Neue Spielregeln

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Neue Spielregeln
Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Kapitel 5: Finanzierung und Kapitalmarkt
Probiodrug AG: Der Weg zu einer signifikanten „B“-Runde
Hendrik Liebers, CFO Probiodrug AG, Halle / Saale
Novartis Venture Fund: Finanzierung und strategische Partnerschaft
Dr. Markus Goebel, MBA Managing Director Novartis Venture Fund
Von der Pipeline- zur Projektfinanzierung: Fluch und Segen effizienter Finanzierungssrategien
Dr. Hubert Birner, General Partner TVM Capital GmbH, München
VC strategies for early and late stage investments
Dr. Michele Ollier, Partner Index Ventures, Genf
66
72
75
76
Kapitel 6: Life-Science-Netzwerke
Impressum
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte,
auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, sind vorbehalten.
Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung
von Ernst & Young GmbH in irgendeiner Form (Fotokopie,
Mikrofilm, Datenträger oder einem anderen Verfahren)
reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
NEU2: NEUe Wirkstoffe gegen NEUrologische Erkrankungen
Dr. Timm Jessen, CEO Bionamics GmbH, Kiel
Die Neuroallianz – ein neuartiges Konsortium zur Entwicklung innovativer Therapeutika und Diagnostika
Prof. Dr. Christa E. Müller, Prof. Dr. med. Alexander Pfeifer, Pharma-Zentrum Bonn
Innovation aus dem Max-Planck Drug Discovery & Development Center
Dr. Matthias Stein-Gerlach, Max-Planck Innovation GmbH, München
m4: Personalisierte Medizin und zielgerichtete Therapien – eine neue Dimension in der Medikamentenentwicklung
Dr. Georg Kääb, BioM Biotech Cluster Development GmbH, München
Das „Mainzer Modell“: CI3
Dr. Rainer Wessel, Vorstandsmitglied BIO Deutschland, CBO GANYMED Pharmaceuticals AG, Mainz
Translationale Medizin
Dr. Michael Roßbach, LIFE & BRAIN GmbH, Bonn
Netzwerk aus öffentlicher Forschung, Biotech-SMEs und Pharma
Dr. Wieland Wolf, Präsident der EAPB (European Association of Pharma Biotechnology)
Von Transpiration und Organisation in interdisziplinären Gruppen und neuen Netzen
Dr. Viola Bronsema, Geschäftsführerin BIO Deutschland e. V., Berlin
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Die Wiedergabe von Gebrauchs- und Handelsnamen sowie
Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch
ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und
daher von jedermann benutzt werden dürfen.
Die Zahlenangaben und Informationen basieren auf Daten,
die im Rahmen einer Primärdatenerhebung sowie
Sekundärdatenrecherche von relevanten Unternehmen ermittelt wurden. Die in diesem Report wiedergegebenen
qualitativen und quantitativen Einschätzungen wurden mit
hoher Sorgfalt ermittelt, jedoch übernimmt der Herausgeber keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit
der Angaben.
Ernst & Young GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Theodor-Heuss-Anlage 2, 68165 Mannheim
April 2010
Layout und Produktion: magenta – Kommunikation,
Design und Neue Medien GmbH & Co. KG, Mannheim
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Umschlag_2010.indd 2
101
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Vorwort
Deutschland steht in dieser Entwicklung jedoch nicht allein; vielmehr handelt es sich um
ein globales Phänomen, das allenfalls in unterschiedlichen Facetten in Erscheinung tritt.
Im internationalen Vergleich ist aber abzulesen, dass Unterschiede hinsichtlich der
Aufstellung der Biotechbranche in einzelnen
Ländern, vor allem aber auch der Umgang
der jeweiligen Gesellschaft mit Themen wie
„Entrepreneurship“ und „Risikotoleranz“,
eng verknüpft sind mit den Möglichkeiten
zur Bewältigung der gegenwärtig schwierigen Lage. Im jährlich erscheinenden globalen
Biotechnologie-Report „Beyond Borders“,
der durch das European Life Science Center
von Ernst & Young in Mannheim mit weltweiten Branchenanalysen gespeist wird,
kommt dies deutlich zum Ausdruck.
Dr. Siegfried Bialojan
Anzeichen für eine sich verschärfende Finanzierungssituation in der deutschen Biotechindustrie hatte schon der Titel „Fallstrick
Finanzierung“ des letztjährigen Biotechnologie-Reports von Ernst & Young angedeutet.
Immerhin hatte dieser Leitgedanke aber
die Möglichkeit offengelassen, dass die betroffenen Unternehmen alternative Finanzierungswege finden, um im Dickicht der
Fallstricke letztendlich eben nicht zu Fall zu
kommen.
Der aktuelle Biotechnologie-Report, den
Ihnen Ernst & Young zum 11. Mal präsentiert, schreibt das letztjährige Szenario fort.
In der Tat ist es den meisten Biotechunternehmen gelungen, die Fallstricke zu umgehen
und den Fortbestand der Geschäftstätigkeit
zu sichern. Allerdings haben die sich weiter
verschlechternden Finanzierungsbedingungen dazu geführt, dass nun „Neue Spielregeln“ gelten, die sich auf breiter Front auswirken. Die neuartigen Gegebenheiten betreffen sowohl Adaptionen in den Geschäftsmodellen, kreative Transaktionen und alternative Finanzierungswege sowie auch die
engere Verzahnung in funktionellen Netzwerken. Ein Umdenken findet auch bei Investoren und ebenso bei strategischen Partnern
statt. Als übergeordnetes Prinzip hat sich
„Capital Efficiency“, d. h. die bestmögliche
Nutzung des vorhandenen Kapitals, als neue
Norm durchgesetzt.
Die neuen Spielregeln gelten für die gesamte
Life-Science-Industrie. „Capital Efficiency“
hat für Pharmaunternehmen noch stärker
die Bedeutung, ihre Geschäftsmodelle und
vor allem Prozesse zu optimieren. Dass sie
dabei mehr und mehr vom ehemals vorherrschenden Modell „FiPCo“ (Fully integrated
Pharmaceutical Company) zum „FiPNet“
(Fully integrated Pharmaceutical Network)
tendieren, kommt vor allem den Biotechunternehmen zugute. Partnerschaften als
alternative Finanzierungsoption wären ohne
diese Entwicklung zumindest in diesem Maße
nicht denkbar. Wie im aktuellen Ernst & Young
Pharma-Report „Progressions“ beschrieben,
werden die Netzwerke im Life-Science-Sektor
zusehends weiter gespannt und beziehen
die Zusammenarbeit mit anderen Branchen
(z. B. IT/e-Health, Kommunikation, Medizintechnik, Ernährung) mit ein.
„Beyond Borders“
Global biotechno­logy
report 2010
Ebenso rasant entwickelt sich die Integration
der Medizintechnikbranche als Partner der
Life-Science-Branche weiter. In der aktuellen
Medizintechnikstudie „Pulse of the Industry“ beschreibt Ernst & Young zum ersten
Mal auf globaler Basis jene Entwicklung.
Diese Trends treiben eine Transformation des
Health-Care-Sektors von seinem aktuellen
Fokus auf therapeutische und diagnostische
Produkte hin zu einem Szenario, in dem einzig „Outcome“, d. h. Erfolge für den Patienten, den Fortschritt definieren sowie die
Entlohnung dafür regeln.
Vertieftes Wissen über den gesamten LifeScience-Sektor wird vor diesem Hintergrund
immer wichtiger, um als kompetenter Gesprächspartner mit relevanten Beratungsinhalten anerkannt zu werden. Nachhaltige,
auf Erfolg ausgerichtete Geschäftsbeziehungen, die aus einer Synthese der Branchenkenntnis und professionellen Beratungsansätzen resultieren, sind das eigentliche Ziel
und der Lohn unserer Arbeit.
Mit diesem Vorausblick hoffe ich, dass Ihnen
die vorliegende Studie hilfreiche Anregungen
liefert, und würde mich freuen, wenn wir als
Ernst & Young den Dialog mit Ihnen über die
Studie hinaus konstruktiv fortsetzen dürften.
Dr. Siegfried Bialojan
Leiter European Life Science Center,
Ernst & Young, Mannheim
„Pulse of the industry“
Medical technology
report 2009
„Progressions“
Global pharmaceutical
industry report 2010
Danksagung
Die Publikation einer Branchenstudie umfasst mehr als nur Recherchen, Umfragen,
Analysen und die Erstellung des Textes.
Unverzichtbarer Bestandteil des vorliegenden Berichts sind vor allem auch die vielen
Informationen – insbesondere aus dem Bereich der privaten Unternehmen – ,die wir
im Rahmen einer globalen Firmenumfrage
erhalten. Die wiederholt hohe Rücklaufrate
der Antworten macht uns stolz und zeigt
uns, dass die Branche unsere Erhebungen
schätzt. Wir bedanken uns hierfür herzlich
bei allen Teilnehmern der Umfrage.
Ebenso informativ wie wertvoll sind die Expertenbeiträge in Form von themenbezogenen Artikeln. Als authentische Stimme
aus der Branche sind sie für uns wichtiger
Beleg für unsere Analyseergebnisse und die
Trends der Branche. Allen Autoren zollen
wir unseren herzlichen Dank für ihre durchweg spontane Bereitschaft zur Formulierung
ihrer Beiträge.
Als wesentliche Zutaten ergeben darüber
hinaus unzählige persönliche Gespräche mit
Experten aus der Branche das „Salz in der
Suppe“. Allen voran und stellvertretend bedanken wir uns bei dem diesjährigen Expertenpanel, das während einer halbtägigen
Klausur in offener Diskussion viele Sachverhalte interpretieren half und unzählige neue
Ideen und Vorschläge einbrachte:
Dr. Hubert Birner, TVM Capital
Dr. Jörn-Peter Halle, Merck Serono
Dr. Peter Heinrich,
MagForce Nanotechnologies
Dr. Karsten Henco, HS Life Sciences
Dr. Werner Lanthaler, Evotec
Dr. Simon Moroney, MorphoSys
Dr. Holger Reithinger, GLSV
Dr. Rainer Wessel, GANYMED
Pharmaceuticals
Seitens Ernst & Young stehen und fallen der
Erfolg und ganz besonders die pünktliche
Fertigstellung dieser Branchenstudie mit
einem motivierten und engagierten Team.
Allen voran gilt der Dank Ulrike Trauth, die
als Neueinsteiger direkt die Verantwortung
für die gesamte Global Life Science Database
übernahm und somit einen Großteil der Analysen und Trendableitungen durchführte. An
ihrer Seite hat Eva-Maria Hilgarth die Analysen unterstützt und durch unzählige Zusatzrecherchen ergänzt. Darüber hinaus trugen
beide durch ihr redaktionelles Engagement
wesentlich zum Entstehen der vorliegenden
Branchenstudie bei.
Projektmitarbeiterinnen waren außerdem
Lena Haupt und Anne Tzschichholz, die mit
großem Einsatz Unternehmensinformationen sammelten und in die Datenbank einarbeiteten.
Nadine Mrotzek gebührt der Dank für die
selbständige Betreuung des Teilprojekts
„Biotech Map of Germany 2010“ sowie die
Organisation der Berichtsveröffentlichung.
In der Konzeption der Studie sowie der Koordination und Erstellung der Inhalte waren
vor allem Dr. Susanne Wosch, Dr. Manuel
Bauer und Nina Hahn wichtige Stützen,
denen ich zu großem Dank verpflichtet bin;
allen voran Nina Hahn, die selbst kurz vor
der Geburt ihres Sohnes Felix noch „biotech“
dachte und kreative Vorschläge für Bildmaterial und das Bericht-Cover lieferte.
Dr. Susanne Wosch analysierte die Themenbereiche „Produktentwicklung“ sowie „Transaktionen“ im Detail und erstellte die zugehörigen Texte.
Nicht zuletzt gilt unser Dank Frau Stefanie
Probst und ihrem Team bei magenta – Kommunikation, Design und Neue Medien für den
unermüdlichen Einsatz und die professionelle Umsetzung unserer Ideen in ein auch
optisch gelungenes Produkt.
Mit diesem Bericht verfolgen wir das Ziel,
einen Überblick über den aktuellen Status
der Biotechnologiebranche in Deutschland
zu geben und laufende Entwicklungen im internationalen Vergleich zu bewerten. Es
handelt sich hierbei um einen unabhängigen
Branchenbericht ohne externe Auftraggeber; auf die Inhalte wurde keinerlei Einfluss
durch einzelne Unternehmen oder Institutionen genommen.
Dr. Siegfried Bialojan
Gesamtleitung und Koordination
der Studie
Projektteam Ernst & Young:
Dr. Manuel Bauer
Nina Hahn
Lena Haupt
Eva-Maria Hilgarth
Nadine Mrotzek
Ulrike Trauth
Anne Tzschichholz
Dr. Susanne Wosch
Inhalt
1. Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick
4
2. Geschäftsstrategien
12
Anpassung an neue Spielregeln
Life-Science-Ökosystem im Wandel
Die Spielregeln der industriellen Biotechnologie
13
24
26
3. Produktentwicklung
28
Die Pipeline der therapeutischen Produkte
Analyse: Produktentwicklung
29
38
4. Transaktionen
44
Fakten im Überblick
Analyse: Transaktionen
45
53
5. Finanzierung und Kapitalmarkt
62
Überblick und globaler Vergleich
Analyse: Finanzierung privater Unternehmen
Analyse: Finanzierung börsennotierter Unternehmen
Marktkapitalisierung
63
65
80
82
6. Life-Science-Netzwerke
84
Cluster und regionale Wertschöpfungsnetze
Vernetzung durch Verbände
85
92
Anhang
96
Methodik und Definitionen
Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen
Verzeichnis der Expertenbeiträge
96
98
100
1 Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick
4
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Neue Spielregeln
Die Biotechnologiebranche in Deutschland
wie auch weltweit musste im Jahr 2009
noch deutlich unter der Finanz- und Wirtschaftskrise leiden. Insbesondere wirkte
sich dies auf die Finanzierungsmöglichkeiten
aus. Venture Capital als das klassische Instrument für die Bereitstellung von Beteiligungskapital ist als Finanzierungsquelle in
Deutschland fast vollständig ausgetrocknet.
Andererseits haben sich die pessimistischen
Prognosen mancher Analysten, die von
einem massiven Einbruch bei der Zahl der
Biotechunternehmen im Laufe des Jahres
2009 ausgegangen waren, nicht bestätigt.
Einzige Schlussfolgerung und Erklärung für
dieses Phänomen sind neue Spielregeln, die
fortan die Weiterentwicklung der Branche
bestimmen.
Neue Spielregeln beziehen sich aber auch
auf das weitere Umfeld der Biotechbranche,
wo insbesondere der massive Bedarf an Innovationen im Pharmabereich komplementäre Opportunitäten für Biotechunternehmen schafft.
„Neue Spielregeln“ ist deswegen auch der
Titel des vorliegenden Ernst & Young Biotech-Reports 2010. Dieses Thema bezieht
sich auf alle Bereiche der Geschäftstätigkeit
von Biotechunternehmen und schließt insbesondere die folgenden Teilsegmente mit ein:
• Anpassung der Geschäftsmodelle und der
Unternehmensstrategien (s. Kapitel 2)
• Maßnahmen im Bereich der Produktentwicklung (s. Kapitel 3)
• Kreative Transaktionen (s. Kapitel 4)
• Alternative Finanzierungswege (s. Kapitel 5)
• Neue Wertschöpfungsnetzwerke (s. Kapitel 6)
Aus dieser wechselseitigen Abhängigkeit
wird ein neues Gleichgewicht geschaffen:
Gemeinsamer Nenner für diese breite Anwendung der neuen Spielregeln ist der effiziente
Umgang mit dem verfügbaren Kapital –
„Capital Efficiency“ – ,was die Effizienz und
Kreativität in der Identifizierung und Nutzung neuer Kapitalquellen mit einschließt.
„Capital Efficiency“ impliziert ebenso, dass
rein betriebswirtschaftliches Denken stärker
in den Vordergrund der Unternehmenssteuerung rückt und Planungen präferenziell darauf aufbauen, Investitionen stärker
auf erwirtschaftetem Kapital aufzusetzen
anstatt auf großzügige Beteiligungen der
Equity-Investoren zu hoffen.
Neben dem Innovationsdefizit wirkt sich auch
der enorme Druck zur Reduzierung der
Gesundheitskosten viel direkter auf Pharmaunternehmen aus als auf die im gleichen
Segment der Medikamentenentwicklung
tätigen Biotechfirmen. Auch der daraus resultierende Trend zum „Outsourcing“ bringt
alle Abschnitte der Therapeutika-Wertschöpfungskette auf den Prüfstand und schafft
Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Biotechunternehmen.
Innovationsstärke / Finanzschwäche
(Biotech)
vs.
Finanzstärke / Innovationsschwäche
(Pharma)
Schließlich haben auch die Investoren der
Branche neue Spielregeln für ihre Investitionskriterien definiert, die den veränderten
Bedingungen für Kapitalmarktexits Rechnung tragen. Dazu zählen klar umrissene
Modelle für die Investments im „Early-Stage“Bereich, die sich mehr und mehr auf Projektfinanzierungen mit möglichst schnellem
Voranschreiten zum „Proof of Concept“
konzentrieren. Insgesamt wird davon ausgegangen, dass die klassischen IPO-Exits –
mit steigenden Anforderungen an die Kandidaten hinsichtlich eines risikoadjustierten
Produktportfolios – abnehmen werden.
Dafür werden zukünftig „Trade Sale Exits“
dominieren, die einhergehen mit einer
Optimierung von Portfoliounternehmen auf
die beste Verkaufbarkeit von definierten
Assets.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Die Gesamtsituation im Jahre 2009 ist für
die Biotechnologiebranche in Deutschland
und weltweit demnach nur im Zusammenhang mit dem gesamten Life-Science-Ökosystem und dessen Entwicklung zu sehen.
Für die Biotechnologieindustrie in Deutschland waren die folgenden Entwicklungen von
entscheidender Bedeutung:
• Das Beteiligungskapital in Form von Venture Capital bricht weiter ein.
• Die Finanzierung der börsennotierten Firmen stabilisiert sich; die Marktkapitalisierung steigt im Jahresverlauf deutlich an.
• Die von vielen erwartete Konsolidierung
der Firmenzahl bleibt weitgehend aus; die
Firmenzahl nimmt sogar geringfügig zu.
• Es gab keine signifikante Bewegung bei
den Mitarbeiterzahlen.
• Die Umsatzentwicklung sowie Investitionen
in F&E zeigen insgesamt nur leicht nach
unten; eine spürbare Rücknahme der F&EInvestments ist nur bei den börsennotierten Unternehmen zu verzeichnen.
• Die Verlustsituation der deutschen Biotechbranche wird insgesamt deutlich verbessert, was aber ausschließlich den börsennotierten Unternehmen zuzuschreiben
ist; private Firmen erhöhen die Verlustquote weiter.
• Deutsche Biotechunternehmen sind im internationalen Vergleich weniger aktiv bei
Transaktionen; die Gesamtzahl der Allianzen nimmt ab. Allerdings ergeben sich
interessante Verschiebungen in der Art
der Deals, die als Reaktion auf die Krise zu
sehen sind.
• Bei der Produktentwicklung gibt es erfreuliche Entwicklungen mit drei Marktzulassungen und einem Anstieg an Phase-II- und
Phase-III-Entwicklungsprojekten.
• Die deutsche Biotechnologiebranche scheint
aufgrund einer stärker servicelastigen Verteilung der Geschäftsmodelle besser gegen
die Finanzierungskrise gefeit. Langfristig
ist allerdings die Werthaltigkeit dieser
Modelle zu hinterfragen.
5
Kennzahlen
Erhebung von Kennzahlen
Ernst & Young erhebt seit über 20 Jahren
global Kennzahlen zur Beschreibung der
Biotechnologieindustrie. Dabei geht es vor
allem darum, die wichtigsten Entwicklungen
und Trends quantitativ zu erfassen und in
entsprechenden Statistiken über die Jahre
zu verfolgen.
Die wichtigsten Qualitätskriterien hierbei
waren und sind:
• eine konsistente Definition der Einschlusskriterien für Biotechfirmen (s. MethodikAnhang)
• global konsistente Anwendung der Kriterien
• strikte Einhaltung der Kriterien auf nationaler Ebene
Zur Analyse von Trends ist es weiterhin
erforderlich, die Untersuchungsmenge
möglichst homogen zu definieren. Deshalb
hat sich eine eher restriktive Handhabung
der Einschlusskriterien etabliert.
Zahlenmäßige Unterschiede zu Erhebungen
nationaler Institutionen (z. B. BMBF, biotechnologie.de) ergeben sich meist dadurch,
dass diese verständlicherweise vornehmlich
volkswirtschaftlich relevante Bewertungs-
kriterien in der Beschreibung der Branche
anlegen, um eine nationale Leistungsfähigkeit zu belegen.
In diesem Zusammenhang tragen z. B.
Niederlassungen ausländischer Muttergesellschaften in Deutschland sehr wohl zur
volkswirtschaftlichen Leistung bei (Mitarbeiter, Umsatz, F&E-Aufwendungen, Steueraufkommen etc.); gleichwohl zwingt eine
globale Analyse – wie sie von Ernst & Young
regelmäßig durchgeführt wird – formal zur
Zuordnung solcher Unternehmen zum
juristischen Hauptsitz, um Doppelzählungen
zu vermeiden.
Dieses Vorgehen (restriktivere Definition)
hat jedoch keine Auswirkungen auf die
Beschreibung von Trends oder auf die Detail-Analysen von Finanzierungs- oder
Transaktionsentwicklungen, die im Fokus
der Ernst & Young Berichte stehen.
Ernst & Young trägt allerdings im Rahmen des
Deutschen Biotechnologie-Reports 2010
dem zunehmenden Trend zur Internationalisierung Rechnung, der vielfach mit der Übernahme von Unternehmen einhergeht, bei
denen aber dennoch die übernommenen
Standorte, Mitarbeiter und somit die volkswirtschaftliche Leistung erhalten bleiben.
Tabelle 1-1:
Kennzahlen der deutschen Biotechindustrie
2008
2009
08/09
Kernsegment
386
387
< 1 %
erweitertes Segment
501
531
6 %
9794
9861
1 %
14450
14500
< 1 %
960
960
0 %
2191
2200
< 1 %
794
746
-6 %
1061
1000
-6 %
Allgemeine Kennzahlen
Anzahl Unternehmen
Anzahl Beschäftige
Kernsegment
erweitertes Segment
Finanzdaten (in Mio. €)
Umsatz
Kernsegment
erweitertes Segment
F&E-Ausgaben
Kernsegment
erweitertes Segment
Quelle: Ernst & Young (Kernsegment), biotechnologie.de (erweitertes Segment: dedizierte
Biotechunternehmen nach OECD inklusive Tochterunternehmen), 2010
6
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
In der aktuellen Darstellung der Kennzahlen haben wir deshalb zum ersten Mal die
von Ernst & Young traditionell erhobenen
Zahlen des Kernsegments der Biotechnologieindustrie zusammen mit einem erweiterten
Segment abgebildet. Diesem erweiterten
Segment, das in der Zusammensetzung der
Erhebung durch die „biotechnologie.de“Plattform entspricht, gehören vor allem die
besagten Tochterunternehmen ausländischer Muttergesellschaften an sowie eine
kleinere Zahl an Unternehmen, die nicht
der enger gefassten Biotechdefinition von
Ernst & Young entsprechen.
Mit diesem Vorgehen ist auf der Ebene der
Kennzahlen auch die vielfach kritisierte
Diskrepanz zwischen verschiedenen Zahlenwerken (z. B. biotechnologie.de) erklärt.
Die Kennzahlen im Detail
Anzahl der Unternehmen
Am Ende des Jahres 2009 wurden für den
Kernbereich der deutschen Biotechnologie
insgesamt 387 Unternehmen erfasst – ein
Unternehmen mehr als im Vorjahr. Unter
Einbeziehung der Tochterunternehmen
und im erweiterten Definitionsrahmen
von biotechnologie.de stehen entsprechend
531 Unternehmen zu Buche, im Vergleich
zum Vorjahr eine Steigerung um 6 %. Damit
kann aufgrund dieser Zahlen festgestellt
werden, dass die Branche in Deutschland
robust der Finanz- und Wirtschaftskrise
trotzt.
Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick
Im Einzelnen haben lediglich 11 Unternehmen
ihre Geschäftstätigkeit eingestellt, von denen
nur etwa die Hälfte (6) Insolvenz anmelden
musste.
Allein drei börsennotierte Unternehmen
wurden aus der Firmenliste gestrichen.
Nascacell, ein Unternehmen, das mit einer
Aptamer- / Microbodies-Technologieplattform vor allem Pharmapartnerschaften angestrebt hatte, konnte dies nicht am Markt
umsetzen und war im Januar 2009 liquidiert
worden. Eher auf der Erfolgsseite stand
Jerini aus Berlin, das in einem vielbeachteten Deal bereits 2008 von Shire, einem
britischen Specialty-Pharmaunternehmen
für 328 Millionen Euro gekauft worden war.
Lange gehegte Hoffnungen, dass verbleibende Assets im Unternehmen durch eine
Ausgründung weiterbearbeitet werden
würden, zerschlugen sich allerdings; lediglich ein Teil der ursprünglichen Jerini, JPT
Peptide Technologies, konnte erhalten werden (Verkauf an Theracode). Jerini selbst
wurde nach dem „Squeeze-out“ der verbliebenen Aktionäre von der Börse genommen
und ging vollständig in Shire über. Das zuvor an der Londoner AIM gelistete Esslinger
Unternehmen ArthroKinetics wird bereits
seit dem Jahresende 2008 nicht mehr an
der Börse gehandelt und operiert seither
mit Hauptsitz in Macclesfield, UK.
Die ehemalige GPC Biotech AG hat die
Gruppe der deutschen börsennotierten Biotechunternehmen zwar unter diesem Namen
verlassen; sie firmiert allerdings unter dem
neuen Namen Agennix AG nach Fusion mit
der gleichnamigen amerikanischen Gesellschaft weiter in diesem Segment.
Den wenigen Firmenabgängen stehen allerdings ebenso wenige Neugründungen gegenüber. Die Neugründungsrate ist damit im
Vergleich zum Vorjahr wieder fast um die
Hälfte abgesackt. Verständlicherweise ist
dies nicht die Zeit der Neugründungen, wenn
die Finanzierungsmöglichkeiten aktuell sehr
schlecht sind und den potenziellen Neu-Unternehmern auch keine Besserung für einen
längeren Zeithorizont versprochen werden
kann.
Abbildung 1-1:
Zusammensetzung der Abgänge bei Biotechunternehmen
im Jahresvergleich
Anzahl der Abgänge
35
30
25
32
29
2
2
24
9
21
1
4
20
15
15
7
5
8
4
1
5
11
2
1
2
10
5
0
10
11
12
13
14
6
2005
2006
2007
2008
2009
Insolvenzen / Auflösungen
Fusionen
Akquisitionen
Nicht aktiv und Sonstige
Quelle: Ernst & Young, 2010
Von den insgesamt 13 Neugründungen in
2009 fällt auf den ersten Blick auf, dass allein
fünf Neugründungen wesentliche Bestandteile des „Mainzer-Modells“ repräsentieren,
das sich im diesjährigen Spitzencluster-Wettbewerb erst im Finale dem m4-Cluster aus
München geschlagen geben musste. Im
Rahmen des Mainzer-Clusters wurden unter
Abbildung 1-2:
Neugründungen deutscher Biotechunternehmen im Jahresvergleich
Anzahl Neugründungen
35
30
25
20
15
10
5
0
33
28
12
14
25
13
2005
2006
2007
2008
2009
Neugründungen
Quelle: Ernst & Young, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
7
Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick
Tabelle 1-2:
Neugründungen deutscher Biotechunternehmen, 2009
Unternehmen
Stadt
Segment
XL-protein
Freising
Drug Delivery
Ribological
Mainz
Drug Development
Tulip
Mainz
Drug Development
Unicell
Mainz
Drug Development
3B Pharmaceutical
Berlin
Drug Development
Protein2Plastix
Halle
Fine Chemicals
Enzymicals
Greifswald
Fine Chemicals
CeGaT
Tübingen
Genomics, Proteomics
TheraCode
Mainz
Drug Development
Hyglos
Regensburg
In Vitro Diagnostics
PXBioVision
Hannover
Genomics, Proteomics
EUFETS
Idar-Oberstein
Drug Development
Agennix
Heidelberg
Drug Development
Quelle: Ernst & Young, 2010
dem Holding-Dach der BioNtech AG Biotechfirmen gegründet, die auf verschiedenen Technologieplattformen beruhen und
damit die aus den Forschungsinstituten
resultierenden Therapeutika- und Diagnostikansätze in die geeignetste Produktform
umsetzen sollen. In diese Konstellation ist
auch die schon länger existierende GANYMED
Pharmaceuticals einbezogen. Ebenso existierte die EUFETS bereits zuvor, allerdings
als Tochterunternehmen von Fresenius
Biotech, weshalb sie erst jetzt in die Statistik aufgenommen wurde.
Die technischen Kompetenzen teilen sich
wie folgt auf:
• GANYMED – therapeutische Antikörper
• Ribological – RNAi-Therapeutika
• Tulip – Subunit-Impfstoffe (tumor-like-particles)
• Unicell – adoptive Zelltherapie
• TheraCode / JPT – Peptid- / Proteinherstellung
• EUFETS – biotechnologische Produktion
8
Die Aktivitäten des Mainzer Clusters CI3
werden finanziell stark durch die Strüngmann-Familie zusammen mit dem MIG Fonds
unterstützt. Somit kann die konzentrierte
Gründeraktivität in Mainz als Besonderheit
im sonst gründungsarmen Jahr 2009 angesehen werden (Details s. Kapitel 6).
Anzahl Mitarbeiter
Die Beschäftigtenzahl konnte im Jahr 2009
entgegen den Erwartungen insgesamt
sogar um 1 % erhöht werden und betrug
9.861 Mitarbeiter. Zusammengenommen
mit den Mitarbeitern der Tochterunternehmen (und weiterer Unternehmen außerhalb
des Kernsegments) ergibt sich eine Gesamtpersonalstärke von 14.500 Mitarbeitern in Deutschland. Die Gesamtmitarbeiterentwicklung zeigt also insgesamt zwar nur
ein geringes Wachstum, was allerdings so
nicht erwartet worden war. Im Zuge der
Finanzierungskrise war allerorts eher davon
ausgegangen worden, dass vornehmlich Personalmaßnahmen dazu beitragen würden,
vorhandenes Kapital zu „strecken“. Allerdings war bereits in der Firmenumfrage bei
der Frage nach konkreten Maßnahmen
gegen die Finanzierungsengpässe klar zum
Ausdruck gebracht worden, dass Personalreduktion in Deutschland weit hinten steht
und auch bezüglich der konkreten Umset-
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
zung noch keine nennenswerte Rolle spielt.
Die einfachste Erklärung hierfür sind die
arbeitsrechtlichen Limitationen, die Entlassungen schwierig machen und somit stärkeren Personalschwankungen im Wege stehen.
Andererseits könnte auch das besondere
Profil der deutschen Biotechlandschaft mit
einem deutlichen Schwerpunkt auf Dienstleistungsfirmen dazu beigetragen haben,
dass die Personalfluktuation vernachlässigbar ausfiel. Serviceanbieter können insbesondere im Zuge des zunehmenden Trends
zum „Outsourcing“ durch Pharmaunternehmen möglicherweise profitieren und sich
damit sogar trotz der Krisenzeit positiv weiterentwickeln.
Schließlich gibt es einige tatsächliche „Ausreißer“, Unternehmen, die im Jahr 2009
besonders signifikant Personalaufbau betrieben haben: Dazu zählen Evotec und
MorphoSys, die beide ihren Personalbestand
um 23 % erhöht haben (auf 497 bzw. 413
Mitarbeiter). Beide tragen damit den gestiegenen Anforderungen aus den erfolgreichen Allianzen mit Partnern Rechnung.
Mit fast 49 % Anstieg der Mitarbeiterzahlen
konnte die November AG aufwarten, die
nach der Restrukturierung vor allem durch
das erfolgreiche operative Geschäft ihrer
Hauptbeteiligung Progen Biotechnik GmbH
zulegen konnte. Demgegenüber fiel der
Personalabbau bei einigen anderen börsennotierten Unternehmen eher moderat im
einstelligen Prozentbereich aus. Extreme
Ausreißer beim Personalabbau blieben aus.
Umsatzentwicklung
Auch aus der Umsatzentwicklung ist abzuleiten, dass die deutschen Biotechunternehmen besser als erwartet in der Krise zurechtkommen. Allenfalls leichte Veränderungen
um minus 2 % bzw. sogar plus 7 % bei privaten und börsennotierten Firmen sind eher
positiv zu werten. Insgesamt bleibt die Gesamtsumme von 960 Millionen Euro unverändert und weiterhin unterhalb der Milliardenmarke. Auch hier könnte ein Grund für
die geringe Schwankung die Anpassung der
Geschäftsmodelle mit stärkerer Ausprägung
des Servicegeschäfts in Deutschland eine
Rolle spielen.
Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick
Tabelle 1-3:
Kennzahlen und Finanzdaten der deutschen Biotechindustrie nach Unternehmensstatus
private Unternehmen
börsennotierte Unternehmen
Gesamtindustrie
2008
2009
08/09
2008
2009
08/09
2008
2009
08/09
368
372
1 %
18
15
-17 %
386
387
< 1 %
7973
8115
2 %
1821
1746
-4 %
9794
9861
1 %
Umsatz
747
734
-2 %
212
226
7 %
960
960
0 %
F&E-Ausgaben
590
587
-1 %
204
159
-22 %
794
746
-6 %
-240
-270
13 %
-239
-150
-37 %
-479
-420
-12 %
Allgemeine Kennzahlen
Anzahl Unternehmen
Anzahl Beschäftige
Finanzdaten (in Mio. €)
Verlust
Quelle: Ernst & Young, 2010
Die Tatsache, dass die börsennotierten Unternehmen bei den Umsätzen sogar zulegen
konnten, erklärt sich daraus, dass einige
Unternehmen bereits große Umsatzvolumina
durch umfangreiche Partnerschaften (z. B.
MorphoSys, Wilex) generieren oder inzwischen eigene Produkte am Markt haben
(MediGene). Die drei Topunternehmen allein
(Evotec, MediGene, MorphoSys) haben
2009 Umsätze von zusammengenommen
über 150 Millionen Euro und damit zwei Drittel des Gesamtumsatzes der börsennotierten Biotechfirmen in Deutschland verbucht.
In der erweiterten Analyse der Umsatzentwicklung macht sich naturgemäß der Einfluss von Niederlassungen ausländischer
Gesellschaften sehr deutlich bemerkbar.
Allein QIAGEN mit juristischem Hauptsitz in
den Niederlanden, aber den operativen Einheiten in Hilden, steuerte 2009 rund eine
Milliarde US-Dollar (750 Millionen Euro)an
Umsatz bei, sodass die Umsatzzahlen in der
erweiterten Betrachtung bei ca. zwei Milliarden Euro liegen.
Hinsichtlich der Umsatzverteilung hat es
im Vergleich zum vergangenen Jahr geringfügige Verschiebungen in Richtung höherer
Umsätze gegeben. Während das Segment
der Unternehmen ohne eigene Umsätze erfreulicherweise von 15 % auf 11 % abnimmt,
vergrößern vor allem die Segmente mit ein
bis vier bzw. über vier Millionen Euro ihre
Anteile um jeweils drei Prozentpunkte.
Auch diese Entwicklung passt zu den neuen
Spielregeln, die stärkeres Gewicht auf solide
Finanzen, basierend auf eigenen Umsätzen
und effizientem Umgang damit („Capital
Efficiency“), einfordern. Die genauere Betrachtung der Umsatzverteilung zeigt außerdem, dass im Segment der Firmen ohne
Umsatz die Therapeutikaentwickler deutlich
überwiegen, was dem frühen Stand der
deutschen Pipeline noch ohne nennenswerte Marktpräsenz (Umsätze)entspricht.
Demgegenüber dominieren im Segment mit
über vier Millionen Euro Umsatz die Diagnostikahersteller, deren Weg zum Markt
Abbildung 1-3:
Veränderungsraten bei den Kennzahlen und Finnanzdaten
nach Unternehmensstatus
in Prozent
15 %
10 %
5 %
2
7
13
0 %
-4
-22
-2
-1
-37
-5 %
-10 %
-15 %
-20 %
-25 %
-30 %
-35%
-40 %
Anzahl Beschäftigte
Börsennotierte Unternehmen
Umsatz
F&E-Ausgaben
Verlust
Private Unternehmen
Quelle: Ernst & Young, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
9
Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick
schneller und risikoärmer verläuft. Serviceund Tool-Lieferanten bewegen sich in allen
Segmenten gleichermaßen, d. h. sie verdienen Geld mit Produktverkäufen und Services.
Unternehmen aus den Segmenten Grüne
und Industrielle Biotechnologie machen
Umsätze über Serviceverträge basierend
auf den später vorgestellten Geschäftsmodellen (s. Artikel DIREVO Industrial Biotechnology).
Abbildung 1-4:
Verteilung nach
Umsatzklassen, 2009
Gesamtindustrie
0 Mio. €
> 4 Mio. €
11 %
16 %
27 %
46 %
1 bis 4
Mio. €
< 1 Mio. €
F&E-Ausgaben
Erst bei den F&E-Ausgaben werden signifikante Ausschläge nach unten, zumindest bei
den börsennotierten Gesellschaften sichtbar.
Eine erste Reaktion auf knapper werdendes
Kapital ist meist das Zurückfahren von F&EAktivitäten, um den „Cash Reach“ zu verlängern. Insofern ist der Rückgang der F&EAusgaben um 6 % auf nur noch 746 Millionen Euro folgerichtig.
Dass dies in der aktuellen Analyse bei den
börsennotierten Unternehmen mit minus
22 % deutlicher zu sehen ist als bei den privaten Unternehmen, die mehr oder weniger
gleichbleibende F&E-Ausgaben haben, passt
wiederum zusammen mit den unterschiedlichen Schwerpunkten bei privaten (stärker
im Servicegeschäft) und gelisteten Firmen
(stärker in der Produktentwicklung).
Umsatzklassen nach Geschäftsfeld
100 %
90 %
80 %
70 %
60 %
50 %
Allerdings ist auch unter den börsennotierten Gesellschaften kein einheitlicher Trend
mit Richtung nach unten festzumachen.
Einige Unternehmen mit guter Finanzlage
(Investoren, Deals, Kapitalmarktpräsenz)
und / oder erfolgreichen Entwicklungspro-
40 %
30 %
20 %
10 %
grammen haben sogar teils kräftig mehr investiert. MorphoSys konnte sich durch seine
positiven Cashflows eine Stärkung der
eigenen F&E-Entwicklung um über 40 % auf
39 Millionen Euro leisten; Wilex und Sygnis
waren aufgrund von Kapitalmaßnahmen in
der Lage, ihre F&E-Aufwendungen auf 22 Millionen Euro(plus 8 %) bzw. auf 8 Millionen
Euro (plus 52 %) zu steigern. Auch 4SC war
am Kapitalmarkt mit Unterstützung seines
Hauptinvestors Strüngmann erfolgreich und
hat sich mit 18 % mehr F&E-Mitteln (auf 13,6
Millionen Euro) zusätzlichen Spielraum für
die Pipeline-Entwicklung geschaffen.
Dennoch zeigten die F&E-Richtungspfeile
bei der Hälfte der „public“ Unternehmen
zweistellig nach unten und belegen den
publizierten Durchschnittswert. Beispiele
sind: Agennix (ehemals GPC Biotech) mit
minus 53 % – Ausdruck der Restrukturierung
nach der Fusion mit GPC Biotech; weiterhin
Evotec (minus 29 %) im Zuge der Neuausrichtung und Repriorisierung auf F&E-Allianzen sowie MediGene (minus 39 %) aufgrund
von Fokussierungsmaßnahmen.
Liquide Mittel / Cashflow
Die angestrengte Finanzsituation und enormen Anstrengungen der Unternehmen,
Kosten zu sparen und vorhandenes Kapital zu
strecken, verdeutlicht auch der Blick auf die
Vermögenswerte und den operativen Cashflow der börsennotierten Gesellschaften.
Besonders markant ist die Abnahme der
liquiden Mittel um 42 %, die ebenfalls – wenn
auch abgeschwächt – bereits durchschlägt
0 %
0
< 1
1 bis 4
> 4
Mio. €
Grüne und industrielle Biotech
Service
Diagnostika
Therapeutika
Tabelle 1-4:
Vermögenswerte und Cashflow der deutschen börsennotierten
Biotechunternehmen
2008
2009
08/09
Liquide Mittel
291
168
-42 %
Kurzfristige Finanzanlagen
135
125
-7 %
Gesamtvermögen
746
728
-2 %
-204
-123
-40 %
Quelle: Ernst & Young, 2010
Vermögenswerte (in Mio. €)
Cashflow (in Mio. €)
Operativer Cashflow
Quelle: Ernst & Young, 2010
10
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick
auf die kurzfristigen Finanzanlagen (-7 %)
und das Gesamtvermögen (-2 %). Damit
wird klar, dass die Unternehmen vorhandene
Finanzmittel weitgehend ausgegeben haben
und z. T. sogar bereits an die Reserven gehen mussten.
Die sehr deutliche Abnahme um 40 % des
negativen operativen Cashflow bei annähernd
gleichbleibenden Umsätzen deutet ebenfalls
in die Richtung eines strikten Kostenmanagements, was sich einerseits bereits bei den
F&E-Ausgaben abzeichnete und darüber
hinaus aber auch andere Kostenarten mit
einschließt.
Verluste
Die weitaus größten Ausschläge bei den
relativen Veränderungen der Kennzahlen
ergeben sich bei der Aufzeichnung der Verluste in der Branche. Während die börsennotierten Unternehmen ihre Verlustsituation deutlich um über ein Drittel (37 %) auf
insgesamt noch 150 Millionen Euro verringern konnten, legten die privaten Firmen bei
ihrer Verlustbilanz aggregiert noch um 13 %
zu und schrieben nach wie vor Verluste von
insgesamt 270 Millionen Euro. Diese Effekte
sind auf Seiten der reiferen Börsenunternehmen eindeutig der besseren Einkommenssituation geschuldet, wo durch Produktverkäufe oder lukrative Allianzen große Umsätze
erzielt wurden, die halfen Verluste abzubauen.
Demgegenüber stehen viele private Firmen
mit dem Rücken zur Wand und haben deswegen viel häufiger die Reserven anbrechen oder neue Schulden machen müssen.
Treiber auf Seiten der Verlustreduzierer
waren die bereits mehrfach erwähnten Aushängeschilder. Evotec hat dabei gesteigerte
Einnahmen aus dem Kooperationsgeschäft
zum Schuldenabbau einsetzen können (minus 36 % auf 45 Millionen Euro) und propagiert als essenzielles Strategieelement das
Erreichen des Break Even im Jahr 2012.
Ebenso erfolgreich war MediGene, das gut
laufende Produktverkäufe entsprechend
verwenden konnte, um die Verluste um 31 %
auf nur noch 21 Millionen Euro zurückzufahren. Der starke Ausschlag in der Statistik
wird aber auch durch den Sprung in die Gewinnzone bei Agennix beeinflusst. Die Fusion
mit der ehemaligen GPC Biotech brachte
neben neuen Entwicklungsprodukten auch
Cash ein. Demgegenüber haben jüngere Unternehmen mit aktiver Therapeutikapipeline
ihre Verluste geringfügig weiter vergrößert,
wie zum Beispiel Sygnis Pharma (plus 64 %)
oder 4SC (plus 30 %).
Ausblick
Die Kennzahlen für die deutsche Biotechnologieindustrie zeigen weder die erwarteten
Rückschläge aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise noch eine dramatische Reaktion auf die weitere Verschlechterung der
klassischen Finanzierungsszenarien (VC,
Private Equity). Vielmehr stagniert die Entwicklung allenfalls bei nicht allzu depressiver Stimmung. Die möglichen Ursachen
hierfür sind vielschichtig und werden in den
Folgekapiteln in tieferem Detail dargelegt.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Grundtenor ist allerdings, dass die Unternehmen auf breiter Front Maßnahmen ergriffen haben, alternative Kapitalquellen zu
identifizieren und vorhandenes Kapital effizienter zu nutzen, um die Geschäftstätigkeit für längere Zeit zu sichern.
Gerade in Deutschland scheint dies aufgrund der typischen, stärker auf Services
und Technologien ausgerichteten Branche
besser zu gelingen. Hauptfinanzquelle sind
in dieser Konstellation Umsätze aus dem
Verkauf von „Tools“ (Kits, Zelllinien, Medien,
Reagenzien etc.) oder dem Anbieten von
Services im kleineren Rahmen, die nicht vom
Radar der Transaktionen erfasst werden.
Die entscheidende Frage ist allerdings, wie
nachhaltig sich die Adaptation der Geschäftsmodelle und wie stabil sich die spezifische Ausrichtung mittelfristig erweist. Wenn
die vornehmliche Reaktion auf die Krise
allerdings nur in zu kurzfristiger Anpassung
der Geschäftsmodelle zur Verlängerung der
Kapitalreichweite besteht, ist auch die Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass die Konsolidierungswelle zeitverzögert doch noch gravierender zuschlagen wird. Wenngleich zur
Beantwortung dieser Frage der Verlauf des
Jahres 2010 abgewartet werden muss, in
dem möglicherweise auch neue Impulse der
allgemeinen Wirtschaftserholung eine Rolle
spielen können, so kann auf alle Fälle positiv
vermerkt werden, dass die deutschen Biotechunternehmen die neuen Spielregeln
verinnerlicht haben und das Thema „Capital
Efficiency“ stärker in den Vordergrund ihrer
Geschäftsaktivitäten stellen.
11
2 Geschäftsstrategien
12
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Anpassung an neue Spielregeln
reits ergriffen hatten. Aus den gesammelten
Angaben ergibt sich ein Bild, das in den folgenden Kapiteln unter den Gesichtspunkten
Finanzierung, Produktentwicklungen und
Transaktionen in tieferem Detail untersucht
wird. Erwartungsgemäß dominiert die Identifizierung alternativer Kapitalquellen mit über
80 % positiver Antworten zu dieser Frage; dass
fast 50 % der auf diese Frage antwortenden
Unternehmen zum Befragungszeitpunkt bereits konkrete Maßnahmen ergriffen hatten,
ist nur folgerichtig und Teil einer Überlebensstrategie.
ausweichlich sei. Im Verlauf des Jahres wurde
der Verlust von über 50 % der Unternehmen
befürchtet, ausgesondert nach strengsten
Selektionskriterien.
Die Erschütterungen an den internationalen
Finanzmärkten haben wie erwartet die aufstrebende Biotechbranche weltweit empfindlich getroffen. Gerade in Deutschland
und vielen Ländern Europas wurde eine
Entwicklung, die endlich die Qualität und
die Leistungsfähigkeit der Branche mit der
Marktreife von eigenen Produkten unter
Beweis stellen wollte, jäh zurückgeworfen.
Doch das Jahresende belehrte die Pessimisten: Die Anzahl der Unternehmen ging nicht
merklich zurück; die Branche als Ganzes hat
es geschafft, sich den rauen Gegebenheiten
anzupassen und dadurch alternative Wege
zur Finanzierung und zur Weiterführung der
Geschäfte zu finden. Der enorme Druck auf
die Unternehmen setzte offensichtlich auch
ungeahnte Kreativität frei. Neue Ideen zur
Sicherung der Finanzierung und zur besseren Nutzung von noch vorhandenem Kapital
wurden in allen Bereichen identifiziert und
zur Anwendung gebracht.
Die aktuellen Finanzierungszahlen sowohl
für private als auch für börsennotierte Unternehmen sind in der Krise dramatisch abgesackt: Mit den verfügbaren Mitteln der
klassischen Geldgeber und der Kapitalmärkte
ist die Weiterentwicklung der Biotechindustrie in Europa nicht zu bewerkstelligen. Dennoch bleiben das hohe Innovationspotenzial
der Branche und die Kompetenz der beschäftigten Mitarbeiter unbestritten.
Weitere Fragen zielten auf eine Spezifizierung
von Schritten zu ebendieser Identifizierung
alternativer Finanzierungsquellen. Im Vordergrund der Angaben hierzu stehen eindeutig
die Partnerschaften, insbesondere auch Allianzen im früheren F&E-Bereich. Sowohl die
ebenfalls angesprochene Nutzung von Synergien aus solchen strategischen Kooperationen
als auch das gemeinsame Einbringen von Ressourcen und Anlagen hat nicht nur das Auftun von neuen Kapitalquellen zum Zweck,
Maßnahmen zur Krisenbewältigung
Die jährliche Branchenumfrage von Ernst &
Young thematisierte gezielte Maßnahmen
zum Thema „Capital Efficiency“, welche die
Unternehmen als relevant ansahen oder be-
Vor diesem Hintergrund standen bereits am
Anfang des Jahres 2009 pessimistische Befürchtungen im Raum, nach denen nun eine
gravierende Konsolidierung der Branche un-
Abbildung 2-1:
Maßnahmen zur Steigerung der Geschäftseffizienz und Reduzierung des Kapitalverbrauchs
(Befragung in Deutschland)
Anzahl und Anteil Aussagen, Mehrfachnennungen möglich
Identifizierung alternativer
Kapitalquellen
65
Nutzung von Synergien durch
strategische Kooperationen
23
Allianzen in früheren Stadien
20
Gemeinsame Nutzung von Ressourcen/
Anlagen mit anderen Unternehmen
17
Erwägung einer M&A-Transaktion
(Exitoption)
5
55
Reduzierung von Projekten/Aktivitäten in der Entwicklungspipeline
22
Entlassungen/
Verkleinerung von Anlagen
13
Verstärktes Outsourcing
15
Bereits implementiert
30
23
26
22
38
49
15
4
7
7
10 %
18
13
30
42
61
15
Sehr wahrscheinlich
16
38
43
20 %
11
24
31
42
8
18
21
34
12
7
47
28
25
Neue Geschäftsmodelle
0 %
20
43
30 %
46
40 %
50 %
Wahrscheinlich
60 %
70 %
Unwahrscheinlich
80 %
90 %
100 %
Sehr unwahrscheinlich
Quelle: Ernst & Young, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
13
Geschäftsstrategien
Erwartungsgemäß deutlich unterscheidet
sich Deutschland auch bei den Personalmaßnahmen. Personalreduktion steht in Europa / USA auf der Tagesordnung weit oben;
40 % der Befragten halten dies für wichtig,
wovon rund zwei Drittel bereits Anlagen
verkleinert oder Angestellte entlassen haben.
Möglicherweise aufgrund der durch das
deutsche Arbeitsrecht eingeschränkten Möglichkeiten wird diese Option nur von 18 %
der befragten Unternehmen in Deutschland
in Betracht gezogen. Davon hat gerade einmal die Hälfte bereits mit der Umsetzung
begonnen.
dings ist deren Realisierung auf allen Ebenen
schon weiter vorangeschritten, sei es bezüglich der Nutzung von Synergien, der Bereitschaft zu M&A-Transaktionen oder Allianzen in früheren Stadien. Auch hier findet
sich eine Bestätigung im Zusammenhang
mit der Transaktionsanalyse in Kapitel 4.
sondern auch eine effizientere Nutzung von
gemeinsamen Mitteln. All diesen Vorhaben
für die Bündelung von Aktivitäten in Partnerschaften ist allerdings gemein, dass diese
zwar stark befürwortet werden, die Implementierung jedoch noch deutlich hinterherhinkt. Dies deckt sich mit den weitergehenden Analysen in Kapitel 4 (Transaktionen);
gerade in Deutschland ist die Zahl der Transaktionen im Jahresvergleich rückläufig, obwohl eher ein signifikanter Anstieg zu erwarten gewesen wäre. Es steht zu hoffen, dass
die geäußerten Absichten zukünftig auch mit
Nachdruck in die Umsetzung geführt werden.
Deutschland im internationalen Vergleich
Die Umsetzung von postulierten Transaktionsmaßnahmen ist auf europäischer sowie
auf globaler Ebene bereits weiter vorangeschritten. Die parallele Befragung zu „Capital Efficiency“ in Europa und den USA ergab
zwar durchaus mit Deutschland übereinstimmende Grundtrends hinsichtlich des
Schwerpunkts auf Partnerschaften; aller-
Weitere Unterschiede in der vergleichenden
Darstellung zwischen Deutschland und Europa / USA sind ersichtlich in der Dynamik
zur Reduzierung von Projekten. 50 % der international befragten Unternehmen gaben
an, dass die Reduzierung von F&E-Aktivitäten ein Mittel der Wahl sei; die Hälfte dieser Firmen hat bereits mit der Umsetzung
begonnen (24 %). Deutsche Unternehmen
hingegen erachten diese Option als weniger
wahrscheinlich (38 %) und zeigen dies auch
in einer bisher geringen Realisierung dieser
Möglichkeit (17 %). Ein Grund hierfür mag
auch in der unterschiedlichen Aufstellung
der deutschen Biotechbranche liegen (Stichwort: „mehr Service“), die nachfolgend näher analysiert wird.
Geschäftsmodelle im Wandel
Die am zweithäufigsten bereits implementierte Option für neue oder besser genutzte
Kapitalquellen betrifft die Änderung der Geschäftsmodelle. Über 60 % der Befragten in
Deutschland befürworten diesen Weg. Zwei
Drittel von ihnen gaben an, dass die Implementierung neuer Geschäftsmodelle bereits
vorangetrieben wurde.
Abbildung 2-2:
Maßnahmen zur Steigerung der Geschäftseffizienz und Reduzierung des Kapitalverbrauchs
(Befragung international)
Anzahl und Anteil Aussagen, Mehrfachnennungen möglich
Identifizierung alternativer
Kapitalquellen
110
78
Nutzung von Synergien durch
strategische Kooperationen
40
Allianzen in früheren Stadien
53
Gemeinsame Nutzung von Ressourcen/
Anlagen mit anderen Unternehmen
28
Erwägung einer M&A-Transaktion
(Exitoption)
20
Neue Geschäftsmodelle
72
Reduzierung von Projekten/Aktivitäten in der Entwicklungspipeline
71
23
Entlassungen/
Verkleinerung von Anlagen
70
9
Verstärktes Outsourcing
47
0 %
Bereits implementiert
78
56
98
37
92
36
54
80
62
25
55
Sehr wahrscheinlich
50
78
83
89
54
30 %
72
40 %
34
84
69
34
36
73
79
49
38
76
39
35
20 %
45
67
37
10 %
31
50 %
Wahrscheinlich
69
60 %
70 %
Unwahrscheinlich
80 %
90 %
100 %
Sehr unwahrscheinlich
Quelle: Ernst & Young, 2010
14
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Geschäftsstrategien
Damit wird klar, dass die Überlegungen zu
modifizierten Geschäftsmodellen als der
pragmatischste Weg in Deutschland angesehen wurden. Außerdem kann diese Umsetzung im Unternehmen selbstständig und
schnell in die Hand genommen werden und
ist somit unabhängiger von externen Faktoren.
Die Überlegungen zu neuen oder modifizierten Geschäftsmodellen sind in erster
Linie betriebswirtschaftlich geprägt. Es geht
darum festzustellen, welche Assets und
Fähigkeiten sich im Unternehmen direkt
monetarisieren lassen. In diesem Zusammenhang spielen vorhandene Technologieplattformen eine wichtige Rolle, da diese direkt
in Kollaborationen oder Dienstleistungen
eingebracht werden können. Im internationalen Vergleich kommt dieser Option eine
etwas geringere Bedeutung zu, was der
unterschiedlichen Branchenausrichtung
entspricht. Deutschland sucht demnach
die Lösungswege aus der Krise eher in der
Flexibilität von internen Betriebsabläufen
und Geschäftsmodelländerungen, wohingegen international stärker auf Partnerschaften und gemeinsame Lösungen gesetzt
wird.
Ein Unternehmen hat mit dem Weg über
Dienstleistungspartnerschaften bereits vor
einigen Jahren Erfahrungen gesammelt:
Phenex Pharmaceuticals in Heidelberg / Ludwigshafen war mangels VC-Finanzierung
am Start des Unternehmens darauf angewiesen, Technologie und Know-how in
Dienstleistungs-Partnerschaften mit Pharmaunternehmen zu Geld zu machen.
Im Nachhinein zeigt sich jedoch, dass dieses
Vorgehen auch Vorteile gebracht hat; zum
Beispiel die externe Validierung der Technologieplattform, ein breites internationales
Netzwerk an Partnern, die mittlerweile auch
als Entwicklungspartner für die eigene Pipeline an Produkten angesprochen werden
können und nicht zuletzt eine Grundeinstellung zum Thema „Capital Efficiency“, die in
der gegenwärtigen Situation der Branche
zum A und O der erfolgreichen Geschäftsführung wird. Der folgende Artikel beschreibt
die wesentlichen Schritte der Unternehmensentwicklung von Phenex im Detail.
