Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Kapitel 5: Finanzierung und Kapitalmarkt Probiodrug AG: Der Weg zu einer signifikanten „B“-Runde Hendrik Liebers, CFO Probiodrug AG, Halle / Saale Novartis Venture Fund: Finanzierung und strategische Partnerschaft Dr. Markus Goebel, MBA Managing Director Novartis Venture Fund Von der Pipeline- zur Projektfinanzierung: Fluch und Segen effizienter Finanzierungssrategien Dr. Hubert Birner, General Partner TVM Capital GmbH, München VC strategies for early and late stage investments Dr. Michele Ollier, Partner Index Ventures, Genf 66 72 75 76 Kapitel 6: Life-Science-Netzwerke Impressum Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung von Ernst & Young GmbH in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm, Datenträger oder einem anderen Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. NEU2: NEUe Wirkstoffe gegen NEUrologische Erkrankungen Dr. Timm Jessen, CEO Bionamics GmbH, Kiel Die Neuroallianz – ein neuartiges Konsortium zur Entwicklung innovativer Therapeutika und Diagnostika Prof. Dr. Christa E. Müller, Prof. Dr. med. Alexander Pfeifer, Pharma-Zentrum Bonn Innovation aus dem Max-Planck Drug Discovery & Development Center Dr. Matthias Stein-Gerlach, Max-Planck Innovation GmbH, München m4: Personalisierte Medizin und zielgerichtete Therapien – eine neue Dimension in der Medikamentenentwicklung Dr. Georg Kääb, BioM Biotech Cluster Development GmbH, München Das „Mainzer Modell“: CI3 Dr. Rainer Wessel, Vorstandsmitglied BIO Deutschland, CBO GANYMED Pharmaceuticals AG, Mainz Translationale Medizin Dr. Michael Roßbach, LIFE & BRAIN GmbH, Bonn Netzwerk aus öffentlicher Forschung, Biotech-SMEs und Pharma Dr. Wieland Wolf, Präsident der EAPB (European Association of Pharma Biotechnology) Von Transpiration und Organisation in interdisziplinären Gruppen und neuen Netzen Dr. Viola Bronsema, Geschäftsführerin BIO Deutschland e. V., Berlin 86 87 88 89 90 91 93 94 Die Wiedergabe von Gebrauchs- und Handelsnamen sowie Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Die Zahlenangaben und Informationen basieren auf Daten, die im Rahmen einer Primärdatenerhebung sowie Sekundärdatenrecherche von relevanten Unternehmen ermittelt wurden. Die in diesem Report wiedergegebenen qualitativen und quantitativen Einschätzungen wurden mit hoher Sorgfalt ermittelt, jedoch übernimmt der Herausgeber keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben. Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Theodor-Heuss-Anlage 2, 68165 Mannheim April 2010 Layout und Produktion: magenta – Kommunikation, Design und Neue Medien GmbH & Co. KG, Mannheim Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Umschlag_2010.indd 2 101 07.04.10 14:44 Vorwort Deutschland steht in dieser Entwicklung jedoch nicht allein; vielmehr handelt es sich um ein globales Phänomen, das allenfalls in unterschiedlichen Facetten in Erscheinung tritt. Im internationalen Vergleich ist aber abzulesen, dass Unterschiede hinsichtlich der Aufstellung der Biotechbranche in einzelnen Ländern, vor allem aber auch der Umgang der jeweiligen Gesellschaft mit Themen wie „Entrepreneurship“ und „Risikotoleranz“, eng verknüpft sind mit den Möglichkeiten zur Bewältigung der gegenwärtig schwierigen Lage. Im jährlich erscheinenden globalen Biotechnologie-Report „Beyond Borders“, der durch das European Life Science Center von Ernst & Young in Mannheim mit weltweiten Branchenanalysen gespeist wird, kommt dies deutlich zum Ausdruck. Dr. Siegfried Bialojan Anzeichen für eine sich verschärfende Finanzierungssituation in der deutschen Biotechindustrie hatte schon der Titel „Fallstrick Finanzierung“ des letztjährigen Biotechnologie-Reports von Ernst & Young angedeutet. Immerhin hatte dieser Leitgedanke aber die Möglichkeit offengelassen, dass die betroffenen Unternehmen alternative Finanzierungswege finden, um im Dickicht der Fallstricke letztendlich eben nicht zu Fall zu kommen. Der aktuelle Biotechnologie-Report, den Ihnen Ernst & Young zum 11. Mal präsentiert, schreibt das letztjährige Szenario fort. In der Tat ist es den meisten Biotechunternehmen gelungen, die Fallstricke zu umgehen und den Fortbestand der Geschäftstätigkeit zu sichern. Allerdings haben die sich weiter verschlechternden Finanzierungsbedingungen dazu geführt, dass nun „Neue Spielregeln“ gelten, die sich auf breiter Front auswirken. Die neuartigen Gegebenheiten betreffen sowohl Adaptionen in den Geschäftsmodellen, kreative Transaktionen und alternative Finanzierungswege sowie auch die engere Verzahnung in funktionellen Netzwerken. Ein Umdenken findet auch bei Investoren und ebenso bei strategischen Partnern statt. Als übergeordnetes Prinzip hat sich „Capital Efficiency“, d. h. die bestmögliche Nutzung des vorhandenen Kapitals, als neue Norm durchgesetzt. Die neuen Spielregeln gelten für die gesamte Life-Science-Industrie. „Capital Efficiency“ hat für Pharmaunternehmen noch stärker die Bedeutung, ihre Geschäftsmodelle und vor allem Prozesse zu optimieren. Dass sie dabei mehr und mehr vom ehemals vorherrschenden Modell „FiPCo“ (Fully integrated Pharmaceutical Company) zum „FiPNet“ (Fully integrated Pharmaceutical Network) tendieren, kommt vor allem den Biotechunternehmen zugute. Partnerschaften als alternative Finanzierungsoption wären ohne diese Entwicklung zumindest in diesem Maße nicht denkbar. Wie im aktuellen Ernst & Young Pharma-Report „Progressions“ beschrieben, werden die Netzwerke im Life-Science-Sektor zusehends weiter gespannt und beziehen die Zusammenarbeit mit anderen Branchen (z. B. IT/e-Health, Kommunikation, Medizintechnik, Ernährung) mit ein. „Beyond Borders“ Global biotechno­logy report 2010 Ebenso rasant entwickelt sich die Integration der Medizintechnikbranche als Partner der Life-Science-Branche weiter. In der aktuellen Medizintechnikstudie „Pulse of the Industry“ beschreibt Ernst & Young zum ersten Mal auf globaler Basis jene Entwicklung. Diese Trends treiben eine Transformation des Health-Care-Sektors von seinem aktuellen Fokus auf therapeutische und diagnostische Produkte hin zu einem Szenario, in dem einzig „Outcome“, d. h. Erfolge für den Patienten, den Fortschritt definieren sowie die Entlohnung dafür regeln. Vertieftes Wissen über den gesamten LifeScience-Sektor wird vor diesem Hintergrund immer wichtiger, um als kompetenter Gesprächspartner mit relevanten Beratungsinhalten anerkannt zu werden. Nachhaltige, auf Erfolg ausgerichtete Geschäftsbeziehungen, die aus einer Synthese der Branchenkenntnis und professionellen Beratungsansätzen resultieren, sind das eigentliche Ziel und der Lohn unserer Arbeit. Mit diesem Vorausblick hoffe ich, dass Ihnen die vorliegende Studie hilfreiche Anregungen liefert, und würde mich freuen, wenn wir als Ernst & Young den Dialog mit Ihnen über die Studie hinaus konstruktiv fortsetzen dürften. Dr. Siegfried Bialojan Leiter European Life Science Center, Ernst & Young, Mannheim „Pulse of the industry“ Medical technology report 2009 „Progressions“ Global pharmaceutical industry report 2010 Danksagung Die Publikation einer Branchenstudie umfasst mehr als nur Recherchen, Umfragen, Analysen und die Erstellung des Textes. Unverzichtbarer Bestandteil des vorliegenden Berichts sind vor allem auch die vielen Informationen – insbesondere aus dem Bereich der privaten Unternehmen – ,die wir im Rahmen einer globalen Firmenumfrage erhalten. Die wiederholt hohe Rücklaufrate der Antworten macht uns stolz und zeigt uns, dass die Branche unsere Erhebungen schätzt. Wir bedanken uns hierfür herzlich bei allen Teilnehmern der Umfrage. Ebenso informativ wie wertvoll sind die Expertenbeiträge in Form von themenbezogenen Artikeln. Als authentische Stimme aus der Branche sind sie für uns wichtiger Beleg für unsere Analyseergebnisse und die Trends der Branche. Allen Autoren zollen wir unseren herzlichen Dank für ihre durchweg spontane Bereitschaft zur Formulierung ihrer Beiträge. Als wesentliche Zutaten ergeben darüber hinaus unzählige persönliche Gespräche mit Experten aus der Branche das „Salz in der Suppe“. Allen voran und stellvertretend bedanken wir uns bei dem diesjährigen Expertenpanel, das während einer halbtägigen Klausur in offener Diskussion viele Sachverhalte interpretieren half und unzählige neue Ideen und Vorschläge einbrachte: Dr. Hubert Birner, TVM Capital Dr. Jörn-Peter Halle, Merck Serono Dr. Peter Heinrich, MagForce Nanotechnologies Dr. Karsten Henco, HS Life Sciences Dr. Werner Lanthaler, Evotec Dr. Simon Moroney, MorphoSys Dr. Holger Reithinger, GLSV Dr. Rainer Wessel, GANYMED Pharmaceuticals Seitens Ernst & Young stehen und fallen der Erfolg und ganz besonders die pünktliche Fertigstellung dieser Branchenstudie mit einem motivierten und engagierten Team. Allen voran gilt der Dank Ulrike Trauth, die als Neueinsteiger direkt die Verantwortung für die gesamte Global Life Science Database übernahm und somit einen Großteil der Analysen und Trendableitungen durchführte. An ihrer Seite hat Eva-Maria Hilgarth die Analysen unterstützt und durch unzählige Zusatzrecherchen ergänzt. Darüber hinaus trugen beide durch ihr redaktionelles Engagement wesentlich zum Entstehen der vorliegenden Branchenstudie bei. Projektmitarbeiterinnen waren außerdem Lena Haupt und Anne Tzschichholz, die mit großem Einsatz Unternehmensinformationen sammelten und in die Datenbank einarbeiteten. Nadine Mrotzek gebührt der Dank für die selbständige Betreuung des Teilprojekts „Biotech Map of Germany 2010“ sowie die Organisation der Berichtsveröffentlichung. In der Konzeption der Studie sowie der Koordination und Erstellung der Inhalte waren vor allem Dr. Susanne Wosch, Dr. Manuel Bauer und Nina Hahn wichtige Stützen, denen ich zu großem Dank verpflichtet bin; allen voran Nina Hahn, die selbst kurz vor der Geburt ihres Sohnes Felix noch „biotech“ dachte und kreative Vorschläge für Bildmaterial und das Bericht-Cover lieferte. Dr. Susanne Wosch analysierte die Themenbereiche „Produktentwicklung“ sowie „Transaktionen“ im Detail und erstellte die zugehörigen Texte. Nicht zuletzt gilt unser Dank Frau Stefanie Probst und ihrem Team bei magenta – Kommunikation, Design und Neue Medien für den unermüdlichen Einsatz und die professionelle Umsetzung unserer Ideen in ein auch optisch gelungenes Produkt. Mit diesem Bericht verfolgen wir das Ziel, einen Überblick über den aktuellen Status der Biotechnologiebranche in Deutschland zu geben und laufende Entwicklungen im internationalen Vergleich zu bewerten. Es handelt sich hierbei um einen unabhängigen Branchenbericht ohne externe Auftraggeber; auf die Inhalte wurde keinerlei Einfluss durch einzelne Unternehmen oder Institutionen genommen. Dr. Siegfried Bialojan Gesamtleitung und Koordination der Studie Projektteam Ernst & Young: Dr. Manuel Bauer Nina Hahn Lena Haupt Eva-Maria Hilgarth Nadine Mrotzek Ulrike Trauth Anne Tzschichholz Dr. Susanne Wosch Inhalt 1. Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick 4 2. Geschäftsstrategien 12 Anpassung an neue Spielregeln Life-Science-Ökosystem im Wandel Die Spielregeln der industriellen Biotechnologie 13 24 26 3. Produktentwicklung 28 Die Pipeline der therapeutischen Produkte Analyse: Produktentwicklung 29 38 4. Transaktionen 44 Fakten im Überblick Analyse: Transaktionen 45 53 5. Finanzierung und Kapitalmarkt 62 Überblick und globaler Vergleich Analyse: Finanzierung privater Unternehmen Analyse: Finanzierung börsennotierter Unternehmen Marktkapitalisierung 63 65 80 82 6. Life-Science-Netzwerke 84 Cluster und regionale Wertschöpfungsnetze Vernetzung durch Verbände 85 92 Anhang 96 Methodik und Definitionen Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen Verzeichnis der Expertenbeiträge 96 98 100 1 Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick 4 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Neue Spielregeln Die Biotechnologiebranche in Deutschland wie auch weltweit musste im Jahr 2009 noch deutlich unter der Finanz- und Wirtschaftskrise leiden. Insbesondere wirkte sich dies auf die Finanzierungsmöglichkeiten aus. Venture Capital als das klassische Instrument für die Bereitstellung von Beteiligungskapital ist als Finanzierungsquelle in Deutschland fast vollständig ausgetrocknet. Andererseits haben sich die pessimistischen Prognosen mancher Analysten, die von einem massiven Einbruch bei der Zahl der Biotechunternehmen im Laufe des Jahres 2009 ausgegangen waren, nicht bestätigt. Einzige Schlussfolgerung und Erklärung für dieses Phänomen sind neue Spielregeln, die fortan die Weiterentwicklung der Branche bestimmen. Neue Spielregeln beziehen sich aber auch auf das weitere Umfeld der Biotechbranche, wo insbesondere der massive Bedarf an Innovationen im Pharmabereich komplementäre Opportunitäten für Biotechunternehmen schafft. „Neue Spielregeln“ ist deswegen auch der Titel des vorliegenden Ernst & Young Biotech-Reports 2010. Dieses Thema bezieht sich auf alle Bereiche der Geschäftstätigkeit von Biotechunternehmen und schließt insbesondere die folgenden Teilsegmente mit ein: • Anpassung der Geschäftsmodelle und der Unternehmensstrategien (s. Kapitel 2) • Maßnahmen im Bereich der Produktentwicklung (s. Kapitel 3) • Kreative Transaktionen (s. Kapitel 4) • Alternative Finanzierungswege (s. Kapitel 5) • Neue Wertschöpfungsnetzwerke (s. Kapitel 6) Aus dieser wechselseitigen Abhängigkeit wird ein neues Gleichgewicht geschaffen: Gemeinsamer Nenner für diese breite Anwendung der neuen Spielregeln ist der effiziente Umgang mit dem verfügbaren Kapital – „Capital Efficiency“ – ,was die Effizienz und Kreativität in der Identifizierung und Nutzung neuer Kapitalquellen mit einschließt. „Capital Efficiency“ impliziert ebenso, dass rein betriebswirtschaftliches Denken stärker in den Vordergrund der Unternehmenssteuerung rückt und Planungen präferenziell darauf aufbauen, Investitionen stärker auf erwirtschaftetem Kapital aufzusetzen anstatt auf großzügige Beteiligungen der Equity-Investoren zu hoffen. Neben dem Innovationsdefizit wirkt sich auch der enorme Druck zur Reduzierung der Gesundheitskosten viel direkter auf Pharmaunternehmen aus als auf die im gleichen Segment der Medikamentenentwicklung tätigen Biotechfirmen. Auch der daraus resultierende Trend zum „Outsourcing“ bringt alle Abschnitte der Therapeutika-Wertschöpfungskette auf den Prüfstand und schafft Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Biotechunternehmen. Innovationsstärke / Finanzschwäche (Biotech) vs. Finanzstärke / Innovationsschwäche (Pharma) Schließlich haben auch die Investoren der Branche neue Spielregeln für ihre Investitionskriterien definiert, die den veränderten Bedingungen für Kapitalmarktexits Rechnung tragen. Dazu zählen klar umrissene Modelle für die Investments im „Early-Stage“Bereich, die sich mehr und mehr auf Projektfinanzierungen mit möglichst schnellem Voranschreiten zum „Proof of Concept“ konzentrieren. Insgesamt wird davon ausgegangen, dass die klassischen IPO-Exits – mit steigenden Anforderungen an die Kandidaten hinsichtlich eines risikoadjustierten Produktportfolios – abnehmen werden. Dafür werden zukünftig „Trade Sale Exits“ dominieren, die einhergehen mit einer Optimierung von Portfoliounternehmen auf die beste Verkaufbarkeit von definierten Assets. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Die Gesamtsituation im Jahre 2009 ist für die Biotechnologiebranche in Deutschland und weltweit demnach nur im Zusammenhang mit dem gesamten Life-Science-Ökosystem und dessen Entwicklung zu sehen. Für die Biotechnologieindustrie in Deutschland waren die folgenden Entwicklungen von entscheidender Bedeutung: • Das Beteiligungskapital in Form von Venture Capital bricht weiter ein. • Die Finanzierung der börsennotierten Firmen stabilisiert sich; die Marktkapitalisierung steigt im Jahresverlauf deutlich an. • Die von vielen erwartete Konsolidierung der Firmenzahl bleibt weitgehend aus; die Firmenzahl nimmt sogar geringfügig zu. • Es gab keine signifikante Bewegung bei den Mitarbeiterzahlen. • Die Umsatzentwicklung sowie Investitionen in F&E zeigen insgesamt nur leicht nach unten; eine spürbare Rücknahme der F&EInvestments ist nur bei den börsennotierten Unternehmen zu verzeichnen. • Die Verlustsituation der deutschen Biotechbranche wird insgesamt deutlich verbessert, was aber ausschließlich den börsennotierten Unternehmen zuzuschreiben ist; private Firmen erhöhen die Verlustquote weiter. • Deutsche Biotechunternehmen sind im internationalen Vergleich weniger aktiv bei Transaktionen; die Gesamtzahl der Allianzen nimmt ab. Allerdings ergeben sich interessante Verschiebungen in der Art der Deals, die als Reaktion auf die Krise zu sehen sind. • Bei der Produktentwicklung gibt es erfreuliche Entwicklungen mit drei Marktzulassungen und einem Anstieg an Phase-II- und Phase-III-Entwicklungsprojekten. • Die deutsche Biotechnologiebranche scheint aufgrund einer stärker servicelastigen Verteilung der Geschäftsmodelle besser gegen die Finanzierungskrise gefeit. Langfristig ist allerdings die Werthaltigkeit dieser Modelle zu hinterfragen. 5 Kennzahlen Erhebung von Kennzahlen Ernst & Young erhebt seit über 20 Jahren global Kennzahlen zur Beschreibung der Biotechnologieindustrie. Dabei geht es vor allem darum, die wichtigsten Entwicklungen und Trends quantitativ zu erfassen und in entsprechenden Statistiken über die Jahre zu verfolgen. Die wichtigsten Qualitätskriterien hierbei waren und sind: • eine konsistente Definition der Einschlusskriterien für Biotechfirmen (s. MethodikAnhang) • global konsistente Anwendung der Kriterien • strikte Einhaltung der Kriterien auf nationaler Ebene Zur Analyse von Trends ist es weiterhin erforderlich, die Untersuchungsmenge möglichst homogen zu definieren. Deshalb hat sich eine eher restriktive Handhabung der Einschlusskriterien etabliert. Zahlenmäßige Unterschiede zu Erhebungen nationaler Institutionen (z. B. BMBF, biotechnologie.de) ergeben sich meist dadurch, dass diese verständlicherweise vornehmlich volkswirtschaftlich relevante Bewertungs- kriterien in der Beschreibung der Branche anlegen, um eine nationale Leistungsfähigkeit zu belegen. In diesem Zusammenhang tragen z. B. Niederlassungen ausländischer Muttergesellschaften in Deutschland sehr wohl zur volkswirtschaftlichen Leistung bei (Mitarbeiter, Umsatz, F&E-Aufwendungen, Steueraufkommen etc.); gleichwohl zwingt eine globale Analyse – wie sie von Ernst & Young regelmäßig durchgeführt wird – formal zur Zuordnung solcher Unternehmen zum juristischen Hauptsitz, um Doppelzählungen zu vermeiden. Dieses Vorgehen (restriktivere Definition) hat jedoch keine Auswirkungen auf die Beschreibung von Trends oder auf die Detail-Analysen von Finanzierungs- oder Transaktionsentwicklungen, die im Fokus der Ernst & Young Berichte stehen. Ernst & Young trägt allerdings im Rahmen des Deutschen Biotechnologie-Reports 2010 dem zunehmenden Trend zur Internationalisierung Rechnung, der vielfach mit der Übernahme von Unternehmen einhergeht, bei denen aber dennoch die übernommenen Standorte, Mitarbeiter und somit die volkswirtschaftliche Leistung erhalten bleiben. Tabelle 1-1: Kennzahlen der deutschen Biotechindustrie 2008 2009 08/09 Kernsegment 386 387 < 1 % erweitertes Segment 501 531 6 % 9794 9861 1 % 14450 14500 < 1 % 960 960 0 % 2191 2200 < 1 % 794 746 -6 % 1061 1000 -6 % Allgemeine Kennzahlen Anzahl Unternehmen Anzahl Beschäftige Kernsegment erweitertes Segment Finanzdaten (in Mio. €) Umsatz Kernsegment erweitertes Segment F&E-Ausgaben Kernsegment erweitertes Segment Quelle: Ernst & Young (Kernsegment), biotechnologie.de (erweitertes Segment: dedizierte Biotechunternehmen nach OECD inklusive Tochterunternehmen), 2010 6 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 In der aktuellen Darstellung der Kennzahlen haben wir deshalb zum ersten Mal die von Ernst & Young traditionell erhobenen Zahlen des Kernsegments der Biotechnologieindustrie zusammen mit einem erweiterten Segment abgebildet. Diesem erweiterten Segment, das in der Zusammensetzung der Erhebung durch die „biotechnologie.de“Plattform entspricht, gehören vor allem die besagten Tochterunternehmen ausländischer Muttergesellschaften an sowie eine kleinere Zahl an Unternehmen, die nicht der enger gefassten Biotechdefinition von Ernst & Young entsprechen. Mit diesem Vorgehen ist auf der Ebene der Kennzahlen auch die vielfach kritisierte Diskrepanz zwischen verschiedenen Zahlenwerken (z. B. biotechnologie.de) erklärt. Die Kennzahlen im Detail Anzahl der Unternehmen Am Ende des Jahres 2009 wurden für den Kernbereich der deutschen Biotechnologie insgesamt 387 Unternehmen erfasst – ein Unternehmen mehr als im Vorjahr. Unter Einbeziehung der Tochterunternehmen und im erweiterten Definitionsrahmen von biotechnologie.de stehen entsprechend 531 Unternehmen zu Buche, im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 6 %. Damit kann aufgrund dieser Zahlen festgestellt werden, dass die Branche in Deutschland robust der Finanz- und Wirtschaftskrise trotzt. Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick Im Einzelnen haben lediglich 11 Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit eingestellt, von denen nur etwa die Hälfte (6) Insolvenz anmelden musste. Allein drei börsennotierte Unternehmen wurden aus der Firmenliste gestrichen. Nascacell, ein Unternehmen, das mit einer Aptamer- / Microbodies-Technologieplattform vor allem Pharmapartnerschaften angestrebt hatte, konnte dies nicht am Markt umsetzen und war im Januar 2009 liquidiert worden. Eher auf der Erfolgsseite stand Jerini aus Berlin, das in einem vielbeachteten Deal bereits 2008 von Shire, einem britischen Specialty-Pharmaunternehmen für 328 Millionen Euro gekauft worden war. Lange gehegte Hoffnungen, dass verbleibende Assets im Unternehmen durch eine Ausgründung weiterbearbeitet werden würden, zerschlugen sich allerdings; lediglich ein Teil der ursprünglichen Jerini, JPT Peptide Technologies, konnte erhalten werden (Verkauf an Theracode). Jerini selbst wurde nach dem „Squeeze-out“ der verbliebenen Aktionäre von der Börse genommen und ging vollständig in Shire über. Das zuvor an der Londoner AIM gelistete Esslinger Unternehmen ArthroKinetics wird bereits seit dem Jahresende 2008 nicht mehr an der Börse gehandelt und operiert seither mit Hauptsitz in Macclesfield, UK. Die ehemalige GPC Biotech AG hat die Gruppe der deutschen börsennotierten Biotechunternehmen zwar unter diesem Namen verlassen; sie firmiert allerdings unter dem neuen Namen Agennix AG nach Fusion mit der gleichnamigen amerikanischen Gesellschaft weiter in diesem Segment. Den wenigen Firmenabgängen stehen allerdings ebenso wenige Neugründungen gegenüber. Die Neugründungsrate ist damit im Vergleich zum Vorjahr wieder fast um die Hälfte abgesackt. Verständlicherweise ist dies nicht die Zeit der Neugründungen, wenn die Finanzierungsmöglichkeiten aktuell sehr schlecht sind und den potenziellen Neu-Unternehmern auch keine Besserung für einen längeren Zeithorizont versprochen werden kann. Abbildung 1-1: Zusammensetzung der Abgänge bei Biotechunternehmen im Jahresvergleich Anzahl der Abgänge 35 30 25 32 29 2 2 24 9 21 1 4 20 15 15 7 5 8 4 1 5 11 2 1 2 10 5 0 10 11 12 13 14 6 2005 2006 2007 2008 2009 Insolvenzen / Auflösungen Fusionen Akquisitionen Nicht aktiv und Sonstige Quelle: Ernst & Young, 2010 Von den insgesamt 13 Neugründungen in 2009 fällt auf den ersten Blick auf, dass allein fünf Neugründungen wesentliche Bestandteile des „Mainzer-Modells“ repräsentieren, das sich im diesjährigen Spitzencluster-Wettbewerb erst im Finale dem m4-Cluster aus München geschlagen geben musste. Im Rahmen des Mainzer-Clusters wurden unter Abbildung 1-2: Neugründungen deutscher Biotechunternehmen im Jahresvergleich Anzahl Neugründungen 35 30 25 20 15 10 5 0 33 28 12 14 25 13 2005 2006 2007 2008 2009 Neugründungen Quelle: Ernst & Young, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 7 Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick Tabelle 1-2: Neugründungen deutscher Biotechunternehmen, 2009 Unternehmen Stadt Segment XL-protein Freising Drug Delivery Ribological Mainz Drug Development Tulip Mainz Drug Development Unicell Mainz Drug Development 3B Pharmaceutical Berlin Drug Development Protein2Plastix Halle Fine Chemicals Enzymicals Greifswald Fine Chemicals CeGaT Tübingen Genomics, Proteomics TheraCode Mainz Drug Development Hyglos Regensburg In Vitro Diagnostics PXBioVision Hannover Genomics, Proteomics EUFETS Idar-Oberstein Drug Development Agennix Heidelberg Drug Development Quelle: Ernst & Young, 2010 dem Holding-Dach der BioNtech AG Biotechfirmen gegründet, die auf verschiedenen Technologieplattformen beruhen und damit die aus den Forschungsinstituten resultierenden Therapeutika- und Diagnostikansätze in die geeignetste Produktform umsetzen sollen. In diese Konstellation ist auch die schon länger existierende GANYMED Pharmaceuticals einbezogen. Ebenso existierte die EUFETS bereits zuvor, allerdings als Tochterunternehmen von Fresenius Biotech, weshalb sie erst jetzt in die Statistik aufgenommen wurde. Die technischen Kompetenzen teilen sich wie folgt auf: • GANYMED – therapeutische Antikörper • Ribological – RNAi-Therapeutika • Tulip – Subunit-Impfstoffe (tumor-like-particles) • Unicell – adoptive Zelltherapie • TheraCode / JPT – Peptid- / Proteinherstellung • EUFETS – biotechnologische Produktion 8 Die Aktivitäten des Mainzer Clusters CI3 werden finanziell stark durch die Strüngmann-Familie zusammen mit dem MIG Fonds unterstützt. Somit kann die konzentrierte Gründeraktivität in Mainz als Besonderheit im sonst gründungsarmen Jahr 2009 angesehen werden (Details s. Kapitel 6). Anzahl Mitarbeiter Die Beschäftigtenzahl konnte im Jahr 2009 entgegen den Erwartungen insgesamt sogar um 1 % erhöht werden und betrug 9.861 Mitarbeiter. Zusammengenommen mit den Mitarbeitern der Tochterunternehmen (und weiterer Unternehmen außerhalb des Kernsegments) ergibt sich eine Gesamtpersonalstärke von 14.500 Mitarbeitern in Deutschland. Die Gesamtmitarbeiterentwicklung zeigt also insgesamt zwar nur ein geringes Wachstum, was allerdings so nicht erwartet worden war. Im Zuge der Finanzierungskrise war allerorts eher davon ausgegangen worden, dass vornehmlich Personalmaßnahmen dazu beitragen würden, vorhandenes Kapital zu „strecken“. Allerdings war bereits in der Firmenumfrage bei der Frage nach konkreten Maßnahmen gegen die Finanzierungsengpässe klar zum Ausdruck gebracht worden, dass Personalreduktion in Deutschland weit hinten steht und auch bezüglich der konkreten Umset- Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 zung noch keine nennenswerte Rolle spielt. Die einfachste Erklärung hierfür sind die arbeitsrechtlichen Limitationen, die Entlassungen schwierig machen und somit stärkeren Personalschwankungen im Wege stehen. Andererseits könnte auch das besondere Profil der deutschen Biotechlandschaft mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Dienstleistungsfirmen dazu beigetragen haben, dass die Personalfluktuation vernachlässigbar ausfiel. Serviceanbieter können insbesondere im Zuge des zunehmenden Trends zum „Outsourcing“ durch Pharmaunternehmen möglicherweise profitieren und sich damit sogar trotz der Krisenzeit positiv weiterentwickeln. Schließlich gibt es einige tatsächliche „Ausreißer“, Unternehmen, die im Jahr 2009 besonders signifikant Personalaufbau betrieben haben: Dazu zählen Evotec und MorphoSys, die beide ihren Personalbestand um 23 % erhöht haben (auf 497 bzw. 413 Mitarbeiter). Beide tragen damit den gestiegenen Anforderungen aus den erfolgreichen Allianzen mit Partnern Rechnung. Mit fast 49 % Anstieg der Mitarbeiterzahlen konnte die November AG aufwarten, die nach der Restrukturierung vor allem durch das erfolgreiche operative Geschäft ihrer Hauptbeteiligung Progen Biotechnik GmbH zulegen konnte. Demgegenüber fiel der Personalabbau bei einigen anderen börsennotierten Unternehmen eher moderat im einstelligen Prozentbereich aus. Extreme Ausreißer beim Personalabbau blieben aus. Umsatzentwicklung Auch aus der Umsatzentwicklung ist abzuleiten, dass die deutschen Biotechunternehmen besser als erwartet in der Krise zurechtkommen. Allenfalls leichte Veränderungen um minus 2 % bzw. sogar plus 7 % bei privaten und börsennotierten Firmen sind eher positiv zu werten. Insgesamt bleibt die Gesamtsumme von 960 Millionen Euro unverändert und weiterhin unterhalb der Milliardenmarke. Auch hier könnte ein Grund für die geringe Schwankung die Anpassung der Geschäftsmodelle mit stärkerer Ausprägung des Servicegeschäfts in Deutschland eine Rolle spielen. Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick Tabelle 1-3: Kennzahlen und Finanzdaten der deutschen Biotechindustrie nach Unternehmensstatus private Unternehmen börsennotierte Unternehmen Gesamtindustrie 2008 2009 08/09 2008 2009 08/09 2008 2009 08/09 368 372 1 % 18 15 -17 % 386 387 < 1 % 7973 8115 2 % 1821 1746 -4 % 9794 9861 1 % Umsatz 747 734 -2 % 212 226 7 % 960 960 0 % F&E-Ausgaben 590 587 -1 % 204 159 -22 % 794 746 -6 % -240 -270 13 % -239 -150 -37 % -479 -420 -12 % Allgemeine Kennzahlen Anzahl Unternehmen Anzahl Beschäftige Finanzdaten (in Mio. €) Verlust Quelle: Ernst & Young, 2010 Die Tatsache, dass die börsennotierten Unternehmen bei den Umsätzen sogar zulegen konnten, erklärt sich daraus, dass einige Unternehmen bereits große Umsatzvolumina durch umfangreiche Partnerschaften (z. B. MorphoSys, Wilex) generieren oder inzwischen eigene Produkte am Markt haben (MediGene). Die drei Topunternehmen allein (Evotec, MediGene, MorphoSys) haben 2009 Umsätze von zusammengenommen über 150 Millionen Euro und damit zwei Drittel des Gesamtumsatzes der börsennotierten Biotechfirmen in Deutschland verbucht. In der erweiterten Analyse der Umsatzentwicklung macht sich naturgemäß der Einfluss von Niederlassungen ausländischer Gesellschaften sehr deutlich bemerkbar. Allein QIAGEN mit juristischem Hauptsitz in den Niederlanden, aber den operativen Einheiten in Hilden, steuerte 2009 rund eine Milliarde US-Dollar (750 Millionen Euro)an Umsatz bei, sodass die Umsatzzahlen in der erweiterten Betrachtung bei ca. zwei Milliarden Euro liegen. Hinsichtlich der Umsatzverteilung hat es im Vergleich zum vergangenen Jahr geringfügige Verschiebungen in Richtung höherer Umsätze gegeben. Während das Segment der Unternehmen ohne eigene Umsätze erfreulicherweise von 15 % auf 11 % abnimmt, vergrößern vor allem die Segmente mit ein bis vier bzw. über vier Millionen Euro ihre Anteile um jeweils drei Prozentpunkte. Auch diese Entwicklung passt zu den neuen Spielregeln, die stärkeres Gewicht auf solide Finanzen, basierend auf eigenen Umsätzen und effizientem Umgang damit („Capital Efficiency“), einfordern. Die genauere Betrachtung der Umsatzverteilung zeigt außerdem, dass im Segment der Firmen ohne Umsatz die Therapeutikaentwickler deutlich überwiegen, was dem frühen Stand der deutschen Pipeline noch ohne nennenswerte Marktpräsenz (Umsätze)entspricht. Demgegenüber dominieren im Segment mit über vier Millionen Euro Umsatz die Diagnostikahersteller, deren Weg zum Markt Abbildung 1-3: Veränderungsraten bei den Kennzahlen und Finnanzdaten nach Unternehmensstatus in Prozent 15 % 10 % 5 % 2 7 13 0 % -4 -22 -2 -1 -37 -5 % -10 % -15 % -20 % -25 % -30 % -35% -40 % Anzahl Beschäftigte Börsennotierte Unternehmen Umsatz F&E-Ausgaben Verlust Private Unternehmen Quelle: Ernst & Young, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 9 Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick schneller und risikoärmer verläuft. Serviceund Tool-Lieferanten bewegen sich in allen Segmenten gleichermaßen, d. h. sie verdienen Geld mit Produktverkäufen und Services. Unternehmen aus den Segmenten Grüne und Industrielle Biotechnologie machen Umsätze über Serviceverträge basierend auf den später vorgestellten Geschäftsmodellen (s. Artikel DIREVO Industrial Biotechnology). Abbildung 1-4: Verteilung nach Umsatzklassen, 2009 Gesamtindustrie 0 Mio. € > 4 Mio. € 11 % 16 % 27 % 46 % 1 bis 4 Mio. € < 1 Mio. € F&E-Ausgaben Erst bei den F&E-Ausgaben werden signifikante Ausschläge nach unten, zumindest bei den börsennotierten Gesellschaften sichtbar. Eine erste Reaktion auf knapper werdendes Kapital ist meist das Zurückfahren von F&EAktivitäten, um den „Cash Reach“ zu verlängern. Insofern ist der Rückgang der F&EAusgaben um 6 % auf nur noch 746 Millionen Euro folgerichtig. Dass dies in der aktuellen Analyse bei den börsennotierten Unternehmen mit minus 22 % deutlicher zu sehen ist als bei den privaten Unternehmen, die mehr oder weniger gleichbleibende F&E-Ausgaben haben, passt wiederum zusammen mit den unterschiedlichen Schwerpunkten bei privaten (stärker im Servicegeschäft) und gelisteten Firmen (stärker in der Produktentwicklung). Umsatzklassen nach Geschäftsfeld 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % Allerdings ist auch unter den börsennotierten Gesellschaften kein einheitlicher Trend mit Richtung nach unten festzumachen. Einige Unternehmen mit guter Finanzlage (Investoren, Deals, Kapitalmarktpräsenz) und / oder erfolgreichen Entwicklungspro- 40 % 30 % 20 % 10 % grammen haben sogar teils kräftig mehr investiert. MorphoSys konnte sich durch seine positiven Cashflows eine Stärkung der eigenen F&E-Entwicklung um über 40 % auf 39 Millionen Euro leisten; Wilex und Sygnis waren aufgrund von Kapitalmaßnahmen in der Lage, ihre F&E-Aufwendungen auf 22 Millionen Euro(plus 8 %) bzw. auf 8 Millionen Euro (plus 52 %) zu steigern. Auch 4SC war am Kapitalmarkt mit Unterstützung seines Hauptinvestors Strüngmann erfolgreich und hat sich mit 18 % mehr F&E-Mitteln (auf 13,6 Millionen Euro) zusätzlichen Spielraum für die Pipeline-Entwicklung geschaffen. Dennoch zeigten die F&E-Richtungspfeile bei der Hälfte der „public“ Unternehmen zweistellig nach unten und belegen den publizierten Durchschnittswert. Beispiele sind: Agennix (ehemals GPC Biotech) mit minus 53 % – Ausdruck der Restrukturierung nach der Fusion mit GPC Biotech; weiterhin Evotec (minus 29 %) im Zuge der Neuausrichtung und Repriorisierung auf F&E-Allianzen sowie MediGene (minus 39 %) aufgrund von Fokussierungsmaßnahmen. Liquide Mittel / Cashflow Die angestrengte Finanzsituation und enormen Anstrengungen der Unternehmen, Kosten zu sparen und vorhandenes Kapital zu strecken, verdeutlicht auch der Blick auf die Vermögenswerte und den operativen Cashflow der börsennotierten Gesellschaften. Besonders markant ist die Abnahme der liquiden Mittel um 42 %, die ebenfalls – wenn auch abgeschwächt – bereits durchschlägt 0 % 0 < 1 1 bis 4 > 4 Mio. € Grüne und industrielle Biotech Service Diagnostika Therapeutika Tabelle 1-4: Vermögenswerte und Cashflow der deutschen börsennotierten Biotechunternehmen 2008 2009 08/09 Liquide Mittel 291 168 -42 % Kurzfristige Finanzanlagen 135 125 -7 % Gesamtvermögen 746 728 -2 % -204 -123 -40 % Quelle: Ernst & Young, 2010 Vermögenswerte (in Mio. €) Cashflow (in Mio. €) Operativer Cashflow Quelle: Ernst & Young, 2010 10 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Biotechindustrie in Deutschland – Ein Überblick auf die kurzfristigen Finanzanlagen (-7 %) und das Gesamtvermögen (-2 %). Damit wird klar, dass die Unternehmen vorhandene Finanzmittel weitgehend ausgegeben haben und z. T. sogar bereits an die Reserven gehen mussten. Die sehr deutliche Abnahme um 40 % des negativen operativen Cashflow bei annähernd gleichbleibenden Umsätzen deutet ebenfalls in die Richtung eines strikten Kostenmanagements, was sich einerseits bereits bei den F&E-Ausgaben abzeichnete und darüber hinaus aber auch andere Kostenarten mit einschließt. Verluste Die weitaus größten Ausschläge bei den relativen Veränderungen der Kennzahlen ergeben sich bei der Aufzeichnung der Verluste in der Branche. Während die börsennotierten Unternehmen ihre Verlustsituation deutlich um über ein Drittel (37 %) auf insgesamt noch 150 Millionen Euro verringern konnten, legten die privaten Firmen bei ihrer Verlustbilanz aggregiert noch um 13 % zu und schrieben nach wie vor Verluste von insgesamt 270 Millionen Euro. Diese Effekte sind auf Seiten der reiferen Börsenunternehmen eindeutig der besseren Einkommenssituation geschuldet, wo durch Produktverkäufe oder lukrative Allianzen große Umsätze erzielt wurden, die halfen Verluste abzubauen. Demgegenüber stehen viele private Firmen mit dem Rücken zur Wand und haben deswegen viel häufiger die Reserven anbrechen oder neue Schulden machen müssen. Treiber auf Seiten der Verlustreduzierer waren die bereits mehrfach erwähnten Aushängeschilder. Evotec hat dabei gesteigerte Einnahmen aus dem Kooperationsgeschäft zum Schuldenabbau einsetzen können (minus 36 % auf 45 Millionen Euro) und propagiert als essenzielles Strategieelement das Erreichen des Break Even im Jahr 2012. Ebenso erfolgreich war MediGene, das gut laufende Produktverkäufe entsprechend verwenden konnte, um die Verluste um 31 % auf nur noch 21 Millionen Euro zurückzufahren. Der starke Ausschlag in der Statistik wird aber auch durch den Sprung in die Gewinnzone bei Agennix beeinflusst. Die Fusion mit der ehemaligen GPC Biotech brachte neben neuen Entwicklungsprodukten auch Cash ein. Demgegenüber haben jüngere Unternehmen mit aktiver Therapeutikapipeline ihre Verluste geringfügig weiter vergrößert, wie zum Beispiel Sygnis Pharma (plus 64 %) oder 4SC (plus 30 %). Ausblick Die Kennzahlen für die deutsche Biotechnologieindustrie zeigen weder die erwarteten Rückschläge aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise noch eine dramatische Reaktion auf die weitere Verschlechterung der klassischen Finanzierungsszenarien (VC, Private Equity). Vielmehr stagniert die Entwicklung allenfalls bei nicht allzu depressiver Stimmung. Die möglichen Ursachen hierfür sind vielschichtig und werden in den Folgekapiteln in tieferem Detail dargelegt. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Grundtenor ist allerdings, dass die Unternehmen auf breiter Front Maßnahmen ergriffen haben, alternative Kapitalquellen zu identifizieren und vorhandenes Kapital effizienter zu nutzen, um die Geschäftstätigkeit für längere Zeit zu sichern. Gerade in Deutschland scheint dies aufgrund der typischen, stärker auf Services und Technologien ausgerichteten Branche besser zu gelingen. Hauptfinanzquelle sind in dieser Konstellation Umsätze aus dem Verkauf von „Tools“ (Kits, Zelllinien, Medien, Reagenzien etc.) oder dem Anbieten von Services im kleineren Rahmen, die nicht vom Radar der Transaktionen erfasst werden. Die entscheidende Frage ist allerdings, wie nachhaltig sich die Adaptation der Geschäftsmodelle und wie stabil sich die spezifische Ausrichtung mittelfristig erweist. Wenn die vornehmliche Reaktion auf die Krise allerdings nur in zu kurzfristiger Anpassung der Geschäftsmodelle zur Verlängerung der Kapitalreichweite besteht, ist auch die Möglichkeit ins Auge zu fassen, dass die Konsolidierungswelle zeitverzögert doch noch gravierender zuschlagen wird. Wenngleich zur Beantwortung dieser Frage der Verlauf des Jahres 2010 abgewartet werden muss, in dem möglicherweise auch neue Impulse der allgemeinen Wirtschaftserholung eine Rolle spielen können, so kann auf alle Fälle positiv vermerkt werden, dass die deutschen Biotechunternehmen die neuen Spielregeln verinnerlicht haben und das Thema „Capital Efficiency“ stärker in den Vordergrund ihrer Geschäftsaktivitäten stellen. 11 2 Geschäftsstrategien 12 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Anpassung an neue Spielregeln reits ergriffen hatten. Aus den gesammelten Angaben ergibt sich ein Bild, das in den folgenden Kapiteln unter den Gesichtspunkten Finanzierung, Produktentwicklungen und Transaktionen in tieferem Detail untersucht wird. Erwartungsgemäß dominiert die Identifizierung alternativer Kapitalquellen mit über 80 % positiver Antworten zu dieser Frage; dass fast 50 % der auf diese Frage antwortenden Unternehmen zum Befragungszeitpunkt bereits konkrete Maßnahmen ergriffen hatten, ist nur folgerichtig und Teil einer Überlebensstrategie. ausweichlich sei. Im Verlauf des Jahres wurde der Verlust von über 50 % der Unternehmen befürchtet, ausgesondert nach strengsten Selektionskriterien. Die Erschütterungen an den internationalen Finanzmärkten haben wie erwartet die aufstrebende Biotechbranche weltweit empfindlich getroffen. Gerade in Deutschland und vielen Ländern Europas wurde eine Entwicklung, die endlich die Qualität und die Leistungsfähigkeit der Branche mit der Marktreife von eigenen Produkten unter Beweis stellen wollte, jäh zurückgeworfen. Doch das Jahresende belehrte die Pessimisten: Die Anzahl der Unternehmen ging nicht merklich zurück; die Branche als Ganzes hat es geschafft, sich den rauen Gegebenheiten anzupassen und dadurch alternative Wege zur Finanzierung und zur Weiterführung der Geschäfte zu finden. Der enorme Druck auf die Unternehmen setzte offensichtlich auch ungeahnte Kreativität frei. Neue Ideen zur Sicherung der Finanzierung und zur besseren Nutzung von noch vorhandenem Kapital wurden in allen Bereichen identifiziert und zur Anwendung gebracht. Die aktuellen Finanzierungszahlen sowohl für private als auch für börsennotierte Unternehmen sind in der Krise dramatisch abgesackt: Mit den verfügbaren Mitteln der klassischen Geldgeber und der Kapitalmärkte ist die Weiterentwicklung der Biotechindustrie in Europa nicht zu bewerkstelligen. Dennoch bleiben das hohe Innovationspotenzial der Branche und die Kompetenz der beschäftigten Mitarbeiter unbestritten. Weitere Fragen zielten auf eine Spezifizierung von Schritten zu ebendieser Identifizierung alternativer Finanzierungsquellen. Im Vordergrund der Angaben hierzu stehen eindeutig die Partnerschaften, insbesondere auch Allianzen im früheren F&E-Bereich. Sowohl die ebenfalls angesprochene Nutzung von Synergien aus solchen strategischen Kooperationen als auch das gemeinsame Einbringen von Ressourcen und Anlagen hat nicht nur das Auftun von neuen Kapitalquellen zum Zweck, Maßnahmen zur Krisenbewältigung Die jährliche Branchenumfrage von Ernst & Young thematisierte gezielte Maßnahmen zum Thema „Capital Efficiency“, welche die Unternehmen als relevant ansahen oder be- Vor diesem Hintergrund standen bereits am Anfang des Jahres 2009 pessimistische Befürchtungen im Raum, nach denen nun eine gravierende Konsolidierung der Branche un- Abbildung 2-1: Maßnahmen zur Steigerung der Geschäftseffizienz und Reduzierung des Kapitalverbrauchs (Befragung in Deutschland) Anzahl und Anteil Aussagen, Mehrfachnennungen möglich Identifizierung alternativer Kapitalquellen 65 Nutzung von Synergien durch strategische Kooperationen 23 Allianzen in früheren Stadien 20 Gemeinsame Nutzung von Ressourcen/ Anlagen mit anderen Unternehmen 17 Erwägung einer M&A-Transaktion (Exitoption) 5 55 Reduzierung von Projekten/Aktivitäten in der Entwicklungspipeline 22 Entlassungen/ Verkleinerung von Anlagen 13 Verstärktes Outsourcing 15 Bereits implementiert 30 23 26 22 38 49 15 4 7 7 10 % 18 13 30 42 61 15 Sehr wahrscheinlich 16 38 43 20 % 11 24 31 42 8 18 21 34 12 7 47 28 25 Neue Geschäftsmodelle 0 % 20 43 30 % 46 40 % 50 % Wahrscheinlich 60 % 70 % Unwahrscheinlich 80 % 90 % 100 % Sehr unwahrscheinlich Quelle: Ernst & Young, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 13 Geschäftsstrategien Erwartungsgemäß deutlich unterscheidet sich Deutschland auch bei den Personalmaßnahmen. Personalreduktion steht in Europa / USA auf der Tagesordnung weit oben; 40 % der Befragten halten dies für wichtig, wovon rund zwei Drittel bereits Anlagen verkleinert oder Angestellte entlassen haben. Möglicherweise aufgrund der durch das deutsche Arbeitsrecht eingeschränkten Möglichkeiten wird diese Option nur von 18 % der befragten Unternehmen in Deutschland in Betracht gezogen. Davon hat gerade einmal die Hälfte bereits mit der Umsetzung begonnen. dings ist deren Realisierung auf allen Ebenen schon weiter vorangeschritten, sei es bezüglich der Nutzung von Synergien, der Bereitschaft zu M&A-Transaktionen oder Allianzen in früheren Stadien. Auch hier findet sich eine Bestätigung im Zusammenhang mit der Transaktionsanalyse in Kapitel 4. sondern auch eine effizientere Nutzung von gemeinsamen Mitteln. All diesen Vorhaben für die Bündelung von Aktivitäten in Partnerschaften ist allerdings gemein, dass diese zwar stark befürwortet werden, die Implementierung jedoch noch deutlich hinterherhinkt. Dies deckt sich mit den weitergehenden Analysen in Kapitel 4 (Transaktionen); gerade in Deutschland ist die Zahl der Transaktionen im Jahresvergleich rückläufig, obwohl eher ein signifikanter Anstieg zu erwarten gewesen wäre. Es steht zu hoffen, dass die geäußerten Absichten zukünftig auch mit Nachdruck in die Umsetzung geführt werden. Deutschland im internationalen Vergleich Die Umsetzung von postulierten Transaktionsmaßnahmen ist auf europäischer sowie auf globaler Ebene bereits weiter vorangeschritten. Die parallele Befragung zu „Capital Efficiency“ in Europa und den USA ergab zwar durchaus mit Deutschland übereinstimmende Grundtrends hinsichtlich des Schwerpunkts auf Partnerschaften; aller- Weitere Unterschiede in der vergleichenden Darstellung zwischen Deutschland und Europa / USA sind ersichtlich in der Dynamik zur Reduzierung von Projekten. 50 % der international befragten Unternehmen gaben an, dass die Reduzierung von F&E-Aktivitäten ein Mittel der Wahl sei; die Hälfte dieser Firmen hat bereits mit der Umsetzung begonnen (24 %). Deutsche Unternehmen hingegen erachten diese Option als weniger wahrscheinlich (38 %) und zeigen dies auch in einer bisher geringen Realisierung dieser Möglichkeit (17 %). Ein Grund hierfür mag auch in der unterschiedlichen Aufstellung der deutschen Biotechbranche liegen (Stichwort: „mehr Service“), die nachfolgend näher analysiert wird. Geschäftsmodelle im Wandel Die am zweithäufigsten bereits implementierte Option für neue oder besser genutzte Kapitalquellen betrifft die Änderung der Geschäftsmodelle. Über 60 % der Befragten in Deutschland befürworten diesen Weg. Zwei Drittel von ihnen gaben an, dass die Implementierung neuer Geschäftsmodelle bereits vorangetrieben wurde. Abbildung 2-2: Maßnahmen zur Steigerung der Geschäftseffizienz und Reduzierung des Kapitalverbrauchs (Befragung international) Anzahl und Anteil Aussagen, Mehrfachnennungen möglich Identifizierung alternativer Kapitalquellen 110 78 Nutzung von Synergien durch strategische Kooperationen 40 Allianzen in früheren Stadien 53 Gemeinsame Nutzung von Ressourcen/ Anlagen mit anderen Unternehmen 28 Erwägung einer M&A-Transaktion (Exitoption) 20 Neue Geschäftsmodelle 72 Reduzierung von Projekten/Aktivitäten in der Entwicklungspipeline 71 23 Entlassungen/ Verkleinerung von Anlagen 70 9 Verstärktes Outsourcing 47 0 % Bereits implementiert 78 56 98 37 92 36 54 80 62 25 55 Sehr wahrscheinlich 50 78 83 89 54 30 % 72 40 % 34 84 69 34 36 73 79 49 38 76 39 35 20 % 45 67 37 10 % 31 50 % Wahrscheinlich 69 60 % 70 % Unwahrscheinlich 80 % 90 % 100 % Sehr unwahrscheinlich Quelle: Ernst & Young, 2010 14 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Geschäftsstrategien Damit wird klar, dass die Überlegungen zu modifizierten Geschäftsmodellen als der pragmatischste Weg in Deutschland angesehen wurden. Außerdem kann diese Umsetzung im Unternehmen selbstständig und schnell in die Hand genommen werden und ist somit unabhängiger von externen Faktoren. Die Überlegungen zu neuen oder modifizierten Geschäftsmodellen sind in erster Linie betriebswirtschaftlich geprägt. Es geht darum festzustellen, welche Assets und Fähigkeiten sich im Unternehmen direkt monetarisieren lassen. In diesem Zusammenhang spielen vorhandene Technologieplattformen eine wichtige Rolle, da diese direkt in Kollaborationen oder Dienstleistungen eingebracht werden können. Im internationalen Vergleich kommt dieser Option eine etwas geringere Bedeutung zu, was der unterschiedlichen Branchenausrichtung entspricht. Deutschland sucht demnach die Lösungswege aus der Krise eher in der Flexibilität von internen Betriebsabläufen und Geschäftsmodelländerungen, wohingegen international stärker auf Partnerschaften und gemeinsame Lösungen gesetzt wird. Ein Unternehmen hat mit dem Weg über Dienstleistungspartnerschaften bereits vor einigen Jahren Erfahrungen gesammelt: Phenex Pharmaceuticals in Heidelberg / Ludwigshafen war mangels VC-Finanzierung am Start des Unternehmens darauf angewiesen, Technologie und Know-how in Dienstleistungs-Partnerschaften mit Pharmaunternehmen zu Geld zu machen. Im Nachhinein zeigt sich jedoch, dass dieses Vorgehen auch Vorteile gebracht hat; zum Beispiel die externe Validierung der Technologieplattform, ein breites internationales Netzwerk an Partnern, die mittlerweile auch als Entwicklungspartner für die eigene Pipeline an Produkten angesprochen werden können und nicht zuletzt eine Grundeinstellung zum Thema „Capital Efficiency“, die in der gegenwärtigen Situation der Branche zum A und O der erfolgreichen Geschäftsführung wird. Der folgende Artikel beschreibt die wesentlichen Schritte der Unternehmensentwicklung von Phenex im Detail. Darüber hinaus gibt es auch einige prominente Beispiele, die ihre Geschäftsmodelle neu überdacht und entsprechend angepasst haben. Dabei müssen nicht nur finanzielle Engpässe im Vordergrund der Entscheidung stehen. Professionell aufgestellte Unternehmen sollten diesen Prozess zur möglichst effizienten Nutzung des verfügbaren Kapitals grundsätzlich als Teil ihrer Strategie verankert haben. Im nachfolgenden Beitrag von Evotec aus Hamburg wird untermauert, wie ein Unternehmen aufgrund unerwarteter klinischer Rückschläge in dessen Medikamentenentwicklung entsprechende Gegenmaßnahmen einleitete. Dadurch wurde die Kapitalseite gestärkt und das Prinzip „Capital Efficiency“ unter Beweis gestellt, was nicht zuletzt auch am Kapitalmarkt Anerkennung fand. Aktuell wurde Evotec dafür von der Zeitschrift M&A Advisor zum „Healthcare Turnaround Unternehmen des Jahres“ gewählt. Der Artikel von Evotec stellt diesen „Turnaround“ näher dar. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Einen anderen Weg schlug das Unternehmen PAION aus Aachen ein, ebenfalls getroffen von Rückschlägen in der Produktentwicklung. Nachdem die entscheidende Phase-IIIStudie des Hauptentwicklungsprodukts „Desmoteplase“ (Plasminogenaktivator aus der Fledermaus) bereits 2007 nicht die erwarteten Ergebnisse erbracht hatte, stand das Unternehmen auf der Kippe. Die alleinige Fokussierung auf die Medikamentenentwicklung mit starkem Bezug auf das Leitprodukt „Desmoteplase“ barg entsprechend große Risiken – rein statistisch ist ein Scheitern selbst in Phase III mit einem zweistelligen Prozentsatz anzunehmen. Grundsätzliche Änderungen im Geschäftsmodell waren in Ermangelung vorhandener Technologieplattformen ohne weiteres nicht möglich. Somit blieb dem Unternehmen nur der Ausweg, Rechte am Leitprodukt zu veräußern. Glücklicherweise stand PAION das schwedische Pharmaunternehmen H. Lundbeck als Partner bei und übernahm die weitere Entwicklung im Jahr 2008. In der Zwischenzeit wurde das Risiko in einer breiteren Pipeline durch Übernahme von CeNeS und Einlizenzierung von Entwicklungskandidaten stärker gestreut, was im folgenden Artikel beschrieben wird. Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll das deutlich erhöhte Risiko, mit dem reine Produktentwicklungsmodelle einhergehen. Durch das Fehlen von Ausweichmöglichkeiten in Form von Technologien oder anderen Assets ist das Unternehmen ausschließlich davon abhängig, Partner zu finden, die neue Finanzmittel einbringen. Dies kann nur durch die Abgabe von Produktrechten erfolgen. 