 σx2 + b2 σy2 + c2 σz2 + . . .
(9.32)
(9.33)
In einer genügend grossen Stichprobe können die Erwartungswerte durch die Mittelwerte und die
Standardabweichungen durch die Fehler ersetzt werden:
v̄ = ū = u (x̄, ȳ, z̄, . . .)
q
mv = mu = a2 m2x + b2 m2y + c2 m2z + . . .
(9.34)
(9.35)
Die Mathematik lehrt, dass die Konstanten a, b, c, . . . gleich den partiellen Ableitungen ∂u/∂x,
∂u/∂y, ∂u/∂z, . . . an der Stelle (x, y, z, . . .) sein müssen. Daraus folgt das Fehlerfortpflanzungsgesetz:
s
2 2 2
∂u
∂u
∂u
mu =
mx +
my +
mz + . . .
(9.36)
∂x
∂y
∂z
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
107
Die partielle Ableitung ∂u/∂x gibt an, wie sich eine Änderung von x allein auf die Funktion
u(x, y, z, . . .) auswirkt. Sie wird als gewöhnliche Ableitung von u nach x berechnet, wobei alle
Variablen ausser x konstant gehalten werden.
Praktisches Rechnen mit dem Fehlerfortpflanzungsgesetz
Das Fehlerfortpflanzungsgesetz gemäss Gleichung (9.36) bildet die Grundlage zur Berechnung der
Fehler von Funktionswerten. Seine Anwendung ist oft kompliziert. In vielen Fällen führen daraus
abgeleitete Regeln bequemer zum Ziel.
Vier einfache Beispiele und drei Regeln
Regel 1: Das Quadrat des Fehlers einer Summe (oder Differenz) ist die Quadratsumme der Fehler
der Summanden.
u(x, y)
Mittelwert:
Fehler:
ū
m2u
x±y
=
x̄ ± ȳ
=
=
m2x
+
m2y
(9.37)
Regel 2: Das Quadrat des relativen Fehlers eines Produktes (oder Quotienten) ist gleich der Quadratsumme der relativen Fehler der Faktoren.
xy
u(x, y, z) =
z
x̄ȳ
Mittelwert:
ū =
z̄
2 x̄ 2 x̄ȳ 2
ȳ
2
mx +
my +
mz
(9.38)
Fehler:
mu =
z̄
z̄
z̄ 2
Der relative Fehler ru = mu /ū ist gegeben durch:
my 2 mz 2
(mu z̄)2 mx 2
2
ru =
=
+
+
x̄
ȳ
z̄
(x̄ȳ)2
ru2 = rx2 + ry2 + rz2
(9.39)
Regel 3: Der relative Fehler der Potenz xa ist das |a|-fache des relativen Fehlers von x. Oft ist die
Funktion u(x, y, z, . . .) bei näherem Betrachten die Summe von Produkten, deren Faktoren
allenfalls konstante Exponenten haben. In diesem Fall können die Fehler von Teil-Ausdrücken
mit den drei Regeln einfach berechnet werden. Bei Summen oder Differenzen rechnet man
mit absoluten Fehlern (m), bei Produkten, Quotienten oder Potenzen mit relativen Fehlern
(r).
u(x) = xa ,
Mittelwert:
Fehler:
a konstant
a
ū = (x̄)
r
2
mu =
a (x̄)a−1 mx
ru =
mu
mx
= |a| ·
= |a|rx
ū
x̄
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(9.40)
108
Einfaches Beispiel:
x
u(x, y, z) = −az + 2 = w(z) + v(x, y),
y
q
rx2 + (2ry )2
rv =
a konstant
mv = |v̄|rv
mw = |a|mz
p
mu =
m2v + m2w
Ein kompliziertes Beispiel
u(x, y, z) = y a sin(x) + ln z
Nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz ist:
m2ln z =
m2sin x
m 2
z
= rz2
z̄
= (mx cos x̄)2
rsin x = | cot x|mx
Achtung: mx muss im Bogenmass eingesetzt werden!