Darüber hinaus gibt es auch einige prominente Beispiele, die ihre Geschäftsmodelle
neu überdacht und entsprechend angepasst
haben. Dabei müssen nicht nur finanzielle
Engpässe im Vordergrund der Entscheidung
stehen. Professionell aufgestellte Unternehmen sollten diesen Prozess zur möglichst
effizienten Nutzung des verfügbaren Kapitals grundsätzlich als Teil ihrer Strategie verankert haben.
Im nachfolgenden Beitrag von Evotec aus
Hamburg wird untermauert, wie ein Unternehmen aufgrund unerwarteter klinischer
Rückschläge in dessen Medikamentenentwicklung entsprechende Gegenmaßnahmen
einleitete. Dadurch wurde die Kapitalseite
gestärkt und das Prinzip „Capital Efficiency“
unter Beweis gestellt, was nicht zuletzt auch
am Kapitalmarkt Anerkennung fand. Aktuell
wurde Evotec dafür von der Zeitschrift M&A
Advisor zum „Healthcare Turnaround Unternehmen des Jahres“ gewählt. Der Artikel
von Evotec stellt diesen „Turnaround“ näher
dar.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Einen anderen Weg schlug das Unternehmen
PAION aus Aachen ein, ebenfalls getroffen
von Rückschlägen in der Produktentwicklung. Nachdem die entscheidende Phase-IIIStudie des Hauptentwicklungsprodukts
„Desmoteplase“ (Plasminogenaktivator aus
der Fledermaus) bereits 2007 nicht die erwarteten Ergebnisse erbracht hatte, stand
das Unternehmen auf der Kippe. Die alleinige Fokussierung auf die Medikamentenentwicklung mit starkem Bezug auf das
Leitprodukt „Desmoteplase“ barg entsprechend große Risiken – rein statistisch ist ein
Scheitern selbst in Phase III mit einem zweistelligen Prozentsatz anzunehmen. Grundsätzliche Änderungen im Geschäftsmodell
waren in Ermangelung vorhandener Technologieplattformen ohne weiteres nicht
möglich. Somit blieb dem Unternehmen
nur der Ausweg, Rechte am Leitprodukt zu
veräußern. Glücklicherweise stand PAION
das schwedische Pharmaunternehmen
H. Lundbeck als Partner bei und übernahm
die weitere Entwicklung im Jahr 2008. In
der Zwischenzeit wurde das Risiko in einer
breiteren Pipeline durch Übernahme von
CeNeS und Einlizenzierung von Entwicklungskandidaten stärker gestreut, was im
folgenden Artikel beschrieben wird. Dieses
Beispiel zeigt eindrucksvoll das deutlich erhöhte Risiko, mit dem reine Produktentwicklungsmodelle einhergehen. Durch das Fehlen
von Ausweichmöglichkeiten in Form von
Technologien oder anderen Assets ist das
Unternehmen ausschließlich davon abhängig,
Partner zu finden, die neue Finanzmittel einbringen. Dies kann nur durch die Abgabe von
Produktrechten erfolgen.
15
Mit effizienter Kapitalnutzung zum Erfolg
Dr. Claus Kremoser und
Dr. Thomas Hoffmann,
CEO & CFO Phenex Pharmaceuticals AG,
Ludwigshafen
Spagat Serviceleistung – eigene
Entwicklung?
Die Phenex AG wurde 2002 gegründet und
hat sich seitdem von einem reinen Dienstleister für Auftrags-Screening zu einem Wirkstoffentwickler gewandelt. Dazwischen lagen
acht Jahre, in denen zum einen über 70 Kunden für das Servicegeschäft gewonnen und
zum anderen über 11 Millionen Euro Eigenkapital in zwei Finanzierungsrunden eingeworben wurden. Mit diesem Geld werden
zwei Projekte vorangetrieben, deren Targets
bei Phenex validiert und die zugehörigen
Substanzen identifiziert wurden: Der klinische Kandidat Px-102 ist zurzeit in der präklinischen Toxprüfung und für die Indikation
Typ 2 Diabetes mit Komplikation Fettleber
vorgesehen. Das zweite Projekt adressiert
ein neues Target, welches in Tiermodellen
vielversprechendes Potenzial für chronische
Entzündung zeigt. Wie schafft dabei ein
Biotechunternehmen den Spagat zwischen
Servicegeschäft und eigener Entwicklung –
ist es überhaupt ein Spagat?
„Brain in house – Execution outsourced“
Präferiert hätten wir einen direkten Einstieg
in die Wirkstoffforschung, nur fand sich
2002 / 2003 kein Frühphasen-Finanzierer,
der das Geld bzw. den Mut dazu hatte. So
haben wir aus der Not heraus eine Tugend
gemacht, nämlich den Aufbau eines leistungsfähigen Servicegeschäfts. Mit einer Eigenkapitaldecke von nur knapp 200.000 Euro
16
haben wir es geschafft, mit unserem Service-Business von 2003 bis 2005 so lange
profitabel zu wirtschaften, bis wir Ende
2005 die erste Finanzierungsrunde mit drei
Millionen Euro anschließen konnten. Da diese
Summe nicht viel ist, wenn man eigene Wirkstoffe entwickeln will, haben wir uns dazu
eine recht riskante, aber wohlüberlegte
Strategie zurechtgelegt, die man mit „Brain
in house – Execution outsourced“ umschreiben könnte. Mit anderen Worten haben wir
uns intern auf unsere Spezialität, die Kernrezeptor-Assays fokussiert und zusätzliche
Schlüsselmitarbeiter eingestellt, welche die
notwendige Expertise für Wirkstoffforschung
wie Computional Chemistry, Medizinalchemie,
Pharmakologie usw. besitzen. Die eigentliche Synthese der Substanzen sowie die Austestung in Tiermodellen wurden komplett
outgesourct. Dabei gaben wir uns allerdings
nicht damit zufrieden, FTEs bei einer ChemieFirma zu mieten und Tierstudien von den
üblichen CROs durchführen zu lassen. Systematisch haben wir Chemiefirmen und Pharmakologie-CROs in Deutschland, Osteuropa,
Indien und China gescreent und arbeiten
nun mit einem wohl ausgesuchtes Portfolio
aus je drei bis fünf Firmen, welche im Vergleich das Optimum aus Qualität und Preis-/
Leistungsverhältnis anbieten. Nur so war es
möglich, mit nur drei Millionen Euro in unserem ersten Projekt innerhalb von zweieinhalb
Jahren einen Wirkstoffkandidaten benennen
und das mit guten Daten untermauern zu
können.
Geschäftsziel Entwicklung
Was ist nun unser Geschäftsziel? Ganz klar
die Identifizierung, Patentierung und Entwicklung von Wirkstoffen bis zum „Proof of
Concept“, d. h. dem ersten Nachweis der
klinischen Wirksamkeit am Menschen. Dann
steht entweder eine Auslizenzierung oder
evtl. der Gesamtverkauf des Unternehmens
an. Wir haben um uns und auch um unsere
Mitarbeiter aber keine Angst, danach arbeitslos zu sein. In den intensiven letzten Jahren
haben sich so viele neue interessante Perspektiven ergeben, dass wir sehr wahrscheinlich direkt danach weitere Projekte anschließen können.
Visitenkarte Servicegeschäft
Hat das Servicegeschäft jetzt keine Bedeutung mehr? Mittlerweile haben wir bedeutende Kunden aus Europa, Nordamerika
und Japan, und uns in der Nische „Nuclear
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Receptor Assays“ einen sehr guten Namen
gemacht. Die Anfragen kommen nahezu von
alleine, der Marketingaufwand ist gleich null,
solange wir das Umsatzgeschäft nicht signifikant ausbauen möchten. Das Servicegeschäft hat uns außer durch den Umsatz aber
noch ganz anders genutzt: Wir konnten
Projekte mit gutem Ergebnis pünktlich bei
namhaften Pharmafirmen abliefern, eine
Visitenkarte, die auch die Tür zur Vorstellung
von Wirkstoffprojekten öffnet. Gerade bei
japanischen Firmen ist ein Referenzprojekt,
bei dem man einen Kunden zufriedengestellt hat, sehr viel wert für die Glaubwürdigkeit. In Verhandlungen mit großen internationalen VCs wurde das Servicegeschäft
abträglich als Ablenkung und Kleinkrämerei
gewertet. Wir denken aber, dass das Servicegeschäft zu hoher Disziplin in Punkto Qualität
und Einhalten von Terminen erzieht, auch
im Drug-Discovery-Geschäft nicht die schlechtesten Tugenden.
Mobilisierung von Kapital
Bei Phenex konnten wir das Servicegeschäft
gewinnbringend mit eigener Wirkstoffforschung kombinieren, für uns war es kein
Spagat, sondern Synergie. Unser Weg muss
aber nicht notwendigerweise ein reproduzierbares Business-Modell aufzeigen. Wir
und viele andere Firmen haben in den letzten
fünf bis sieben Jahren mit erfinderischen
Strategien und mit viel Kostendisziplin Wege
gefunden, unseren Zielen nahezukommen.
Dennoch plädieren wir dafür, dass man in
Deutschland endlich Maßnahmen ergreift,
um privates Anlegerkapital für die Finanzierung von High-Tech-Firmen zu mobilisieren,
z. B. durch Umlenkung von nur 1 % der mehreren hundert Milliarden Euro, die in innovationsarmen und für die Zukunft Deutschlands wertlosen Kapitalanlagen wie Lebensversicherungen oder Containerschiffen
stecken. Biotech ist das Paradebeispiel für
eine wissensgetriebene Branche. Wenn wir
hier scheitern, bleiben die Versprechungen
einer wissensbasierten Volkswirtschaft in der
Zukunft leere Worte. Es muss nachfolgenden
Wissenschaftlern und Unternehmern mit
leichter verfügbarem Kapital und unkomplizierten Geschäftsmodellen erleichtert
werden, den Weg in diese Branche zu finden.
Was nicht heißt, dass man kein Servicegeschäft als Bestandteil einer erfolgreichen
Firma anbieten darf.
www.phenex-pharma.com
Forschung hört nie auf, wenn ...
• K
onzentration aller Anstrengungen auf
ausgewählte Kernprojekte und -aktivitäten,
die in unmittelbarer Zukunft die größte
Wertschöpfung für Aktionäre und Partner
versprechen
• Hauptaugenmerk auf die Stärkung von
Forschungsallianzen und deren Implementierung als zentrale strategische Wachstumsträger
• Aufbau neuer strategischer Allianzen für
ausgewählte Entwicklungsprojekte
• Fokussierung der Pipeline auf die werthaltigsten Substanzen, um dadurch das Risiko
im Portfolio zu reduzieren und den Liquiditätsverbrauch in F&E zu verringern
• Reduktion der operativen Ausgaben und
die Minimierung des strategischen Geschäftsrisikos
Dr. Werner Lanthaler,
CEO Evotec AG, Hamburg
Die Zeichen der Zeit
Die globale Pharmaindustrie steht vor der
großen Herausforderung, ihre Produktivität
deutlich zu steigern. Forschungs- und Entwicklungskosten sind über die Jahre rapide
angestiegen, während Produktzulassungen
weit hinterher hinken. Vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund lagern Biotech- und
Pharmaunternehmen zunehmend F&E-Aktivitäten aus, da sie darin die besten Möglichkeiten zur Kosteneinsparung und Effizienzsteigerung sehen. Die Nutzung von Auftragsforschungsunternehmen (CROs) erlaubt
fixe Kosten in variable Kosten umzuwandeln
und bietet dem Kunden Expertise auf den
erforderlichen Gebieten ohne die Notwendigkeit, eigene Kapazitäten und Infrastrukturen aufzubauen und aufrechtzuerhalten.
Evotec nutzt diesen Trend optimal mit seinem
„Aktionsplan Evotec 2012-Fokus und
Wachstum“, den das Unternehmen 2009
eingeleitet hat.
„Aktionsplan Evotec 2012-Fokus
und Wachstum“ zur Steigerung von
Kapitaleffizienz
Der Aktionsplan 2012 war das Ergebnis einer
Überprüfung der Geschäftsstrategie im März
2009. Das Unternehmen überprüfte seine
Stärken und Schwächen und traf eine klare
Entscheidung hinsichtlich der Verwendung
seiner Finanzmittel und der zukünftigen
strategischen Ausrichtung nach Maßgabe
der strategischen Kapitaleffizienz:
Erste Erfolge
Die Finanzergebnisse und die strategischen
Aussichten bestätigten bereits am Ende des
Jahres 2009 den eingeschlagenen Weg von
Evotec, sich wieder auf seine Stärken, d. h.
die Wurzeln des Geschäfts, zu konzentrieren.
Dieses wächst signifikant, zumal Evotec seine
Leistungsfähigkeit durch Innovationen im
Technologiebereich und durch globale Kostensynergien kontinuierlich weiter optimiert.
So ist Evotec auf gutem Wege, globaler
Branchenführer in der Wirkstoffforschung
zu werden. Evotec hat darüber hinaus das
Risikoprofil seiner Entwicklungspipeline
signifikant reduziert, indem nur die Programme weiter unterstützt werden, die kommerziell Erfolg versprechen. Zeitgleich hat
Evotec versucht, das volle Wertpotenzial
seiner vielversprechenden Programme zu
erhalten. Mit diesen strategischen Entscheidungen machte die Gesellschaft einen bedeutenden Schritt hin zu einer nachhaltigen
Geschäftsentwicklung; die Umsätze wachsen
deutlich und die Kostenbasis wurde reduziert.
Mit mehr als 70 Millionen Euro verfügt das
Unternehmen über umfangreiche Liquiditätsreserven – eine gute Grundlage für strategische Innovation und Wachstum.
Risikoteilung als Überlebensstrategie
für Biotech
Evotec hat das Risikoprofil seines Entwicklungsportfolios dadurch reduziert, dass Investitionen in frühe Projekte limitiert und in strategische Kollaborationen eingebracht wurden.
Im März 2009 unterzeichnete das Unternehmen zum Beispiel eine bedeutende Allianz
mit Roche. Dabei handelt es sich um ein ge-
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
meinsames Entwicklungsprogramm, in dem
Evotec für die Durchführung der klinischen
Phase II der Substanz EVT 101 an Patienten
mit behandlungsresistenten Depressionen
zuständig ist. Die Kosten dieser Studie sowie
auch die Entwicklungskosten der Nachfolgesubstanz EVT 103 (Phase II), werden komplett von Roche getragen. Der strategische
Wert des Abkommens kann einschließlich
Vorabzahlungen, Zahlungen für Entwicklungs- und Verkaufserfolge sowie umfangreicher Umsatzbeteiligungen im zweistelligen
Prozentbereich 300 Millionen US-Dollar
überschreiten. Durch Allianzen Risiko zu
teilen, und die kommerzielle „down-side“
zu schützen war ein zentrales Merkmal der
ersten Schritte dieser Geschäftsstrategie.
Zusätzlich zu diesen strategischen Schritten
hat Evotec strikte Kostensenkungsmaßnahmen über das Jahr hinweg implementiert:
• Reduktion des Personalbestands im administrativen Bereich um 20 % und im Bereich der klinischen Entwicklung um 50 %
• Realisierung von Synergien innerhalb der
Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur;
infolgedessen wurde z. B. die Betriebsstätte in den USA (South San Francisco)
geschlossen.
Zusammenfassend spiegelten sich die strategischen Maßnahmen im Finanzergebnis
für das Geschäftsjahr 2009 eindeutig wider.
Im Vergleich zum Vorjahr sind die Umsätze
im Kerngeschäft um 11 % gestiegen. Die
Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen sind um 51 % gesunken. Die Vertriebsund Verwaltungskosten sind um 16 % gesunken. Das operative Ergebnis ist um 42 %
gestiegen. Dies sind erste Ergebnisse auf
dem Weg in die nachhaltige Profitabilität,
was für Biotechgeschäftsmodelle der Jahre
2010 ff kein Fremdwort bleiben darf.
Forschungsallianzgeschäft als
balanciertes Risikomodell für optimale
Kapitaleffizienz
Im derzeitigen Umfeld werden Pharmaunternehmen zunehmend auch Aktivitäten in
frühen Phasen des Forschungs- und Entwicklungsprozesses auslagern. Eli Lilly lagert
bereits 100 % seiner präklinischen Arbeiten
aus. Bei Merck und Wyeth sind es hingegen
heute nur 5 %. Outsourcing könnte damit
eine zentrale Teillösung für die Engpässe in
der Wirkstoffforschung werden.
www.evotec.com
17
Turnaround bei PAION – „Batman is back“
dem Speichel der Vampirfledermaus Desmodus rotundus für den Einsatz bei ischämischen Schlaganfällen. Erster Schritt aus
dieser Situation war eine genaue Analyse
der Studienergebnisse auf der Ebene der
behandelten Patientengruppen.
Nach Aufklärung der zugrundeliegenden
Faktoren für das Scheitern konnte schnell
eine Lösung für die Weiterfinanzierung gefunden werden:
• Fortsetzung und Intensivierung der Partnerschaft mit H. Lundbek A/S
• Einmalzahlung in Höhe von acht Millionen
Euro
• Vollständige finanzielle Entlastung PAIONs
bei der Weiterentwicklung durch H. Lundbeck A/S
Dr. Wolfgang Söhngen,
CEO PAION AG, Aachen
Zurück im Spiel
Die PAION AG ist heute ein biopharmazeutisches Unternehmen mit Hauptsitz in Aachen
und einem weiteren Standort in Cambridge
(UK). 2009 hat es PAION geschafft, seinen
Ruf als erfolgreiches Biotechnologieunternehmen mit hohem Wertsteigerungspotenzial
wieder positiv in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Nach klinischen Rückschlägen im Jahr 2007 war im Folgejahr eine strategische Neuausrichtung erforderlich, die
erfolgreich implementiert wurde. Bereits im
selben Jahr konnte PAION wichtige positive
klinische Ergebnisse erzielen. Diese haben
signifikant dazu beigetragen, eingebüßte
Glaubwürdigkeit in der „Financial Community“
zurückzugewinnen. Damit verbunden war
ein merklicher Anstieg des Aktienkurses um
71% im Vergleich zum Vorjahr und ein deutliches Anziehen der Handelsumsätze in der
zweiten Jahreshälfte 2009.
Strategische Neuausrichtung
Die Lösung der Finanzierungsproblematik
war gleichzeitig der Grundstein für eine weitgehende strategische Neuausrichtung unter
dem Motto: „Search & Develop und Partnering“. Die Neuausrichtung hatte vor allem
eine Verbreiterung des Entwicklungsportfolios zum Ziel.
Bei der Auswahl potenzieller neuer Targets
hatte PAION vier Kriterien angelegt:
• Die Finanzierung bis zum „Proof of Concept“ mindestens eines der Entwicklungsprojekte musste gesichert sein
• Die Produkte sollten dem Therapiefokus
ZNS / Krankenhausbereich zuzuordnen
sein
• Die Produkte sollten ein deutlich geringeres Entwicklungsrisiko im Vergleich zur
Indikation „Schlaganfall“ aufweisen
• Der Newsflow sollte besser planbar sein
„Batman is back“ ist ein Zitat aus der Finanzpresse, welches diesen Trend bestätigt und
widerspiegelt, wie PAION nach Rückschlägen
im Jahr 2007 heute gesehen wird.
Aus einer Reihe von Akquisitionszielen mit
entsprechenden Produktportfolien wurde
das Ziel-Profil am besten von CeNeS Pharmaceuticals plc erfüllt. Die Akquisition dieser
englischen Firma wurde mit Aktien durchgeführt. Somit wurde auch die Finanzierung
des neuen Werttreibers CNS 7056 bis zum
„Proof of Concept“ gesichert.
Der Weg aus einer schwierigen Lage
Unerwartete Studienergebnisse der Phase III
des ehemaligen Lead-Projektes „Desmoteplase“ hatten in 2007 eine schwierige finanzielle Lage hervorgerufen. Desmoteplase ist
eine biotechnologisch hergestellte Version
eines blutgerinnselauflösenden Proteins aus
Schnelle Resultate durch Fokussierung
CNS 7056, ein neues, kurzwirkendes Sedativum und breit anwendbares Anästhetikum
wurde zum neuen Lead-Projekt ernannt. Ein
Großteil der F&E-Aufwendungen wurde seit
Aufnahme von CNS 7056 in die Pipeline auf
dieses Projekt fokussiert. So gelang es inner-
18
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
halb von 18 Monaten von der Präklinik bis
zur ersten Phase II eine extrem schnelle Entwicklung bis zum „Proof of Concept“ zu erreichen.
Partnering sichert finanziellen Spielraum
bei geteiltem Risiko
Getreu der neuen Geschäftsstrategie
„Search & Develop und Partnering“ beabsichtigt PAION CNS 7056 zu verpartnern, um
die Risiken der anstehenden Entwicklung
durch einen starken Partner abzufedern. Auf
der Basis dieses Geschäftsmodells werden
bereits in einem frühen Stadium Einnahmen
realisiert und gleichzeitig die Kosten und das
Risiko der weiteren Entwicklung reduziert.
An der späteren Wertschöpfung partizipiert
das Unternehmen weiter über Erfolgszahlungen für das Erreichen klinischer und kommerzieller Meilensteine und durch Lizenzgebühren nach Zulassung der Medikamente.
Weitere Einnahmen können später und zusätzlich aus Co-Vermarktungsaktivitäten
fließen.
Mit den so eingeworbenen Mitteln plant PAION
entweder in seine bestehende Pipeline oder
attraktive neue Projekte zu investieren und
das nächste Lead-Projekt zum „Proof of
Concept“ zu bringen. Ziel einer geplanten
Verpartnerung von mindestens einer Substanz in 2010 ist dabei auch, die finanzielle
Reichweite über das Jahr 2011 auszuweiten.
Zukunftsperspektive
PAION geht davon aus, dass der Abschnitt
zwischen dem Ende der Präklinik bis zum
„Proof of Concept“ am Menschen der Teil
der Wertschöpfungskette ist, in dem ein Unternehmen mit großer Entwicklungskompetenz signifikanten Mehrwert für seine Anteilseigner bieten kann. Darüber hinaus ist diese
Wertsteigerung auch attraktiv für große
Pharmaunternehmen.
Der entsprechende Wertzuwachs in dieser
Phase ist somit groß genug, dass für alle Beteiligten attraktive Anteile übrig bleiben. Da
PAION für Desmoteplase eine Co-Vermarktungsoption hat und auch versuchen wird,
diese für CNS 7056 zu erhalten, ist die Grundlage geschaffen, auch an der Vermarktung
und somit dem wertvollsten Teil der Wertschöpfungskette zu partizipieren.
www.paion.de
Geschäftsstrategien
Investoren orientieren sich um
Auch die Investoren reagieren auf die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise.
Die meisten Lead-Investoren haben mit dem
Aufbau neuer Fonds schwer zu kämpfen,
solange bei institutionellen und anderen
Investoren das Vertrauen in den Life-ScienceBereich nicht zurückgekehrt ist. Dies bezieht
sich insbesondere auf Investmentvehikel,
die im frühen Lebenszyklus von Start-upUnternehmen investieren wollen.
Bestehende Venture-Capital-Fonds sind deshalb dazu übergegangen, ihre Fondsstrukturen anzupassen und differenzierte Vehikel
für bestimmte Bereiche (early / late; Biotech / MedTech; Growth Capital) zu etablieren. Für die jeweiligen Segmente gelten
spezifische Investitionskriterien.
Abbildung 2-3:
Segmentierung der Biotechindustrie im Ländervergleich, 2009
Anzahl und Anteil Unternehmen
Deutschland
129
UK
162
Frankreich
82
Dänemark
50
Schweiz
64
0 %
Therapeutika
62
34
162
24
20
93
66
4
8
6
29
8
10 %
20 %
30 %
40 %
Diagnostika
50 %
Service
10
60 %
70 %
29
80 %
90 %
100 %
Grüne und Industrielle Biotech
Quelle: Ernst & Young, 2010
In diesem Zusammenhang wird vor allem im
Early-Stage-Bereich nach dem Motto „Fast Focused – Lean“ verfahren. Dabei werden
Start-up-Firmen um einzelne priorisierte
Projekte herum in „quasi“-virtuellem Aufbau
initiiert, um möglichst schnell an einen
nächsten – vornehmlich datengetriebenen –
Entscheidungspunkt zu gelangen. Anschließend wird besagtes Projekt bei erfolgreicher
Initialphase entweder verkauft, eine richtige
Firma um das Asset aufgebaut oder aber
das Vorhaben wieder verworfen. Im letzten
Fall würde dann zumindest nicht unnötig
viel Geld ausgegeben.
Fonds, die sich diesem Frühphasenmodell
verschrieben haben (z. B. Index Venture,
s. Artikel in Kapitel 5), sehen vielfach sogar
explizit einen „Zwischenexit“ vor – beispielsweise als Verkauf oder Auslizenzierung des
Projekts an einen strategischen Pharmapartner.
Weitere Motivation für Investoren ist das
Ausbleiben von IPOs. In Deutschland gibt
es seit 2007 keine Börsengänge mehr und
auch die wenigen im Jahr davor stellten
keinen Exit für die jeweiligen Investoren dar.
Mit dem damit einhergehenden Wechsel der
Exitoption zum Verkauf an strategische
Investoren (Trade Sale) kommt es auch zu
einem Umdenken bei den präferierten Geschäftsmodellen der Portfoliounternehmen.
Während ein auf den IPO optimiertes Unternehmen den Schwerpunkt auf den Aufbau
eines nachhaltigen Produktportfolios setzt,
ist bei der Maßgabe „Trade Sale“ vielmehr
die Maximierung der einzelnen Assets hinsichtlich Qualität, effizienter Prozesse und
möglichst schneller Entwicklung ausschlaggebend – mit anderen Worten „Capital Efficiency“.
Die Investoren selbst sehen dieses Modell,
welches mehr einer Projektfinanzierung
denn einer Unternehmensfinanzierung entspricht, zukünftig in der Vorherrschaft. Selbst
mit einem sich öffnenden IPO-Fenster ist
anzunehmen, dass eher eine geringere Zahl
an Unternehmen in der Lage sein wird, die
dann höheren Portfoliohürden für einen
Börsengang zu nehmen.
(Therapeutika, Diagnostika, Service, Grüne
und Industrielle Biotechnologie) ergibt distinkte Unterschiede.
Unternehmen in Deutschland sind signifikant weniger vertreten im Bereich der Medikamentenentwickler (nur 34 %), dafür aber
deutlich breiter im Segment der Technologie- und Serviceanbieter aufgestellt (43 %).
Darüber hinaus erfahren in Deutschland
auch die Segmente Grüne und Industrielle
Biotechnologie und die Diagnostik eine
stärkere Ausprägung.
Ganz im Gegensatz hierzu haben Länder
wie die Schweiz (63 %), Dänemark (56 %)
und UK (56 %) eindeutig den Schwerpunkt
auf die Medikamentenentwicklung gelegt.
Frankreich nimmt eine Zwischenstellung ein.
Die Anpassung von Geschäftsmodellen in
Krisenzeiten ist abhängig von den Möglichkeiten, welche die existierenden Modelle
bieten.
Diese Aufstellung beinhaltet mehrere Implikationen für die deutsche Biotechindustrie:
• Geringere Abhängigkeit von Venture Capital
• Geringere Geschäftsrisiken
• Höhere Flexibilität, in Krisenzeiten Geschäftsmodelle anzupassen (Technologie
und Service)
In dieser Betrachtung nimmt Deutschland
im Vergleich der wichtigsten Biotechnationen
in Europa eine Sonderstellung ein. Die
Einteilung der europäischen Biotechunternehmen in Geschäftsfelder und damit assoziierten typischen Geschäftsmodellen
Im Zusammenspiel dieser Faktoren ist anzunehmen, dass deutsche Unternehmen in
der Krise leichter überleben können. Definitiv hat sich bereits in den letzten Jahren gezeigt, dass relativ zur Größe der deutschen
Volkswirtschaft bzw. der Biotechindustrie
Geschäftsmodelle in Deutschland –
besser geeignet in der Krise?
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
19
Geschäftsstrategien
weniger Venture Capital nach Deutschland
fließt, als dies beispielsweise für die Schweiz
der Fall ist. Trotzdem führte dies weder
nach dem Einbruch der VC-Finanzierungen
im Jahr 2008, noch nach dem konsekutiven
Abfall im vergangenen Jahr zu einer nennenswerten Zahl an Unternehmensbankrotten.
In dieser Aufstellung sind die vielen kleinen
Unternehmen in Deutschland auch weniger
abhängig von Transaktionen mit großen
Partnern. Signifikante Anteile ihres Geschäfts
laufen über den Verkauf von Produkten an
Industriekunden (z. B. Pharma; Zelllinien,
Medien, Kits, Tests). Solche Kundenbeziehungen sind neben Transaktionen eine
weitere Alternative der Finanzierung und
erklären zumindest teilweise die Abnahme
von Transaktionen in Deutschland gegen
den internationalen Trend.
„No Risk – No Fun“
Die vermeintlichen Vorteile in Krisenzeiten
gehen andererseits aber auch mit reduzierten Wertschöpfungspotenzialen einher.
Es ist unbestritten, dass Wertschöpfungsketten basierend auf der Medikamentenentwicklung letztendlich bei erfolgreicher Vermarktung deutlich mehr Gewinn erzielen.
Selbst wenn dies in Partnerschaften mit
großen Pharmaunternehmen passiert, ist
die Wertschöpfung auf Seiten des Biotechpartners nach wie vor signifikant.
20
Entscheidend für die Weiterentwicklung der
Branche ist deshalb die Umwandlung der
Serviceausrichtung in werthaltigere Transaktionen. Wenn die Anwendung von Technologien im Auftrag von Kunden sukzessive
in Allianzen überführt werden kann, in
denen der Technologielieferant am Erfolg
der darauf basierenden Produktentwicklungen beteiligt wird, so lassen sich erfolgreichere und werthaltigere Modelle realisieren. Diese Entwicklung entspricht wiederum
explizit der Forderung nach Optimierung
der „Capital Efficiency“.
Ein Beispiel für ein erfolgreiches Plattformunternehmen ist MorphoSys, welches bereits sehr früh das Potenzial ihrer Antikörper-Plattform HUCAL in entsprechende
Deals mit Meilensteinzahlungen und Umsatzbeteiligungen ummünzen konnte. Auch
Evotec war es möglich, seine Screeningplattform in vielen Allianzen mit erfolgsabhängigen Komponenten zu vermarkten.
Aus eigener Kraft heraus
Nicht zuletzt können Biotechunternehmen
auch innerhalb ihrer eigenen Strukturen
Kapital effizienter erwirtschaften, abseits
von Zusammenarbeit mit Pharma, Chemie
oder Clustern. Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz zur Aktivierung von Entwicklungskosten erlaubt Life-Science-Unternehmen nun einen flexiblen Umgang mit immateriellen Vermögensgegenständen. Wie
dies zu einer besseren, finanziellen Aufstellung des Biotechunternehmens führen
kann, erläutert unser Ernst & Young-Mitarbeiter Titus Zwirner. Zusätzlich sollte das
Augenmerk auf einer Verbesserung der
Prozesseffizienz und der Kosteneffektivität
gelenkt werden. Durch eine erfolgreiche
Umsetzung von Operational Excellence wird
die Unternehmensstruktur optimiert.
Annette Schulz, Ernst & Young Eschborn,
gibt nachfolgend näher Auskunft dazu.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Diagnostik auf dem Vormarsch?
Die Segmentierung der deutschen Biotechnologiebranche weist im internationalen
Vergleich auf weitere Unterschiede hin, die
die relativ stärkere Position der Diagnostikausrichtung betreffen. Die zunehmende Bedeutung vor allem der Molekulardiagnostik
sowie die Entwicklung von Biomarkern hat
dieses Arbeitsgebiet deutlich aufgewertet.
Biomarker zur Stratifizierung von Patienten
in klinischen Studien und im Zusammenhang mit zielgerichteten Therapien werden
beispielsweise in der Onkologie immer mehr
zum Standard. Fast alle großen Pharmaunternehmen haben sich mit der Fragestellung
beschäftigt, wie die Entwicklung von Biomarkern parallel zu ihren Medikamentenlinien bewerkstelligt werden kann und dabei
vielfach Partnerschaften mit Diagnostikunternehmen geschlossen. Aufgrund der
molekularbiologischen Arbeitsbasis der
meisten Biomarker ergeben sich auch zahlreiche Optionen und neue Geschäftsfelder
für Biotechnologieunternehmen.
Als eines der führenden Biotechunternehmen
in Europa hat sich QIAGEN in den letzten
Jahren systematisch zu einem Entwicklungsund Marktführer im Bereich Molekulardiagnostik entwickelt. Die Strategieänderung
sowie die wesentlichen Schritte zur Realisierung werden im folgenden Artikel von Peer
Schatz, CEO von QIAGEN, erläutert.
Aktivierung von Entwicklungskosten bei
Life-Science-Unternehmen
Eigenkapitals zu verbessern. Ferner können
immaterielle Vermögensgegenstände zukünftig an Bedeutung als Besicherungsinstrumente gewinnen und somit Potenzial für
Unternehmensfinanzierungen bieten.
Titus Zwirner,
Ernst & Young GmbH, Köln
Die Entwicklung neuer Arzneimittel wird
immer aufwändiger und kostspieliger. Die
durchschnittlichen Kosten für die Erforschung und Entwicklung der Wirkstoffe liegen
bei 0,8-1,2 Milliarden US-Dollar und erstrecken sich über einen Zeitraum von ca.
acht bis zwölf Jahren für klinische Studien.
Dabei entfällt der wesentliche Teil der Kosten
auf die klinische Entwicklung und hierbei
insbesondere auf die aufwändigen Phase-IIIStudien. Die Kosten für die Entwicklung der
Arzneimittel spielten hingegen in den handelsrechtlichen Bilanzen bislang keine Rolle,
da für diese ein striktes Ansatzverbot galt.
Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz
(BilMoG) soll sich diese Bilanzierungspraxis
durch Einführung eines Aktivierungswahlrechts und Streichung des Aktivierungsverbots ändern. Das HGB-Bilanzrecht nähert
sich mit diesem Schritt den internationalen
Rechnungslegungsvorschriften (IFRS) an,
wonach Entwicklungskosten in der Bilanz zu
aktivieren sind, und versucht der gestiegenen Bedeutung dieser immateriellen Vermögensgegenstände im wirtschaftlichen
Wertschöpfungsprozess gerecht zu werden.
Im Hinblick auf die regelmäßig sehr hohen
Entwicklungskosten für biopharmazeutische
und chemische Arzneimittel bietet das neue
HGB-Bilanzrecht einen erheblichen Gestaltungsspielraum und Chancen, die Außendarstellung sowie die Bonität von Life-ScienceUnternehmen durch Ausweis eines höheren
Voraussetzungen für die Aktivierung von
Entwicklungskosten
1. Damit Entwicklungskosten aber als immaterieller Vermögensgegenstand überhaupt aktiviert werden können, müssen
diese mit hoher Sicherheit einen zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen für das Unternehmen darstellen, objektivierbar und
selbstständig verkehrsfähig sein. Allerdings kann diese sogenannte abstrakte
Aktivierungsfähigkeit nicht objektiv bestimmt werden, sondern ist insbesondere
bei der Bestimmung des zukünftigen,
wirtschaftlichen Nutzens von der subjektiven Einschätzung des Bilanzierenden
abhängig.
2. Bei der Überprüfung der Aktivierungsvoraussetzungen für Entwicklungskosten
ist weiterhin zu analysieren, ob es sich
bei den in Betracht kommenden Kosten
tatsächlich um „Entwicklung-“ oder doch
„nur“ um „Forschungskosten“ handelt,
da für letztere auch weiterhin ein striktes
Aktivierungsverbot gilt. Diese in der
Praxis häufig schwierige Unterscheidung
will der Gesetzesgeber durch folgende Begriffsbestimmung vereinfachen:
Künftig ist Forschung „die eigenständige
und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über
deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich
keine Aussagen gemacht werden können“.
Die Entwicklung hingegen ist mit einem
wesentlich geringeren Maß an Unsicherheit
behaftet und wird als „die Anwendung von
Forschungsergebnissen oder von anderem
Wissen für die Neuentwicklung von Gütern
oder Verfahren oder die Weiterentwicklung
von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen“ definiert.
die Phase-III-Studien beginnen, da zu diesem Zeitpunkt das Prüfpräparat regelmäßig
in Dosis, Arzneiform und weitestgehend
auch Verpackung dem zu vermarktenden
Arzneimittel entspricht. Vielmehr sind die
Phase-III-Studien gerade dadurch gekennzeichnet, dass die aus den Phase-I- und IIStudien gewonnenen Erkenntnisse erprobt
und getestet werden, um für die Zulassung
ausreichende Daten für den Wirksamkeitsnachweis zu ermitteln.
Vergleich mit IAS/IFRS
Nach IFRS erfolgt durch das BilMoG eine
Angleichung der handelsrechtlichen Regelungen an die bereits bestehenden Regelungen nach IFRS. Der größte formale Unterschied besteht darin, dass nach IFRS kein
Aktivierungswahlrecht, sondern ein Aktivierungsgebot für Entwicklungskosten existiert.
Dieses Aktivierungsgebot führte in der Vergangenheit jedoch häufig zu einem faktischen Aktivierungswahlrecht, da insbesondere der Übergang von der Forschungs- in
die Entwicklungsphase regelmäßig nicht
ausreichend begründet oder dokumentiert
werden konnte und es somit nicht zu einem
Ansatz von Entwicklungskosten in der Bilanz
kam. Allerdings mag diese Fragestellung bei
Einführung der IFRS vor dem Hintergrund
einer deutlich positiveren gesamtwirtschaftlichen Situation auch von nachrangiger Bedeutung gewesen sein.
Fazit
Die BilMoG-Regelungen zur Aktivierung
von Entwicklungskosten können vielen LifeScience-Unternehmen wesentliche Gestaltungsspielräume im Hinblick auf ihre Außendarstellung (verbesserte Bonität, Eigenkapitalausstattung) eröffnen. Darüber hinaus
können die so geschaffenen immateriellen
Vermögensgegenstände künftig auch an
Bedeutung im Rahmen von externen Finanzierungen als zusätzliche Besicherungsinstrumente gewinnen.
Festzuhalten bleibt, dass es grundsätzlich
auf den Zeitpunkt des Übergangs vom systematischen Suchen zum Erproben und Testen
der gewonnenen Erkenntnisse ankommt.
Dieser Zeitpunkt kann im Rahmen der klinischen Forschung dann erreicht sein, wenn
die Phase-II-Studien abgeschlossen sind und
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
21
Operational Excellence: Verbesserung der Effizienz bei
gleichzeitiger Optimierung der Kosten
Annette Schulz,
Ernst & Young GmbH, Eschborn
Notwendigkeit von Operational Excellence
(OPEX)
Durch das sich ständig ändernde Umfeld und
die große Anzahl von Wettbewerbern muss
die Sicherstellung von betriebswirtschaftlicher Effizienz für Biotechunternehmen
ganz oben auf der Agenda stehen. Oft wird
Operational Excellence jedoch noch als
zweitrangig angesehen – neben der Validierung des wissenschaftlichen Konzeptes,
dem Sicherstellen der Finanzierung und der
Veröffentlichung und Promotion neuer
wissenschaftlicher Ergebnisse. Es ist jedoch
bewiesen, dass es eine direkte Verbindung
zwischen Operational Excellence und der
Erhöhung des Shareholder Values gibt. In
der Tat ist die Korrelation zwischen den beiden so stark, dass allen Biotechunternehmen
bewusst sein muss, dass Management Excellence genauso wichtig ist für den Erfolg
wie die Faktoren innovative Wissenschaft
und fundierte Finanzierungen.
Ausgangslage
Manager in Biotechunternehmen stehen
immer häufiger der Herausforderung gegenüber, zwischen „Kapazitäten entwickeln“
und „Produktivität verbessern“ umzuschalten. Die Betriebsprozesse müssen schneller
und gleichzeitig billiger werden. Das sich
ändernde Marktumfeld wirkt sich vielfach
auf die Unternehmen aus: Vor dem Hintergrund der geringeren Preise sind die Kosten
zu hoch. Die Effizienz der Gesamtkosten
muss verbessert werden. Zusätzlich müssen –
durch die immer geringere Zuverlässigkeit
der Vorausplanung und die zunehmende
Produktvielfalt zur Bedienung neuer Märkte –
die Flexibilität steigen und die Durchführungszeiten in der Produktion und Entwicklung
kürzer werden. Der Fokus wechselt zwischen
Wachstum und Kostenoptimierung, der
Balance von Talenten auf allen Ebenen zwischen Wissenschaftlern, Projektmanagern
und operationeller, prozessorientierter Führungsstärke.
Der Ernst & Young Ansatz
Ernst & Young unterstützt Unternehmen
dabei, durch Operational Excellence Umsätze
und Profitabilität zu steigern und den Unternehmenserfolg zu erhöhen. Dies geschieht
durch Entwicklung von Werkzeugen und
Prozessen, die in nachhaltigen, operationellen Modellen den komplexen Ansprüchen
der schnell wachsenden Unternehmen dieser
Branche gerecht werden.
22
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Fundament von OPEX
Folgende Geschäftsmethoden sind das Fundament für die erfolgreiche Umsetzung von
Operational Excellence:
• Definition und Akzeptanz einer fokussierten, klaren Geschäftsstrategie, die vorgibt,
welche Fähigkeiten benötigt werden, um
die strategischen Ziele des Unternehmens
zu erreichen
• Klarer Fokus auf Umsetzung und Durchführung von operationellen Leistungszielen; tägliche Disziplin, die gesetzten Performance-Ziele zu erreichen oder zu übertreffen und kontinuierlich neue Lösungen
und Wege zu finden, die Prozesse und
Arbeitsweisen zu verbessern
• Entwickeln und Aufrechterhalten einer
leistungsgesteuerten Kultur, die durch das
Setzen von Zielen und Messen von Ergebnissen jeden Mitarbeiter verpflichtet, seinen
Teil zum Erreichen der Unternehmensziele
beizutragen
• A
ufbau bzw. Umwandlung der Organisation
in eine flache, flexible und aufgeschlossene Einheit, die Kommunikation, schnelle
Entscheidungsfindungen und den Leistungsgedanken unterstützt
• Verständnis des Managements als Führen
der Mitarbeiter als wichtigste Aufgabe
Vorteile und Nutzen von OPEX
Operational Excellence hat folgende Vorteile
für Unternehmen:
• Strategische Klarheit über die eigene
Mission, Ziele und Erwartungen
• Best practices in Prozessarchitekturen
• Strukturierte Roadmaps für Verbesserungsinitiativen und Projekte
• Einheitliche organisatorische Ausrichtung
Fazit
Es ist wichtig dass Manager und Mitarbeiter
ihre Aufmerksamkeit auf Prozesseffizienzen,
Kosteneffektivität und Meilensteinmanagement richten. Neben dem täglichen Bestreben, bestehende Strukturen zu optimieren,
stehen Unternehmen in Wachstumsbranchen
vor der Herausforderung, ihre Strukturen in
Zeiten großen Wachstums oder Schrumpfens (z. B. durch Zukauf oder Outsourcing)
in größerem Ausmaß anzupassen.
Es ist wichtig vorherzusehen, wann organisatorische Veränderungen notwendig
werden, diese entsprechend zu planen und
erfolgreich umzusetzen. Jede dieser Übergangsphasen beinhaltet viele Herausforderungen für Unternehmen.
Managementteams müssen in der Lage
sein, geeignete Systeme und Prozesse zu
entwickeln und umzusetzen – es bedarf
einem Modell, dass die Notwendigkeit von
Kreativität und Innovation und den Bedarf
an Disziplin ausgewogen balanciert; verbunden mit den Fähigkeiten, Kapital zu beschaffen und die besten Talente anzuziehen. Je
mehr die Prozesse optimiert sind – von F&E
über Supply Chain bis hin zur Produktion –,
desto besser die Chancen im Vergleich zum
Wettbewerb.
Die dynamische Neuausrichtung QIAGENs zum führenden
Anbieter in der molekularen Diagnostik
Peer Schatz,
CEO QIAGEN N.V., Venlo / Hilden
Ausgangslage in Deutschland
Wir verfügen in Deutschland über viele kleinere Unternehmen – gerade und speziell
auch in der Biotechnologie – mit hervorragenden Forschern, die wichtige wissenschaftliche Entdeckungen hervorbringen.
Leider aber erweist sich die kommerzielle
Umsetzung zu oft als unüberwindbare Hürde.
Der mutlose und zögerliche Kapitalmarkt,
der die erforderliche Finanzierung verweigert, wird dann schnell als Schuldiger ausgemacht. Obwohl die Finanzierungsmöglichkeiten in Deutschland in der Tat nicht die
besten sind, können die Kapitalmärkte sehr
wohl die Entwicklung unserer Industrie positiv begleiten. Das lässt sich nicht zuletzt am
Beispiel QIAGEN ablesen.
Beispiel QIAGEN – Erfolgsfaktoren
Was also hat unsere nachhaltige Kapitalversorgung und unseren Aufstieg vom Ausrüster
des akademischen Life-Science-Marktes zu
einem führenden Player in der molekularen
Diagnostik begünstigt, vielleicht sogar erst
möglich gemacht?
Zugang zu Venture Capital war ein wichtiger Faktor gerade in der Anfangsphase.
Für die Schaffung eines adaptiven, marktorientierten und auf die Generierung von
Cash ausgerichteten Unternehmens im
Bereich Plattformtechnologien erwies sich
Venture Capital trotz oder gerade wegen
der Restriktionen als große Hilfe; mit nur
fünf Millionen Euro Eigenkapital wurde bereits
vor dem Börsengang 1996 ein Unternehmen
mit 25 Millionen Euro Umsatz geschaffen.
Der Börsengang und aktive Investorenarbeit
an zwei Handelsplätzen haben sich für
QIAGEN als goldrichtig erwiesen und waren
Voraussetzung für den Aufstieg zum Global
Leader. Ohne den IPO in den USA, wo die
Kapitalbeschaffung junger Unternehmen
auf eine längere Geschichte zurückblicken
konnte, und der erfolgreichen Folgelistung
in Deutschland, hätten wir die nächste
Wachstumsphase nicht in der gleichen Art
und Weise umsetzen können. Die Vergleichbarkeit mit unseren Peers und die Akzeptanz bei Investoren wie Mitarbeitern, die zu
Aktionären geworden sind, wurden dadurch
unterstützt.
Die zügige geographische Expansion ist der
dritte entscheidende Faktor – und sie folgte
einem strategischen Kalkül: schnell kritische
Masse aufbauen, um mit dezidierten Vertriebskanälen technologische Innovationen
weltweit zu kommerzialisieren.
Strategische Fokussierung ist der vierte
Erfolgsfaktor. Durch unsere Ausrichtung auf
die Kernkompetenz „Sample and Assay
Technologien“ in Märkten mit hohen Wachstumsprofilen, vor allem der molekularen
Diagnostik, haben wir ein Geschäftsmodell
entwickelt, das es uns ermöglicht hat, nachhaltig einen hohen operativen Cashflow zu
generieren. Damit waren wir bisher fast
immer in der Lage, Wachstum aus eigener
Kraft zu finanzieren und Akquisitionen durchzuführen, die dieses Wachstum katalytisch
gesteigert haben. In der Tat ist QIAGEN heute
beinahe nettoschuldenfrei.
Kapitalmaßnahmen können diese Finanzierungsstrategie gezielt verstärken. QIAGEN
hat in den letzten Jahren zwei Wandelschuldverschreibungen emittiert sowie eine erfolgreiche Kapitalerhöhung durchgeführt. Diese
Kapitalmarktmaßnahmen haben über eine
Milliarde US-Dollar für die Fortsetzung der
Wachstumsstrategie in unsere Kassen gespült.
Mit Barmitteln in Höhe von rund 820 Millionen
US-Dollar ist QIAGEN heute besser denn je
in der Lage, Wachstumsinitiativen auf breiter
Front voranzutreiben und in neue Technologien, zusätzlichen diagnostischen Content
(also in weitere Tests) sowie die weitere
geographische Expansion zu investieren.
Hoch qualifizierte und motivierte Mitarbeiter
sind dabei die Basis des Erfolgs. In einer
Spitzentechnologiebranche, die vor allem
von Talenten lebt, sind Investitionen in Mitar-
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
beiter am besten angelegtes Kapital. QIAGEN
bindet das Top-Management und die Mitarbeiter überdurchschnittlich lange, und das
gilt auch für das Kapital selbst. Ein Großteil
unserer Anleger ist bereits seit vielen Jahren
im Unternehmen investiert. Statt Dividenden erwarten unsere Aktionäre Investitionen
in das weitere Wachstum QIAGENs.
Perspektiven für Biotechunternehmen in
Deutschland
Es gibt durchaus Felder, auf denen deutsche
Biotechfirmen mithilfe des Kapitalmarktes
erfolgreich wachsen können und in denen
Deutschland eine weltweit führende Rolle
spielt. Dies betrifft nicht nur die Diagnostik
und die personalisierte Medizin mit führenden Playern wie QIAGEN, Roche Diagnostics
und Siemens. Auch in der weißen Biotechnologie ist Deutschland weltweit spitze. Es
gibt hier viele Talente in Kernbereichen der
Biotechnologie, aber auch in Engineering
und in Prozesstechnologien. All die genannten
Faktoren greifen aber nur, wenn wir auch den
richtigen Spirit entwickeln und pflegen. Hier
sehe ich in Deutschland noch viele Stellschrauben und Felder mit erheblichem Potenzial:
• Wir brauchen günstigere Rahmenbedingungen durch die Politik, speziell für kleinere
Biotechs. Es geht darum, Wissens- und
Wachstumsindustrien gezielt zu fördern
und so ihre Veränderungspotenziale für
die Gesamtwirtschaft zu nutzen.
• Wir sollten bewusst unternehmerische
Verantwortung auf allen Ebenen fördern,
bei Gründern und Wissenschaftlern, dem
Management und – ganz besonders – auch
den Mitarbeitern.
• Insbesondere müssen wir die Förderung von
Unternehmertum und Neugründungen als
eine Querschnittsaufgabe begreifen, die
Felder wie Finanzen, Forschung / Bildung,
Soziales und Wirtschaft umspannt. Unternehmertum und die Bereitschaft, Risiken
einzugehen und Fehlschläge in Kauf zu
nehmen, müssen als ein gesellschaftlich
wichtiges und somit sozial wertvolles Element gesehen und verstanden werden.
Deutschland hat als Biotechstandort heute
mit das größte Potenzial weltweit – als global
tätiges Unternehmen sehen wir in diesem
Standort einen großen Wert und freuen uns,
die Möglichkeiten in Deutschland für uns
und unsere Industrie weiter zu entwickeln.
www.qiagen.com
23
Life-Science-Ökosystem im Wandel
Triebfeder: „Neuerfindung“ der Pharmaindustrie
Die zuvor beschriebene Notwendigkeit zu
Anpassungen der Geschäftsmodelle bei Biotechunternehmen weltweit wurde vor allem
durch die Wirtschafts- und Finanzkrise losgetreten. Mit dem weitgehenden Versagen
der klassischen Finanzierungsinstrumente
sah sich die Biotechbranche gezwungen,
alternative Wege zu gehen. Viele der eingeschlagenen Routen führten zu Partnerschaften mit Pharmaunternehmen und damit einhergehenden Änderungen des
Geschäftsmodells.
Diese Bewegung wäre jedoch vollkommen
unmöglich, wenn nicht zeitgleich im Pharmasektor weitreichende Umwälzungen im Gange wären, die relativ unabhängig von der
Wirtschaftskrise ablaufen. Die Forderungen
an diese massive „Neuerfindung“ der Pharmaindustrie gestalten sich komplementär
zu den Bedürfnissen der Biotechindustrie,
vereinfacht gemäß der Formel:
Innovationsschwäche / Finanzstärke
(Pharma)
vs.
Finanzschwäche / Innovationsstärke
(Biotech)
Somit sind die Umwälzungen bei Pharma
die eigentlichen Treiber für das Überleben
der Biotechindustrie in dieser schweren
Phase.
24
Abbildung 2-4:
Pharma-Ökosystem im Wandel
Auswirkungen auf F&E
Vom Enterprise zum Extraprise / Outsourcing
Effizientere F&E-Organisation
• autonome F&E-Business-Units (GSK / CEDDs)
• externe Forschungsorganisationen (Lilly / Chorus)
• Technologieverbund (Enlight)
Patentabläufe
Sinkende
F&E-Produktivität
Kostendruck
Margendruck
Pharma
Re-Invention
Sinkende Reputation
Striktere Regularien
Erhöhte Überwachung
der Regularien
Allianzen mit Biotech
• Technologieplattformen
• Targets
• Produkte
• frühere Deals
• kreative Deals (Option Deals, Earn-Out)
Personalisierte Medizin
• Biomarker / Molekulardiagnostik
• Patientenstratifizierung
Corporate VC
• strategische Ausrichtung
• Antennenfunktion
• Finanzierungsinstrument für frühe Optionen
Quelle: Ernst & Young, 2010
Insbesondere profitieren Biotechunternehmen vom allgemeinen Trend zur breiteren
Nutzung externer Partner in allen F&E-Bereichen. Outsourcing erfüllt für Pharma
insbesondere die Funktion, erforderliche
Kompetenzen und Kapazitäten nicht dauerhaft vorhalten zu müssen. Dies entlastet
die Kostenseite und wirkt sich positiv auf die
Bilanz aus.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Dienstleistungen, insbesondere im HightechSektor, unterliegen einer immer schnelleren
Dynamik der technischen Weiterentwicklung. Spezialisierte Dienstleister sind besser
in der Lage, mit dieser Entwicklung Schritt
zu halten und können notwendige Investitionen breiter und damit rentabler nutzen.
Geschäftsstrategien
Die steigende Tendenz zu Allianzen im Technologie- und Produktentwicklungsbereich
schafft Zugang zu Innovationen. Erhöhte
Kompetition, vor allem um Technologieentwicklungen (z. B. neue Therapeutikaformate
wie „Nanobodies“, RNAi, Sirtuine etc.) forcieren den Trend zu Allianzen in früheren
Stadien, was den Biotechunternehmen entgegen kommt.
Abbildung 2-5:
Käufermarkt – Verkäufermarkt
Biotech
Verkäufermarkt
Pharma
Käufermarkt
Neue Gebiete wie „Personalized Medicine“
und „Biomarker“ eröffnen Arbeitsbereiche,
welche für die Biotechunternehmen aufgrund ihrer Forschungs- und Technologieorientierung besonders geeignet sind.
Im Zusammenhang mit diesen Veränderungen im Ökosystem der Pharmaindustrie – und
die hier angesprochenen Änderungen sind
lediglich Beispiele aus dem F&E-Bereich – ist
ersichtlich, dass auf Seiten der Pharmaindustrie großer Bedarf besteht, stärker in
Allianzen mit externen Partnern zu investieren. Biotechunternehmen können die großen
Gewinner sein.
Quelle: Ernst & Young, 2010
Frühere Krisen der Biotechbranche, z. B. nach
dem Börsenboom um die Jahrtausendwende, hatten meist eine klare Ausprägung
des Marktes in Richtung des Käufers zur
Folge. Diese Situation konnten z. B. Pharmaunternehmen ausnutzen, um zu günstigsten
Preisen Assets oder Unternehmen zu erwerben.
Der dringenden Notwendigkeit zu alternativen Finanzierungsinstrumenten auf Seiten
der Biotechunternehmen steht der mindestens ebenso große Druck der Pharmaunternehmen nach Innovation und Steigerung
der F&E-Effizienz gegenüber. Nur durch ein
konstruktives Miteinander werden beide
Herausforderungen zu lösen sein.
In der aktuellen Situation, die zwar ebenfalls
von einer dramatischen Finanzierungskrise
geprägt ist, scheint sich dennoch hinsichtlich der Marktcharakteristik eher ein Gleichgewicht zwischen Käufer- und Verkäufermarkt
einzustellen.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
25
Die Spielregeln der Industriellen Biotechnologie
Industrielle Biotechnologie
Schließlich setzt sich Deutschland auch in
der Bedeutung der industriellen Biotechnologie von seinen europäischen Nachbarländern ab. Die historischen Wurzeln der
chemischen Industrie in Deutschland bieten
dafür einen sehr fruchtbaren Nährboden.
Dieselben Chemiefirmen waren zwar im
letzten Jahrhundert auch die Aushängeschilder für Deutschland als die historische
„Apotheke der Welt“, mit der Schwerpunktverschiebung der Pharmaindustrie von der
Chemie zur Biologie ist allerdings auch die
Bedeutung der deutschen Chemie in diesem
Sektor zurückgegangen (Ausnahmen:
Bayer, Merck Serono).