15 Mit effizienter Kapitalnutzung zum Erfolg Dr. Claus Kremoser und Dr. Thomas Hoffmann, CEO & CFO Phenex Pharmaceuticals AG, Ludwigshafen Spagat Serviceleistung – eigene Entwicklung? Die Phenex AG wurde 2002 gegründet und hat sich seitdem von einem reinen Dienstleister für Auftrags-Screening zu einem Wirkstoffentwickler gewandelt. Dazwischen lagen acht Jahre, in denen zum einen über 70 Kunden für das Servicegeschäft gewonnen und zum anderen über 11 Millionen Euro Eigenkapital in zwei Finanzierungsrunden eingeworben wurden. Mit diesem Geld werden zwei Projekte vorangetrieben, deren Targets bei Phenex validiert und die zugehörigen Substanzen identifiziert wurden: Der klinische Kandidat Px-102 ist zurzeit in der präklinischen Toxprüfung und für die Indikation Typ 2 Diabetes mit Komplikation Fettleber vorgesehen. Das zweite Projekt adressiert ein neues Target, welches in Tiermodellen vielversprechendes Potenzial für chronische Entzündung zeigt. Wie schafft dabei ein Biotechunternehmen den Spagat zwischen Servicegeschäft und eigener Entwicklung – ist es überhaupt ein Spagat? „Brain in house – Execution outsourced“ Präferiert hätten wir einen direkten Einstieg in die Wirkstoffforschung, nur fand sich 2002 / 2003 kein Frühphasen-Finanzierer, der das Geld bzw. den Mut dazu hatte. So haben wir aus der Not heraus eine Tugend gemacht, nämlich den Aufbau eines leistungsfähigen Servicegeschäfts. Mit einer Eigenkapitaldecke von nur knapp 200.000 Euro 16 haben wir es geschafft, mit unserem Service-Business von 2003 bis 2005 so lange profitabel zu wirtschaften, bis wir Ende 2005 die erste Finanzierungsrunde mit drei Millionen Euro anschließen konnten. Da diese Summe nicht viel ist, wenn man eigene Wirkstoffe entwickeln will, haben wir uns dazu eine recht riskante, aber wohlüberlegte Strategie zurechtgelegt, die man mit „Brain in house – Execution outsourced“ umschreiben könnte. Mit anderen Worten haben wir uns intern auf unsere Spezialität, die Kernrezeptor-Assays fokussiert und zusätzliche Schlüsselmitarbeiter eingestellt, welche die notwendige Expertise für Wirkstoffforschung wie Computional Chemistry, Medizinalchemie, Pharmakologie usw. besitzen. Die eigentliche Synthese der Substanzen sowie die Austestung in Tiermodellen wurden komplett outgesourct. Dabei gaben wir uns allerdings nicht damit zufrieden, FTEs bei einer ChemieFirma zu mieten und Tierstudien von den üblichen CROs durchführen zu lassen. Systematisch haben wir Chemiefirmen und Pharmakologie-CROs in Deutschland, Osteuropa, Indien und China gescreent und arbeiten nun mit einem wohl ausgesuchtes Portfolio aus je drei bis fünf Firmen, welche im Vergleich das Optimum aus Qualität und Preis-/ Leistungsverhältnis anbieten. Nur so war es möglich, mit nur drei Millionen Euro in unserem ersten Projekt innerhalb von zweieinhalb Jahren einen Wirkstoffkandidaten benennen und das mit guten Daten untermauern zu können. Geschäftsziel Entwicklung Was ist nun unser Geschäftsziel? Ganz klar die Identifizierung, Patentierung und Entwicklung von Wirkstoffen bis zum „Proof of Concept“, d. h. dem ersten Nachweis der klinischen Wirksamkeit am Menschen. Dann steht entweder eine Auslizenzierung oder evtl. der Gesamtverkauf des Unternehmens an. Wir haben um uns und auch um unsere Mitarbeiter aber keine Angst, danach arbeitslos zu sein. In den intensiven letzten Jahren haben sich so viele neue interessante Perspektiven ergeben, dass wir sehr wahrscheinlich direkt danach weitere Projekte anschließen können. Visitenkarte Servicegeschäft Hat das Servicegeschäft jetzt keine Bedeutung mehr? Mittlerweile haben wir bedeutende Kunden aus Europa, Nordamerika und Japan, und uns in der Nische „Nuclear Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Receptor Assays“ einen sehr guten Namen gemacht. Die Anfragen kommen nahezu von alleine, der Marketingaufwand ist gleich null, solange wir das Umsatzgeschäft nicht signifikant ausbauen möchten. Das Servicegeschäft hat uns außer durch den Umsatz aber noch ganz anders genutzt: Wir konnten Projekte mit gutem Ergebnis pünktlich bei namhaften Pharmafirmen abliefern, eine Visitenkarte, die auch die Tür zur Vorstellung von Wirkstoffprojekten öffnet. Gerade bei japanischen Firmen ist ein Referenzprojekt, bei dem man einen Kunden zufriedengestellt hat, sehr viel wert für die Glaubwürdigkeit. In Verhandlungen mit großen internationalen VCs wurde das Servicegeschäft abträglich als Ablenkung und Kleinkrämerei gewertet. Wir denken aber, dass das Servicegeschäft zu hoher Disziplin in Punkto Qualität und Einhalten von Terminen erzieht, auch im Drug-Discovery-Geschäft nicht die schlechtesten Tugenden. Mobilisierung von Kapital Bei Phenex konnten wir das Servicegeschäft gewinnbringend mit eigener Wirkstoffforschung kombinieren, für uns war es kein Spagat, sondern Synergie. Unser Weg muss aber nicht notwendigerweise ein reproduzierbares Business-Modell aufzeigen. Wir und viele andere Firmen haben in den letzten fünf bis sieben Jahren mit erfinderischen Strategien und mit viel Kostendisziplin Wege gefunden, unseren Zielen nahezukommen. Dennoch plädieren wir dafür, dass man in Deutschland endlich Maßnahmen ergreift, um privates Anlegerkapital für die Finanzierung von High-Tech-Firmen zu mobilisieren, z. B. durch Umlenkung von nur 1 % der mehreren hundert Milliarden Euro, die in innovationsarmen und für die Zukunft Deutschlands wertlosen Kapitalanlagen wie Lebensversicherungen oder Containerschiffen stecken. Biotech ist das Paradebeispiel für eine wissensgetriebene Branche. Wenn wir hier scheitern, bleiben die Versprechungen einer wissensbasierten Volkswirtschaft in der Zukunft leere Worte. Es muss nachfolgenden Wissenschaftlern und Unternehmern mit leichter verfügbarem Kapital und unkomplizierten Geschäftsmodellen erleichtert werden, den Weg in diese Branche zu finden. Was nicht heißt, dass man kein Servicegeschäft als Bestandteil einer erfolgreichen Firma anbieten darf. www.phenex-pharma.com Forschung hört nie auf, wenn ... • K onzentration aller Anstrengungen auf ausgewählte Kernprojekte und -aktivitäten, die in unmittelbarer Zukunft die größte Wertschöpfung für Aktionäre und Partner versprechen • Hauptaugenmerk auf die Stärkung von Forschungsallianzen und deren Implementierung als zentrale strategische Wachstumsträger • Aufbau neuer strategischer Allianzen für ausgewählte Entwicklungsprojekte • Fokussierung der Pipeline auf die werthaltigsten Substanzen, um dadurch das Risiko im Portfolio zu reduzieren und den Liquiditätsverbrauch in F&E zu verringern • Reduktion der operativen Ausgaben und die Minimierung des strategischen Geschäftsrisikos Dr. Werner Lanthaler, CEO Evotec AG, Hamburg Die Zeichen der Zeit Die globale Pharmaindustrie steht vor der großen Herausforderung, ihre Produktivität deutlich zu steigern. Forschungs- und Entwicklungskosten sind über die Jahre rapide angestiegen, während Produktzulassungen weit hinterher hinken. Vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund lagern Biotech- und Pharmaunternehmen zunehmend F&E-Aktivitäten aus, da sie darin die besten Möglichkeiten zur Kosteneinsparung und Effizienzsteigerung sehen. Die Nutzung von Auftragsforschungsunternehmen (CROs) erlaubt fixe Kosten in variable Kosten umzuwandeln und bietet dem Kunden Expertise auf den erforderlichen Gebieten ohne die Notwendigkeit, eigene Kapazitäten und Infrastrukturen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Evotec nutzt diesen Trend optimal mit seinem „Aktionsplan Evotec 2012-Fokus und Wachstum“, den das Unternehmen 2009 eingeleitet hat. „Aktionsplan Evotec 2012-Fokus und Wachstum“ zur Steigerung von Kapitaleffizienz Der Aktionsplan 2012 war das Ergebnis einer Überprüfung der Geschäftsstrategie im März 2009. Das Unternehmen überprüfte seine Stärken und Schwächen und traf eine klare Entscheidung hinsichtlich der Verwendung seiner Finanzmittel und der zukünftigen strategischen Ausrichtung nach Maßgabe der strategischen Kapitaleffizienz: Erste Erfolge Die Finanzergebnisse und die strategischen Aussichten bestätigten bereits am Ende des Jahres 2009 den eingeschlagenen Weg von Evotec, sich wieder auf seine Stärken, d. h. die Wurzeln des Geschäfts, zu konzentrieren. Dieses wächst signifikant, zumal Evotec seine Leistungsfähigkeit durch Innovationen im Technologiebereich und durch globale Kostensynergien kontinuierlich weiter optimiert. So ist Evotec auf gutem Wege, globaler Branchenführer in der Wirkstoffforschung zu werden. Evotec hat darüber hinaus das Risikoprofil seiner Entwicklungspipeline signifikant reduziert, indem nur die Programme weiter unterstützt werden, die kommerziell Erfolg versprechen. Zeitgleich hat Evotec versucht, das volle Wertpotenzial seiner vielversprechenden Programme zu erhalten. Mit diesen strategischen Entscheidungen machte die Gesellschaft einen bedeutenden Schritt hin zu einer nachhaltigen Geschäftsentwicklung; die Umsätze wachsen deutlich und die Kostenbasis wurde reduziert. Mit mehr als 70 Millionen Euro verfügt das Unternehmen über umfangreiche Liquiditätsreserven – eine gute Grundlage für strategische Innovation und Wachstum. Risikoteilung als Überlebensstrategie für Biotech Evotec hat das Risikoprofil seines Entwicklungsportfolios dadurch reduziert, dass Investitionen in frühe Projekte limitiert und in strategische Kollaborationen eingebracht wurden. Im März 2009 unterzeichnete das Unternehmen zum Beispiel eine bedeutende Allianz mit Roche. Dabei handelt es sich um ein ge- Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 meinsames Entwicklungsprogramm, in dem Evotec für die Durchführung der klinischen Phase II der Substanz EVT 101 an Patienten mit behandlungsresistenten Depressionen zuständig ist. Die Kosten dieser Studie sowie auch die Entwicklungskosten der Nachfolgesubstanz EVT 103 (Phase II), werden komplett von Roche getragen. Der strategische Wert des Abkommens kann einschließlich Vorabzahlungen, Zahlungen für Entwicklungs- und Verkaufserfolge sowie umfangreicher Umsatzbeteiligungen im zweistelligen Prozentbereich 300 Millionen US-Dollar überschreiten. Durch Allianzen Risiko zu teilen, und die kommerzielle „down-side“ zu schützen war ein zentrales Merkmal der ersten Schritte dieser Geschäftsstrategie. Zusätzlich zu diesen strategischen Schritten hat Evotec strikte Kostensenkungsmaßnahmen über das Jahr hinweg implementiert: • Reduktion des Personalbestands im administrativen Bereich um 20 % und im Bereich der klinischen Entwicklung um 50 % • Realisierung von Synergien innerhalb der Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur; infolgedessen wurde z. B. die Betriebsstätte in den USA (South San Francisco) geschlossen. Zusammenfassend spiegelten sich die strategischen Maßnahmen im Finanzergebnis für das Geschäftsjahr 2009 eindeutig wider. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Umsätze im Kerngeschäft um 11 % gestiegen. Die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen sind um 51 % gesunken. Die Vertriebsund Verwaltungskosten sind um 16 % gesunken. Das operative Ergebnis ist um 42 % gestiegen. Dies sind erste Ergebnisse auf dem Weg in die nachhaltige Profitabilität, was für Biotechgeschäftsmodelle der Jahre 2010 ff kein Fremdwort bleiben darf. Forschungsallianzgeschäft als balanciertes Risikomodell für optimale Kapitaleffizienz Im derzeitigen Umfeld werden Pharmaunternehmen zunehmend auch Aktivitäten in frühen Phasen des Forschungs- und Entwicklungsprozesses auslagern. Eli Lilly lagert bereits 100 % seiner präklinischen Arbeiten aus. Bei Merck und Wyeth sind es hingegen heute nur 5 %. Outsourcing könnte damit eine zentrale Teillösung für die Engpässe in der Wirkstoffforschung werden. www.evotec.com 17 Turnaround bei PAION – „Batman is back“ dem Speichel der Vampirfledermaus Desmodus rotundus für den Einsatz bei ischämischen Schlaganfällen. Erster Schritt aus dieser Situation war eine genaue Analyse der Studienergebnisse auf der Ebene der behandelten Patientengruppen. Nach Aufklärung der zugrundeliegenden Faktoren für das Scheitern konnte schnell eine Lösung für die Weiterfinanzierung gefunden werden: • Fortsetzung und Intensivierung der Partnerschaft mit H. Lundbek A/S • Einmalzahlung in Höhe von acht Millionen Euro • Vollständige finanzielle Entlastung PAIONs bei der Weiterentwicklung durch H. Lundbeck A/S Dr. Wolfgang Söhngen, CEO PAION AG, Aachen Zurück im Spiel Die PAION AG ist heute ein biopharmazeutisches Unternehmen mit Hauptsitz in Aachen und einem weiteren Standort in Cambridge (UK). 2009 hat es PAION geschafft, seinen Ruf als erfolgreiches Biotechnologieunternehmen mit hohem Wertsteigerungspotenzial wieder positiv in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Nach klinischen Rückschlägen im Jahr 2007 war im Folgejahr eine strategische Neuausrichtung erforderlich, die erfolgreich implementiert wurde. Bereits im selben Jahr konnte PAION wichtige positive klinische Ergebnisse erzielen. Diese haben signifikant dazu beigetragen, eingebüßte Glaubwürdigkeit in der „Financial Community“ zurückzugewinnen. Damit verbunden war ein merklicher Anstieg des Aktienkurses um 71% im Vergleich zum Vorjahr und ein deutliches Anziehen der Handelsumsätze in der zweiten Jahreshälfte 2009. Strategische Neuausrichtung Die Lösung der Finanzierungsproblematik war gleichzeitig der Grundstein für eine weitgehende strategische Neuausrichtung unter dem Motto: „Search & Develop und Partnering“. Die Neuausrichtung hatte vor allem eine Verbreiterung des Entwicklungsportfolios zum Ziel. Bei der Auswahl potenzieller neuer Targets hatte PAION vier Kriterien angelegt: • Die Finanzierung bis zum „Proof of Concept“ mindestens eines der Entwicklungsprojekte musste gesichert sein • Die Produkte sollten dem Therapiefokus ZNS / Krankenhausbereich zuzuordnen sein • Die Produkte sollten ein deutlich geringeres Entwicklungsrisiko im Vergleich zur Indikation „Schlaganfall“ aufweisen • Der Newsflow sollte besser planbar sein „Batman is back“ ist ein Zitat aus der Finanzpresse, welches diesen Trend bestätigt und widerspiegelt, wie PAION nach Rückschlägen im Jahr 2007 heute gesehen wird. Aus einer Reihe von Akquisitionszielen mit entsprechenden Produktportfolien wurde das Ziel-Profil am besten von CeNeS Pharmaceuticals plc erfüllt. Die Akquisition dieser englischen Firma wurde mit Aktien durchgeführt. Somit wurde auch die Finanzierung des neuen Werttreibers CNS 7056 bis zum „Proof of Concept“ gesichert. Der Weg aus einer schwierigen Lage Unerwartete Studienergebnisse der Phase III des ehemaligen Lead-Projektes „Desmoteplase“ hatten in 2007 eine schwierige finanzielle Lage hervorgerufen. Desmoteplase ist eine biotechnologisch hergestellte Version eines blutgerinnselauflösenden Proteins aus Schnelle Resultate durch Fokussierung CNS 7056, ein neues, kurzwirkendes Sedativum und breit anwendbares Anästhetikum wurde zum neuen Lead-Projekt ernannt. Ein Großteil der F&E-Aufwendungen wurde seit Aufnahme von CNS 7056 in die Pipeline auf dieses Projekt fokussiert. So gelang es inner- 18 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 halb von 18 Monaten von der Präklinik bis zur ersten Phase II eine extrem schnelle Entwicklung bis zum „Proof of Concept“ zu erreichen. Partnering sichert finanziellen Spielraum bei geteiltem Risiko Getreu der neuen Geschäftsstrategie „Search & Develop und Partnering“ beabsichtigt PAION CNS 7056 zu verpartnern, um die Risiken der anstehenden Entwicklung durch einen starken Partner abzufedern. Auf der Basis dieses Geschäftsmodells werden bereits in einem frühen Stadium Einnahmen realisiert und gleichzeitig die Kosten und das Risiko der weiteren Entwicklung reduziert. An der späteren Wertschöpfung partizipiert das Unternehmen weiter über Erfolgszahlungen für das Erreichen klinischer und kommerzieller Meilensteine und durch Lizenzgebühren nach Zulassung der Medikamente. Weitere Einnahmen können später und zusätzlich aus Co-Vermarktungsaktivitäten fließen. Mit den so eingeworbenen Mitteln plant PAION entweder in seine bestehende Pipeline oder attraktive neue Projekte zu investieren und das nächste Lead-Projekt zum „Proof of Concept“ zu bringen. Ziel einer geplanten Verpartnerung von mindestens einer Substanz in 2010 ist dabei auch, die finanzielle Reichweite über das Jahr 2011 auszuweiten. Zukunftsperspektive PAION geht davon aus, dass der Abschnitt zwischen dem Ende der Präklinik bis zum „Proof of Concept“ am Menschen der Teil der Wertschöpfungskette ist, in dem ein Unternehmen mit großer Entwicklungskompetenz signifikanten Mehrwert für seine Anteilseigner bieten kann. Darüber hinaus ist diese Wertsteigerung auch attraktiv für große Pharmaunternehmen. Der entsprechende Wertzuwachs in dieser Phase ist somit groß genug, dass für alle Beteiligten attraktive Anteile übrig bleiben. Da PAION für Desmoteplase eine Co-Vermarktungsoption hat und auch versuchen wird, diese für CNS 7056 zu erhalten, ist die Grundlage geschaffen, auch an der Vermarktung und somit dem wertvollsten Teil der Wertschöpfungskette zu partizipieren. www.paion.de Geschäftsstrategien Investoren orientieren sich um Auch die Investoren reagieren auf die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die meisten Lead-Investoren haben mit dem Aufbau neuer Fonds schwer zu kämpfen, solange bei institutionellen und anderen Investoren das Vertrauen in den Life-ScienceBereich nicht zurückgekehrt ist. Dies bezieht sich insbesondere auf Investmentvehikel, die im frühen Lebenszyklus von Start-upUnternehmen investieren wollen. Bestehende Venture-Capital-Fonds sind deshalb dazu übergegangen, ihre Fondsstrukturen anzupassen und differenzierte Vehikel für bestimmte Bereiche (early / late; Biotech / MedTech; Growth Capital) zu etablieren. Für die jeweiligen Segmente gelten spezifische Investitionskriterien. Abbildung 2-3: Segmentierung der Biotechindustrie im Ländervergleich, 2009 Anzahl und Anteil Unternehmen Deutschland 129 UK 162 Frankreich 82 Dänemark 50 Schweiz 64 0 % Therapeutika 62 34 162 24 20 93 66 4 8 6 29 8 10 % 20 % 30 % 40 % Diagnostika 50 % Service 10 60 % 70 % 29 80 % 90 % 100 % Grüne und Industrielle Biotech Quelle: Ernst & Young, 2010 In diesem Zusammenhang wird vor allem im Early-Stage-Bereich nach dem Motto „Fast Focused – Lean“ verfahren. Dabei werden Start-up-Firmen um einzelne priorisierte Projekte herum in „quasi“-virtuellem Aufbau initiiert, um möglichst schnell an einen nächsten – vornehmlich datengetriebenen – Entscheidungspunkt zu gelangen. Anschließend wird besagtes Projekt bei erfolgreicher Initialphase entweder verkauft, eine richtige Firma um das Asset aufgebaut oder aber das Vorhaben wieder verworfen. Im letzten Fall würde dann zumindest nicht unnötig viel Geld ausgegeben. Fonds, die sich diesem Frühphasenmodell verschrieben haben (z. B. Index Venture, s. Artikel in Kapitel 5), sehen vielfach sogar explizit einen „Zwischenexit“ vor – beispielsweise als Verkauf oder Auslizenzierung des Projekts an einen strategischen Pharmapartner. Weitere Motivation für Investoren ist das Ausbleiben von IPOs. In Deutschland gibt es seit 2007 keine Börsengänge mehr und auch die wenigen im Jahr davor stellten keinen Exit für die jeweiligen Investoren dar. Mit dem damit einhergehenden Wechsel der Exitoption zum Verkauf an strategische Investoren (Trade Sale) kommt es auch zu einem Umdenken bei den präferierten Geschäftsmodellen der Portfoliounternehmen. Während ein auf den IPO optimiertes Unternehmen den Schwerpunkt auf den Aufbau eines nachhaltigen Produktportfolios setzt, ist bei der Maßgabe „Trade Sale“ vielmehr die Maximierung der einzelnen Assets hinsichtlich Qualität, effizienter Prozesse und möglichst schneller Entwicklung ausschlaggebend – mit anderen Worten „Capital Efficiency“. Die Investoren selbst sehen dieses Modell, welches mehr einer Projektfinanzierung denn einer Unternehmensfinanzierung entspricht, zukünftig in der Vorherrschaft. Selbst mit einem sich öffnenden IPO-Fenster ist anzunehmen, dass eher eine geringere Zahl an Unternehmen in der Lage sein wird, die dann höheren Portfoliohürden für einen Börsengang zu nehmen. (Therapeutika, Diagnostika, Service, Grüne und Industrielle Biotechnologie) ergibt distinkte Unterschiede. Unternehmen in Deutschland sind signifikant weniger vertreten im Bereich der Medikamentenentwickler (nur 34 %), dafür aber deutlich breiter im Segment der Technologie- und Serviceanbieter aufgestellt (43 %). Darüber hinaus erfahren in Deutschland auch die Segmente Grüne und Industrielle Biotechnologie und die Diagnostik eine stärkere Ausprägung. Ganz im Gegensatz hierzu haben Länder wie die Schweiz (63 %), Dänemark (56 %) und UK (56 %) eindeutig den Schwerpunkt auf die Medikamentenentwicklung gelegt. Frankreich nimmt eine Zwischenstellung ein. Die Anpassung von Geschäftsmodellen in Krisenzeiten ist abhängig von den Möglichkeiten, welche die existierenden Modelle bieten. Diese Aufstellung beinhaltet mehrere Implikationen für die deutsche Biotechindustrie: • Geringere Abhängigkeit von Venture Capital • Geringere Geschäftsrisiken • Höhere Flexibilität, in Krisenzeiten Geschäftsmodelle anzupassen (Technologie und Service) In dieser Betrachtung nimmt Deutschland im Vergleich der wichtigsten Biotechnationen in Europa eine Sonderstellung ein. Die Einteilung der europäischen Biotechunternehmen in Geschäftsfelder und damit assoziierten typischen Geschäftsmodellen Im Zusammenspiel dieser Faktoren ist anzunehmen, dass deutsche Unternehmen in der Krise leichter überleben können. Definitiv hat sich bereits in den letzten Jahren gezeigt, dass relativ zur Größe der deutschen Volkswirtschaft bzw. der Biotechindustrie Geschäftsmodelle in Deutschland – besser geeignet in der Krise? Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 19 Geschäftsstrategien weniger Venture Capital nach Deutschland fließt, als dies beispielsweise für die Schweiz der Fall ist. Trotzdem führte dies weder nach dem Einbruch der VC-Finanzierungen im Jahr 2008, noch nach dem konsekutiven Abfall im vergangenen Jahr zu einer nennenswerten Zahl an Unternehmensbankrotten. In dieser Aufstellung sind die vielen kleinen Unternehmen in Deutschland auch weniger abhängig von Transaktionen mit großen Partnern. Signifikante Anteile ihres Geschäfts laufen über den Verkauf von Produkten an Industriekunden (z. B. Pharma; Zelllinien, Medien, Kits, Tests). Solche Kundenbeziehungen sind neben Transaktionen eine weitere Alternative der Finanzierung und erklären zumindest teilweise die Abnahme von Transaktionen in Deutschland gegen den internationalen Trend. „No Risk – No Fun“ Die vermeintlichen Vorteile in Krisenzeiten gehen andererseits aber auch mit reduzierten Wertschöpfungspotenzialen einher. Es ist unbestritten, dass Wertschöpfungsketten basierend auf der Medikamentenentwicklung letztendlich bei erfolgreicher Vermarktung deutlich mehr Gewinn erzielen. Selbst wenn dies in Partnerschaften mit großen Pharmaunternehmen passiert, ist die Wertschöpfung auf Seiten des Biotechpartners nach wie vor signifikant. 20 Entscheidend für die Weiterentwicklung der Branche ist deshalb die Umwandlung der Serviceausrichtung in werthaltigere Transaktionen. Wenn die Anwendung von Technologien im Auftrag von Kunden sukzessive in Allianzen überführt werden kann, in denen der Technologielieferant am Erfolg der darauf basierenden Produktentwicklungen beteiligt wird, so lassen sich erfolgreichere und werthaltigere Modelle realisieren. Diese Entwicklung entspricht wiederum explizit der Forderung nach Optimierung der „Capital Efficiency“. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Plattformunternehmen ist MorphoSys, welches bereits sehr früh das Potenzial ihrer Antikörper-Plattform HUCAL in entsprechende Deals mit Meilensteinzahlungen und Umsatzbeteiligungen ummünzen konnte. Auch Evotec war es möglich, seine Screeningplattform in vielen Allianzen mit erfolgsabhängigen Komponenten zu vermarkten. Aus eigener Kraft heraus Nicht zuletzt können Biotechunternehmen auch innerhalb ihrer eigenen Strukturen Kapital effizienter erwirtschaften, abseits von Zusammenarbeit mit Pharma, Chemie oder Clustern. Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz zur Aktivierung von Entwicklungskosten erlaubt Life-Science-Unternehmen nun einen flexiblen Umgang mit immateriellen Vermögensgegenständen. Wie dies zu einer besseren, finanziellen Aufstellung des Biotechunternehmens führen kann, erläutert unser Ernst & Young-Mitarbeiter Titus Zwirner. Zusätzlich sollte das Augenmerk auf einer Verbesserung der Prozesseffizienz und der Kosteneffektivität gelenkt werden. Durch eine erfolgreiche Umsetzung von Operational Excellence wird die Unternehmensstruktur optimiert. Annette Schulz, Ernst & Young Eschborn, gibt nachfolgend näher Auskunft dazu. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Diagnostik auf dem Vormarsch? Die Segmentierung der deutschen Biotechnologiebranche weist im internationalen Vergleich auf weitere Unterschiede hin, die die relativ stärkere Position der Diagnostikausrichtung betreffen. Die zunehmende Bedeutung vor allem der Molekulardiagnostik sowie die Entwicklung von Biomarkern hat dieses Arbeitsgebiet deutlich aufgewertet. Biomarker zur Stratifizierung von Patienten in klinischen Studien und im Zusammenhang mit zielgerichteten Therapien werden beispielsweise in der Onkologie immer mehr zum Standard. Fast alle großen Pharmaunternehmen haben sich mit der Fragestellung beschäftigt, wie die Entwicklung von Biomarkern parallel zu ihren Medikamentenlinien bewerkstelligt werden kann und dabei vielfach Partnerschaften mit Diagnostikunternehmen geschlossen. Aufgrund der molekularbiologischen Arbeitsbasis der meisten Biomarker ergeben sich auch zahlreiche Optionen und neue Geschäftsfelder für Biotechnologieunternehmen. Als eines der führenden Biotechunternehmen in Europa hat sich QIAGEN in den letzten Jahren systematisch zu einem Entwicklungsund Marktführer im Bereich Molekulardiagnostik entwickelt. Die Strategieänderung sowie die wesentlichen Schritte zur Realisierung werden im folgenden Artikel von Peer Schatz, CEO von QIAGEN, erläutert. Aktivierung von Entwicklungskosten bei Life-Science-Unternehmen Eigenkapitals zu verbessern. Ferner können immaterielle Vermögensgegenstände zukünftig an Bedeutung als Besicherungsinstrumente gewinnen und somit Potenzial für Unternehmensfinanzierungen bieten. Titus Zwirner, Ernst & Young GmbH, Köln Die Entwicklung neuer Arzneimittel wird immer aufwändiger und kostspieliger. Die durchschnittlichen Kosten für die Erforschung und Entwicklung der Wirkstoffe liegen bei 0,8-1,2 Milliarden US-Dollar und erstrecken sich über einen Zeitraum von ca. acht bis zwölf Jahren für klinische Studien. Dabei entfällt der wesentliche Teil der Kosten auf die klinische Entwicklung und hierbei insbesondere auf die aufwändigen Phase-IIIStudien. Die Kosten für die Entwicklung der Arzneimittel spielten hingegen in den handelsrechtlichen Bilanzen bislang keine Rolle, da für diese ein striktes Ansatzverbot galt. Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) soll sich diese Bilanzierungspraxis durch Einführung eines Aktivierungswahlrechts und Streichung des Aktivierungsverbots ändern. Das HGB-Bilanzrecht nähert sich mit diesem Schritt den internationalen Rechnungslegungsvorschriften (IFRS) an, wonach Entwicklungskosten in der Bilanz zu aktivieren sind, und versucht der gestiegenen Bedeutung dieser immateriellen Vermögensgegenstände im wirtschaftlichen Wertschöpfungsprozess gerecht zu werden. Im Hinblick auf die regelmäßig sehr hohen Entwicklungskosten für biopharmazeutische und chemische Arzneimittel bietet das neue HGB-Bilanzrecht einen erheblichen Gestaltungsspielraum und Chancen, die Außendarstellung sowie die Bonität von Life-ScienceUnternehmen durch Ausweis eines höheren Voraussetzungen für die Aktivierung von Entwicklungskosten 1. Damit Entwicklungskosten aber als immaterieller Vermögensgegenstand überhaupt aktiviert werden können, müssen diese mit hoher Sicherheit einen zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen für das Unternehmen darstellen, objektivierbar und selbstständig verkehrsfähig sein. Allerdings kann diese sogenannte abstrakte Aktivierungsfähigkeit nicht objektiv bestimmt werden, sondern ist insbesondere bei der Bestimmung des zukünftigen, wirtschaftlichen Nutzens von der subjektiven Einschätzung des Bilanzierenden abhängig. 2. Bei der Überprüfung der Aktivierungsvoraussetzungen für Entwicklungskosten ist weiterhin zu analysieren, ob es sich bei den in Betracht kommenden Kosten tatsächlich um „Entwicklung-“ oder doch „nur“ um „Forschungskosten“ handelt, da für letztere auch weiterhin ein striktes Aktivierungsverbot gilt. Diese in der Praxis häufig schwierige Unterscheidung will der Gesetzesgeber durch folgende Begriffsbestimmung vereinfachen: Künftig ist Forschung „die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können“. Die Entwicklung hingegen ist mit einem wesentlich geringeren Maß an Unsicherheit behaftet und wird als „die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen“ definiert. die Phase-III-Studien beginnen, da zu diesem Zeitpunkt das Prüfpräparat regelmäßig in Dosis, Arzneiform und weitestgehend auch Verpackung dem zu vermarktenden Arzneimittel entspricht. Vielmehr sind die Phase-III-Studien gerade dadurch gekennzeichnet, dass die aus den Phase-I- und IIStudien gewonnenen Erkenntnisse erprobt und getestet werden, um für die Zulassung ausreichende Daten für den Wirksamkeitsnachweis zu ermitteln. Vergleich mit IAS/IFRS Nach IFRS erfolgt durch das BilMoG eine Angleichung der handelsrechtlichen Regelungen an die bereits bestehenden Regelungen nach IFRS. Der größte formale Unterschied besteht darin, dass nach IFRS kein Aktivierungswahlrecht, sondern ein Aktivierungsgebot für Entwicklungskosten existiert. Dieses Aktivierungsgebot führte in der Vergangenheit jedoch häufig zu einem faktischen Aktivierungswahlrecht, da insbesondere der Übergang von der Forschungs- in die Entwicklungsphase regelmäßig nicht ausreichend begründet oder dokumentiert werden konnte und es somit nicht zu einem Ansatz von Entwicklungskosten in der Bilanz kam. Allerdings mag diese Fragestellung bei Einführung der IFRS vor dem Hintergrund einer deutlich positiveren gesamtwirtschaftlichen Situation auch von nachrangiger Bedeutung gewesen sein. Fazit Die BilMoG-Regelungen zur Aktivierung von Entwicklungskosten können vielen LifeScience-Unternehmen wesentliche Gestaltungsspielräume im Hinblick auf ihre Außendarstellung (verbesserte Bonität, Eigenkapitalausstattung) eröffnen. Darüber hinaus können die so geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände künftig auch an Bedeutung im Rahmen von externen Finanzierungen als zusätzliche Besicherungsinstrumente gewinnen. Festzuhalten bleibt, dass es grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Übergangs vom systematischen Suchen zum Erproben und Testen der gewonnenen Erkenntnisse ankommt. Dieser Zeitpunkt kann im Rahmen der klinischen Forschung dann erreicht sein, wenn die Phase-II-Studien abgeschlossen sind und Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 21 Operational Excellence: Verbesserung der Effizienz bei gleichzeitiger Optimierung der Kosten Annette Schulz, Ernst & Young GmbH, Eschborn Notwendigkeit von Operational Excellence (OPEX) Durch das sich ständig ändernde Umfeld und die große Anzahl von Wettbewerbern muss die Sicherstellung von betriebswirtschaftlicher Effizienz für Biotechunternehmen ganz oben auf der Agenda stehen. Oft wird Operational Excellence jedoch noch als zweitrangig angesehen – neben der Validierung des wissenschaftlichen Konzeptes, dem Sicherstellen der Finanzierung und der Veröffentlichung und Promotion neuer wissenschaftlicher Ergebnisse. Es ist jedoch bewiesen, dass es eine direkte Verbindung zwischen Operational Excellence und der Erhöhung des Shareholder Values gibt. In der Tat ist die Korrelation zwischen den beiden so stark, dass allen Biotechunternehmen bewusst sein muss, dass Management Excellence genauso wichtig ist für den Erfolg wie die Faktoren innovative Wissenschaft und fundierte Finanzierungen. Ausgangslage Manager in Biotechunternehmen stehen immer häufiger der Herausforderung gegenüber, zwischen „Kapazitäten entwickeln“ und „Produktivität verbessern“ umzuschalten. Die Betriebsprozesse müssen schneller und gleichzeitig billiger werden. Das sich ändernde Marktumfeld wirkt sich vielfach auf die Unternehmen aus: Vor dem Hintergrund der geringeren Preise sind die Kosten zu hoch. Die Effizienz der Gesamtkosten muss verbessert werden. Zusätzlich müssen – durch die immer geringere Zuverlässigkeit der Vorausplanung und die zunehmende Produktvielfalt zur Bedienung neuer Märkte – die Flexibilität steigen und die Durchführungszeiten in der Produktion und Entwicklung kürzer werden. Der Fokus wechselt zwischen Wachstum und Kostenoptimierung, der Balance von Talenten auf allen Ebenen zwischen Wissenschaftlern, Projektmanagern und operationeller, prozessorientierter Führungsstärke. Der Ernst & Young Ansatz Ernst & Young unterstützt Unternehmen dabei, durch Operational Excellence Umsätze und Profitabilität zu steigern und den Unternehmenserfolg zu erhöhen. Dies geschieht durch Entwicklung von Werkzeugen und Prozessen, die in nachhaltigen, operationellen Modellen den komplexen Ansprüchen der schnell wachsenden Unternehmen dieser Branche gerecht werden. 22 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Fundament von OPEX Folgende Geschäftsmethoden sind das Fundament für die erfolgreiche Umsetzung von Operational Excellence: • Definition und Akzeptanz einer fokussierten, klaren Geschäftsstrategie, die vorgibt, welche Fähigkeiten benötigt werden, um die strategischen Ziele des Unternehmens zu erreichen • Klarer Fokus auf Umsetzung und Durchführung von operationellen Leistungszielen; tägliche Disziplin, die gesetzten Performance-Ziele zu erreichen oder zu übertreffen und kontinuierlich neue Lösungen und Wege zu finden, die Prozesse und Arbeitsweisen zu verbessern • Entwickeln und Aufrechterhalten einer leistungsgesteuerten Kultur, die durch das Setzen von Zielen und Messen von Ergebnissen jeden Mitarbeiter verpflichtet, seinen Teil zum Erreichen der Unternehmensziele beizutragen • A ufbau bzw. Umwandlung der Organisation in eine flache, flexible und aufgeschlossene Einheit, die Kommunikation, schnelle Entscheidungsfindungen und den Leistungsgedanken unterstützt • Verständnis des Managements als Führen der Mitarbeiter als wichtigste Aufgabe Vorteile und Nutzen von OPEX Operational Excellence hat folgende Vorteile für Unternehmen: • Strategische Klarheit über die eigene Mission, Ziele und Erwartungen • Best practices in Prozessarchitekturen • Strukturierte Roadmaps für Verbesserungsinitiativen und Projekte • Einheitliche organisatorische Ausrichtung Fazit Es ist wichtig dass Manager und Mitarbeiter ihre Aufmerksamkeit auf Prozesseffizienzen, Kosteneffektivität und Meilensteinmanagement richten. Neben dem täglichen Bestreben, bestehende Strukturen zu optimieren, stehen Unternehmen in Wachstumsbranchen vor der Herausforderung, ihre Strukturen in Zeiten großen Wachstums oder Schrumpfens (z. B. durch Zukauf oder Outsourcing) in größerem Ausmaß anzupassen. Es ist wichtig vorherzusehen, wann organisatorische Veränderungen notwendig werden, diese entsprechend zu planen und erfolgreich umzusetzen. Jede dieser Übergangsphasen beinhaltet viele Herausforderungen für Unternehmen. Managementteams müssen in der Lage sein, geeignete Systeme und Prozesse zu entwickeln und umzusetzen – es bedarf einem Modell, dass die Notwendigkeit von Kreativität und Innovation und den Bedarf an Disziplin ausgewogen balanciert; verbunden mit den Fähigkeiten, Kapital zu beschaffen und die besten Talente anzuziehen. Je mehr die Prozesse optimiert sind – von F&E über Supply Chain bis hin zur Produktion –, desto besser die Chancen im Vergleich zum Wettbewerb. Die dynamische Neuausrichtung QIAGENs zum führenden Anbieter in der molekularen Diagnostik Peer Schatz, CEO QIAGEN N.V., Venlo / Hilden Ausgangslage in Deutschland Wir verfügen in Deutschland über viele kleinere Unternehmen – gerade und speziell auch in der Biotechnologie – mit hervorragenden Forschern, die wichtige wissenschaftliche Entdeckungen hervorbringen. Leider aber erweist sich die kommerzielle Umsetzung zu oft als unüberwindbare Hürde. Der mutlose und zögerliche Kapitalmarkt, der die erforderliche Finanzierung verweigert, wird dann schnell als Schuldiger ausgemacht. Obwohl die Finanzierungsmöglichkeiten in Deutschland in der Tat nicht die besten sind, können die Kapitalmärkte sehr wohl die Entwicklung unserer Industrie positiv begleiten. Das lässt sich nicht zuletzt am Beispiel QIAGEN ablesen. Beispiel QIAGEN – Erfolgsfaktoren Was also hat unsere nachhaltige Kapitalversorgung und unseren Aufstieg vom Ausrüster des akademischen Life-Science-Marktes zu einem führenden Player in der molekularen Diagnostik begünstigt, vielleicht sogar erst möglich gemacht? Zugang zu Venture Capital war ein wichtiger Faktor gerade in der Anfangsphase. Für die Schaffung eines adaptiven, marktorientierten und auf die Generierung von Cash ausgerichteten Unternehmens im Bereich Plattformtechnologien erwies sich Venture Capital trotz oder gerade wegen der Restriktionen als große Hilfe; mit nur fünf Millionen Euro Eigenkapital wurde bereits vor dem Börsengang 1996 ein Unternehmen mit 25 Millionen Euro Umsatz geschaffen. Der Börsengang und aktive Investorenarbeit an zwei Handelsplätzen haben sich für QIAGEN als goldrichtig erwiesen und waren Voraussetzung für den Aufstieg zum Global Leader. Ohne den IPO in den USA, wo die Kapitalbeschaffung junger Unternehmen auf eine längere Geschichte zurückblicken konnte, und der erfolgreichen Folgelistung in Deutschland, hätten wir die nächste Wachstumsphase nicht in der gleichen Art und Weise umsetzen können. Die Vergleichbarkeit mit unseren Peers und die Akzeptanz bei Investoren wie Mitarbeitern, die zu Aktionären geworden sind, wurden dadurch unterstützt. Die zügige geographische Expansion ist der dritte entscheidende Faktor – und sie folgte einem strategischen Kalkül: schnell kritische Masse aufbauen, um mit dezidierten Vertriebskanälen technologische Innovationen weltweit zu kommerzialisieren. Strategische Fokussierung ist der vierte Erfolgsfaktor. Durch unsere Ausrichtung auf die Kernkompetenz „Sample and Assay Technologien“ in Märkten mit hohen Wachstumsprofilen, vor allem der molekularen Diagnostik, haben wir ein Geschäftsmodell entwickelt, das es uns ermöglicht hat, nachhaltig einen hohen operativen Cashflow zu generieren. Damit waren wir bisher fast immer in der Lage, Wachstum aus eigener Kraft zu finanzieren und Akquisitionen durchzuführen, die dieses Wachstum katalytisch gesteigert haben. In der Tat ist QIAGEN heute beinahe nettoschuldenfrei. Kapitalmaßnahmen können diese Finanzierungsstrategie gezielt verstärken. QIAGEN hat in den letzten Jahren zwei Wandelschuldverschreibungen emittiert sowie eine erfolgreiche Kapitalerhöhung durchgeführt. Diese Kapitalmarktmaßnahmen haben über eine Milliarde US-Dollar für die Fortsetzung der Wachstumsstrategie in unsere Kassen gespült. Mit Barmitteln in Höhe von rund 820 Millionen US-Dollar ist QIAGEN heute besser denn je in der Lage, Wachstumsinitiativen auf breiter Front voranzutreiben und in neue Technologien, zusätzlichen diagnostischen Content (also in weitere Tests) sowie die weitere geographische Expansion zu investieren. Hoch qualifizierte und motivierte Mitarbeiter sind dabei die Basis des Erfolgs. In einer Spitzentechnologiebranche, die vor allem von Talenten lebt, sind Investitionen in Mitar- Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 beiter am besten angelegtes Kapital. QIAGEN bindet das Top-Management und die Mitarbeiter überdurchschnittlich lange, und das gilt auch für das Kapital selbst. Ein Großteil unserer Anleger ist bereits seit vielen Jahren im Unternehmen investiert. Statt Dividenden erwarten unsere Aktionäre Investitionen in das weitere Wachstum QIAGENs. Perspektiven für Biotechunternehmen in Deutschland Es gibt durchaus Felder, auf denen deutsche Biotechfirmen mithilfe des Kapitalmarktes erfolgreich wachsen können und in denen Deutschland eine weltweit führende Rolle spielt. Dies betrifft nicht nur die Diagnostik und die personalisierte Medizin mit führenden Playern wie QIAGEN, Roche Diagnostics und Siemens. Auch in der weißen Biotechnologie ist Deutschland weltweit spitze. Es gibt hier viele Talente in Kernbereichen der Biotechnologie, aber auch in Engineering und in Prozesstechnologien. All die genannten Faktoren greifen aber nur, wenn wir auch den richtigen Spirit entwickeln und pflegen. Hier sehe ich in Deutschland noch viele Stellschrauben und Felder mit erheblichem Potenzial: • Wir brauchen günstigere Rahmenbedingungen durch die Politik, speziell für kleinere Biotechs. Es geht darum, Wissens- und Wachstumsindustrien gezielt zu fördern und so ihre Veränderungspotenziale für die Gesamtwirtschaft zu nutzen. • Wir sollten bewusst unternehmerische Verantwortung auf allen Ebenen fördern, bei Gründern und Wissenschaftlern, dem Management und – ganz besonders – auch den Mitarbeitern. • Insbesondere müssen wir die Förderung von Unternehmertum und Neugründungen als eine Querschnittsaufgabe begreifen, die Felder wie Finanzen, Forschung / Bildung, Soziales und Wirtschaft umspannt. Unternehmertum und die Bereitschaft, Risiken einzugehen und Fehlschläge in Kauf zu nehmen, müssen als ein gesellschaftlich wichtiges und somit sozial wertvolles Element gesehen und verstanden werden. Deutschland hat als Biotechstandort heute mit das größte Potenzial weltweit – als global tätiges Unternehmen sehen wir in diesem Standort einen großen Wert und freuen uns, die Möglichkeiten in Deutschland für uns und unsere Industrie weiter zu entwickeln. www.qiagen.com 23 Life-Science-Ökosystem im Wandel Triebfeder: „Neuerfindung“ der Pharmaindustrie Die zuvor beschriebene Notwendigkeit zu Anpassungen der Geschäftsmodelle bei Biotechunternehmen weltweit wurde vor allem durch die Wirtschafts- und Finanzkrise losgetreten. Mit dem weitgehenden Versagen der klassischen Finanzierungsinstrumente sah sich die Biotechbranche gezwungen, alternative Wege zu gehen. Viele der eingeschlagenen Routen führten zu Partnerschaften mit Pharmaunternehmen und damit einhergehenden Änderungen des Geschäftsmodells. Diese Bewegung wäre jedoch vollkommen unmöglich, wenn nicht zeitgleich im Pharmasektor weitreichende Umwälzungen im Gange wären, die relativ unabhängig von der Wirtschaftskrise ablaufen. Die Forderungen an diese massive „Neuerfindung“ der Pharmaindustrie gestalten sich komplementär zu den Bedürfnissen der Biotechindustrie, vereinfacht gemäß der Formel: Innovationsschwäche / Finanzstärke (Pharma) vs. Finanzschwäche / Innovationsstärke (Biotech) Somit sind die Umwälzungen bei Pharma die eigentlichen Treiber für das Überleben der Biotechindustrie in dieser schweren Phase. 24 Abbildung 2-4: Pharma-Ökosystem im Wandel Auswirkungen auf F&E Vom Enterprise zum Extraprise / Outsourcing Effizientere F&E-Organisation • autonome F&E-Business-Units (GSK / CEDDs) • externe Forschungsorganisationen (Lilly / Chorus) • Technologieverbund (Enlight) Patentabläufe Sinkende F&E-Produktivität Kostendruck Margendruck Pharma Re-Invention Sinkende Reputation Striktere Regularien Erhöhte Überwachung der Regularien Allianzen mit Biotech • Technologieplattformen • Targets • Produkte • frühere Deals • kreative Deals (Option Deals, Earn-Out) Personalisierte Medizin • Biomarker / Molekulardiagnostik • Patientenstratifizierung Corporate VC • strategische Ausrichtung • Antennenfunktion • Finanzierungsinstrument für frühe Optionen Quelle: Ernst & Young, 2010 Insbesondere profitieren Biotechunternehmen vom allgemeinen Trend zur breiteren Nutzung externer Partner in allen F&E-Bereichen. Outsourcing erfüllt für Pharma insbesondere die Funktion, erforderliche Kompetenzen und Kapazitäten nicht dauerhaft vorhalten zu müssen. Dies entlastet die Kostenseite und wirkt sich positiv auf die Bilanz aus. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Dienstleistungen, insbesondere im HightechSektor, unterliegen einer immer schnelleren Dynamik der technischen Weiterentwicklung. Spezialisierte Dienstleister sind besser in der Lage, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten und können notwendige Investitionen breiter und damit rentabler nutzen. Geschäftsstrategien Die steigende Tendenz zu Allianzen im Technologie- und Produktentwicklungsbereich schafft Zugang zu Innovationen. Erhöhte Kompetition, vor allem um Technologieentwicklungen (z. B. neue Therapeutikaformate wie „Nanobodies“, RNAi, Sirtuine etc.) forcieren den Trend zu Allianzen in früheren Stadien, was den Biotechunternehmen entgegen kommt. Abbildung 2-5: Käufermarkt – Verkäufermarkt Biotech Verkäufermarkt Pharma Käufermarkt Neue Gebiete wie „Personalized Medicine“ und „Biomarker“ eröffnen Arbeitsbereiche, welche für die Biotechunternehmen aufgrund ihrer Forschungs- und Technologieorientierung besonders geeignet sind. Im Zusammenhang mit diesen Veränderungen im Ökosystem der Pharmaindustrie – und die hier angesprochenen Änderungen sind lediglich Beispiele aus dem F&E-Bereich – ist ersichtlich, dass auf Seiten der Pharmaindustrie großer Bedarf besteht, stärker in Allianzen mit externen Partnern zu investieren. Biotechunternehmen können die großen Gewinner sein. Quelle: Ernst & Young, 2010 Frühere Krisen der Biotechbranche, z. B. nach dem Börsenboom um die Jahrtausendwende, hatten meist eine klare Ausprägung des Marktes in Richtung des Käufers zur Folge. Diese Situation konnten z. B. Pharmaunternehmen ausnutzen, um zu günstigsten Preisen Assets oder Unternehmen zu erwerben. Der dringenden Notwendigkeit zu alternativen Finanzierungsinstrumenten auf Seiten der Biotechunternehmen steht der mindestens ebenso große Druck der Pharmaunternehmen nach Innovation und Steigerung der F&E-Effizienz gegenüber. Nur durch ein konstruktives Miteinander werden beide Herausforderungen zu lösen sein. In der aktuellen Situation, die zwar ebenfalls von einer dramatischen Finanzierungskrise geprägt ist, scheint sich dennoch hinsichtlich der Marktcharakteristik eher ein Gleichgewicht zwischen Käufer- und Verkäufermarkt einzustellen. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 25 Die Spielregeln der Industriellen Biotechnologie Industrielle Biotechnologie Schließlich setzt sich Deutschland auch in der Bedeutung der industriellen Biotechnologie von seinen europäischen Nachbarländern ab. Die historischen Wurzeln der chemischen Industrie in Deutschland bieten dafür einen sehr fruchtbaren Nährboden. Dieselben Chemiefirmen waren zwar im letzten Jahrhundert auch die Aushängeschilder für Deutschland als die historische „Apotheke der Welt“, mit der Schwerpunktverschiebung der Pharmaindustrie von der Chemie zur Biologie ist allerdings auch die Bedeutung der deutschen Chemie in diesem Sektor zurückgegangen (Ausnahmen: Bayer, Merck Serono). 26 Das Interesse der chemischen Industrie an der Biotechnologie wurde durch die Möglichkeiten geweckt, innovative Produkte mit einfacheren biotechnologischen Prozessen herzustellen. Neben der Wirtschaftlichkeit spielen immer mehr auch umweltpolitische Erwägungen (Toxizität von Zwischenprodukten, Emissionen, Abfallbeseitigung) eine zunehmende Rolle und begünstigen den Einsatz der Biotechnologie. Die Teilbranche der „weißen“ Biotechnologie hat sich als fester Bestandteil eines Verbundes mit den großen Chemieunternehmen (z. B. BASF, Henkel, Evonik, Bayer) etabliert. Darüber hinaus gibt es Kompetenznetzwerke, wie etwa CLIB2021, die den Austausch von Know-how innerhalb dieses Bereiches aktiv fördern. CLIB2021 vernetzt die chemische Industrie, junge biotechnologische Unternehmen (KMU), wissenschaftliche Institute sowie Investoren. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Ab 2007/2008 wurden Kooperationsprojekte zwischen Industrie, KMU und akademischen Einrichtungen mit einem Gesamtvolumen von 40 Millionen Euro angestoßen und mit öffentlichen Mitteln gefördert. Wie sich Geschäftsmodelle in der industriellen Biotechnologie etablieren und möglicherweise im Verlauf der anhaltenden Wirtschaftskrise angepasst haben, wird im folgenden am Beispiel der Direvo Industrial Biotechnology näher erläutert. Insbesondere wird dabei auch auf die wesentlichen Unterschiede zwischen der Pharma- und der Chemieindustrie hinsichtlich „Innovation“ eingegangen. Geschäftsstrategien in der industriellen und pharmazeutischen Biotechnologie im Vergleich Dr. Jörg Riesmeier und Dr. Thomas von Rüden, DIREVO Industrial Biotechnology GmbH, Köln Innovation „Rot“ und „Weiß“ im Vergleich Grundsätzlich gelten in der pharmazeutischen (roten) wie auch der industriellen (weißen) Biotechnologie die gleichen Gesetze hinsichtlich der Finanzierung, strategischer Optionen und Möglichkeiten des Exits. Dennoch müssen Unternehmen im Bereich der Weißen Biotechnologie Geschäftsstrategien und -taktiken entwickeln, die sich von denen der Roten Biotechnologie zum Teil erheblich unterscheiden. Warum ist dies nötig? Was sind die Kernunterschiede? Produkte der Roten Biotechnologie sind im Erfolgsfall neue innovative Medikamente, die Verkaufserlöse im ein- bis zweistelligen Milliardenbereich erzielen können, in der Regel mit (noch) hohen Margen. Diese ermöglichen stattliche F&E-Budgets, die bis zu 20 % des Umsatzes betragen. Pharmaunternehmen haben eine lange Tradition, ihre eigene Innovationskraft durch (I) Zukauf / Lizenzierung von Produktkandidaten, (II) langjährige F&E-Kooperationen und (III) Zukauf / Lizenzierung von Plattformtechnologien zu verbessern. Biotechnologieunternehmen werden nach Markteinführung an erzielten Erträgen beteiligt und nicht selten von einem ihrer Kooperationspartner übernommen. Die der industriellen Biotechnologie zuzuordnenden Märkte funktionieren anders. Sie sind in der Regel sehr viel kleiner und stark fragmentiert. Selbst „Blockbuster“ erzielen Verkaufserlöse von bestenfalls 10 % der Umsätze eines Pharma-Blockbusters mit vergleichsweise niedrigen Margen. Dies führt dazu, dass sich die F&E-Budgets in dieser Industrie eher im Bereich von 1-5 % des Umsatzes bewegen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, findet biotechnologische Innovation meist außerhalb großer Unternehmen und vergleichsweise langsam statt. Unsere Beobachtung ist, dass diese Unternehmen zwar bereit sind, neue Produktkandidaten zu testen, sofern diese anwendungsbereit und „preiswert“ angeboten werden, dagegen ist das Interesse an „kostspieligen“ Forschungskooperationen eher gering. Innovatoren werden hier meist als Zulieferer gesehen. Akquisitionen biotechnologischer Unternehmen, wie etwa der Kauf von Genencor durch DANISCO oder der RÖHM Enzyme (heute AB Enzymes) durch Associated British Foods, sind eher selten. Die Treiber für Unternehmenskäufe erscheinen generell mehr „finanziell“ und weniger „strategisch“ zu sein, d. h. Käufer sind daran interessiert, kurzfristig durch neue Produktlinien ihre Einnahmeseite zu stärken. Zukäufe müssen sich schon nach wenigen Jahren refinanzieren; langfristige, strategische Motive, etwa der bewusste Einstieg in die Biotechnologie sind dagegen wenig zu beobachten. Vielmehr wird versucht, durch sogenannte „Open Innovation Modelle“ den Einstieg zu bewältigen (Kooperationen mit Universitäten und privaten Forschungseinrichtungen – am besten in Kombination mit öffentlicher Förderung oder in einem der vielen Netzwerke, wie etwa CLIB2021). Dies erinnert sehr an die Pharmazeutische Industrie vor zehn Jahren. Auch hier gab es zunächst in einer bis dahin von der Chemie geprägten Industrie nur wenig Interesse an biotechnologischen Produkten. Erst nach einigen spektakulären Erfolgen biotechnologischer Medikamente änderte sich diese Einstellung. Zunächst mussten es dann aber zulassungsreife Produktkandidaten mit Blockbusterpotenzial sein, bevor das Interesse dann schließlich auch für Produktkandidaten in früheren Entwicklungsstadien und Plattformtechnologien geweckt wurde. Positionierung von DIREVO Was bedeutete dies für DIREVO? Vor einigen Jahren, nachdem die DIREVO Biotech AG ihre Plattformtechnologie für Proteinoptimierung zur Anwendungsreife gebracht hatte, mussten wir über die weitere Ausrichtung des Unternehmens entscheiden. Unse- Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 re Plattform war so breit angelegt und anwendbar, dass sowohl eine Fokussierung ausschließlich auf den pharmazeutischen Bereich, als auch die Anwendungen in den klassischen Bereichen der industriellen Biotechnologie möglich waren. DIREVO entschied sich damals, in beiden Bereichen tätig zu sein und etablierte zwei getrennte Geschäftsbereiche unter einem Dach. Schon nach kurzer Zeit wurde uns klar, dass Geschäftsstrategien, die im biopharmazeutischen Bereich sehr gut funktionierten, sich in der industriellen Biotechnologie nicht oder nur schwer anwenden ließen. Daher erschien es uns