ry a = |a|ry
Der relative Fehler des ersten Summanden ist:
q
q
2
=
a2 ry2 + (cot x̄mx )2
r1 = ry2 a + rsin
x
mit dem absoluten Fehler
m1 = |ȳ a sin x̄|r1
Der Fehler mu von u wird schliesslich (nach der Regel für die Summe)
q
mu = m21 + m2ln z
Dazu das Zahlenbeispiel:
a = 3
x = (7.6 ± 0.3)
Grad
y = 4.74 ± 0.05
z = 153 ± 15
ū = 14.085 + 5.030 = 19.115
mln z = 0.1
ry a = 0.032
p
r1 = (0.032)2 + (0.039)2 = 0.05m1 = 0.70
rsin x = 0.039
p
mu =
(0.7)2 + (0.l)2 = 0.71
u = (19.1 ± 0.7)
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109
Formelsammlung
Messungen gleicher Genauigkeit
Mittelwert gemäss Gleichung (9.12)
n
x=
1X
xi
n
i=1
Fehler des Mittelwerts (9.14)
v
u
u
m=t
n
X
1
(xi − x̄)2
n(n − 1)
i=1
Relativer Fehler (9.15)
r=
m
x̄
Messungen unterschiedlicher Genauigkeit
Gewichteter Mittelwert gemäss Gleichung (9.28)
n
1 X
gi yi
y=
G
i=1
Gewichte (9.27)
gi =
c
myi
2
G≡
n
X
gi
c>0
i=1
Fehler des gewichteten Mittelwerts (9.29)
c
my = √
G
Fehlerfortpflanzungsgesetz: Fehler von Funktionen
Funktion
u = u(x, y, z, . . . )
Mittelwert (9.35)
u = u(x, y, z, . . .)
Fehler des Mittelwerts (9.36)
s
mu =
∂u
mx
∂x
2
+
∂u
my
∂y
2
+
∂u
mz
∂z
2
+ ...
Es gilt speziell (9.37)
u=x±y
⇒
mu =
q
m2x + m2y
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
110
und auch (9.39)
{u = xy,
u=
x
}
y
⇒
⇒
ru = |a| · ry
ru =
q
rx2 + ry2
sowie (9.40)
u = ya
Die Normalverteilung
Die Normalverteilung ist eine kontinuierliche Verteilung mit der Wahrscheinlichkeitsdichte f (x):
1
f (x) = √
σ 2π
e−
(x−x̂)2
2σ 2
(9.41)
Diese Funktion heisst Gauss’sche Fehlerfunktion und ist in Abbildung 9.6 abgebildet.
f(x)
Abbildung 9.6: Gauss’sche Fehlerfunktion.
0
x
^x
s
s
Für eine kontinuierliche Verteilung mit der Wahrscheinlichkeitsdichte f (x) lauten die Definitionen
für den Erwartungswert und die Varianz:
Z +∞
Erwartungswert
x̂ =
xf (x)dx
(9.42)
−∞
+∞
Varianz
σ2 =
Z
(x − x̂)2 f (x)dx
−∞
Die Wurzel aus der Varianz σ wird auch Standardabweichung genannt.
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
(9.43)
Teil IV
Musterbericht
111
Musterbericht
Allgemeines
• Der Versuchsbericht sollte kurz gehalten werden, aber das Notwendige enthalten. Er sollte
klar vermitteln was - wie gemessen wurden.
• Kapitelüberschriften helfen bei der sauberen Strukturierung des Berichtes und damit sowohl beim Schreiben als auch bei der Korrektur.
• Berichte, bei denen grosse bzw. essentielle Teile, wie Messwerte oder Fehlerrechnung fehlen,
werden direkt zurückgewiesen! Grobe Mängel, die bei der Korrektur nicht behoben werden,
können zur Aberkennung des Versuchs führen.