26
Das Interesse der chemischen Industrie an
der Biotechnologie wurde durch die Möglichkeiten geweckt, innovative Produkte mit
einfacheren biotechnologischen Prozessen
herzustellen. Neben der Wirtschaftlichkeit
spielen immer mehr auch umweltpolitische
Erwägungen (Toxizität von Zwischenprodukten, Emissionen, Abfallbeseitigung)
eine zunehmende Rolle und begünstigen
den Einsatz der Biotechnologie.
Die Teilbranche der „weißen“ Biotechnologie
hat sich als fester Bestandteil eines Verbundes mit den großen Chemieunternehmen
(z. B. BASF, Henkel, Evonik, Bayer) etabliert.
Darüber hinaus gibt es Kompetenznetzwerke, wie etwa CLIB2021, die den Austausch von Know-how innerhalb dieses Bereiches aktiv fördern. CLIB2021 vernetzt die
chemische Industrie, junge biotechnologische
Unternehmen (KMU), wissenschaftliche
Institute sowie Investoren.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Ab 2007/2008 wurden Kooperationsprojekte zwischen Industrie, KMU und akademischen Einrichtungen mit einem Gesamtvolumen von 40 Millionen Euro angestoßen
und mit öffentlichen Mitteln gefördert.
Wie sich Geschäftsmodelle in der industriellen Biotechnologie etablieren und möglicherweise im Verlauf der anhaltenden
Wirtschaftskrise angepasst haben, wird im
folgenden am Beispiel der Direvo Industrial
Biotechnology näher erläutert. Insbesondere wird dabei auch auf die wesentlichen
Unterschiede zwischen der Pharma- und der
Chemieindustrie hinsichtlich „Innovation“
eingegangen.
Geschäftsstrategien in der industriellen und pharmazeutischen
Biotechnologie im Vergleich
Dr. Jörg Riesmeier und
Dr. Thomas von Rüden,
DIREVO Industrial Biotechnology GmbH,
Köln
Innovation „Rot“ und „Weiß“ im Vergleich
Grundsätzlich gelten in der pharmazeutischen (roten) wie auch der industriellen
(weißen) Biotechnologie die gleichen Gesetze hinsichtlich der Finanzierung, strategischer Optionen und Möglichkeiten des
Exits. Dennoch müssen Unternehmen im
Bereich der Weißen Biotechnologie Geschäftsstrategien und -taktiken entwickeln,
die sich von denen der Roten Biotechnologie
zum Teil erheblich unterscheiden. Warum ist
dies nötig? Was sind die Kernunterschiede?
Produkte der Roten Biotechnologie sind im
Erfolgsfall neue innovative Medikamente,
die Verkaufserlöse im ein- bis zweistelligen
Milliardenbereich erzielen können, in der
Regel mit (noch) hohen Margen. Diese ermöglichen stattliche F&E-Budgets, die bis zu
20 % des Umsatzes betragen. Pharmaunternehmen haben eine lange Tradition, ihre
eigene Innovationskraft durch (I) Zukauf / Lizenzierung von Produktkandidaten, (II)
langjährige F&E-Kooperationen und (III)
Zukauf / Lizenzierung von Plattformtechnologien zu verbessern. Biotechnologieunternehmen werden nach Markteinführung an
erzielten Erträgen beteiligt und nicht selten
von einem ihrer Kooperationspartner übernommen. Die der industriellen Biotechnologie zuzuordnenden Märkte funktionieren
anders. Sie sind in der Regel sehr viel kleiner
und stark fragmentiert. Selbst „Blockbuster“
erzielen Verkaufserlöse von bestenfalls 10 %
der Umsätze eines Pharma-Blockbusters mit
vergleichsweise niedrigen Margen. Dies führt
dazu, dass sich die F&E-Budgets in dieser
Industrie eher im Bereich von 1-5 % des Umsatzes bewegen. Von wenigen Ausnahmen
abgesehen, findet biotechnologische Innovation meist außerhalb großer Unternehmen
und vergleichsweise langsam statt. Unsere
Beobachtung ist, dass diese Unternehmen
zwar bereit sind, neue Produktkandidaten zu
testen, sofern diese anwendungsbereit und
„preiswert“ angeboten werden, dagegen ist
das Interesse an „kostspieligen“ Forschungskooperationen eher gering. Innovatoren
werden hier meist als Zulieferer gesehen.
Akquisitionen biotechnologischer Unternehmen, wie etwa der Kauf von Genencor durch
DANISCO oder der RÖHM Enzyme (heute
AB Enzymes) durch Associated British
Foods, sind eher selten. Die Treiber für Unternehmenskäufe erscheinen generell mehr
„finanziell“ und weniger „strategisch“ zu
sein, d. h. Käufer sind daran interessiert,
kurzfristig durch neue Produktlinien ihre
Einnahmeseite zu stärken. Zukäufe müssen
sich schon nach wenigen Jahren refinanzieren; langfristige, strategische Motive, etwa
der bewusste Einstieg in die Biotechnologie
sind dagegen wenig zu beobachten. Vielmehr wird versucht, durch sogenannte
„Open Innovation Modelle“ den Einstieg zu
bewältigen (Kooperationen mit Universitäten und privaten Forschungseinrichtungen –
am besten in Kombination mit öffentlicher
Förderung oder in einem der vielen Netzwerke, wie etwa CLIB2021).
Dies erinnert sehr an die Pharmazeutische
Industrie vor zehn Jahren. Auch hier gab es
zunächst in einer bis dahin von der Chemie
geprägten Industrie nur wenig Interesse an
biotechnologischen Produkten. Erst nach
einigen spektakulären Erfolgen biotechnologischer Medikamente änderte sich diese Einstellung. Zunächst mussten es dann aber
zulassungsreife Produktkandidaten mit
Blockbusterpotenzial sein, bevor das Interesse
dann schließlich auch für Produktkandidaten
in früheren Entwicklungsstadien und Plattformtechnologien geweckt wurde.
Positionierung von DIREVO
Was bedeutete dies für DIREVO? Vor einigen
Jahren, nachdem die DIREVO Biotech AG
ihre Plattformtechnologie für Proteinoptimierung zur Anwendungsreife gebracht
hatte, mussten wir über die weitere Ausrichtung des Unternehmens entscheiden. Unse-
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
re Plattform war so breit angelegt und anwendbar, dass sowohl eine Fokussierung
ausschließlich auf den pharmazeutischen
Bereich, als auch die Anwendungen in den
klassischen Bereichen der industriellen Biotechnologie möglich waren. DIREVO entschied
sich damals, in beiden Bereichen tätig zu
sein und etablierte zwei getrennte Geschäftsbereiche unter einem Dach. Schon nach
kurzer Zeit wurde uns klar, dass Geschäftsstrategien, die im biopharmazeutischen Bereich sehr gut funktionierten, sich in der industriellen Biotechnologie nicht oder nur
schwer anwenden ließen. Daher erschien es
uns notwendig, die Geschäftsfelder in eigenständige Firmen aufzuteilen, die dann jeweils
dem Markt angepasste Strategien entwickeln
konnten. Für den biopharmazeutischen Bereich ist dies bereits erfolgreich geschehen
und mit dem Verkauf der DIREVO Biotech
AG an Bayer Schering Pharma für 210 Millionen Euro Ende 2008 abgeschlossen. Die
industrielle Biotechnologie wurde kurz vor
dem Verkauf der AG in die DIREVO Industrial
Biotechnology GmbH ausgegliedert und zunächst mit acht Millionen Euro ausgestattet.
Nachdem die Technologieplattform repliziert
und weiter entwickelt worden war, investierten die Gesellschafter Anfang 2010 weitere sechs Millionen Euro, damit sich das
Unternehmen vom Technologiedienstleister
zum Produktentwickler transformieren kann.
Diese Entwicklung ist zwingend notwendig,
da es in der industriellen Biotechnologie nur
eine geringe Nachfrage für reine Technologieanbieter gibt, auch wenn die Plattform
einzigartig ist. Hier sind Unternehmen gefragt mit innovativen Produkten, die kurzfristig den Markt erreichen.
In der nun anstehenden Phase der Transformation ist es von entscheidender Bedeutung,
hoch innovative Produktkandidaten zu wählen, die in schnell wachsenden Marktsegmenten mit Umsatzpotenzialen im zwei- und
dreistelligen Millionenbereich Anwendung
finden. Um dieses ambitionierte Ziel erreichen zu können, wird es notwendig sein, die
Kompetenzen besonders in den Bereichen
Anwendungstechnik und Marketing zu erweitern sowie langfristig zusätzliche Finanzierung zu sichern. Strategische Kooperationen und gegebenenfalls M&As werden
weitere Merkmale der künftigen Unternehmensentwicklung sein.
www.direvo.com
27
3 Produktentwicklung
28
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Die Pipeline der therapeutischen Produkte
Positive Bilanz
Bei der Wirkstoffentwicklung kann für die
deutsche Biotechbranche eine positive
Bilanz gezogen werden. Auch in diesen
schwierigen Zeiten erhöhte sich die Gesamtzahl der Projekte in präklinischer und
klinischer Entwicklung sowie in der Zulassungsphase im Vergleich zum Jahr 2008
um 8 % auf eine Summe von insgesamt 340.
Höhere klinische Phasen werden
konzentriert vorangetrieben
Während in der Präklinik einige neue Entwicklungsprojekte hinzugekommen sind und
damit der Nachschub weiter unterfüttert
wurde, nahmen die Phase-I-Programme
gegenüber dem Vorjahr ab. Ein deutlicher
Anstieg ist dagegen bei den Wirkstoffkandidaten der Phasen II und III zu verzeichnen.
Demgegenüber reduzierte sich die Anzahl
der im Zulassungsprozess befindlichen
Medikamentenkandidaten. Dies hängt u. a.
mit der erfreulichen Entwicklung zusammen, dass drei Wirkstoffe, die sich im Vorjahr noch im Genehmigungsverfahren befanden, die Zulassung erhielten und in der
Zwischenzeit vermarktet werden.
Über den gesamten klinischen Entwicklungsprozess hinweg, kann in Summe für die klinische Wirkstoffpipeline, die die Phasen I
bis III umfasst, ein Zuwachs von 4 % verzeichnet werden; fokussiert man sich lediglich auf Phase II und Phase III, beträgt der
Zuwachs gegenüber dem Vorjahr sogar
16 %. Dies zeigt sehr deutlich, dass die deutschen Biotechunternehmen insbesondere
darauf Wert legen, ihre höheren Wertschöpfungsstufen weiter voranzubringen.
Gerade in Zeiten von Kapitalknappheit ist es
extrem wichtig, die finanziellen Ressourcen
so zu allokieren, dass nachhaltig der höchstmögliche Mehrwert für das Unternehmen
generiert wird. Dies bedeutet für Biotechunternehmen, ihre am weitesten in der
Wertschöpfungskette fortgeschrittenen
Kandidaten finanziell zu unterhalten und
weiterzutreiben. Beispielsweise im Falle
einer Auslizenzierung kann sich sowohl
die Attraktivität des Wirkstoffkandidaten
für einen interessierten Partner als auch
das erzielbare Transaktionsvolumen für
das Biotechunternehmen signifikant erhöhen.
trifunktionalen Antikörper am Markt und
zum anderen um das erste zugelassene
Medikament zur Behandlung von malignem
Aszites (Bauchwassersucht). Dabei kann
der therapeutische Antikörper für die Behandlung von Patienten mit EpCAM-positiven Karzinomen eingesetzt werden. Durch
den einzigartigen Wirkmechanismus können
trifunktionale Antikörper mehrere Abwehrmechanismen des Immunsystems gleichzeitig gegen Krebs aktivieren und so Tumorzellen mit bislang unerreichter Präzision
und Effizienz zerstören. Die Anwendung ist
im Mikrogramm-Bereich möglich und damit
1.000fach wirksamer als bei konventionellen, monospezifischen Antikörpern. Darüber
hinaus wurde Removab® – basierend auf
TRION Pharmas Technologie und Produktionsverfahren in enger Partnerschaft mit
Fresenius Biotech entwickelt. Er ist somit
der erste vermarktete therapeutische Antikörper „made in Germany“.
Erfolgreiche Marktzulassungen, jedoch
keine nachrückenden Kandidaten
Wie für das Jahr 2008 können auch für 2009
positive Entwicklungen bezüglich erteilter
Zulassungsgenehmigungen vermeldet werden.
Aufgrund verschiedener Faktoren kann
dabei die Zulassung von Removab® (Catumaxomab) als besondere Erfolgsgeschichte
für TRION Pharma und Fresenius Biotech
gewertet werden. Zum einen handelt es sich
bei Removab®, dem am weitesten entwickelten Vertreter der Triomab®-Familie, um den
weltweit ersten zugelassenen bispezifischen,
Über die konkreten Erfolgsfaktoren dieser
Entwicklung berichtet im folgenden Dr. Lindhofer, CEO von TRION Pharma.
Abbildung 3-1:
Entwicklungspipeline nach Phase
Anzahl Wirkstoffe in Studien
250
200
150
100
50
0
2008
176 197
50
Präklinik
Phase I
42
75
85
Phase II
10
14
Phase III
5
2
Zulassungsphase
2009
Quelle: Ernst & Young, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
29
Erfolgreiche Produktentwicklung und Marktzulassung aufgrund
effizienter Prozess- und Partnerstrukturen
den. So wurde bis heute bewusst auf eine
Humanisierung der Triomab®-Antikörper verzichtet. Zugleich zeigte sich, dass Triomab®Antikörper in vitro um ein Vielfaches wirksamer waren als klassische Antikörper, die
bereits für die Krebstherapie erhältlich waren.
Die damalige wissenschaftliche Lehrmeinung,
dass man die Antikörper nur verkleinern
müsse, um eine erhöhte Wirksamkeit im Tumorgewebe zu erzielen, macht aus heutiger
Sicht das Triomab®-Konzept um so mehr zu
einem „visionären“ Ansatz.
Herausforderung Firmengründung
Die Firmengründung war aus wissenschaftlicher und strategischer Sicht mehr als eine
Herausforderung, da zu dieser Zeit die Erfahrungen mit herkömmlichen therapeutischen Antikörpern im Markt selbst noch
sehr gering und das enorme Marktpotenzial
noch nicht absehbar war. Bei der technologischen Umsetzung des Triomab®-Konzeptes
wurden unkonventionelle Wege beschritten,
die sich in bestimmten Punkten bis heute
von der gängigen Lehrmeinung unterschei-
Die Story und wesentliche Erfolgsfaktoren – in acht Jahren zur Zulassung
Der klinische Erfolg sowie die europäische
Marktzulassung des ersten Produktkandidaten Removab®(Catumaxomab) aus der
trifunktionalen Antikörperfamilie für die Indikation Maligner Aszites bestätigen nun
den von TRION Pharma gewählten Ansatz.
Mit der Zulassung ist Catumaxomab der
erste therapeutische Antikörper am Markt,
der in Deutschland erfunden und bis zur
Marktreife entwickelt wurde. Zuvor hatten in
den 90er Jahren die Forschungsarbeiten
von Horst Lindhofer am Helmholtz-Zentrum
München zu einer Reihe von Patenten sowie
den ersten Triomab®-Antikörperkandidaten
geführt. Im Rahmen eines Münchner Businessplan-Wettbewerbs (1996/1997) wurde
ein Konzernscout von Fresenius auf die neuartige Technologie aufmerksam. Im Nachhinein betrachtet spielte für die ungewöhnliche Entwicklung von TRION Pharma eine
wichtige Rolle, dass in der Partnerschaft mit
Fresenius der Gründer die unternehmerische Entscheidungsfreiheit behielt. Dadurch
konnte erstens der unkonventionelle Weg in
der Entwicklung konsequent vollzogen werden und zweitens der Pioniergeist bis heute
in der Firma bewahrt werden – wichtige Aspekte für eine hohe Motivation der Mitarbeiter. Eine weitere wichtige Voraussetzung für
diese Entwicklung war, dass alle zugehörigen Triomab®-Patente mit der Firmengründung vom Helmholtz-Zentrum München an
TRION Pharma exklusiv auslizenziert wurden.
Der erste konkrete Schritt war die Errichtung der ersten Produktionsanlage (1999)
und die darauffolgende Erteilung der Herstellungserlaubnis bzw. GMP-Zertifizierung
durch die Regierungsbehörde für den ersten
Produktkandidaten Catumaxomab im Jahre
2001. Danach erfolgte zunächst eigenständig die Evaluierung der therapeutischen Wirksamkeit von Catumaxomab in einer Phase-I/
30
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Dr. Horst Lindhofer,
CEO TRION Pharma GmbH, München
Neues wissenschaftliches Konzept für die
Krebstherapie
Als das Biotechnologieunternehmen TRION
Pharma vor 12 Jahren von Horst Lindhofer
gegründet wurde, stand zunächst einmal im
Vordergrund, dass Krebspatienten deutlich
von der Behandlung mit einer neuen Generation von Biopharmazeutika, sogenannten
trifunktionalen bispezifischen Triomab®-Antikörper, profitieren sollten. Möglich wird dies
durch das Vorhandensein von drei unterschiedlichen Bindungsarmen der Triomab®Antikörper, die sowohl Tumorzellen als auch
T-Zellen sowie akzessorische Zellen (u. a.
Makrophagen, Monozyten, natürliche Killerzellen) gleichzeitig zusammenführen. Im
Gegensatz dazu erkennen konventionelle
monospezifische Antikörper mit ihren zwei
Bindungsarmen nur Tumorzellen und akzessorische Zellen, nicht aber die potentesten
Killerzellen des Immunsystems, die T-Zellen.
II-Studie, woraufhin dann – zusammen mit
dem heutigen Kooperationspartner Fresenius
Biotech (seit 2003 eine Geschäftseinheit
von Fresenius) – im Jahr 2004 eine zulassungsrelevante Phase-II/III-Studie begonnen
wurde. Bereits Ende 2007 wurde das Zulassungsdossier für Catumaxomab zur Therapie des Malignen Aszites bei der EMEA
eingereicht. Parallel zu dieser schnellen nur
achtjährigen Entwicklungsgeschichte von
Catumaxomab bis zur Zulassung (2009)
wurden GMP-Herstellungsprozesse für zwei
weitere Triomab®-Produktkanditaten
FBTA05 (Lymphomun®) bei B-Zell-Lymphomen / Leukämien und Ertumaxomab
(Rexomun®) zur Brustkrebstherapie etabliert.
Fortsetzung der Erfolgsgeschichte
am Markt
Beispielhaft für diese Triomab®-Plattformtechnologie besitzt der „Leit“-Antikörper
Catumaxomab ein großes therapeutisches
wie auch marktwirtschaftliches Potenzial, da
sein EpCAM-Zielantigen bei häufigen Krebserkrankungen vorkommt. EpCAM wird von
nahezu allen Tumoren epithelialen Ursprungs
– sogenannten Karzinomen – gebildet. Catumaxomab könnte somit theoretisch bei
mehr als 90 % aller Patienten mit Karzinomen
(u. a. Darm-, Lungen-, Eierstock-, Magenoder Prostata-Krebs) in der Therapie eingesetzt werden.
Erfolgsgeschichte für den Standort
Deutschland
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die
Zulassung der weltweit ersten kausalen Therapie bei Malignem Aszites durch Fresenius
Biotech einen großen Erfolg für die Forschung in Deutschland darstellt. Sowohl die
wissenschaftlichen Grundlagen zur Charakterisierung der adressierten Therapie-Targets
als auch die Entwicklung der proprietären
Technologieplattform der trifunktionellen
Antikörper sind originär in Deutschland
erarbeitet worden. Gleichzeitig ist diese
Entwicklung, die von den Anfängen im Forschungslabor bis zur Marktzulassung als
Zusammenarbeit zwischen zwei deutschen
Biotechunternehmen angelegt war, ein
nachahmenswertes Beispiel für die erfolgreiche Kooperation zweier forschender
Unternehmen mit effizienter Nutzung der
jeweiligen Stärken.
www.trionpharma.com
Produktentwicklung
Ebenfalls über eine Marktzulassung für
Deutschland konnte sich MediGene im September letzten Jahres freuen. Das börsennotierte Unternehmen hatte für das Präparat
Veregen® zur Behandlung von Genitalwarzen
den Zulassungsantrag in einem dezentralen
Verfahren gestellt. Nun erfolgte die formale
Erteilung der Marktzulassung durch die
deutsche nationale Behörde. Diese Marktzulassung in Deutschland, dem Referenzland
des dezentralen Verfahrens, soll als Basis
für die Beantragung weiterer Zulassungen
in zusätzlichen europäischen Ländern
genutzt werden. In den USA ist Veregen®
bereits auf dem Markt und über den Lizenzpartner Nycomed erhältlich. Für den Vertrieb
in Europa schloss MediGene zwischenzeitlich
Partnerschaften mit dem spanischen Unternehmen Juste (Vertrieb in Spanien und
Portugal) sowie mit dem deutschen Pharmaunternehmen Solvay (Vermarktung in
Deutschland, Österreich und der Schweiz)
ab. In Israel wird Teva den Vertrieb übernehmen. Im März 2010 erhielt MediGene bereits einen positiven Zulassungsbescheid
der österreichischen Zulassungsbehörde.
Belixos (im letzten Jahr nicht in unseren
Darstellungen erfasst), ein medizinisches
Kosmetikprodukt des Leverkusener Biotechunternehmens Biofrontera, ist das dritte
Produkt, das 2009 eine Zulassung erhielt.
Das Präparat kann bei Hautirritationen u. a.
von Patienten mit atopischer Dermatitis oder
Psoriasis angewandt werden. Unter dem
Markennamen Reliéva™ ist es bereits als
homöopatisches Produkt auf dem amerikanischen Markt sowie als Produkt auf Naturstoffbasis in Kanada zugelassen. In den
deutschen Markt wurde es im Oktober 2009
eingeführt.
Weiterhin im Zulassungsverfahren befindet
sich Nenad®, ein auf dem Wirkstoff Lisurid
beruhendes Produkt des Speciality-Pharmaunternehmens Axxonis Pharma. Noch offen
ist hier die Erteilung der Zulassungsgenehmigung sowohl für die Zusatzbehandlung bei
der Parkinson‘schen Erkrankung (PD) appliziert als Pflaster wie auch für die subkutane
Infusionstherapie bei fortgeschrittener PD.
Für die gleichzeitig im Juni 2008 beantragte
Marktzulassung von Nenad® als Lisurid-Pflaster zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms hat Axxonis Pharma den Antrag zurückgezogen. Dies erfolgte im Nachgang
auf eine Negativempfehlung des Ärztekomitees der europäischen Arzneimittelbehörde
EMEA.
Diesen Marktzulassungen konnte im Jahr
2009 kein Phase-III-Wirkstoff in die Zulassungsphase nachfolgen. Daher befinden sich
derzeit nur zwei Medikamentenkandidaten
im Zulassungsprocedere.
Phase-III-Wirkstoffe nehmen zu
Dagegen lässt sich ein ermutigender Trend
im Bereich der klinischen Phase III ausmachen. Nach einem Rückgang der Anzahl an
Phase-III-Wirkstoffen von 2007 auf 2008 ist
in diesem Jahr wieder eine Erholung festzustellen. Während alle bereits im Jahr 2008
in Phase III befindlichen Kandidaten weiterhin in dieser Entwicklungsstufe verblieben
und keine negativen Studienergebnisse
oder Entwicklungsabbrüche zu verzeichnen
waren, konnten zusätzlich drei Phase-II-Projekte in die nächste klinische Stufe vorrücken.
Aufgrund weitergehender Informationen
konnte zudem ein weiteres Phase-III-Projekt
(Naturprodukt)identifiziert werden. Damit
erhöhte sich die Anzahl in dieser Wertschöpfungsstufe auf 14.
Zu diesen aufrückenden Phase-III-Kandidaten
gehört Trabedersen (AP 12009), das
Leitmolekül von Antisense Pharma. Es handelt sich dabei um einen so genannten
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
gene-silencing-Wirkstoff, basierend auf einer
Antisense-Technologie und – im Falle einer
erfolgreichen Zulassung – das erste Präparat
seiner Substanzklasse (First-in-Class-Medikament). So verkündete Antisense Pharma
bereits im April letzten Jahres den Einschluss
erster Patienten in die pivotale Studie mit
dem Namen SAPPHIRE. Anhand dieser Phase-III-Studie soll Trabedersen an Patienten
mit der Diagnose rekurrentes oder refraktäres, anaplastisches Astrozytom (eine Form
wiederkehrender oder therapieresistenter
hochgradig bösartiger Hirntumore) getestet
und die positiven Ergebnisse der vorangegangenen klinischen Phase-II-Studie bestätigt
werden. In die Rekrutierung von etwa 130
Patienten sind ca. 70 Prüfzentren in Europa,
Amerika und Asien involviert. Für die weitere
klinische Entwicklung seiner Leitsubstanz
konnte Antisense Pharma im Februar 2010
nicht zuletzt neues Kapital in Höhe von 13
Millionen Euro einwerben. Beteiligt haben
sich an dieser Finanzierungsrunde die MIG
Fonds und der Global Asset Fund, die beide
bereits in das Biotechunternehmen investiert
sind, sowie das Management und private
Investoren.
Ebenfalls einen Fortschritt erzielte die Entwicklung des Wirkstoffkandidaten Talactoferrin alfa von Agennix. Bei diesem Präparat
handelt es sich um einen neuartigen, oral
verfügbaren Wirkstoff, der die rekombinante
Form des menschlichen Lactoferrins darstellt und dendritische Zellen, eine spezifische Zellart des Immunsystems, erneuert
und aktiviert. Nach der Verschmelzung der
Martinsrieder GPC Biotech mit dem amerikanische Biotechunternehmen Agennix im
letzten Jahr konzentriert sich das Unternehmen Agennix AG mit Firmensitz in Heidelberg nun auf die beiden gegen Ende 2008
gestarteten Phase-III-Studien bei nichtkleinzelligem Lungenkrebs sowohl zur Drittlinientherapie als auch in Kombination mit
einer Erstlinientherapie.
31
Produktentwicklung
Phase-II-Studien steigen aufgrund von
Neuzugängen signifikant an
Hervorzuheben innerhalb der Pipeline-Entwicklungen ist der Zuwachs an Phase-II-Projekten. Neben sechs Abbrüchen und Abzug
der in die Phase III weitergerückten Kandidaten konnten 19 Neuzugänge verzeichnet
werden. Diese ergaben sich teils aus weiter
entwickelten Phase-I-Wirkstoffen, teils aus
Indikationserweiterungen und aus Fusionen.
Damit stieg die Anzahl der Phase-II-Studien
um 13 % auf eine Summe von 85.
So startete beispielsweise 4SC im März 2009
für den Wirkstoff 4SC-101, dem am weitesten
fortgeschrittenen Pipeline-Kandidaten des
Unternehmens, eine weitere Phase-II-Studie
in der Indikationserweiterung Morbus
Crohn, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung. Diese als Tablette verabreichte
Substanz zeigte bereits in einer klinischen
Phase IIa einen Wirksamkeitsnachweis bei
Patienten mit Rheumatoider Arthritis. Im
November letzten Jahres konnte dann auch
der Beginn der Behandlung des ersten Patienten in einer Phase-IIb-Studie bekanntgegeben
werden. Darüber hinaus initiierte das Unternehmen zwei Phase-II-Studien („Proof-ofConcept“-Studien) mit Resminostat (4SC201), einem oralen Pan-Histon-Deacetylase
(HDAC)-Inhibitor. Die erste Studie hat die
32
Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem hepatozellulären Karzinom zum Ziel,
die zweite untersucht eine Therapie von
Patienten mit refraktärem oder rezidiviertem
Hodgkin-Lymphom.
Einen Fortschritt im kleineren Maßstab erreichte das Magdeburger Biotechunternehmen Immune Technologies & Medicine
(IMTM). Basierend auf seiner therapeutischen Plattform PETIR™ (Peptidase Targeted Immune Regulation) entwickelte es
den Wirkstoff IP10.C8, einen dualen Peptidase-Inhibitor. Dieser besitzt die Eigenschaft,
die Hemmung von zwei Zielstrukturen in
einer einzigen niedermolekularen chemischen
Verbindung zu vereinen und damit einen
bislang nicht erreichten starken anti-entzündlichen Effekt zu erzielen. Aufgrund dessen
wird IP10.C8 für die lokale Therapie der Akne
und Psoriasis entwickelt. Für letztere Indikation gelang es IMTM im Januar 2009 eine
Single-Centre-Phase-II-Studie aufzusetzen.
Einen weiteren Neuzugang stellt der Wirkstoffkandidat CV9103, ein mRNA-Impfstoff
von CureVac, dar. Dieser enthält modifizierte
mRNA-Moleküle, die für vier verschiedene
Antigene kodieren und von Prostatatumorzellen exprimiert werden. Auf Basis seiner
innovativen RNActive®-Technologie entwickelt
CureVac aktive Immuntherapien zur Behandlung von Tumoren. Die erste Phase-I / IIStudie gegen Prostatakrebs begann im
Dezember 2008, und im November 2009
kündigte das Unternehmen den Start der
Phase IIa an. Ebenfalls eine Phase-I / II-Studie
zur Untersuchung der Sicherheit und Wirk-
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
samkeit wurde im Mai 2009 mit dem mRNATumorimpfstoff CV9201 zur Behandlung von
nicht-kleinzelligem Lungenkrebs initiiert.
Dagegen hatte Evotec im letzten Jahr einen
Ausfall des in Phase II befindlichen Wirkstoffs
EVT 302, eines Monoamin-Oxidase(MAO-B)Inhibitors, zu verzeichnen. Das Hamburger
Biotechunternehmen berichtete im April
2009 über das Verfehlen des klinischen
Endpunkts bei Raucherentwöhnung. Auch
MediGene stoppte ein Projekt im August,
nämlich die Weiterentwicklung von onkolytischen Herpes-simplex-Virus-Präparaten.
Eventuell soll diese in eine Ausgründung
gegeben oder die Lizenz für die zugrundeliegende Technologie verkauft werden. Entgegen den Erwartungen, den in Phase II befindlichen Wirkstoffkandidaten EndoTAG-1
noch 2009 in die Phase III überführen zu
können, verschob das börsennotierte Biotechunternehmen diesen Schritt im Dezember 2009. Laut Pressemitteilung ist dies dadurch begründet, dass vor dem Start dieser
Studie ein marktfähiger Herstellungsprozess
entwickelt werden soll. Die Verschiebung
der Studie wird mit ca. sechs Monaten veranschlagt, womit die Wiederaufnahme in
die erste Hälfte des Jahres 2011 fallen
wird. Dem Unternehmen zufolge bleibt der
Gesamtentwicklungszeitraum dadurch aber
unberührt.
Produktentwicklung
Phase-I-Studien fallen auf das Niveau
von 2007 zurück
Wie eingangs erwähnt, kam es 2009 zu
einer merklichen Abnahme der klinischen
Phase-I-Programme. Nach einem steten
Zuwachs in den vergangenen Jahren führte
dies damit zum ersten Mal zu einem Abflauen. Im Jahr 2008 wurden noch 50 Wirkstoffkandidaten bezüglich ihrer Sicherheit
und Verträglichkeit getestet, wohingegen
es 2009 nur noch 42 waren.
Es rückten zwar 14 präklinische Projekte
nach, insgesamt gesehen überwogen aber
die Abgänge: So waren zehn Ausfälle, vier
insolvenz- oder akquisitionsbedingte Verluste sowie acht positive Phase-II-Übergänge
zu verzeichnen. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren wurde damit die Phase I nicht
adäquat aufgefüllt.
Deren Rückgang hat allerdings auch zwei
wesentliche positive Aspekte: Zum einen
spricht dies für eine schnelle Absolvierung
dieser Zwischenphase und Eintritt in die
Erstbehandlung von Patienten (in Phase II),
andererseits kann ein früher Abbruch von
Projekten, z. B. aufgrund unzureichender Bioverfügbarkeit oder erhöhter toxischer Werte
auch eine Effizienzsteigerung für die Entwicklung bedeuten. Früher Abbruch vermeidet
kostenträchtige klinische Studien und setzt
Kapital frei, um erfolgversprechendere Nachfolgekandidaten voranzubringen – somit
durchaus ein Beitrag zu „Capital Efficiency“.
In den vier folgenden Artikeln beschreiben
erfolgreiche Unternehmen ihre Produktentwicklungen mit besonderem Augenmerk auf
die wichtigsten Effizienztreiber aus Unternehmenssicht. Apogenix schaffte es in vier
Jahren mit einem hochinnovativen Konzept
zum „Proof of Concept“. CureVac , das ebenso ein neues Therapiekonzept erforschte,
berichtet über die effiziente Transition
des Unternehmens aus der universitären
Umgebung zum Therapeutikaentwickler.
Die Kombination aus innovativen Technologieplattformen und konkreten Medikamentenentwicklungen steht im Fokus der Glycotope.
Schließlich beschreibt CEVEC die Perspektiven und das darauf aufgebaute Geschäftsmodell für die Anwendung humaner Zelllinien.
Tabelle 3-1:
Ausgewählte Wirkstoffkandidaten mit Phasenübergang aus der Präklinik in die Phase I, 2009
Firma
Wirkstoff
Wirkstoffart
Beschreibung
Therapiegebiet
Noxxon
Spiegelmer
NOX-E36
RNA/DNA-Molekül
(Biological)
NOX-E36 ist ein synthetisch hergestelltes, spiegelbildliches Oligonukleotid, das spezifisch das proinflammatorische Chemokin MCP-1 inhibiert und
dadurch entzündungshemmend wirkt
Entzündliche
Nephropathie
Noxxon
Spiegelmer
NOX-A12
RNA/DNA-Molekül
(Biological)
NOX-A12 ist ein blutstammzellmobilisierendes
Spiegelmer, welches das Chemokin Stromal CellDerived Factor-1 bindet und neutralisiert
Multiples Myelom /
Non-Hodgkin-Myelom
Corimmun
COR 1
Peptid (Biological)
COR1 ist ein zyklisches Peptid, das gegen den
Mechanismus von Autoimmun-Antikörpern gegen
den ß1-adrenergen Rezeptor vorgeht
Autoimmunbedingte
Herzschwäche
GANYMED
Pharmaceuticals
iMAB362
monoklonaler Antikörper (Biological)
iMAB362 enthält den monoklonalen Antikörper
Claudiximab, der effizient Tumorzellen abtötet,
ohne das umliegende Gewebe anzugreifen
Metastasierender Magen- und Speiseröhrenkrebs
Glycotope
GT-MAB
2.5-GEX
monoklonaler Antikörper (Biological)
GT-MAB 2.5-GEX ist ein humaner monoklonaler
Antikörper, der sich gegen Mucin 1 richtet
Solide Tumoren
CellAct Pharma
CAP7.1
Niedermolekularer
Wirkstoff (Chemical)
CAP7.1 ist eine Vorläufersubstanz von Etoposid,
welches das Zielmolekül Topoisomerase II in Tumorzellen adressiert, um deren Zelltod zu bewirken
Solide Tumoren
Evotec
EVT301
Niedermolekularer
Wirkstoff (Chemical)
EVT301 wirkt als NR2B-selektiver NMDA-RezeptorAntagonist
Behandlungsresistente
Depression
SuppreMol
SM101
rekombinantes Protein SM101 ist ein lösliches humanes rekombinantes
(Biological)
Fc-gamma-Rezeptor-Iib-Protein
Idiopathische
thrombozytopenische
Purpura
Quelle: Ernst&Young und Firmennachrichten, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
33
Effizienz in der Produktentwicklung
Hemmung von „zuviel Wanderung“, eine
hervorstechende Eigenschaft des bösartigsten Gehirntumors Glioblastoma multiforme (GBM). Auf diesen wissenschaftlichen Konzepten basierend wurde die
klinische Entwicklungsstrategie entworfen.
Dr. Thomas Höger,
CEO Apogenix GmbH, Heidelberg
Therapeutischer Ansatz
Die Apogenix GmbH, ein Biotechunternehmen
in Heidelberg, ist 2005 als Ausgründung aus
dem Deutschen Krebsforschungszentrum
(DKFZ) entstanden. Das Unternehmen entwickelt innovative Proteinwirkstoffe, vor
allem zur Behandlung von Tumorerkrankungen.
Das Hauptprojekt der Apogenix GmbH fokussiert sich auf die Blockade des sogenannten
CD95-Liganden (CD95L), einem Mitglied
der TNF-Genfamilie (TNF: Tumor Nekrose
Faktor). Dieser Ligand kann, wie TNF auch,
verschiedene Funktionen ausüben: Wenn
CD95L an seinen Rezeptor CD95 z. B. auf
Immunzellen bindet, wird dadurch der sogenannte programmierte Zelltod (Apoptose)
ausgelöst. Vor dem Hintergrund dieser
Funktion von CD95L scheint es auf den ersten Blick paradox, dass viele Krebszellen
nicht nur CD95L, sondern auch dessen
Rezeptor produzieren. Allerdings führt die
Bindung von CD95L an den entsprechenden
Rezeptor auf Tumorzellen nicht zur Apoptose,
sondern zu einer verstärkten Wanderung
und Metastasierung von Krebszellen. Damit
eröffnet die Blockade von CD95L verschiedene therapeutische Optionen: zum einen
die Verhinderung von „zuviel Apoptose“,
wie sie z. B. bei der massiven Gewebezerstörung nach einer Knochenmarktransplantation auftreten kann („akute Graft-versusHost Disease“, aGvHD); zum anderen die
34
Entwicklungsstatus
Das Unternehmen entwickelt für die Blockade
des CD95L ein sogenanntes Fc-Fusionsprotein
(APG101), das von seinem molekularen Aufbau her große Ähnlichkeiten zum bereits erfolgreich vermarkteten TNF-Blocker Enbrel©
aufweist. Ausgehend von einer DNA-Sequenz
wurden seit November 2005 ein GMP-Herstellungsprozess (GMP: „Good Manufacturing
Practice“) einschließlich der spezifischen
analytischen Methoden für dieses Protein
entwickelt. Ein umfangreiches präklinisches
Programm sowie eine Phase-I-Studie mit gesunden Freiwilligen wurden bereits abgeschlossen. Parallel hierzu wurden der Patentschutz ausgebaut und der „Orphan Drug
Status“ für aGvHD sowie GBM beantragt und
erteilt. Im Dezember 2009 wurde der erste
Patient in die kontrollierte Phase-II-Studie für
die Indikation Glioblastoma multiforme eingeschlossen. In rund 25 europäischen Studienzentren sollen in den nächsten 12 Monaten
83 Patienten rekrutiert werden. Primärer klinischer Endpunkt ist das progressionsfreie
Überleben nach sechs Monaten. Somit konnte
durch konsequente Fokussierung der Ressourcen innerhalb von vier Jahren das Projekt
„from scratch“ bis zu einer „Proof of Concept“
Studie gebracht werden.
Erfolgsfaktoren
Diese schnelle Entwicklung von APG101
beruht aus meiner Sicht auf einer Reihe von
Faktoren:
• Der schnelle Aufbau eines engagierten
Teams mit umfangreicher präklinischer,
klinischer und Management-Erfahrung.
• Die Auswahl der richtigen Partner – wie
z.B. der Celonic GmbH für die GMP-Produktion des Wirkstoffkandidaten.
• Die Wahl des Standortes auf dem Campus
der Universität Heidelberg: Der intensive
Dialog mit den Arbeitsgruppen von Prof.
Dr. Krammer und Priv. Doz. Dr. Ana MartinVillalba (DKFZ), gepaart mit den kurzen
Wegen zu Neuroonkologen und Radiologen
wie Prof. Dr. Wick, Prof. Dr. Debus (Universitätsklinikum Heidelberg) und Dr. Tüttenberg (Universitätsklinikum Mannheim,
jetzt Klinikum Idar-Oberstein) erlaubten
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
es, die Relevanz der im Jahr 2008 veröffentlichten Ergebnisse bezüglich der Rolle
des CD95-Liganden beim invasiven Wachstum von Glioblastom-Zellen bereits ein
Jahr später an Patienten zu überprüfen.
• Die enge Abstimmung mit der Zulassungsbehörde, dem Paul-Ehrlich Institut in
Langen, war hilfreich in der zielgerichteten Definition der Entwicklungsschritte.
• Das Vertrauen sowie das finanzielle Engagement unseres Hauptinvestors, der Familie
Hopp, in das Management und seine Entscheidungen, unterstützt von einem konstruktiven Dialog mit dem Beirat. Dieses
Vertrauen führte dazu, dass das Management des Unternehmens seine Zeit intensiv
dem operativen Geschäft widmen konnte.
Zukunftsperspektiven der
Apogenix GmbH
Das Unternehmen verfügt über ausreichend
Liquidität, um die derzeit laufende „Proof-ofConcept“-Studie mit APG101 abzuschließen
und auszuwerten. Die Ergebnisse werden im
zweiten Halbjahr 2011 erwartet. Unabhängig
von den Ergebnissen der Studie plant die
Apogenix GmbH, das therapeutische Potenzial des Wirkstoffkandidaten in anderen
Indikationen wie z. B. der „akuten Graft-versus-Host Disease“ oder Pankreaskrebs auszuschöpfen und die klinische Entwicklung
nicht nur auf eine Indikation zu fokussieren.
Für die genannten Indikationen liegen überzeugende präklinische Befunde vor. Allerdings
bedarf es für die Durchführung entsprechender „Proof-of-Concept“-Studien zusätzlicher
Finanzmittel, die entweder aus Lizenzabkommen oder weiteren Finanzierungsrunden
stammen könnten. Angesichts der hervorragenden Verträglichkeit der Substanz, gepaart mit hoher Produktivität, langer Halbwertszeit und einer soliden Patentposition
ist das Unternehmen optimistisch, das hierfür notwendige Geld einwerben zu können.
www.apogenix.com
„First in Class, First in Man“: Erfolgsfaktor Prozesse
Impfstoff aufzeigen konnten. Mithilfe einiger
Förderprogramme und recht geringem Eigenkapital war die Firma zunächst zwei Jahre
lang der Universität Tübingen angegliedert.
Ende 2002, nach der ersten kleineren Finanzierungsrunde, siedelte die CureVac in den
nahe gelegenen Technologiepark über. Wir
finanzierten weiterhin nahezu sämtliche Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten über
Förderprogramme und deckten die Gegenfinanzierung durch Service-Dienstleistungen
ab.
Dr. Ingmar Hoerr,
CEO CureVac GmbH, Tübingen
Wissenschaftliche Grundlagen
Wie vielen Biotechnologiegründungen liegen
auch der Gründung der CureVac GmbH,
Tübingen, neue Erkenntnisse einer biologischen Doktorarbeit zu Grunde: Das extrem
instabile Biomolekül messenger RNA (mRNA)
kann – entgegen der allgemeinen Lehrmeinung – bei entsprechender Formulierung als
Therapeutikum und Impfstoff Verwendung
finden. Verabreicht man mRNA direkt in Gewebe, können Proteine sehr effizient exprimiert werden. Da RNA darüber hinaus das
Immunsystem über sogenannte “Toll Like“
Rezeptoren aktiviert, ist es mit unserem Ansatz möglich, innovative Vakzine zu generieren. mRNA wird im Körper zuverlässig mit
definierter Halbwertszeit abgebaut und interagiert nicht mit der Erbsubstanz DNA im
Zellkern. So gestaltet sich die Verwendung
von mRNA sicherer als die Verwendung aller
bekannten DNA-basierten Vektoren. Weiterhin konnten wir mit dieser mRNA-basierten
Methode signifikant höhere Proteinmengen
in kürzerer Zeit erzielen als bei Vergleichsexperimenten mit DNA-basierten Gentherapievektoren.
Geschäftsidee und Erstfinanzierung
Auf Grundlage dieser Ergebnisse und Überlegung bauten wir unsere RNActive®-Technologie zur Geschäftsidee aus. Sehr schnell
erreichten wir vielversprechende Ergebnisse
mit immunologischen Modellen, anhand
derer wir die Wirksamkeit von mRNA als
Etablierung von Prozessen auf dem Weg
zum professionellen Dienstleister
Die Nähe zu unseren Kunden zeigte uns, dass
wir unsere akademisch geprägten Strukturen wandeln mussten, um wettbewerbsfähig
zu sein. Wir strukturierten die Auftragsabwicklung neu, professionalisierten das Rechnungswesen und führten Projekt- sowie
Qualitätsmanagementstrukturen ein. Fast
alle Prozesse entstanden nach dem Motto
„learning by doing“. Neben unvermeidlichen
Anfangsfehlern mündete dies in eine steile
Lernkurve, die sich schon bald als sehr nützlich für die weitere Entwicklung des Unternehmens erweisen sollte. Unser Antriebsmotor war weiterhin unsere Vision: die
Entwicklung unseres neuartigen therapeutischen Ansatzes.
Medikamentenentwicklung mit neuen
Herausforderungen
Der nächste Schritt war der Eintritt in die
klinische Entwicklung von therapeutischen
Vakzinen. Dafür war eine Produktion der
Moleküle unter GMP-Maßstäben unerlässlich. Lohnhersteller gab es für langkettige
RNA keine – so entschieden wir, diese Prozesse sowie die dafür notwendigen Räumlichkeiten selbst aufzubauen. Die pharmazeutische Herstellung eines „first in class“Produktes stellt auch für regulatorische
Behörden eine besondere Herausforderung
dar. So nahmen wir auch hier ein großes
Interesse wahr, sich intensiv mit mRNA auseinander zu setzen. Die Diskussionen verliefen kritisch-sachlich und zwangen uns
dazu, pragmatische Umsetzungswege zu
wählen, um mit einem sehr geringen Budget
die notwendigen Auflagen zu erfüllen. Die
frühe Einbindung und der ständige Austausch mit den Behörden waren entscheidend für unseren Erfolg. So erreichten wir
2006 weltweit die erste Zertifizierung für
eine GMP-Herstellung von langkettiger RNA
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
mittels eines enzymatischen Prozesses. Auch
in Vorbereitung auf die klinischen Prüfungen, mit dem Status „first in class, first in
man“, kontaktierten wir die regulatorischen
Behörden (Paul-Ehrlich-Institut, Langen)
sehr frühzeitig, um unsere präklinischen Experimente auf die entsprechenden Erfordernisse und Fragestellungen auszurichten.
Solide Vorarbeit für VC Finanzierung
Neben dem absoluten Vertrauen in unsere
Technologie und dem damit verbundenen
stoischen Durchhaltewillen waren das wissenschaftliche Datengerüst, die behördlichen Einschätzungen und Zertifizierungen,
die Patente sowie professionell etablierte
Prozesse ausschlaggebend für unsere erfolgreiche zweite Finanzierungsrunde in
Höhe von 37 Millionen Euro im Jahr 2006
durch die dievini Hopp BioTech holding GmbH
& Co. KG. Somit war es uns nun möglich, alle
Aktivitäten vollständig auf die Entwicklung
von mRNA-Therapeutika und Impfstoffen zu
konzentrieren.
Fazit
In einem Start-up-Unternehmen sollte möglichst Alles von Anfang an dem „Proof of
Concept“ (POC) untergeordnet werden.
Prozessoptimierungen, vor allem im Bereich
Qualitäts- und Projektmanagement, sind unerlässlich, um sich mit kleinem Budget auf
diesen POC fokussieren zu können. Förderprogramme sind gerade in frühen Phasen
lebensnotwendig, um risikoreiche Projekte
zumindest zu einem ersten Meilenstein zu
führen. Kompetente Investoren helfen beim
Erreichen des POC, der zu gegebener Zeit
ein entsprechendes Partnering der Technologie erlaubt. Behörden sollten ebenso unbedingt als hilfreiche Partner angesehen
und deren Erfahrung und Einschätzung frühzeitig genutzt werden.
Derzeit werden zwei RNActive®-basierte
Moleküle der CureVac in drei klinischen Studien geprüft: CV9103 zur Behandlung von
Prostata-Karzinom und CV9201 zur Behandlung von nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom. Weiterhin entwickelt CureVac
prophylaktische Vakzine auf Basis dieser
Technologie sowie Adjuvanzien.
www.curevac.de
35
Glycotope: State of the art Technologie, risikodiversifizierte
Pipeline und optimale Nutzung finanzieller Ressourcen
Dr. Steffen Goletz, CEO&CSO
Dr. Franzpeter Bracht, CFO&CBO
Glycotope GmbH, Berlin
Attraktives Produktportfolio …
Die Glycotope GmbH ist mit inzwischen 120
Mitarbeitern eines der großen deutschen
Biotechnologieunternehmen. Ihre Pipeline
umfasst fünf Projekte: den Antikörper
GT-MAB 2.5-GEX in der klinischen Phase I
(Start Phase II geplant Q4 / 2010), einen
anderen kurz vor Phase I (ab Q2 / Q3 2010)
und drei weitere Pipeline-Produkte, die hiervon nur noch einige Monate entfernt sind.
… basierend auf innovativen
Technologieplattformen
Die Glycotope verfügt über drei innovative
Basistechnologien: Mit GlycoExpress™ wurde
eine auf humanen Zellen basierende Plattform entwickelt, die eine humane Glykosylierung von Biotherapeutika (Antikörper,
Wachstums- und Blutfaktoren, Proteinhormone, Zytokine etc.) sowie deren Optimierung erlaubt, z. B. in ihrer Bioaktivität,
Bioverfügbarkeit, Stabilität und Immunogenität. Die zweite Basistechnologie „GlycoBodies“ dient der Entwicklung von humanisierten Antikörpern, die im Gegensatz zu
den Protein-Epitopen heutiger Antikörper
gegen Zuckerstrukturen gerichtet sind. Diese
Art der Epitope ist zudem deutlich zahlreicher
auf den Zielzellen vorhanden. Die hiergegen
gerichteten Antikörper sind spezifischer als
herkömmliche Antikörper und decken in der
Regel eine breitere Indikationsspanne ab.
Die dritte Technologie „GlycoProcess“ dient
der reproduzierbaren und skalierbaren Produktion der biologisch vorteilhaftesten GlykoFormen bestimmter Biopharmazeutika.
„Bio-Betters“
Hierauf basierend – und unter der Prämisse
der Risikominimierung – wurde Glycotopes
Pipeline gestaltet: Neben neuen Antikörpern
(NBEs) gegen neuartige Targets und mit
neuen Wirkmechanismen zur Behandlung von
Tumorerkrankungen, die eine vollständige,
kostenintensive und mit entsprechenden
Risiken behaftete klinische Entwicklung durchlaufen, stellen verbesserte Versionen bereits
am Markt etablierter Produkte („Bio-Betters“)
über die Hälfte der Pipeline dar. Letztere sind
in der Regel in mehreren Aspekten (z. B.
Halbwertszeit, Immunogenität, Bioverfügbar-
36
keit) stark gegenüber bisherigen Produkten
verbessert. Auch wenn hier ebenfalls eine
vollständige klinische Entwicklung zur Zulassung nötig ist, sind diese im Vergleich zu
NBEs schneller, kostengünstiger und mit
deutlich geringerem Ausfallrisiko behaftet.
Im Erfolgsfall ist der Ertrag zwar ggf. geringer als bei einer erfolgreichen Neuentwicklung, das Verhältnis von Risiko zu potenziellem Erlös ist jedoch sehr attraktiv. Weiterhin
erlaubt GlycoExpress™ eine Diversifizierung
der Entwicklungspipeline über verschiedenste
Indikationen und Proteinklassen. Neben
Antikörpern wurden verschiedene andere
Proteine erfolgreich optimiert. So ist das
fünfte Produkt der Pipeline ein optimiertes
Glykoproteinhormon (FSH).
Glycotope Pipeline
Zwei Produktbeispiele verdeutlichen die Glycotope Pipeline: GT-MAB 2.5-GEX ist ein neuer
humanisierter monoklonaler Antikörper zur
Behandlung einer breiten Anzahl von soliden
Tumoren und der überwiegenden Anzahl der
Patienten der jeweiligen Indikation. Er richtet
sich gegen eine neue Zielstruktur, eine Kombination aus Protein- und Glyco-Epitop, die
auf sehr vielen Tumorzellen, nicht aber in
relevanten Normalgeweben zu finden ist.
GT-MAB 2.5-GEX hat drei verschiedene Wirkmechanismen und wirkt in präklinischen
Modellen bereits in ungewöhnlich geringen
Dosen. Die vollständig humane und optimierte
Glykosylierung des Antikörpers bewirkt eine
u. a. signifikante Steigerung der ADCC-Aktivität und Bioverfügbarkeit. Bei GT-MAB 5.2GEX handelt es sich um eine verbesserte
Version eines bereits am Markt erhältlichen
EGFR-Antikörpers. Durch die Expression in
GlycoExpress™ zeigt GT-MAB 5.2-GEX nicht
nur eine im Vergleich zum Original vielfach
erhöhte ADCC-Aktivität, sondern erreicht
auch eine viel breitere Patientenpopulation
und eine deutlich verlängerte Halbwertszeit.
Weiterhin ist zu erwarten, dass aufgrund der
humanen Glykosylierung die Glyko-assoziierten immunogenen Nebenwirkungen, die bei
einer erheblichen Anzahl der mit dem be-
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
reits vermarkteten Antikörper behandelten
Patienten beobachtet werden, entfallen.
Solide Finanzierung
Eine weitere Grundlage für die erfolgreiche
Unternehmensentwicklung ist das Investment
der Brüder Dr. Thomas und Andreas Strüngmann mittels eines ihrer Investmentvehikel
in Höhe von 40 Millionen Euro. Dieses Investment dient der Entwicklung der Projekte der
Glycotope Pipeline sowie auch dem Zukauf
weiterer Unternehmen. Hierbei wird neben
der technologischen Ergänzung auch auf
einen Leverage-Effekt durch einen Beitrag zur
langfristigen Unternehmensfinanzierung
geachtet. So umfasste die Übernahme der
auf Perfusionstechnologie ausgerichteten
biopharmazeutischen Produktionsanlage
der Orpegen GmbH durch die Glycotope Biotechnology auch deren Diagnostik-Geschäft.
Die Perfusionstechnologie ist ein Erfolgsfaktor, da sie eine ausgesprochen stabile und
über viele Produktionsläufe und Skalen konstante Glykosylierung erlaubt. Die Diagnostika
tragen mit wachsenden Umsatzzahlen ebenso
wie die Auftragsproduktion und -entwicklung
zur Reichweitensteigerung der Finanzierung
bei. Den Erfolg der Akquisition verdeutlicht,
dass bereits zwei Projekte von der Klonierung
des Gens bis zur sterilen Abfüllung des Prüfpräparats für die klinische Testung kostengünstig, zeitsparend und erfolgreich umgesetzt wurden. Des Weiteren trägt die Vermarktung der GlycoExpress-Technologie
über Kooperationsprojekte mit der Pharmaindustrie im Rahmen des Life-Cycle-Managements zu den Umsätzen bei. Die Einwerbung
von Fördermitteln komplettiert die Liste an
Instrumenten, die helfen, das der Glycotope
zur Verfügung gestellte Kapital optimal zu
nutzen. Aus Sicht des Managements gliedern
sich die Erfolgsfaktoren der Glycotope in
„Cutting-Edge“-Technologien, eine hierauf
basierende, risikodiversifizierte Pipeline sowie die geschickte Nutzung und Erweiterung
der finanziellen Ressourcen.
www.glycotope.com
Innovativer Ansatz für neue Expressionssysteme – CEVECs humane
Amniocyten-Technologie auf dem Weg zum globalen Markterfolg
Dr. Rainer Lichtenberger,
CEO CEVEC Pharmaceuticals GmbH,
Köln
Zukunftsmarkt humane
Expressionssysteme
Der Weltmarkt für biopharmazeutische Arzneimittel boomt mit jährlichen Wachstumsraten von über 10 % auf über 70 Milliarden
Euro im Jahr 2009. Zur Herstellung dieser
biologischen Wirkstoffe sind zellbasierte
Produktionssysteme unentbehrlich. Die zunehmend komplexen Biotherapeutika, welche auf ihrem Eiweiß-Grundskelett auch
komplexe Zuckerstrukturen zur optimalen
Wirksamkeit benötigen, erfordern den Einsatz hochgezüchteter Produktionszelllinien,
um die komplexe Molekülstruktur naturidentisch herzustellen. Wichtige Plasmaproteine
wie Blutgerinnungsfaktoren oder Proteaseinhibitoren können heute nur aus menschlichen Produktionszellen in einer therapeutisch akzeptablen Qualität gewonnen
werden. Diese steigende Nachfrage nach
Qualität, Naturidentität und hohen Expressionsraten bei der Herstellung biopharmazeutischer Proteine hat in den letzten Jahren
die Entwicklung neuer Expressionssysteme
stark vorangetrieben. Humane Zellsysteme
haben ein hohes Potenzial als Zukunftstechnologie für die Produktion von humanen
therapeutischen Proteinen, weil sie diese
eben in genau gleicher Struktur und Qualität
produzieren können wie der menschliche
Körper selbst.