notwendig, die Geschäftsfelder in eigenständige Firmen aufzuteilen, die dann jeweils dem Markt angepasste Strategien entwickeln konnten. Für den biopharmazeutischen Bereich ist dies bereits erfolgreich geschehen und mit dem Verkauf der DIREVO Biotech AG an Bayer Schering Pharma für 210 Millionen Euro Ende 2008 abgeschlossen. Die industrielle Biotechnologie wurde kurz vor dem Verkauf der AG in die DIREVO Industrial Biotechnology GmbH ausgegliedert und zunächst mit acht Millionen Euro ausgestattet. Nachdem die Technologieplattform repliziert und weiter entwickelt worden war, investierten die Gesellschafter Anfang 2010 weitere sechs Millionen Euro, damit sich das Unternehmen vom Technologiedienstleister zum Produktentwickler transformieren kann. Diese Entwicklung ist zwingend notwendig, da es in der industriellen Biotechnologie nur eine geringe Nachfrage für reine Technologieanbieter gibt, auch wenn die Plattform einzigartig ist. Hier sind Unternehmen gefragt mit innovativen Produkten, die kurzfristig den Markt erreichen. In der nun anstehenden Phase der Transformation ist es von entscheidender Bedeutung, hoch innovative Produktkandidaten zu wählen, die in schnell wachsenden Marktsegmenten mit Umsatzpotenzialen im zwei- und dreistelligen Millionenbereich Anwendung finden. Um dieses ambitionierte Ziel erreichen zu können, wird es notwendig sein, die Kompetenzen besonders in den Bereichen Anwendungstechnik und Marketing zu erweitern sowie langfristig zusätzliche Finanzierung zu sichern. Strategische Kooperationen und gegebenenfalls M&As werden weitere Merkmale der künftigen Unternehmensentwicklung sein. www.direvo.com 27 3 Produktentwicklung 28 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Die Pipeline der therapeutischen Produkte Positive Bilanz Bei der Wirkstoffentwicklung kann für die deutsche Biotechbranche eine positive Bilanz gezogen werden. Auch in diesen schwierigen Zeiten erhöhte sich die Gesamtzahl der Projekte in präklinischer und klinischer Entwicklung sowie in der Zulassungsphase im Vergleich zum Jahr 2008 um 8 % auf eine Summe von insgesamt 340. Höhere klinische Phasen werden konzentriert vorangetrieben Während in der Präklinik einige neue Entwicklungsprojekte hinzugekommen sind und damit der Nachschub weiter unterfüttert wurde, nahmen die Phase-I-Programme gegenüber dem Vorjahr ab. Ein deutlicher Anstieg ist dagegen bei den Wirkstoffkandidaten der Phasen II und III zu verzeichnen. Demgegenüber reduzierte sich die Anzahl der im Zulassungsprozess befindlichen Medikamentenkandidaten. Dies hängt u. a. mit der erfreulichen Entwicklung zusammen, dass drei Wirkstoffe, die sich im Vorjahr noch im Genehmigungsverfahren befanden, die Zulassung erhielten und in der Zwischenzeit vermarktet werden. Über den gesamten klinischen Entwicklungsprozess hinweg, kann in Summe für die klinische Wirkstoffpipeline, die die Phasen I bis III umfasst, ein Zuwachs von 4 % verzeichnet werden; fokussiert man sich lediglich auf Phase II und Phase III, beträgt der Zuwachs gegenüber dem Vorjahr sogar 16 %. Dies zeigt sehr deutlich, dass die deutschen Biotechunternehmen insbesondere darauf Wert legen, ihre höheren Wertschöpfungsstufen weiter voranzubringen. Gerade in Zeiten von Kapitalknappheit ist es extrem wichtig, die finanziellen Ressourcen so zu allokieren, dass nachhaltig der höchstmögliche Mehrwert für das Unternehmen generiert wird. Dies bedeutet für Biotechunternehmen, ihre am weitesten in der Wertschöpfungskette fortgeschrittenen Kandidaten finanziell zu unterhalten und weiterzutreiben. Beispielsweise im Falle einer Auslizenzierung kann sich sowohl die Attraktivität des Wirkstoffkandidaten für einen interessierten Partner als auch das erzielbare Transaktionsvolumen für das Biotechunternehmen signifikant erhöhen. trifunktionalen Antikörper am Markt und zum anderen um das erste zugelassene Medikament zur Behandlung von malignem Aszites (Bauchwassersucht). Dabei kann der therapeutische Antikörper für die Behandlung von Patienten mit EpCAM-positiven Karzinomen eingesetzt werden. Durch den einzigartigen Wirkmechanismus können trifunktionale Antikörper mehrere Abwehrmechanismen des Immunsystems gleichzeitig gegen Krebs aktivieren und so Tumorzellen mit bislang unerreichter Präzision und Effizienz zerstören. Die Anwendung ist im Mikrogramm-Bereich möglich und damit 1.000fach wirksamer als bei konventionellen, monospezifischen Antikörpern. Darüber hinaus wurde Removab® – basierend auf TRION Pharmas Technologie und Produktionsverfahren in enger Partnerschaft mit Fresenius Biotech entwickelt. Er ist somit der erste vermarktete therapeutische Antikörper „made in Germany“. Erfolgreiche Marktzulassungen, jedoch keine nachrückenden Kandidaten Wie für das Jahr 2008 können auch für 2009 positive Entwicklungen bezüglich erteilter Zulassungsgenehmigungen vermeldet werden. Aufgrund verschiedener Faktoren kann dabei die Zulassung von Removab® (Catumaxomab) als besondere Erfolgsgeschichte für TRION Pharma und Fresenius Biotech gewertet werden. Zum einen handelt es sich bei Removab®, dem am weitesten entwickelten Vertreter der Triomab®-Familie, um den weltweit ersten zugelassenen bispezifischen, Über die konkreten Erfolgsfaktoren dieser Entwicklung berichtet im folgenden Dr. Lindhofer, CEO von TRION Pharma. Abbildung 3-1: Entwicklungspipeline nach Phase Anzahl Wirkstoffe in Studien 250 200 150 100 50 0 2008 176 197 50 Präklinik Phase I 42 75 85 Phase II 10 14 Phase III 5 2 Zulassungsphase 2009 Quelle: Ernst & Young, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 29 Erfolgreiche Produktentwicklung und Marktzulassung aufgrund effizienter Prozess- und Partnerstrukturen den. So wurde bis heute bewusst auf eine Humanisierung der Triomab®-Antikörper verzichtet. Zugleich zeigte sich, dass Triomab®Antikörper in vitro um ein Vielfaches wirksamer waren als klassische Antikörper, die bereits für die Krebstherapie erhältlich waren. Die damalige wissenschaftliche Lehrmeinung, dass man die Antikörper nur verkleinern müsse, um eine erhöhte Wirksamkeit im Tumorgewebe zu erzielen, macht aus heutiger Sicht das Triomab®-Konzept um so mehr zu einem „visionären“ Ansatz. Herausforderung Firmengründung Die Firmengründung war aus wissenschaftlicher und strategischer Sicht mehr als eine Herausforderung, da zu dieser Zeit die Erfahrungen mit herkömmlichen therapeutischen Antikörpern im Markt selbst noch sehr gering und das enorme Marktpotenzial noch nicht absehbar war. Bei der technologischen Umsetzung des Triomab®-Konzeptes wurden unkonventionelle Wege beschritten, die sich in bestimmten Punkten bis heute von der gängigen Lehrmeinung unterschei- Die Story und wesentliche Erfolgsfaktoren – in acht Jahren zur Zulassung Der klinische Erfolg sowie die europäische Marktzulassung des ersten Produktkandidaten Removab®(Catumaxomab) aus der trifunktionalen Antikörperfamilie für die Indikation Maligner Aszites bestätigen nun den von TRION Pharma gewählten Ansatz. Mit der Zulassung ist Catumaxomab der erste therapeutische Antikörper am Markt, der in Deutschland erfunden und bis zur Marktreife entwickelt wurde. Zuvor hatten in den 90er Jahren die Forschungsarbeiten von Horst Lindhofer am Helmholtz-Zentrum München zu einer Reihe von Patenten sowie den ersten Triomab®-Antikörperkandidaten geführt. Im Rahmen eines Münchner Businessplan-Wettbewerbs (1996/1997) wurde ein Konzernscout von Fresenius auf die neuartige Technologie aufmerksam. Im Nachhinein betrachtet spielte für die ungewöhnliche Entwicklung von TRION Pharma eine wichtige Rolle, dass in der Partnerschaft mit Fresenius der Gründer die unternehmerische Entscheidungsfreiheit behielt. Dadurch konnte erstens der unkonventionelle Weg in der Entwicklung konsequent vollzogen werden und zweitens der Pioniergeist bis heute in der Firma bewahrt werden – wichtige Aspekte für eine hohe Motivation der Mitarbeiter. Eine weitere wichtige Voraussetzung für diese Entwicklung war, dass alle zugehörigen Triomab®-Patente mit der Firmengründung vom Helmholtz-Zentrum München an TRION Pharma exklusiv auslizenziert wurden. Der erste konkrete Schritt war die Errichtung der ersten Produktionsanlage (1999) und die darauffolgende Erteilung der Herstellungserlaubnis bzw. GMP-Zertifizierung durch die Regierungsbehörde für den ersten Produktkandidaten Catumaxomab im Jahre 2001. Danach erfolgte zunächst eigenständig die Evaluierung der therapeutischen Wirksamkeit von Catumaxomab in einer Phase-I/ 30 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Dr. Horst Lindhofer, CEO TRION Pharma GmbH, München Neues wissenschaftliches Konzept für die Krebstherapie Als das Biotechnologieunternehmen TRION Pharma vor 12 Jahren von Horst Lindhofer gegründet wurde, stand zunächst einmal im Vordergrund, dass Krebspatienten deutlich von der Behandlung mit einer neuen Generation von Biopharmazeutika, sogenannten trifunktionalen bispezifischen Triomab®-Antikörper, profitieren sollten. Möglich wird dies durch das Vorhandensein von drei unterschiedlichen Bindungsarmen der Triomab®Antikörper, die sowohl Tumorzellen als auch T-Zellen sowie akzessorische Zellen (u. a. Makrophagen, Monozyten, natürliche Killerzellen) gleichzeitig zusammenführen. Im Gegensatz dazu erkennen konventionelle monospezifische Antikörper mit ihren zwei Bindungsarmen nur Tumorzellen und akzessorische Zellen, nicht aber die potentesten Killerzellen des Immunsystems, die T-Zellen. II-Studie, woraufhin dann – zusammen mit dem heutigen Kooperationspartner Fresenius Biotech (seit 2003 eine Geschäftseinheit von Fresenius) – im Jahr 2004 eine zulassungsrelevante Phase-II/III-Studie begonnen wurde. Bereits Ende 2007 wurde das Zulassungsdossier für Catumaxomab zur Therapie des Malignen Aszites bei der EMEA eingereicht. Parallel zu dieser schnellen nur achtjährigen Entwicklungsgeschichte von Catumaxomab bis zur Zulassung (2009) wurden GMP-Herstellungsprozesse für zwei weitere Triomab®-Produktkanditaten FBTA05 (Lymphomun®) bei B-Zell-Lymphomen / Leukämien und Ertumaxomab (Rexomun®) zur Brustkrebstherapie etabliert. Fortsetzung der Erfolgsgeschichte am Markt Beispielhaft für diese Triomab®-Plattformtechnologie besitzt der „Leit“-Antikörper Catumaxomab ein großes therapeutisches wie auch marktwirtschaftliches Potenzial, da sein EpCAM-Zielantigen bei häufigen Krebserkrankungen vorkommt. EpCAM wird von nahezu allen Tumoren epithelialen Ursprungs – sogenannten Karzinomen – gebildet. Catumaxomab könnte somit theoretisch bei mehr als 90 % aller Patienten mit Karzinomen (u. a. Darm-, Lungen-, Eierstock-, Magenoder Prostata-Krebs) in der Therapie eingesetzt werden. Erfolgsgeschichte für den Standort Deutschland Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Zulassung der weltweit ersten kausalen Therapie bei Malignem Aszites durch Fresenius Biotech einen großen Erfolg für die Forschung in Deutschland darstellt. Sowohl die wissenschaftlichen Grundlagen zur Charakterisierung der adressierten Therapie-Targets als auch die Entwicklung der proprietären Technologieplattform der trifunktionellen Antikörper sind originär in Deutschland erarbeitet worden. Gleichzeitig ist diese Entwicklung, die von den Anfängen im Forschungslabor bis zur Marktzulassung als Zusammenarbeit zwischen zwei deutschen Biotechunternehmen angelegt war, ein nachahmenswertes Beispiel für die erfolgreiche Kooperation zweier forschender Unternehmen mit effizienter Nutzung der jeweiligen Stärken. www.trionpharma.com Produktentwicklung Ebenfalls über eine Marktzulassung für Deutschland konnte sich MediGene im September letzten Jahres freuen. Das börsennotierte Unternehmen hatte für das Präparat Veregen® zur Behandlung von Genitalwarzen den Zulassungsantrag in einem dezentralen Verfahren gestellt. Nun erfolgte die formale Erteilung der Marktzulassung durch die deutsche nationale Behörde. Diese Marktzulassung in Deutschland, dem Referenzland des dezentralen Verfahrens, soll als Basis für die Beantragung weiterer Zulassungen in zusätzlichen europäischen Ländern genutzt werden. In den USA ist Veregen® bereits auf dem Markt und über den Lizenzpartner Nycomed erhältlich. Für den Vertrieb in Europa schloss MediGene zwischenzeitlich Partnerschaften mit dem spanischen Unternehmen Juste (Vertrieb in Spanien und Portugal) sowie mit dem deutschen Pharmaunternehmen Solvay (Vermarktung in Deutschland, Österreich und der Schweiz) ab. In Israel wird Teva den Vertrieb übernehmen. Im März 2010 erhielt MediGene bereits einen positiven Zulassungsbescheid der österreichischen Zulassungsbehörde. Belixos (im letzten Jahr nicht in unseren Darstellungen erfasst), ein medizinisches Kosmetikprodukt des Leverkusener Biotechunternehmens Biofrontera, ist das dritte Produkt, das 2009 eine Zulassung erhielt. Das Präparat kann bei Hautirritationen u. a. von Patienten mit atopischer Dermatitis oder Psoriasis angewandt werden. Unter dem Markennamen Reliéva™ ist es bereits als homöopatisches Produkt auf dem amerikanischen Markt sowie als Produkt auf Naturstoffbasis in Kanada zugelassen. In den deutschen Markt wurde es im Oktober 2009 eingeführt. Weiterhin im Zulassungsverfahren befindet sich Nenad®, ein auf dem Wirkstoff Lisurid beruhendes Produkt des Speciality-Pharmaunternehmens Axxonis Pharma. Noch offen ist hier die Erteilung der Zulassungsgenehmigung sowohl für die Zusatzbehandlung bei der Parkinson‘schen Erkrankung (PD) appliziert als Pflaster wie auch für die subkutane Infusionstherapie bei fortgeschrittener PD. Für die gleichzeitig im Juni 2008 beantragte Marktzulassung von Nenad® als Lisurid-Pflaster zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms hat Axxonis Pharma den Antrag zurückgezogen. Dies erfolgte im Nachgang auf eine Negativempfehlung des Ärztekomitees der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA. Diesen Marktzulassungen konnte im Jahr 2009 kein Phase-III-Wirkstoff in die Zulassungsphase nachfolgen. Daher befinden sich derzeit nur zwei Medikamentenkandidaten im Zulassungsprocedere. Phase-III-Wirkstoffe nehmen zu Dagegen lässt sich ein ermutigender Trend im Bereich der klinischen Phase III ausmachen. Nach einem Rückgang der Anzahl an Phase-III-Wirkstoffen von 2007 auf 2008 ist in diesem Jahr wieder eine Erholung festzustellen. Während alle bereits im Jahr 2008 in Phase III befindlichen Kandidaten weiterhin in dieser Entwicklungsstufe verblieben und keine negativen Studienergebnisse oder Entwicklungsabbrüche zu verzeichnen waren, konnten zusätzlich drei Phase-II-Projekte in die nächste klinische Stufe vorrücken. Aufgrund weitergehender Informationen konnte zudem ein weiteres Phase-III-Projekt (Naturprodukt)identifiziert werden. Damit erhöhte sich die Anzahl in dieser Wertschöpfungsstufe auf 14. Zu diesen aufrückenden Phase-III-Kandidaten gehört Trabedersen (AP 12009), das Leitmolekül von Antisense Pharma. Es handelt sich dabei um einen so genannten Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 gene-silencing-Wirkstoff, basierend auf einer Antisense-Technologie und – im Falle einer erfolgreichen Zulassung – das erste Präparat seiner Substanzklasse (First-in-Class-Medikament). So verkündete Antisense Pharma bereits im April letzten Jahres den Einschluss erster Patienten in die pivotale Studie mit dem Namen SAPPHIRE. Anhand dieser Phase-III-Studie soll Trabedersen an Patienten mit der Diagnose rekurrentes oder refraktäres, anaplastisches Astrozytom (eine Form wiederkehrender oder therapieresistenter hochgradig bösartiger Hirntumore) getestet und die positiven Ergebnisse der vorangegangenen klinischen Phase-II-Studie bestätigt werden. In die Rekrutierung von etwa 130 Patienten sind ca. 70 Prüfzentren in Europa, Amerika und Asien involviert. Für die weitere klinische Entwicklung seiner Leitsubstanz konnte Antisense Pharma im Februar 2010 nicht zuletzt neues Kapital in Höhe von 13 Millionen Euro einwerben. Beteiligt haben sich an dieser Finanzierungsrunde die MIG Fonds und der Global Asset Fund, die beide bereits in das Biotechunternehmen investiert sind, sowie das Management und private Investoren. Ebenfalls einen Fortschritt erzielte die Entwicklung des Wirkstoffkandidaten Talactoferrin alfa von Agennix. Bei diesem Präparat handelt es sich um einen neuartigen, oral verfügbaren Wirkstoff, der die rekombinante Form des menschlichen Lactoferrins darstellt und dendritische Zellen, eine spezifische Zellart des Immunsystems, erneuert und aktiviert. Nach der Verschmelzung der Martinsrieder GPC Biotech mit dem amerikanische Biotechunternehmen Agennix im letzten Jahr konzentriert sich das Unternehmen Agennix AG mit Firmensitz in Heidelberg nun auf die beiden gegen Ende 2008 gestarteten Phase-III-Studien bei nichtkleinzelligem Lungenkrebs sowohl zur Drittlinientherapie als auch in Kombination mit einer Erstlinientherapie. 31 Produktentwicklung Phase-II-Studien steigen aufgrund von Neuzugängen signifikant an Hervorzuheben innerhalb der Pipeline-Entwicklungen ist der Zuwachs an Phase-II-Projekten. Neben sechs Abbrüchen und Abzug der in die Phase III weitergerückten Kandidaten konnten 19 Neuzugänge verzeichnet werden. Diese ergaben sich teils aus weiter entwickelten Phase-I-Wirkstoffen, teils aus Indikationserweiterungen und aus Fusionen. Damit stieg die Anzahl der Phase-II-Studien um 13 % auf eine Summe von 85. So startete beispielsweise 4SC im März 2009 für den Wirkstoff 4SC-101, dem am weitesten fortgeschrittenen Pipeline-Kandidaten des Unternehmens, eine weitere Phase-II-Studie in der Indikationserweiterung Morbus Crohn, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung. Diese als Tablette verabreichte Substanz zeigte bereits in einer klinischen Phase IIa einen Wirksamkeitsnachweis bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis. Im November letzten Jahres konnte dann auch der Beginn der Behandlung des ersten Patienten in einer Phase-IIb-Studie bekanntgegeben werden. Darüber hinaus initiierte das Unternehmen zwei Phase-II-Studien („Proof-ofConcept“-Studien) mit Resminostat (4SC201), einem oralen Pan-Histon-Deacetylase (HDAC)-Inhibitor. Die erste Studie hat die 32 Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem hepatozellulären Karzinom zum Ziel, die zweite untersucht eine Therapie von Patienten mit refraktärem oder rezidiviertem Hodgkin-Lymphom. Einen Fortschritt im kleineren Maßstab erreichte das Magdeburger Biotechunternehmen Immune Technologies & Medicine (IMTM). Basierend auf seiner therapeutischen Plattform PETIR™ (Peptidase Targeted Immune Regulation) entwickelte es den Wirkstoff IP10.C8, einen dualen Peptidase-Inhibitor. Dieser besitzt die Eigenschaft, die Hemmung von zwei Zielstrukturen in einer einzigen niedermolekularen chemischen Verbindung zu vereinen und damit einen bislang nicht erreichten starken anti-entzündlichen Effekt zu erzielen. Aufgrund dessen wird IP10.C8 für die lokale Therapie der Akne und Psoriasis entwickelt. Für letztere Indikation gelang es IMTM im Januar 2009 eine Single-Centre-Phase-II-Studie aufzusetzen. Einen weiteren Neuzugang stellt der Wirkstoffkandidat CV9103, ein mRNA-Impfstoff von CureVac, dar. Dieser enthält modifizierte mRNA-Moleküle, die für vier verschiedene Antigene kodieren und von Prostatatumorzellen exprimiert werden. Auf Basis seiner innovativen RNActive®-Technologie entwickelt CureVac aktive Immuntherapien zur Behandlung von Tumoren. Die erste Phase-I / IIStudie gegen Prostatakrebs begann im Dezember 2008, und im November 2009 kündigte das Unternehmen den Start der Phase IIa an. Ebenfalls eine Phase-I / II-Studie zur Untersuchung der Sicherheit und Wirk- Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 samkeit wurde im Mai 2009 mit dem mRNATumorimpfstoff CV9201 zur Behandlung von nicht-kleinzelligem Lungenkrebs initiiert. Dagegen hatte Evotec im letzten Jahr einen Ausfall des in Phase II befindlichen Wirkstoffs EVT 302, eines Monoamin-Oxidase(MAO-B)Inhibitors, zu verzeichnen. Das Hamburger Biotechunternehmen berichtete im April 2009 über das Verfehlen des klinischen Endpunkts bei Raucherentwöhnung. Auch MediGene stoppte ein Projekt im August, nämlich die Weiterentwicklung von onkolytischen Herpes-simplex-Virus-Präparaten. Eventuell soll diese in eine Ausgründung gegeben oder die Lizenz für die zugrundeliegende Technologie verkauft werden. Entgegen den Erwartungen, den in Phase II befindlichen Wirkstoffkandidaten EndoTAG-1 noch 2009 in die Phase III überführen zu können, verschob das börsennotierte Biotechunternehmen diesen Schritt im Dezember 2009. Laut Pressemitteilung ist dies dadurch begründet, dass vor dem Start dieser Studie ein marktfähiger Herstellungsprozess entwickelt werden soll. Die Verschiebung der Studie wird mit ca. sechs Monaten veranschlagt, womit die Wiederaufnahme in die erste Hälfte des Jahres 2011 fallen wird. Dem Unternehmen zufolge bleibt der Gesamtentwicklungszeitraum dadurch aber unberührt. Produktentwicklung Phase-I-Studien fallen auf das Niveau von 2007 zurück Wie eingangs erwähnt, kam es 2009 zu einer merklichen Abnahme der klinischen Phase-I-Programme. Nach einem steten Zuwachs in den vergangenen Jahren führte dies damit zum ersten Mal zu einem Abflauen. Im Jahr 2008 wurden noch 50 Wirkstoffkandidaten bezüglich ihrer Sicherheit und Verträglichkeit getestet, wohingegen es 2009 nur noch 42 waren. Es rückten zwar 14 präklinische Projekte nach, insgesamt gesehen überwogen aber die Abgänge: So waren zehn Ausfälle, vier insolvenz- oder akquisitionsbedingte Verluste sowie acht positive Phase-II-Übergänge zu verzeichnen. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren wurde damit die Phase I nicht adäquat aufgefüllt. Deren Rückgang hat allerdings auch zwei wesentliche positive Aspekte: Zum einen spricht dies für eine schnelle Absolvierung dieser Zwischenphase und Eintritt in die Erstbehandlung von Patienten (in Phase II), andererseits kann ein früher Abbruch von Projekten, z. B. aufgrund unzureichender Bioverfügbarkeit oder erhöhter toxischer Werte auch eine Effizienzsteigerung für die Entwicklung bedeuten. Früher Abbruch vermeidet kostenträchtige klinische Studien und setzt Kapital frei, um erfolgversprechendere Nachfolgekandidaten voranzubringen – somit durchaus ein Beitrag zu „Capital Efficiency“. In den vier folgenden Artikeln beschreiben erfolgreiche Unternehmen ihre Produktentwicklungen mit besonderem Augenmerk auf die wichtigsten Effizienztreiber aus Unternehmenssicht. Apogenix schaffte es in vier Jahren mit einem hochinnovativen Konzept zum „Proof of Concept“. CureVac , das ebenso ein neues Therapiekonzept erforschte, berichtet über die effiziente Transition des Unternehmens aus der universitären Umgebung zum Therapeutikaentwickler. Die Kombination aus innovativen Technologieplattformen und konkreten Medikamentenentwicklungen steht im Fokus der Glycotope. Schließlich beschreibt CEVEC die Perspektiven und das darauf aufgebaute Geschäftsmodell für die Anwendung humaner Zelllinien. Tabelle 3-1: Ausgewählte Wirkstoffkandidaten mit Phasenübergang aus der Präklinik in die Phase I, 2009 Firma Wirkstoff Wirkstoffart Beschreibung Therapiegebiet Noxxon Spiegelmer NOX-E36 RNA/DNA-Molekül (Biological) NOX-E36 ist ein synthetisch hergestelltes, spiegelbildliches Oligonukleotid, das spezifisch das proinflammatorische Chemokin MCP-1 inhibiert und dadurch entzündungshemmend wirkt Entzündliche Nephropathie Noxxon Spiegelmer NOX-A12 RNA/DNA-Molekül (Biological) NOX-A12 ist ein blutstammzellmobilisierendes Spiegelmer, welches das Chemokin Stromal CellDerived Factor-1 bindet und neutralisiert Multiples Myelom / Non-Hodgkin-Myelom Corimmun COR 1 Peptid (Biological) COR1 ist ein zyklisches Peptid, das gegen den Mechanismus von Autoimmun-Antikörpern gegen den ß1-adrenergen Rezeptor vorgeht Autoimmunbedingte Herzschwäche GANYMED Pharmaceuticals iMAB362 monoklonaler Antikörper (Biological) iMAB362 enthält den monoklonalen Antikörper Claudiximab, der effizient Tumorzellen abtötet, ohne das umliegende Gewebe anzugreifen Metastasierender Magen- und Speiseröhrenkrebs Glycotope GT-MAB 2.5-GEX monoklonaler Antikörper (Biological) GT-MAB 2.5-GEX ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der sich gegen Mucin 1 richtet Solide Tumoren CellAct Pharma CAP7.1 Niedermolekularer Wirkstoff (Chemical) CAP7.1 ist eine Vorläufersubstanz von Etoposid, welches das Zielmolekül Topoisomerase II in Tumorzellen adressiert, um deren Zelltod zu bewirken Solide Tumoren Evotec EVT301 Niedermolekularer Wirkstoff (Chemical) EVT301 wirkt als NR2B-selektiver NMDA-RezeptorAntagonist Behandlungsresistente Depression SuppreMol SM101 rekombinantes Protein SM101 ist ein lösliches humanes rekombinantes (Biological) Fc-gamma-Rezeptor-Iib-Protein Idiopathische thrombozytopenische Purpura Quelle: Ernst&Young und Firmennachrichten, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 33 Effizienz in der Produktentwicklung Hemmung von „zuviel Wanderung“, eine hervorstechende Eigenschaft des bösartigsten Gehirntumors Glioblastoma multiforme (GBM). Auf diesen wissenschaftlichen Konzepten basierend wurde die klinische Entwicklungsstrategie entworfen. Dr. Thomas Höger, CEO Apogenix GmbH, Heidelberg Therapeutischer Ansatz Die Apogenix GmbH, ein Biotechunternehmen in Heidelberg, ist 2005 als Ausgründung aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) entstanden. Das Unternehmen entwickelt innovative Proteinwirkstoffe, vor allem zur Behandlung von Tumorerkrankungen. Das Hauptprojekt der Apogenix GmbH fokussiert sich auf die Blockade des sogenannten CD95-Liganden (CD95L), einem Mitglied der TNF-Genfamilie (TNF: Tumor Nekrose Faktor). Dieser Ligand kann, wie TNF auch, verschiedene Funktionen ausüben: Wenn CD95L an seinen Rezeptor CD95 z. B. auf Immunzellen bindet, wird dadurch der sogenannte programmierte Zelltod (Apoptose) ausgelöst. Vor dem Hintergrund dieser Funktion von CD95L scheint es auf den ersten Blick paradox, dass viele Krebszellen nicht nur CD95L, sondern auch dessen Rezeptor produzieren. Allerdings führt die Bindung von CD95L an den entsprechenden Rezeptor auf Tumorzellen nicht zur Apoptose, sondern zu einer verstärkten Wanderung und Metastasierung von Krebszellen. Damit eröffnet die Blockade von CD95L verschiedene therapeutische Optionen: zum einen die Verhinderung von „zuviel Apoptose“, wie sie z. B. bei der massiven Gewebezerstörung nach einer Knochenmarktransplantation auftreten kann („akute Graft-versusHost Disease“, aGvHD); zum anderen die 34 Entwicklungsstatus Das Unternehmen entwickelt für die Blockade des CD95L ein sogenanntes Fc-Fusionsprotein (APG101), das von seinem molekularen Aufbau her große Ähnlichkeiten zum bereits erfolgreich vermarkteten TNF-Blocker Enbrel© aufweist. Ausgehend von einer DNA-Sequenz wurden seit November 2005 ein GMP-Herstellungsprozess (GMP: „Good Manufacturing Practice“) einschließlich der spezifischen analytischen Methoden für dieses Protein entwickelt. Ein umfangreiches präklinisches Programm sowie eine Phase-I-Studie mit gesunden Freiwilligen wurden bereits abgeschlossen. Parallel hierzu wurden der Patentschutz ausgebaut und der „Orphan Drug Status“ für aGvHD sowie GBM beantragt und erteilt. Im Dezember 2009 wurde der erste Patient in die kontrollierte Phase-II-Studie für die Indikation Glioblastoma multiforme eingeschlossen. In rund 25 europäischen Studienzentren sollen in den nächsten 12 Monaten 83 Patienten rekrutiert werden. Primärer klinischer Endpunkt ist das progressionsfreie Überleben nach sechs Monaten. Somit konnte durch konsequente Fokussierung der Ressourcen innerhalb von vier Jahren das Projekt „from scratch“ bis zu einer „Proof of Concept“ Studie gebracht werden. Erfolgsfaktoren Diese schnelle Entwicklung von APG101 beruht aus meiner Sicht auf einer Reihe von Faktoren: • Der schnelle Aufbau eines engagierten Teams mit umfangreicher präklinischer, klinischer und Management-Erfahrung. • Die Auswahl der richtigen Partner – wie z.B. der Celonic GmbH für die GMP-Produktion des Wirkstoffkandidaten. • Die Wahl des Standortes auf dem Campus der Universität Heidelberg: Der intensive Dialog mit den Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Krammer und Priv. Doz. Dr. Ana MartinVillalba (DKFZ), gepaart mit den kurzen Wegen zu Neuroonkologen und Radiologen wie Prof. Dr. Wick, Prof. Dr. Debus (Universitätsklinikum Heidelberg) und Dr. Tüttenberg (Universitätsklinikum Mannheim, jetzt Klinikum Idar-Oberstein) erlaubten Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 es, die Relevanz der im Jahr 2008 veröffentlichten Ergebnisse bezüglich der Rolle des CD95-Liganden beim invasiven Wachstum von Glioblastom-Zellen bereits ein Jahr später an Patienten zu überprüfen. • Die enge Abstimmung mit der Zulassungsbehörde, dem Paul-Ehrlich Institut in Langen, war hilfreich in der zielgerichteten Definition der Entwicklungsschritte. • Das Vertrauen sowie das finanzielle Engagement unseres Hauptinvestors, der Familie Hopp, in das Management und seine Entscheidungen, unterstützt von einem konstruktiven Dialog mit dem Beirat. Dieses Vertrauen führte dazu, dass das Management des Unternehmens seine Zeit intensiv dem operativen Geschäft widmen konnte. Zukunftsperspektiven der Apogenix GmbH Das Unternehmen verfügt über ausreichend Liquidität, um die derzeit laufende „Proof-ofConcept“-Studie mit APG101 abzuschließen und auszuwerten. Die Ergebnisse werden im zweiten Halbjahr 2011 erwartet. Unabhängig von den Ergebnissen der Studie plant die Apogenix GmbH, das therapeutische Potenzial des Wirkstoffkandidaten in anderen Indikationen wie z. B. der „akuten Graft-versus-Host Disease“ oder Pankreaskrebs auszuschöpfen und die klinische Entwicklung nicht nur auf eine Indikation zu fokussieren. Für die genannten Indikationen liegen überzeugende präklinische Befunde vor. Allerdings bedarf es für die Durchführung entsprechender „Proof-of-Concept“-Studien zusätzlicher Finanzmittel, die entweder aus Lizenzabkommen oder weiteren Finanzierungsrunden stammen könnten. Angesichts der hervorragenden Verträglichkeit der Substanz, gepaart mit hoher Produktivität, langer Halbwertszeit und einer soliden Patentposition ist das Unternehmen optimistisch, das hierfür notwendige Geld einwerben zu können. www.apogenix.com „First in Class, First in Man“: Erfolgsfaktor Prozesse Impfstoff aufzeigen konnten. Mithilfe einiger Förderprogramme und recht geringem Eigenkapital war die Firma zunächst zwei Jahre lang der Universität Tübingen angegliedert. Ende 2002, nach der ersten kleineren Finanzierungsrunde, siedelte die CureVac in den nahe gelegenen Technologiepark über. Wir finanzierten weiterhin nahezu sämtliche Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten über Förderprogramme und deckten die Gegenfinanzierung durch Service-Dienstleistungen ab. Dr. Ingmar Hoerr, CEO CureVac GmbH, Tübingen Wissenschaftliche Grundlagen Wie vielen Biotechnologiegründungen liegen auch der Gründung der CureVac GmbH, Tübingen, neue Erkenntnisse einer biologischen Doktorarbeit zu Grunde: Das extrem instabile Biomolekül messenger RNA (mRNA) kann – entgegen der allgemeinen Lehrmeinung – bei entsprechender Formulierung als Therapeutikum und Impfstoff Verwendung finden. Verabreicht man mRNA direkt in Gewebe, können Proteine sehr effizient exprimiert werden. Da RNA darüber hinaus das Immunsystem über sogenannte “Toll Like“ Rezeptoren aktiviert, ist es mit unserem Ansatz möglich, innovative Vakzine zu generieren. mRNA wird im Körper zuverlässig mit definierter Halbwertszeit abgebaut und interagiert nicht mit der Erbsubstanz DNA im Zellkern. So gestaltet sich die Verwendung von mRNA sicherer als die Verwendung aller bekannten DNA-basierten Vektoren. Weiterhin konnten wir mit dieser mRNA-basierten Methode signifikant höhere Proteinmengen in kürzerer Zeit erzielen als bei Vergleichsexperimenten mit DNA-basierten Gentherapievektoren. Geschäftsidee und Erstfinanzierung Auf Grundlage dieser Ergebnisse und Überlegung bauten wir unsere RNActive®-Technologie zur Geschäftsidee aus. Sehr schnell erreichten wir vielversprechende Ergebnisse mit immunologischen Modellen, anhand derer wir die Wirksamkeit von mRNA als Etablierung von Prozessen auf dem Weg zum professionellen Dienstleister Die Nähe zu unseren Kunden zeigte uns, dass wir unsere akademisch geprägten Strukturen wandeln mussten, um wettbewerbsfähig zu sein. Wir strukturierten die Auftragsabwicklung neu, professionalisierten das Rechnungswesen und führten Projekt- sowie Qualitätsmanagementstrukturen ein. Fast alle Prozesse entstanden nach dem Motto „learning by doing“. Neben unvermeidlichen Anfangsfehlern mündete dies in eine steile Lernkurve, die sich schon bald als sehr nützlich für die weitere Entwicklung des Unternehmens erweisen sollte. Unser Antriebsmotor war weiterhin unsere Vision: die Entwicklung unseres neuartigen therapeutischen Ansatzes. Medikamentenentwicklung mit neuen Herausforderungen Der nächste Schritt war der Eintritt in die klinische Entwicklung von therapeutischen Vakzinen. Dafür war eine Produktion der Moleküle unter GMP-Maßstäben unerlässlich. Lohnhersteller gab es für langkettige RNA keine – so entschieden wir, diese Prozesse sowie die dafür notwendigen Räumlichkeiten selbst aufzubauen. Die pharmazeutische Herstellung eines „first in class“Produktes stellt auch für regulatorische Behörden eine besondere Herausforderung dar. So nahmen wir auch hier ein großes Interesse wahr, sich intensiv mit mRNA auseinander zu setzen. Die Diskussionen verliefen kritisch-sachlich und zwangen uns dazu, pragmatische Umsetzungswege zu wählen, um mit einem sehr geringen Budget die notwendigen Auflagen zu erfüllen. Die frühe Einbindung und der ständige Austausch mit den Behörden waren entscheidend für unseren Erfolg. So erreichten wir 2006 weltweit die erste Zertifizierung für eine GMP-Herstellung von langkettiger RNA Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 mittels eines enzymatischen Prozesses. Auch in Vorbereitung auf die klinischen Prüfungen, mit dem Status „first in class, first in man“, kontaktierten wir die regulatorischen Behörden (Paul-Ehrlich-Institut, Langen) sehr frühzeitig, um unsere präklinischen Experimente auf die entsprechenden Erfordernisse und Fragestellungen auszurichten. Solide Vorarbeit für VC Finanzierung Neben dem absoluten Vertrauen in unsere Technologie und dem damit verbundenen stoischen Durchhaltewillen waren das wissenschaftliche Datengerüst, die behördlichen Einschätzungen und Zertifizierungen, die Patente sowie professionell etablierte Prozesse ausschlaggebend für unsere erfolgreiche zweite Finanzierungsrunde in Höhe von 37 Millionen Euro im Jahr 2006 durch die dievini Hopp BioTech holding GmbH & Co. KG. Somit war es uns nun möglich, alle Aktivitäten vollständig auf die Entwicklung von mRNA-Therapeutika und Impfstoffen zu konzentrieren. Fazit In einem Start-up-Unternehmen sollte möglichst Alles von Anfang an dem „Proof of Concept“ (POC) untergeordnet werden. Prozessoptimierungen, vor allem im Bereich Qualitäts- und Projektmanagement, sind unerlässlich, um sich mit kleinem Budget auf diesen POC fokussieren zu können. Förderprogramme sind gerade in frühen Phasen lebensnotwendig, um risikoreiche Projekte zumindest zu einem ersten Meilenstein zu führen. Kompetente Investoren helfen beim Erreichen des POC, der zu gegebener Zeit ein entsprechendes Partnering der Technologie erlaubt. Behörden sollten ebenso unbedingt als hilfreiche Partner angesehen und deren Erfahrung und Einschätzung frühzeitig genutzt werden. Derzeit werden zwei RNActive®-basierte Moleküle der CureVac in drei klinischen Studien geprüft: CV9103 zur Behandlung von Prostata-Karzinom und CV9201 zur Behandlung von nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom. Weiterhin entwickelt CureVac prophylaktische Vakzine auf Basis dieser Technologie sowie Adjuvanzien. www.curevac.de 35 Glycotope: State of the art Technologie, risikodiversifizierte Pipeline und optimale Nutzung finanzieller Ressourcen Dr. Steffen Goletz, CEO&CSO Dr. Franzpeter Bracht, CFO&CBO Glycotope GmbH, Berlin Attraktives Produktportfolio … Die Glycotope GmbH ist mit inzwischen 120 Mitarbeitern eines der großen deutschen Biotechnologieunternehmen. Ihre Pipeline umfasst fünf Projekte: den Antikörper GT-MAB 2.5-GEX in der klinischen Phase I (Start Phase II geplant Q4 / 2010), einen anderen kurz vor Phase I (ab Q2 / Q3 2010) und drei weitere Pipeline-Produkte, die hiervon nur noch einige Monate entfernt sind. … basierend auf innovativen Technologieplattformen Die Glycotope verfügt über drei innovative Basistechnologien: Mit GlycoExpress™ wurde eine auf humanen Zellen basierende Plattform entwickelt, die eine humane Glykosylierung von Biotherapeutika (Antikörper, Wachstums- und Blutfaktoren, Proteinhormone, Zytokine etc.) sowie deren Optimierung erlaubt, z. B. in ihrer Bioaktivität, Bioverfügbarkeit, Stabilität und Immunogenität. Die zweite Basistechnologie „GlycoBodies“ dient der Entwicklung von humanisierten Antikörpern, die im Gegensatz zu den Protein-Epitopen heutiger Antikörper gegen Zuckerstrukturen gerichtet sind. Diese Art der Epitope ist zudem deutlich zahlreicher auf den Zielzellen vorhanden. Die hiergegen gerichteten Antikörper sind spezifischer als herkömmliche Antikörper und decken in der Regel eine breitere Indikationsspanne ab. Die dritte Technologie „GlycoProcess“ dient der reproduzierbaren und skalierbaren Produktion der biologisch vorteilhaftesten GlykoFormen bestimmter Biopharmazeutika. „Bio-Betters“ Hierauf basierend – und unter der Prämisse der Risikominimierung – wurde Glycotopes Pipeline gestaltet: Neben neuen Antikörpern (NBEs) gegen neuartige Targets und mit neuen Wirkmechanismen zur Behandlung von Tumorerkrankungen, die eine vollständige, kostenintensive und mit entsprechenden Risiken behaftete klinische Entwicklung durchlaufen, stellen verbesserte Versionen bereits am Markt etablierter Produkte („Bio-Betters“) über die Hälfte der Pipeline dar. Letztere sind in der Regel in mehreren Aspekten (z. B. Halbwertszeit, Immunogenität, Bioverfügbar- 36 keit) stark gegenüber bisherigen Produkten verbessert. Auch wenn hier ebenfalls eine vollständige klinische Entwicklung zur Zulassung nötig ist, sind diese im Vergleich zu NBEs schneller, kostengünstiger und mit deutlich geringerem Ausfallrisiko behaftet. Im Erfolgsfall ist der Ertrag zwar ggf. geringer als bei einer erfolgreichen Neuentwicklung, das Verhältnis von Risiko zu potenziellem Erlös ist jedoch sehr attraktiv. Weiterhin erlaubt GlycoExpress™ eine Diversifizierung der Entwicklungspipeline über verschiedenste Indikationen und Proteinklassen. Neben Antikörpern wurden verschiedene andere Proteine erfolgreich optimiert. So ist das fünfte Produkt der Pipeline ein optimiertes Glykoproteinhormon (FSH). Glycotope Pipeline Zwei Produktbeispiele verdeutlichen die Glycotope Pipeline: GT-MAB 2.5-GEX ist ein neuer humanisierter monoklonaler Antikörper zur Behandlung einer breiten Anzahl von soliden Tumoren und der überwiegenden Anzahl der Patienten der jeweiligen Indikation. Er richtet sich gegen eine neue Zielstruktur, eine Kombination aus Protein- und Glyco-Epitop, die auf sehr vielen Tumorzellen, nicht aber in relevanten Normalgeweben zu finden ist. GT-MAB 2.5-GEX hat drei verschiedene Wirkmechanismen und wirkt in präklinischen Modellen bereits in ungewöhnlich geringen Dosen. Die vollständig humane und optimierte Glykosylierung des Antikörpers bewirkt eine u. a. signifikante Steigerung der ADCC-Aktivität und Bioverfügbarkeit. Bei GT-MAB 5.2GEX handelt es sich um eine verbesserte Version eines bereits am Markt erhältlichen EGFR-Antikörpers. Durch die Expression in GlycoExpress™ zeigt GT-MAB 5.2-GEX nicht nur eine im Vergleich zum Original vielfach erhöhte ADCC-Aktivität, sondern erreicht auch eine viel breitere Patientenpopulation und eine deutlich verlängerte Halbwertszeit. Weiterhin ist zu erwarten, dass aufgrund der humanen Glykosylierung die Glyko-assoziierten immunogenen Nebenwirkungen, die bei einer erheblichen Anzahl der mit dem be- Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 reits vermarkteten Antikörper behandelten Patienten beobachtet werden, entfallen. Solide Finanzierung Eine weitere Grundlage für die erfolgreiche Unternehmensentwicklung ist das Investment der Brüder Dr. Thomas und Andreas Strüngmann mittels eines ihrer Investmentvehikel in Höhe von 40 Millionen Euro. Dieses Investment dient der Entwicklung der Projekte der Glycotope Pipeline sowie auch dem Zukauf weiterer Unternehmen. Hierbei wird neben der technologischen Ergänzung auch auf einen Leverage-Effekt durch einen Beitrag zur langfristigen Unternehmensfinanzierung geachtet. So umfasste die Übernahme der auf Perfusionstechnologie ausgerichteten biopharmazeutischen Produktionsanlage der Orpegen GmbH durch die Glycotope Biotechnology auch deren Diagnostik-Geschäft. Die Perfusionstechnologie ist ein Erfolgsfaktor, da sie eine ausgesprochen stabile und über viele Produktionsläufe und Skalen konstante Glykosylierung erlaubt. Die Diagnostika tragen mit wachsenden Umsatzzahlen ebenso wie die Auftragsproduktion und -entwicklung zur Reichweitensteigerung der Finanzierung bei. Den Erfolg der Akquisition verdeutlicht, dass bereits zwei Projekte von der Klonierung des Gens bis zur sterilen Abfüllung des Prüfpräparats für die klinische Testung kostengünstig, zeitsparend und erfolgreich umgesetzt wurden. Des Weiteren trägt die Vermarktung der GlycoExpress-Technologie über Kooperationsprojekte mit der Pharmaindustrie im Rahmen des Life-Cycle-Managements zu den Umsätzen bei. Die Einwerbung von Fördermitteln komplettiert die Liste an Instrumenten, die helfen, das der Glycotope zur Verfügung gestellte Kapital optimal zu nutzen. Aus Sicht des Managements gliedern sich die Erfolgsfaktoren der Glycotope in „Cutting-Edge“-Technologien, eine hierauf basierende, risikodiversifizierte Pipeline sowie die geschickte Nutzung und Erweiterung der finanziellen Ressourcen. www.glycotope.com Innovativer Ansatz für neue Expressionssysteme – CEVECs humane Amniocyten-Technologie auf dem Weg zum globalen Markterfolg Dr. Rainer Lichtenberger, CEO CEVEC Pharmaceuticals GmbH, Köln Zukunftsmarkt humane Expressionssysteme Der Weltmarkt für biopharmazeutische Arzneimittel boomt mit jährlichen Wachstumsraten von über 10 % auf über 70 Milliarden Euro im Jahr 2009. Zur Herstellung dieser biologischen Wirkstoffe sind zellbasierte Produktionssysteme unentbehrlich. Die zunehmend komplexen Biotherapeutika, welche auf ihrem Eiweiß-Grundskelett auch komplexe Zuckerstrukturen zur optimalen Wirksamkeit benötigen, erfordern den Einsatz hochgezüchteter Produktionszelllinien, um die komplexe Molekülstruktur naturidentisch herzustellen. Wichtige Plasmaproteine wie Blutgerinnungsfaktoren oder Proteaseinhibitoren können heute nur aus menschlichen Produktionszellen in einer therapeutisch akzeptablen Qualität gewonnen werden. Diese steigende Nachfrage nach Qualität, Naturidentität und hohen Expressionsraten bei der Herstellung biopharmazeutischer Proteine hat in den letzten Jahren die Entwicklung neuer Expressionssysteme stark vorangetrieben. Humane Zellsysteme haben ein hohes Potenzial als Zukunftstechnologie für die Produktion von humanen therapeutischen Proteinen, weil sie diese eben in genau gleicher Struktur und Qualität produzieren können wie der menschliche Körper selbst. Technologieplattform CEVEC CEVEC Pharmaceuticals GmbH, eine Ausgründung führender Biowissenschaftler der Universität Köln, hat sich seit 2004 diesen Trend zunutze gemacht und sich auf die Entwicklung eines eigenen humanen Zellexpressionssystems spezialisiert. Das Resultat waren CEVECs CAP®- und CAP-T™-Zelllinien, eine neue patentgeschützte Expressionsplattform, welche auf der Verwendung von humanen Amniozyten basiert. Amniozyten sind Fruchtwasserzellen, die bei der Amniozentese, einer klinischen Routineuntersuchung während der Schwangerschaft, gewonnen werden. Die Verwendung der für die Fruchtwasserdiagnostik nicht benötigten Amniozyten erfolgte unter Einhaltung aller rechtlichen und ethischen Erfordernisse (z. B. vollständige Dokumentation der Spendereinwilligung). Diese Zellen wurden in einem von CEVEC weltweit patentierten Verfahren unter Einsatz von viralen Strukturelementen zu unsterblichen, also beliebig vermehrbaren Produktionszellen entwickelt. Die hieraus gewonnene sogenannte Masterzellbank stellt heute das Kapital des globalen Geschäfts der CEVEC dar. Beide proprietäre Zelllinien weisen die gleichen positiven Eigenschaften auf, wie Herkunft aus ethisch akzeptierter Quelle, keinen Einsatz von Tumorzellen als Ausgangsgewebe und sind auf den Industrieeinsatz im Großmaßstab optimiert. In dieser Summe der Eigenschaften zeigen die CAPZellen signifikante Vorteile gegenüber bereits existierenden Produktionstechnologien. Geschäftsmodell CEVEC Diese state-of-the-art-Technologie wird von den Kunden meist für Forschungs- und Screeningaufgaben, aber zunehmend auch für die Entwicklung von Produktionszelllinien für die Large-Scale-Produktion von Biotherapeutika einlizenziert. CEVEC kann hier als einziger Anbieter von der frühen Forschungsaufgabe bis hin zur GMP-geeigneten Produktionszelllinie für die Marktversorgung ein und dieselbe leistungsfähige und qualitativ hochwertige Technologie anbieten, welche vom Maßstab unabhängige identische Produkteigenschaften sicherstellt. Im Gegensatz hierzu müssen andere Anbieter im Lauf der langen Entwicklungszeit des Biowirkstoffes regelmäßig die Produktionszellsysteme wechseln; mit erheblichem Zeitverlust, erhöhtem Entwicklungsrisiko und Mehrkosten für das forschende Pharmaunternehmen. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Zukunftsperspektive „Biosimilars – Bio-Betters“ Alle Industriestaaten haben ein hohes Interesse, das Potenzial für Preissenkungen nach Patentablauf auch für Biotherapeutika durch sogenannte Biosimilars umzusetzen. Gerade hier spielt die Verfügbarkeit von neuen, leistungsfähigen, zellulären Produktionssystemen für die kostengünstigere Biotherapeutika-Herstellung eine wichtige Rolle. Darüber hinaus bietet die Plattform der humanen Zellexpression weitere Vorteile in Richtung verbesserter Wirkstoffvarianten (z. B. durch „Humanisierung“ in einem menschlichen Zellsystem). Derartige Verbesserungen sind eine attraktive Erweiterung der BiosimilarStrategie hin zu „Bio-Betters“, die nicht nur von kostengünstigeren Entwicklungsprozessen und höheren Zulassungswahrscheinlichkeiten profitieren, sondern aufgrund der Verbesserungen auch eigenständigen Patentschutz erhalten können. CEVEC hat eine Reihe von verbesserten Wirkstoffvarianten in die Eigenentwicklung genommen, um diese in einem späteren Entwicklungsstadium an Pharmafirmen auszulizenzieren. Finanzierung einer Plattformtechnologie CEVEC konnte im schwierigen Umfeld des Jahres 2009 eine weitere Venture-Finanzierungsrunde zur breiten Markteinführung der neuen CAP-Technologie erfolgreich abschließen. Creathor Venture, die NRW.Bank sowie weitere Investoren stellten vier Millionen Euro Eigenkapital bereit. Hilfreich war sicherlich, dass CEVEC im Laufe der Kapitaleinwerbung schon mehrere Lizenzabkommen mit Biotechfirmen und Lohnherstellern abschließen konnte. CEVEC rechnet fest damit, ein führender Anbieter von Zelltechnologien und Dienstleistungen im schnell wachsenden Marktsegment der humanen, biopharmazeutischen Produktionssysteme zu werden. Die seitdem abgeschlossenen und noch in Verhandlung stehenden Kooperationen und Lizenzen mit Pharma- und Biotechunternehmen weisen in die richtige Richtung und eröffnen allen Beteiligten eine gute Perspektive hin zu einem möglichen lukrativen Exit in den nächsten zwei bis vier Jahren. www.cevec-pharmaceuticals.com 37 Analyse: Produktentwicklung Tendenz zu Biologicals Abbildung 3-2: Entwicklungspipeline nach Phase und Wirkstoffklasse Im Hinblick auf die Wirkstoffart der sich in der Entwicklung befindlichen Therapeutika lassen sich niedermolekulare Substanzen („Small molecules“; Chemicals) und Wirkstoffe auf Basis biologischer Herkunft, sogenannte „Biologicals“, einander gegenüberstellen. Zu letzteren zählen Antikörper, rekombinante Proteine, Peptide, RNA / DNAMoleküle, Naturstoffe und zellbasierte Substanzen. Anzahl Wirkstoffe in Studien 120 100 80 60 40 20 0 Präklinik 2008 2009 Phase I Biologicals Biologicals Phase II Chemicals Chemicals Phase III Sonstige Sonstige Quelle: Ernst & Young, 2010 Abbildung 3-3: Entwicklungspipeline nach Wirkstofftyp und Phase, 2009 Anzahl Wirkstoffe in Studien Betrachtet man die gesamte EntwicklungsPipeline von der Präklinik bis zur Phase III jeweils für die Jahre 2008 und 2009, fällt bereits der Überhang an Biologicals auf, der sich vor allem in der entscheidenden klinischen Phase II manifestiert. Das noch leichte Übergewicht der SMEs (Small Molecular Entities) in Phase I in 2008 wurde im Laufe des Jahres 2009 fast vollständig kompensiert. Noch deutlicher ist das Übergewicht der Biologicals in der Präklinik, wo diese im Verhältnis von 2/3 zu 1/3 über den SMEs liegen. Aus dieser Konstellation ist für die zukünftige Entwicklung der Pipeline aus der deutschen Biotechnologiebranche eine weitere Fokussierung auf biologische Wirkstoffe anzunehmen. Biologicals spezifiziert 64 21 Niedermolekulare Wirkstoffe 48 4 Monoklonale Antikörper Eine Subsegmentierung nach Wirkstofftyp zeigt neben den Wirksubstanzen auf chemischer Basis zusätzlich die Unterteilung der Biologicals. Im Vergleich der Jahre 2008 und 2009 zeichnete sich für das letzte Jahr eine leichte Erhöhung des prozentualen Anteils an rekombinanten Proteinen sowie an RNA / DNA-Molekülen ab. 33 4 8 1 31 5 Rekombinate Proteine 14 3 5 RNA / DNA 1 4 Peptide 2 Zellbasiert 2 1 Naturstoffe Präklinik Phase I Ein interessanter Schluss lässt sich auch aus der Verteilung der Wirkstofftypen auf die jeweiligen Entwicklungsstadien ziehen. So befinden sich im Vergleich zur klinischen Entwicklungspipeline (Phase I bis Phase III) überproportional viele monoklonale Antikörper in der präklinischen Validierungsphase. 11 5 6 6 3 2 0 25 9 5 10 20 Phase II 30 40 50 60 70 Phase III Quelle: Ernst & Young, 2010 38 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Produktentwicklung Abbildung 3-4: Klinische Entwicklungspipeline nach Therapiegebiet, 2009 n = 141 Sonstige Metabolismus und Endokrinologie 8 % 6 % Neurologie 6 % Infektion Onkologie 7 % 46 % Eine Unterteilung in die weiteren sechs Haupttherapiegebiete zeigt ein weitgehend ähnliches prozentuales Vorkommen auf. Bricht man die Therapiegebiete auf die jeweiligen Phasen in der klinischen Entwicklung herunter, so fällt – wiederum neben der vorherrschenden Anzahl an Antitumorsubstanzen – die im Gesamtvergleich der Phasenverteilung hohe Anzahl an Phase-IIWirkstoffkandidaten bei entzündlichen Erkrankungen auf. Dies ist vermutlich dadurch begründet, dass nach erfolgreichen Phase-I-Daten anschließend in verschiedene entzündlich bedingte Indikationen diversifiziert werden kann. 8 % Autoimmun Abbildung 3-5: 9 % Klinische Entwicklungspipeline nach Phase und Therapiegebiet, 2009 10 % Kardiovaskular Entzündung Anzahl Wirkstoffe in Studien Quelle: Ernst & Young, 2010 90 Onkologische Wirkstoffkandidaten vorherrschend Eine Analyse der Entwicklungspipeline nach Therapiegebiet stellt wie in den vergangenen Jahren auch die Übermacht an Wirkstoffkandidaten im Bereich Onkologie (46 %) dar. Aufgrund der Heterogenität von Tumoren bezüglich des befallenen Organs wie auch hinsichtlich der unterschiedlichen Expression von Tumormarkern ist eine solche Vielfalt allerdings zu erwarten. Auch spielen hier der weiterhin ungedeckte medizinische Bedarf sowie die Überalterung der Bevölkerung verbunden mit einem Anstieg an Krebsleiden eine bedeutende Rolle. Gerade im Zuge der Fokussierung auf Zielstrukturaufklärung und personalisierte Medizin ist zukünftig eher mit einer noch breiteren Auffächerung zu rechnen. Dies betrifft voraussichtlich ebenfalls die Therapieansätze bei neurologischen Erkrankungen. Wie der Beitrag von Professor Harald Hampel eindrücklich erläutert, werden Biomarker zukünftig in diesem Bereich eine entscheidende Rolle spielen und damit einer weiteren Diversifizierung für zielgerichtete Therapieansätze den Weg ebnen. 