• Bei Zahlenangaben verwenden Sie, soweit wie es möglich bzw. nötig ist, Zehnerpotenzen
und geben Sie nur die notwendige Anzahl von Nachkommastellen an! Ein gutes Mass hierfür
ist die Grössenordnung des Messfehlers. Vergessen Sie nie die Einheiten! Also:
W
=
128364.456 ± 468 J,
sondern: W
=
1.283 × 105 ± 4.7 × 102 J
oder: W
=
(1.283 ± 0.005) × 105 J
NICHT:
• Versuchsberichte, die mit dem Computer erstellt wurden, aber nur Stichworte enthalten
oder deren Graphen nicht vollständig sind (keine Achsenbeschriftung, keine Einheiten, keine
Angaben zu den Steigungen oder Geraden usw.), werden nicht akzeptiert. Excel und ähnliche
Programme können zur Analyse der Daten verwendet werden, sind aber keine Textverarbeitungsprogramme!
Messprotokoll
Ohne übersichtliches Messprotokoll kann kein Versuchsbericht erstellt werden. Jeder Studierende
muss bei jedem Experiment sein eigenes Protokoll anfertigen. Der Versuch gilt erst als durchgeführt,
wenn das Messprotokoll vom Assistenten auf Vollständigkeit überprüft worden und akzeptiert worden ist. Stellen Sie daher während des Versuches alle gemessenen Werte mit Einheiten übersichtlich
in Tabellenform zusammen, wie in Teil (2) des folgenden Versuchsberichtes dargestellt. Notieren
Sie bei allen gemessenen Grössen die Messunsicherheiten, z.B. 1 m ±0.01 m.
113
114
Versuchsbericht Teil 1: Einleitung
• Vergessen Sie Namen (e-Mail-Adressen) und Datum nicht! Weiterhin ist es hier nützlich, den
Namen des/der Assistenten/tin anzuführen.
• Geben Sie Seitenzahlen an und nummerieren Sie gegebenenfalls die Gleichungen und Formeln
durch, die Sie benutzen.
Namen: Niels Bohr, Albert Einstein
16.8.2001
Spezifische Wärme fester Körper
In diesem Versuch werden die spezifischen Wärmen von Kupfer und Aluminium gemessen und
mit den Literaturwerten verglichen.
Einleitung und Messmethode
Die spezifische Wärme c (pro kg) ist die Proportionalitätskonstante zwischen der zugeführten
Wärmemenge Q und der daraus resultierenden Temperaturänderung:
Q = c · m · ∆T mit m = Masse des Körpers.
(1)
Für feste Körper gilt das Gesetz von Dulong-Petit für die Wärmekapazität pro Mol:
cp ≈ cV = 3R,
(2)
wobei R = 8.31 J/(K mol) die universelle Gaskonstante ist. ...
Aufbau:
Wasser
Heizwicklung
Magnet
Thermometer
Isolation
Cu-Gefäss
Probe
Magnetrührer
In einem möglichst gut isolierten Gefäss mit kleiner Wärmekapazität W wird der Metallzylinder
im Wasserbad erwärmt. Aus der Stromquelle wird elektrische Energie zugeführt, ...
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
115
Teil 2: Messprotokoll
• Stellen Sie die Messungen übersichtlich dar.
• Geben Sie die Einheiten und die Messunsicherheiten an. Sie werden sich zuhause nicht mehr
daran erinnern können!
Messungen
Bestimmung von W :
Wasser
mW = (296.4 ± 0.1) × 10−3 kg
Bestimmung von cCu :
Wasser
mW = (114.4 ± 0.1) × 10−3 kg
Wasser
mCu = 1.628 ± 0.005 kg
...
Strom
I = 2.9 ± 0.05 A
Spannung U = 25.0 ± 0.5 V
usw.
Zeit (min/sec)
min
sec
0
0
30
1
1
30
2
2
30
...
8
9
10
11
12
usw.
Temperatur (◦ C)
TW
TCu
26.6
26.2
28.0
26.4
29.6
26.8
31.2
28.0
33.0
28.2
34.7
29.2
(*) 53.6
53.9
53.8
53.7
53.6
55.5
58.8
61.9
63.9.
(*) 66.7
TAl
26.8
28.2
30.1
33.3
34.8
36.0
62.4
66.4
(*) 68.3
67.8
67.6
Fehler auf Temperatur: ±0.1◦ C
Messdauer: (Strom eingeschaltet)
W: 510 ± 1 s
Cu: 720 ± 1 s
Al: 600 ± 1 s
(*)=Strom wird abgeschaltet.