Technologieplattform CEVEC
CEVEC Pharmaceuticals GmbH, eine Ausgründung führender Biowissenschaftler der
Universität Köln, hat sich seit 2004 diesen
Trend zunutze gemacht und sich auf die Entwicklung eines eigenen humanen Zellexpressionssystems spezialisiert. Das Resultat
waren CEVECs CAP®- und CAP-T™-Zelllinien,
eine neue patentgeschützte Expressionsplattform, welche auf der Verwendung von
humanen Amniozyten basiert. Amniozyten
sind Fruchtwasserzellen, die bei der Amniozentese, einer klinischen Routineuntersuchung
während der Schwangerschaft, gewonnen
werden. Die Verwendung der für die Fruchtwasserdiagnostik nicht benötigten Amniozyten erfolgte unter Einhaltung aller rechtlichen und ethischen Erfordernisse (z. B.
vollständige Dokumentation der Spendereinwilligung). Diese Zellen wurden in einem
von CEVEC weltweit patentierten Verfahren
unter Einsatz von viralen Strukturelementen
zu unsterblichen, also beliebig vermehrbaren
Produktionszellen entwickelt. Die hieraus gewonnene sogenannte Masterzellbank stellt
heute das Kapital des globalen Geschäfts der
CEVEC dar. Beide proprietäre Zelllinien weisen
die gleichen positiven Eigenschaften auf, wie
Herkunft aus ethisch akzeptierter Quelle,
keinen Einsatz von Tumorzellen als Ausgangsgewebe und sind auf den Industrieeinsatz im Großmaßstab optimiert. In dieser
Summe der Eigenschaften zeigen die CAPZellen signifikante Vorteile gegenüber bereits existierenden Produktionstechnologien.
Geschäftsmodell CEVEC
Diese state-of-the-art-Technologie wird von
den Kunden meist für Forschungs- und
Screeningaufgaben, aber zunehmend auch
für die Entwicklung von Produktionszelllinien für die Large-Scale-Produktion von
Biotherapeutika einlizenziert. CEVEC kann
hier als einziger Anbieter von der frühen
Forschungsaufgabe bis hin zur GMP-geeigneten Produktionszelllinie für die Marktversorgung ein und dieselbe leistungsfähige
und qualitativ hochwertige Technologie anbieten, welche vom Maßstab unabhängige
identische Produkteigenschaften sicherstellt. Im Gegensatz hierzu müssen andere
Anbieter im Lauf der langen Entwicklungszeit des Biowirkstoffes regelmäßig die
Produktionszellsysteme wechseln; mit erheblichem Zeitverlust, erhöhtem Entwicklungsrisiko und Mehrkosten für das forschende Pharmaunternehmen.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Zukunftsperspektive „Biosimilars –
Bio-Betters“
Alle Industriestaaten haben ein hohes Interesse, das Potenzial für Preissenkungen nach
Patentablauf auch für Biotherapeutika durch
sogenannte Biosimilars umzusetzen. Gerade
hier spielt die Verfügbarkeit von neuen, leistungsfähigen, zellulären Produktionssystemen für die kostengünstigere Biotherapeutika-Herstellung eine wichtige Rolle. Darüber
hinaus bietet die Plattform der humanen
Zellexpression weitere Vorteile in Richtung
verbesserter Wirkstoffvarianten (z. B. durch
„Humanisierung“ in einem menschlichen
Zellsystem). Derartige Verbesserungen sind
eine attraktive Erweiterung der BiosimilarStrategie hin zu „Bio-Betters“, die nicht nur
von kostengünstigeren Entwicklungsprozessen und höheren Zulassungswahrscheinlichkeiten profitieren, sondern aufgrund der
Verbesserungen auch eigenständigen Patentschutz erhalten können.
CEVEC hat eine Reihe von verbesserten
Wirkstoffvarianten in die Eigenentwicklung
genommen, um diese in einem späteren
Entwicklungsstadium an Pharmafirmen auszulizenzieren.
Finanzierung einer Plattformtechnologie
CEVEC konnte im schwierigen Umfeld des
Jahres 2009 eine weitere Venture-Finanzierungsrunde zur breiten Markteinführung der
neuen CAP-Technologie erfolgreich abschließen. Creathor Venture, die NRW.Bank sowie
weitere Investoren stellten vier Millionen Euro
Eigenkapital bereit. Hilfreich war sicherlich,
dass CEVEC im Laufe der Kapitaleinwerbung
schon mehrere Lizenzabkommen mit Biotechfirmen und Lohnherstellern abschließen
konnte.
CEVEC rechnet fest damit, ein führender
Anbieter von Zelltechnologien und Dienstleistungen im schnell wachsenden Marktsegment der humanen, biopharmazeutischen
Produktionssysteme zu werden. Die seitdem
abgeschlossenen und noch in Verhandlung
stehenden Kooperationen und Lizenzen mit
Pharma- und Biotechunternehmen weisen in
die richtige Richtung und eröffnen allen Beteiligten eine gute Perspektive hin zu einem
möglichen lukrativen Exit in den nächsten
zwei bis vier Jahren.
www.cevec-pharmaceuticals.com
37
Analyse: Produktentwicklung
Tendenz zu Biologicals
Abbildung 3-2:
Entwicklungspipeline nach Phase und Wirkstoffklasse
Im Hinblick auf die Wirkstoffart der sich in
der Entwicklung befindlichen Therapeutika
lassen sich niedermolekulare Substanzen
(„Small molecules“; Chemicals) und Wirkstoffe auf Basis biologischer Herkunft, sogenannte „Biologicals“, einander gegenüberstellen. Zu letzteren zählen Antikörper,
rekombinante Proteine, Peptide, RNA / DNAMoleküle, Naturstoffe und zellbasierte Substanzen.
Anzahl Wirkstoffe in Studien
120
100
80
60
40
20
0
Präklinik
2008
2009
Phase I
Biologicals
Biologicals
Phase II
Chemicals
Chemicals
Phase III
Sonstige
Sonstige
Quelle: Ernst & Young, 2010
Abbildung 3-3:
Entwicklungspipeline nach Wirkstofftyp und Phase, 2009
Anzahl Wirkstoffe in Studien
Betrachtet man die gesamte EntwicklungsPipeline von der Präklinik bis zur Phase III
jeweils für die Jahre 2008 und 2009, fällt
bereits der Überhang an Biologicals auf, der
sich vor allem in der entscheidenden klinischen Phase II manifestiert. Das noch leichte
Übergewicht der SMEs (Small Molecular
Entities) in Phase I in 2008 wurde im Laufe
des Jahres 2009 fast vollständig kompensiert. Noch deutlicher ist das Übergewicht
der Biologicals in der Präklinik, wo diese im
Verhältnis von 2/3 zu 1/3 über den SMEs
liegen. Aus dieser Konstellation ist für die
zukünftige Entwicklung der Pipeline aus
der deutschen Biotechnologiebranche eine
weitere Fokussierung auf biologische Wirkstoffe anzunehmen.
Biologicals spezifiziert
64
21
Niedermolekulare Wirkstoffe
48
4
Monoklonale Antikörper
Eine Subsegmentierung nach Wirkstofftyp
zeigt neben den Wirksubstanzen auf chemischer Basis zusätzlich die Unterteilung
der Biologicals. Im Vergleich der Jahre
2008 und 2009 zeichnete sich für das letzte
Jahr eine leichte Erhöhung des prozentualen Anteils an rekombinanten Proteinen sowie an RNA / DNA-Molekülen ab.
33
4
8
1
31
5
Rekombinate Proteine
14
3
5
RNA / DNA
1
4
Peptide
2
Zellbasiert
2
1
Naturstoffe
Präklinik
Phase I
Ein interessanter Schluss lässt sich auch
aus der Verteilung der Wirkstofftypen auf
die jeweiligen Entwicklungsstadien ziehen.
So befinden sich im Vergleich zur klinischen
Entwicklungspipeline (Phase I bis Phase III)
überproportional viele monoklonale Antikörper in der präklinischen Validierungsphase.
11
5
6
6
3
2
0
25
9
5
10
20
Phase II
30
40
50
60
70
Phase III
Quelle: Ernst & Young, 2010
38
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Produktentwicklung
Abbildung 3-4:
Klinische Entwicklungspipeline nach Therapiegebiet, 2009
n = 141
Sonstige
Metabolismus und Endokrinologie
8 %
6 %
Neurologie
6 %
Infektion
Onkologie
7 %
46 %
Eine Unterteilung in die weiteren sechs
Haupttherapiegebiete zeigt ein weitgehend
ähnliches prozentuales Vorkommen auf.
Bricht man die Therapiegebiete auf die jeweiligen Phasen in der klinischen Entwicklung herunter, so fällt – wiederum neben
der vorherrschenden Anzahl an Antitumorsubstanzen – die im Gesamtvergleich der
Phasenverteilung hohe Anzahl an Phase-IIWirkstoffkandidaten bei entzündlichen
Erkrankungen auf. Dies ist vermutlich dadurch begründet, dass nach erfolgreichen
Phase-I-Daten anschließend in verschiedene
entzündlich bedingte Indikationen diversifiziert werden kann.
8 %
Autoimmun
Abbildung 3-5:
9 %
Klinische Entwicklungspipeline nach Phase und
Therapiegebiet, 2009
10 %
Kardiovaskular
Entzündung
Anzahl Wirkstoffe in Studien
Quelle: Ernst & Young, 2010
90
Onkologische Wirkstoffkandidaten
vorherrschend
Eine Analyse der Entwicklungspipeline nach
Therapiegebiet stellt wie in den vergangenen
Jahren auch die Übermacht an Wirkstoffkandidaten im Bereich Onkologie (46 %) dar.
Aufgrund der Heterogenität von Tumoren
bezüglich des befallenen Organs wie auch
hinsichtlich der unterschiedlichen Expression
von Tumormarkern ist eine solche Vielfalt
allerdings zu erwarten. Auch spielen hier
der weiterhin ungedeckte medizinische Bedarf sowie die Überalterung der Bevölkerung
verbunden mit einem Anstieg an Krebsleiden eine bedeutende Rolle. Gerade im
Zuge der Fokussierung auf Zielstrukturaufklärung und personalisierte Medizin ist zukünftig eher mit einer noch breiteren Auffächerung zu rechnen.
Dies betrifft voraussichtlich ebenfalls die
Therapieansätze bei neurologischen Erkrankungen. Wie der Beitrag von Professor
Harald Hampel eindrücklich erläutert, werden Biomarker zukünftig in diesem Bereich
eine entscheidende Rolle spielen und damit
einer weiteren Diversifizierung für zielgerichtete Therapieansätze den Weg ebnen.
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Phase I
Phase II
Phase III
Sonstige
Metabolismus und Endokrinologie
Neurologie
Infektion
Autoimmun
Kardiovaskular
Entzündung
Onkologie
Quelle: Ernst & Young, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
39
Produktentwicklung
Eine Analyse hinsichtlich der Verteilung der
Wirkstoffklasse auf die einzelnen Therapiegebiete hebt indes den potenziellen Einsatz
von Biologicals im Bereich Tumorerkrankungen, metabolisch bedingten und kardiovaskulären Erkrankungen hervor. Dagegen kommen bei der Behandlung des peripheren und
zentralen Nervensystems fast ausschließlich
niedermolekulare Wirkstoffe zum Tragen.
Dies ergibt sich daraus, dass die klassischen
Therapieansätze in diesem Bereich oft eine
Rezeptorhemmung oder -stimulation adressieren, für die kleine chemische Moleküle
bestens geeignet sind. Desweiteren können
small molecules die Blut-Hirn-Schranke passieren.
Abbildung 3-6:
Klinische Entwicklungspipeline nach Therapiegebiet
und Wirkstoffklasse, 2009
Anzahl Wirkstoffe in klinischen Studien
36
Onkologie
23
6
4
Entzündung
8
2
9
Kardiovaskular
2
1
3
Autoimmun
7
1
4
4
Infektion
2
Neurologie
8
1
7
Metabolismus und Endokrinologie
2
6
Sonstige
4
1
0
Biologicals
Chemicals
5
10
15
20
25
30
35
40
Sonstige
Quelle: Ernst & Young, 2010
40
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Alzheimer Biomarker: Vorteile durch frühzeitige Kooperation
zwischen akademischer Forschung und Industrie
Prof. Dr. Harald Hampel,
Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik
und Psychotherapie; Johann Wolfgang
Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Rationale für Biomarker
Die Entwicklung neuer Arzneimittel ist mit
erheblichem finanziellem Aufwand und
massiven Investitionsrisiken verbunden.
Aus dieser Problematik ergeben sich zwei
zentrale Fragen:
1. Kann der finanzielle, zeitliche und logistische Aufwand der Produktentwicklung
substanziell reduziert werden?
2. Kann das Risiko eines Scheiterns schon
sehr frühzeitig im Entwicklungszyklus
identifiziert und damit insgesamt deutlich
verringert werden?
Die Antwort liefert die aktuelle BiomarkerForschung, hier am Beispiel der medizinisch
und sozioökonomisch besonders bedeutsamen Gehirnerkrankung – AlzheimerDemenz (AD) – exemplarisch demonstriert.
Allein in Deutschland leben derzeit über eine
Million Patienten. Die weltweiten volkswirtschaftlichen Kosten der AD werden für das
Jahr 2009 auf 422 Milliarden US-Dollar beziffert. Wegen der steigenden Lebenserwartung wird mit einer Erhöhung der Anzahl
der Erkrankten weltweit von heute 35 Millionen auf 115 Millionen 2050 gerechnet. Es
gibt keine effektive, krankheitsmodifizierende Therapie, jedoch befinden sich derzeit
über 200 Kandidatensubstanzen in der klinischen Prüfung (mehr als 50 % der Pharma-Gesamtinvestitionen im Bereich ZNS).
Biomarkerforschung bei AD
Ein Biomarker ist ein objektives Maß für einen
biologischen oder pathologischen Prozess,
der dazu beiträgt, das Erkrankungsrisiko und
die Prognose zu bestimmen, die Diagnosestellung zu unterstützen oder den Effekt von
therapeutischen Interventionen zu überwachen. Grundsätzlich können Biomarker
aus verschiedenen Körperbereichen (z. B.
Blut, Liquor cerebrospinalis) oder mit verschiedenen Analyse-Modalitäten (neurochemisch, neurogenetisch, neurophysiologisch,
zerebrale Bildgebung) bestimmt werden.
Die Biomarker-Forschung beschäftigt sich
dabei u. a. mit der Frage, welche Parameter
besonders gut geeignet sind, um Patienten
mit einer präsymptomatischen bzw. beginnenden symptomatischen AD von gesunden
Probanden oder von anderen Demenzformen zu unterscheiden. Besonders gute
Evidenz gibt es derzeit im Bereich der Liquorbasierten Biomarker. So führt der Einsatz der
drei heute am besten etablierten „Kernbiomarker“ (A 1-42, Tau und Phospho-Tau) zu
einer substantiellen Verbesserung der diagnostischen und prognostischen Genauigkeit. Neue Biomarker-Kandidaten sind in der
Entwicklung.
Biomarker / klinische Pharmaforschung
Für den Einsatz von Biomarkern in der
klinischen Pharmaforschung besteht erheblicher Entwicklungsbedarf. Erst in einigen
neueren Studien werden manche Biomarker
als Zusatzparameter erhoben. Dies geschieht jedoch meist spät in Phase II / III. Die
Zulassungsbehörden (BfArM, EMEA, FDA)
gehen nun dazu über, den unterstützenden
Einsatz von Biomarkern bei klinischen Studien
zu erwägen. Die Ausarbeitung eines Konsensus hierzu wurde kürzlich in Auftrag gegeben.
Benefiz durch Biomarker-Einsatz
Mit Hilfe von Biomarkern lässt sich eine
diagnostische Anreicherung von Patientengruppen erzielen. Dabei entsteht eine höhere
Trefferquote für „richtige“ AD-Diagnosen
in präklinischen oder klinischen Stadien.
Weiterhin lassen sich Patientensubgruppen
anhand von Markern stratifizieren und homogenisieren. Dies reduziert in Phase-II / IIIStudien massiv das Entscheidungsrisiko für
weitere Investitionen, verringert die biologische Heterogenität des Untersuchungskollektivs, erhöht die statistische Power und
ermöglicht schlankere und kostengünstigere
Probandenkollektive. Daneben können Bio-
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
marker auch zum Therapie-Monitoring eingesetzt werden („Theragnostics“). Hier kann
ein gezielter Einsatz beim Screening von
Substanzen in kleinen klinischen Pilotprojekten dazu beitragen, wenig effektive Substanzen frühzeitig herauszufiltern. Durch
das Reduzieren des Go / NoGo-Entscheidungsrisikos und somit das Vermeiden vieler
erfolgloser Phase-II/III-Studien können leicht
Kosten im Milliardenbereich eingespart
werden. Die Implementierung spezifischer
Biomarker stellt eine besondere Herausforderung an die Pharmaunternehmen dar, die
oftmals keine eigene Expertise in diesem
Spezialgebiet aufweisen. Hier sind synergistische Kooperationen mit akademischen
Partnern sowie auf Biomarker-Entwicklung
spezialisierten Biotech- und Diagnostikunternehmen die derzeit einzig sinnvolle
Perspektive. Die parallelisierte Entwicklung
von Biomarkern für unterschiedliche Funktionen für klinische Therapiestudien und von
neuen wirksamen pharmakologischen Substanzen muss deshalb dringend verwirklicht
werden.
Es bieten sich auch spezielle projekt- und
produktbezogene Kooperationen zwischen
der Industrie und akademischen Partnern
mit Spezialkompetenz an. Aufgrund des aktuellen Drucks vieler Kandidatensubstanzen
und erster gescheiterter großer Entwicklungsprogramme einzelner Firmen entsteht
derzeit eine zunehmend kompetitive Situation für Pharmaunternehmen, sich die Kooperation zu den international wenigen ausgewiesenen und exzellenten akademischen
Biomarker-Partnern zu sichern.
www.psychatrie.uni-frankfurt.de
Referenzen:
Blennow K, Hampel H, Weiner M, Zetterberg H. Cerebrospinal fluid and plasma biomarkers in Alzheimer disease.
Nature Reviews Neurology. 2010;6:131-44.
Hampel H, Broich K. Enrichment of MCI and early
Alzheimer‘s disease treatment trials using neurochemical and imaging candidate biomarkers. J Nutr Health
Aging. 2009;13:373-5.
41
Produktentwicklung
Abbildung 3-7:
Klinische Entwicklungspipeline nach Phase im Ländervergleich
Anzahl Wirkstoffe in klinischen Studien
235
UK
216
141
135
Deutschland
Der Vergleich der absoluten Zahlen an Entwicklungsprojekten berücksichtigt allerdings nicht die spezifische Produktivität des
jeweiligen Landes. Um dies korrekter darzustellen, müssen diese ins Verhältnis mit
Größenparametern gesetzt werden. In der
folgenden Darstellung – bezogen auf die Anzahl der Therapeutikaentwickler – ändert
sich das entsprechende Ranking signifikant.
Danach belegt Dänemark mit einem Quotienten von 2,74 aus klinischen Projekten
zur Anzahl an Therapeutikaentwicklern
den Spitzenplatz, gefolgt von der Schweiz
(1,88), Frankreich (1,48) und UK (1,46).
Deutschland (1,09) landet in dieser Analyse
auf dem letzten Platz der verglichenen
„Big Five“. Mangelnde Finanzierung aber
sicherlich auch unzureichende Rahmenbedingungen für F&E-intensive Industrien
spielen hier wahrscheinlich eine Rolle.
122
120
Frankreich
Schweiz
101
120
77
68
Schweden
Israel
57
72
66
63
Italien
53
46
Niederlande
29
32
Norwegen
35
35
Spanien
38
29
Irland
34
25
Belgien
26
20
Österreich
Finnland
9
0
2009
2008
Produktivität
137
139
Dänemark
Phase I
Phase I
(13 %), also in Marktnähe. Interessanterweise liegt Deutschland in dieser Pipelinedarstellung nahe bei den Durchschnittswerten, mit 30 % Phase I etwas unter dem
Schnitt, dafür aber mit 60 % Phase II deutlich über dem europäischen Mittel. 10 % in
Phase III laufen geringfügig hinter dem
Wettbewerb in Europa.
14
50
100
Phase II
Phase II
150
200
250
Phase III
Phase III
Quelle: Ernst & Young, 2010
Produktentwicklung im europäischen
Vergleich
Mit der positiven Ausbildung an der Produktentwicklungsfront konnte sich die deutsche
Biotechnologiebranche auch im europäischen
Umfeld gut behaupten. Nach UK – nach wie
vor mit signifikantem Abstand führend – behauptet Deutschland in der Länderskala den
zweiten Platz, knapp vor Dänemark. Alle führenden Biotechnationen in Europa (mit
Ausnahme Dänemarks)haben ihre Produktpipelines aktiv weiterentwickelt; auffallend
sind die Steigerungen in Schweden (plus
13 %) sowie in der Schweiz (plus 19 %)mit
zweistelligen Wachstumsraten in der klinischen Pipeline. In diesem Vergleich schneidet Deutschland etwas schlechter ab und
landet mit 4,4 % Wachstum auf einem Mittelplatz. Erstaunliche Zuwächse werden auch
von kleineren Biotechindustrienationen vermeldet; so kommt Belgien auf eine Steigerung von 36 % und insgesamt 34 klinische
Produkte. In Summe werden in den europäischen Biotechunternehmen 1.204 Projekte
klinisch entwickelt, was einem beeindruckenden Wertschöpfungspotenzial entspricht.
Die Gesamtpipeline spaltet sich auf in 377
Projekte in Phase I (31 %), 673 in Phase II
(56 %)und immerhin 154 in Phase III
42
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Abbildung 3-8:
Spezifische Produktivität der
klinischen Entwicklungspipeline im Ländervergleich, 2009
Anzahl Wirkstoffe in klinischen Studien
pro Anzahl Therapeutikaentwickler
Dänemark
Schweiz
Frankreich
UK
Deutschland
0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
Quelle: Ernst & Young, 2010
Produktentwicklung
Abbildung 3-9:
Entwicklungspipeline nach Therapiegebiet im Ländervergleich, 2009
Anzahl Wirkstoffe in klinischen Studien
Dänemark
Deutschland
Frankreich
Israel
Italien
Niederlande
Schweden
Therapiegebiete
Die Verteilung der klinischen Projekte auf
Therapiegebiete in den europäischen
Staaten weist ebenfalls interessante Unterschiede auf. Obwohl in allen hier untersuchten Ländern Krebserkrankungen im
Vordergrund stehen, nehmen sie besonders
in Deutschland und Dänemark mit jeweils
50 %, in Italien und Spanien sogar mit über
60 % eine Sonderstellung ein. UK, die
Schweiz und Israel haben hingegen einen
relativ höheren Anteil an Neurologie-projekten, der vor allem in der Schweiz mit
31 % das Topsegment ausmacht. Demgegenüber spielt erstaunlicherweise in der Schweiz
das Therapiegebiet Onkologie eher eine
untergeordnete Rolle.
Schweiz
Wirkstofftypen
Spanien
UK
0 %
10 %
20 %
30 %
40 %
Onkologie
Neurologie
Metabolismus und Endokrinologie
Autoimmun
Entzündung
50 %
60 %
70 %
80 %
90 %
100 %
Infektion
Kardiovaskular
Quelle: Ernst & Young, 2010
Abbildung 3-10:
Entwicklungspipeline nach Wirkstofftyp im Ländervergleich, 2009
Anzahl Wirkstoffe in klinischen Studien
Dänemark
Deutschland
Frankreich
Israel
Italien
Niederlande
Auch hinsichtlich der Wirkstofftypen ergeben sich auffällige Unterschiede im europäischen Vergleich. Dänemark sticht dabei
mit einem vergleichsweise hohen Anteil
an Antikörpertherapeutika (über 20 %)
hervor, aufgrund von Pionieren auf diesem
Gebiet wie beispielsweise Genmab. Immerhin
spielt Deutschland zusammen mit Ländern
wie Schweden und den Niederlanden ebenfalls eine Rolle im Antikörperfeld mit Anteilen
zwischen 8 % und 10 % der Projekte aus diesem Bereich. Andererseits ist die Antikörperfraktion in UK verschwindend, was auf einem
relativ hohen Anteil von Speciality-Pharmaunternehmen zurückzuführen ist, die mit
höherer Frequenz kleine Moleküle bearbeiten.
Die einst dominierende Antikörperfirma CAT
ist inzwischen Teil von AstraZeneca. Interessant ist auch die Verteilung von neuen Medikamentenformaten wie zellbasierten Therapeutika, mit denen sich Italien, Israel und
Spanien hervortun oder RNA /DNA-Drugs, die
in Deutschland und Spanien eine relativ bedeutendere Rolle spielen.
Schweden
Schweiz
Spanien
UK
0 %
Zellbasiert
Peptide
RNA / DNA
10 %
20 %
30 %
40 %
50 %
60 %
70 %
80 %
90 %
100 %
Monoklonale Antikörper
Rekombinante Proteine
Niedermolekulare Wirkstoffe
Quelle: Ernst & Young, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
43
4 Transaktionen
44
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Fakten im Überblick
Neue Spielregeln – neue Chancen
Neue Spielregeln werden zukünftig in der
Biotechnologiebranche auch bei den Transaktionen gelten. Einen wesentlichen Treiber
dafür stellen die strukturellen Veränderungen in der pharmazeutischen Industrie
dar. Nach dem Abbau im Bereich Marketing
& Vertrieb als initialem Einstieg in ein umfassendes Kostenreduktionsprogramm
gehen die Pharmaunternehmen nunmehr
dazu über, die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten effizienter zu gestalten und
Kosteneinsparungen auch seitens F&E zu
realisieren. Neben der Konzentration auf
Kernkompetenzen wird dies unter anderem
mit einer Desintegration eigener F&E-Einheiten erzielt. In der Konsequenz wird es
für Pharmafirmen in Zukunft zunehmend
essenziell werden, zum einen Innovationen
von außen ins Unternehmen zu holen, zum
anderen die Vergabe von Dienstleistungen
nach extern zu erhöhen.
Von beiden Entwicklungen können Biotechunternehmen profitieren, indem sie der
Pharmaindustrie als komplementäre Partner
zur Verfügung stehen. Dies eröffnet ihnen
die Perspektive – speziell in Krisenzeiten, in
denen klassische Finanzierungsinstrumente
nicht mehr greifen – Transaktionen verstärkt
als alternative Kapitalquelle zu nutzen.
Daher wird erwartet, dass Transaktionen in
Form von Partnerschaften zukünftig grundlegend an Bedeutung zunehmen werden.
Insbesondere kreativen Ansätzen wie z. B.
Optionsvereinbarungen, die dem Interesse
beider Seiten entgegenkommen, wird künftig eine gewichtige Rolle zugesprochen.
Entwicklungen bei den Allianzen
Entsprechend den Erwartungen, dass Biotechunternehmen in schwierigen Zeiten
verstärkt Transaktionen als Finanzierungsinstrument anstreben, war 2009 auf europäischer Ebene eine leichte Aktivitätszunahme bei den Allianzen festzustellen. Im
Gegensatz dazu zeichnete sich allerdings
bei den Allianzabschlüssen in Deutschland –
nach zwei Plateaujahren – für das Jahr
2009 sogar ein Rückgang um 26 % ab.
Schlüssige Begründungen für diesen unerwarteten Rückgang ergeben sich am ehesten aus der Segmentierung der deutschen
Biotechindustrie in unterschiedliche Geschäftsbereiche, die direkt mit entsprechend
distinkten Geschäftsmodellen verknüpft
sind.
Der in Kapitel 2 (Geschäftsstrategien) gezeigte Überhang an Service- / TechnologieTool-Anbietern impliziert, dass diese Unternehmen stärker von Technologiedeals profitieren könnten. Die Tatsache allerdings, dass
sie dies zumindest in Bezug auf die Menge
der bekannt gegebenen Kooperationen
nicht tun, deutet darauf hin, dass sie eher
im kleinen Rahmen Produkte (Medien, Zelllinien, Testkits etc.) verkaufen und mit
kleineren Serviceaufträgen Umsatz generieren, was sie von typischen „Biotechfinanzierungen“ unabhängig macht.
Kreativität beim Allianzabschluss zahlt
sich aus
Wie in der Zeitreihe ersichtlich, war 2008 bezüglich der publizierten „Biodollar“-Volumina
aus Allianzen ein überdurchschnittlich erfolgreiches Jahr. Zwar konnte 2009 dieses
Gesamtvolumen bei weitem nicht erreicht
werden; allerdings bescherte Kreativität
beim Verhandeln der Transaktionen einigen
Unternehmen sehr lukrative Dealabschlüsse.
Während im Jahr 2008 eine einzelne Allianz
(Cellzome / GSK) 80 % des gesamten Volumens trug – in weitem Abstand gefolgt von
einer Allianz im Wert von 170 Millionen
Euro –, erzielten 2009 zwei Unternehmen
Allianzabschlüsse mit einem potenziellen
Wert von jeweils über 200 Millionen Euro
(DeveloGen / Evotec). Unter den ausgewählten Transaktionen in der nachfolgenden
Tabelle finden sich drei Allianzen, die auf innovativen Ansätzen basieren. Auffällig ist,
dass diese offensichtlich in Fortführung des
Jahres 2008 erfolgten, da alle Abschlüsse
am Anfang des Jahres 2009 zu verzeichnen
sind.
Ausgewählte deutsche Allianzen
Der in Deutschland für das Jahr 2009
finanziell erfolgreichste Deal demonstriert
eine solche kreative Transaktion. Dabei verkaufte die biopharmazeutische DeveloGen
die Rechte an neuartigen Therapieansätzen
für metabolische Erkrankungen bereits
in der Frühphase vor klinischen Tests an
Boehringer Ingelheim. Dieses „projektbezogene Kauf- und Kooperationsabkommen“
beinhaltete eine Kooperationsvereinbarung
über weitere Entdeckungs- und Entwick-
Abbildung 4-1:
Allianzen deutscher Biotechunternehmen – Zahlungsströme
im Jahresvergleich
Summe (Mio. €)
2009
2008
2007
2006
2005
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
Upfront-Zahlungen
Meilenstein-Zahlungen
Sonstiges und nicht bekanntgegeben
Upfront-Zahlungen (Mega-Deal, Cellzome)
Meilenstein-Zahlungen (Mega-Deal, Cellzome)
Quelle: Ernst & Young, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
45
Alternative Finanzierungsformen:
Frühes Vermarkten von F&E-Projekten
geistige Eigentum über neuartige Mechanismen für die kausale Therapie von Typ 2 Diabetes. Der geschlossene Vertrag hat zwei
Aspekte:
• Verkauf von Vermögenswerten (geistiges
Eigentum) eines Projekts in der Wirkstoffoptimierungsphase
• Kooperationsvereinbarung über weitere
Entdeckungs- und Entwicklungsarbeiten in
diesem Feld
Carsten Dehning,
CFO DeveloGen AG, Göttingen
DeveloGen – Innovation in F&E
Forschung und Entwicklung in den frühen
Phasen der Wertschöpfungskette geht einher mit hohen Ausfallrisiken. Andererseits
ist ohne frühe Forschung keine echte Innovation möglich. Dies gilt im besonderen Maße
für die Entwicklung neuartiger pharmazeutischer Therapien, wo nur bahnbrechende
Erfindungen einen wirklichen Fortschritt in
der Behandlung von Patienten bewirken
können. Die DeveloGen AG ist ein biopharmazeutisches Unternehmen, das sich auf die
Erforschung und Entwicklung neuartiger
Therapien zur Behandlung von Stoffwechselerkrankungen spezialisiert hat. Insbesondere
im Bereich neuer Therapien für Diabetes
mellitus besitzt DeveloGen eine einzigartige
Ansammlung von innovativen Ansätzen und
Know-how, die internationale Anerkennung
finden. Viele dieser Therapieansätze zielen
darauf, die ursächlichen Mechanismen der
Krankheit anzugehen, sie quasi an der Wurzel zu packen – und das in einem der größten
Krankheitsmärkte mit seit Jahren stark steigenden Patientenzahlen und explodierenden
Krankheitsfolgekosten. Das Umsatzpotenzial
solcher Therapien liegt in Bereichen deutlich
über eine Milliarde Euro jährlich.
Sorgfältige Auswahl des Partners
Der Vertrag stellt einen wichtigen Meilenstein
in der Entwicklung der Gesellschaft dar. Mit
Unterzeichnung ist es gelungen, ein international renommiertes Unternehmen der
pharmazeutischen Industrie von den bei
DeveloGen verfolgten innovativen Ansätzen
zu überzeugen. Wichtiges Auswahlkriterium
bei der Suche nach einem geeigneten Partner
sind neben der Entwicklungs-, Vermarktungsund allgemeinen Finanzkraft vor allem das erklärte langfristige Engagement des Partners.
Finanzierung durch Partnerschaften
Finanziell bedeutet dieser Vertrag für die
Gesellschaft:
• Vorabzahlung bei Vertragsabschluss
• meilensteinbezogene Zahlungszuflüsse
• spätere finanzielle Partizipation an Umsätzen
Validierung durch Partner
Neben den finanziellen Aspekten ist die durch
die Transaktion erfolgte Validierung des Geschäftsmodells und des Know-hows in der
Außenwirkung nicht zu unterschätzen. Die
Kollaboration beinhaltet neben dem Transfer
des Projektes auch substanzielle Arbeiten in
den Laboren von DeveloGen. Der Partner
bekommt so weiter Zugriff auf das angesammelte Know-how. Intern erlangt die Organisation wertvolle Erfahrung für das bei
DeveloGen betriebene Servicegeschäft im
Bereich in–vitro- und in-vivo-Pharmakologie.
Neue Allianzen – der Schlüssel zum Erfolg
Im Mai 2009 verkündeten Boehringer Ingelheim und DeveloGen eine Zusammenarbeit
u. a. im Bereich Diabetes. Basis des Vertrages sind das bei DeveloGen gebündelte
Flexible Vertragsgestaltung insbesondere
bei Frühphasenprojekten
Das „Vermarkten“ eines Projektes weit vor
dem Start klinischer Tests ist ein sensibler
Balanceakt für beide Vertragsparteien. Aus
Sicht von DeveloGen werden frühzeitig hohe
Wertentwicklungspotenziale aufgegeben bzw.
geteilt. Gleichzeitig führt dies aber ebenso
zu einer Teilung der technischen und wirtschaftlichen Risiken, welche fortan zum Großteil der Partner trägt. Ein Vertrag dieser
46
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Größenordnung in diesem Entwicklungsstadium ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Das Alleinstellungsmerkmal
des aus dem Projekt resultierenden Produktes muss einzigartig sein. Dies kann nur durch
einen hohen Grad an Innovation erreicht
werden. Nur für ein einzigartiges Produktprofil ergeben sich später herausragende
Vermarktungschancen.
Wegen der dem Entwicklungsstadium geschuldeten Unsicherheit in Bezug auf insbesondere technische Risiken ist die flexible
Vertragsgestaltung von Bedeutung. Sie muss
dem mit fortschreitendem Entwicklungsstand schrittweise verminderten Risiko und
erhöhtem Wert des Projektes gerecht werden.
Innovative Vertragsstrukturen, die beide
Seiten betrachten, helfen hierbei. Zur Auswahl stehen Möglichkeiten der Gewährung
von Lizenzen, der Eigentumsübertragung
von Vermögenswerten bis hin zu M&ATransaktionen oder einer Kombination aus
Eigentumsübertragung und M&A (Reverse
Asset Deal), jeweils ergänzt durch kollaborative Elemente. Die Unterschiede in der
Vertragsstruktur haben auch Auswirkung
auf die finanziellen Interessen der Kapitalgeber, insbesondere im Hinblick auf einen von
VC-Investoren bevorzugten Exit. Auch hier
gibt es Kombinationsmöglichkeiten, beispielsweise durch die Ausgestaltung von
strukturierten M&A-Transaktionen mit Hilfe
von „Put-and-Call“-Optionen. Im Detail ergeben sich Fragen bilanzieller und steuerlicher Natur, Sorgfalts- und Treuepflichten,
Kündigungs- und Rückübertragungsrechte
und -pflichten sowie Auswirkungen in Bezug
auf Transaktionskosten. In jedem Fall steht
bei DeveloGen aber das partnerschaftliche
Verhältnis im Vordergrund. Denn kein Vertrag kann eine gute Partnerschaft ersetzen
oder retten.
Fazit
Die klare Fokussierung auf die Erforschung
innovativer Therapien in einem attraktiven
Indikationsfeld (Stoffwechselerkrankungen;
speziell Diabetes) ermöglicht DeveloGen, als
Wettbewerber auf Augenhöhe mit globalen,
großen Unternehmen zu agieren. Ein zielorientierter Ansatz in der Auswahl der Projekte
sowie in der Vermarktung der F&E-Ergebnisse gewährleistet den effizienten Einsatz
finanzieller und personeller Ressourcen.
www.develogen.com
Transaktionen
Tabelle 4-1:
Ausgewählte Allianzen deutscher Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl)
Firma
Partner
Land Art
Datum
Potenzieller
Gegenstand
Wert (Mio. €)
DeveloGen
Boehringer
Ingelheim
D
Pharma
13. Mai
244
Projektbezogenes Kauf- und Kooperationsabkommen
zwischen Boehringer Ingelheim und DeveloGen im Bereich
Diabetes, Fettleibigkeit und metabolisches Syndrom
Evotec
Roche
CH
Pharma
9. März
170
Klinische Entwicklung der Produktkandidaten EVT 101 und
EVT 103 in der Verantwortlichkeit von Evotec und finanziert
durch Roche
Wilex
UCB
B
Pharma
9. Jan.
20
Übernahme der weltweiten Rechte zur Weiterentwicklung
des präklinischen Onkologie-Portfolios von UCB durch Wilex
sowie Sicherung einer Eigenkapitalzulage für Wilex
Evotec
Boehringer
Ingelheim
D
Pharma
9. Nov.
mind. 15
Verlängerung der bestehenden Forschungsallianz um weitere
vier Jahre und Ausweitung auf den Bereich Onkologie
Pieris
Allergan
US
Biotech
15. Sept.
mind. 7
Entdeckung und Entwicklung von Anticalin-Therapeutika
im Bereich der Augenheilkunde basierend auf Pieris‘ proprietärer Anticalin-Technologie
Quelle: Ernst & Young, 2010
lungsarbeiten und sicherte durch Meilensteine und spätere Umsatzbeteiligung den
Fortbestand von DeveloGens Forschungsbeteiligung an diesem Projekt. Denn durch
die Übernahme des Großteils an technischem
und wirtschaftlichem Risiko hält der Pharmapartner dem kleineren Biotechpartner den
Rücken frei, profitiert von dessen Knowhow und innovativen Ansätzen und steuert
durch das frühe Mitwirken in der Wertschöpfungskette hohe Entwicklungspotenziale an. Als Treiber dieser Allianz zwischen
DeveloGen und Boehringer Ingelheim können
nachfolgende Faktoren gesehen werden:
•► Potenzial einer multiindikativen Entwicklung auf Basis eines innovativen Wirkstofftargets
•► Fundiertes Wissen und Expertise insbesondere auf dem Gebiet Diabetes seitens des
Biotechunternehmens
•► Aufstockung und Komplementierung des
aus fortgeschrittenen Entwicklungskandidaten bestehenden Portfolios mittels früher
Entwicklungskandidaten seitens des Pharmaunternehmens
Die Transaktion zwischen DeveloGen und
Boehringer Ingelheim versetzte DeveloGen
in die Lage, mit einem frühen Entwicklungsprogramm ad hoc frisches Kapital in Höhe
von sieben Millionen Euro zu generieren.
Allerdings kam es nachgelagert zur Zahlung
einer Umsatzbeteiligung in Höhe von 1,8
Millionen Euro an Evotec, da die dem Deal
zugrunde liegende Zielstruktur aus einem
Joint Venture mit diesem Unternehmen
resultierte. Bei der Auflösung des Joint
Ventures hatte sich Evotec Rechte vorbehalten, an allen zukünftigen Umsätzen zu partizipieren. Inwieweit der Allianztyp „Projektverkauf“ als Win-Win-Modell für beide Seiten,
die Biotech- und die Pharmaindustrie, sowie
als „trade-sale“-/Exitoption für Investoren
zukünftig Eingang in die Strategie von Biotechunternehmen finden wird, bleibt zu
beobachten.
Der Dealabschluss zwischen Evotec und
dem Schweizer Pharmaunternehmen Roche
baut auf einer langjährigen Allianz- und Kooperationshistorie auf. Gegenstand ist eine
Regelung zur Verantwortlichkeit und Finanzierung der weiteren klinischen Entwicklung
einzelner Wirkstoffkandidaten aus der EVT100-Familie.
Zudem wurden die Modalitäten angepasst,
die für die Rückkaufoption der gesamten
Wirkstoffkandidatenfamilie durch Roche
gelten sollen. Der Grundstein zu dieser Kooperation wurde im März 2005 gelegt, als
Evotec Neurosciences, eine Tochtergesellschaft von Evotec, eine exklusive Lizenz zur
Entwicklung und Vermarktung eines um-
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
fangreichen Patentportfolios, auf dem die
EVT100-Produktfamilie basiert, erworben
hatte. Roche hatte sich dabei die Rechte
eines späteren Rückkaufs vorbehalten. In der
Zwischenzeit hat Evotec den ursprünglich
von Roche entdeckten Wirkstoffkandidaten
EVT101 präklinisch und klinisch bis zur
Phase I vorangetrieben. Der nächste Schritt
sind Phase-II-Studien. Für die Nachfolgesubstanz EVT103 wurden zudem alle vorbereitenden Studien für einen IND-Antrag
abgeschlossen, um anschließend Phase-IStudien durchführen zu können.
Interessanterweise übernimmt Roche nicht an
dieser Stelle die weitere klinische Entwicklung, sondern belässt die Verantwortung
dafür bei dem Biotechunternehmen und
verpflichtet sich darüber hinaus, die vereinbarten Entwicklungsprogramme vollständig
zu finanzieren. Erst nach einem erfolgreichen
Phase-II-Abschluss wird sich entscheiden, ob
Roche die Rückkaufoption ausübt und von
wem die weiter anstehende Entwicklung
daraufhin betrieben wird.
Wenn auch unterschiedlich motiviert, setzt
die Fortführung dieser Allianz auf einem
starken beidseitigen Interesse auf. Evotec
konnte aufgrund der bis dato erreichten
erfolgreichen Entwicklung die gestärkte
Verhandlungsposition für eine Verbesserung
47
Transaktionen
der Vertragskonditionen nutzen. Durch die
Finanzierung der klinischen Programme
seitens Roche ist die Entwicklung bis zum
Ende der Phase II gesichert. Die Gebühr für
die Rückkaufoption spült aktuell frische
Kapitalmittel in Höhe von 10 Millionen USDollar (7,2 Millionen Euro) ins Unternehmen. Für Roche wird das eigene Risiko zum
jetzigen Zeitpunkt abgefedert. Trotzdem
wird im Sinne der F&E-Produktivität ein Programm, dessen Entwicklung intern nicht
vorgesehen war, für eventuell geringere
Kosten außer Haus weitergeführt, und der
Zugriff auf ein potenziell erfolgreiches
Phase-II-Produkt bleibt vorhanden.
Erwartungsgemäß werden Allianzen mit
dem Bestandteil „Rückkaufoption“ zukünftig noch stärker als derzeit stattfinden.
Es bleibt zu verfolgen, ob im Zuge der Konzentration auf Kernkompetenzen und des
derzeitigen Abbaus von F&E-Kapazitäten bei
Pharmaunternehmen in den folgenden Jahren weitere Allianzen entsprechend diesem
Modell stattfinden werden.
Optiondeals
Auf jeden Fall wird davon ausgegangen, dass
Optionsvereinbarungen sowohl in ihrer
Bedeutung als auch in Folge davon in ihrer
Anzahl signifikant zunehmen werden. Diese
Form der Kooperation wird bereits als „Dealtyp der Zukunft“ gehandelt, da er die Interessen beider Industrien, Pharma wie Biotech, zusammenbringt.
Auch Bayer Schering Pharma greift auf
diesen Deal-Typ zurück, um in schwierigen
Zeiten auch weiterhin innovative, erfolgBei dem dritten Beispiel handelt es sich
reiche Partnerschaften voranzubringen. Die
ebenfalls um eine strategische Allianz mit
flexiblen Vertragsstrukturen erlauben IndiviModellcharakter. Bei dieser Transaktion
dualität bei Allianzabschluss und verteilen
übernahm das Biotechunternehmen Wilex
die weltweiten Rechte zur Weiterentwicklung das Risiko besser, wie im nachfolgenden
des gesamten präklinischen onkologischen Artikel erläutert wird.
Portfolios des belgischen PharmaunterSo kann ein Pharmaunternehmen, bevor
nehmens UCB. Im Gegensatz zu einer üblichen Akquisition verpflichtete sich UCB als es sich fest bindet, durch die Übernahme –
oftmals geringerer – F&E-Kosten ein BiotechVerkäufer, zusätzlich zwei kurzfristig zu
unternehmen darin unterstützen, ein frühes
erreichende Meilensteinzahlungen à fünf
Millionen Euro an Wilex zu zahlen. Darüber Produkt weiterzubringen und sich temporär
eine Option an dieser Entwicklung sichern.
hinaus beteiligte sich UCB an Wilex über
den Kauf von Aktien im Wert von 10 Millio- Für das Biotechunternehmen ist es eine willnen Euro und verfügt damit über 13,2 % der kommene und kreative Möglichkeit, vorab
Unternehmensanteile. Des Weiteren behielt an Geldmittel zu kommen; auch wenn sich
UCB das Exklusivrecht, jedes der Programme ihre Entwicklung noch in einer frühen Phase
befindet, in der das Pharmaunternehmen in
nach Abschluss erster klinischer Machbarkeitsstudien zurückzukaufen, um es weiter der Vergangenheit noch nicht eingestiegen
wäre. Als Konsequenz ergibt sich eine Winzu entwickeln.
Win-Situation für beide Seiten:
Im Ergebnis hat Wilex seine weit gereifte
Pipeline durch eine Nachfolgegeneration er- Biotech
gänzt und ausgeweitet sowie sich die kurz- • Wertschätzung des Projektes wird bereits
mit Abschluss der Optionsvereinbarung
fristige Finanzierung und einen langfristig
erkennbar und publizierbar
orientierten, strategischen Investor gesichert.
• Weiterentwicklung und damit Wertsteigerung des Produktes ist gesichert
UCB hingegen kann anstelle eines vollkommenen Verlusts kostengünstiger deinvestie- • Vorübergehende Finanzierung der F&Eren und refokussieren. Trotz Externalisierung Aktivitäten ist gewährleistet
von F&E bleiben dem Pharmaunternehmen •► Finanzielle Engpässe können überbrückt
werden
Zugriffsrechte auf die Entwicklungen erhalten. Zusätzlich kann UCB auf das Know-how •► Durch das Aushandeln der Vertragsbedingungen werden Wert und Bereitschaft
und die Erfahrungen von Wilex, die das Bioschon zu Beginn festgehalten
techunternehmen bereits im Voranbringen
von frühen onkologischen Entwicklungskandidaten demonstriert hat, bauen.
48
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Pharma
•► Mit vergleichsweise geringen Optionsgebühren kann Innovation frühzeitig gesichert werden
• Eine Validierung ist möglich, um eine passende Integration in das eigene Portfolio
anschließen zu können
• Falls die Validierung negativ ausfällt, sind
die eingesetzten Kosten geringer als diejenigen, die intern anfallen würden
• Eigenes Risiko wird klein gehalten
• Durch Externalisierung kann auf zusätzliche Expertise wie auch Human Resources
zugegriffen werden
Zudem ermöglicht dieser anfangs temporäre Allianztyp längere Kennenlern-Möglichkeiten, die deutlich über eine Due Diligence
hinausgehen. Erfolgreiche Allianzen fußen
in einem hohen Maß auf gegenseitigem
Vertrauen. Dies wird v. a. durch offene und
regelmäßige Kommunikation, gegenseitigen
Wissensaustausch und ein effektives
Allianzmanagement geschaffen. Allianzmanagement ist ein lebendiger Prozess,
welcher einer vorher festgelegten Strategie
folgt und in dem die Partner fortlaufend
voneinander lernen und die Geschäftsbeziehung sowie damit auch deren „Outcome“ optimieren. Annette Schulz von Ernst & Young
geht dazu näher ins Detail und erklärt die
Facetten eines erfolgreichen Allianzmanagements.
Ein jedoch nicht zu unterschätzender Nachteil
für das Biotechunternehmen kann dann
entstehen, wenn das Pharmaunternehmen
aus nicht ersichtlichen Gründen die Option
nicht ausübt. In diesem Fall verringern sich
die Chancen, mit anderen Partnern ins Geschäft zu kommen. Während in Deutschland als klassischer Optionsdeal die Vereinbarung zwischen ProBioGen und Sanofi
Pasteur bezüglich der Nutzung der AGE1.CRZelllinie zu nennen ist, wird dieser Allianztyp in Europa wesentlich ausgeprägter genutzt. Wie anhand der ausgewählten Optionsvereinbarungen ersichtlich wird, können
neben den sofortigen oft geringen Optionsgebühren bei späterer Ausübung der Option
sehr hohe Transaktionsvolumina fällig
werden. Die Auswahl zeigt ebenfalls einen
regen Gebrauch dieses Dealtyps durch die
Top-Pharmaunternehmen.
Transaktionen
Tabelle 4-2:
Options-Vereinbarungen europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl)
Firma
Land
Partner
Datum
Potenzieller
Gegenstand
Wert (Mio. €)
Chroma
Therapeutics
UK
GlaxoSmithKline
23. Juni
725
Entwicklung von gegen Makrophagen gerichteten Wirksubstanzen unter Einsatz von Chromas proprietärer Esterasesensitiven-Motif(ESM)-Technologie; vier Programme von
der Entdeckung bis zum Abschluss des „Proof of Concepts“
in Kooperation mit GSKs Centre of Excellence for External
Drug Discovery; Investment von GSK in Chromas Serie-DFinanzierung; Option auf die einzelnen Programme
Prosensa
Niederlande
GlaxoSmithKline
13. Oktober
481
Lizenznahme der weltweiten Rechte für Prosensas RNAbasierte Leitsubstanz PRO051; Vorbereitung der Phase III;
Option auf drei weitere RNA-basierte Programme, u. a.
PRO044, in Kooperation mit GSKs Centre of Excellence
for External Drug Discovery
Oxford BioTherapeutics
UK
GlaxoSmithKline
18. Mai
266
Entwicklung therapeutischer Tumor-Antikörper durch
GSK gegen Zielstrukturen, die von Oxford BioTherapeutics
anhand der OGAP®-proteomic-Datenbank identifiziert
wurden; Option auf einen Antikörper, den OBT in Eigenregie parallel bis zum „Proof of Concept“ weiterentwickelt
NeuroSearch
Dänemark
Eli Lilly & Co
17. Februar
252
Entwicklung von ZNS-Therapeutika basierend auf
definierten Ionenkanälen als Zielstruktur; NeuroSearch
verantwortlich für Entdeckung und möglicherweise frühe
Entwicklung; Optionsrecht von Eli Lilly auf individuelle
Wirkstoffkandidaten
Galapagos
Belgien
Merck & Co.
20. April
195
Entdeckung und präklinische Entwicklung von niedermolekularen Wirkstoffen zur Behandlung von entzündlichen
Erkrankungen durch Galapagos, gerichtet gegen Zielstrukturen, die mittels SilenceSelect®-target-discovery-Plattform entdeckt werden; Option auf Kauf der Lizenzrechte
durch Merck & Co
Galapagos
Belgien
Merck & Co.
9. Januar
172
Entdeckung und präklinische Entwicklung von niedermolekularen Wirkstoffen zur Behandlung von Fettsucht und
Diabetes durch Galapagos, gerichtet gegen Zielstrukturen, die mittels SilenceSelect®-target-discovery-Plattform entdeckt werden; Option auf Kauf der Lizenzrechte
durch Merck & Co
Vernalis
UK
GlaxoSmithKline
6. August
148
Entdeckung neuer Kandidaten unter Anwendung der
Structure-Based-Drug-Design-Technologie von Vernalis;
Risk-sharing Agreement; Vernalis verantwortlich für Identifizierung, GSK für präklinische Entwicklung der potenziellen Kandidaten
Quelle: Ernst & Young, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
49
Zugang zu Innovationen durch erfolgreiche Partnerschaften
und flexible Vertragsstrukturen
Ein hoch qualifiziertes Team ist dafür kontinuierlich auf der Suche nach neuen Partnern. Bayer Schering Pharma zeichnet dabei
aus, dass wir bereits in frühen Phasen der
Entwicklung – in der Forschung und Präklinik –
bemüht sind, Partnerschaften aufzubauen.
Das Team unseres „Office of Technology“
hat sich darauf spezialisiert, frühe Forschungsprojekte für innovative therapeutische Ansätze und vielversprechende Technologien
zu identifizieren und Kooperationen aufzubauen.
Dr. Michael Yeomans,
Leiter Global Business Development &
Licensing Bayer Schering Pharma AG,
Berlin
Bayer Schering Pharma ist ein weltweit
führendes Spezial-Pharmaunternehmen,
dessen Geschäftsaktivitäten sich auf die
Bereiche Diagnostische Bildgebung, General
Medicine, Specialty Medicine und Women’s
Healthcare konzentrieren. Bayer Schering
Pharma setzt auf Innovationen, um mit
neuartigen Produkten einen Beitrag zum
medizinischen Fortschritt zu leisten und die
Lebensqualität der Menschen zu verbessern.
Die Forschung des Unternehmens konzentriert sich auf Bereiche mit hohem medizinischem Bedarf in der Onkologie, Kardiologie & Hämatologie, Frauengesundheit und
der Diagnostischen Bildgebung.
Innovation und Erfolg mit exzellenten
Partnern
Ein wichtiger Aspekt unserer Strategie ist
die Zusammenarbeit mit externen Partnern
aus Wissenschaft und Industrie, die über
Spezialwissen verfügen und sich gemeinsam
mit uns den Herausforderungen der Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte
stellen wollen. Im Rahmen unseres globalen
Netzwerks arbeiten wir in allen Phasen der
Wertschöpfung – von Forschung über Entwicklung und Produktion bis zur Vermarktung – mit unseren Partnern zusammen.
50
Uns ist es wichtig, bei jeder Partnerschaft
individuell vorzugehen. Deshalb arbeiten wir
nicht mit Standard-Konditionen, sondern
sind flexibel beispielsweise in Bezug auf Vertragsstrukturen. Wir wollen echte Partnerschaften, in denen beide Seiten sich entfalten
und wir gemeinsam erfolgreich sein können.
Deshalb wird jede Partnerschaft nach Vertragsabschluss durch einen Alliance-Manager
begleitet, der sich für das ihm anvertraute
Projekt engagiert einsetzt.
Flexible Vertragsstrukturen in Zeiten
wirtschaftlicher Krise
Mit Blick auf die Wirtschaftskrise lässt sich
feststellen, dass der Markt selektiver geworden ist, und es ist zu beobachten, dass sich
immer mehr kreativere Vertragsstrukturen
durchsetzen, die oft eine Risikodiversifizierung zum Ziel haben.
Die nun verstärkt zu beobachtenden Optionsverträge sind dabei nicht neu; vor 10 bis 15
Jahren waren sie sogar weit verbreitet. Während der Hochzeiten der Biotechbranche
waren die kleineren Firmen dann nicht mehr
darauf angewiesen und schlossen bevorzugt
direkte Lizenzverträge ab. Erst mit dem
Einbruch der Weltwirtschaft und der daraus
resultierenden eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten der letzten zwei Jahre
wurde diese Art von Verträgen auch für Biotechfirmen wieder attraktiv.
Bayer Schering Pharma konnte im vergangenen Jahr diverse Verträge abschließen,
darunter auch Optionsverträge. Optionsverträge bieten in unseren Augen eine hervorragende Möglichkeit, schnell und schon sehr
früh in vielversprechende Projekte einzusteigen und sich gleichzeitig das Risiko eines
Fehlschlags mit dem Partner und dessen
Finanziers zu teilen. Der Partner erhält die
Gelegenheit, unter guten finanziellen Bedin-
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
gungen sein Projekt weiterzuentwickeln,
was bei erfolgreichem Abschluss dann in der
Optionsausübung und weiterer Finanzierung
resultiert.
Beispiel Micromet: eine Win-WinSituation für beide Partner
Bayer Schering Pharma hatte Anfang 2009
eine Exklusivoption mit dem biopharmazeutischen Unternehmen Micromet für eine Kooperations- und Lizenzvereinbarung unterschrieben. Noch im gleichen Jahr, nach
Erreichen eines bestimmten Meilensteins,
wurde die Option durch das Unternehmen
ausgeübt und die nun gemeinsame Entwicklung eines spezifischen BiTE-Antikörpers zur
Behandlung solider Tumore begonnen.
Micromet erhielt sowohl zum Zeitpunkt des
Optionsvertrages als auch bei Optionsausübung eine Gebühr. Neben Ausgleichszahlungen für den Entwicklungsaufwand wird
Micromet zukünftig meilensteinabhängige
Zahlungen und gestaffelte Lizenzgebühren
je nach Umsatz erhalten.