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Phase I Phase II Phase III Sonstige Metabolismus und Endokrinologie Neurologie Infektion Autoimmun Kardiovaskular Entzündung Onkologie Quelle: Ernst & Young, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 39 Produktentwicklung Eine Analyse hinsichtlich der Verteilung der Wirkstoffklasse auf die einzelnen Therapiegebiete hebt indes den potenziellen Einsatz von Biologicals im Bereich Tumorerkrankungen, metabolisch bedingten und kardiovaskulären Erkrankungen hervor. Dagegen kommen bei der Behandlung des peripheren und zentralen Nervensystems fast ausschließlich niedermolekulare Wirkstoffe zum Tragen. Dies ergibt sich daraus, dass die klassischen Therapieansätze in diesem Bereich oft eine Rezeptorhemmung oder -stimulation adressieren, für die kleine chemische Moleküle bestens geeignet sind. Desweiteren können small molecules die Blut-Hirn-Schranke passieren. Abbildung 3-6: Klinische Entwicklungspipeline nach Therapiegebiet und Wirkstoffklasse, 2009 Anzahl Wirkstoffe in klinischen Studien 36 Onkologie 23 6 4 Entzündung 8 2 9 Kardiovaskular 2 1 3 Autoimmun 7 1 4 4 Infektion 2 Neurologie 8 1 7 Metabolismus und Endokrinologie 2 6 Sonstige 4 1 0 Biologicals Chemicals 5 10 15 20 25 30 35 40 Sonstige Quelle: Ernst & Young, 2010 40 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Alzheimer Biomarker: Vorteile durch frühzeitige Kooperation zwischen akademischer Forschung und Industrie Prof. Dr. Harald Hampel, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie; Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main Rationale für Biomarker Die Entwicklung neuer Arzneimittel ist mit erheblichem finanziellem Aufwand und massiven Investitionsrisiken verbunden. Aus dieser Problematik ergeben sich zwei zentrale Fragen: 1. Kann der finanzielle, zeitliche und logistische Aufwand der Produktentwicklung substanziell reduziert werden? 2. Kann das Risiko eines Scheiterns schon sehr frühzeitig im Entwicklungszyklus identifiziert und damit insgesamt deutlich verringert werden? Die Antwort liefert die aktuelle BiomarkerForschung, hier am Beispiel der medizinisch und sozioökonomisch besonders bedeutsamen Gehirnerkrankung – AlzheimerDemenz (AD) – exemplarisch demonstriert. Allein in Deutschland leben derzeit über eine Million Patienten. Die weltweiten volkswirtschaftlichen Kosten der AD werden für das Jahr 2009 auf 422 Milliarden US-Dollar beziffert. Wegen der steigenden Lebenserwartung wird mit einer Erhöhung der Anzahl der Erkrankten weltweit von heute 35 Millionen auf 115 Millionen 2050 gerechnet. Es gibt keine effektive, krankheitsmodifizierende Therapie, jedoch befinden sich derzeit über 200 Kandidatensubstanzen in der klinischen Prüfung (mehr als 50 % der Pharma-Gesamtinvestitionen im Bereich ZNS). Biomarkerforschung bei AD Ein Biomarker ist ein objektives Maß für einen biologischen oder pathologischen Prozess, der dazu beiträgt, das Erkrankungsrisiko und die Prognose zu bestimmen, die Diagnosestellung zu unterstützen oder den Effekt von therapeutischen Interventionen zu überwachen. Grundsätzlich können Biomarker aus verschiedenen Körperbereichen (z. B. Blut, Liquor cerebrospinalis) oder mit verschiedenen Analyse-Modalitäten (neurochemisch, neurogenetisch, neurophysiologisch, zerebrale Bildgebung) bestimmt werden. Die Biomarker-Forschung beschäftigt sich dabei u. a. mit der Frage, welche Parameter besonders gut geeignet sind, um Patienten mit einer präsymptomatischen bzw. beginnenden symptomatischen AD von gesunden Probanden oder von anderen Demenzformen zu unterscheiden. Besonders gute Evidenz gibt es derzeit im Bereich der Liquorbasierten Biomarker. So führt der Einsatz der drei heute am besten etablierten „Kernbiomarker“ (A 1-42, Tau und Phospho-Tau) zu einer substantiellen Verbesserung der diagnostischen und prognostischen Genauigkeit. Neue Biomarker-Kandidaten sind in der Entwicklung. Biomarker / klinische Pharmaforschung Für den Einsatz von Biomarkern in der klinischen Pharmaforschung besteht erheblicher Entwicklungsbedarf. Erst in einigen neueren Studien werden manche Biomarker als Zusatzparameter erhoben. Dies geschieht jedoch meist spät in Phase II / III. Die Zulassungsbehörden (BfArM, EMEA, FDA) gehen nun dazu über, den unterstützenden Einsatz von Biomarkern bei klinischen Studien zu erwägen. Die Ausarbeitung eines Konsensus hierzu wurde kürzlich in Auftrag gegeben. Benefiz durch Biomarker-Einsatz Mit Hilfe von Biomarkern lässt sich eine diagnostische Anreicherung von Patientengruppen erzielen. Dabei entsteht eine höhere Trefferquote für „richtige“ AD-Diagnosen in präklinischen oder klinischen Stadien. Weiterhin lassen sich Patientensubgruppen anhand von Markern stratifizieren und homogenisieren. Dies reduziert in Phase-II / IIIStudien massiv das Entscheidungsrisiko für weitere Investitionen, verringert die biologische Heterogenität des Untersuchungskollektivs, erhöht die statistische Power und ermöglicht schlankere und kostengünstigere Probandenkollektive. Daneben können Bio- Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 marker auch zum Therapie-Monitoring eingesetzt werden („Theragnostics“). Hier kann ein gezielter Einsatz beim Screening von Substanzen in kleinen klinischen Pilotprojekten dazu beitragen, wenig effektive Substanzen frühzeitig herauszufiltern. Durch das Reduzieren des Go / NoGo-Entscheidungsrisikos und somit das Vermeiden vieler erfolgloser Phase-II/III-Studien können leicht Kosten im Milliardenbereich eingespart werden. Die Implementierung spezifischer Biomarker stellt eine besondere Herausforderung an die Pharmaunternehmen dar, die oftmals keine eigene Expertise in diesem Spezialgebiet aufweisen. Hier sind synergistische Kooperationen mit akademischen Partnern sowie auf Biomarker-Entwicklung spezialisierten Biotech- und Diagnostikunternehmen die derzeit einzig sinnvolle Perspektive. Die parallelisierte Entwicklung von Biomarkern für unterschiedliche Funktionen für klinische Therapiestudien und von neuen wirksamen pharmakologischen Substanzen muss deshalb dringend verwirklicht werden. Es bieten sich auch spezielle projekt- und produktbezogene Kooperationen zwischen der Industrie und akademischen Partnern mit Spezialkompetenz an. Aufgrund des aktuellen Drucks vieler Kandidatensubstanzen und erster gescheiterter großer Entwicklungsprogramme einzelner Firmen entsteht derzeit eine zunehmend kompetitive Situation für Pharmaunternehmen, sich die Kooperation zu den international wenigen ausgewiesenen und exzellenten akademischen Biomarker-Partnern zu sichern. www.psychatrie.uni-frankfurt.de Referenzen: Blennow K, Hampel H, Weiner M, Zetterberg H. Cerebrospinal fluid and plasma biomarkers in Alzheimer disease. Nature Reviews Neurology. 2010;6:131-44. Hampel H, Broich K. Enrichment of MCI and early Alzheimer‘s disease treatment trials using neurochemical and imaging candidate biomarkers. J Nutr Health Aging. 2009;13:373-5. 41 Produktentwicklung Abbildung 3-7: Klinische Entwicklungspipeline nach Phase im Ländervergleich Anzahl Wirkstoffe in klinischen Studien 235 UK 216 141 135 Deutschland Der Vergleich der absoluten Zahlen an Entwicklungsprojekten berücksichtigt allerdings nicht die spezifische Produktivität des jeweiligen Landes. Um dies korrekter darzustellen, müssen diese ins Verhältnis mit Größenparametern gesetzt werden. In der folgenden Darstellung – bezogen auf die Anzahl der Therapeutikaentwickler – ändert sich das entsprechende Ranking signifikant. Danach belegt Dänemark mit einem Quotienten von 2,74 aus klinischen Projekten zur Anzahl an Therapeutikaentwicklern den Spitzenplatz, gefolgt von der Schweiz (1,88), Frankreich (1,48) und UK (1,46). Deutschland (1,09) landet in dieser Analyse auf dem letzten Platz der verglichenen „Big Five“. Mangelnde Finanzierung aber sicherlich auch unzureichende Rahmenbedingungen für F&E-intensive Industrien spielen hier wahrscheinlich eine Rolle. 122 120 Frankreich Schweiz 101 120 77 68 Schweden Israel 57 72 66 63 Italien 53 46 Niederlande 29 32 Norwegen 35 35 Spanien 38 29 Irland 34 25 Belgien 26 20 Österreich Finnland 9 0 2009 2008 Produktivität 137 139 Dänemark Phase I Phase I (13 %), also in Marktnähe. Interessanterweise liegt Deutschland in dieser Pipelinedarstellung nahe bei den Durchschnittswerten, mit 30 % Phase I etwas unter dem Schnitt, dafür aber mit 60 % Phase II deutlich über dem europäischen Mittel. 10 % in Phase III laufen geringfügig hinter dem Wettbewerb in Europa. 14 50 100 Phase II Phase II 150 200 250 Phase III Phase III Quelle: Ernst & Young, 2010 Produktentwicklung im europäischen Vergleich Mit der positiven Ausbildung an der Produktentwicklungsfront konnte sich die deutsche Biotechnologiebranche auch im europäischen Umfeld gut behaupten. Nach UK – nach wie vor mit signifikantem Abstand führend – behauptet Deutschland in der Länderskala den zweiten Platz, knapp vor Dänemark. Alle führenden Biotechnationen in Europa (mit Ausnahme Dänemarks)haben ihre Produktpipelines aktiv weiterentwickelt; auffallend sind die Steigerungen in Schweden (plus 13 %) sowie in der Schweiz (plus 19 %)mit zweistelligen Wachstumsraten in der klinischen Pipeline. In diesem Vergleich schneidet Deutschland etwas schlechter ab und landet mit 4,4 % Wachstum auf einem Mittelplatz. Erstaunliche Zuwächse werden auch von kleineren Biotechindustrienationen vermeldet; so kommt Belgien auf eine Steigerung von 36 % und insgesamt 34 klinische Produkte. In Summe werden in den europäischen Biotechunternehmen 1.204 Projekte klinisch entwickelt, was einem beeindruckenden Wertschöpfungspotenzial entspricht. Die Gesamtpipeline spaltet sich auf in 377 Projekte in Phase I (31 %), 673 in Phase II (56 %)und immerhin 154 in Phase III 42 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Abbildung 3-8: Spezifische Produktivität der klinischen Entwicklungspipeline im Ländervergleich, 2009 Anzahl Wirkstoffe in klinischen Studien pro Anzahl Therapeutikaentwickler Dänemark Schweiz Frankreich UK Deutschland 0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 Quelle: Ernst & Young, 2010 Produktentwicklung Abbildung 3-9: Entwicklungspipeline nach Therapiegebiet im Ländervergleich, 2009 Anzahl Wirkstoffe in klinischen Studien Dänemark Deutschland Frankreich Israel Italien Niederlande Schweden Therapiegebiete Die Verteilung der klinischen Projekte auf Therapiegebiete in den europäischen Staaten weist ebenfalls interessante Unterschiede auf. Obwohl in allen hier untersuchten Ländern Krebserkrankungen im Vordergrund stehen, nehmen sie besonders in Deutschland und Dänemark mit jeweils 50 %, in Italien und Spanien sogar mit über 60 % eine Sonderstellung ein. UK, die Schweiz und Israel haben hingegen einen relativ höheren Anteil an Neurologie-projekten, der vor allem in der Schweiz mit 31 % das Topsegment ausmacht. Demgegenüber spielt erstaunlicherweise in der Schweiz das Therapiegebiet Onkologie eher eine untergeordnete Rolle. Schweiz Wirkstofftypen Spanien UK 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % Onkologie Neurologie Metabolismus und Endokrinologie Autoimmun Entzündung 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % Infektion Kardiovaskular Quelle: Ernst & Young, 2010 Abbildung 3-10: Entwicklungspipeline nach Wirkstofftyp im Ländervergleich, 2009 Anzahl Wirkstoffe in klinischen Studien Dänemark Deutschland Frankreich Israel Italien Niederlande Auch hinsichtlich der Wirkstofftypen ergeben sich auffällige Unterschiede im europäischen Vergleich. Dänemark sticht dabei mit einem vergleichsweise hohen Anteil an Antikörpertherapeutika (über 20 %) hervor, aufgrund von Pionieren auf diesem Gebiet wie beispielsweise Genmab. Immerhin spielt Deutschland zusammen mit Ländern wie Schweden und den Niederlanden ebenfalls eine Rolle im Antikörperfeld mit Anteilen zwischen 8 % und 10 % der Projekte aus diesem Bereich. Andererseits ist die Antikörperfraktion in UK verschwindend, was auf einem relativ hohen Anteil von Speciality-Pharmaunternehmen zurückzuführen ist, die mit höherer Frequenz kleine Moleküle bearbeiten. Die einst dominierende Antikörperfirma CAT ist inzwischen Teil von AstraZeneca. Interessant ist auch die Verteilung von neuen Medikamentenformaten wie zellbasierten Therapeutika, mit denen sich Italien, Israel und Spanien hervortun oder RNA /DNA-Drugs, die in Deutschland und Spanien eine relativ bedeutendere Rolle spielen. Schweden Schweiz Spanien UK 0 % Zellbasiert Peptide RNA / DNA 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % Monoklonale Antikörper Rekombinante Proteine Niedermolekulare Wirkstoffe Quelle: Ernst & Young, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 43 4 Transaktionen 44 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Fakten im Überblick Neue Spielregeln – neue Chancen Neue Spielregeln werden zukünftig in der Biotechnologiebranche auch bei den Transaktionen gelten. Einen wesentlichen Treiber dafür stellen die strukturellen Veränderungen in der pharmazeutischen Industrie dar. Nach dem Abbau im Bereich Marketing & Vertrieb als initialem Einstieg in ein umfassendes Kostenreduktionsprogramm gehen die Pharmaunternehmen nunmehr dazu über, die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten effizienter zu gestalten und Kosteneinsparungen auch seitens F&E zu realisieren. Neben der Konzentration auf Kernkompetenzen wird dies unter anderem mit einer Desintegration eigener F&E-Einheiten erzielt. In der Konsequenz wird es für Pharmafirmen in Zukunft zunehmend essenziell werden, zum einen Innovationen von außen ins Unternehmen zu holen, zum anderen die Vergabe von Dienstleistungen nach extern zu erhöhen. Von beiden Entwicklungen können Biotechunternehmen profitieren, indem sie der Pharmaindustrie als komplementäre Partner zur Verfügung stehen. Dies eröffnet ihnen die Perspektive – speziell in Krisenzeiten, in denen klassische Finanzierungsinstrumente nicht mehr greifen – Transaktionen verstärkt als alternative Kapitalquelle zu nutzen. Daher wird erwartet, dass Transaktionen in Form von Partnerschaften zukünftig grundlegend an Bedeutung zunehmen werden. Insbesondere kreativen Ansätzen wie z. B. Optionsvereinbarungen, die dem Interesse beider Seiten entgegenkommen, wird künftig eine gewichtige Rolle zugesprochen. Entwicklungen bei den Allianzen Entsprechend den Erwartungen, dass Biotechunternehmen in schwierigen Zeiten verstärkt Transaktionen als Finanzierungsinstrument anstreben, war 2009 auf europäischer Ebene eine leichte Aktivitätszunahme bei den Allianzen festzustellen. Im Gegensatz dazu zeichnete sich allerdings bei den Allianzabschlüssen in Deutschland – nach zwei Plateaujahren – für das Jahr 2009 sogar ein Rückgang um 26 % ab. Schlüssige Begründungen für diesen unerwarteten Rückgang ergeben sich am ehesten aus der Segmentierung der deutschen Biotechindustrie in unterschiedliche Geschäftsbereiche, die direkt mit entsprechend distinkten Geschäftsmodellen verknüpft sind. Der in Kapitel 2 (Geschäftsstrategien) gezeigte Überhang an Service- / TechnologieTool-Anbietern impliziert, dass diese Unternehmen stärker von Technologiedeals profitieren könnten. Die Tatsache allerdings, dass sie dies zumindest in Bezug auf die Menge der bekannt gegebenen Kooperationen nicht tun, deutet darauf hin, dass sie eher im kleinen Rahmen Produkte (Medien, Zelllinien, Testkits etc.) verkaufen und mit kleineren Serviceaufträgen Umsatz generieren, was sie von typischen „Biotechfinanzierungen“ unabhängig macht. Kreativität beim Allianzabschluss zahlt sich aus Wie in der Zeitreihe ersichtlich, war 2008 bezüglich der publizierten „Biodollar“-Volumina aus Allianzen ein überdurchschnittlich erfolgreiches Jahr. Zwar konnte 2009 dieses Gesamtvolumen bei weitem nicht erreicht werden; allerdings bescherte Kreativität beim Verhandeln der Transaktionen einigen Unternehmen sehr lukrative Dealabschlüsse. Während im Jahr 2008 eine einzelne Allianz (Cellzome / GSK) 80 % des gesamten Volumens trug – in weitem Abstand gefolgt von einer Allianz im Wert von 170 Millionen Euro –, erzielten 2009 zwei Unternehmen Allianzabschlüsse mit einem potenziellen Wert von jeweils über 200 Millionen Euro (DeveloGen / Evotec). Unter den ausgewählten Transaktionen in der nachfolgenden Tabelle finden sich drei Allianzen, die auf innovativen Ansätzen basieren. Auffällig ist, dass diese offensichtlich in Fortführung des Jahres 2008 erfolgten, da alle Abschlüsse am Anfang des Jahres 2009 zu verzeichnen sind. Ausgewählte deutsche Allianzen Der in Deutschland für das Jahr 2009 finanziell erfolgreichste Deal demonstriert eine solche kreative Transaktion. Dabei verkaufte die biopharmazeutische DeveloGen die Rechte an neuartigen Therapieansätzen für metabolische Erkrankungen bereits in der Frühphase vor klinischen Tests an Boehringer Ingelheim. Dieses „projektbezogene Kauf- und Kooperationsabkommen“ beinhaltete eine Kooperationsvereinbarung über weitere Entdeckungs- und Entwick- Abbildung 4-1: Allianzen deutscher Biotechunternehmen – Zahlungsströme im Jahresvergleich Summe (Mio. €) 2009 2008 2007 2006 2005 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 Upfront-Zahlungen Meilenstein-Zahlungen Sonstiges und nicht bekanntgegeben Upfront-Zahlungen (Mega-Deal, Cellzome) Meilenstein-Zahlungen (Mega-Deal, Cellzome) Quelle: Ernst & Young, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 45 Alternative Finanzierungsformen: Frühes Vermarkten von F&E-Projekten geistige Eigentum über neuartige Mechanismen für die kausale Therapie von Typ 2 Diabetes. Der geschlossene Vertrag hat zwei Aspekte: • Verkauf von Vermögenswerten (geistiges Eigentum) eines Projekts in der Wirkstoffoptimierungsphase • Kooperationsvereinbarung über weitere Entdeckungs- und Entwicklungsarbeiten in diesem Feld Carsten Dehning, CFO DeveloGen AG, Göttingen DeveloGen – Innovation in F&E Forschung und Entwicklung in den frühen Phasen der Wertschöpfungskette geht einher mit hohen Ausfallrisiken. Andererseits ist ohne frühe Forschung keine echte Innovation möglich. Dies gilt im besonderen Maße für die Entwicklung neuartiger pharmazeutischer Therapien, wo nur bahnbrechende Erfindungen einen wirklichen Fortschritt in der Behandlung von Patienten bewirken können. Die DeveloGen AG ist ein biopharmazeutisches Unternehmen, das sich auf die Erforschung und Entwicklung neuartiger Therapien zur Behandlung von Stoffwechselerkrankungen spezialisiert hat. Insbesondere im Bereich neuer Therapien für Diabetes mellitus besitzt DeveloGen eine einzigartige Ansammlung von innovativen Ansätzen und Know-how, die internationale Anerkennung finden. Viele dieser Therapieansätze zielen darauf, die ursächlichen Mechanismen der Krankheit anzugehen, sie quasi an der Wurzel zu packen – und das in einem der größten Krankheitsmärkte mit seit Jahren stark steigenden Patientenzahlen und explodierenden Krankheitsfolgekosten. Das Umsatzpotenzial solcher Therapien liegt in Bereichen deutlich über eine Milliarde Euro jährlich. Sorgfältige Auswahl des Partners Der Vertrag stellt einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung der Gesellschaft dar. Mit Unterzeichnung ist es gelungen, ein international renommiertes Unternehmen der pharmazeutischen Industrie von den bei DeveloGen verfolgten innovativen Ansätzen zu überzeugen. Wichtiges Auswahlkriterium bei der Suche nach einem geeigneten Partner sind neben der Entwicklungs-, Vermarktungsund allgemeinen Finanzkraft vor allem das erklärte langfristige Engagement des Partners. Finanzierung durch Partnerschaften Finanziell bedeutet dieser Vertrag für die Gesellschaft: • Vorabzahlung bei Vertragsabschluss • meilensteinbezogene Zahlungszuflüsse • spätere finanzielle Partizipation an Umsätzen Validierung durch Partner Neben den finanziellen Aspekten ist die durch die Transaktion erfolgte Validierung des Geschäftsmodells und des Know-hows in der Außenwirkung nicht zu unterschätzen. Die Kollaboration beinhaltet neben dem Transfer des Projektes auch substanzielle Arbeiten in den Laboren von DeveloGen. Der Partner bekommt so weiter Zugriff auf das angesammelte Know-how. Intern erlangt die Organisation wertvolle Erfahrung für das bei DeveloGen betriebene Servicegeschäft im Bereich in–vitro- und in-vivo-Pharmakologie. Neue Allianzen – der Schlüssel zum Erfolg Im Mai 2009 verkündeten Boehringer Ingelheim und DeveloGen eine Zusammenarbeit u. a. im Bereich Diabetes. Basis des Vertrages sind das bei DeveloGen gebündelte Flexible Vertragsgestaltung insbesondere bei Frühphasenprojekten Das „Vermarkten“ eines Projektes weit vor dem Start klinischer Tests ist ein sensibler Balanceakt für beide Vertragsparteien. Aus Sicht von DeveloGen werden frühzeitig hohe Wertentwicklungspotenziale aufgegeben bzw. geteilt. Gleichzeitig führt dies aber ebenso zu einer Teilung der technischen und wirtschaftlichen Risiken, welche fortan zum Großteil der Partner trägt. Ein Vertrag dieser 46 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Größenordnung in diesem Entwicklungsstadium ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Das Alleinstellungsmerkmal des aus dem Projekt resultierenden Produktes muss einzigartig sein. Dies kann nur durch einen hohen Grad an Innovation erreicht werden. Nur für ein einzigartiges Produktprofil ergeben sich später herausragende Vermarktungschancen. Wegen der dem Entwicklungsstadium geschuldeten Unsicherheit in Bezug auf insbesondere technische Risiken ist die flexible Vertragsgestaltung von Bedeutung. Sie muss dem mit fortschreitendem Entwicklungsstand schrittweise verminderten Risiko und erhöhtem Wert des Projektes gerecht werden. Innovative Vertragsstrukturen, die beide Seiten betrachten, helfen hierbei. Zur Auswahl stehen Möglichkeiten der Gewährung von Lizenzen, der Eigentumsübertragung von Vermögenswerten bis hin zu M&ATransaktionen oder einer Kombination aus Eigentumsübertragung und M&A (Reverse Asset Deal), jeweils ergänzt durch kollaborative Elemente. Die Unterschiede in der Vertragsstruktur haben auch Auswirkung auf die finanziellen Interessen der Kapitalgeber, insbesondere im Hinblick auf einen von VC-Investoren bevorzugten Exit. Auch hier gibt es Kombinationsmöglichkeiten, beispielsweise durch die Ausgestaltung von strukturierten M&A-Transaktionen mit Hilfe von „Put-and-Call“-Optionen. Im Detail ergeben sich Fragen bilanzieller und steuerlicher Natur, Sorgfalts- und Treuepflichten, Kündigungs- und Rückübertragungsrechte und -pflichten sowie Auswirkungen in Bezug auf Transaktionskosten. In jedem Fall steht bei DeveloGen aber das partnerschaftliche Verhältnis im Vordergrund. Denn kein Vertrag kann eine gute Partnerschaft ersetzen oder retten. Fazit Die klare Fokussierung auf die Erforschung innovativer Therapien in einem attraktiven Indikationsfeld (Stoffwechselerkrankungen; speziell Diabetes) ermöglicht DeveloGen, als Wettbewerber auf Augenhöhe mit globalen, großen Unternehmen zu agieren. Ein zielorientierter Ansatz in der Auswahl der Projekte sowie in der Vermarktung der F&E-Ergebnisse gewährleistet den effizienten Einsatz finanzieller und personeller Ressourcen. www.develogen.com Transaktionen Tabelle 4-1: Ausgewählte Allianzen deutscher Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl) Firma Partner Land Art Datum Potenzieller Gegenstand Wert (Mio. €) DeveloGen Boehringer Ingelheim D Pharma 13. Mai 244 Projektbezogenes Kauf- und Kooperationsabkommen zwischen Boehringer Ingelheim und DeveloGen im Bereich Diabetes, Fettleibigkeit und metabolisches Syndrom Evotec Roche CH Pharma 9. März 170 Klinische Entwicklung der Produktkandidaten EVT 101 und EVT 103 in der Verantwortlichkeit von Evotec und finanziert durch Roche Wilex UCB B Pharma 9. Jan. 20 Übernahme der weltweiten Rechte zur Weiterentwicklung des präklinischen Onkologie-Portfolios von UCB durch Wilex sowie Sicherung einer Eigenkapitalzulage für Wilex Evotec Boehringer Ingelheim D Pharma 9. Nov. mind. 15 Verlängerung der bestehenden Forschungsallianz um weitere vier Jahre und Ausweitung auf den Bereich Onkologie Pieris Allergan US Biotech 15. Sept. mind. 7 Entdeckung und Entwicklung von Anticalin-Therapeutika im Bereich der Augenheilkunde basierend auf Pieris‘ proprietärer Anticalin-Technologie Quelle: Ernst & Young, 2010 lungsarbeiten und sicherte durch Meilensteine und spätere Umsatzbeteiligung den Fortbestand von DeveloGens Forschungsbeteiligung an diesem Projekt. Denn durch die Übernahme des Großteils an technischem und wirtschaftlichem Risiko hält der Pharmapartner dem kleineren Biotechpartner den Rücken frei, profitiert von dessen Knowhow und innovativen Ansätzen und steuert durch das frühe Mitwirken in der Wertschöpfungskette hohe Entwicklungspotenziale an. Als Treiber dieser Allianz zwischen DeveloGen und Boehringer Ingelheim können nachfolgende Faktoren gesehen werden: •► Potenzial einer multiindikativen Entwicklung auf Basis eines innovativen Wirkstofftargets •► Fundiertes Wissen und Expertise insbesondere auf dem Gebiet Diabetes seitens des Biotechunternehmens •► Aufstockung und Komplementierung des aus fortgeschrittenen Entwicklungskandidaten bestehenden Portfolios mittels früher Entwicklungskandidaten seitens des Pharmaunternehmens Die Transaktion zwischen DeveloGen und Boehringer Ingelheim versetzte DeveloGen in die Lage, mit einem frühen Entwicklungsprogramm ad hoc frisches Kapital in Höhe von sieben Millionen Euro zu generieren. Allerdings kam es nachgelagert zur Zahlung einer Umsatzbeteiligung in Höhe von 1,8 Millionen Euro an Evotec, da die dem Deal zugrunde liegende Zielstruktur aus einem Joint Venture mit diesem Unternehmen resultierte. Bei der Auflösung des Joint Ventures hatte sich Evotec Rechte vorbehalten, an allen zukünftigen Umsätzen zu partizipieren. Inwieweit der Allianztyp „Projektverkauf“ als Win-Win-Modell für beide Seiten, die Biotech- und die Pharmaindustrie, sowie als „trade-sale“-/Exitoption für Investoren zukünftig Eingang in die Strategie von Biotechunternehmen finden wird, bleibt zu beobachten. Der Dealabschluss zwischen Evotec und dem Schweizer Pharmaunternehmen Roche baut auf einer langjährigen Allianz- und Kooperationshistorie auf. Gegenstand ist eine Regelung zur Verantwortlichkeit und Finanzierung der weiteren klinischen Entwicklung einzelner Wirkstoffkandidaten aus der EVT100-Familie. Zudem wurden die Modalitäten angepasst, die für die Rückkaufoption der gesamten Wirkstoffkandidatenfamilie