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
116
Teil 3: Resultate
• Geben Sie die Resultate zusammen mit dem Fehler an, falls notwendig, in Exponentialschreibweise. Vergessen Sie nicht die Einheiten!
• Runden Sie das Ergebnis auf eine vernünftige Zahl von Stellen! Üblicherweise genügen etwa
2-3 Stellen in Exponentialschreibweise. Ein gutes Mass hierfür ist der Messfehler.
• Vergleichen Sie Ihre Resultate mit Literaturwerten, falls solche verfügbar sind, geben Sie eine
Referenz für die Literaturwerte an.
• Fassen Sie Ihr Resultat in einem Schlusssatz zusammen.
Resultat
cCu
= 24.8 ± 1.9
cAl
= 24.2 ± 2.0
J
K.mol
J
K.mol
J
Theoretischer Wert nach Gleichung (2): c = 24.94 K.mol
Literaturwerte
J
[https://de.wikipedia.org/wiki/Kupfer]
Kupfer: cCu = 24.51 K.mol
J
Aluminium: cAl = 24.18 K.mol
[https://de.wikipedia.org/wiki/Aluminium]
Die gemessenen Werte stimmen gut mit den Literaturwerten überein. Der theoretische Wert
erweist sich als gute Näherung.
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117
Teil 4: Graphische Darstellung
• Zeichen Sie die Achsen so gross wie möglich und nur über den Wertebereich, über den gemessen wurde. Beschriften Sie die Achsen und geben Sie die Einheiten an.
• Tragen Sie die Daten mit Symbolen ein; verbinden Sie nicht die Punkte durch Linien! Verwenden Sie für verschiedene Kurven im gleichen Graphen verschiedene Symbole oder Farben.
• Geben Sie bei jedem Punkt durch Balken die Fehler der Messwerte an, ausser wenn die Balken
zu klein wären, um sie darzustellen. In letzterem Fall machen Sie eine Anmerkung und geben
Sie einen Zahlenwert an.
• Je nach Aufgabenstellung berechnen Sie die Steigung mithilfe eines möglichst grossen Steigungsdreieckes sowie die Steigungen der steilsten und flachsten Geraden, die noch mit den
Punkten vereinbar sind (Fehler auf der Steigung).
Graphische Darstellung
70
Temperatur (°C)
60
50
ΔT = 42.9° = 42.9 K
40
30
Δt = 720 s
Bestimmung von W
Kupfer
Aluminium
20
0
5
10
Zeit (min)
15
20
Anmerkung: Die Fehlerbalken wurden weggelassen, da man sie in dieser Graphik nicht darstellen
kann (±0.1◦ C bzw. ±1 s).
Berechnung der Steigung für Kupfer:
Steigung α =
∆T
42.9 K
=
= 5.96 × 10−2 K/s.
∆t
720 s
usw.
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118
Teil 5: Auswertung
• Notieren Sie bei der Auswertung auch alle Zwischenschritte – dies hilft Ihnen (und dem
Assistenten) bei der Kontrolle und bei der Fehlersuche.
• Schreiben Sie der Übersichtlichkeit halber alle Messwerte mit Einheiten sauber zusammen.
Kontrollieren Sie die Einheiten der Resultate.
• Tipps: Schätzen Sie die Grössenordnung der Resultate im Kopf vorher ab und rechnen Sie
alle Resultate routinemässig ein zweites Mal nach.
Auswertung
Berechnung von W :
W =
Q
− mW · cW
∆TW
Q
=
U · I · ∆t = 2.9 A · 25 V · 510 s = 3.7 × 104 J
∆TW
=
27.5 K
mW
=
0.296 kg
cW
=
4.182 × 103 J/(kg.K)
W =
3.7 × 104 J
− 0.296 kg · 4.182 × 103 (kg.K) = 108 J/K.