Mit den BiTE-Antikörpern von Micromet
konnte Bayer Schering Pharma einen vielversprechenden Ansatz in sein onkologisches Entwicklungsportfolio aufnehmen
und zudem die strategische Ausrichtung
des Unternehmens hervorragend stärken,
welches sich künftig noch mehr auf die
Biologika-Entwicklung konzentrieren will.
Mit ähnlicher Zielsetzung wurde bereits
2008 das Biotechunternehmen DIREVO gekauft, welches sich auf die Identifizierung
und Optimierung von biologisch-pharmazeutischen Wirkstoffen spezialisiert hatte.
Die Ergänzung unserer Fachkompetenz
durch den Aufbau langfristiger Beziehungen
zu innovativen Partnern aus Wissenschaft
und Industrie ist ein wesentliches Element
unserer Strategie, und wir glauben, dass
die Zusammenführung wissenschaftlicher
Expertise aus unterschiedlichen Disziplinen
und Kulturen entscheidend ist für Innovation
und Erfolg im Dienste des Patienten:
Science For A Better Life.
www.bayerscheringpharma.de
Allianzmanagement: Erfolgreiche Strategien für
Allianzen und Partnerschaften
Allianzstrategie entwickeln
Allianzmanagement beginnt mit der Definition der Allianzstrategie, die aus der Unternehmensstrategie abgeleitet wird. Mit Hilfe
von Market- und Technology-Intelligence
sowie Unternehmensanalysen wird herausgearbeitet, in welchen Formen, Inhalten,
geographischen und zeitlichen Gegebenheiten und in welchem Umfang Allianzen
sinnvoll sind. Es gilt sowohl herauszufinden,
was die organisatorischen Motivationen für
Allianzen sind, als auch die Eckpfeiler und
grundsätzlichen Ziele festzulegen.
Annette Schulz,
Ernst & Young GmbH, Eschborn
Allianzmanagement
Unternehmen des gesamten Life-ScienceSektors geben jährlich hunderte Millionen
US-Dollar aus, um die Stärken anderer Firmen
zu nutzen – Tendenz steigend. Mehr denn
je liegen viele Fähigkeiten und Ressourcen,
die für die Zukunft eines Unternehmens
entscheidend sind, außerhalb der eigenen
Unternehmensgrenzen.
Allianzmanagement ist ein wichtiger Teil
dieser Partnerschaften. Aber genau an dieser
Stelle scheitern auch viele Vorhaben. Zu
den Gründen zählen Managementstile, kulturelle Unterschiede und entgegengesetzte
Erwartungen. Unternehmen, die in Zukunft
verstärkt Partnerschaften eingehen, müssen
neue Fähigkeiten im Bereich des Allianzmanagements entwickeln.
Ernst & Young hat diese Aspekte aufgegriffen
und in einem Lösungsansatz abgebildet. Wir
haben ein integriertes Modell und Framework
entwickelt, dass die vielen Facetten und Disziplinen, die für den Umgang von Allianzen
nötig sind, beinhaltet. Dies soll Unternehmen
helfen, bessere und dauerhafte Allianzerfolge zu realisieren. Folgende aufeinander
abgestimmte Bereiche bilden das Gerüst
eines erfolgreichen Allianzmanagements:
• Allianzstrategie
• Allianzdesign, unterteilt in Findungs- und
Verhandlungsphase
• Allianzmanagement
Das richtige Allianzdesign wählen
In der Findungsphase werden, abgeleitet
aus der Allianzstrategie, geeignete Partner
identifiziert und mit professionellen Screening-Methoden die passenden Partner herausgefiltert. Selektionsverfahren wurden
entwickelt, die entscheidende Charakteristika
beachten, durch die ein strategischer, operativer und unternehmenskultureller „Fit“ der
Partner gewährleistet wird. Der folgenden
Due Diligence des zukünftigen Partners wird
besondere Wichtigkeit zugeschrieben, da
sich hier herausstellt, ob der potenzielle
Partner wirklich den erwarteten Input in die
Geschäftsbeziehung einbringen kann.
In der Verhandlungsphase kommt es zu Gesprächen und Verhandlungen mit potenziellen Partnern. Es gilt grundlegende Dinge
zu beachten, die entscheidend den Erfolg
einer Partnerschaft ausmachen: Festlegung
der Richtung der Allianz, Art und Anzahl der
Wertschöpfungsaktivitäten, Bindungsintensität, Zeithorizont, Ressourcenzuteilung,
Formalisierungsgrad und Governance-Strukturen. Einfache und klare Ziele zu definieren
und die Erwartungen in Einklang zu bringen,
sind zwei der wesentlichen Erfolgsfaktoren.
Zielorientiertes Allianzmanagement
einrichten
Nach den zwei ersten Phasen der Festlegung
der Strategie und des Designs wird die Partnerschaft konkret im zielorientierten Allianzmanagement angegangen und auf verschiedenen Ebenen optimiert.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Ausrichtung der Organisation:
Um eine Allianz erfolgreich zu gestalten,
muss die Organisation angepasst werden.
Ziel ist es, die Allianzen bzw. das Portfolio
der Allianzen und Partnerschaften proaktiv
zu managen, Beziehungen aufzubauen und
zu festigen. Klare Verantwortlichkeiten
helfen, Konflikte rechtzeitig zu beheben, das
volle Potenzial der Allianz auszuschöpfen
und Misserfolge zu reduzieren.
Strukturierte Allianzprozesse:
Klar strukturierte Allianzprozesse mit Phasen
für die Anbahnung und Durchführung von
Allianzen sind unerlässlich. Diese können als
Grobfahrplan und Orientierungshilfe dienen.
Erprobte und unterstützende Werkzeuge
können je nach Phase der Optimierung des
Allianzmanagements dienen.
Allianzführung:
Ein starkes Sponsorship durch das TopManagement spielt bei der nachhaltigen
Etablierung der Allianz eine entscheidende
Rolle.
Kultur, Vertrauen, Kommunikation
entwickeln:
Unternehmen, die Allianzen erfolgreich
praktizieren, schaffen ein hohes Maß an
Vertrauen beim Partner, stellen einen effektiven und effizienten Wissensaustausch
zwischen den Partnern sicher, kommunizieren offen und regelmäßig und lernen bewusst.
Performance Management:
Ein fortlaufendes Management von Allianzen erfordert eine kontinuierliche Erfolgskontrolle. Erst das Messen des Zielerreichungsgrades sowie des Beitrages zum
Unternehmenserfolg einer jeden Allianz
ermöglicht eine ständige Verbesserung und
Überprüfung der Allianzstrategie, z. B. mit
Hilfe von Balanced Scorecards.
Fazit
Das Marktumfeld von Biotechunternehmen
verändert sich mit zunehmender Geschwindigkeit. Unternehmen können sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, wenn sie die
Fähigkeiten, Allianzen und Partnerschaften
zu managen, entwickeln und weiter ausbauen. Halten Sie Ihre Augen offen, seien Sie
bereit zuzuhören, und schaffen Sie Partnerschaften, die neue Ideen hervorbringen!
51
Transaktionen
Entwicklungen bei den Fusionen und
Übernahmen
Fusionen und Übernahmen spielten 2009 in
Summe eine untergeordnete Rolle. So fiel
deren Anzahl unter die Hälfte des Vorjahres.
Zudem sank das erzielte publizierte Gesamtvolumen unter 60 Millionen Euro, was einen
horrenden Einbruch im Vergleich zur Gesamtsumme von rund 800 Millionen Euro im
Jahr 2008 manifestiert.
In der nachfolgenden Abbildung ist jeweils
das deutsche Biotechunternehmen der Käufer- bzw. der Verkäuferseite zugeteilt. Die
Farbgebung gibt Auskunft darüber, welche
regionale Zugehörigkeit der jeweilige Transaktionspartner aufweist. Auffallend ist, dass
die deutsche Biotechindustrie diese Art von
Finanzierungsinstrument 2009 – insbesondere im Vergleich zum Jahr zuvor – nicht zu
nutzen wusste. Vielmehr traten die deutschen Biotechunternehmen als Käufer auf,
um über Teilakquisitionen Anteile oder
Assets mit einem durchschnittlichen Wert von
2,8 Millionen Euro zu erstehen. Einzig die
Fusion zwischen GPC Biotech und Agennix
schlug mit einem größeren Volumen von
46 Millionen Euro zu Buche.
52
Abbildung 4-2:
Fusionen und Übernahmen deutscher Biotechunternehmen
im Jahresvergleich und die regionale Verteilung der Partner
Käufer
Verkäufer
1 2
2009
1
1 2
2008
4 1 1
1 1
2007
2
2006
2
2
3 1
4
1 1
2005
10
Deutschland
5
7
0
Europa
5 1
5
USA
10
4 1
15
20
Asien
Quelle: Ernst & Young, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Analyse: Transaktionen
Analyse der Allianztypen
Die nachfolgende Analyse der Allianzen ist
vor allem darauf ausgerichtet, Entwicklungen deutscher Biotechunternehmen im
Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise
(2007 bis 2009) zu verfolgen. Darüber
hinaus wird gleichzeitig der Vergleich mit
dem europäischen Umfeld im Jahr 2009
unter die Lupe genommen.
Die Verteilung der Allianztypen macht deutlich: Im Vergleich der Jahre 2007 und 2009
sank in Deutschland der Prozentsatz an
Kooperationen von 41 % auf 37 %, während
die Serviceaufträge von 20 % auf 23 % anstiegen.
Im Dienstleistungssektor zeigt sich, dass im
Jahr 2009 insbesondere Services im Bereich
der frühen Wirkstoffentwicklung wie das Auffinden von Zielstrukturen, die Strukturaufklärung von bekannten Zielstrukturen sowie
die Entdeckung von Leitsubstanzen nachgefragt wurden. Biotechunternehmen wie
Cenix BioScience, Graffinity Pharmaceuticals
und Proteros, die diese Services unter Einsatz
ihrer Methoden und Technologien anbieten,
waren daher bevorzugte Partner von Pharma- und Biotechunternehmen und konnten
jeweils mehr als nur einen Deal eingehen.
Betrachtet man die Entwicklung innerhalb
der Allianzen generell unter dem Aspekt der
Erschließung „alternativer Finanzierungsquellen“ und der Bündelung von Stärken in
Krisenzeiten, sind verschiedene Ausprägungen zu beobachten.
Abbildung 4-3:
Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Typ
Deutschland 2007
Deutschland 2009
2 %
Europa 2009
4 %
8 %
20 %
11 %
23 %
37 %
42 %
41 %
39 %
37 %
Kooperation
36 %
Lizenzierung
Service
Produkt-/Asset-Kauf
Quelle: Ernst & Young, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
53
Transaktionen
Kooperation in Konsortien
Im Sinne der Einwerbung von Kapital spielt
verstärkt die Bildung von Konsortien eine
Rolle. Durch die öffentliche Hand gefördert,
wird hier die Zusammenarbeit zwischen
akademischen Einrichtungen, kleineren
Life-Science-Unternehmen und der pharmazeutischen Industrie forciert. Biotechunternehmen profitieren dabei sowohl von der
Finanzierungskomponente als auch von der
Gelegenheit, Zugang zu Pharmaunternehmen
zu erhalten und in eine sich über mehrere
Jahre erstreckende Zusammenarbeit zu
treten. Ein Beispiel ist die Forschungskooperation von Affimed Therapeutics innerhalb der „Technologie-Initiative Molekulare
Bildgebung“, die vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung (BMBF) ins
Leben gerufen wurde und die u. a. die Entwicklung von neuen diagnostischen Methoden
zum Ziel hat. Innerhalb eines Konsortiums,
bestehend aus dem Pharmaunternehmen
Bayer Schering Pharma, dem deutschen
Krebsforschungszentrum (DKFZ)und
weiteren Partnern, ist das Biotechunternehmen dafür verantwortlich, neue Moleküle,
die an membranassoziierte Zielstrukturen
bei Tumorgeweben binden, zu identifizieren
und zu isolieren. Innerhalb dieses Verbundprojektes ist es Affimed Therapeutics möglich, für die anstehenden Arbeiten eine
Gesamtfördersumme von 550.000 Euro zu
erhalten.
Service- / Technologieverbund
tragsforschung GVK Bioscience und das
deutsche Biotechunternehmen Crelux eine
Fragment-basierte Drug-Discovery-Plattform an, um alle Entwicklungsphasen vom
Zielmolekül bis zu neuen Wirkstoffkandidaten bedienen zu können. Während Crelux
insbesondere über Wissen in der Strukturaufklärung von Zielmolekül- / Wirkstoffkomplexen verfügt, steuert GVK Bioscience
neben einer ausgereiften computerunterstützten Wirkstoff-Design(CADD)-Technologie die gesamte Servicepalette von chemischer Synthese und biologischer Validierung
von Wirkstoffkandidaten bei.
Um ebenfalls ihr Serviceangebot zu erweitern, haben der deutsche Auftragshersteller
InVivo BioTech sowie der in Malaysien ansässige Auftragshersteller Inno Biologics jeweils ein Lizenzabkommen mit CEVEC zur
Nutzung der CAP(CEVEC´s Amniocyte
Production)-Technologie abgeschlossen. Auf
dieser Basis können sie in der Zukunft ihren
Kunden die Produktion von biopharmazeutischen Produkten mit humanem Glykosylierungsmuster anbieten (s. auch Artikel der
CEVEC Pharmaceuticals in Kapitel 3).
Vergleich Deutschland – Europa
Bei einem Vergleich deutscher und europäischer Allianzabschlüsse im Jahre 2009
erkennt man in Europa einen leicht höheren
prozentualen Anteil an Kooperationen und
Lizenzvereinbarungen. Dagegen tritt ein
signifikanter Unterschied im Bereich der
Dienstleistungen zu Tage. Mit 23 % machen
Serviceverträge in Deutschland einen im
Vergleich zu Europa deutlich höheren Anteil
aus (11 %).
Als weitere Tendenz innerhalb der Allianzen
treten auch häufiger Zusammenschlüsse
von Service- / Technologieanbietern auf. Im
Verbund können sie ihre Marktpräsenz verstärken und umfassende Dienstleistungspakete anbieten. Dies bedeutet zum einen,
in der Krisenzeit besser aufgestellt zu sein,
um sich für Projekte zu empfehlen; zum anderen wird die Zeit genutzt, sich jetzt für
den Wettbewerb in den kommenden Jahren
zu rüsten und mit vereinten Kräften gestärkt
aus der Krise hervorzugehen. So bieten zukünftig der indische Dienstleister für Auf-
In Deutschland spielen die Produkt- / Assettransaktionen nur eine untergeordnete Rolle
und ließen zwischen den Jahren 2007 und
2009 nur eine unbedeutende Anhebung auf
insgesamt 4 % erkennen. Veräußerungen
von Produktlinien oder anderen Assets können – insbesondere in schwierigen Zeiten –
54
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Assetdeals
aus zwei Richtungen betrachtet werden.
Seitens des Verkäufers handelt es sich um
Restrukturierung oder Deinvestition und
dient damit dem Einspülen von liquiden Mitteln; für die Käuferseite ergeben sich daraus
Opportunitäten, sich durch Assets zu verstärken, die vor der schwierigen Finanzlage
auf dem Markt nicht zum Verkauf angeboten
wurden. Und wie das Beispiel DeveloGen
zeigte, brachte die frühzeitige Aufgabe
von Wertentwicklungspotenzialen, welche
eben auch mit einem hohen Risiko einhergehen, nicht nur Nachteile, sondern eine
fortführende Kooperationsvereinbarung mit
sich. Dennoch wird dieses Mittel zur Kapitaleffizienz in Deutschland nur ungern eingesetzt. In Europa nimmt der Produkt-/ Assetdeal mit 8 % einen durchaus höheren Stellenwert bei den Allianzen ein.
Deutschland vorn bei Servicedeals ...
In Deutschland spielt das Hauptgeschäftsfeld Service die größte Rolle und fällt damit
aus dem europäischen Rahmen, der sich
hauptsächlich den Therapeutika verschrieben hat. Dieser Schwerpunkt hat sich in
Deutschland durch die Finanz- und Wirtschaftskrise noch weiter herausgebildet.
Wie aus den nachfolgenden Abbildungen
hervorgeht, nahmen 2009 in Deutschland –
bezogen auf die Anbieterseite – Allianzen mit
Beteiligung von Technologie- / Serviceanbietern gegenüber Therapeutikaentwicklern zu,
während im Jahr 2007 noch fast eine Balance
zwischen beiden Kategorien vorlag. Im Bereich Service / Technologie sind tendenziell
vermehrt Partnerschaften eingegangen worden, bei denen Services zur Strukturaufklärung sowie Expressionssysteme, Zelllinien und
Wirkstoff- bzw. Klonbibliotheken zur Verfügung gestellt wurden.
Auch ist 2009 ein leichter Anstieg der involvierten Biotechunternehmen mit Fokus
Diagnostikaentwicklung zu verzeichnen.
Im Vergleich zum Jahr 2007 sind dagegen
Beteiligungen von Unternehmen aus der
grünen und industriellen Biotechnologie
leicht rückläufig.
Transaktionen
Auf der Seite der nachfragenden Biotechunternehmen fiel die Anzahl der Therapeutikaentwickler ebenfalls augenfällig ab. Indes
erhöhte sich auch auf Nachfrageseite die
Beteiligung der Technologie- / Serviceanbieter. Hierzu tragen mitunter die bereits beschriebenen Kooperationen bei, in denen
sich zwei Technologie- / Serviceanbieter zusammenschließen, um ihre Kräfte zu bündeln.
trophie, mit GlaxoSmithKline und einem
möglichen Dealvolumen von 481 Millionen
Euro. Auch in der frühen Therapeutikaentwicklung sind werthaltige Kooperationen
auf europäischer Ebene zu verzeichnen. Exemplarisch kooperierte Santaris Pharma mit
Wyeth Pharmaceuticals in einer weltweiten
strategischen Allianz zur Entdeckung und
Entwicklung von RNA-Wirkstoffen in potenzieller Höhe von 609 Millionen Euro.
Im Rahmen der Diskussion um handlungsfähige Unternehmen in schwierigen Zeiten
kommen folgende Fragen auf: Kann die
Abnahme der Therapeutikaentwickler als
Ausdruck dafür gewertet werden, dass diese
nicht mehr über die finanziellen Mittel verfügen, um sich Lizenzen und Dienstleistungen einzukaufen bzw. um sich adäquat in
Kooperationen einzubringen? Ist dies ein
Zeichen für die Refokussierung und Restrukturierung, da Programme schmal gehalten werden?
Betrachtet man sich die Transaktionsbeteiligung von Diagnostikaentwicklern, so ist
hingegen eine höhere Aktivität seitens deutscher Biotechunternehmen zu verbuchen.
Ebenso ist bezüglich der Beteiligung von
Biotechunternehmen im Bereich grüne und
industrielle Biotechnologie festzuhalten,
... Europa hingegen bei Therapeutika
Interessanterweise zeigt sich 2009 ein ganz
anderes Bild auf europäischer Ebene. Dies
entspricht in etwa der Situation in Deutschland im Jahr 2007, mit der Abweichung,
dass auf der Anbieterseite die Therapeutikaentwickler im Vergleich zu den Technologie- / Serviceanbietern überwiegen.
Die europäischen Therapeutikaentwickler
scheinen also nach wie vor in der Lage zu
sein, ihre Produktkandidaten auch in schwierigen Zeiten in Allianzen einzubringen. Beispiele hierzu sind die Auslizenzierung des
Phase-II-Produktes Alpharadin des norwegischen Biotechunternehmens Algeta an
Bayer Schering mit einem potenziellen Transaktionsvolumen von 560 Millionen Euro
oder die gemeinsame Entwicklung Prosensas
Phase-II-Produktes PRO051, einem RNAbasierten Wirkstoff gegen muskuläre Dys-
Auch auf der Käufer- bzw. Nachfrageseite
sind innerhalb Europas fast überwiegend
Therapeutikaentwickler aktiv, was dafür
spricht, dass diese noch über mehr „Bewegungsfreiheit“ und Finanzkraft verfügen.
In Summe spiegeln diese Ergebnisse die
Attraktivität dieser Kategorie auf europäischer Ebene plastisch wider. Des Weiteren
ist, gesamthaft gesehen, in Europa gegenüber Deutschland eine höhere Aktivität auf
der Käufer- / Nachfrageseite zu verzeichnen,
die ebenfalls die bessere Handlungsfähigkeit
unterstreicht.
Abbildung 4-4:
Vergleich deutscher Allianzen nach Hauptgeschäftsfeld
der beteiligten Biotechunternehmen, 2007 und 2009
Nachfrage
2009
2
2007
1 5 1 20
30
Im Jahr 2009 sind somit in Deutschland auf
der Anbieterseite wesentlich mehr Biotechunternehmen mit Technologie- / Servicefokus an Allianzen beteiligt. In Europa hingegen sind die Therapeutikaentwickler aktiver
als die Technologie- / Serviceanbieter.
dass hierbei der prozentuale Anteil der
deutschen Biotechunternehmen den Anteil
der europäischen Biotechunternehmen
übersteigt.
9
Angebot
2 13
Therapeutika
23
9
29
10
20
Angaben in den Balken in Prozent
0
10
Diagnostika
39
7
20
32
30
Service
3
40
50
5
60
Grüne und industrielle Biotech
Quelle: Ernst & Young, 2010
Abbildung 4-5:
Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach
Hauptgeschäftsfeld der beteiligten Biotechunternehmen, 2009
Nachfrage
2 9 2
Deutschland
1 7 1
Europa
200
Therapeutika
13
23 26
100
Angaben in den Balken in Prozent
Angebot
9 37
0
Diagnostika
3
100
Service
Deutsche Allianzen wurden auf die Summe europäischer Allianzen
hochgerechnet, um die Vergleichbarkeit zu erleichtern
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
39
24
200
3
1
300
400
Grüne und industrielle Biotech
Quelle: Ernst & Young, 2010
55
Transaktionen
Technologieallianzen überwiegen …
Die Untersuchung des Transaktionsfokus
über alle Allianztypen hinweg zeichnet
genau dieses Bild. Im deutschen Umfeld
verschob sich seit 2007 sowohl auf Anbieterals auch auf Nachfrageseite der Schwerpunkt
eindeutig weiter in Richtung Technologieplattformen unter Abnahme von Produktdeals. Dies lässt sich insbesondere anhand
der prozentualen Verteilung – bezogen auf
die Gesamtanzahl im jeweiligen Jahr – verdeutlichen. Während der Anteil an Technologieallianzen im Jahr 2007 38 % betrug,
erhöhte sich dieser im letzten Jahr auf 48 %.
Dass sich Biotechunternehmen mitunter
nicht nur auf ein Hauptgeschäftsfeld fokussieren, sondern mehrgleisig und damit in
Zeiten knapper Kasse sogar besser fahren
und agiler auf Engpässe reagieren können,
verdeutlicht das Beispiel KINAXO. Die KINAXO
Biotechnologies GmbH erkannte, dass
schwierige Zeiten kreative Lösungen erfordern und entwickelte zusammen mit bereits
bestehenden und auch neuen Partnern Verträge, die einerseits auf dem Anbieten einer
Serviceleistung beruhen, andererseits aber
auch die Anbindung an Therapeutikaentwicklung mit einschließen. Basierend auf
seiner Phosphoproteomics-Technologieplattform werden so u. a. für Bayer Vital und
Roche Diagnostics Biomarker identifiziert,
wobei die Option auf eine Transformation
der Dienstleistung in eine langfristige Entwicklungspartnerschaft gegeben ist. Technologieplattformen erweisen sich offensichtlich – neben den Optiondeals – als probates Mittel, der Krise zu begegnen. Doch
sind dies Einzelfälle oder lässt sich hier ein
Trend feststellen?
Neben KINAXO stellt die Auslizenzierung der
Tet-Expressionsregulierungs-Technologie
über die Tet Systems Holding ein weiteres
Beispiel dar. Dieser Deal konnte gleich viermal erfolgreich auf internationaler Ebene
umgesetzt werden, nämlich mit Stemgent –
USA, BioFocus DPI – UK, Takara Bio – Japan
und Novo Nordisk – Dänemark.
Abbildung 4-6:
Vergleich deutscher Allianzen nach Transaktionsfokus,
2007 und 2009
Nachfrage
9
2009
30
Angaben in den Balken in Prozent
3 13
17
2007
Angebot
48
19
10
20
Technologie
8
38
0
10
20
Technologie/Produkt
19
12
30
23
40
50
60
Produkt
Quelle: Ernst & Young, 2010
Abbildung 4-7:
Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach
Transaktionsfokus, 2009
Nachfrage
9
Deutschland
17
Europa
200
Technologie
Angebot
Angaben in den Balken in Prozent
3 13
48
4 13
100
24
0
8
100
Technologie/Produkt
In abgeschwächter Form nahmen zwischen
2007 und 2009 auch auf der Nachfrageseite
die Technologiedeals zu, jedoch noch stärker
die Produktallianzen ab.
... auch im europäischen Vergleich
Produktseitig sind die Allianzabschlüsse von
Epigenomics anzuführen. Innerhalb dieser
nicht-exklusiven Lizenzvereinbarungen stellt
das deutsche Biotechunternehmen seine
proprietären DNA-Methylierungs-Biomarker
Septin 9 (mSEPT9) und GSTP1 (mGSTP1)
Auch im Vergleich zu Europa sticht der Technologiefokus Deutschlands für 2009 auf der
Angebotsseite hervor. Doppelt so viele reine
Technologien wurden im Vergleich zum
restlichen Kontinent in Transaktionen mit
eingebracht. Dagegen findet sich auf der
Nachfrageseite ein vergleichbares Verhält-
56
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
19
34
200
300
400
Produkt
Deutsche Allianzen wurden auf die Summe europäischer Allianzen
hochgerechnet, um die Vergleichbarkeit zu erleichtern
Diagnostikunternehmen für die Entwicklung
molekularer Tumor-Diagnostika zur Verfügung.
8
Quelle: Ernst & Young, 2010
nis an technologienbasierten Abkommen in
Deutschland und Europa. Hinsichtlich der
Produktallianzen zeigt sich auf europäischer
Ebene allerdings wiederum ein Übergewicht.
Allianzen unter Beteiligung deutscher Biotechunternehmen zeigen somit – sowohl im
zeitlichen als auch im regionalen Vergleich –
einen Trend hin zu Transaktionen mit einem
stärkeren Technologiefokus. Dies bedeutet,
dass das Eingehen von Allianzen bezüglich
der Wertschöpfungskette früher stattfindet.
Die Verschiebung zu einer früheren Verpartnerung auf Basis von Technologien und
Plattformen kann zwei Gründe haben: Zum
einen reagieren deutsche Biotechunternehmen opportunistisch und bieten ihre Assets
früher an, um Geldmittel zu generieren.
Schwierige Zeiten erfordern kreative Lösungen
Dr. Andreas Jenne,
CEO KINAXO Biotechnologies GmbH,
Martinsried
Konfrontation mit Finanzierungskrise
Wie viele Unternehmen bekam auch KINAXO
Anfang 2009 die Auswirkungen der Finanzkrise zu spüren. Aufträge von Pharmafirmen
blieben aus oder wurden zurückgestellt. Dabei hatte KINAXO im Jahr 2008 gerade erst
den Break Even mit der Vermarktung seiner
Technologieplattform erreicht.
Auch Risikokapital zur Finanzierung des weiteren Unternehmenswachstums war nicht
zu bekommen. Die geplanten Investitionen
und ehrgeizigen Expansionspläne mussten
daher vorerst auf Eis gelegt werden. Bereits
Ende 2009 konnte KINAXO aber schon wieder Fahrt aufnehmen. Warum?
Flexibilität im Geschäftsmodell
Das Geschäftsmodell von KINAXO steht von
je her auf mehreren Standbeinen: Dienstleistungen, Kooperationen und eigene Produktentwicklungen. Das bringt Flexibilität
und den Vorteil, auf Veränderungen besser
reagieren zu können. Als zu Beginn 2009
kaum mehr Neuaufträge eingingen, konnten
wir unseren langjährigen Kunden Johnson &
Johnson davon überzeugen, einen größeren
Rahmenvertrag mit KINAXO abzuschließen.
Das brachte Planungssicherheit für KINAXO –
aber auch für Johnson & Johnson, die sich
damit langfristig den Zugriff auf KINAXOs
Technologieplattform sicherten. Mit Hilfe
massenspektrometrischer Methoden spürt
KINAXO die zellulären Targets von Wirkstoffen in Gewebeproben auf. Das hilft Johnson
& Johnson, deren Wirkungsweise im Tiermodell oder Menschen besser zu verstehen
und Nebenwirkungsrisiken frühzeitig zu erkennen.
Mit Bayer Healthcare konnte Mitte 2009 ein
Partner für die Entwicklung von Biomarkern
gewonnen werden. Dadurch wurden nicht
nur wichtige Kompetenzen ins Boot geholt,
sondern auch die Entwicklungsrisiken und
Kosten geteilt. Begleitend zu von Bayer durchgeführten klinischen Studien wird KINAXO
prädiktive Biomarker für Leukämie-Patienten
identifizieren, die mit dem Bayer-Medikament
Nexavar behandelt werden. Ziel ist es, charakteristische Proteinphosphorylierungsmuster in Blutproben aufzuspüren, die als
Biomarker für die Diagnostik eingesetzt werden können. Dadurch sollen Vorhersagen
möglich sein, ob der Patient auf die Therapie
anspricht oder nicht.
Partnerverträge überzeugen Investoren
Die Vertragsabschlüsse mit Johnson &
Johnson, Bayer und Roche haben schließlich auch KINAXOs Investoren überzeugt
und zudem neue Geldgeber angelockt. Kürzlich konnte eine Finanzierungsrunde abgeschlossen werden, die es KINAXO ermöglicht,
weitere Biomarker-Projekte anzugehen. Bei
der Finanzierung dieser und anderer in-houseEntwicklungen spielen auch öffentliche
Fördermittel und klassische Bankdarlehen
eine wichtige Rolle. KINAXO profitiert hier
vor allem von den Förderprogrammen des
BMBF, der Bayerischen Staatsregierung und
der Bayerischen Forschungsstiftung, die den
Finanzierungsmix aus Risikokapital, Umsatzerlösen und Darlehen komplettieren. Ohne
diese Fördermittel wären die risikoreichen
Forschungsprojekte mit unseren Partnern
Priaxon, 4SC, Intana, Origenis, Genomatix
und verschiedenen Forschungsinstituten
und Kliniken aus dem Münchner bzw. Martinsrieder Biotechnologiecluster wohl kaum
umsetzbar.
Fazit
Das mehrgleisige Geschäftsmodell ist in der
Praxis manchmal mühsam, hat sich aber in
der Krise als Trumpfkarte erwiesen. KINAXO
konnte auf die veränderten Rahmenbedingungen schnell reagieren, indem Ressourcen
zwischen den Geschäftsbereichen verschoben
wurden. So gelang es KINAXO, neue Kooperationen abschließen, die Kundenbasis weiter
ausbauen und zugleich frisches Kapital für
die eigene Biomarker-Entwicklung einwerben.
www.kinaxo.de
Ende letzten Jahres gelang es, Roche Diagnostics von der KINAXO-Plattform zu begeistern. Gleich zwei Aufträge aus Penzberg
gingen kurz hintereinander ein. Auch hier
geht es um die Identifizierung von Biomarkern mit Hilfe der bei KINAXO etablierten
Phosphoproteomics-Plattform. Allerdings
diesmal nicht für niedermolokulare Wirkstoffe, sondern für therapeutische Antikörper
aus der aktuellen onkologischen Entwicklungspipeline von Roche. Die derzeit noch
auf Dienstleistung ausgelegte Zusammenarbeit, hat durchaus Potenzial, in eine langfristige Entwicklungspartnerschaft zu münden.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
57
Transaktionen
Zum anderen besteht seitens der Pharmaunternehmen unter Outsourcing-Gesichtspunkten eine größere Nachfrage nach
früherem Involvement von Biotechunternehmen.
Wenn man diese Erkenntnisse mit der vorherrschenden Allianztypstruktur rückkoppelt,
sind gewisse Abhängigkeiten erkennbar.
Das Anbieten von Technologieplattformen
bedingt in Deutschland offenkundig in
schlechten Zeiten insbesondere Servicevereinbarungen.
Auch bezüglich des Hauptgeschäftsfelds
nahmen speziell auf der Verkäuferseite 2009
Allianzen mit Beteiligung von Technologie- / Serviceanbietern gegenüber Therapeutikaentwicklern zu, während im Jahre
2007 noch fast eine Balance zwischen beiden Kategorien vorlag. Der Schluss liegt
also nahe, dass deutsche Biotechfirmen
Dienstleistungen als Überlebensstrategien
einsetzen, solange bis wieder genug Kapital
vorhanden ist, um die eigenen Produktentwicklungen fortsetzen zu können.
Angebot und Nachfrage auf dem
biotechnologischen Markt in Europa
Für einen differenzierteren Vergleich innerhalb einzelner europäischer Länder wurden
die Allianztypen (bis auf rein kooperative
Abkommen) hinsichtlich Käufer- und Verkäuferseite aufgeschlüsselt.
Beim Vergleich Deutschland – Europa fällt
auf, dass auf der Angebotsseite beinahe die
Hälfte der deutschen Biotechunternehmen
als Serviceanbieter in Erscheinung treten,
während dies in den meisten europäischen
Ländern weit weniger ausgeprägt ist. Europäische Biotechunternehmen treten dagegen
wesentlich stärker in der Rolle als Lizenzgeber auf. Mit Blick auf das Generieren von
Finanzmitteln ist anzumerken, dass speziell
bei Auslizenzierungen meist höhere Transaktionssummen fließen.
58
Abbildung 4-8:
Vergleich europäischer Käufer-/Verkäufer-Allianzen, 2009
Käufer
Verkäufer
Deutschland
Europa
Schweiz
Dänemark
Frankreich
Niederlande
Schweden
UK
300
Lizenzierung
200
100
Service
0
100
200
300
Produkt-/Asset-Kauf
Allianzen der Länder wurden auf die Summe europäischer Allianzen
hochgerechnet, um die Vergleichbarkeit zu erleichtern
Während seitens der Nachfrage ein vergleichbarer Anteil an deutschen und europäischen
Biotechunternehmen Dienstleistungen einkauft, sind im europäischen Vergleich deutsche Biotechunternehmen bei Einlizenzierungen etwas zurückhaltender. Betrachtet
man die Produkt- bzw. Assetveräußerungen,
ergibt sich, dass auch auf europäischer Ebene
ein leichter Überhang auf der Käuferseite
besteht. Allerdings ist zu erwähnen, dass es
sich bei ca. 24 % der Produkt- und Assetakquisitionen um Biotech-Biotech-Transaktionen
handelt und somit beide Aspekte, Produktkauf wie auch Finanzierungsinstrument,
zum Tragen kommen.
Im Ländervergleich hebt sich die Schweiz
mit einer abweichenden Verteilung ab. Im
Gegensatz zu den übrigen europäischen
Ländern sind hier zum einen in Summe
mehr Aktivitäten auf der Käuferseite zu erkennen, zum anderen überwiegen Produktund Asseteinkäufe sowie die Inanspruchnahme von Dienstleistungen signifikant.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Quelle: Ernst & Young, 2010
Dies kann als Ausdruck einer „reiferen“ Biotechszene bewertet werden. Außerdem ist
der Anteil an Verkäufen von Lizenzen oder
Services in der Schweiz deutlich geringer
als im restlichen Europa. Hier mag auch die
bessere Kapitalisierung und damit verbunden eine geringere Notwendigkeit zum
„Ausverkaufen“ zum Ausdruck kommen.
Abgesehen von der Schweiz gestaltet sich
die europaweite Transaktionslandschaft
insgesamt derart, dass die Biotechindustrie
als junger und innovativer Industriezweig
stärkere Anteile auf der Verkäuferseite zu
verzeichnen hat. Somit ist sie in der Lage,
ihre Innovationskraft dem Markt zur Verfügung zu stellen, und wird dafür finanziell
entlohnt. Wie dargestellt, sind allerdings
unterschiedliche Beteiligungsschwerpunkte
auszumachen.
Transaktionen
Alternative Allianzpartner werden
attraktiver
Bei der Gegenüberstellung der involvierten
Allianzpartner, die mit deutschen Biotechunternehmen eine Partnerschaft eingegangen sind, zeigen sich ebenfalls neue Aspekte. Charakterisiert nach Pharma- und
Biotechindustrie sowie anderen Partnern,
worunter Unternehmen der Chemie-, der
Landwirtschaft-, der Instrumenten- und
Diagnostikindustrie, Universitäten und öffentliche Institutionen wie auch Stiftungen subsummiert sind, kam es zwischen 2007 und
2009 zu einer Verschiebung der Anteilsverhältnisse. Waren traditionell Pharma und
Biotech immer verbündet, kommen zunehmend auch andere Allianzpartner ins Spiel.
Bei dem Rückgang der Pharmapartner um
7 % und der Biotechpartner um 10 % – in der
Vergangenheit insbesondere bei der Verwertung von Biotechnologieprodukten und
-services von Bedeutung – gewinnen neuartige Allianzen (plus 17 %) für die deutschen
Biotechunternehmen zunehmend an Attraktivität. Beispielhaft sind Allianzen auf dem
Gebiet der Enzymentwicklung zwischen
Henkel und Sloning Bio-Technology sowie
Cognis und c-Lecta oder im Bereich Agrarwirtschaft zwischen Syngenta und Phytowelt GreenTechnologies zu nennen. Ferner
schloss AbD Serotec ein Entwicklungsabkommen bezüglich hitzestabiler Antikörper
mit der schweizerischen Non-Profit-Organisation FIND ab, und Mosaiques diagnostics
und therapeutics eine Forschungsvereinbarung mit der FDA. Im Bereich Automatisierung konnte weiterhin mtm laboratories mit
dem Instrumentenhersteller MetaSystems
ein innerdeutsches Co-Development-Projekt
vereinbaren.
Interessanterweise zeigt die Analyse auf
europäischer Ebene, dass eine vergleichbare Verteilung der Allianzpartner zwischen
Deutschland und Europa festzustellen ist,
wobei bestenfalls ein höherer Anteil der
Pharmaindustrie zu erwähnen ist.
Die verstärkte Interaktion mit anderen Partnern kann in schwierigen Zeiten durchaus
als positive Ausprägung gewertet werden,
zeigt sie doch, dass Biotechunternehmen im
Zuge alternativer Finanzierungsmöglichkeiten bewusst auch neue Wege einschlagen
und kreativer nach neuen Finanzierungswegen suchen. Auslagerungen von Produktionsprozessen oder ganzen Pipeline-Segmenten bieten sich auch für Biotechunternehmen
an. CMOs (Custom Manufacturing Organization) wie Lonza schaffen kapitaleffiziente
Zusammenarbeiten. Der Biotechpartner
kann die Einsparung bei der Produktionsanlage in die weitere Entwicklung investieren,
auf die Produktionsexpertise des CMOs zurückgreifen und mit state-of-the-art-Technologien rechnen. Zudem werden Überkapazitäten der Produktionsanlagen vermieden,
wenn der CMO mehrere Kunden gleichzeitig
betreut. Die horizontale Integration entlang
der Wertschöpfungskette einer Produktentwicklung mit Partnern aus Pharma, Biotech
und anderen Bereichen führt neben einer
effizienteren Nutzung des noch vorhandenen
Kapitals auch zu einer Vernetzung von
Know-how, Wissensaustausch über Branchengrenzen hinweg und somit zu einer
wertvollen Grundlage für mögliche weitere
Innovationen.
Abbildung 4-9:
Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Art des Partners
Deutschland 2007
Deutschland 2009
22%
Europa 2009
24 %
28 %
31 %
37 %
39 %
37 %
47 %
Pharma
Biotech
35 %
andere Partner
Quelle: Ernst & Young, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
59
Warum sich „Outsourcing“ lohnt
einen Dienstleister wie Lonza eher für einzelne Phasen aus und setzen in der kommerziellen Produktion des Wirkstoffes einen
CMO als sogenannten Zweitlieferanten neben
der hauseigenen Produktion ein.
Dr. Toralf Haag,
CFO Lonza Group Ltd., Basel
Outsourcing durch Biotech
Die Wirkstoffproduktion ist ein wichtiger Teil
in der Wertschöpfungskette eines Biotechunternehmens. Neben der Eigenproduktion
ist die Auslagerung des Produktionsprozesses an eine CMO (Custom Manufacturing
Organization) eine etablierte Variante.
Warum lohnt sich dieses Outsourcing für ein
Biotechunternehmen überhaupt? Wo liegen
die Vorteile für den Outsourcing-Partner?
Wie lässt sich eine Zusammenarbeit am kapitaleffizientesten gestalten?
Outsourcing liegt auch in der noch recht jungen Biotechbranche auf einem konstanten
Niveau von rund 30 %. Zum Vergleich: Im
traditionellen chemischen Geschäft liegt der
Outsourcing-Anteil bei rund 25 %.
Die Gründe für Outsourcing sind unterschiedlich. Vor allem junge Biotechunternehmen
haben oft gar nicht die nötigen finanziellen
Mittel, um eine eigene biotechnologische
Produktionsanlage aufzubauen und lagern
daher ihren gesamten Produktionsprozess
an einen CMO wie Lonza aus, d. h. von der
Molekül-Entwicklung von neuen Wirkstoffen,
über die Prozessentwicklung für die klinischen Versuche bis hin zur großvolumigen
Produktion von fertig zugelassenen Wirkstoffen. Große Pharmafirmen hingegen suchen
60
Outsourcing und Kapitaleffizienz
In Zeiten von knappen Finanzressourcen
nimmt der Outsourcing-Trend zu. Firmen
legen den Fokus auf die Steigerung ihrer
Wettbewerbsfähigkeit und ihre Kapitaleffizienz. Dabei ist die Zusammenarbeit mit
einem CMO wie Lonza für Biotechunternehmen in vielerlei Hinsicht sinnvoll. Anlagen,
die es zur Fabrikation von Biotechprodukten
braucht, sind in der Regel um ein Vielfaches
teurer als die herkömmlichen chemischen
Fabriken. Anstatt nun Anlagen selber zu
bauen, kann mit der Auslagerung von Produktionsprozessen das Kapital effizienter
eingesetzt werden. Weil das Biotechunternehmen damit weniger in eigene Anlagen
investiert, steht mehr Cash zur Verfügung
und ermöglicht so größere Investitionen in
die Produktentwicklung sowie eine höhere
Anlagenrendite.
Von vermehrtem Interesse sind in jüngster
Zeit sogenannte Pipeline-Deals, in welchen
Lonza nicht mehr nur einzelne Wirkstoffe in
Lohnfertigung produziert, sondern künftig
für ausgewählte Kunden ganze PipelineSegmente entwickelt. In solchen Verträgen
bringt Lonza als Zulieferfirma ihr führendes
biotechnologisches Know-how ein und
unterstützt einen Pharmakonzern bei der
Entwicklung, Maßstabsvergrößerung (up
scaling) und Herstellung von einer ganzen
Reihe an biologischen Wirkstoffen.
Ein CMO wie Lonza offeriert verschiedene
Produktionstechnologien und unterschiedliche Volumina – von der Molekülentwicklung
bis hin zur kommerziellen Produktion – womit die ganze Bandbreite der geforderten
Dienstleistungen abgedeckt werden kann.
Ein CMO ist dabei ein absoluter Produktionsexperte. Durch die Fokussierung der Forschung und Entwicklung auf Produktionsprozesse ist ein CMO oft einiges effizienter
als dies eine Biotechunternehmung mit eigener Anlage sein kann. Bei einem CMO sind
zudem die Anlagen effizienter ausgelastet,
da die vorhandenen Kapazitäten auf mehrere
Kunden verteilt werden können. Mit einer
hohen Auslastung wiederum können wettbewerbsgerechte Preise angeboten werden.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Vorteil „state of the art“
In der Zusammenarbeit mit einem CMO
kann ein Biotechunternehmen immer auf
die neusten Technologien zugreifen. Ein
CMO muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben, fortlaufend in modernste Technologien
investieren und die Produktion fortlaufend
effizienter gestalten. Außerdem sind von
Biotechunternehmen selbst gebaute Anlagen
bereits wieder veraltet, wenn das Produkt
nach sieben bis zehn Jahren im Markt eingeführt wird.
Markteffizienz
Die Zusammenarbeit mit CMOs macht für
Biotechunternehmen auch industriepolitisch
Sinn. Damit kann verhindert werden, dass
die Branche analog zur chemischen Produktion riesige Überkapazitäten im Markt aufbaut. Zudem sind die Behörden in den Zulassungsbedingungen für neue Wirkstoffe
viel restriktiver. Die Zulassung neuer Anlagen
und Produktionsprozesse ist teuer und aufwändig. Mittels Outsourcing können die
Cash-Bedürfnisse gesenkt werden und die
regulatorischen Anforderungen an Produktionsprozesse an erfahrene Partner wie
Lonza delegiert werden.
Fazit
Viele Gründe sprechen also für die Zusammenarbeit von Biotechunternehmen und
CMOs. Beide Partner können gegenseitig
profitieren und sich dabei auf die profitabelsten Teile ihrer Wertschöpfungskette konzentrieren.
Lonza zählt zu den weltweit führenden Anbietern von Produkten und Dienstleistungen
für die Pharma-, Gesundheits- und LifeScience-Industrien und ist in der Lage, ihre
Kunden vom Forschungsstadium bis hin zur
Endproduktion mit ihren Lösungen zu begleiten. Lonza ist Weltmarktführer in der
Produktion und Prozessbegleitung von
pharmazeutischen Wirkstoffen, sowohl im
chemischen als auch im biotechnologischen
Bereich. Biopharmazeutika gehören zu den
wichtigsten Wachstumsmotoren der Pharmaund Biotechnologieindustrie.
www.lonza.com
Transaktionen
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
61
5 Finanzierung und Kapitalmarkt
62
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Überblick und globaler Vergleich
Die deutsche Biotechbranche leidet weiterhin
sehr stark unter der Finanz- und Wirtschaftskrise. Nach dem bereits schmerzhaften
Absturz der Eigenkapitalfinanzierungen im
Jahr 2008 um fast 45 % erfolgte 2009 ein
weiterer Einbruch um 51 %. Mit einer Gesamtfinanzierungssumme von nur noch 123 Millionen Euro wurde damit ein erschreckender
Tiefpunkt erreicht, dessen Ausmaß die Krise
nach der Jahrtausendwende noch einmal
deutlich übersteigt.
Damit standen 2009 Eigenkapitalmittel nur
etwa in dem Ausmaß zur Verfügung, wie sie
die Branche in ihren ersten Anfängen im
Jahr 1997 einwerben konnte. Allerdings
umfasste die Branche damals nur 173 Unternehmen, was die aktuelle Situation deutlich verschärft.
Abbildung 5-1:
Aufgenommenes Kapital im Jahresvergleich, Deutschland
Summe (Mio. €)
600
527
500
457
436
138
107
400
96
300
252
95
49
200
123
54
100
0
Im Einzelnen betrachtet traf dieser erneute
Einbruch im Jahr 2009 nur die privaten
Unternehmen, wo der Zugang zu Beteiligungskapital um 66 % reduziert wurde. Börsennotierte Gesellschaften, deren Kapitalmaßnahmen bereits im Vorjahr kräftig
eingebrochen waren, konnten den weiteren
Abwärtstrend zumindest aufhalten; sie
legten um bescheidene 10 % zu. Wie bereits
in den zwei vorangegangenen Jahren gab
es auch 2009 keinen Börsengang.
92
339
234
319
203
69
2005
2006
2007
2008
2009
Sekundärfinanzierungen bei börsennotierten Unternehmen
Börsengang
Risikokapital / Private Equity
Quelle: Ernst & Young, 2010
Im europäischen Vergleich scheint Deutschland auf den ersten Blick deutlich schwächer
abzuschneiden; das Venture Capital in Europa fiel lediglich um 29 %; börsennotierte
Unternehmen konnten ihre Finanzierungssumme sogar um 215 % steigern. Die genauere Analyse zeigt allerdings, dass, mit
Ausnahme der Schweiz (plus 56 % VC), die
meisten anderen Länder ebenfalls gravierende Rückschläge im Venture-Capital-Bereich
hinnehmen mussten (Details s. Seite 69);
des Weiteren wird der signifikante Anstieg
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
der „Public Financings“ klar dominiert von
zwei Finanztransaktionen der großen Vertreter QIAGEN (Niederlande) und Warner
Chilcott (Irland). Die Sekundärfinanzierungen dieser Firmen stellen zusammengenommen 46 % der Gesamtfinanzierung europäischer Börsengesellschaften. Aber selbst
unter Berücksichtigung dieser „Ausreißer“
zeigt die restliche Gruppe der börsennotierten Unternehmen ein beachtliches Wachstum von 70 %.
63
Finanzierung und Kapitalmarkt
Von vier europäischen Börsengängen ging
nur ein einziger mit signifikanten Erlösen
einher (Movetis, Belgien: 85 Millionen Euro).
Die drei anderen brachten nur wenig ein
(D-Pharm, Israel: 5,2 Millionen Euro) oder
die Unternehmen wurden ohne Ausgabe
von Aktien lediglich gelistet (Mondo Biotech und Evolva / Arpida, beide Schweiz).
Auch in den USA hat die Biotechindustrie im
Jahr 2009 eine weitere, wenn auch geringfügige Reduzierung der Venture-CapitalFinanzierungen hinnehmen müssen. Mit
2,8 Milliarden Euro wurden 8 % weniger in
private Unternehmen investiert als im Jahr
zuvor; demgegenüber konnte allerdings
der „Public Sector“ deutlich zulegen, indem
vor allem PIPEs (plus 55 %), Follow-ons
(plus 219 %) und Convertibles (plus 46 %)
dazu beitrugen, dass die Gesamtsumme der
„Public Financings“ von 2,8 Milliarden Euro
auf 6,2 Milliarden Euro kräftig anstieg (plus
121 %). Wenngleich die Entwicklung in den
USA ebenfalls eine Rückkehr der Kapitalmärkte in den Biotechsektor impliziert, so
blieb dennoch das Börsenfenster für Neueinsteiger weitestgehend geschlossen (nur
drei IPOs, von denen der Börsengang von
Talecris alleine fast 400 Millionen Euro einbrachte).
Abbildung 5-3:
Aufgenommenes Kapital
im Jahresvergleich, USA
Summe (Mio. €)
10000
9524
9000
6218
8000
7000
6000
5000
5867
2815
4000
Abbildung 5-2:
3000
Aufgenommenes Kapital im Jahresvergleich, Europa
2000
4
501
3048
2805
2008
2009
1000
0
Summe (Mio. €)
6000
5246
4000
Sekundärfinzierungen bei börsennotierten Unternehmen
Börsengang
Risikokapital / Private Equity
4867
5000
3511
Quelle: Ernst & Young, 2010
3000
2000
1274
2594
803
732
2497
3349
1622
737
0
537
75
1434
1541
1160
1010
1695
90
712
2005
2006
2007
2008
2009
1000
Sekundärfinanzierungen bei börsennotierten Unternehmen
Börsengang
Risikokapital / Private Equity
Quelle: Ernst & Young, 2010
64
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Analyse: Finanzierung privater Unternehmen
Privatinvestoren nicht aktiv
investiert; einerseits ist man auch hier dabei, sich auf die fundierten Portfolios zu
fokussieren, andererseits war aufgrund der
meist großzügig bemessenen Erstfinanzierungsrunden für die begünstigten Unternehmen kein erneuter Finanzierungsbedarf
gegeben.
Der dramatische weitere Einbruch der Eigenkapitalfinanzierung privater deutscher Biotechunternehmen hat verschiedene Ursachen.
Zunächst haben die beiden Hauptinvestoren
der letzten beiden Jahre, die „Family Offices“
um Dietmar Hopp und die Brüder Strüngmann im Jahr 2009 keine Beteiligungen in
Deutschland abgeschlossen. Allein die
Finanzierungsrunde 2008 für GANYMED
Pharmaceuticals in Höhe von 65 Millionen
Euro war als Einzelinvestment so groß wie
die gesamte Investitionssumme 2009. Insgesamt fielen damit runde 100 Millionen
Euro Kapital weg. Es war indes kaum zu
erwarten, dass diese Investorengruppe
permanent in dieser Größenordnung weiter
Anzahl Finanzierungsrunden reduziert
Ein Blick auf die erfolgten Finanzierungsrunden selbst zeigt, dass vor allem die Gesamtrundenzahl deutlich abgenommen hat
und von 29 Runden im Jahr 2008 auf lediglich 16 Runden (davon acht mit publizierten Zahlen) sank. Da das durchschnittliche
Investitionsvolumen pro Runde fast konstant
geblieben ist, erklärt sich der Einbruch vor
allem durch das Ausbleiben von Finanzierungsrunden.
Abbildung 5-4:
Finanzierung privater Unternehmen nach Anzahl
und durchschnittlichem Volumen im Jahresvergleich
Anzahl Runden*
Durchschnitt (Mio. €)
50
12
11,01
10
40
8,58
7,54
8
8,45
Finanzierungsrunden im Detail
Die Analyse der einzelnen Finanzierungsrunden offenbart weiterhin, dass es nur ein einziges Unternehmen – Probiodrug – überhaupt
in die zweistelligen Ränge geschafft hat.
36 Millionen Euro wurden für innovative Programme, basierend auf niedermolekularen
Inhibitoren für essenzielle regulatorische
Peptide und Enzyme, zur Verfügung gestellt
(z. B. Glutamylcyclase – Alzheimersche
Erkrankung; Cyclin Dependent Kinase 9 –
Entzündung). Das Unternehmen steht zwar
noch am Anfang der Entwicklung, kann
aber dennoch auf einen erfolgreichen „Track
Record“ verweisen; im Jahr 2004 nahm
Probiodrug in einer ersten, Aufsehen erregenden Transaktion bereits über 50 Millionen Euro für einen PDE4-Enzyminhibitor ein
und kann sich seither schuldenfrei der Entwicklung weiterer Wirkstoffe widmen. Das
Investorenkonsortium von Probiodrug liest
sich entsprechend wie das (verbliebene)
„Who is Who?“ der Venture-Capital-Branche.
Namhafte internationale Investoren wie Life
Science Partners, TVM Capital, HBM Partners, Edmond de Rothschild und BB Biotech
Ventures arbeiten zusammen mit nationalen
VCs (CFH, IBG), einem Corporate-VC (Biogen Idec) und privaten Investoren. Auf die
besonderen Erfolgsfaktoren, mit denen das
Unternehmen diesen erlauchten Kreis von
Investoren an sich binden konnte, wird
Hendrik Liebers, der CFO der Gesellschaft,
im folgenden Artikel näher eingehen.
30
6
20
5,32
4
10
0
Runden
2
45
44
29
24
8
2005
2006
2007
2008
2009
0
im Schnitt pro Runde
* nur Runden mit veröffentlichtem Volumen
Quelle: Ernst & Young, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
65
Probiodrug AG: Der Weg zu einer signifikanten „B“-Runde
Hendrik Liebers,
CFO Probiodrug AG, Halle / Saale
Die Finanzierungsrunde
Am 2. November 2009 gab die Probiodrug
AG aus Halle / Saale mit 36 Millionen Euro
an eingeworbenen Mitteln eine der größten
Finanzierungsrunden für private Biotechunternehmen im Jahr 2009 weltweit bekannt.
BB Biotech und Edmond de Rothschild
Investment Partners (EdRIP) agierten als
Co-Lead-Investoren; LSP Life Science Partners (LSP) und Biogen Idec New Ventures
traten dem Konsortium als weitere Neuinvestoren bei. Die Finanzierungsrunde wurde
von den bestehenden Investoren, zu denen
IBG Fonds (unter Verwaltung von Goodvent),
TVM Capital, HBM BioVentures und CFH
Group gehören, sowie von privaten Investoren unterstützt.
Das Unternehmen
Probiodrug fokussiert auf die Inhibierung
der Glutaminylcyclase (QC), einem durch
eigene Forschungsarbeiten identifizierten
Schlüsselenzym in der Pathogenese von
neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer sowie diversen inflammatorischen
Erkrankungen. Das Unternehmen verfügt in
diesem Bereich über einen signifikanten
Entwicklungsvorsprung sowie eine dominante
Patentsituation. Im Juni 2007 trat Probiodrug mit der Übernahme der Ingenium
Pharmaceuticals AG sowie dem Abschluss
einer Finanzierungsrunde über 20 Millionen
Euro in einen neuen Entwicklungsabschnitt
ein. Das Hauptprogramm wurde entschei-
66
dend vorangebracht, die Integration der
Ingenium abgeschlossen, wichtige Patente
eingereicht sowie Schlüsselpublikationen
veröffentlicht.
unternommen hatte, sich dadurch die Meinungsbildung im Konsortium gegenseitig
ergänzte und damit den Zusammenhalt verstärkte.
Der Prozess
Im zweiten Halbjahr 2008 zu einem Zeitpunkt,
zu dem die Finanzmittel der Firma noch
deutlich mehr als ein Jahr reichten, begannen die internen Diskussionen und Abstimmungen bzgl. der nächsten Schritte in der
weiteren Firmenentwicklung – im Ergebnis
entschieden sich die Anteilseigner einvernehmlich für eine Finanzierungsrunde mit
einem Zielbereich von 30 bis 35 Millionen
Euro als sinnvollste Option und unterstrichen
dies mit der Bereitschaft zu eigenen Beiträgen.
Die Financial und Legal Due Diligence wurde
dann vom Konsortium gemeinsam mandatiert; parallel wurden die Beteiligungsverträge
verhandelt und finalisiert. Signing und
Closing konnten Anfang November bekannt
gegeben werden – ca. 10 Monate nach formalem Prozessbeginn.
Wir haben daraufhin eine Kontaktaufnahme
mit insgesamt ca. 40 Fonds gestartet – seit
Jahren bestehende Kontakte zu einer Anzahl von VC Fonds konnten dabei als Grundlage genutzt werden.
Das Ziel bestand in der Klärung folgender
Fragen:
• Gelingt die Identifizierung mehrerer Adressen, die prinzipiell bereit und auch in der
Lage sind, die Funktion des Lead-Investors
zu übernehmen?
• Ist die Akquirierung des avisierten ZielVolumens in den (damaligen) Märkten mit
den gegebenen Randbedingungen realistisch?
• Ist die Einbindung von Corporate Venture
als ein Element der Finanzierung möglich?
Nachdem alle drei Fragen positiv beantwortet
werden konnten, wurden die Kontakte mit
ausgewählten Investoren bzgl. Lead-Position
in einem Konsortium inhaltlich vertieft bis
hin zu Due Diligences einzelner Aspekte.
Parallel wurde mit potenziellen Co-Investoren im Prozess weitergegangen, um eine
spätere Auffüllung des Konsortiums abzusichern.
Im Sommer wurde dann die Entscheidung
für eine Konsortialführung getroffen, das
entsprechende term sheet gezeichnet und
mögliche Konsortialpartner eingeladen. Zu
diesem Zeitpunkt haben wir die jeweiligen
Fonds formal miteinander in Kontakt gebracht. Befördernd wirkte nun, dass jeder
Investor bereits eigene Due-Diligence-Aktivitäten zu i.d.R. unterschiedlichen Aspekten
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Fazit
Warum wurde eine so signifikante Finanzierungsgröße angestrebt? Zum einen haben
die laufenden F&E-Programme in den Indikationen Alzheimer / Neurodegeneration sowie
diversen inflammatorischen Erkrankungen
einen hohen Kapitalbedarf. Zusätzlicher
Finanzbedarf entstand, da das Unternehmen
intensiv biologisch und medizinalchemisch
arbeitet, um die Erfolgschancen der antizipierten Entwicklung und damit Wertbildung
zu erhöhen. Weiterhin war ein Finanzierungszeitraum angestrebt, der die Abarbeitung der anstehenden Schritte zur Erreichung der geplanten Ziele stabil absichert
und das Unternehmen gegenüber potenziellen Partnern in einer starken Position
hält.
Diese Vorgehensweise hat zwar 2009 zu
einer höheren Verwässerung für alle Aktionäre geführt. Längerfristig ist es aber
teurer, auf halbem Wege und aus einer relativ schwachen Position heraus Kapital aufnehmen zu müssen. Die angestrebte Höhe
der Finanzierungsrunde war daher nicht das
beherrschende Thema im Finanzierungsprozess. Wenn ein Blue-Chip-Konsortium im
Kern steht, und hierbei wirkt die Teilnahme
von Corporate Venture (wie Biogen Idec
New Ventures in unserem Falle) zusätzlich
befördernd, bekommt man mit guten Erfolgsaussichten auch weitere Finanzpartner
eingebunden.
www.probiodrug.de
Finanzierung und Kapitalmarkt
Tabelle 5-1:
VC-Finanzierungen privater deutscher Biotechunternehmen, 2009
Unternehmen
Volumen (Mio. €)
Bekanntgabe
Runde Investoren
Probiodrug
36,0
November
7
BB Biotech Ventures, Edmond de Rothschild Investment Partners,
LSP Life Science Partners, Biogen Idec New Ventures, IBG Fonds,
TVM Capital, HBM BioVentures, CFH Group, private Investoren
KeyNeurotek
Pharmaceuticals
8,2
März
3
DVC Deutsche Venture Capital, IBG Beteiligungsgesellschaft
mtm laboratories
7,0
Oktober
3
Gilde Healthcare Partners, HBM BioVentures, HBM BioCapital Invest, LBBW Venture Capital, mtm and Friends
Elara
Pharmaceuticals
4,6
November
1
EMBL Ventures, KfW, WFT, BMBF, BioRN Cluster Management
vasopharm
4,5
Mai
5
EMBL Ventures, KfW, Heidelberg Capital Asset Management,
Entrepreneurs Fund
Cevec
Pharmaceuticals
4,2
November
1
Creathor Venture, NRW.BANK, KfW, Sparkasse Köln-Bonn,
private Investoren
Protagen
3,7
August
5
MIG, S-Capital Dortmund, KfW
Intana Bioscience
0,7
Juni
1
High-Tech Gründerfonds, Bayern Kapital, BioM
Quelle: Ernst & Young und Firmennachrichten, 2010
Alle weiteren Finanzierungsrunden des vergangenen Jahres lagen im einstelligen Millionenbereich. Mit KeyNeurotek (8,2 Millionen Euro) und vasopharm (4,5 Millionen
Euro) haben interessanterweise neben Probiodrug zwei weitere Unternehmen mit eher
klassischen Ansätzen im Bereich ZNS Zugang zu ihren Investoren gefunden. Beide
Unternehmen entwickeln niedermolekulare
Wirkstoffe gegen Hirntrauma bzw. Schlaganfall; KeyNeurotek ist dabei auf klassische
ZNS-Rezeptortargets spezialisiert (Phase II),
während vasopharm Inhibitoren des NOXStoffwechsels bearbeitet (Phase I). Zwei
weitere Runden gehen an Unternehmen, die
bereits fest etabliert sind im Bereich Krebsdiagnostik (mtm) bzw. Diagnostik und F&EServices (Protagen).
Somit sind fünf der acht Runden eindeutig
mit etablierten Unternehmen und reiferen
Portfolios assoziiert. Nur drei Runden gingen
an Start-ups in entsprechenden Seed- bzw.
frühen Finanzierungsmaßnahmen. Für alle
gilt, dass sie technologieorientiert sind mit
Plattformen, die eindeutig zur Generierung
von therapeutischen Produkten geeignet
sind.
Die Elara Pharmaceuticals GmbH fokussiert
sich als Ausgründung aus dem EMBL Heidelberg (European Molecular Biology Laboratory) auf niedermolekulare allosterische
Modulatoren von Kinasen als onkologische
Targets; die Kernkompetenz liegt in der Medizinalchemie, verbunden mit „ Computermodelling“.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Das Kölner Unternehmen Cevec Pharmaceuticals hingegen ist ein Spezialist in der
Entwicklung primärer humaner Zellexpressionssysteme, die insbesondere Anwendung
in der Herstellung von Proteintherapeutika
der Zukunft finden sollen (s. Artikel von
Dr. Lichtenberger in Kapitel 2). Eine Minifinanzierung für den Spin-off von Intana
Bioscience, der aus der ursprünglichen GPC
Biotech hervorging (im Zuge des Mergers
zu Agennix), rundet die Liste ab.
Neben den hier dargestellten Finanzierungsrunden, die mit Angabe von Investitionsvolumen und zusätzlichen Details publiziert worden
waren, gab es einige weitere Finanzierungsmaßnahmen(ALRISE Biosystems, InflaRx,
KINAXO Biotechnologies, Mbiotec, Miacom
diagnostics, Rodos BioTarget, Sloning Biotechnology, Urotec), für die allerdings keine
quantitativen Angaben kommuniziert wurden.
67
In der Gesamtbetrachtung aller Finanzierungsrunden (mit und ohne Zahlenangaben)
verschiebt sich das Gewicht wieder stärker
in Richtung der reiferen Unternehmen. So
nimmt der Anteil der späteren Runden von
50 % auf über 60 % zu. Allerdings ist dies
nicht mit einer zu erwartenden Zunahme
der durchschnittlichen Rundengröße einhergehend. Die deutlich kleinere Zahl an Runden insgesamt erschwert außerdem eine
klare Beurteilung dieser Verschiebung.
Abbildung 5-5:
Finanzierung privater Unternehmen nach Phase
im Jahresvergleich
Anzahl und Anteil an allen Runden*
100 %
17
13
15
7
7
90 %
80 %
70 %
VC-Investoren werden weniger
60 %
6
Mit Ausnahme der Probiodrug-Finanzierung,
die tatsächlich ein sehr breites und internationales Investorenkonsortium aufweist, ist
festzustellen, dass die Liste der in Deutschland verbliebenen VC-Investoren sehr dünn
geworden ist. Neben TVM, dem einzigen
verbliebenen großen Fonds, bleiben 2009
lediglich kleinere Fonds wie EMBL Venture,
IBG und Creathor Venture übrig. Wellington
und Global Life Science Venture waren nach
wie vor im Fundraising aktiv und haben 2009
(zumindest in Deutschland) nicht investiert.
Die anhaltende Ausdünnung der Investoren
bedingt in vielen Fällen auch, dass die verbleibenden Fonds zunehmend Anteile in den
bestehenden Konsortien übernehmen müssen und auch deshalb weniger Spielraum
für neue oder fortführende Finanzierungsrunden zurückbehalten.
In dieser Situation ist es daher auffällig, dass
zunehmend eher lokale Investoren sowie
Banken / Sparkassen (NRW.Bank, Sparkasse
Köln-Bonn) und staatsnahe Organisationen
(High-Tech Gründerfonds, BioM, Bayern
Kapital, LBBW Venture Capital etc.) in die
Bresche springen. Diese Organisationen sind
allerdings nicht in der Lage, größere Runden
zu stemmen, weshalb die gezeigten kleinen
Finanzierungen eher als Notoperationen
zum reinen Überleben der betroffenen Unternehmen anzusehen sind.
Attraktivität für internationale
Investoren sinkt weiter
50 %
7
5
40 %
30 %
20 %
10 %
0 %
Later Stage
13
2
5
9
10
4
4
3
6
7
3
1
2005
2006
2007
2008
2009
2. Runde
1. Runde
Seed
Quelle: Ernst & Young, 2010
* nur Runden mit veröffentlichtem Volumen; ohne Bridge
unternehmen immerhin zwei namhafte Investoren auf der Liste. Dennoch wirft das
weitgehende Fernbleiben internationaler
Investoren erneut die Frage nach den Rahmenbedingungen auf. Insbesondere die
steuerliche Handhabung der Verlustvorträge
hat in den letzten beiden Jahren fortlaufend
Vertrauen bei Investoren verspielt. Dieses
konnte weder durch die Entscheidung der
EU-Kommission zur Ablehnung des MoRaKG,
noch durch das von der Bundesregierung
verabschiedete Wachstumsbeschleunigungsgesetz wiederhergestellt werden.
In einer aktuellen Studie zur Attraktivität für
Venture Capital Investments (IESE Business
School of Navarra; vcpeindex.iese.us) hat
Deutschland weiter Plätze im internationalen
„Ranking“ eingebüßt. Diese Studie vergleicht
europäische Staaten auf Basis unterschiedlicher wirtschaftlicher Faktoren, die für
die Verfügbarkeit von Venture Capital und
Private Equity relevant sind.
Die Beteiligung internationaler Investoren ist
in Deutschland weiterhin rückläufig. Außer
Probiodrug war lediglich mtm laboratories
in der Lage, Investoren aus dem europäischen Ausland zu gewinnen. Mit Gilde
Healthcare Partners und HBM Bioventures
stehen beim Heidelberger Krebsdiagnostik-
Deutschland hinkt demnach vor allem hinsichtlich seiner Kapitalmarkttiefe und teilweise zumindest bezüglich der mangelnden
Unternehmerkultur den anderen Konkurrenten hinterher.
68
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Abbildung 5-6:
Deutschland im globalen Wettbewerb um Venture Capital / Private Equity (IESE 2009)
USA = 100 %
Entrepreneurial
Culture
and
Opportunities
Economic Activity
150
125
100
75
50
25
0
Depth of
Capital
Market
Human
and Social
Environment
Taxation
Investor Protection and
Corporate Governance
Deutschland
Westeuropa 2005/06 2009/10
Rank
Value Rank
VCPE Ranking
Economic Activity
Deapth of Cap. Market
Taxation
Inv. Prot. & Corp. Gov.
Hum. & Soc. Environment
Entrepr. Culture & Opp.
9
43
8
24
12
17
12
69,1
97,1
23,6
126,6
94,2
90,0
85,1
10
5
14
16
14
19
14







Quelle: vcpeindex.iese.us, 2010
Finanzierung und Kapitalmarkt
Abbildung 5-7:
Risikokapital in ausgewählten europäischen Ländern
Summe (Mio. €)
Durchschnitt (Mio. €)
16,2
200
16
150
12
10,3
100
8,9
8,9
8,5
8,4
7,2
5,2
50
0
8,6
6,2
194 124
118 187
69 203
Schweiz
UK
Deutschland
2009 gesamt
2008 gesamt
54
76
Dänemark
5,9
5,8
2,8
3,2
53
7,8
8
9,0
8
Österreich
2009 Durchschnitt
4
50 104
Frankreich
45
2,8
36 3
93
Niederlande
Spanien
1,5
5
93
Schweden
0
2008 Durchschnitt
Quelle: Ernst & Young, 2010
Venture Capital in anderen EU-Ländern
ebenfalls stark eingebrochen
Eine genauere Analyse der Venture-CapitalFinanzierung im EU-Raum zeigt, dass auch
andere Länder mit signifikanten Biotechaktivitäten, mit Ausnahme der Schweiz,
deutliche Einbrüche in VC-Finanzierungen
hinnehmen mussten.
UK(minus 37 %)und Dänemark (minus 29 %)
setzen sich mit weniger starken Einbrüchen
etwas ab. Zusammen mit der Schweiz ist in
diesen Ländern tatsächlich ein größerer Anteil der Biotechunternehmen auf die Entwicklung von Therapeutika ausgerichtet. Im
gleichen Zusammenhang hat sich dort auch
eine Venture-Capital-Branche weiterentwickelt, die jetzt trotz schwieriger Wirtschaftszeiten weiter zu den Unternehmen steht.
Die Branche in Europa zeigt sich mit Blick
auf die Hauptvertreter zweigeteilt: Länder
wie Frankreich, die Niederlande und Deutschland mit einem insgesamt geringeren Anteil
an Therapeutikaentwicklern erleben einen
stärkeren Einbruch des Venture Capital
(Frankreich, Niederlande: beide ca. minus
52 %). Besonders eklatant ist der Einbruch
in Schweden um 95 %.
Mit Spanien und Österreich fallen zwei Länder mit deutlichen VC-Steigerungsraten auf.
Spanien, das in den letzten Jahren sehr
aktiv die nationale Biotechbranche vorantreibt, hat durch eine einzige außerordentliche Finanzierungsrunde in das Unternehmen
Cellerix (27 Millionen Euro) Aufmerksamkeit bei internationalen Investoren verursacht. Auch in Österreich haben die Biotechaktivitäten deutlich zugelegt. Mit 53 Millionen Euro VC-Kapital wurde fast der Stand
Deutschlands erreicht. Die beiden Hauptrunden von Nabriva (15 Millionen Euro)
und ProAffin (14 Millionen Euro) tragen
bereits über die Hälfte der Gesamtinvestitionen. Hier sind auch internationale Investoren beteiligt (Atlas, GLSV, HBM, Nomura
Phase 4 Ventures).
Eine Besonderheit stellt die Schweiz dar, wo
im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern
ein enormer Zuwachs an VC-Finanzierungen
erfolgte (plus 56 %).
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
69
Finanzierung und Kapitalmarkt
Tabelle 5-2:
VC-Finanzierungen privater europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl)
Unternehmen
Land
Volumen Bekanntgabe
(Mio. €)
Runde Investoren
NovImmune
Schweiz
41,4
Mai
3
BZ Bank, Aravis Venture, Ingro Finanz, Novartis Venture Funds,
Pictet Private Equity Investors, Varuma
Probiodrug
Deutschland 36,0
November
7
BB Biotech Ventures, Edmond de Rothschild Investment
Partners, LSP Life Science Partners, Biogen Idec New
Ventures, IBG Fonds, TVM Capital, HBM BioVentures, CFH
Group, private Investoren
Symphogen
Dänemark
33,0
Januar
5
Essex Woodlands Health Ventures, Danika, Danske Bank,
Gilde Healthcare Partners, LD Pensions, Medicon Valley Capital,
Novo, Scandinavian Life Science Venture, Sunstone Capital,
Takeda Research Investment, Vaekstfonden
Molecular
Partners
Schweiz
30,5
Dezember
2
Essex Woodlands Health Ventures, BB Biotech Ventures, Endaeavour Vision, Index Venture, Johnson & Johnson Development
Evolva
Schweiz
29,1
Oktober
2
Aravis, Auriga Partners, Wellington Partners, Astellas Venture
Management, BioMedPartners, Dansk Erhvervsinvestering,
Novartis Venture Fund, Renaissance PME, Sunstone Capital,
The Entrepreneurs Fund, Vinci Capital Switzerland
Cellerix
Spanien
27,0
November
2
Ysios Capital Partners, Bankinter, Capital Riesgo de Madrid,
Genetrix, Grupo A&G, JV Risk Technologies, Life Sciences
Partners, Management, Novartis Venture Fund, Roche
Venture Fund, Ventech
AC Immune
Schweiz
26,5
Januar
3
Individual Investors, Undisclosed Venture Investors
Heptares
Therapeutics
UK
23,6
Februar
2
Clarus Ventures, MVM Life Science Partners,
Novartis Venture Fund
Opsona
Therapeutics
Irland
21,3
Februar
2
Enterprise Ireland, Fountain Healthcare Partners, Inventages
Venture Capital, Novartis Venture Fund, Roche Venture Fund,
Seroba Kernel Life Sciences
Oxagen
UK
18,0
November
6
Novartis Venture Fund, Abingworth Management, Advent
Venture Partners, Bessemer Venture Partners, IBT Ventures,
MPM Capital, Omega Fund, Red Abbey Venture Partners,
SV Life Sciences, Wellcome Trust
Quelle: Ernst & Young und Venture Source, 2010
Allein drei der Top-5-EU-Finanzierungsrunden mit Investmentvolumina zwischen 41 Millionen Euro (NovImmune) und 29 Millionen
Euro (Evolva) wurden in der Schweiz platziert. Alle drei Unternehmen sind mit innovativen Technologieplattformen in attraktiven Therapiegebieten aktiv. NovImmune
vereint dabei drei wesentliche Erfolgskriterien: eine Antikörperplattform mit Produkten in Phase II im hochattraktiven Therapiegebiet Immunkrankheiten. Ebenfalls hoch
bewertet stellt sich Molecular Partners mit
einer Plattform für innovative Wirkstofffor-
men („Darpins“) dar, die in mehreren Partnerschaften (Bayer, Roche, Centocor) extern
klinisch validiert wird. Das dritte plattformorientierte Unternehmen ist Evolva mit einem
Fokus auf „Genetic Chemistry“. Mit Hilfe
von genetisch umprogrammierten Mikroorganismen werden aus zellulären Reaktionsketten Sekundärmetaboliten als innovative
Wirkstoffe generiert. Der Zusammenschluss
mit der nach der Rückintegration in Novartis
verbliebenen Börsenhülle von Arpida hat
eine weitere Fokussierung auf die Infektionskrankheiten bewirkt.
70
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Neue Rolle für Corporate-VC
Auf der Investorenliste der führenden europäischen VC-Runden fällt ein weiteres Novum auf: In acht der zehn Toprunden sind
Corporate-Venture-Investoren beteiligt.
Darunter fällt insbesondere der Novartis
Venture Fund auf, der allein in sechs dieser
Finanzierungen auftritt. Weitere VentureCapital-Fonds aus Pharmafirmen sind: Roche
Venture Fund, Biogen Idec New Ventures,
Astellas Venture Management, Johnson &
Johnson Venture Management und Novo
Finanzierung und Kapitalmarkt
A/S (eigentlich unabhängig von den Unternehmen Novozymes und Novo Nordisk).
Die deutliche Zunahme des Engagements von
Corporate-Venture-Fonds, vor allem in den
großen Finanzierungsrunden von etablierten
Biotechfirmen, kann einerseits im Zusammenhang mit dem insgesamt knapper werdenden
Kapital gesehen werden. Da die pharmaassoziierten VCs in der Regel gut mit Kapital
ausgestattet sind und oft auch als „Evergreen
Funds“ organisiert sind, können sie in dieser
Situation einspringen und gute Investments
tätigen. Außerdem ist anzunehmen, dass im
weiteren Sinn auch strategische Überlegungen eine Rolle spielen, um beispielsweise frühzeitig an innovativen Targetfamilien
oder der Entwicklung von neuen Technologien und Produkten beteiligt zu sein und
zum richtigen Zeitpunkt für eine Transaktion
bereit zu stehen. Die strategische Intension
lässt sich auch ableiten durch einen Blick auf
die finanzierten Biotechunternehmen. Im
Falle der Investments des Novartis Venture
Fund stehen Produktplattformen (Antikörper, SMEs, Zelltherapie) im Fokus, die allesamt bereits Wirkstoffe in die präklinische
oder klinische Entwicklung gebracht haben.
Des Weiteren waren auch innovative Targetfamilien (GPCR, TLR) mit Relevanz in wichtigen Therapiegebieten von Interesse. Die
häufig gestellte Frage nach der Kompatibilität von Corporate-Venture-Fonds mit den
klassischen VCs scheint in den vorliegenden
Beispielen nicht gestellt. Auch das Risiko
von reduzierten Möglichkeiten für Partnerschaften mit anderen Pharmaunternehmen
scheint hier nicht im Vordergrund zu stehen. In einigen Finanzierungsrunden sitzen
sogar mehr als ein Pharma-VC am Investorentisch (z. B. Opsona, Cellerix – Novartis/Roche; Evolva – Novartis / Astellas).
Für den Novartis Venture Fund sind die drei
existierenden Fonds klar gegliedert in einen
Finanz- und zwei mehr strategisch ausge-
richtete Fonds. Auf die Details geht Dr. Markus
Goebel als Managing Director bei Novartis
Venture Fund im nachfolgenden Artikel näher
ein.
Noch stärker als Indiz für die strategische
Zielsetzung der Corporate-VC-Beteiligungen
kann das Engagement in den sehr frühen Finanzierungsrunden gewertet werden. Eine
ganze Reihe von Pharmafirmen engagieren
sich über verschiede Finanzierungsinstrumente in frühen Entwicklungen und sichern
sich Optionen für den späteren Wettbewerb
um die „Winners“ im Wettkampf der Innovationen. Dabei deckt die Liste der abgebildeten Unternehmen, die Pharma-VentureCapital-Fonds mit an Bord haben, ein breites
Feld von Innovationen ab, von Biomarkern
über innovative Wirkstoffformate (Fynmers,
Cell Therapy, Peptide, Polyketides) bis zu
konkreten Therapeutika in früher Entwicklung für attraktive Pharmamärkte (Diabetes,
Krebs, Hauterkrankungen etc.).
Tabelle 5-3:
Beteiligung von Corporate-VCs an Early-Stage-VC-Finanzierungen
privater europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl)
Unternehmen
Land
Volumen Bekanntgabe
(Mio. €)
Runde Investoren
Pronota
Belgien
6,2
Oktober
2
Baekeland Fonds, Flanders Interuniversity Institute for B,
Ghent University Association, Biotech Fund Flanders, Johnson
& Johnson Development, KBC Private Equity Fund Biotech,
Life Sciences Partners, MP Healthcare Venture Management
Moberg Derma
Schweden
3,3
August
3
Essex Woodlands Health Ventures, BB Biotech Ventures,
Endeavour Vision, Index Ventures, Johnson & Johnson
Development
Enigma Diagnostics
UK
2,9
Juli
1
Porton Capital, GlaxoSmithKline
Immune Targeting
Systems
UK
2,7
Januar
2
Guides Venture Partners, HealthCap Venture
Capital, Novartis Venture Fund, Truffle Capital
EpiTherapeutics
Dänemark
2,2
Oktober
Seed
Novo Seeds, SEED Capital Denmark
Andromeda Biotech
Israel
1,1
Februar
2
Teva Pharmaceutical Industries
Bicycle
Therapeutics
UK
Oktober
Seed
Atlas Venture, Novartis Venture Fund
MultiGene Vascular
Systems
Israel
Oktober
2
Teva Pharmaceutical Industries, Aviv Venture Capital,
Individual Investors, Ofer Hi-Tech, Tamir Fishman Ventures
Thrombologic
Dänemark
Dezember
Seed
Novo Seeds, CAT
Covagen
Schweiz
Dezember
Seed
Edmond de Rothschild Investment Partners, MP Healthcare
Venture Management, Novartis Venture Fund, Ventech
Quelle: Ernst & Young, Windhover und Venture Source, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
71
Novartis Venture Fund:
Finanzierung und strategische Partnerschaft
logie durch eine der führenden Pharmafirmen validiert. Die Option ist dabei nie auf
das führende Entwicklungsprojekt gerichtet,
um einen späteren Exit nicht zu behindern
und wird mit einer nicht verwässernden
Geldtransaktion bezahlt. Dieses Konstrukt
erlaubt es privaten Firmen früh, ein zusätzliches Projekt voranzutreiben und erhöht somit die Chance ihres langfristigen Erfolges.
zeitig mögliche Allianzen vorzubereiten. Im
Rahmen dieser Entwicklung kommt es jetzt
häufiger vor, dass mehrere Corporate-Venture-Fonds in eine private Firma investiert
sind. Wir sehen dabei keine prinzipiellen
Probleme, denken aber, dass unabhängige,
ausschließlich gewinnorientierte VCs am
Board ausreichend repräsentiert sein sollten.
Der NVF und NOF haben etwa 700 Millionen
US-Dollar unter Management und sind damit
der größte Corporate-Venture-Fond, der global mit einem Fokus auf die USA und Europa
investiert.
Investitionskriterien
Unsere Investitionskriterien unterscheiden
sich im Wesentlichen nicht von denen unabhängiger Fonds:
• bahnbrechende Wissenschaft und solide
Datenlage
• dominante Patentsituation
• attraktives Marktpotenzial
• günstige Firmenbewertung
• ein Exitpotenzial, das es erlaubt für die
eingesetzten Ressourcen einen attraktiven
Gewinn zu erzielen
• vertretbares Gesamtrisiko
• mögliche strategische Vorteile für Novartis
• erfahrenes Management
• finanzkräftige Ko-Investoren, die unsere
Sicht von Potenzial und Risiko teilen
Geschichte, Ausrichtung und Konzept
Der Novartis Venture Fund (NVF) ist 1996
beim Zusammenschluss von Ciba-Geigy
und Sandoz entstanden. Zwei ursprünglich
Schweiz-orientierte Fonds wurden mit einem
US-fokussierten Fund zum NVF mit Standorten in Basel und Cambridge / US konsolidiert.
Seit Entstehung investiert der NVF vornehmlich in der Frühphase von privaten Biotechund Medtechfirmen.
Interaktion mit Novartis und Ziel
der Investition
Innerhalb Novartis ist der NVF seit jeher Teil
von Corporate Finance gewesen. Es besteht
dabei eine klar definierte Grenze („Chinese
Wall“) zur Mutterorganisation Novartis. Sowohl der NVF als auch der NOF werden von
einem eigenen Advisory Board beraten. Die
Investitionen werden gemeinsam vom NVFund vom NOF-Team vorbereitet und umgesetzt. Bei jeder Investition wird ein Vorstandssitz angestrebt, um in der Lage zu sein,
aktiv an der Entwicklung des finanzierten
Unternehmens mitzuwirken. Das Ziel jeder
Investition muss ein finanzieller Gewinn
sein. Der strategische Gewinn ist gebunden
an das, bei der Investition postulierte, zukünftige Interesse der gesamten Industrie
an der Technologie der Portfolio-Firma und
schließt somit Novartis ein. Dies kann zu
einer Kollaboration, Lizenzvereinbarung
oder Übernahme führen. Unsere Investitionen sollten versuchen, ein viel breiteres
Gebiet abzudecken, als dies die Forschungsprogramme bei großen Pharmafirmen anstreben. Je attraktiver das Innovationsgebiet sich dann entwickelt, desto größer die
Chance eines finanziellen und auch strategischen Gewinns. Das wohl definierte finanzielle und strategische Ziel sowie die beiden
Fondkonzepte des NVF sind in der Industrie
einzigartig.
Im Jahr 2007 entstand der Novartis Option
Fund (NOF; Cambridge / US). Sein Fokus
sind Investitionen in private Firmen, die im
Entstehen oder eben erst gegründet worden
sind (Seed-Phase). Zusätzlich zur Investition
in Equity erhält Novartis eine limitierte Option
auf ein F&E-Programm. Auf diese Weise wird
in einem frühen Stadium die Firmentechno-
Corporate Venture und BD&L
Immer mehr Pharma- und Biotechfirmen
haben einen Corporate-Venture-Fonds ins
Leben gerufen. Viele Fonds sind dabei primär
strategisch ausgerichtet, vor allem diejenigen
kleinerer Pharmafirmen mit einer limitierten Pipeline. Sie sind damit oft „verlängerter
Arm“ des Business Development, um früh-
72
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Dr. Markus Goebel,
Managing Director Novartis Venture Fund
Ziel des Novartis Venture Fund
Unsere Mission lautet: “Investing in innovative life science concepts for patient benefit – creating attractive returns for entrepreneurs and investors”.
Dabei sind für den Erfolg dieses Konzepts
folgende Gesichtspunkte entscheidend:
• Innovation ist die Lebensader der Industrie.
• Ein Behandlungsvorteil für den Patienten
ist Voraussetzung für den Verkaufserfolg.
• Firmengründer und Investoren müssen für
ihre hohe Risikobereitschaft ausreichend
belohnt werden.
Der Mutterkonzern Novartis sieht unsere Arbeit als wichtigen Beitrag zum Gesamterfolg
in der Entwicklung neuer therapeutischer
Möglichkeiten an.
www.novartis.com
Finanzierung und Kapitalmarkt
Finanzierung durch Partnerschaften
Mit dem Einbruch der Venture-Capital-Finanzierungen wurde bereits im vergangenen
Jahr die Frage nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten aufgeworfen. Dabei
kommt den Kollaborationen und Partnerschaften eine wachsende Bedeutung zu.
Den Biotechunternehmen kommt in dieser
Finanzierungskrise entgegen, dass Pharmafirmen aufgrund des wachsenden Kostendrucks, aber vor allem durch die weiter
steigenden Anforderungen an Innovationen
aus dem F&E-Bereich zur stärkeren externen
Verlagerung ihrer F&E-Aktivitäten gezwungen sind. Diese Situation ist der eigentliche
Treiber für die steigende Zahl an Kollaborationen und Allianzen zwischen Pharma- und
Biotechunternehmen.
Eine Vielzahl von Kollaborationen spielt sich
auf dem Niveau von Service-Leistungen ab,
wobei Biotechfirmen definierte Arbeitspakete in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich
bearbeiten und dafür entsprechend bezahlt
werden. Die zunehmende Refokussierung
von Biotechfirmen auf Technologieplattformen eröffnet ihnen breitere Möglichkeiten
der kommerziellen Nutzung, angefangen
bei Dienstleistungen bis hin zu Produktentwicklungen in Partnerschaft oder alleine.
Gerade in Deutschland nehmen die Service- / Technologie- / Tools-Anbieter einen signifikanten Teil in der Firmensegmentierung ein.
Wie bereits in Kapitel 1 ausgeführt, kann
dies zu einer relativ stärkeren Resistenz in
schwierigen Finanzierungsperioden beitragen. Die quantitative Relevanz von Finanzierungsbeiträgen aus Allianzen lässt sich
näherungsweise ableiten aus der Analyse
der Upfront-Zahlungen im Vergleich zu den
VC-Finanzierungen. Upfront-Zahlungen sind
direkte Barkapitalzuflüsse, die den Unternehmen sofort zugute kommen, unabhängig
von späteren erfolgsabhängigen Zahlungen,
die mit entsprechenden Risiken behaftet
sind („Biodollars“).
Die für die europäische Biotechbranche erstellte Analyse zeigt, dass der relative Anteil
der Upfront-Zahlungen insbesondere in den
letzten beiden Jahren zugenommen hat.
Allerdings muss hierbei berücksichtigt werden, dass die Upfront-Zahlungen lediglich
für einen Anteil von ca. 15–20 % der gesam-
ten Allianzen erfasst sind. Für die restlichen
80–85 % der Allianzen wurden keine Zahlen
kommuniziert. Insofern ist der Gesamtbeitrag der Upfront-Zahlungen für die Finanzierung privater Biotechunternehmen deutlich höher anzusetzen als die vorliegende
Grafik impliziert.
Der anhaltende Trend bei allen großen Pharmaunternehmen, F&E-Aktivitäten durch die
Zusammenarbeit mit Dienstleistern und
durch strategische Allianzen mit Partnern
effizienter zu organisieren, wird diese Kapitalquelle für die Biotechbranche weiter
sprudeln lassen. Von besonderem Interesse
ist dabei, dass diese Quelle explizit auch
von jungen Start-up-Unternehmen genutzt
werden kann, die dadurch ihre Technologien
und spezifischen Kompetenzen validiert
bekommen.
Zusätzlich ist gerade für viele Allianzen
wichtig, dass sie auch und zunehmend im
Bereich der frühen Entwicklung greifen und
somit insbesondere die schwierigste Finanzierungslücke vor Erreichen eines „Proof of
Concept“ überbrücken helfen.
Neue Spielregeln für die Finanzierung
von Biotechunternehmen
Abbildung 5-8:
Das verfügbare Venture Capital für die Biotechindustrie in Deutschland hat alleine in
den letzten beiden Jahren um 78 % abgenommen. Die im Jahr 2009 verbliebene
Summe von 69 Millionen Euro liegt in einer
Größenordnung, mit der eine Biotechbranche
wie in Deutschland unmöglich weiter vorangebracht werden kann.
Finanzierung privater Biotechunternehmen in Europa
nach Herkunft der Mittel im Jahresvergleich
Summe (Mio. €)
1600
1541
1400
1434
1160
1200
1010
1000
712
800
600
400
Trotz vieler pessimistischer Stimmen, die
bereits am Anfang des Jahres 2009 eine
durchgreifende Konsolidierung und Reduzierung der Firmenzahl prognostiziert hatten,
ist diese bisher ausgeblieben. Alternative
Finanzierungen (Services, Allianzen etc.)
sowie strukturelle Anpassungen bei Geschäftsmodellen, F&E-Programmen und Mitarbeiterzahl (s. Details in Kapitel 1) haben
erheblich dazu beigetragen.
200
0
37
29
2005
2006
Upfront-Zahlungen aus Allianzen
160
266
213
2007
2008
2009
Risikokapital / Private Equity
Quelle: Ernst & Young, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
73
Finanzierung und Kapitalmarkt
Effiziente Kapitalnutzung
Kapital möglichst effizient zu nutzen, ist
das Gebot der Stunde. Insofern ist zu hinterfragen, ob und inwieweit die Betrachtung
des Venture-Capital-Volumens weiterhin als
alleiniger Gradmesser für den Status der
privaten Biotechunternehmen gelten kann.
Die Tatsache, dass trotz dieser prekären
Lage die Zahl der Unternehmen stabil geblieben ist, argumentiert eher dafür, die
Finanzierungssituation der Biotechbranche
breiter zu analysieren und gerade die gesteigerte Effizienz im Umgang mit Kapital
sowie die hinzukommenden kreativen
Finanzierungselemente stärker zu berücksichtigen.
Andererseits gibt es Stimmen, die in der
aktuellen Situation eher die Ruhe vor dem
Sturm sehen. Zwar würden die dargelegten
Maßnahmen dazu beitragen, die „Burnrate“
bei den Unternehmen zu senken und den
„Capital Reach“ zu verlängern. Das dauerhafte „Bremsen“ und die anhaltende Kapitalknappheit wären allerdings nicht als Lösung
zu sehen und müssten nach einer Verzögerung dennoch zu einer signifikanten Konsolidierung der Unternehmenszahl führen.
Neue Investmentstrategien?
Auch von Seiten der Investoren findet ein
Umdenken statt, hinsichtlich besser geeigneter Geschäftsmodelle ihrer Portfoliounternehmen und vor allem hinsichtlich der
präferierten Exitoptionen. Das fest verschlossene Börsenfenster hat die Option IPO
zumindest einstweilen hinten angestellt;
Firmenverkauf ist die eindeutig realistischere
Alternative. In diesem Zusammenhang
ändern sich auch die Prioritäten bei den für
Investoren interessanten Target- und Portfoliounternehmen.
Vorherrschendes Ziel von Unternehmen,
die auf einen IPO-Exit ausgerichtet waren,
war der Aufbau eines nachhaltigen und
risikodiversifizierten Produktportfolios mit
möglichst marktnahen Produktentwicklungen zum Zeitpunkt des IPO.
74
Entsprechend dieser Ausrichtung waren
die Strukturen eines Unternehmens mit Forschung, Entwicklung, Business Development
sowie dem Management und dem Finanzund Verwaltungsapparat definiert. Die wesentlichen Unternehmensfunktionen waren
nach extern gerichtet, um Investoren zu
überzeugen, Partner zu identifizieren oder
Kunden zu akquirieren.
Ganz im Gegensatz dazu stellt eine Strategie, die auf einen Verkauf des Unternehmens ausgerichtet ist, völlig andere Prioritäten in den Vordergrund: Die Maximierung
von „verkaufbaren“ individuellen Assets –
Produkte oder Technologieplattformen – in
optimierten internen Prozessen bekommt
einen höheren Stellenwert vor dem Portfolio.
In Zeiten, in denen Pharmaunternehmen
mit „Option Deals“ auf innovative Produktakquisitionen schielen, ist ein Biotechunternehmen gut beraten, den Wettbewerb durch
Produktqualität, Prozesseffektivität und
effiziente Strukturen für sich zu entscheiden.
Entsprechend ergeben sich auch andere
Prioritäten für die Aufstellung des Managements. Der stärkere Fokus auf die Optimierung interner Abläufe verlangt mehr nach
Projektmanagementqualitäten als nach erfahrenen und „extrovertierten Dealmaker“Typen.
Sicherlich wird das Exitziel IPO auch zukünftig wieder eine Rolle spielen, wenn die
Kapitalmarktsituation sich wieder erholt;
dennoch wird ein IPO-Exit vermutlich deutlich weniger Unternehmen vorbehalten sein,
während die Ausrichtung auf einen Verkauf
dominieren wird.
Die unmittelbaren Folgen dieser Entwicklung sind jedoch auch zu benennen: kürzere
Zeitläufe bis zu einem Exit mit entsprechend
geringerem Kapitalaufwand einerseits, ein
höheres Risiko, wenn „alles auf eine Karte“
gesetzt wird, und damit auch eine gesteigerte Volatilität hinsichtlich der Firmenzahl
andererseits.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Mit dem Statement von Dr. Hubert Birner,
TVM, soll die sich ändernde Landschaft der
Biotechfinanzierung aus der Perspektive
eines aktiv involvierten Investors näher beleuchtet werden. Den zuvor dargelegten
Vorgaben entsprechen bereits heute Aktivitäten von Investoren, insbesondere im Bereich der „Early Stage Investments“. Neue
Spielregeln für Investoren und Biotechs in
diesem Sektor haben zum Ziel, Unternehmen
schlank aufzustellen und möglichst schnell
und fokussiert zu greifbaren Ergebnissen in
der Validierung von „Assets“ zu gelangen.
Hier kommt insbesondere die Forderung
nach „Capital Efficiency“ zum Tragen.
Einige Venture-Capital-Gesellschaften haben
ihre Investmentstrategien in unterschiedliche Segmente unterteilt, um den unterschiedlichen Anforderungen von sehr jungen
Unternehmen in der Startphase ebenso
gerecht zu werden, wie auch Gesellschaften
in Wachstums- und Reifephasen. Die Ausführungen von Michelle Ollier, Partnerin bei
Index Ventures, einer Schweizer VentureCapital-Gesellschaft, wird dies verdeutlichen.
Interessant in der Darstellung der verschiedenen Investmentvehikel ist der „Phasenübergang“ von frühen Unternehmen in die
Wachstumsphase. Hier befindet sich üblicherweise die kritische Finanzierungslücke, wo
die Frühphasenfinanzierung oft nicht ausreicht, um Anschlussfinanzierungen durch
„Growth Capital“ zu erreichen.
Als eine „Zwischen-Exit“-Lösung wird von
Investoren auch hier immer stärker die
Verpartnerung mit Pharmaunternehmen in
Betracht gezogen, um Projekte frühzeitig zu
verkaufen oder in einer Allianz weiter voranzutreiben, bis sie die Kriterien der „LateStage“-Fonds oder Investoren erfüllen.
Von der Pipeline- zur Projektfinanzierung:
Fluch und Segen effizienter Finanzierungsstrategien
Dr. Hubert Birner,
General Partner TVM Capital GmbH,
München
Seit dem Beginn der Wirtschaftskrise hat
sich die Finanzierungssituation für junge
arzneimittelforschende Unternehmen weiter
verschlimmert: Es fließt immer weniger
Kapital in private Unternehmen, selbst bei
den jetzt vorherrschenden niedrigen Bewertungen. In der Konsequenz muss die Biotechbranche neue Modelle bei der Finanzierung junger Unternehmen entwickeln. Das
ist derzeit eines der wichtigsten Themen
unserer Venture-Capital-Aktivitäten bei TVM
Capital Life Sciences.
Kapitaleffizienz in der Praxis – Der „EinProjekt-Ansatz“
Junge Unternehmen müssen ihre Arzneimittelforschung den limitierten Finanzierungsmöglichkeiten anpassen und biopharmazeutische Produkte auf möglichst kosteneffizientem Wege weiterentwickeln. Damit
wird der „Werttreiber“ fokussiert; in den vergangenen zehn Jahren war es in Deutschland ohnehin so, dass der größte Anteil des
Unternehmenswertes in einem einzelnen
Projekt gesehen wurde, was beim Scheitern
des „Flaggschiffproduktes“ stets zu einer
rasanten Talfahrt des Unternehmenswertes
führte. Eine mögliche Antwort kann daher
die selektive Projektfinanzierung sein. Mit
diesem Ansatz wird ein präklinischer Wirkstoffkandidat in einem kostengünstigen „virtualisierten“ Ansatz zu einem „technischen“
(schnelle Generierung positiver Daten im
Menschen ohne aufwändige Parallelaktivitäten), nicht „regulatorischen“ „Proof of
Concept“ (POC) entwickelt. Der Unterschied
zu früher besteht darin, dass der finanzielle
Aufwand und daher das Risiko beim „technischen“ POC signifikant geringer ist und
man davon ausgeht, dass nach dem „technischen“ POC ohnehin ein Pharmapartner
den Wirkstoffkandidaten übernehmen und
mit ungleich höheren Ressourcen weiterentwickeln wird. Mit dem Einsatz von 8 bis 10
Millionen Euro kann so aus unserer Sicht ein
Wirkstoffkandidat zum technischen POC
entwickelt werden. Dann reichen ein bis
zwei Investoren in einem Finanzierungskonsortium aus, um das Projekt bis zum entscheidenden Meilenstein zu finanzieren. Ein
weiterer Vorteil ergibt sich aus der Tatsache,
dass der Wirkstoffkandidat mit sehr wenigen
erfahrenen Projektentwicklern und externen
Dienstleistern bearbeitet werden kann – ohne
das Risiko, ein neues Entwicklungsteam
zusammenstellen und dessen „Lernkurve“
finanzieren zu müssen. Die Gründer und
Manager solcher Unternehmen erhalten zu
Beginn einen klar definierten Anteil am
Unternehmen und wissen bei Beginn des
Projektes schon genau, was ihr relativer
Anteil am wirtschaftlichen Erfolg eines nach
Phase IIa erfolgreich an einen Partner verkauften Wirkstoffkandidaten sein wird. Diese
Unternehmen haben nur ein sehr kleines
Managementteam, das entlang klar vorgegebener Zwischenmeilensteine arbeitet,
welche die Basis für die Finanzierung durch
die Investoren darstellen. Bei einem Scheitern
des Projektes erlaubt dieser Ansatz einen
schnellen Projektabbruch und Minimierung
des finanziellen Risikos. Der Hauptteil der
Entwicklungsarbeit wird von erfahrenen
CROs, medizinal-chemischen Dienstleistern
und Beratern für die Arzneimittelzulassung
erledigt. Da der wirtschaftliche Projekterfolg
auch hier von einem professionellen „Business Development“ abhängt, wird diese
Funktion meist von Investoren zur Verfügung
gestellt, auch für mehrere ihrer Beteiligungen (alternativ wird das „Business Development“ extern vergeben).
koordinator für „sein“ Projekt. Ihm sind aufgrund der klaren Meilensteinvorgaben für
viele Entscheidungen klare Spielregeln vorgegeben.
Managementaufgaben im Wandel
Es ist offensichtlich, dass diese Art der Unternehmensfinanzierung die Kontrolle über
das Unternehmen sehr stark in die Hände
der Investoren verlagert. Der „Biotechunternehmer“ wird mehr und mehr zum Projekt-
www.tvm-capital.com
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Risikodiversifizierung im Portfolio
notwendig
Aus der Sicht des Investors ist zu bedenken,
dass bei der Einzelprojektfinanzierung alles
auf eine Karte gesetzt wird – zwar mit weniger Kapitaleinsatz als früher, gleichzeitig
aber mit einer deutlich höheren Chance
eines Totalverlustes. Diese Finanzierungsstrategie verlangt daher auf Seiten des Investors eine ausreichend hohe Anzahl von
Einzelprojekten, um die angestrebte Risikodiversifizierung zu erreichen.
Fokus auf Produkte
Der „Ein-Projekt-Ansatz“ ist kein Patentrezept für jede Art von Biotechunternehmen.
Es ist nicht der Weg, eine interessante Plattformtechnologie weiterzuentwickeln, wo
sehr spezialisiertes Expertenwissen und ein
Team dedizierter Wissenschaftler über viele
Jahre und Funktionen hinweg notwendig
bleiben. Dieser Ansatz ist hervorragend geeignet für Einzelprojekte – meist aus der
wissenschaftlichen Forschung oder von
Pharmaunternehmen einlizenziert – um das
Ertragspotenzial dieser Projekte bei den
nach wie vor hohen Ausfallraten von 65 %
und mehr zu erhöhen.
TVM Portfolio-Beispiele
Beispiele aus dem aktiven TVM Capital Portfolio für diese Finanzierungsstrategie sind
Albireo oder Proteon Therapeutics. TVM
Capital wird auch in Zukunft als Frühphasenfinanzier agieren – allerdings mit einer
klugen, marktangepaßten Investitionsstrategie, die das Risiko und die Ertragserwartung
auf Portfolioebene attraktiver macht als das
in den letzten Jahren der Fall war. Das ist
Teil unserer mehrstufigen Beteiligungsstrategie im Bereich Life Sciences, die künftig
Beteiligungen an Gründung und Frühphase
genauso vorsieht wie Wachstumsfinanzierungen profitabler Unternehmen.
75
VC strategies for early and late stage investments
make it or on supporting unnecessary infrastructure. We have moved from the traditional model where venture capital has been
used to build companies with a portfolio of
assets in order to diversify risk to an assetcentric model, as we believe portfolio-style
drug development is inefficient for earlystage venture investing.
Dr. Michele Ollier, Partner
Index Ventures, Genf
We have refined our model wherein we work
with experienced executives to tightly project manage programs to critical data points.
We fully trust and believe in these portfolio
executives to make those hard decisions.
They are free and incentivised to do so, and
should one asset fail scrutiny, they will be
simply moved on to the next asset program.
We want every molecule to move forward on
its own merits and we don’t want to leverage
the success of one asset in order to prop up
another program just to keep the company
alive.
Dual strategy
As an investor with funds dedicated to both
early stage venture (Index Ventures V) and
later stage (Index Growth Fund I), it has
been critical to evolve a clear set of matrices
which drive our investment decisions. In
recent years, we have developed a dual strategy in which we are still investing in funding
fully-fledged companies, built on strong
platforms able to drive sustainable pipelines
of new drugs. But a larger proportion of our
investment is now directed towards assetcentric investing, wherein we focus on single
assets and developing promising candidates
to critical value inflection points to be partnered with pharma as quickly as possible.
Asset sources
Assets are originally sourced from universities, biotech companies and pharma. We
have built a close network of entrepreneurial academic and industry contacts – “Asset
Scouts”, whose role is to identify assets of
interest. We look for early stage assets
requiring one to three million US dollars
project finance to reach a go / no-go point in
order to assess its real potential. If it makes
the grade, Index Ventures will progress the
asset into the legal wrapper of a company
and support it with an entrepreneurial
management team with skills to drive the
asset through key early development
stages.
From company building to an asset centric-model
The high failure rate in backing early stage
technologies and assets has driven many
investors to focus their funds on the later
stages of development – hedging big bets on
a small number of companies. But without
investors who are truly entrepreneurial and
prepared to fuel the development of early
products and technologies, our industry
would choke innovation – and miss some
potentially high returns. At Index Ventures,
we have looked for the most cash-efficient
and risk-balanced route to having early
stage drugs either killed or progressed in a
way which avoids wasting scarce cash on
progressing assets which ultimately won’t
Returns from early stage investing
We expect less than one in ten asset programs
to develop to a point at which considerable
amounts of capital would be invested. But
the investment made would have been low
and we thus anticipate a smaller total gross
burn to arrive at initial Phase II data — in between the region of 15 to 20 million US dollars
for a single program — allowing for a syndicate of a maximum of two co-investors to
carry the company. Typically, we would look
for these assets to be sold for at least fivefold returns. We look for these assets to be
sold at market values, priced on the basis of
the size of the potential opportunity and the
probability of it getting there.
76
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
With this system in place, Index Ventures is
able to develop a pipeline of potential assets
and lower risk portfolio companies, while
minimizing the risk of product failure in later
trials, reducing the amount of start up capital required and ultimately increasing Index
Ventures’ ROI. PanGenetics is the most recent
example of the value and ROI of Index Ventures’ asset-centric model following the sale
of one of its two antibodies, anti-NGF PG110,
to Abbott for 170 million US dollars in
November 2009. This deal has been cited
as the largest down-payment for a Phase I
project ever.
Building companies from disruptive
technologies
From both our venture and growth funds,
Index Ventures is still investing in companies
whose technologies move the frontier and
have the potential to change the industry.
Index’s investment in Versartis represented a
novel model, aimed at maximizing the value
of an innovative platform technology originally pioneered by Amunix. The ownership
of the platform remains with Amunix and its
inventors; while emerging asset programs
are packaged into new clinical stage companies with the expertise to rapidly progress
products development and maximize returns
through partnering.
Index Ventures is particularly strong in the
biologics area – for example, we were an
early investor in Genmab, and today we are
invested in Molecular Partners, Micromet and
Glycovaxyn. Micromet represents a typical
investment from our growth fund – a listed
company with clinical assets and whose platform has the potential to feed a growing
pipeline towards a sustainable biotech company.
In following our dual strategy, we believe we
are able to invest at both early and late stages
in a way which maximizes the potential of
technologies and assets; rewards, motivates
and keeps successful executives engaged;
as well as providing a source of excellent
deal flow for pharma and great returns for
our LP investors. The current economy provides an excellent environment to put both
scientific and investment creativity to work.
www.indexventures.com
Finanzierung und Kapitalmarkt
Abbildung 5-9:
Zukünftige* Finanzierungsquellen deutscher Unternehmen im Vergleich mit Europa und USA
Anteil von antwortenden Unternehmen, Mehrfachnennungen möglich
42
VC / Private Equity
58
60
71
Fördermittel
37
38
Kooperationen
Fremdkapital
3
43
44
24
12
12
Börsengang
43
10
7
4
Follow-On
10
19
5
PIPE
3
10
1
Wandelanleihe
13
12
0 %
Deutschland (n = 151)
10 %
20 %
30 %
Europa (Rest, n = 188)
40 %
50 %
Die neuen Spielregeln sind auch bei den
Unternehmen der Biotechbranche angekommen. Über ein Umdenken bei den Geschäftsmodellen, Restrukturierungen und
insbesondere über die Auswirkung im Transaktionsbereich wurde in den vorhergehenden Kapiteln berichtet.
Die Biotechunternehmen wurden im Rahmen
der jährlichen Branchenumfrage von Ernst &
Young auch konkret nach ihren Finanzierungsplänen gefragt. Im Ergebnis zeigen
sich im Vergleich zum letzten Jahr nur geringfügige Änderungen; die Mehrheit der
Unternehmen hatte bereits im Vorjahr realistisch auf die sich ändernden Optionen zur
Finanzierung geblickt.
70 %
80 %
USA (n = 174)
Quelle: Ernst & Young, 2010
* geplante Aufnahme in den nächsten zwei Jahren
Unternehmen akzeptieren
„neue Spielregeln“
60 %
Im Gesamtbild ist die Hoffnung auf Fördermittel unverändert stark ausgeprägt (71 %
nach 73 % im Jahr 2008). Demgegenüber
setzt sich die über die letzten Jahre sichtbare Abnahme der VC-Finanzierung als Kapitalquelle weiter fort.
Während 2006 noch über drei Viertel der
Befragten (78 %) Venture Capital als Finanzierungsweg angaben, ist diese Erwartung
in deutlichen Schritten – 2007 66 % und
2008 54 % – im Berichtsjahr 2009 auf gerade
einmal 42 % der Aussagen gesunken.
Unverständlicherweise und gegen den international sichtbaren Trend gibt es keinen
Anstieg bei den Allianzen als Finanzierungsoption; die Umfrageergebnisse sind mit
38 % sogar leicht rückläufig im Vergleich
zum letzten Jahr(42 %). Dieses Meinungsbild deckt sich aber tatsächlich mit den im
Jahr 2009 erfolgten Transaktionen, die in
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Deutschland ebenfalls leicht rückläufig waren und dem europäischen Trend entgegenlaufen.
Die geringfügige Steigerung in Angaben zu
Fremdkapital von 22 % im Jahr 2008 auf
aktuelle 24 % für 2009 könnte eine stärkere
Ausrichtung auf die Serviceschiene andeuten;
diese Zahlen sollten aber aufgrund der geringen Unterschiede nicht überinterpretiert
werden.
Realistisch wie bereits im Vorjahr (2 %) wird
nach wie vor die Chance auf einen Börsengang in den Jahren 2010 / 2011 als äußerst
gering eingestuft (3 %). Immerhin waren
2006 bei gleicher Fragestellung noch 14 %
der antwortenden Unternehmen von einem
Börsengang als Finanzierungs- und Exitoption ausgegangen.
77
Finanzierung und Kapitalmarkt
Diese Aussagen folgen einer kontinuierlichen
Entwicklung über die letzten drei Jahre, in
denen die Zustimmung zum M&A-Exit von
41 % auf 63 % angestiegen ist, während im
gleichen Zeitraum die Realisierbarkeit von
IPOs schwankt, aktuell aber rückläufig ist.
Abbildung 5-10:
Denkbare Exitstrategien deutscher Biotechunternehmen
im Jahresvergleich
Anteil von antwortenden Unternehmen, Mehrfachnennungen möglich
Die Fraktion der IPO-Befürworter ist sich
ihrerseits aber im Klaren darüber, dass der
Zeithorizont für einen möglichen IPO jenseits 2010 liegt; 88 % sehen einen Börsengang in frühestens drei Jahren. Immerhin
fällt ebenfalls auf, dass es eine sichtbare
Fraktion von Unternehmen gibt, die keine
Exitplanung haben. Diese arbeiten mit Geschäftsmodellen, die unabhängig von Beteiligungen strategischer oder finanziell motivierter Investoren sind. Wie in Kapital 2
ausgeführt, gibt es gerade in Deutschland
einen sichtbaren Anteil solcher Unternehmen.
70 %
60 %
50 %
40 %
30 %
20 %
10 %
41
0 %
M&A
17
37
57
2007 (n = 175)
IPO
27
33
2008 (n = 170)
63
18
25
2009 (n = 151)
Börsengang kein Thema
Keine
Quelle: Ernst & Young und VentureSource, 2010
Alternative Finanzierungsaussichten
im internationalen Vergleich
Die parallele Befragung von Biotechunternehmen im internationalen Umfeld ergab
interessante Unterschiede im Vergleich zu
den Antworten aus Deutschland: Wesentliche Unterschiede ergeben sich hinsichtlich
der Fördergelder, die in Deutschland deutlich höher priorisiert werden als im internationalen Vergleich. Im Gegensatz dazu ist
Venture Capital in Deutschland weniger
favorisiert. Diesen Sachverhalt hatte bereits
die letztjährige Befragung herausgestellt.