27.5 K
Berechnung der spezifischen Wärme von Kupfer cCu :
Q
1
c =
− mW cW − W ·
mit
∆TCu
nCu
Q
U · I · ∆t
U ·I
=
=
wobei α=Steigung = 5.96 × 10−2 K/s
∆TCu
∆TCu
α
mW · cW = 0.114 · 4.182 × 103 J/K = 477 J/K
mCu
1.63 kg
nCu =
=
MCu
0.064 kg/mol
25·2.9
woraus folgt: cCu = 5.96×10
−
477
−
108
J/(kg.K) · 0.019 kg/mol = 24.8 J/(mol.K).
−2
usw.
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119
Teil 6: Fehlerrechnung
• Stellen Sie hier noch einmal alle relevanten Werte zusammen - das erspart viel Zeit.
• Stellen Sie die Formeln zusammen und geben Sie alle verwendeten partiellen Ableitungen an!
• Schätzen Sie am Anfang bereits ab, welche Beiträge Sie gegebenenfalls vernachlässigen können.
Streichen Sie vernachlässigte Beiträge zum Fehler deutlich durch und begründen Sie dies mit
Zahlenwerten.
• Ein Tipp: Häufig lassen sich relative Fehler r einfacher bestimmen als absolute Fehler m
(besonders bei Multiplikationen).
Fehlerrechnung
(hier am Beispiel für Kupfer)


U · I
 1
c = 
c −W 
 α − |mW
 · nCu
{z W}
| {z }
B
A
0.2
mit nCu = Masse/Molmasse von Kupfer: rn = 1628.2
≈ 10−4 vernachlässigbar.
Es gilt:
s
q
∂c 2 2
∂c 2 2
∂c 2 2
1
mc =
mA +
mB +
mW =
m2A + m2B + m2W
∂A
∂B
∂W
nCu
da für die partiellen Ableitungen nach A, B und W gilt:
∂c ∂c ∂c
= 1 .
= = ∂A
∂B
∂W nCu
Für die Fehler auf A, B und W gilt:
s q
0.5 2
0.05 2
0.03 × 10−2 2
2
2
2
rA =
rU + rI + rα =
+
+
= 2.6 × 10−2
25
2.9
5.96 × 10−2
25 · 2.9
mA = A · rA =
J/K · 2.6 × 10−2 = 31.6 J/K
5.96 × 10−2
... u.s.w.
→ mc = 1.9 J/(K.mol).
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
120
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
Teil V
Einheiten und Konstanten
121
Einheiten und Konstanten
SI-Einheiten
Für Grundgrössen und abgeleitete Grössen wurde an der 11. Generalkonferenz für Mass und Gewicht 1960 ein kohärentes Einheitssystem, das Système International d’Unités (SI), für den allgemeinen Gebrauch empfohlen. Die der Meterkonvention angehörenden Staaten sind gehalten, das
SI durch Gesetz einzuführen. Das SI ersetzt alle früheren Masssysteme, wie das cgs- (cm g s), das
mks- (m kg s), das technische Masssystem etc.
In Klammern: die in diesem Skript i.a. benutzten Bezeichnungen der Grössen.
Masse (m, M )
1 Kilogramm (kg) ist die Masse des aus Pt-Ir bestehenden Urkilogramms , das im Bureau International des Poids et Mesures in Sevres aufbewahrt wird. Es entspricht ungefähr der Masse von 1
l Wasser bei 4◦ C.
Zeit (t, T )
1 Sekunde (s) ist die Zeitdauer von 9 192 631 770 Schwingungen des Uebergangs zwischen den
beiden Hyperfeinstrukturniveaus im Grundzustand des 133 Cs Atoms.
Länge (l, `)
1 Meter (m) ist die Länge der Strecke, die das Licht im Vakuum während der Dauer von
1/299 792 458 s zurücklegt. Veraltet: Urmeter (sollte 1/40 000 000 des Meridians durch Paris sein),
1 m = 1 650 763.73 Wellenlängen des roten Lichtes, das von 86 Kr bei einem bestimmten Uebergang
emittiert wird. Der Meterstandard zeigt, dass die Einteilung in Grund- und abgeleitete Einheiten
willkürlich ist. Definiert ist heute die Lichtgeschwindigkeit c = 2.99792458 ×108 m/s.
Elektrische Stromstärke (I)
1 Ampére (A) ist die Stärke eines Stromes, der durch zwei im Vakuum im Abstand von 1 m parallel verlaufende, geradlinige, unendlich lange Leiter von vernachlässigbarem Durchmesser, fliessend,
eine gegenseitige Kraft von 2 × 10−7 Newton pro Meter Länge hervorruft.
Temperatur (T )
1 Kelvin (K) ist der Bruchteil 1/273.16 der thermodynamischen Temperatur des Tripelpunktes
von Wasser. Die Celsiusskala ist definiert durch: t(◦ C) = t(K) - 273.15 K. Schmelzpunkt und Sie123
124
depunkt des Wassers unter Normalbedingungen liegen nur ungefähr bei 0◦ respektive 100◦ C. Der
absolute Nullpunkt ist per Definition 0 K.
Quantität der Materie (n, ν)
1 Mol (mol) ist die Menge eines Stoffes, die gleichviele Teilchen N◦ (Atome, Moleküle, Ionen,
Elektronen, ...) besitzt, wie Atome in 12 g des Kohlenstoffisotops 12 C enthalten sind.
N◦ =
12.000 g/mol
Masse eines Atoms
diese Zahl ändert sich, wenn die
12 C
Avogadrosche oder Loschmidtsche Zahl,
12 C-Atommasse
genauer bestimmt wird.
Lichtstärke
1 Candela (cd) ist die Lichtstärke (Intensität I = dΦ/dΩ), mit der 1/60 cm2 Oberfläche eines
schwarzen Strahlers bei der Temperatur des beim Druck von 1 atm erstarrenden Pt (2024.5 K)
senkrecht zur Oberfäche strahlt.
Sämtliche Dimensionen physikalischer Grössen lassen sich auf diese 7 Grundgrössen zurückführen.
Z.B. Beschleunigung m/s2 , Kraft N = m kg/s2 . Die 7 Grundgrössen sind nicht alle fundamentale
Basisgrössen. Z.B. wird die Kelvinskala nur eingeführt, weil der theoretisch existierende Zusammenhang zwischen Temperatur und Energie experimentell nur schlecht bestimmbar ist. Für die
Physik genügen die 4 Basisgrössen m, kg, s und A.
Vorsilben der Dezimalteilung von Einheiten
Vorsilbe
Abk.
Faktor
Vorsilbe
Abk.
Faktor
spezielles
Exa
Peta
Tera
Giga
Mega
Kilo
Hekto
Deka
E
P
T
G
M
k
h
d
1018
1015
1012
109
106
103
102
101
Dezi
Zenti
Milli
Mikro
Nano
Piko
Femto
Atto
d
c
m
µ
n
p
f
a
10−1
10−2
10−3
10−6
10−9
10−12
10−15
10−18
nur dl, dm
nur cm
1 fm=1 Fermi
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
125
Von den SI-Einheiten abgeleitete Einheiten z.T. mit speziellen Namen
In Klammern: i.a. benutzte Bezeichnungen der Grössen.