Der auffälligste Unterschied im Vergleich
zum Vorjahr ergibt sich bei Fremdkapital;
hier bleibt der Wert für Deutschland unverändert bei 24 %, während Europa und USA
in diesem Jahr deutlich nach unten fallen
(10 %). Plausible Erklärung bietet wiederum
die unterschiedliche Ausrichtung der Regionen, wobei Deutschland (s. detaillierte
Aufstellung in Kapitel 2) stärker servicelastig erscheint und deshalb vermutlich eher
den Zugang zu Fremdkapital finden kann.
Exitstrategien passen sich an
Die Einschätzungen zur Finanzierung korrelieren gut mit den entsprechenden Aussagen
zu geplanten Exitszenarien. In Übereinstimmung mit den Investoren wird ein Verkauf des
Unternehmens mittlerweile von einer deutlich
größeren Fraktion der befragten Unternehmen
in Deutschland als realistisch angenommen.
Während fast zwei Drittel der befragten Unternehmen inzwischen eine M&A-Transaktion
als wahrscheinlichstes Exitszenario ansehen,
sind es nur noch 18 %, die sich einen IPO vorstellen können.
Die signifikante Meinungsverschiebung hinsichtlich priorisierter Exitoptionen ist natürlich in erster Linie eine Reaktion auf das
nach wie vor fest verschlossene IPO-Fenster.
In Deutschland ist 2009 das dritte Jahr in
Folge ohne Börsengänge und gemäß den
Umfrageantworten ist nicht zu erwarten, dass
2010 eine Trendumkehr einleiten könnte.
Auch in Europa ist IPO eher ein Ausnahmethema; auch hier sind die Aussichten nicht
optimistischer. Im Jahr 2009 konnten vier
europäische Unternehmen einen Börsengang durchführen und dabei insgesamt
90 Millionen Euro einnehmen. Alle vier Börsenkandidaten konnten eine spezifische
Rationale für ihre Entscheidung ins Feld
schicken.
Tabelle 5-4:
Börsengänge europäischer Biotechunternehmen, 2009
Unternehmen
Land
Volumen (Mio. €)
Datum
Art
Movetis
Belgien
85,0
3. Dezember
IPO
D-Pharm
Israel
5,2
17. August
IPO
Arpida/Evolva
Schweiz
11. Dezember
Reverse IPO
mondoBIOTECH
Schweiz
26. August
Listing
Quelle: Ernst & Young und Firmennachrichten, 2010
78
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Finanzierung und Kapitalmarkt
Allerdings konnte nur ein Unternehmen,
Movetis aus Belgien, signifikante Erlöse
(85 Millionen Euro) erzielen. Movetis ist
ein Speciality-Pharmaunternehmen, das
sich auf die Entwicklung und Vermarktung
von Therapeutika für gastrointestinale Erkrankungen fokussiert. Das reife Portfolio
mit einem Marktprodukt sowie das Geschäftsmodell „Speciality Pharma“ konnten
offensichtlich überzeugen.
Daneben waren alle anderen Börsengänge
nur Listings, wie bei den beiden Schweizer
Unternehmen MondoBIOTECH und Evolva.
Der Börsengang von Evolva, einem Unternehmen mit einer „Genetic-Chemistry“Plattform zur Generierung von neuen Wirkstoffen auf Basis mikrobieller Sekundärmetaboliten, war verbunden mit der Übernahme der Börsenhülle der ehemaligen
Arpida, die in Novartis rückintegriert worden war.
MondoBIOTECH hingegen hat sich dem „Repurposing“ bekannter Wirkstoffe (Peptide)
für die Entwicklung von Therapeutika für
seltene Erkrankungen verschrieben. Dem
Listing folgte inzwischen Anfang 2010 eine
Kapitalerhöhung in Höhe von 9,2 Millionen
CHF. Einen sehr kleinen Betrag (5 Millionen
Euro) konnte außerdem das israelische
Unternehmen D-Pharm per IPO an der Börse
in Tel Aviv einnehmen.
Impulse aus den USA?
Zumindest aus der Perspektive IPO ist auch
in den USA keine positive Trendwende ersichtlich, die – wie in der Vergangenheit geschehen – in zeitlichem Abstand auf Europa
und Deutschland projiziert werden könnte.
Für die nur drei Börsengänge in den USA im
Laufe des Jahres 2009 gilt ebenso wie für
die in Europa beschriebenen: Erhöhte Anforderungen und eine besondere Story sind
die Grundvoraussetzung. So ist der 550Millionen-US-Dollar-Börsengang von Talecris
sicherlich insofern eine Ausnahme, als dieses
Unternehmen mit den Plasmafraktionierungsaktivitäten bereits lange erfolgreich
im Markt ist (Nachfolgeaktivitäten von
Bayer / Cutter in den USA).
Ein weiterer IPO, Cumberland Pharmaceuticals mit 79 Millionen US-Dollar, folgt dem
Muster eines Specialty-Pharmaunternehmens ebenfalls mit Produkten, die bereits
auf dem Markt sind. Schließlich ist der einzige eher klassische Biotech-IPO der von
Omeros (68 Millionen US-Dollar), basierend
auf einem Produktportfolio im Bereich Entzündungen / ZNS mit dem „Frontrunner“
in Phase III für die Therapie von postoperativen Entzündungsproblemen. Nur der
Ausnahme-IPO von Talecris zeigte im Nachhinein eine positive Entwicklung des Aktienkurses; die übrigen Börsengänge konnten
die Erwartungen nicht erfüllen und fielen im
weiteren Handel deutlich unter die Ausgabekurse.
Bleibt die Hoffnung auf die Erholung des
Sekundärmarktes in den USA, der ebenfalls
Signalwirkung haben kann auf die weitere
Entwicklung des Kapitalmarktes und zukünftige Börsengänge.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Auch hier zeigt die Entwicklung in den USA
in die gleiche Richtung wie für Europa bereits
beschrieben: Der Appetit des US-Kapitalmarktes für den Biotechsektor nimmt zu; die
Gesamtbilanz der Kapitalmarktaktivitäten
der börsennotierten Unternehmen zeigt
2009 deutlich nach oben. Mit 13,6 Milliarden
US-Dollar konnte das Volumen im Vergleich
zu 2008 mehr als verdoppelt werden. Allerdings ist die Verteilung dieser Mittel auch in
den USA konzentriert auf eine kleine Gruppe von 19 führenden Unternehmen, die
mehr als zwei Drittel der Gesamtsumme für
sich verbuchen.
Die Branchenführer Amgen (2 Milliarden
US-Dollar Debt), Cephalon (500 Millionen
US-Dollar), Gilead (400 Millionen US-Dollar) und BioRad Laboratories (300 Millionen US-Dollar) führten das Feld an.
Für Aufmerksamkeit hatten auch die kurz aufeinanderfolgenden Sekundärfinanzierungen
von Therapeutikaentwicklern mit reifen klinischen Projekten wie Vertex (940 Millionen
US-Dollar), Genome Sciences (851 Millionen US-Dollar), Dendreon Pharmaceuticals
(600 Millionen US-Dollar) sowie Incyte (540
Millionen US-Dollar) gesorgt.
Wenngleich die enormen Summen in diesen
Finanzierungen ein wiederkehrendes Interesse der Kapitalmärkte an Biotech anzudeuten scheinen, so bleibt doch ein berechtigter Zweifel zurück, ob die Fokussierung
auf die Branchenführer mit entsprechend
etabliertem Track Record als Signal für die
Biotechbranche in ihrer ganzen Breite gewertet werden kann. Insbesondere ist nach
wie vor nicht zu erkennen, ob die Wirkung bis
auf die Ebene der Börsenaspiranten reicht
und somit ein Wiederbeleben der IPO-Aktivitäten eintreten wird.
79
Analyse: Finanzierung börsennotierter Unternehmen
Talsohle erreicht?
Die Kapitalmarktmaßnahmen der börsennotierten deutschen Biotechunternehmen
haben sich nach dem dramatischen Einbruch im letzten Jahr (minus 64 %) aktuell
auf dem niedrigen Niveau des Vorjahres
etabliert. Ein nur geringfügiger Anstieg von
10 % auf aktuell 54 Millionen Euro kann
sicherlich noch nicht als Aufwärtstrend interpretiert werden. Eher scheint es, dass
die Talsohle erreicht ist.
Kapitalmaßnahmen börsennotierter
Biotechunternehmen in Deutschland
In der Einzelanalyse wird ersichtlich, dass
lediglich fünf Unternehmen überhaupt am
Kapitalmarkt erfolgreich waren.
Das Münchner Unternehmen 4SC, das 30 Millionen Euro im Rahmen einer PIPE (Private
Investment in Public Entity) einnahm, konnte
dabei alleine 56 % der gesamten Finanzierungssumme im deutschen Biotechsektor
für sich verbuchen. Dies ist umso bemerkenswerter, als das Unternehmen bereits im
letzten Jahr mit 29 Millionen Euro die Rangliste der Kapitalerhöhungen anführte.
4SC kann wesentliche Erfolgsfaktoren auf
der Habenseite vorweisen:
• proprietäre Technologieplattform (in-silicoScreening) integriert in eine effiziente
Forschungseinheit zur Generierung von
niedermolekularen Wirkstoffen
• Fokussierung auf hochattraktive Therapiegebiete (Autoimmun- und Krebserkrankungen)
• eine ausgewogene Entwicklungspipeline
mit acht Projekten in präklinischer und
klinischer Entwicklung
• klar definierte Geschäftsstrategie mit Fokus
auf die Entwicklung von innovativen Wirkstoffen bis zum „Proof of Concept“ mit anschließender Verpartnerung mit Pharmaunternehmen
• abgeschlossene Partnerschaften, die Technologie und Produkte validiert haben
• Verbindung mit potentem Investor (Santo
Holding; Brüder Strüngmann)
Tabelle 5-5:
Sekundärfinanzierungen börsengelisteter deutscher
Biotechunternehmen, 2009
Unternehmen
Volumen (Mio.€)
Datum
Art
4SC
30,0
16. November
PIPE
Wilex
8,9
11. November
PIPE
Epigenomics
5,2
12. Februar
PIPE
Biofrontera
3,0
17. März
PIPE
Mologen
2,8
27. März
PIPE
Biofrontera
2,2
24. Juli
Follow-on
Biofrontera
1,8
9. September
Follow-on
Biofrontera
0,5
14. Januar
PIPE
Quelle: Ernst & Young und Firmennachrichten, 2010
erkrankungen und Krebs. Innerhalb der
kommenden 24 Monate soll der klinische
Wirksamkeitsnachweis für den niedermolekularen Wirkstoff 4SC-101 in Rheumatoider
Arthritis und für den HDAC-Inhibitor 4SC-201
in hepatozellulärem Karzinom, einer Form
von Leberkrebs, erzielt werden.
Insgesamt wurden im Rahmen der Kapitalerhöhung 10 Millionen neue Aktien platziert.
Der Streubesitz (Free Float) liegt damit
nach aktuellem Kenntnisstand bei 19 % der
ausgegebenen Aktien.
Mit einem attraktiven Finanzierungsdeal
konnte auch die Heidelberger Sygnis Pharma
aufwarten, die ein 10-Millionen-Euro-SEDAAgreement von Yorkville abschließen konnte
Da dieser Deal Finanzierungszusagen über
drei Jahre beinhaltet, die aber noch nicht
ausgeübt wurden, ist die Summe noch nicht
in der Tabelle aufgeführt.
Mit den Erlösen soll die Weiterentwicklung
der aktuellen Produktpipeline der 4SC gesichert werden. Dabei liegt der Fokus insbesondere auf dem Voranbringen der klinischen
Medikamentenkandidaten gegen Autoimmun-
Mit deutlichem Abstand folgt die Wilex AG
mit einer 9-Millionen-Euro-Kapitalerhöhung
durch Platzierung zusätzlicher Aktien an
der Börse. Wilex hatte ebenfalls bereits am
Anfang des Jahres Schlagzeilen durch die
Übernahme des präklinischen OnkologieProgramms von UCB gemacht (s. auch
Expertenbeitrag von Peter Llwellyn-Davies
im Deutschen Biotechnologie-Report 2009);
damit einhergegangen war eine weitere
Kapitalerhöhung (10 Millionen Euro) im
Rahmen der Verschmelzung mit der UCBTochter. Wilex hat dadurch neues Kapital
und zusätzlich neue Entwicklungskandi-
80
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
daten in sein Portfolio aufgenommen; die
Ausrichtung ist klar auf Krebserkrankungen
gerichtet mit dem Leitprojekt Rencarex
(Antikörper in Phase III gegen Nierenkarzinom), der sowohl diagnostisch als auch therapeutisch eingesetzt werden kann.
Mit insgesamt acht Millionen Euro Erlös aus
insgesamt vier Kapitalmaßnahmen war erneut Biofrontera am Kapitalmarkt erfolgreich. Das Unternehmen gehörte ebenfalls
zu den wenigen, die auch bereits 2008
(wenn auch nur mit einer Million Euro)
Erlöse an der Börse erzielen konnte. Die
Biofrontera ist ein biopharmazeutisches
Unternehmen, das sich auf die Entwicklung
von medizinischer Kosmetik und neuen
Medikamenten zur Pflege und Behandlung
von Haut- und Entzündungskrankheiten
spezialisiert. Das Wirkkosmetikum Belixos
wurde im Oktober 2009 am Markt eingeführt. Darüber hinaus hat die Gesellschaft
drei Produktkandidaten für vier verschiedene Indikationen in klinischer Entwicklung.
Die in der Entwicklung am weitesten fortgeschrittenen Medikamente sind BF-200 ALA
(Phase III) für aktinische Keratose (Vorstufe von Hautkrebs) und Kondylom (Genitalwarzen) sowie BF-derm 1 (Phase II) für
chronische, antihistaminrefraktäre Urtikaria
(mit Antihistaminen nicht ausreichend behandelbare chronische Nesselsucht). Das im
Laufe des vergangenen Jahres eingenommene Kapital soll vornehmlich für die Marktausweitung des eingeführten Wirkkosmetikums sowie für die Vorbereitung der Marktzulassung von BF-200 ALA eingesetzt werden.
Finanzierung und Kapitalmarkt
Mit zwei kleineren Kapitalmaßnahmen konnten weiterhin die Unternehmen Epigenomics
sowie Mologen, beide in Berlin ansässig,
frisches Geld aufnehmen. Epigenomics ist
ein Molekulardiagnostikunternehmen, dessen Schwerpunkt auf der Entwicklung und
Kommerzialisierung von in-vitro-diagnostischen Tests für Krebserkrankungen liegt.
Die Früherkennungstests zielen auf eine Krebsdiagnose ab, bevor erste Symptome auftreten. Am weitesten fortgeschritten ist das
Produktentwicklungsprogramm für Darmkrebs. Darüber hinaus werden diagnostische
Tests für Lungen- und Prostatakrebs entwickelt. Epigenomics beabsichtigt, die Finanzmittel aus der Transaktion für die abschließenden Entwicklungs- und Kommerzialisierungsschritte des am weitesten fortgeschrittenen Produkts, eines molekulardiagnostischen Bluttests für die Früherkennung von
Darmkrebs, sowie für die klinische Forschung
und Produktentwicklung in den Programmen
für Lungen- und Prostatakrebs einzusetzen.
Die sehr kurze Liste der am Kapitalmarkt erfolgreichen Biotechunternehmen in Deutschland wird geschlossen durch Mologen, ein
Unternehmen, das neuartige DNA-basierte
Medikamente gegen Krankheiten mit einem
hohen medizinischen Bedarf erforscht und
entwickelt. Neue immunologische Medikamente und Therapieverfahren gegen Krebs
sowie die Entwicklung modernster Impfstoffe zur Prävention und Behandlung von
schweren Infektionskrankheiten bei Mensch
und Tier stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten. Am weitesten fortgeschritten sind
neue Wirkstoffe auf DNA-Basis für Dickdarmund Prostatakrebs (beide am Ende der
Phase I) sowie ein Impfstoff gegen Leishmaniose. Nachdem Mologen im März 2009
die Kapitalerhöhung mit fünf Millionen Euro
erfolgreich platzieren konnte, erfolgte im
Juni die Aufnahme in den Prime Standard
der Frankfurter Börse. Der Erlös der Kapitalerhöhung wird für die gezielte Weiterentwicklung der Produktpipeline verwendet.
Ernüchternde Bilanz
Mit den erreichten Einnahmen aus Kapitalerhöhungen stehen aber auch die börsennotierten Unternehmen an dem Punkt, wo
nur sehr wenige die Chance haben, am Kapitalmarkt erfolgreich zu sein. Wenn man
von diesen wenigen noch diejenigen separat
betrachtet, die durch ihre Verbindung mit
Privatinvestoren in privilegierter Position
stehen, so bleibt für die Finanzierung der
Branche über den Kapitalmarkt selbst sehr
wenig übrig.
Insofern gilt ebenso für die „public“ Unternehmen der Branche, sich auf neue Spielregeln einzulassen und alternative Finanzierungsmaßnahmen anzugehen.
Einige Ideen kamen bereits im letzten Jahr
zum Vorschein: MediGene konnte einen
„SEDA Deal“ über 25 Millionen Euro platzieren, der dem Unternehmen sowohl Kapitalzusagen als auch flexible Zugriffsmöglichkeiten zusichert. Die Transaktion von Wilex
mit UCB, die ebenfalls interessante Finanzierungselemente beinhaltete, war ein weiteres Beispiel.
Leider hat die Analyse der diesjährigen
Kapitalmaßnahmen abgesehen von dem bereits beschriebenen SEDA-Abkommen von
Sygnis keine entsprechenden Transaktionen
ergeben. Die Branche wird sich jedoch sehr
intensiv mit dieser Fragestellung auseinanderzusetzen haben.
Kapitalmarkt Europa
Während für die deutsche Biotechbranche
die Finanzierung der börsennotierten Unter-
nehmen kaum neue Impulse erlebte, sieht
man mit dem ersten Blick auf die europäischen Kapitalmarktzahlen eine deutliche
Erholung. Follow-on- und andere Transaktionen nehmen danach im Volumen um
216 % zu und erreichen nach dem schwachen
Ergebnis von nur 537 Millionen Euro im
Jahr 2008 fast 1,7 Millionen Euro im aktuellen Berichtsjahr 2009.
Der zweite Blick allerdings relativiert diese
optimistische Schlussfolgerung etwas.
Durch zwei außergewöhnlich hohe Kapitalmarkttransaktionen der Branchenführer
QIAGEN und Warner Chilcott wurden alleine
780 Millionen Euro, oder 46 % der Gesamtsumme, eingenommen. Somit verblieben
für den Rest der Branche 915 Millionen
Euro, die sich über insgesamt 121 Runden
aufteilten.
Damit legten die Börsenunternehmen in
Europa bei den Kapitalmarktfinanzierungen
immer noch ein beachtliches Wachstum von
70 % vor. Dies ist ein klares Signal dafür,
dass der Appetit für Biotech- und HightechInvestitionen am Kapitalmarkt wieder zunimmt. Es wird dennoch weiterhin zu beobachten sein, inwieweit dieses neue Interesse auch die Börsenneulinge einschließen
wird (IPOs) bzw. auch für deutsche Unternehmen neue Impulse bietet.
Tabelle 5-6:
Sekundärfinanzierungen börsengelisteter europäischer
Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl)
Unternehmen
Land
Volumen (Mio.€) Datum
Art
QIAGEN
Niederlande
460,6
24. September
Follow-on
Warner Chilcott
Irland
320,0
13. November
Follow-on
NicOx
Frankreich
69,9
21. Dezember
Rights offering
NeuroSearch
Dänemark
57,6
11. November
Rights offering
Proximagen
Neuroscience
UK
56,1
1. Juni
PIPE
Amarin
Corporation
Irland
47,8
13. Oktober
PIPE
Bioton
Polen
46,4
4. Juli
CEFF
ThromboGenics
Belgien
42,3
16. November
PIPE
4SC
Deutschland
30,0
16. November
PIPE
NicOx
Frankreich
30,0
18. November
PIPE
Quelle: Ernst & Young und Firmennachrichten, 2010
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
81
Marktkapitalisierung
Abbildung 5-11:
Marktkapitalisierung börsennotierter deutscher Biotechunternehmen, 2009
Gesamt-Marktkapitalisierung (Mio. €)
Marktkapitalisierung (Mio. €)
450
1600
400
1400
350
1200
300
1000
250
800
200
600
150
400
100
200
50
0
Jan
09
PAION
Sygnis Pharma
Wilex
Curasan
Feb
09
März
09
April
09
MediGene
4SC
Mologen
Agennix
Mai
09
Juni
09
Juli
09
Aug
09
Sep
09
Evotec
Biofrontera
co.don
Summe (rechte Achse)
Okt
09
Nov
09
Dez
09
0
Epigenomics
GENEART
MorphoSys
Quelle: Ernst & Young, Capital IQ, 2010
Talsohle durchschritten
Im Jahr 2008 erreichte die akkumulierte
Marktkapitalisierung über alle börsennotierten deutschen Biotechunternehmen eine
Talsohle und schien den tiefen Fall (minus
50 %) seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise aufzufangen. Im ersten Quartal 2009
gab die Market-Cap-Entwicklung zunächst
weiter nach, um von da an allerdings über
den Verlauf des Jahres kontinuierlich nach
oben zu zeigen. Zum Jahresende wurde ein
kumulierter Wert von 1,4 Milliarden Euro
erreicht, der einer Steigerung gegenüber
dem Vorjahresende von 30 % entspricht.
Ausgehend vom absoluten Tiefpunkt im März
2009 ergibt sich sogar eine Steigerung um
70 %.
82
In der Darstellung der Indexkurve wurde das
Berliner Unternehmen Jerini, das Ende
März 2009 an Shire verkauft worden war,
für das komplette Jahr unberücksichtigt gelassen.
Mit diesem Wert wurde das Niveau vor der
Krise (ca. 2,5 Milliarden Euro)zwar noch
lange nicht erreicht, die Aufwärtsentwicklung über das Jahr 2009, das ohne neue
Börsenunternehmen zustande kam, gibt dennoch Anlass zur Hoffnung.
Haupttreiber der Marktkapitalentwicklung
war vor allem MorphoSys aus München. Das
Vorzeigeunternehmen mit seiner weltweit
als führend anerkannten Antikörperplattform dominierte den Index und deckte im
Schnitt ein Drittel des Gesamtwertes für die
Branche ab.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Ein weiterer wichtiger Treiber, vor allem für
den Anstieg ab dem zweiten Quartal 2009
war die Evotec AG, die nach einem sehr einschneidenden Strategiewechsel mit stärkerer
Rückbesinnung auf die einstigen Stärken im
Drug-Discovery-Prozess den gewaltigsten
Wertsprung machte. Die Marktkapitalisierung
stieg von schwachen 84 Millionen Euro zu
Anfang des Jahres ab Juni 2009 stark an
und erreichte das Jahreshoch gegen Ende
des Jahres bei 231 Millionen Euro. Dieser
Anstieg um 175 % wurde von keinem anderen Unternehmen übertroffen.
Finanzierung und Kapitalmarkt
Mit MediGene ergänzt sich die Reihe der
Vorreiter der deutschen Biotechindustrie
um einen weiteren Treiber des Gesamtindex. MediGene konnte sich über das gesamte Jahr 2009 relativ konstant um die
150 Millionen Euro Marktwert halten. Damit
hatte das Unternehmen immerhin einen
durchschnittlichen Anteil von 14 % am Gesamtindex und konnte eine stabilisierende
Wirkung auf den Gesamtindex ausüben.
Alle anderen notierten deutschen Unternehmen trugen aufgrund ihrer relativ niedrigen
absoluten Marktbewertung individuell weniger zum Gesamtindex bei (1–10 % des Index). Allerdings zeigten einige von ihnen
durchaus erfreuliche Kursanstiege über das
Jahr, die in das Gesamtbild passen.
Allen voran Biofrontera mit einem Kursgewinn von über 200 %, basierend auf überlegenen klinischen Daten für die Therapie der
aktinischen Keratose und der Marktperformance des medizinischen Hautpflegeprodukts Belixos.
Ebenfalls Marktwertsteigerungen von über
50 % zeigen Epigenomics (plus 94 %)als
Reaktion auf klinische Ergebnisse und neue
Partnerschaften, PAION (plus 70 %) im
Zusammenhang mit seinem Turn-Around
nach den herben Rückschlägen und dem
Scheitern der Desmoteplase-Studie sowie
Wilex (plus 86 %) mit positiven Reaktionen
auf den Deal mit UCB.
Deutliche Verlierer sind im Verlauf des Jahres 2009 nicht auszumachen. Die in der Detailbetrachtung nicht erwähnten Unternehmen konnten ihre Marktbewertung in
Grenzen stabil halten, was in der Situation
der immer noch anhaltenden Krise und insbesondere auch immer noch deutlich spürbarer Auswirkung auf die Finanzierung von
privaten und börsennotierten Biotechunternehmen positiv zu beurteilen ist.
Abbildung 5-12:
Gesamt-Marktkapitalisierung börsennotierter
deutscher Biotechunternehmen im Vergleich zu Europa,
DAX und TecDAX
Relative Änderung
60 %
40 %
20 %
0 %
- 20 %
- 40 %
Jan
09
EY-Deutschland
Feb März April Mai
09
09
09
09
Juni Juli
09
09
EY-Europa
Aug Sept Okt
09
09
09
DAX
Nov
09
Dez
09
TecDAX
Quelle: Ernst & Young, Capital IQ, finance.yahoo.com, 2010
Deutscher Biotechindex im Vergleich
Der für die deutschen Biotechunternehmen
errechnete Index stellt sich im Vergleich zu
allgemeinen deutschen Leitindices durchaus
positiv dar. Zwar wird die positive Entwicklung des TecDAX nicht erreicht; dennoch
verläuft die Indexkurve für die Biotechunternehmen parallel zur DAX-Kurve, um diese
gegen Ende des Jahres sogar deutlich zu
überholen.
Im gleichen Schaubild zeigt sich weiterhin,
dass auch die gesamteuropäische Erholung
überwiegend parallel zum deutschen Index
verläuft.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Diese Erholung der Kapitalmärkte ist eine
wichtige Voraussetzung dafür, dass überhaupt in absehbarer Zeit wieder Bewegung
in die IPO-Szene kommt. Bessere Bewertungen erregen das Interesse von Investoren,
die sich dem Biotechsegment wieder zuwenden.
Die erneut positiven Signale vom Markt der
Sekundärfinanzierungen an den Börsen
sind ebenfalls wichtige Vorboten für ein
„Wiedererwachen“ des Kapitalmarkts und
neues Interesse am Biotechsektor.
83
6 Life-Science-
Netzwerke
84
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Cluster und regionale Wertschöpfungsnetzwerke
Die Zustandsbeschreibung und Analyse der
deutschen Biotechnologiebranche offenbart
aus allen Blickwinkeln der vorangegangenen
Kapitel (Geschäftsstrategien, Produktentwicklung, Transaktionen, Finanzierung) eine
immer wiederkehrende Schlussfolgerung:
• Das Wissenschafts- und Innovationspotenzial
in Deutschland wird hoch bewertet und hält
durchaus internationalen Vergleichen stand.
• Die Umsetzung des Potenzials und Realisierung der Innovation am Markt stößt
nach wie vor an Grenzen, die auch gesellschaftlich begründet sind, vor allem in
dem unzureichend ausgebildeten Unternehmertum und dem ebenso unterentwickelten Verhältnis zu Risiko.
• Damit gehen folgerichtig auch eine eher
risikoscheue Finanzierungsszene und eine
servicegeprägte Segmentierung von Geschäftsmodellen einher.
Vor allem die Verbesserung der Kommerzialisierung von angestoßenen Innovationen
liegt den politischen Entscheidungsträgern
am Herzen. Wissenschaft um ihrer selbst
Willen kann ein ressourcenarmes Land wie
Deutschland auf Dauer wirtschaftlich nicht
voranbringen. Gezielte Nutzung der wissenschaftlichen Potenziale auf existierenden
und neu zu entwickelnden globalen Märkten
ist das oberste Ziel.
Die Umsetzung der politischen Zielsetzungen
hat in den letzten Jahren eine klare Umorientierung erfahren. Gießkannenförderung auf
breiter Ebene bringt wenig; gezielte Mittelverwendung – insbesondere wenn diese
knapp sind – auf selektive Projekte verspricht
das bessere Ergebnis.
Die Treiber dieser Entwicklung lassen sich
auf einige wesentliche Punkte konzentrieren:
• Förderung von Netzwerken, in denen die
essenziellen Teilnehmer einer kompletten
Wertschöpfungskette interagieren
• Fokussierung von Netzwerken auf thematische Schwerpunkte, um kritische Masse
hinter ein definiertes Thema zu bringen
und damit den Erfolg wahrscheinlicher
zu machen (dies bezieht insbesondere in
neueren Netzwerken die Produktwertschöpfungsketten mit ein)
• Organisation von Wettbewerben, in denen
die erfolgversprechendsten Konzepte einem
kompetenten Auswahlprozess unterworfen
werden, der internationale Maßstäbe für
die Bewertung anlegt
Auch in diesen Zusammenhang passt die
zuvor beschriebene, massive Umwälzung
des Pharmaökosystems mit größerer Bereitschaft zur Zusammenarbeit auf allen Stufen
der Wertschöpfung. Der Erfolg der „neuen“
Netzwerkstrategien wird letztlich vor allem
auch durch das viel offenere Mitmachen der
großen Unternehmen aus dem Pharmabereich getrieben. Sowohl das Einbringen von
Kompetenz und Know-how als auch die
Beteiligung an der Finanzierung von Netzwerkinitiativen sind essenzielle Voraussetzungen für erfolgreiche Kommerzialisierungsbestrebungen.
Von Seiten der Politik wurden in den letzten
Jahren vor allem sogenannte Clusterwettbewerbe ausgeschrieben, für die sich Regionen mit definierten Themenkomplexen
bewerben. Die entsprechenden Partnernetzwerke generieren dabei systematisch eine
komplette Wertschöpfungskette, angefangen von der akademischen Forschung über
Translationseinheiten bis zu Partnern (Biotech KMUs, Pharma und andere Industrievertreter) für die Entwicklung und Herstellung von resultierenden Produkten.
Ebenso wurden die Ziele zunehmend dem
Kommerzialisierungsgedanken angepasst.
Dabei werden in den Clusterkonzepten oft
konkrete Zahlen von Produkten festgelegt,
die in einem definierten Zeitrahmen an den
Markt gebracht werden sollen.
Zusätzlich zu den inhaltlichen Zielen sind in
den aktuellen Clusterkonzepten auch die
strukturellen Komponenten deutlich professioneller ausgestaltet. Professionelle ClusterManagement-Organisationen übernehmen
Koordination und Verantwortung für den
Projektfortschritt sowie die professionelle
Vermarktung des jeweiligen Netzwerks.
Schließlich ist allen aktuellen Clusternetzwerken gemein, dass sie zwar auf einem
regionalen Kern beruhen, aber dennoch ihre
Aktivitäten im internationalen Wettbewerb
sowie mit Ausrichtung auf internationale
Märkte sehen.
„Glocal = Local touch with global reach“
Die Zugehörigkeit zu einem Cluster wird
daher nicht ausschließlich durch die Geographie bestimmt, sondern vornehmlich
durch inhaltliche Beiträge und die Integration
in das definierte Clusterthema.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Die beiden prominentesten Clusterwettbewerbe im Rahmen der BMBF-Initiative
„Ideen zünden“ wurden bereits im letzten
Biotech-Report beschrieben:
• BioPharma-Wettbewerb
• Spitzencluster-Wettbewerb
Im aktuellen und in folgenden Reports soll
nach dem Küren der BioPharma-Siegerkonzepte im zeitlichen Abstand konkret
nach dem Stand der Umsetzung gefragt
werden. Hierzu werden die aus dem BioPharma-Wettbewerb als Sieger hervorgegangenen Cluster aus ihrer aktuellen Arbeit
berichten. Dazu zählen die Neuro-Allianz in
Bonn, das NEU2-Cluster in Hamburg sowie
das Max Planck Drug Discovery Center in
Dortmund.
Neben dem BioPharma-Wettbewerb hat in
den letzten beiden Jahren auch der Spitzencluster-Wettbewerb viel Aufmerksamkeit
erzielt. Bei allen Antragstellern aus dem
Life-Science-Bereich ging es ebenfalls um
fokussierte Themenstellungen mit dem
Hauptziel der Kommerzialisierung von Produkten.
Die beiden Life-Science-Konzepte der zweiten Wettbewerbsphase, die im Februar
2010 abgeschlossen wurde, werden erstmals in Beiträgen der Initiatoren vorgestellt:
• m4-Cluster München, der Gewinner des
aktuellen Spitzencluster-Wettbewerbs
(Phase II) mit Ausrichtung auf die Kommerzialisierung von Produkten auf Basis
der „Personalisierten Medizin“
• Mainzer Modell, der Mitbewerber mit Fokus auf Immuntherapie, ebenfalls mit
einem breiten Spektrum an Produktentwicklungen
Neben den bundesweit angestoßenen
Clusterwettbewerben haben sich zusätzliche regionale Netzwerke mit definierten
thematischen Schwerpunkten etabliert,
wie beispielsweise LIFE & BRAIN in Bonn,
welches als Innovationszentrum auf dem
Gebiet der angewandten Biomedizin neue
Strategien für die Diagnose und Therapie
von Erkrankungen des Nervensystems
vorantreibt. Die Struktur von LIFE & BRAIN
zielt auf das frühe Erkennen innovationsfähiger Forschungsansätze aus der Universität und deren Translation in marktfähige
Produkte für Diagnostik und Therapie.
85
NEU²: NEUe Wirkstoffe gegen NEUrologische Erkrankungen
schließlich kommerzialisiert zu werden.
Treiber dieser Veredelung sind der jeweilige
Projektleiter, der Sponsor sowie das Konsortialmanagement selbst, das im Sinne der
Effizienz an gut funktionierenden Schnittstellen interessiert ist.
Dr. Timm-H. Jessen,
CEO Bionamics GmbH, Kiel
BioPharma-Cluster auf dem Weg zu neuen Wirkstoffen
Clusterbildungen zu Themen (z.B. Medizintechnik), Technologien (z. B. Bildgebung)
oder zu umfangreichen Arbeitspaketen
(z. B. Genomsequenzierung) sind bereits
wiederholt zu einem Erfolgsfaktor geworden,
um die jeweilige Aufgabe effizient zu lösen.
In der Wirkstofffindung sowie Wirkstoffentwicklung ist eine solche Struktur jedoch
noch nicht nachhaltig erprobt: NEU² besetzt
hier Neuland. NEU² ist ein Gewinner der BioPharma-Initiative des Bundes. Der Cluster
umfasst akademische Einrichtungen (UKE / Hamburg), Dienstleister (European Screening Port, CTC North), Investoren (IPB AG),
Biotech-(z.B. Cedrus Therapeutics) und einen Pharmapartner (Merck Serono). Deren
Kompetenzen ergänzen sich und decken
gemeinsam das gesamte Spektrum ab, das
erforderlich ist, um neue Wirkstoffe zu finden
und zu entwickeln.
Neue Wirkstoffe für Multiple Sklerose
NEU² hat vor allem neurologische Erkrankungen im Visier mit Fokus auf der Behandlung
der Multiplen Sklerose; hier wiederum stehen
neuroprotektive und auch neuroregenerative Ansätze im Vordergrund. Projekte, die
aus dem Cluster selbst oder auch aus externen Quellen stammen können, greifen abhängig von deren Reife und Erfordernissen
auf die Kompetenzen und Plattformen der
Konsortialteilnehmer zu, um so veredelt und
Vorteile für Investoren
Investoren begegnen diesem Konstrukt mit
großem Interesse und betonen die folgenden
Vorteile:
• Aufsetzen auf bestehenden, erfahrenen
Einheiten
• Aufbau einer Firmenstruktur entfällt
• Projektmanagement schon eingerichtet
• kritischer Umgang mit der Projektaufnahme
sowie dem Projektfortschritt – als wichtige
Voraussetzung für eine spätere erfolgreiche Vermarktung
• Die privaten Mittel kommen in sehr hohem
Maße direkt dem Projekt zugute
• Investitionsdauer absehbar (drei bis vier
Jahre)
• Weiterer Anreiz durch die öffentliche Förderung für Projekte (20 Millionen Euro in
der ersten Phase seitens des BMBF), die
aus zwei privat investierten Euros durchaus drei Euros werden lassen können –
eine wesentliche Effizienzsteigerung aus
Sicht des Investors
Derzeit kommen die privaten Investitionen
in Höhe von bis zu 30 Millionen Euro noch
überwiegend aus dem Konsortium; das
NEU² Konstrukt erlaubt jedoch auch den
Einstieg privater und institutioneller Investoren, die nicht Konsortialmitglieder sind.
Erste konkrete Initiativen implementiert
Das Cluster kann mittlerweile die Implementierung konkreter Initiativen vorweisen:
• Erstes Projekt operativ gestartet (Serinracemase / Evotec).
• Insgesamt befinden sich derzeit zehn Projekte in der Umsetzung, Bewilligung oder
Antragsphase (von Konsortialmitgliedern
als auch aus externen Quellen). Das Projektportfolio reicht von anvalidierten Genen bis hin zu klinischen Kandidaten und
setzt so gleichzeitig auf die gesamte Wertschöpfungskette im Konsortium auf. Insbesondere im klinischen Entwicklungsbereich
erhofft sich NEU² durch die Kombination
bildgebender Verfahren mit Biomarkern und
der Klinik eine deutliche Effizienzsteigerung.
• Konsortialvertrag abgeschlossen. Regeln
für das Miteinander im Konsortium in Ver-
tragswerk vereinbart, das ein gutes Gerüst
für die turnusmäßigen Projekttreffen und
Steering Committees bietet.
• Unabhängiges Konsortialmanagement,
essenziell, um zu allgemein akzeptablen
Lösungen zu kommen.
• Separate Managementgesellschaft zur
Ausübung der KonsortialmanagementFunktion:
– Projekt- und Investorenakquise
– Unterstützung der Kommerzialisierung von Projektergebnissen
– Öffentlichkeitsarbeit
Projekt IP versus Entwicklungskosten
Projekte, die im Konsortium entwickelt werden, müssen einen „project owner“ haben,
der über die relevante IP verfügt. Die Projektveredlung führt meist zu neuer IP, die
entlang den Förderrichtlinien zunächst einmal weiterhin dem „project owner“ zusteht.
Die Förderung deckt in der Regel jedoch nur
einen Teil der Projektgesamtkosten ab; der
größere Anteil wird von einem Sponsor finanziert. Dieser einigt sich vor Projektbeginn
mit dem „project owner“ auf die Konditionen,
mit dem die Projektergebnisse einschließlich
IP an den Sponsor übergehen, und wie ggf.
die Erfolgsbeteiligung aussieht; denn allen
Projektbeteiligten ist es freigestellt, Serviceleistungen gegen spätere Erfolgsbeteiligungen zu verhandeln. Im Allgemeinen wird der
Sponsor aber für seine Finanzierung mit dem
exklusiven Zugang zur Projekt-IP entlohnt.
Ruft ein Projektvorschlag mehrere Sponsoren
auf den Plan, so wird kompetitiv um den exklusiven Zugang verhandelt oder syndiziert.
Will ein Projektsponsor die erfolgreichen
Projektergebnisse kommerzialisieren, so
greifen auch hier marktrelevante Konditionen.
Regionale Unterstützung – Synergien
Hamburg und Kiel sind Schwerpunkte der
NEU² Aktivitäten. Mit der Norgenta GmbH
steht ein lokales Clustermanagement zur
Verfügung, das sich beim Aufsetzen sowie
beim Betrieb des Konsortiums von großem
Nutzen erweist.
Kern dieser Initiative bleibt der Anspruch,
Strukturen zu etablieren und zu validieren,
die projektbasierte Investitionen im LifeScience-Bereich zu einer akzeptierten und
attraktiven Option werden lassen, um neue
Wirkstoffe zu entdecken, zu entwickeln und
erfolgreich zu kommerzialisieren.
www.neu-quadrat.de
86
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Die Neuroallianz – ein neuartiges Konsortium zur Entwicklung
innovativer Therapeutika und Diagnostika
Jülich), Biotechnologiefirmen (Protagen,
Dortmund und Life&Brain, Bonn) sowie
großen Pharmafirmen. Der führende Therapeutikapartner im Konsortium ist UCB
Pharma, Monheim. Die Neuroallianz besitzt
eine unternehmerische Struktur mit Projektteams, die aus akademischen und Firmenmitarbeitern zusammengesetzt sind sowie
einem Management bestehend aus Konsortiums-Manager, Steering Committee und
Strategic Advisory Board. Zusätzlich steht
ein Pool von Experten zur Verfügung (die
sogenannten Support Functions), die bei Bedarf beratend hinzugezogen werden können.
Prof. Dr. Christa E. Müller,
Prof. Dr. Alexander Pfeifer,
Pharma-Zentrum Bonn
BioPharma-Wettbewerb
Der langwierige Prozess der Entwicklung
eines Arzneimittels bis zur Marktreife, das
damit verbundene hohe Risiko, die steigenden
Kosten und die zunehmende Komplexität
sowie die hohen regulatorischen Anforderungen erfordern neue Strategien. Im Rahmen
des BioPharma-Wettbewerbs wurde die
Neuroallianz als eines von drei Siegerkonsortien ausgewählt, für welches zunächst
je 20 Millionen Euro zur Verfügung stehen.
Es erfolgt eine projektbegleitende Evaluierung durch die Firma Capgemini, und nach
drei Jahren sollen weitere 40 Millionen Euro
erfolgsabhängig auf die drei Konsortien verteilt werden. Die BMBF-Förderbeträge müssen
von Industriepartnern gegenfinanziert werden.
Neuroallianz
Die Neuroallianz fokussiert sich thematisch
auf die komplementäre Entwicklung von
Therapeutika und Diagnostika für neurodegenerative Erkrankungen wie M. Parkinson
und M. Alzheimer sowie neuropathischen
Schmerz. Für diese Indikationen besteht ein
hoher, rapide steigender medizinischer
Bedarf aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung. Das Konsortium „Neuroallianz“
verwirklicht ein neues strategisches Partnerschaftsmodell zwischen Universitäten (an
führender Stelle die Universität Bonn), außeruniversitären, öffentlich geförderten Forschungsinstituten (wie das Fraunhofer-Institut
St. Augustin und das Forschungszentrum
Win-Win-Situation
Für alle beteiligten Partner ergeben sich durch
eine solche Allianz eine Reihe von Vorteilen
und Chancen im Rahmen einer echten „WinWin-Situation“: finanzielle Anreize (kurzfristig Drittmittel, langfristig Lizenzgebühren)
für die akademischen Partner und die Biotechfirmen sowie neue Perspektiven wie
z. B. Mitentwicklung bis zur Marktreife. Die
Pharmaindustrie hingegen erhält neue
Impulse, so z. B. den frühzeitigen Zugang zu
Forschungsergebnissen, die Möglichkeit zum
Patentschutz und den einfachen Zugang zu
langjähriger Expertise und speziellen Techniken. Nicht zuletzt ist diese Art der Verbundforschung auch kosteneffektiv. Und man
erhofft sich – gerade bei „schwierigen Indikationen“ wie neurodegenerativen Erkrankungen – eine Erhöhung der Erfolgsquote.
Erste Ergebnisse der Neuroallianz
2009 konnte bereits die unternehmerische
Führungsstruktur etabliert, der umfangreiche
Konsortialvertrag ausgearbeitet und unterzeichnet, sowie eine Konsortialmanagerin
berufen werden. Die ersten Projektanträge
wurden ausgearbeitet und beim BMBF eingereicht. Inzwischen sind – neben dem
Management und einem Infrastruktur-ITProjekt – bereits drei umfangreiche Therapeutikaprojekte bewilligt worden und haben
ihre Arbeit aufgenommen. Ein weiteres
Infrastrukturprojekt (Substanzbibliothek)
sowie ein weiteres Therapeutika- und zwei
Diagnostikaprojekte werden ebenfalls in
Kürze starten. Zusätzliche Projektanträge
befinden sich in der fortgeschrittenen Planungsphase und sollen noch 2010 eingereicht
werden. Viele sehr gute Projekte kommen
aufgrund der limitierten Mittel und der dadurch notwendigen Priorisierung aber nicht
zum Zug.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Was funktioniert gut und wo gibt es
Verbesserungsbedarf?
Die Neuroallianz ist ein Beispiel für ein Cluster,
das ausgehend vom Pharma-Zentrum der
Universität Bonn gegründet wurde und auf
etablierten bilateralen Kooperationsprojekten basiert, mit starkem Kommittent sowohl von der akademischen als auch von der
industriellen Seite. Die unterschiedlichen
Welten und Kulturen der akademischen
Institutionen und der Pharma- und Biotechindustrie sind erstaunlich schnell zusammengewachsen. Dies erfordert Flexibilität
auf beiden Seiten und klare Kooperationsvereinbarungen, sowohl für das Konsortium
an sich (Konsortialvertrag) als auch für
die darin bearbeiteten Projekte (Projektverträge), zusätzliches Personal an den akademischen Instituten aufgrund des hohen Verwaltungs- und Organisationsaufwands und
eine ausgewogene Größe der Konsortien
(z. B. acht bis zehn Partner), wobei auf
paritätische Zusammensetzung (z. B. vier
akademische Partner, zwei Biotech- und
zwei Pharmapartner) geachtet werden
sollte. Ein besonderer Aspekt der Neuroallianz stellt die Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern auf dem Gebiet der Pharmaforschung dar. An der Universität Bonn besteht eine einzigartige Expertise auf diesem
Gebiet durch den etablierten Masterstudiengang „Arzneimittelforschung / Drug Research“, die NRW-Forschungsschule BIOTECHPHARMA und die Bonn International Graduate
School „Drug Sciences (BIGS-DrugS)“.
Darüber hinaus wird durch die Neuroallianz
frühzeitig der Kontakt der jungen Wissenschaftler zur Industrie vermittelt. Pharmaund Biotechfirmen haben direkten Zugang
zum wissenschaftlichen Nachwuchs und
beteiligen sich z. B. über Praktika und Workshops an einer bedarfsgerechten Ausbildung.
Fazit
Neue Wege in der Arzneimittelentwicklung
durch Kooperationen zwischen Wissenschaft
und Wirtschaft, wie sie im Neuroallianz-Konsortium realisiert sind, führen zur Nutzung
von Synergien, steigern den Erkenntnisgewinn, befördern Entdeckungen und machen
nicht zuletzt auch Spaß – zum Nutzen der
Gesellschaft und zum Wohl des Patienten.
www.pharmazentrum.uni-bonn.de
87
Innovationen aus dem Max-Planck
Drug Discovery & Development Center
Zweiter Baustein: Development Company
Für den zweiten Teilbaustein, die Development Company (DevCo), welche die Projekte
des LDCs übernehmen und bis in die frühen
klinischen Phasen weiterentwickeln soll, ist
der operative Start in Q3 / 2010 geplant. Das
Management-Team, bestehend aus langjährigen Pharma- und Biotech-Managern, wurde
bereits unter Vertrag genommen und das
Fund-Raising des für die Projekte der DevCo
notwendigen Finanzinstruments „DDC
Ventures“ läuft auf Hochtouren. Das FondManagement wird von Life Sciences Partners (LSP, München) übernommen und das
Fund-Raising von Inventive Capital (London)
koordiniert.
Dr. Matthias Stein-Gerlach,
Max-Planck Innovation GmbH, München
Drug Discovery & Development Center
Das Max-Planck Drug Discovery & Development Center (MP-DDC) ist bei der Antragsstellung zum BioPharma-Wettbewerb im
Sommer 2008 angetreten, um dazu beizutragen, dass kommerziell interessante, therapeutische Forschungsprojekte aus verschiedenen Max-Planck-Instituten (MPI)
effizienter als bisher den Weg zum Markt
finden. Hierzu sollten nachhaltige Infrastrukturen und Finanzierungsformen geschaffen werden, die eine Weiterführung
von frühen Ansätzen zum Auffinden neuer
Arzneimittel aus der deutschen Forschung
unter Einbeziehung privater Investoren sowie der Pharmaindustrie ermöglichen.
Erster Baustein: Lead Discovery Center
Das Lead Discovery Center (LDC) in Dortmund, welches den ersten Teilbaustein des
MP-DDCs darstellt, beschäftigt 40 Mitarbeiter,
die derzeit an acht Drug-Discovery-Projekten
aus verschiedenen MPIs arbeiten. Erste,
durch die BioPharma-Initiative geförderte
Projekte sind bereits im vergangenen Jahr
angelaufen und weitere sollen dieses Jahr
folgen, um die erforderliche Portfolioerweiterung des LDCs zu ermöglichen. Hier wurde
eine von Industrieexperten geleitete, nachhaltige Infrastruktur geschaffen, die alle
notwendigen Bausteine des Drug-DiscoveryProzesses wie Assay Development, Screening, Medizinalchemie und Pharmakologie
abbildet.
88
Partner
Das MP-DDC-Konsortium umfasst neben den
bislang beschriebenen Partnern auch vier
Pharmafirmen (Merck Serono, Bayer Schering Pharma, AstraZeneca und Nycomed),
die über ein spezielles Advisory Board eng an
das MP-DDC angebunden werden konnten.
Projektauswahl und -management wurde
bereits deutlich effizienter gestaltet, da
jederzeit auf die Erfahrungswerte dieser
Firmen zurückgegriffen werden kann. Zusätzlich befinden wir uns derzeit in der finalen Verhandlungsphase eines Kooperationsvertrages, bei dem sich eine der involvierten
Pharmafirmen an einem frühen Projekt aus
einem MPI signifikant finanziell beteiligen
möchte. Durch den Abschluss dieses Vertrages würde auch ein wichtiges Etappenziel
der BioPharma-Initiative, die Bereitschaft
der Industrie zu steigern, sich an früheren
Projekten finanziell zu beteiligen, erreicht.
Der Abschluss des Vertrages und Start für
dieses Kooperationsprojekt ist noch im
Q2 / 2010 geplant. Die am Gesamtkonzept
beteiligten Pharmapartner haben neben
weiteren Partnerschaften in der frühen Wirkstoffforschung am LDC ebenfalls bereits ein
großes Interesse an Co-Development-Strategien mit der DevCo geäußert, sobald diese
das operative Geschäft aufgenommen hat.
Projekte
Im Jahr 2010 sollen zudem weitere Projekte
aus verschiedenen MPIs, z. T. unter Beteiligung verschiedener Universitäten im Rahmen
der BioPharma-Förderung in das LDC Portfolio aufgenommen werden, so dass die
durchschnittliche Projektanzahl am LDC auf
10-12 gesteigert werden kann. Dadurch ergeben sich für die akademischen Kooperationspartner an den MPIs einzigartige neue
Möglichkeiten, eine Vielzahl von innovativen
und vielversprechenden Projekten in die
Anwendung zu überführen. Auf diese Weise
hat die BioPharma-Initiative bereits 18 Monate nach der Preisverleihung sehr positive
Wirkung gezeigt und zu den erhofften Ergebnissen geführt – eine sehr gute Voraussetzung für die verbleibende Förderperiode,
das angestrebte Gesamtziel zu erreichen.
Stolperstein geringe Flexibilität der
öffentlichen Förderung
Die bisherige Erfahrung zeigt, dass vor allem
eine gesteigerte Flexibilität seitens der Fördermittelgeber sich äußerst positiv auf ähnliche
zukünftige Förderprogramme auswirken
würde. Es war bislang ausnahmslos sehr
schwierig und aufwändig, die meist sehr
komplexen Konstellationen verschiedener
Partnerschaften in den Einzelprojekten in
das recht eng geschnürte Korsett der förderpolitischen Richtlinien einzupassen. Dies hat,
trotz der hervorragenden Unterstützung seitens des Projektträgers Jülich, z. T. zu deutlich verzögerten Projektstarts geführt, die
bei neu gegründeten, sich im Aufbau befindlichen Unternehmen wie dem LDC nicht
immer leicht zu kompensieren sind. Diese
konstruktive Kritik sehen wir an dieser Stelle
als sehr wichtig an, da wir durch die langjährige Erfahrung unserer Arbeit an der Schnittstelle zwischen akademischer und industrieller
Forschung sehen, dass zu einem nachhaltigen Lückenschluss des „Innovation Gaps“
immer eine öffentliche Förderung notwendig
ist. Aufgrund des hohen Risikos früher Projekte werden Private Public Partnerships
(PPPs) somit auf absehbare Zeit zur Risikoteilung auf öffentliche Mittel angewiesen
sein. Konzepte wie BioPharma sind hier richtungsweisend.
www.max-planck-innovation.de
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
m4: Personalisierte Medizin und zielgerichtete Therapien – eine
neue Dimension in der Medikamentenentwicklung
Dr. Georg Kääb,
BioM Biotech Cluster Development
GmbH, München
m4 – eine neue Dimension in der Medikamentenentwicklung
Mit der Initiative „m4 – eine neue Dimension
in der Medikamentenentwicklung“ hat sich
der Münchner Biotech- und Pharma-Cluster
durchgesetzt und wurde unter zehn Finalisten
der 2. Runde des Spitzencluster-Wettbewerbs
des BMBF als einer von fünf Gewinnern ausgewählt. Mit dem gemeinsamen Konzept der
vier großen Partner (Wissenschaft in München, Münchner Biotechnologie- und Pharmaunternehmen, Münchner Kliniken, Clustermanagement für München = m4) im Bereich
der „Personalisierten Medizin und zielgerichteten Therapien“ sollen die zentralen
Herausforderungen und Probleme der heutigen Medikamentenentwicklung überwunden
werden. Die frühzeitige Einbindung und
enge Vernetzung aller Akteure entlang des
gesamten Wertschöpfungsprozesses von
der Entdeckung des Targets bis zur Medikamentenzulassung, minimiert das Ausfallrisiko,
reduziert die Kosten in der Entwicklung und
ermöglicht einen schnelleren Marktzugang
von Medikamenten.
Strategie und Strukturen
Die langfristige Zukunftsstrategie von m4
setzt auf die vorhandenen Stärken und die
Verbesserung des Entwicklungsprozesses
(Effizienzsteigerung) und der Steigerung
der individuellen Wirksamkeit und Sicherheit
neuer Medikamente (Effektivitätssteigerung)
durch die Implementierung der „personali-
sierten und zielgerichteten Medizin“. Eine
biomarkerbasierte, individualisierte Medizin
kann allerdings nur durch eine strategisch
ausgerichtete, multi- und interdisziplinäre,
institutionenübergreifende Kooperationsleistung bewältigt werden. Im Rahmen der
m4-Initiative werden folgenden strukturellen
Programme ausgearbeitet und in den kommenden Jahren realisiert:
• m4 Trial Service Center, ein klinisches Studienzentrum zur Zusammenfassung der
klinischen Einrichtungen, Vereinfachung
der Patientenrekrutierung, Begleitung des
Übergangs Präklinik – Klinik und Berücksichtigung von Biomarkern (Entdeckung und
Validierung) bei der Medikamentenentwicklung in Kooperation mit der Münchner
Biobank-Allianz
• m4 Biobank Alliance, ein Konsortium zur
Integration aller relevanten Partner für die
standardisierte Sammlung und Bereitstellung hochqualitativer Proben
• m4 Data-Integration zur Vernetzung der
Medikamentenforschung mit der klinischen
Prüfung und der simultanen Biomarkerforschung
• m4 eAcademy, ein zukunftsweisendes
Weiterbildungskonzept in den Life Sciences
zur praxisorientierte Weiterbildung im
Management- und F&E-Bereich bei der
Medikamentenentwicklung mithilfe eines
innovativen eLearning-Programms
• m4 Scouting & Incubation, ein neues strategisches Innovationskonzept zur gezielten
Entdeckung und Förderung von innovativen
und vielversprechenden frühen Projekten
und Wissenschaftlern mit begleitenden
Scouting-, Incubation- und Coaching-Prozessen
• m4-Sidecar-Seedfond, ein Co-Finanzinstrument zur Seedfinanzierung von Medikamentenentwicklung. Derzeit sind Seedfinanzierungen nur über den Hightech-Gründerfonds und – in Bayern – Bayern Kapital
möglich. Projekte und Technologien, die in
einem Reifezustand sind, dass Auslizenzierungen möglich werden – oder die durch
den Inkubationsprozess in m4 Scouting &
Incubation in diesen Zustand versetzt werden konnten – sollen durch diesen Seedfonds über einen Zeitraum von drei bis vier
Jahren cofinanziert werden.
Die bayerische Staatsregierung hat hierfür
außerhalb der Spitzenclusterförderung bis
zu neun Millionen Euro zugesagt, wenn
Gelder in mindestens gleicher Höhe aus der
Industrie hinzukommen.
Darüber hinaus haben sich mehr als 100
Kooperationspartner in 40 Kooperationsprojekten zusammengeschlossen, um in
ihren jeweiligen Spezialgebieten beizutragen –
von molekularer Bildgebung über neue präklinische Modellsysteme bis hin zu klinischen
Studien, auch mit Biomarkern. Das gesamte
m4-Programm wird unterstützt durch neuentwickelte Ansätze im Bereich der Datenverarbeitung und des Datenmanagements
und durch ein neu aufgestelltes und erweitertes Clustermanagement der BioM Biotech
Cluster Development GmbH umgesetzt.
Clustermanagement
Die neue Strategie des Clustermanagements
umfasst v.a. die Sammlung und Verbreitung
des im Cluster (neu) geschaffenen Knowhow. Dieses wissensbasierte, noch effizienter
interagierende Cluster bzw. der virtuelle
Campus München soll in dem sich verschärfenden Wettbewerb nicht nur bestehen,
sondern eine führende Position einnehmen.
Wir sind überzeugt, dass sich der Münchner
Spitzencluster auf der Basis des vorliegenden strategischen Konzepts bis zum Jahr
2020 zu einem „International Center of
Excellence in Personalized Medicine and
Targeted Therapies“ entwickeln und somit
die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, die
internationale Anziehungskraft und das
Wachstum für die Region sichern wird.
Vision 2020
Etablierung des bereits national führenden
Standorts München als international bedeutende Exzellenz- und Modellregion der personalisierten und zielgerichteten Medizin bis
2020.
Wir streben dabei konkret an:
• Verzehnfachung der zugelassenen Medikamente, sei es direkt bei den Unternehmen
des Clusters oder durch Verpartnerung mit
einem anderen Unternehmen
• Verdoppelung der Mitarbeiterzahlen
• Verdreifachung des Umsatzes
www.bio-m.org
www.m4.de
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
89
Das „Mainzer Modell“: CI3
Krankheit versprechen. Neben den klassischen kleinen chemischen Molekülen kommt
hier der neuen Wirkstoffklasse der Biologicals
zunehmend eine wichtige Bedeutung zu.
Viele Biologicals werden jedoch nicht von
etablierten Pharmakonzernen identifiziert
und entwickelt, sondern durch Forschungsund Entwicklungskooperationen von akademischen Zentren und Biotechnologiefirmen.
Nach allgemeiner Einschätzung wird in
naher Zukunft etwa die Hälfte aller neuen
Arzneimittel aus solchen Kooperationen
hervorgehen. Dabei werden Immuntherapeutika, wie Antikörper und Impfstoffe, eine
gewichtige Rolle spielen.
Dr. Rainer Wessel,
Vorstandsmitglied BIO Deutschland,
CBO GANYMED Pharmaceuticals AG,
Mainz
Paradigmenwechsel – Individualisierte
Medizin
Wir erleben den Beginn eines Paradigmenwechsels im Gesundheitswesen: weg von
der Massenmedizin hin zur individualisierten
Medizin. Die Speerspitze dieser Entwicklung
zielt dabei auf die größte medizinische
Herausforderung unserer Zeit, den Krebs.
Da jeder Tumor individuell ist, kann der
Wettlauf gegen den Krebs nur mit maßgeschneiderten individualisierten Therapien
gewonnen werden. Die individualisierte
Medizin birgt daher langfristig die Hoffnung,
Krankheiten wie Krebs zu besiegen und damit das Potenzial, die Kosten- und Qualitätsziele im Gesundheitswesen zu erreichen.
Mittelfristig stellt sie uns jedoch vor gewaltige Herausforderungen, da sie zunächst
eine völlige Umstrukturierung bedingen
wird, sowohl der öffentlichen Gesundheitssysteme, der Pharmageschäftsmodelle, der
Zulassungskonzepte und anderer für das
Gesundheitssystem relevanter Strukturen.
Wertschöpfungsprozess der individualisierten Medizin
Im Zentrum der Entwicklung individualisierter
Medizin steht zunächst die Identifizierung
der für eine spezifische Krankheit verantwortlichen molekularen Zielstrukturen. Im
Anschluss wird untersucht, welche gegen
diese Zielstrukturen gerichteten Wirkstoffe
Aussicht auf erfolgreiche Behandlung der
90
Das „Mainzer Modell“
Am Anfang der Entwicklung ist noch ungewiss, welche der Wirkstoffklassen den höchsten therapeutischen Erfolg erzielen wird oder
ob nicht ein Zusammenwirken verschiedener
Wirkstoffklassen (z. B. Antikörper, RNAi,
Peptide, SME etc.) den besten Erfolg erzielt. Einzelkooperationen zwischen Universitäten und Biotechnologiefirmen fokussieren meist auf eine einzelne Wirkstoffklasse
und können dabei nicht das volle Entwicklungsspektrum über verschiedene Substanzklassen hinweg abdecken. Die Folge ist, dass
wertvolle Entwicklungsoptionen nicht verfolgt werden.
Das als „Mainzer Modell“ bekannt gewordene
Konzept bietet eine Lösung für dieses Dilemma, indem es die frühe parallele Entwicklung verschiedener gegen eine Zielstruktur
gerichteter Wirkstoffklassen vorantreibt. Dies
geschieht im Rahmen von Kooperationen
zwischen auf bestimmte Wirkstoffklassen
spezialisierten Firmen und Instituten.
Da die therapeutische Wirksamkeit direkt
vom Zusammenspiel zwischen Zielstruktur
und Wirkstoffklasse abhängt, wird es für jede
Zielstruktur ein anderes Wirkstoffklassenprofil geben. Bei genügender Anzahl entsprechender Zielstrukturen ergibt sich so
eine hohe Erfolgschance für die einzelnen
Kooperationspartner bei gleichzeitiger optimierter Wirkstofffindung. Dabei sollten die
sich ergebenden Marktchancen die potenzielle Marktkannibalisierung mehr als wettmachen, insbesondere im Fall von Krebstherapien, bei denen allgemein davon ausgegangen werden kann, dass verschiedene Medikationen parallel angewandt den besten
Erfolg erzielen werden.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Dieses Vorgehen setzt ein hoch integriertes
Zusammenspiel akademischer, klinischer,
behördlicher und privatwirtschaftlicher –
Biotechnologiefirmen, Dienstleister und
„Big-Pharma“–Teilnehmer voraus. Der als
„Mainzer Modell“ bekannt gewordene CI3Cluster schafft hier ideale Voraussetzungen
für eine deutliche Effizienzsteigerung in der
Entwicklung und Anwendung individualisierter Therapeutika.
Die Kernelemente für die weitere konkrete
Ausgestaltung dieser Strategie im Rahmen
der CI3 Clusterorganisation sind die folgenden:
• Bündelung von IP hinsichtlich neuer Therapieansätze in einem Cluster-eigenen Technologie-Transfer-Zentrum (TRON)
• Integration und Etablierung von Wirkstofftechnologie-fokussierten Biotechnologieunternehmen, die gezielt Therapieansätze
(unter Nutzung des im Cluster gebündelten IP) mit entsprechenden Wirkstoffklassen umsetzen, wie schon gezeigt am
Beispiel von:
– GANYMED (Antikörper)
und unter dem Dach der BioNTech:
– Tulip (Vakzine)
– Ribological (RNAi)
– TheraCode / JPT (Biomarker, Peptide)
– Unicell (Zelltherapie)
Der CI3 Cluster Mainz
Der an einem traditionellen Pharmastandort,
dem Rhein-Main-Raum, angesiedelte CI3Cluster fokussiert sich auf das am stärksten
wachsende pharmazeutische Marksegment,
die Immuntherapien, welches bereits jetzt
etwa die Hälfte des mehr als 100 Milliarden
US-Dollar großen Markts für Biologicals ausmacht und ein jährliches Wachstum von
mehr als zehn Prozent aufweist. Der CI3Cluster fördert durch die strukturell innovative enge Vernetzung des Zentrums für
translationale Immunologie und Onkologie
(TRON), dreier Universitäten, sechs Fachhochschulen, zweier Max-Planck-Institute,
des Paul-Ehrlich-Instituts, der Association
for Cancer Immunotherapie (CIMT), der
European Business School, vier großen
Pharmafirmen und mehr als 180 kleinen
und mittleren Unternehmen weiteres
starkes und dynamisches Wachstum in der
Region und durch starke nationale und internationale Kontakte auch über die Region
hinaus.
www.ci-3.de
Translationale Medizin
Dr. Michael Roßbach,
LIFE & BRAIN GmbH, Bonn
LIFE & BRAIN Konzept
LIFE & BRAIN mit Sitz in Bonn treibt als Innovationszentrum auf dem Gebiet der angewandten Biomedizin neue Strategien für die
Diagnose und Therapie von Erkrankungen
des Nervensystems voran. Die Struktur von
LIFE & BRAIN zielt auf das frühe Erkennen
innovationsfähiger Forschungsansätze aus
der Universität und deren Translation in
marktfähige Produkte für Diagnostik und
Therapie. Dies ist eine wichtige Schlüsselstelle. Viele potenziell marktrelevante Entwicklungen aus den Universitäten bleiben in
einem Frühstadium stecken, weil Finanzierung und auch Know-how fehlen, um sie bis
zu einem für Investoren oder Unternehmen
interessanten „Proof-of-Concept“ zu entwickeln. Genau hier setzt LIFE & BRAIN durch
gezielte Projektförderung und Beratung der
jungen Wissenschaftler an. Die besondere
Struktur von LIFE & BRAIN wird durch ein
umfangreiches akademisches und industrielles Kooperationsnetzwerk ergänzt. Das Unternehmen bildet so die Schnittmenge aus
akademischer Exzellenz, anwendungsorientierter Forschung sowie Start-up- und Ausgründungsinitiative. Durch die enge Verzahnung von LIFE & BRAIN mit universitätsnaher,
translationaler Forschung einerseits und
strategischen Allianzen mit Biotech- und
Pharmaunternehmen anderseits wirkt das
Unternehmen quasi als Drehtür zwischen
Akademia und Industrie – ein Konzept, das
im angloamerikanischen Bereich durchaus
üblich ist, aber in Deutschland derzeit noch
Modellcharakter hat.
Das 3-Säulenmodell
LIFE & BRAIN weist eine in Deutschland einzigartige Struktur für translationale Forschung und Entwicklung auf. Unter einem
Dach arbeiten universitäre Forschergruppen
mit Mitarbeitern der LIFE & BRAIN GmbH
und einem Inkubatorsegment zusammen.
Dieses 3-Säulenmodell ermöglicht einen
effizienten Transfer von akademisch entwickeltem Know-how in die kommerzielle
Nutzung .
Für die Wissenschaftler bedeutet dies außerdem, dass sie ihre Entwicklungen innerhalb
einer Organisations- und Infrastruktur von
der akademischen Forschung über die LIFE
& BRAIN GmbH bis hin zu einer möglichen
Ausgründung im Inkubatorsegment konsequent weiterverfolgen können, ohne dabei
ihre akademische Karriere aufgeben zu müssen. Für die Mitarbeiter besonders interessant: Ein Wechsel von einem in das andere
Segment ist jederzeit und auch temporär
oder anteilig möglich.
Die Plattformen
Die einzelnen Plattformen innerhalb von
LIFE & BRAIN spannen einen weiten Bogen
von der Genomik bis hin zum Patienten; auf
vier Ebenen verteilt arbeiten Wissenschaftlerteams an sich ergänzenden Themen. Ziel
der Plattform Genomics ist die Entwicklung
neuartiger Diagnostika und Therapeutika
zur Behandlung häufiger genetischer Erkrankungen (z. B. manische Depression,
Schizophrenie oder bestimmte Formen der
Epilepsie). Vernetzt ist die Genomics-Plattform mit dem Institut für Humangenetik der
Universität Bonn. Die TransGenics-Plattform
implementiert genotyp- und phänotypbasierte genomische Untersuchungen in Tiermodellen auf Basis neuer Verfahren in der
sogenannten funktionellen Genetik, die Einsichten in molekulare Mechanismen der Hirnfunktionen, aber auch Erkrankungen des
zentralen Nervensystems erlauben. So können neue Medikamententargets identifiziert
und Tiermodelle für Wirkstoff- und Medikamenten-Screenings entwickelt werden. Die
TransGenics-Plattform arbeitet mit dem Institut für Molekulare Psychiatrie der Universität Bonn zusammen. Die Plattform NeuroCognition untersucht die funktionellen Grundlagen von kognitiven Prozessen und entwickelt neue Verfahren zur bildlichen Darstellung von Gehirnfunktionen. Solche Verfahren können spezifische Hirnfunktionen
lokalisieren und Defizite in einem frühen
Stadium chronischer neurologischer Erkrankungen identifizieren. Die Kombination von
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
in vivo- und zellbasierten Ansätzen stellt
eine wichtige Grundlage zur Entwicklung
und Bewertung neuer pharmakologischer
Substanzen dar. Die Plattform NeuroCognition interagiert mit der Klinik für Epileptologie der Universität Bonn. Die CellomicsPlattform widmet sich stammzellbasierten
Therapieverfahren und der Nutzung von
Stammzellen für Krankheitsforschung und
Medikamentenentwicklung. Ein Schwerpunkt
liegt auf der kontrollierten Differenzierung
pluripotenter humaner Stammzellen in
Gehirnzellen und auf der Etablierung von
Modellsystemen für neurodegenerative Erkrankungen. Mit den entwickelten zellulären
Produkten lassen sich Wirkstoffscreenings
durchführen oder neue Biomarker-Assays
etablieren. Langfristig zielt die Plattform
auch auf die Entwicklung von StammzellPräparaten für den Zellersatz in Gehirn und
Rückenmark. Die Cellomics-Plattform ist mit
dem Institut für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn vernetzt.
Business ex academia
Die Verknüpfung von akademischer Wissenschaft, anwendungsorientierten Forschungsplattformen und Inkubatorsegmenten schafft
ein einzigartiges Umfeld für translationale
Arbeiten. So werden die am Institut für Rekonstruktive Neurobiologie entwickelten
Verfahren zur Stammzelldifferenzierung im
Bioengineering-Bereich der Cellomics-Plattform direkt mit Hilfe von Bioreaktor- und Robotiktechnologien bis hin zur Bereitstellung
kryokonservierter Zellprodukte im „ready to
use“ Multiwell-Format industrialisiert. Die
Plattform nutzt dabei vor allem die neue
Technologie der Zellreprogrammierung, die
es ermöglicht, so genannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) aus patienteneigenen Körperzellen zu generieren.
An aus solchen iPS-Zellen entwickelten Gehirnzellen können z. B. erstmals Wirkstoffe
unmittelbar an erkrankten menschlichen
Nervenzellen getestet werden.
www.lifeandbrain.com
91
Vernetzung durch Verbände
Science to Market
Themenorientierte Cluster mit zunehmender Fokussierung auf die Etablierung von
kompletten Wertschöpfungsketten um Produktideen sind wichtige Initiativen, um die
Kommerzialisierung des wissenschaftlichen
Potenzials in Deutschland voranzutreiben.
Neben diesen großen Initiativen mit Unterstützung des Bundes und vieler Fördermittel
ist die Grundthematik einer professionelleren Umsetzung des Wissenspotenzials in
kommerzielle Markterfolge auch auf der
Ebene von Forschungsinstituten und individuellen Unternehmen im Biotech- oder
Pharmabereich essenziell.
Diesem Ziel hat sich die EAPB (European
Association of Pharma/Biotech) verschrieben. Ihr Ansatz ist im Wesentlichen das Zusammenbringen der Akteure und möglicher
Partner entlang einer Wertschöpfungskette.
Dazu dienen verschiedene Konferenzen
(z. B. Science2Market) und Seminare.
Des Weiteren steht aber auch die Beratung
von Individuen aus diesen Organisationen
im Fokus. Die Erfahrung aus erster Hand der
Mitglieder und Treiber des Verbandes, die
vor allem langjährige Mitarbeiter in Pharmaund Biotechunternehmen sind, kann Schwellen überwinden; insbesondere, wenn es um
die ersten Schritte in Richtung Kommerzialisierung geht. Im folgenden Artikel beschreibt
der EAPB-Verband seine Ziele im Detail.
BIO Deutschland mit Erfolgen als
Biotechnetzwerker
Das letzte Wort soll, wie im vergangenen
Jahr, wieder der Verband haben, der die
Biotechnologieunternehmen in Deutschland
mit wachsendem Erfolg vertritt. Das entscheidende Erfolgsrezept dieses Verbandes
ist neben einer professionellen Geschäftsführung eindeutig, dass die Aktivposten in
Gremien und Arbeitsgruppen überwiegend
„Key Executives“ aus den im Verband organisierten Mitgliedsunternehmen sind.
Entwicklungen aufgegriffen und an die Mitglieder kommuniziert werden; darüber hinaus
wird entsprechend überprüft, ob Sachverhalte gegen die Interessen der Branche
laufen und deswegen mit den zuständigen
Verursachern zu erörtern sind. Die Auswahl
der Arbeitsgruppen ist lang, folgt aber
einem dynamischen Konzept, wonach die
Priorisierung der Themen durch aktuelle
Inhalte vorgegeben wird:
Zusammenarbeit Deutschland-USA
Informations- und Erfahrungsaustausch zu
praktischen Fragen transatlantischer Geschäftsaktivitäten; Herstellung von Kontakten in die USA und Organisation von Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der
„American Chamber of Commerce in Germany“
Diagnostik
Erörterung passender Rahmenbedingungen
für Hochleistungssequenzierungen über
Gendiagnostik bis hin zu In-vitro-Diagnostik,
damit die deutsche Biotechindustrie weiter
wächst
Finanzen und Steuern
Eigenkapitalfinanzierung, Erarbeitung neuer
marktorientierter Förderprogramme, Einflussnahme auf steuerliche Rahmenbedingungen u. a.
Gesundheitspolitik
Unterstützung und Beratung in der Umsetzung von EU- und nationalem Recht; Interaktion mit Bund und Ländern über Steuerfragen bezüglich der Biotechforschung,
Patente, Schutzrechte u. a.
Human Resources
Stärkere Beleuchtung des Themas „Human
Resources“, Unterstützung des Verbandes
in der Außendarstellung von HR zur Darstellung eines wichtigen Gesprächspartners für
entsprechende Referenzgruppen und InputGeber im Rahmen aktiver Lobbyarbeit für
die Mitgliedsunternehmen
Dadurch erhält BIO Deutschland auch nach
außen, beispielsweise in der politischen Diskussion um Rahmenbedingungen in Deutschland, eine gewichtige Stimme. Durch Arbeitsgruppen in allen relevanten Themengebieten
wird permanent sichergestellt, dass aktuelle
Innovationen, Unternehmertum und
Arbeitsplätze
Unterstützung der Umsetzung der Hightech-Strategie der Bundesregierung durch
konkrete Leuchtturmprojekte in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsfirmen, insbesondere
im Hinblick auf Innovationen und Arbeitsplätze bei KMU an der Schnittstelle von
92
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
roter und industrieller (weißer) Biotechnologie; Mitarbeit in der Initiative der deutschen
Wirtschaft „BDI initiativ – Innovationsstrategien und Wissensmanagement“; Erstellung
einer Roadmap für die Märkte der Biotechnologie; Zusammenarbeit mit der Kommission Wachstum und Innovation des Wirtschaftsrats der CDU zur Festlegung eines
Leuchtturmprojekts
Regulatorische Angelegenheiten
Weniger Bürokratie und weniger überflüssiger / redundanter Formalismus; Clinical
Trials Directive bzw. GCP Verordnung in
Deutschland; Gewerbegesetz; Normenentwurf „Biosafety Risk Management“; Themenkreis Zentrales Europäisches Zulassungsverfahren; Umsetzung des „Risk-ManagementPlans“ in den einzelnen Ländern
Schutzrechte und technische Verträge
Kernthema „Bedeutung von Schutzrechten
für eine nachhaltige und stetige Innovation
in Deutschland und Europa“; wichtige Aspekte dabei: Reduzierung der Schutzrechtskosten für KMUs und Abbau innovationshemmender Strukturen im Bereich des
Technologietransfers; Planung und Organisation verschiedener Fortbildungsmaßnahmen für BIO Deutschland Mitglieder
Technologietransfer (in Gründung)
Weiterer Ausbau der deutschen Position im
internationalen Wettbewerb durch Ausschöpfung des enormen Wertschöpfungspotenzials der wissenschaftlichen Ergebnisse aus der akademischen Forschung zur
kommerziellen Erschließung für die Biotechindustrie durch einen professionellen und
auf die Besonderheiten des Life-ScienceSektors abgestimmten Technologietransfer
in Schlüsselfunktion
Wettbewerb und Ordnungspolitik
Erkennen und Aufdecken von Wettbewerbsverzerrungen in der deutschen Biotechbranche; Abschaffung von wettbewerbsverzerrenden Strukturen; Schaffung eines
klaren rechtlichen Rahmens und Überprüfung dessen Einhaltung
Über die aktuellen Aktivitäten des Verbandes
gibt der nachfolgende Artikel von Dr. Viola
Bronsema, der Geschäftsführerin von BIO
Deutschland, Auskunft.
Netzwerk aus öffentlicher Forschung, Biotech-SMEs und Pharma
Dr. Wieland Wolf, Präsident der EAPB
(European Association of Pharma
Biotechnology)
„Kommerzialisierungsschwäche“
Der exzellenten Spitzenforschung in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der EU
steht kein adäquater ökonomischer Output
gegenüber. Dies gilt insbesondere für Ergebnisse aus der öffentlich geförderten Forschung in Universitäten und Forschungsinstituten, wie bereits eine im Jahr 2007 veröffentlichte Studie der EU verdeutlichte1,2.
Spitzenforschung ist nicht nur gut, sondern
auch teuer. Die Schlussfolgerung aus den
unbefriedigenden Studienergebnissen ist
daher klar: Um Europas Position unter den
führenden Wirtschaftsräumen zu behaupten,
muss es gelingen, die aus der öffentlichen
Forschung gewonnenen und hierfür geeigneten Ergebnisse in wettbewerbsfähige Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Nur
so wird es langfristig einen Mittelrückfluss
geben, der es weiterhin erlaubt, mit der
Spitzenforschung im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Noch sieht die Realität
anders aus: Bahnbrechende Entwicklungen
aus öffentlicher Forschung in der EU werden
höchst erfolgreich in anderen Ländern kommerzialisiert. Im Idealfall bleiben dann als
Rückfluss Lizenzgebühren, während die Wertschöpfung durch Produktion und Weiterentwicklungen nicht hier stattfindet. So fördern
die Ergebnisse aus hiesiger Forschung nicht
nur andere Wirtschaftsstandorte, sondern
langfristig auch den Aufbau ausländischer
Exzellenzzentren. Diese „Kommerzialisierungsschwäche“, unter der Europa, vor
allem aber auch die deutsche, öffentlich
finanzierte Forschung leidet, hat verschiedene Ursachen. Es wäre zu kurz gesprungen,
würde man hier die Verantwortung nur bei
Universitäten und Forschungsinstituten mit
ihren jeweiligen Transferstellen abladen.
Wirtschaftskunde in den Lehrplänen allgemeinbildender Schulen, unternehmerische
Initiativen und die Lehre von erfolgreichen
Kommerzialisierungsaktivitäten an Universitäten vermissen wir am Standort Deutschland, wo schulische Ausbildung durch Beamte
stattfindet und wo soziale Absicherung dem
eigenverantwortlichen Betreten von Neuland
vorgezogen wird. So kann kein Unternehmergeist wachsen – Ausbildung in dieser Umgebung führt zu Risikoaversion, die die Gründung neuer Unternehmen, die Aufnahme
von Entwicklungsprojekten und / oder deren
Finanzierung erschweren oder gänzlich verhindern. Wenn dann noch die wissenschaftliche Karriere überwiegend an der Anzahl
der Publikationen und dem Renommee der
Zeitschriften gemessen wird, tritt das konsequente Ausschöpfen des ökonomischen
Potenzials wissenschaftlicher Erkenntnisse
in den Hintergrund. Dabei mögen die Ursachen in fehlenden Kontakten, aber auch in
fehlender Motivation und Expertise liegen,
sich mit der wirtschaftlichen Verwertung
von Forschungsergebnissen auseinanderzusetzen. Mehr und mehr werden sich Wissenschaftler jedoch der moralischen Verpflichtung bewusst, der Gesellschaft über eine
erfolgreiche Kommerzialisierung ihrer Forschungsergebnisse etwas von dem zurückzugeben, was sie an Steuergeldern in die
Forschung investiert hat.
Ziele und Initiativen der EAPB
Ein zentrales Ziel der European Association
of Pharma Biotechnology (EAPB) ist es daher, diesen Umsetzungsprozess von wissenschaftlichen Erkenntnissen in wirtschaftlich
verwertbare Produkte und Dienstleistungen
zu unterstützen. Hierfür wurde erstmals
2008 unter der Maxime „Science to Market
(S2M)“ eine jährliche Konferenzreihe gestartet, die sich an Wissenschaftler aus
öffentlicher und industrieller Forschung, an
kleine Biotechunternehmen und an das
Business Development von (bio-)pharmazeutischen Unternehmen richtet. Die S2MKonferenz ist eine hochkarätige wissenschaftliche Veranstaltung zu Themen der
biopharmazeutischen und biomedizinischen
Forschung, zum anderen bietet sie aber
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
auch die Gelegenheit zum Austausch zwischen Wissenschaftlern aus anwendungsnahen Forschungsbereichen und Unternehmensvertretern. Poster-Sessions und
Kurzvorträge über neue biotechnologische
Verfahren und Produkte bieten darüber
hinaus vielfache Möglichkeiten für neue
Kontakte und Kooperationsgespräche.
S2M ist somit die Plattform, auf der neueste
Ergebnisse der Grundlagenforschung mit
der Dynamik von Biotech-SMEs und der Erfahrung und Infrastruktur von Big Pharma
zusammentreffen. Ein weiteres „Werkzeug“
sind die Workshops der „Special Interest
Groups“: Dort diskutieren Spezialisten aus
Forschungsinstituten, Unternehmen und
Behörden über Themen wie z. B. „Regenerative Medizin“ oder „Regulatorische Anforderungen bei der Entwicklung neuer Biopharmazeutika“. Die EAPB wurde im Jahr
2000 als Repräsentant der europäischen
pharmazeutischen und medizinischen Biotechnologie gegründet. Sie hat sich die Förderung biotechnologischer Anwendungen in
Medizin und Pharmazie zum Ziel gesetzt.
Das gilt sowohl für die Entwicklung und Produktion biopharmazeutischer Arzneimittel,
die hierfür eingesetzten Prozesse und Technologien, als auch für alle sonstigen, auf
biotechnologischen Prinzipien beruhenden
diagnostischen und therapeutischen Verfahren und der hiermit verbundenen Infrastruktur.
Die EAPB ist eine gemeinnützige Organisation, die ihren Mitgliedern ein Netzwerk
bietet aus öffentlicher Forschung, Industrie,
Zulassungsbehörden und anderen einschlägig engagierten Partnern aus dem biopharmazeutischen und biomedizinischen Bereich.
Als pan-europäische Vereinigung verfolgt
die EAPB keine regionalen oder nationalen
Interessen. Sie betreibt keinen einzelnen
Interessengruppen dienenden Lobbyismus
und verfolgt ihre Ziele strikt auf der Basis
wissenschaftlicher Erkenntnisse.
www.eapb.org
1
io4EU Studie: „Konsequenzen, Möglichkeiten und
B
Herausforderungen der modernen Biotechnologie für
Europa“, April 2007
2
ompetitiveness of the European biotechnology C
industry, Working document 2007
93
Von Transpiration und Organisation in interdisziplinären Gruppen
und neuen Netzen
„Spitzencluster-Wettbewerb“ des BMBF
Das Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) hat 2007 den „Spitzencluster-Wettbewerb“ ins Leben gerufen.
Damit sollen sich „die leistungsfähigsten
Cluster aus Wissenschaft, Wirtschaft und
weiteren regionalen Akteuren je nach deren
spezifischen Anforderungen“ unterstützen
lassen. Hier sei der themenoffene Ansatz
ebenso gelobt wie die Freude betont, dass von
den kürzlich gekürten zehn Zöglingclustern
zwei aus der Biotechnologie kommen: das
Spitzencluster BioRN „Zellbasierte und
Molekulare Medizin in der Metropolregion
Rhein-Neckar“ und das „Münchner Biotech
Cluster – m4“.
Dr. Viola Bronsema
Geschäftsführerin BIO Deutschland e. V.,
Berlin
Credo
Wenn „Genie ein Prozent Inspiration und
neunundneunzig Prozent Transpiration“ 1
ist, dann fußt Innovation womöglich vor
allem auf Organisation – und ein wenig –
auf Intuition. Die Arbeitsgruppe Innovation,
Unternehmertum und Arbeitsplätze der
BIO Deutschland hat sich darauf verständigt,
dass als Innovation zu verstehen ist, was
Werte schafft aus neuen Ideen, neuen Produkten, neuen Dienstleistungen oder neuen
Konzepten. Innovation entsteht nicht innerhalb fester Grenzen eines Unternehmens
oder einer Institution. Es müssen für einen
vitalen und produktiven Prozess unterschiedliche Innovationskanäle und externe
Akteure einbezogen werden. Nur so können
neue Technologien für die Vermarktung gut
und rasch vorbereitet und entsprechende
Märkte kalkulier- und erschließbar werden.
94
Die Strategie des Ministeriums berücksichtigt
den globalen Wettbewerb und konzentriert
sich auf regionale Zentren. Denn: Unmittelbare volkswirtschaftliche Wirkung entfaltet
Innovation nicht nur, aber auch durch lokal
gebundene Wertschöpfung 2. Die direkte
Wertschöpfung vor Ort leisten zum Beispiel
der Gründer und die Gründerin mit ihren
Unternehmen, wenn ihr oder ihm der Transfer einer eigenen Entdeckung oder Geschäftsidee in die Anwendung hier in Deutschland
gelingt. Hier ist auch einer der Gründe zu
suchen, warum den kleinen und mittleren
Unternehmen (KMU) in der industriellen
Wertschöpfung eine besondere volkswirtschaftliche Bedeutung zukommt.
Unternehmen
Die Großunternehmen sind entscheidend
für das gesamtwirtschaftliche Volumen von
Forschung, Entwicklung und Innovationen
und damit auch weitgehend für die Innovationsintensität der Wirtschaft verantwortlich. Die Masse der KMU bestimmt hingegen
die Breite, mit der Innovationen, Forschung
und Entwicklung in der Wirtschaft verankert
sind. Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass sich in Deutschland die Aktivität
in Forschung und Entwicklung immer stärker
auf wenige große Unternehmen konzentriert. Abgesehen davon, dass in der Konzentration womöglich auch der Grund für
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
die Explosion der Entwicklungskosten zu suchen ist 3, ist es für die Zukunftsfähigkeit
Deutschlands bedrohlich, wenn der rückläufige Trend des Anteils der KMU bei Forschung und Entwicklung anhält 4: KMU sind
zentrale Akteure bei der Verbreitung von
Innovationen und die zentrale Kraft für einen aktiven Strukturwandel, der die langfristige Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft sichert. Sie haben, weil sie mit
geringeren Volumina und in weniger komplexen Strukturen arbeiten, die Möglichkeit,
Neues auszuprobieren und sich kurzfristig
neu aufzustellen. Sie können Prozesse und
Waren für größere Produktionen und Märkte
vorbereiten und sind deshalb insbesondere
in der Biotechnologie unersetzliche Partner
für die Großindustrie. Große Unternehmen
konzentrieren sich entsprechend in ihrer
internen Forschung zunehmend auf ihre
Kernkompetenzen und vergeben immer
mehr F&E-Aufträge nach außen. Während
der von Dritten durchgeführte Anteil an den
F&E-Projekten der Wirtschaft Ende der
1970er Jahre 5,7 % betrug, liegt er heute
mit 20,3 % viel höher. Der Trend hat vornehmlich lokale Effekte: Insgesamt gehen
knapp 60 % der externen Aufträge an inländische Unternehmen. Der Rest geht an
Firmen im Ausland und an Einrichtungen
der Wissenschaft5.
Öffentliche Forschung
Auch in der öffentlichen Forschung hat die
interdisziplinäre Zusammenarbeit zugenommen. In den letzten Jahren haben sich die
Kooperationen und neuartigen Formen der
Zusammenarbeit zwischen verschiedenen
Typen von Wissenschaftsorganisationen gut
entwickelt.6 Es wird sogar häufiger mit Einrichtungen aus anderen Institutionen als mit
Einrichtungen der eigenen Institution kooperiert.
Cluster und Netzwerke
Die professionelle Organisation der Interdisziplinarität – und genau da setzen die neuen
Netzwerke und Cluster an – kann helfen,
virtuelle Leistungszentren zu schaffen und
die Wertschöpfungskraft in Deutschland
nachhaltig zu stärken. Dabei lassen sich die
Erfahrungen aus in Konzernen bekannten
Matrixstrukturen auf diese virtuellen Konstrukte übertragen. Optimale Leistung entsteht nur, wenn die unterschiedlichen Bereiche sich jenseits der Hierarchien und
Berichtswege verstehen. Sie müssen gut
und offen kommunizieren, sich bereitwillig
abstimmen und auf gemeinsame Ziele verständigen, die sie dann konsequent verfolgen.7
Die Zeiten des einsamen Schwitzens sind
also definitiv vorbei. Es gilt, gemeinsam, interdisziplinär und strukturübergreifend die
Synergien im Innovationsprozess zu heben.
Im Lichte der Komplexität und des Reichtums dieser gemeinsamen Anstrengungen
bildet sich sogar ein neues Berufsbild heraus. Bei der Clusterkonferenz des BMBF in
diesem Februar8 betraten denn auch neben
Regierungsvertretern, Unternehmenslenkern
und Konzernmanagern nicht Technologietransfer-Beauftragte und Wirtschaftsförderer
das Podium. Es waren Innovationsmanager,
die ihre Ansätze des Clustermanagements,
ihre Strategie und ihre Zielvorgaben – durchaus kontrovers – diskutierten.
Das ist sicherlich eine wichtige Übung, um
den Umgang mit den neuen industriellen
Strukturen und Schwerpunkten, die Spezialisten zumindest für die Biotechnologie
vorhersagen 9,10,11 zu erlernen. Die Aufgaben, die die Menschheit in den Bereichen
Gesundheit, Ernährung und Klima meistern
muss, gebieten Eile beim Umsetzen. Und
neben der Virtuosität in virtuellen Strukturen braucht es vielleicht noch etwas mehr:
Nachhaltiges Denken und unternehmerische
Solidarität entlang der Wertschöpfungskette
für die zukünftige wirtschaftliche Leistungskraft und den Wohlstand unserer Volkswirtschaften.
1
“ Genius is one per cent inspiration and ninety-nine per
cent perspiration”, Thomas Alva Edison, Harpers
Monthly, 1932 (http://de.wikiquote.org und http://
www.zitate-online.de am 24. März 2010)
2
xpertenkommission Forschung und Innovation (EFI),
E
(Hrsg.) (2008): Gutachten zu Forschung, Innovation
und technologischer Leistungsfähigkeit 2008, EFI, Berlin
3
FI, ebd: „Die steigenden Innovationsaufwendungen
E
bei gleichzeitig sinkender Innovationsquote erklären
sich aus einer steigenden Konzentration der Innovationsaktivitäten auf große Unternehmen.“
4
schhoff et. al. 2008; sinngemäß: Die InnovationsA
erfolge der kleinen und mittleren Unternehmen mit
Marktneuheiten erreichten 2000 bzw. 2001 Spitzenwerte und gingen seither deutlich zurück. Auch die
Zahl der Unternehmensgründungen ist seit dem New
Economy Boom in diesem Segment abgeschwächt.
5
xpertenkommission EFI (2008): „18 Prozent ins
E
Ausland, 22 Prozent an Einrichtungen der Wissenschaft“
6
xpertenkommission Forschung und Innovation (EFI),
E
(Hrsg.) (2010): Gutachten zu Forschung,
Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit
2010, EFI, Berlin
7
ttp://www.biodeutschland.org/technologietransferh
konferenz-2009.html
8
http://www.bmbf.de/pub/tagungsband_clusterkonferenz_2010.pdf
9
urrill&Company, Biotech 2009 – Navigating the Sea
B
Change: VIPCO – Virtually Integrated Pharma Co.
10
he Boston Consulting Group 2009 – Deutschland
T
2015 – Szenarien für den Industriestandort
11
&Y Global Report 2008 – Reinnovation and reinvenE
tion
www.biodeutschland.org
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
95
Anhang
Methodik und Definitionen
Methodik
Definition „Biotechunternehmen“
Die vorliegende Studie basiert auf einer
Befragung von Biotechunternehmen mit
Hauptsitz in Deutschland. Tochterunternehmen nicht-deutscher Biotechfirmen werden
in der vorliegenden Statistik separat berücksichtigt, um „Doppelzählungen“ in der globalen Statistik von Ernst & Young zu vermeiden. Die globale Statistik wird in dem jährlich
erscheinenden „Global Biotechnology Report“ veröffentlicht. Zusätzlich wurden für
die aktuelle Studie jedoch auch deutsche
Tochtergesellschaften und Niederlassungen
ausländischer Biotechunternehmen befragt,
um deren volkswirtschaftliche Bedeutung
abzubilden.
Ernst & Young analysiert in der vorliegenden
Studie Unternehmen, deren Hauptgeschäftszweck die Kommerzialisierung der modernen
Biotechnologie ist. Moderne Biotechnologie
nutzt die Gentechnik und andere molekularbiologische Verfahren zur Produktion von
innovativen Medikamenten, Diagnostika,
Spezialchemikalien sowie transgenen Pflanzen und Tieren. Ferner werden hier sämtliche
Technologien, Forschung und Dienstleistungen, die in vorgenannten Bereichen eingesetzt oder durchgeführt werden, eingeschlossen.
Für die Analyse wurden über 400 Unternehmen1 befragt, die der Definition eines Biotechunternehmens von Ernst & Young entsprechen. Die Rücklaufquote betrug 60 %.
Der Inhalt wurde ferner durch intensive
Sekundärrecherchen ergänzt. Die themenbezogenen Beiträge wurden von externen
Experten verfasst und stellen somit deren
Meinung dar.
Eingesetzte Verfahren sind beispielsweise:
rekombinante DNA-Techniken; cDNA-Techniken und Biochips; Herstellung von und
Arbeiten mit Antikörpern sowie Proteinen
als Tools, Therapeutika und Diagnostika;
Auftragsproduktion, wenn rekombinante
Verfahren involviert sind; biologische Assays
und zelluläre Systeme; Zellkulturen für Therapie und Produktion; Gentherapie und Drug
Delivery; molekulare Diagnostik sowie moderne pflanzenbiotechnologische Verfahren.
Darüber hinaus wird in dieser Studie der Bereich Tissue Engineering integriert, der einen
interdisziplinären Ansatz aus Bio- und Medizintechnik darstellt. Ebenfalls hinzugezählt
werden Produkte und Verfahren, die nicht
im engeren Sinne „bio“-technologisch sind,
jedoch wichtige Bausteine in der Wertschöpfungskette der Biotechindustrie darstellen (z. B. Bioinformatik, Technologien
und Services im Bereich Medikamentenentwicklung).
1
ie fortgesetzte Analyse von externen Quellen (inklusive der Abgleich mit dem von BMBF initiierten Portal biotechnoD
logie.de) hat zur Folge, dass die Firmenanzahl geringfügig schwankt. In diesem Report wurde außerdem in Abstimmung mit der Erstellung der globalen Biotechstatistiken von Ernst & Young festgelegt, dass Tochterunternehmen
generell nicht in die globale Statistik aufgenommen werden. Für die Darstellung der deutschen Zahlen wurde deshalb
beschlossen, neben der Darstellung des Kernsegments an Biotechunternehmen (exklusive Tochterunternehmen)
eine separate Darstellung einzufügen, die in Deutschland ansässige Tochterunternehmen von aus- oder inländischen
Muttergesellschaften ausweist. Darüber hinaus enthält die separate Darstellung weitere Unternehmen außerhalb des
Kernsegments, die allerdings an das Kernsegment assoziiert sind. Dies hat geringfügige Anpassungen der Eckdaten
sowie weiterer Daten und Abbildungen zur Folge.
96
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
Ausschlusskriterien
Diese Studie beinhaltet im Kernesegment
keine Firmen, die sich mit klassischen
Methoden der Biotechnologie beschäftigen,
also zum Beispiel Verfahren aus der Umweltbiologie (klassische biologische Verfahren der Schadstoffbeseitigung wie Abwasserreinigung oder Biofilter), der Pflanzenbiologie
(klassische Pflanzenzucht und Vermehrung,
Saatgutherstellung), der Nahrungsmittelherstellung (Bierbrauer) und der klassischen
industriellen Biotechnologie (Fermentation / Transformationen zur Herstellung von Antibiotika oder Feinchemikalien, klassische Enzymtechnologie).
Ebenso werden Firmen ausgeschlossen,
die allein analytische Techniken einsetzen.
Auch rein biochemisches Arbeiten (z. B.
klassische Labor-, klinische und genetische
Diagnostik) sowie mikroskopische Diagnostik werden nicht berücksichtigt. Der Fokus
liegt stark auf dem Einsatz der Molekularbiologie. So sind zum Beispiel Firmen, die sich
vorwiegend mit gängigen Technologien
der Immunologie (ELISA und ähnliches)
beschäftigen, ebenfalls nicht in die Untersuchung eingeschlossen. Eine Ausnahme
stellen Firmen dar, die in eigener Entwicklung beispielsweise Antigene für immundiagnostische Zwecke in größerem Maße rekombinant herstellen. Firmen, die Diagnostikgeräte (basierend auf SPR oder Fluoreszenz
u. ä.) anbieten, sowie andere Geräte- und
Verbrauchsmaterialhersteller werden eben-
falls nicht berücksichtigt (hierzu zählen auch
Biosensoren, selbst wenn ein biologisches
Molekül zur Messung von biologischen und
nicht biologischen Parametern eingesetzt
wird).
Ebenfalls ausgeschlossen sind Firmen, die
sich ausschließlich mit dem Vertrieb von
biologischen Produkten (z. B. Biochemikalien) beschäftigen oder die Biotechnologie
nicht als Hauptgeschäftszweck betreiben.
Damit sind auch traditionelle Mittelstandsund Großunternehmen aus der Pharmaund Agroindustrie ausgeschlossen, auch
wenn sie mit Methoden der modernen Biotechnologie arbeiten. Denn der Einsatz der
Biotechnologie ist hier nicht Hauptgeschäftszweck, sondern wird meist nur am Rande
betrieben. Auch Unternehmen aus der
traditionellen Medizintechnik bleiben unberücksichtigt.
Diese Ausschlusskriterien sind nicht als
negative Selektion zu verstehen. Die klare
Abgrenzung soll vielmehr dem interessierten
Leser Daten zur Verfügung stellen, die auf
einem vergleichbaren Sample beruhen.
Abgrenzung zu anderen Erhebungen
Mit dieser bewusst sehr restriktiven, aber
klar definierten Auswahl von Biotechfirmen
im Kernsegment bestehen Unterschiede zu
Erhebungen anderer Institutionen, wie zum
Beispiel der Informationsplattform www.biotechnologie.de bzw. der BIOCOM AG. Die
wesentlichen Unterschiede liegen darin, dass
Ernst & Young nicht Tochterunternehmen
ausländischer Biotech- oder Pharmaunternehmen einschließt (aus Gründen der globalen Konsistenz der Daten) und außerdem
weder Großunternehmen noch Firmen, die
sich nicht ausschließlich mit der modernen
Biotechnologie beschäftigen, in seinen Untersuchungen berücksichtigt. Darüber hinaus
werden in der Ernst & Young Studie keine
Firmen der klassischen Biochemie und Diagnostik aufgenommen.
Diese Festlegungen und Ausschlusskriterien
bedeuten keineswegs eine Diskriminierung
der nicht berücksichtigten Unternehmen.
Aufgrund der zunehmenden volkswirtschaftlichen Bedeutung (z. B. von Tochterunternehmen in Deutschland) wurden die entsprechenden Zahlen separat erhoben und
den Ergebnissen für das Kernsegment zur
Seite gestellt.
Die Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Selektionskriterien beruhen hauptsächlich auf unterschiedlichen Zielsetzungen der angesprochenen Erhebungen.
Ernst & Young fokussiert sich auf die vertiefte Analyse der Schlüsselfaktoren der
modernen Biotechindustrie und daraus abzuleitenden Trends (z. B. in den Bereichen
Produktentwicklung, Finanzierung, Transaktionen), für die die Definition einer homogenen Analysegruppe essenziell ist.
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
97
Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen
Tabellen
Tabelle 1-1:
Tabelle 1-2:
Tabelle 1-3:
Tabelle 1-4:
Kennzahlen der deutschen Biotechindustrie
Neugründungen deutscher Biotechunternehmen, 2009
Kennzahlen und Finanzdaten der deutschen Biotechindustrie nach Unternehmensstatus
Vermögenswerte und Cashflow der deutschen börsennotierten Biotechunternehmen
6
8
9
10
Tabelle 3-1:
Wirkstoffkandidaten mit Phasenübergang aus der Präklinik in die Phase I, 2009 (Auswahl)
33
Tabelle 4-1:
Tabelle 4-2:
Allianzen deutscher Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl)
Options-Vereinbarungen europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl)
47
49
Tabelle 5-1:
Tabelle 5-2:
Tabelle 5-3:
Tabelle 5-4:
Tabelle 5-5:
Tabelle 5-6:
VC-Finanzierungen privater deutscher Biotechunternehmen, 2009
VC-Finanzierungen privater europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl)
Beteiligung von Corporate-VCs an Early-Stage-VC-Finanzierungen privater europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl)
Börsengänge europäischer Biotechunternehmen, 2009
Sekundärfinanzierungen börsengelisteter deutscher Biotechunternehmen, 2009
Sekundärfinanzierungen börsengelisteter europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl)
67
70
71
78
80
81
Abbildung 1-1:
Abbildung 1-2:
Abbildung 1-3:
Abbildung 1-4:
Zusammensetzung der Abgänge bei Biotechunternehmen im Jahresvergleich
Neugründungen deutscher Biotechunternehmen im Jahresvergleich
Veränderungsraten bei den Kennzahlen und Finanzdaten nach Unternehmensstatus
Verteilung nach Umsatzklassen, 2009
7
7
9
10
Abbildung 2-1:
Abbildung 2-2:
Abbildung 2-3:
Abbildung 2-4:
Abbildung 2-5:
Maßnahmen zur Steigerung der Geschäftseffizienz und Reduzierung des Kapitalverbrauchs (Befragung in Deutschland)
Maßnahmen zur Steigerung der Geschäftseffizienz und Reduzierung des Kapitalverbrauchs (Befragung international)
Segmentierung der Biotechindustrie im Ländervergleich, 2009 Pharma-Ökosystem im Wandel
Käufermarkt – Verkäufermarkt
13
19
24
25
Abbildung 3-1:
Abbildung 3-2:
Abbildung 3-3:
Abbildung 3-4:
Abbildung 3-5:
Abbildung 3-6:
Abbildung 3-7:
Abbildung 3-8:
Abbildung 3-9:
Abbildung 3-10:
Entwicklungspipeline nach Phase
Entwicklungspipeline nach Phase und Wirkstoffklasse
Entwicklungspipeline nach Wirkstofftyp und Phase, 2009
Klinische Entwicklungspipeline nach Therapiegebiet, 2009
Klinische Entwicklungspipeline nach Phase und Therapiegebiet, 2009
Klinische Entwicklungspipeline nach Therapiegebiet und Wirkstoffklasse, 2009
Klinische Entwicklungspipeline nach Phase im Ländervergleich
Spezifische Produktivität der klinischen Entwicklungspipeline im Ländervergleich, 2009
Entwicklungspipeline nach Therapiegebiet im Ländervergleich, 2009
Entwicklungspipeline nach Wirkstofftyp im Ländervergleich, 2009
29
38
38
39
39
40
42
42
43
43
Abbildungen
98
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
14
Abbildung 4-1:
Abbildung 4-2:
Abbildung 4-3:
Abbildung 4-4:
Abbildung 4-5:
Abbildung 4-6:
Abbildung 4-7:
Abbildung 4-8:
Abbildung 4-9:
Allianzen deutscher Biotechunternehmen – Zahlungsströme im Jahresvergleich
Fusionen und Übernahmen deutscher Biotechunternehmen im Jahresvergleich und die regionale Verteilung der Partner
Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Typ
Vergleich deutscher Allianzen nach Hauptgeschäftsfeld der beteiligten Biotechunternehmen, 2007 und 2009
Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Hauptgeschäftsfeld der beteiligten Biotechunternehmen, 2009
Vergleich deutscher Allianzen nach Transaktionsfokus, 2007 und 2009
Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Transaktionsfokus, 2009
Vergleich europäischer Käufer-/Verkäufer-Allianzen, 2009
Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Art des Partners
Abbildung 5-1:
Abbildung 5-2:
Abbildung 5-3:
Abbildung 5-4:
Abbildung 5-5:
Abbildung 5-6:
Abbildung 5-7:
Abbildung 5-8:
Abbildung 5-9:
Abbildung 5-10:
Abbildung 5-11:
Abbildung 5-12:
Aufgenommenes Kapital im Jahresvergleich, Deutschland
Aufgenommenes Kapital im Jahresvergleich, Europa
Aufgenommenes Kapital im Jahresvergleich, USA
Finanzierung privater Unternehmen nach Anzahl und durchschnittlichem Volumen im Jahresvergleich
Finanzierung privater Unternehmen nach Phase im Jahresvergleich
Deutschland im globalen Wettbewerb um Venture Capital / Private Equity (IESE 2009)
Risikokapital in ausgewählten europäischen Ländern
Finanzierung privater Biotechunternehmen in Europa nach Herkunft der Mittel im Jahresvergleich
Zukünftige Finanzierungsquellen deutscher Unternehmen im Vergleich mit Europa und USA
Denkbare Exitstrategien deutscher Biotechnternehmen im Jahresvergleich
Marktkapitalisierung börsennotierter deutscher Biotechunternehmen, 2009
Gesamt-Marktkapitalisierung börsennotierter deutscher Biotechunternehmen im Vergleich zu Europa, DAX und TecDAX
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
45
52
53
55
55
56
56
58
59
63
64
64
65
68
68
69
73
77
78
82
83
99
Verzeichnis der Expertenbeiträge
Kapitel 2: Geschäftsstrategien
Mit effizienter Kapitalnutzung zum Erfolg
Dr. Claus Kremoser und Dr. Thomas Hoffmann, CEO und CFO Phenex Pharmaceuticals AG, Ludwigshafen
Forschung hört nie auf, wenn …
Dr. Werner Lanthaler, CEO Evotec AG, Hamburg
Turnaround bei PAION – „Batman is back“
Dr. Wolfgang Söhngen, CEO PAION AG, Aachen
Aktivierung von Entwicklungskosten bei Life-Science-Unternehmen
Titus Zwirner, Ernst & Young GmbH, Köln
Operational Excellence: Verbesserung der Effizienz bei gleichzeitiger Optimierung der Kosten
Annette Schulz, Ernst & Young GmbH, Eschborn
Die dynamische Neuausrichtung QIAGENs zum führenden Anbieter in der molekularen Diagnostik
Peer Schatz, CEO QIAGEN N.V., Venlo/Hilden
Geschäftsstrategien in der industriellen und pharmazeutischen Biotechnologie im Vergleich
Dr. Jörg Riesmeier und Dr. Thomas von Rüden, DIREVO Industrial Biotechnology GmbH, Köln
16
17
18
21
22
23
27
Kapitel 3: Produktentwicklung
Erfolgreiche Produktentwicklung und Marktzulassung aufgrund effizienter Prozess- und Partnerstrukturen
Dr. Horst Lindhofer, CEO TRION Pharma GmbH, München
Effizienz in der Produktentwicklung
Dr. Thomas Höger, CEO Apogenix GmbH, Heidelberg
„Fist in Class, First in Man“: Erfolgsfaktor Prozesse
Dr. Ingmar Hoerr, CEO CureVac GmbH, Tübingen
Glycotope: State of the art Technologie, risikodiversifizierte Pipeline und optimale Nutzung finanzieller Ressourcen
Dr. Steffen Goletz, CEO&CSO, Dr. Franzpeter Bracht, CFO&CBO, Glycotope GmbH, Berlin
Innovativer Ansatz für neue Expressionssysteme – CEVECs humane Amniocyten-Technologie
auf dem Weg zum globalen Markterfolg
Dr. Rainer Lichtenberger, CEO CEVEC Pharmaceuticals GmbH, Köln
Alzheimer Biomarker: Vorteile durch frühzeitige Kooperation zwischen akademischer Forschung und Industrie
Prof. Dr. Harald Hampel, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie,
Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
30
34
35
36
37
41
Kapitel 4: Transaktionen
Alternative Finanzierungsformen: Frühes Vermarkten von F&E-Projekten
Carsten Dehning, CFO DeveloGen AG, Göttingen
Zugang zu Innovationen durch erfolgreiche Partnerschaften und flexible Vertragsstrukturen
Dr. Michael Yeomans, Leiter Global Business Development & Licensing Bayer Schering Pharma AG, Berlin
Allianzmanagement: Erfolgreiche Strategien für Allianzen und Partnerschaften
Annette Schulz, Ernst & Young GmbH, Eschborn
Schwierige Zeiten erfordern kreative Lösungen
Dr. Andreas Jenne, CEO KINAXO Biotechnolgies GmbH, Martinsried
Warum sich „Outsourcing“ lohnt
Dr. Toralf Haag, CFO Lonza Group Ltd., Basel
100
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
46
50
51
57
60
Kapitel 5: Finanzierung und Kapitalmarkt
Probiodrug AG: Der Weg zu einer signifikanten „B“-Runde
Hendrik Liebers, CFO Probiodrug AG, Halle / Saale
Novartis Venture Fund: Finanzierung und strategische Partnerschaft
Dr. Markus Goebel, MBA Managing Director Novartis Venture Fund
Von der Pipeline- zur Projektfinanzierung: Fluch und Segen effizienter Finanzierungssrategien
Dr. Hubert Birner, General Partner TVM Capital GmbH, München
VC strategies for early and late stage investments
Dr. Michele Ollier, Partner Index Ventures, Genf
66
72
75
76
Kapitel 6: Life-Science-Netzwerke
Impressum
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auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, sind vorbehalten.
Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung
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NEU2: NEUe Wirkstoffe gegen NEUrologische Erkrankungen
Dr. Timm Jessen, CEO Bionamics GmbH, Kiel
Die Neuroallianz – ein neuartiges Konsortium zur Entwicklung innovativer Therapeutika und Diagnostika
Prof. Dr. Christa E. Müller, Prof. Dr. med. Alexander Pfeifer, Pharma-Zentrum Bonn
Innovation aus dem Max-Planck Drug Discovery & Development Center
Dr. Matthias Stein-Gerlach, Max-Planck Innovation GmbH, München
m4: Personalisierte Medizin und zielgerichtete Therapien – eine neue Dimension in der Medikamentenentwicklung
Dr. Georg Kääb, BioM Biotech Cluster Development GmbH, München
Das „Mainzer Modell“: CI3
Dr. Rainer Wessel, Vorstandsmitglied BIO Deutschland, CBO GANYMED Pharmaceuticals AG, Mainz
Translationale Medizin
Dr. Michael Roßbach, LIFE & BRAIN GmbH, Bonn
Netzwerk aus öffentlicher Forschung, Biotech-SMEs und Pharma
Dr. Wieland Wolf, Präsident der EAPB (European Association of Pharma Biotechnology)
Von Transpiration und Organisation in interdisziplinären Gruppen und neuen Netzen
Dr. Viola Bronsema, Geschäftsführerin BIO Deutschland e. V., Berlin
86
87
88
89
90
91
93
94
Die Wiedergabe von Gebrauchs- und Handelsnamen sowie
Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch
ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und
daher von jedermann benutzt werden dürfen.
Die Zahlenangaben und Informationen basieren auf Daten,
die im Rahmen einer Primärdatenerhebung sowie
Sekundärdatenrecherche von relevanten Unternehmen ermittelt wurden. Die in diesem Report wiedergegebenen
qualitativen und quantitativen Einschätzungen wurden mit
hoher Sorgfalt ermittelt, jedoch übernimmt der Heraus­
geber keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit
der Angaben.
Ernst & Young GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Theodor-Heuss-Anlage 2, 68165 Mannheim
April 2010
Layout und Produktion: magenta – Kommunikation,
Design und Neue Medien GmbH & Co. KG, Mannheim
Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010
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Ernst & Young im Überblick
Ernst & Young ist einer der Marktführer in
der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und
Transaktionsberatung sowie in den Advisory
Services. Rund 7.100 Mitarbeiter sind durch
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144.000 Mitarbeitern der internationalen Ernst &
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Deutscher Biotechnologie-Report 2010
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