ebener Winkel
Raumwinkel (Ω)
Frequenz (ν)
Geschwindigkeit (~v )
Impuls (~
p)
~
Kraft (F )
Druck (p)
Energie,Arbeit (E, W )
Leistung (P )
~ ◦)
Drehimpuls (L
~ ◦)
Drehmoment (M
Trägheitmoment (I◦ )
Wärmemenge (Q)
Entropie (S)
el. Ladung (q, Q)
~
elektrische Feldstärke (E)
~
dielektrische Verschiebung (D)
el. Stromdichte (~j)
el. Spannung, Potential (V )
el. Kapazität (C)
el. Widerstand (R)
el. Leitfähigkeit (σ)
Induktionsfluss (Φ)
~
magn. Induktion (B)
~
magnetische Feldstärke (H)
Induktivität (L)
Lichtstrom
Beleuchtungsstärke
Radioaktivität
absorbierte Strahlungsdosis
Radiant
Steradiant
Hertz
Newton
Pascal
Joule
Watt
= rad
= sr
= Hz
=
=
=
=
N
Pa
J
W
Joule
=J
Coulomb
=C
Volt
Farad
Ohm
Siemens
Weber
Tesla
=
=
=
=
=
=
V
F
Ω
S
Wb
T
Henry
Lumen
Lux
Bequerel
Gray
=
=
=
=
=
H
lm
lx
Bq
Gy
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
m m−1
m2 m−2
s−1
m s−1
kg m s−1
m kg s−2
m−1 kg s−2
m2 kg s−2
m2 kg s−3
kg m 2 s−1
kg m 2 s−2
kg m2
m2 kg s−2
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
=
As
V/m
Cb/m2
A/m2
m2 kg s−3 A−1
m−2 kg−1 s4 A2
m2 kg s−3 A−2
m−2 kg−1 s3 A2
m2 kg s−2 A−1
kg s−2 A−1
A/m
m2 kg s−2 A−2
cd sr
lm m−2
s−1
m2 s−2
= Ns
= N/m2
= Nm
= J/s
= Nm
= Nm
= J/K
=
=
=
=
=
=
J/C
C/V
V/A
A/V
Vs
Wb/m2
= Vs/A
= J/kg
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
126
Weitere (teilweise veraltete) Einheiten
Grösse (Symbol)
SI
Einheit
Länge (l)
1m
Fäche (A)
1 m2
Volumen (V )
1 m3
Zeit (t)
1s
Frequenz ν
1 Hz
Geschwindig. (v)
1 m/s
Masse (m)
1 kg
Kraft (F )
1N
Druck (p)
1 Pa
Arbeit (W )
Energie (E)
Wärme(Q)
1J
Leistung (P )
1W
Magn. Indukt. (B)
Magn. Feld (H)
1T
1 A/m
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
Parsec = 1 pc = 3.085 72 ×1016 m
Lichtjahr = 1 ly = 9.460 530 ×1015 m
astr. Einheit = 1 AE = 1.496 00 ×1011 m
inch = 1 in. = 2.54 cm (exakt)
yard = 1 yd. = 3 feet = 3 ft.= 36 in.
Seemeile = 10 Kabel = 1000 Faden = 1852 m
mile = 1 mi. = 1760 yd. = 1.609 344 km
Ångström = 1 Å = 10−10 m
Fermi = 1 fm = 10−15 m
Are = 1 a = 102 m2
Barn = 1 b = 10−28 m2
Liter = 1 l = 10−3 m3
Gallone (US) = 4 Quarts = 8 Pints = 3.785 4 l
Gallone (GB) = 4 Quarts = 8 Pints = 4.545 9631 l
d = 24 h = 86400 s
Jahr = 1 y = 3.155 69 ×107 s ≈ π × 107 s
cycle per second = 1 cps = 1 Hz
revolution per minute = 1 rpm = 1/60 Hz
km/h = 1/3.6 m/s
Knoten = 1 Seemeile/h
mile per hour = 1 mph = 1.609 344 km/h
techn. Masseneinh. = 1 TME = 1 kp m−1 s2 = 9.806 65 kg
atomare Masseneinheit = 1 u = 1.660 5655(86) ×10−27 kg
pound = 1 lb = 16 ounces = 16 oz. = 0.453 59237 kg
dyn = 1 cm g s−2 = 10−5 N
Kilopond = 1 kp = 1 kg∗ = 9.806 65 N
Bar = 1 b = 103 mb = 105 Pa
Atmosphäre (phys.) = 1 atm = 1.013 25 ×105 Pa
Atm. (techn.) = 1 at = 1 kp/cm2 = 0.980 665 ×105 Pa
Pound per sq. in. = 1 PSI = 6.894 76 ×103 Pa
Torr = 1/760 atm = 133.322 37 Pa = 1 mm Hg (0 ◦ C)
Erg = 1 erg = 10−7 J
kWh = 3.6 ×106 J
cal (thermoel.) = 4.184 J
cal (mittlere) = 4.186 97 J
cal (15 ◦ C) = 4.185 5 J
cal (IT) = 4.186 84 J
eV = 1.602 1892(46) ×10−19 J
Pferdestärke = 1 PS = 75 m kp/s = 735.498 75 W
horse power = 1 hp (mech.) = 550 ft lb/s = 745.692 27 W
hp (elektr.) = 746 W
Gauss = 1 G = 10−4 T
Oersted = 103 /4π A/m
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127
Einige physikalische Konstanten (Stand 1986)
Physikalische Grösse
Symbol
Wert(Fehler)
Einheit
Lichtgeschwindigkeit
magn. Feldkonst., Induktionskonst.
el. Feldkonst., Influenzkonst.=1/µ0 c2
Gravitationskonstante
Standardschwerebeschleunigung
Fallbeschleunigung Zürich (452 m)
Plancksche Konstante
h/2π
Elementarladung
magnetische Flussquant, h/2e
Feinstrukturkonstante, µ0 ce2 /2h
Atomare Masseneinheit m(12 C)
c
µ0
0
G
gn
gZ
h
h̄
e
Φ0
α
u
u
−e/me
me
me
me
mµ
mµ
mµ /me
mp
mp
mp
mp /me
mn
mn
mn
ERy
a0
λe
re
N◦ =L
F
R
k
VM
b
σ
2.997 924 58 × 108
4π × 10−7
8.854 187 817 × 10−12
6.672 59(85) × 10−11
9.806 65
9.806 52
6.626 075 5(40) × 10−34
1.054 572 66(63) × 10−34
1.602 177 33(49) × 10−19
2.067 834 61(61) × 10−15
7.297 353 08(33) × 10−3
1.660 540 2(10) × 10−27
931.494 32(28)
−1.758 819 62(53) × 1011
9.109 389 7(54) × 10−31
5.485 799 03(13) × 10−4
0.510 999 06(15)
1.883 532 7(11) × 10−28
105.658 389(34)
206.768 262(30)
1.672 623 1(10) × 10−27
1.007 276 470(12)
938.272 31(28)
1836.152 701(37)
1.674 928 6(10) × 10−27
1.008 664 904(14)
939.565 63(28)
13.605 698 1(41)
0.529 177 249(24) × 10−10
2.426 310 58(22) × 10−12
2.817 940 92(38) × 10−15
6.022 136 7(36) × 1023
96 485.309(29)
8.314 510(70)
1.380 659(12) × 10−23
22.414 10(19) × 10−3
2.897 756(24) × 10−3
5.670 51(19) × 10−8
m s−1
V s A−1 m−1
A s V−1 m−1
m3 kg−1 s−2
m s−2
m s−2
Js
Js
As=C
V s = Wb
Spezifische Ladung des Elektrons
Elektronenmasse
Myonenmasse
Protonenmasse
Neutronenmasse
Rydberg-Energie, chR∞
Bohrscher Radius, α/(4πR∞ )
Compton Wellenlänge, h/me c
klassischer Elektronenradius, α2 a0
Avogadro (Loschmidt) Konstante
Faraday-Konstante, N◦ e
Molare Gaskonstante
Boltzmann-Konstante, R/N◦
Molvolumen (273.15 K, 101325 Pa)
Wiensche Konstante, λmax T
Stefan-Boltzmann-Konstante
kg
MeV/c2
C kg−1
kg
u
MeV/c2
kg
MeV/c2
kg
u
MeV/c2
kg
u
MeV/c2
eV
m
m
m
mol−1
C mol−1
J K−1 mol−1
J K−1
m3 mol−1
mK
W m−2 K−4
Fehler
(ppm)
exakt
exakt
exakt
128
exakt
0.60
0.60
0.30
0.30
0.045
0.59
0.30
0.30
0.59
0.023
0.30
0.61
0.32
0.15
0.59
0.012
0.30
0.020
0.59
0.014
0.30
0.30
0.045
0.089
0.13
0.59
0.30
8.4
8.5
8.4
8.4
34
PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
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PHY102 Praktikum für das Nebenfach Physik - Frühjahrsemester 2017
Teil VI
Testatzettel
129
Testatzettel
PHY102 Praktikum
für das Nebenfach Physik
Name:
Hauptfach:
Durchführung und Messprotokoll
Versuch
EV
Assistent
Datum
Unterschrift
Bericht, Testat
Assistent
Datum
Unterschrift
—
—
—
Zugehörige Unterlagen
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