durch Roche gelten sollen. Der Grundstein zu dieser Kooperation wurde im März 2005 gelegt, als Evotec Neurosciences, eine Tochtergesellschaft von Evotec, eine exklusive Lizenz zur Entwicklung und Vermarktung eines um- Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 fangreichen Patentportfolios, auf dem die EVT100-Produktfamilie basiert, erworben hatte. Roche hatte sich dabei die Rechte eines späteren Rückkaufs vorbehalten. In der Zwischenzeit hat Evotec den ursprünglich von Roche entdeckten Wirkstoffkandidaten EVT101 präklinisch und klinisch bis zur Phase I vorangetrieben. Der nächste Schritt sind Phase-II-Studien. Für die Nachfolgesubstanz EVT103 wurden zudem alle vorbereitenden Studien für einen IND-Antrag abgeschlossen, um anschließend Phase-IStudien durchführen zu können. Interessanterweise übernimmt Roche nicht an dieser Stelle die weitere klinische Entwicklung, sondern belässt die Verantwortung dafür bei dem Biotechunternehmen und verpflichtet sich darüber hinaus, die vereinbarten Entwicklungsprogramme vollständig zu finanzieren. Erst nach einem erfolgreichen Phase-II-Abschluss wird sich entscheiden, ob Roche die Rückkaufoption ausübt und von wem die weiter anstehende Entwicklung daraufhin betrieben wird. Wenn auch unterschiedlich motiviert, setzt die Fortführung dieser Allianz auf einem starken beidseitigen Interesse auf. Evotec konnte aufgrund der bis dato erreichten erfolgreichen Entwicklung die gestärkte Verhandlungsposition für eine Verbesserung 47 Transaktionen der Vertragskonditionen nutzen. Durch die Finanzierung der klinischen Programme seitens Roche ist die Entwicklung bis zum Ende der Phase II gesichert. Die Gebühr für die Rückkaufoption spült aktuell frische Kapitalmittel in Höhe von 10 Millionen USDollar (7,2 Millionen Euro) ins Unternehmen. Für Roche wird das eigene Risiko zum jetzigen Zeitpunkt abgefedert. Trotzdem wird im Sinne der F&E-Produktivität ein Programm, dessen Entwicklung intern nicht vorgesehen war, für eventuell geringere Kosten außer Haus weitergeführt, und der Zugriff auf ein potenziell erfolgreiches Phase-II-Produkt bleibt vorhanden. Erwartungsgemäß werden Allianzen mit dem Bestandteil „Rückkaufoption“ zukünftig noch stärker als derzeit stattfinden. Es bleibt zu verfolgen, ob im Zuge der Konzentration auf Kernkompetenzen und des derzeitigen Abbaus von F&E-Kapazitäten bei Pharmaunternehmen in den folgenden Jahren weitere Allianzen entsprechend diesem Modell stattfinden werden. Optiondeals Auf jeden Fall wird davon ausgegangen, dass Optionsvereinbarungen sowohl in ihrer Bedeutung als auch in Folge davon in ihrer Anzahl signifikant zunehmen werden. Diese Form der Kooperation wird bereits als „Dealtyp der Zukunft“ gehandelt, da er die Interessen beider Industrien, Pharma wie Biotech, zusammenbringt. Auch Bayer Schering Pharma greift auf diesen Deal-Typ zurück, um in schwierigen Zeiten auch weiterhin innovative, erfolgBei dem dritten Beispiel handelt es sich reiche Partnerschaften voranzubringen. Die ebenfalls um eine strategische Allianz mit flexiblen Vertragsstrukturen erlauben IndiviModellcharakter. Bei dieser Transaktion dualität bei Allianzabschluss und verteilen übernahm das Biotechunternehmen Wilex die weltweiten Rechte zur Weiterentwicklung das Risiko besser, wie im nachfolgenden des gesamten präklinischen onkologischen Artikel erläutert wird. Portfolios des belgischen PharmaunterSo kann ein Pharmaunternehmen, bevor nehmens UCB. Im Gegensatz zu einer üblichen Akquisition verpflichtete sich UCB als es sich fest bindet, durch die Übernahme – oftmals geringerer – F&E-Kosten ein BiotechVerkäufer, zusätzlich zwei kurzfristig zu unternehmen darin unterstützen, ein frühes erreichende Meilensteinzahlungen à fünf Millionen Euro an Wilex zu zahlen. Darüber Produkt weiterzubringen und sich temporär eine Option an dieser Entwicklung sichern. hinaus beteiligte sich UCB an Wilex über den Kauf von Aktien im Wert von 10 Millio- Für das Biotechunternehmen ist es eine willnen Euro und verfügt damit über 13,2 % der kommene und kreative Möglichkeit, vorab Unternehmensanteile. Des Weiteren behielt an Geldmittel zu kommen; auch wenn sich UCB das Exklusivrecht, jedes der Programme ihre Entwicklung noch in einer frühen Phase befindet, in der das Pharmaunternehmen in nach Abschluss erster klinischer Machbarkeitsstudien zurückzukaufen, um es weiter der Vergangenheit noch nicht eingestiegen wäre. Als Konsequenz ergibt sich eine Winzu entwickeln. Win-Situation für beide Seiten: Im Ergebnis hat Wilex seine weit gereifte Pipeline durch eine Nachfolgegeneration er- Biotech gänzt und ausgeweitet sowie sich die kurz- • Wertschätzung des Projektes wird bereits mit Abschluss der Optionsvereinbarung fristige Finanzierung und einen langfristig erkennbar und publizierbar orientierten, strategischen Investor gesichert. • Weiterentwicklung und damit Wertsteigerung des Produktes ist gesichert UCB hingegen kann anstelle eines vollkommenen Verlusts kostengünstiger deinvestie- • Vorübergehende Finanzierung der F&Eren und refokussieren. Trotz Externalisierung Aktivitäten ist gewährleistet von F&E bleiben dem Pharmaunternehmen •► Finanzielle Engpässe können überbrückt werden Zugriffsrechte auf die Entwicklungen erhalten. Zusätzlich kann UCB auf das Know-how •► Durch das Aushandeln der Vertragsbedingungen werden Wert und Bereitschaft und die Erfahrungen von Wilex, die das Bioschon zu Beginn festgehalten techunternehmen bereits im Voranbringen von frühen onkologischen Entwicklungskandidaten demonstriert hat, bauen. 48 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Pharma •► Mit vergleichsweise geringen Optionsgebühren kann Innovation frühzeitig gesichert werden • Eine Validierung ist möglich, um eine passende Integration in das eigene Portfolio anschließen zu können • Falls die Validierung negativ ausfällt, sind die eingesetzten Kosten geringer als diejenigen, die intern anfallen würden • Eigenes Risiko wird klein gehalten • Durch Externalisierung kann auf zusätzliche Expertise wie auch Human Resources zugegriffen werden Zudem ermöglicht dieser anfangs temporäre Allianztyp längere Kennenlern-Möglichkeiten, die deutlich über eine Due Diligence hinausgehen. Erfolgreiche Allianzen fußen in einem hohen Maß auf gegenseitigem Vertrauen. Dies wird v. a. durch offene und regelmäßige Kommunikation, gegenseitigen Wissensaustausch und ein effektives Allianzmanagement geschaffen. Allianzmanagement ist ein lebendiger Prozess, welcher einer vorher festgelegten Strategie folgt und in dem die Partner fortlaufend voneinander lernen und die Geschäftsbeziehung sowie damit auch deren „Outcome“ optimieren. Annette Schulz von Ernst & Young geht dazu näher ins Detail und erklärt die Facetten eines erfolgreichen Allianzmanagements. Ein jedoch nicht zu unterschätzender Nachteil für das Biotechunternehmen kann dann entstehen, wenn das Pharmaunternehmen aus nicht ersichtlichen Gründen die Option nicht ausübt. In diesem Fall verringern sich die Chancen, mit anderen Partnern ins Geschäft zu kommen. Während in Deutschland als klassischer Optionsdeal die Vereinbarung zwischen ProBioGen und Sanofi Pasteur bezüglich der Nutzung der AGE1.CRZelllinie zu nennen ist, wird dieser Allianztyp in Europa wesentlich ausgeprägter genutzt. Wie anhand der ausgewählten Optionsvereinbarungen ersichtlich wird, können neben den sofortigen oft geringen Optionsgebühren bei späterer Ausübung der Option sehr hohe Transaktionsvolumina fällig werden. Die Auswahl zeigt ebenfalls einen regen Gebrauch dieses Dealtyps durch die Top-Pharmaunternehmen. Transaktionen Tabelle 4-2: Options-Vereinbarungen europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl) Firma Land Partner Datum Potenzieller Gegenstand Wert (Mio. €) Chroma Therapeutics UK GlaxoSmithKline 23. Juni 725 Entwicklung von gegen Makrophagen gerichteten Wirksubstanzen unter Einsatz von Chromas proprietärer Esterasesensitiven-Motif(ESM)-Technologie; vier Programme von der Entdeckung bis zum Abschluss des „Proof of Concepts“ in Kooperation mit GSKs Centre of Excellence for External Drug Discovery; Investment von GSK in Chromas Serie-DFinanzierung; Option auf die einzelnen Programme Prosensa Niederlande GlaxoSmithKline 13. Oktober 481 Lizenznahme der weltweiten Rechte für Prosensas RNAbasierte Leitsubstanz PRO051; Vorbereitung der Phase III; Option auf drei weitere RNA-basierte Programme, u. a. PRO044, in Kooperation mit GSKs Centre of Excellence for External Drug Discovery Oxford BioTherapeutics UK GlaxoSmithKline 18. Mai 266 Entwicklung therapeutischer Tumor-Antikörper durch GSK gegen Zielstrukturen, die von Oxford BioTherapeutics anhand der OGAP®-proteomic-Datenbank identifiziert wurden; Option auf einen Antikörper, den OBT in Eigenregie parallel bis zum „Proof of Concept“ weiterentwickelt NeuroSearch Dänemark Eli Lilly & Co 17. Februar 252 Entwicklung von ZNS-Therapeutika basierend auf definierten Ionenkanälen als Zielstruktur; NeuroSearch verantwortlich für Entdeckung und möglicherweise frühe Entwicklung; Optionsrecht von Eli Lilly auf individuelle Wirkstoffkandidaten Galapagos Belgien Merck & Co. 20. April 195 Entdeckung und präklinische Entwicklung von niedermolekularen Wirkstoffen zur Behandlung von entzündlichen Erkrankungen durch Galapagos, gerichtet gegen Zielstrukturen, die mittels SilenceSelect®-target-discovery-Plattform entdeckt werden; Option auf Kauf der Lizenzrechte durch Merck & Co Galapagos Belgien Merck & Co. 9. Januar 172 Entdeckung und präklinische Entwicklung von niedermolekularen Wirkstoffen zur Behandlung von Fettsucht und Diabetes durch Galapagos, gerichtet gegen Zielstrukturen, die mittels SilenceSelect®-target-discovery-Plattform entdeckt werden; Option auf Kauf der Lizenzrechte durch Merck & Co Vernalis UK GlaxoSmithKline 6. August 148 Entdeckung neuer Kandidaten unter Anwendung der Structure-Based-Drug-Design-Technologie von Vernalis; Risk-sharing Agreement; Vernalis verantwortlich für Identifizierung, GSK für präklinische Entwicklung der potenziellen Kandidaten Quelle: Ernst & Young, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 49 Zugang zu Innovationen durch erfolgreiche Partnerschaften und flexible Vertragsstrukturen Ein hoch qualifiziertes Team ist dafür kontinuierlich auf der Suche nach neuen Partnern. Bayer Schering Pharma zeichnet dabei aus, dass wir bereits in frühen Phasen der Entwicklung – in der Forschung und Präklinik – bemüht sind, Partnerschaften aufzubauen. Das Team unseres „Office of Technology“ hat sich darauf spezialisiert, frühe Forschungsprojekte für innovative therapeutische Ansätze und vielversprechende Technologien zu identifizieren und Kooperationen aufzubauen. Dr. Michael Yeomans, Leiter Global Business Development & Licensing Bayer Schering Pharma AG, Berlin Bayer Schering Pharma ist ein weltweit führendes Spezial-Pharmaunternehmen, dessen Geschäftsaktivitäten sich auf die Bereiche Diagnostische Bildgebung, General Medicine, Specialty Medicine und Women’s Healthcare konzentrieren. Bayer Schering Pharma setzt auf Innovationen, um mit neuartigen Produkten einen Beitrag zum medizinischen Fortschritt zu leisten und die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Die Forschung des Unternehmens konzentriert sich auf Bereiche mit hohem medizinischem Bedarf in der Onkologie, Kardiologie & Hämatologie, Frauengesundheit und der Diagnostischen Bildgebung. Innovation und Erfolg mit exzellenten Partnern Ein wichtiger Aspekt unserer Strategie ist die Zusammenarbeit mit externen Partnern aus Wissenschaft und Industrie, die über Spezialwissen verfügen und sich gemeinsam mit uns den Herausforderungen der Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte stellen wollen. Im Rahmen unseres globalen Netzwerks arbeiten wir in allen Phasen der Wertschöpfung – von Forschung über Entwicklung und Produktion bis zur Vermarktung – mit unseren Partnern zusammen. 50 Uns ist es wichtig, bei jeder Partnerschaft individuell vorzugehen. Deshalb arbeiten wir nicht mit Standard-Konditionen, sondern sind flexibel beispielsweise in Bezug auf Vertragsstrukturen. Wir wollen echte Partnerschaften, in denen beide Seiten sich entfalten und wir gemeinsam erfolgreich sein können. Deshalb wird jede Partnerschaft nach Vertragsabschluss durch einen Alliance-Manager begleitet, der sich für das ihm anvertraute Projekt engagiert einsetzt. Flexible Vertragsstrukturen in Zeiten wirtschaftlicher Krise Mit Blick auf die Wirtschaftskrise lässt sich feststellen, dass der Markt selektiver geworden ist, und es ist zu beobachten, dass sich immer mehr kreativere Vertragsstrukturen durchsetzen, die oft eine Risikodiversifizierung zum Ziel haben. Die nun verstärkt zu beobachtenden Optionsverträge sind dabei nicht neu; vor 10 bis 15 Jahren waren sie sogar weit verbreitet. Während der Hochzeiten der Biotechbranche waren die kleineren Firmen dann nicht mehr darauf angewiesen und schlossen bevorzugt direkte Lizenzverträge ab. Erst mit dem Einbruch der Weltwirtschaft und der daraus resultierenden eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten der letzten zwei Jahre wurde diese Art von Verträgen auch für Biotechfirmen wieder attraktiv. Bayer Schering Pharma konnte im vergangenen Jahr diverse Verträge abschließen, darunter auch Optionsverträge. Optionsverträge bieten in unseren Augen eine hervorragende Möglichkeit, schnell und schon sehr früh in vielversprechende Projekte einzusteigen und sich gleichzeitig das Risiko eines Fehlschlags mit dem Partner und dessen Finanziers zu teilen. Der Partner erhält die Gelegenheit, unter guten finanziellen Bedin- Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 gungen sein Projekt weiterzuentwickeln, was bei erfolgreichem Abschluss dann in der Optionsausübung und weiterer Finanzierung resultiert. Beispiel Micromet: eine Win-WinSituation für beide Partner Bayer Schering Pharma hatte Anfang 2009 eine Exklusivoption mit dem biopharmazeutischen Unternehmen Micromet für eine Kooperations- und Lizenzvereinbarung unterschrieben. Noch im gleichen Jahr, nach Erreichen eines bestimmten Meilensteins, wurde die Option durch das Unternehmen ausgeübt und die nun gemeinsame Entwicklung eines spezifischen BiTE-Antikörpers zur Behandlung solider Tumore begonnen. Micromet erhielt sowohl zum Zeitpunkt des Optionsvertrages als auch bei Optionsausübung eine Gebühr. Neben Ausgleichszahlungen für den Entwicklungsaufwand wird Micromet zukünftig meilensteinabhängige Zahlungen und gestaffelte Lizenzgebühren je nach Umsatz erhalten. Mit den BiTE-Antikörpern von Micromet konnte Bayer Schering Pharma einen vielversprechenden Ansatz in sein onkologisches Entwicklungsportfolio aufnehmen und zudem die strategische Ausrichtung des Unternehmens hervorragend stärken, welches sich künftig noch mehr auf die Biologika-Entwicklung konzentrieren will. Mit ähnlicher Zielsetzung wurde bereits 2008 das Biotechunternehmen DIREVO gekauft, welches sich auf die Identifizierung und Optimierung von biologisch-pharmazeutischen Wirkstoffen spezialisiert hatte. Die Ergänzung unserer Fachkompetenz durch den Aufbau langfristiger Beziehungen zu innovativen Partnern aus Wissenschaft und Industrie ist ein wesentliches Element unserer Strategie, und wir glauben, dass die Zusammenführung wissenschaftlicher Expertise aus unterschiedlichen Disziplinen und Kulturen entscheidend ist für Innovation und Erfolg im Dienste des Patienten: Science For A Better Life. www.bayerscheringpharma.de Allianzmanagement: Erfolgreiche Strategien für Allianzen und Partnerschaften Allianzstrategie entwickeln Allianzmanagement beginnt mit der Definition der Allianzstrategie, die aus der Unternehmensstrategie abgeleitet wird. Mit Hilfe von Market- und Technology-Intelligence sowie Unternehmensanalysen wird herausgearbeitet, in welchen Formen, Inhalten, geographischen und zeitlichen Gegebenheiten und in welchem Umfang Allianzen sinnvoll sind. Es gilt sowohl herauszufinden, was die organisatorischen Motivationen für Allianzen sind, als auch die Eckpfeiler und grundsätzlichen Ziele festzulegen. Annette Schulz, Ernst & Young GmbH, Eschborn Allianzmanagement Unternehmen des gesamten Life-ScienceSektors geben jährlich hunderte Millionen US-Dollar aus, um die Stärken anderer Firmen zu nutzen – Tendenz steigend. Mehr denn je liegen viele Fähigkeiten und Ressourcen, die für die Zukunft eines Unternehmens entscheidend sind, außerhalb der eigenen Unternehmensgrenzen. Allianzmanagement ist ein wichtiger Teil dieser Partnerschaften. Aber genau an dieser Stelle scheitern auch viele Vorhaben. Zu den Gründen zählen Managementstile, kulturelle Unterschiede und entgegengesetzte Erwartungen. Unternehmen, die in Zukunft verstärkt Partnerschaften eingehen, müssen neue Fähigkeiten im Bereich des Allianzmanagements entwickeln. Ernst & Young hat diese Aspekte aufgegriffen und in einem Lösungsansatz abgebildet. Wir haben ein integriertes Modell und Framework entwickelt, dass die vielen Facetten und Disziplinen, die für den Umgang von Allianzen nötig sind, beinhaltet. Dies soll Unternehmen helfen, bessere und dauerhafte Allianzerfolge zu realisieren. Folgende aufeinander abgestimmte Bereiche bilden das Gerüst eines erfolgreichen Allianzmanagements: • Allianzstrategie • Allianzdesign, unterteilt in Findungs- und Verhandlungsphase • Allianzmanagement Das richtige Allianzdesign wählen In der Findungsphase werden, abgeleitet aus der Allianzstrategie, geeignete Partner identifiziert und mit professionellen Screening-Methoden die passenden Partner herausgefiltert. Selektionsverfahren wurden entwickelt, die entscheidende Charakteristika beachten, durch die ein strategischer, operativer und unternehmenskultureller „Fit“ der Partner gewährleistet wird. Der folgenden Due Diligence des zukünftigen Partners wird besondere Wichtigkeit zugeschrieben, da sich hier herausstellt, ob der potenzielle Partner wirklich den erwarteten Input in die Geschäftsbeziehung einbringen kann. In der Verhandlungsphase kommt es zu Gesprächen und Verhandlungen mit potenziellen Partnern. Es gilt grundlegende Dinge zu beachten, die entscheidend den Erfolg einer Partnerschaft ausmachen: Festlegung der Richtung der Allianz, Art und Anzahl der Wertschöpfungsaktivitäten, Bindungsintensität, Zeithorizont, Ressourcenzuteilung, Formalisierungsgrad und Governance-Strukturen. Einfache und klare Ziele zu definieren und die Erwartungen in Einklang zu bringen, sind zwei der wesentlichen Erfolgsfaktoren. Zielorientiertes Allianzmanagement einrichten Nach den zwei ersten Phasen der Festlegung der Strategie und des Designs wird die Partnerschaft konkret im zielorientierten Allianzmanagement angegangen und auf verschiedenen Ebenen optimiert. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Ausrichtung der Organisation: Um eine Allianz erfolgreich zu gestalten, muss die Organisation angepasst werden. Ziel ist es, die Allianzen bzw. das Portfolio der Allianzen und Partnerschaften proaktiv zu managen, Beziehungen aufzubauen und zu festigen. Klare Verantwortlichkeiten helfen, Konflikte rechtzeitig zu beheben, das volle Potenzial der Allianz auszuschöpfen und Misserfolge zu reduzieren. Strukturierte Allianzprozesse: Klar strukturierte Allianzprozesse mit Phasen für die Anbahnung und Durchführung von Allianzen sind unerlässlich. Diese können als Grobfahrplan und Orientierungshilfe dienen. Erprobte und unterstützende Werkzeuge können je nach Phase der Optimierung des Allianzmanagements dienen. Allianzführung: Ein starkes Sponsorship durch das TopManagement spielt bei der nachhaltigen Etablierung der Allianz eine entscheidende Rolle. Kultur, Vertrauen, Kommunikation entwickeln: Unternehmen, die Allianzen erfolgreich praktizieren, schaffen ein hohes Maß an Vertrauen beim Partner, stellen einen effektiven und effizienten Wissensaustausch zwischen den Partnern sicher, kommunizieren offen und regelmäßig und lernen bewusst. Performance Management: Ein fortlaufendes Management von Allianzen erfordert eine kontinuierliche Erfolgskontrolle. Erst das Messen des Zielerreichungsgrades sowie des Beitrages zum Unternehmenserfolg einer jeden Allianz ermöglicht eine ständige Verbesserung und Überprüfung der Allianzstrategie, z. B. mit Hilfe von Balanced Scorecards. Fazit Das Marktumfeld von Biotechunternehmen verändert sich mit zunehmender Geschwindigkeit. Unternehmen können sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, wenn sie die Fähigkeiten, Allianzen und Partnerschaften zu managen, entwickeln und weiter ausbauen. Halten Sie Ihre Augen offen, seien Sie bereit zuzuhören, und schaffen Sie Partnerschaften, die neue Ideen hervorbringen! 51 Transaktionen Entwicklungen bei den Fusionen und Übernahmen Fusionen und Übernahmen spielten 2009 in Summe eine untergeordnete Rolle. So fiel deren Anzahl unter die Hälfte des Vorjahres. Zudem sank das erzielte publizierte Gesamtvolumen unter 60 Millionen Euro, was einen horrenden Einbruch im Vergleich zur Gesamtsumme von rund 800 Millionen Euro im Jahr 2008 manifestiert. In der nachfolgenden Abbildung ist jeweils das deutsche Biotechunternehmen der Käufer- bzw. der Verkäuferseite zugeteilt. Die Farbgebung gibt Auskunft darüber, welche regionale Zugehörigkeit der jeweilige Transaktionspartner aufweist. Auffallend ist, dass die deutsche Biotechindustrie diese Art von Finanzierungsinstrument 2009 – insbesondere im Vergleich zum Jahr zuvor – nicht zu nutzen wusste. Vielmehr traten die deutschen Biotechunternehmen als Käufer auf, um über Teilakquisitionen Anteile oder Assets mit einem durchschnittlichen Wert von 2,8 Millionen Euro zu erstehen. Einzig die Fusion zwischen GPC Biotech und Agennix schlug mit einem größeren Volumen von 46 Millionen Euro zu Buche. 52 Abbildung 4-2: Fusionen und Übernahmen deutscher Biotechunternehmen im Jahresvergleich und die regionale Verteilung der Partner Käufer Verkäufer 1 2 2009 1 1 2 2008 4 1 1 1 1 2007 2 2006 2 2 3 1 4 1 1 2005 10 Deutschland 5 7 0 Europa 5 1 5 USA 10 4 1 15 20 Asien Quelle: Ernst & Young, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Analyse: Transaktionen Analyse der Allianztypen Die nachfolgende Analyse der Allianzen ist vor allem darauf ausgerichtet, Entwicklungen deutscher Biotechunternehmen im Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise (2007 bis 2009) zu verfolgen. Darüber hinaus wird gleichzeitig der Vergleich mit dem europäischen Umfeld im Jahr 2009 unter die Lupe genommen. Die Verteilung der Allianztypen macht deutlich: Im Vergleich der Jahre 2007 und 2009 sank in Deutschland der Prozentsatz an Kooperationen von 41 % auf 37 %, während die Serviceaufträge von 20 % auf 23 % anstiegen. Im Dienstleistungssektor zeigt sich, dass im Jahr 2009 insbesondere Services im Bereich der frühen Wirkstoffentwicklung wie das Auffinden von Zielstrukturen, die Strukturaufklärung von bekannten Zielstrukturen sowie die Entdeckung von Leitsubstanzen nachgefragt wurden. Biotechunternehmen wie Cenix BioScience, Graffinity Pharmaceuticals und Proteros, die diese Services unter Einsatz ihrer Methoden und Technologien anbieten, waren daher bevorzugte Partner von Pharma- und Biotechunternehmen und konnten jeweils mehr als nur einen Deal eingehen. Betrachtet man die Entwicklung innerhalb der Allianzen generell unter dem Aspekt der Erschließung „alternativer Finanzierungsquellen“ und der Bündelung von Stärken in Krisenzeiten, sind verschiedene Ausprägungen zu beobachten. Abbildung 4-3: Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Typ Deutschland 2007 Deutschland 2009 2 % Europa 2009 4 % 8 % 20 % 11 % 23 % 37 % 42 % 41 % 39 % 37 % Kooperation 36 % Lizenzierung Service Produkt-/Asset-Kauf Quelle: Ernst & Young, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 53 Transaktionen Kooperation in Konsortien Im Sinne der Einwerbung von Kapital spielt verstärkt die Bildung von Konsortien eine Rolle. Durch die öffentliche Hand gefördert, wird hier die Zusammenarbeit zwischen akademischen Einrichtungen, kleineren Life-Science-Unternehmen und der pharmazeutischen Industrie forciert. Biotechunternehmen profitieren dabei sowohl von der Finanzierungskomponente als auch von der Gelegenheit, Zugang zu Pharmaunternehmen zu erhalten und in eine sich über mehrere Jahre erstreckende Zusammenarbeit zu treten. Ein Beispiel ist die Forschungskooperation von Affimed Therapeutics innerhalb der „Technologie-Initiative Molekulare Bildgebung“, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ins Leben gerufen wurde und die u. a. die Entwicklung von neuen diagnostischen Methoden zum Ziel hat. Innerhalb eines Konsortiums, bestehend aus dem Pharmaunternehmen Bayer Schering Pharma, dem deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ)und weiteren Partnern, ist das Biotechunternehmen dafür verantwortlich, neue Moleküle, die an membranassoziierte Zielstrukturen bei Tumorgeweben binden, zu identifizieren und zu isolieren. Innerhalb dieses Verbundprojektes ist es Affimed Therapeutics möglich, für die anstehenden Arbeiten eine Gesamtfördersumme von 550.000 Euro zu erhalten. Service- / Technologieverbund tragsforschung GVK Bioscience und das deutsche Biotechunternehmen Crelux eine Fragment-basierte Drug-Discovery-Plattform an, um alle Entwicklungsphasen vom Zielmolekül bis zu neuen Wirkstoffkandidaten bedienen zu können. Während Crelux insbesondere über Wissen in der Strukturaufklärung von Zielmolekül- / Wirkstoffkomplexen verfügt, steuert GVK Bioscience neben einer ausgereiften computerunterstützten Wirkstoff-Design(CADD)-Technologie die gesamte Servicepalette von chemischer Synthese und biologischer Validierung von Wirkstoffkandidaten bei. Um ebenfalls ihr Serviceangebot zu erweitern, haben der deutsche Auftragshersteller InVivo BioTech sowie der in Malaysien ansässige Auftragshersteller Inno Biologics jeweils ein Lizenzabkommen mit CEVEC zur Nutzung der CAP(CEVEC´s Amniocyte Production)-Technologie abgeschlossen. Auf dieser Basis können sie in der Zukunft ihren Kunden die Produktion von biopharmazeutischen Produkten mit humanem Glykosylierungsmuster anbieten (s. auch Artikel der CEVEC Pharmaceuticals in Kapitel 3). Vergleich Deutschland – Europa Bei einem Vergleich deutscher und europäischer Allianzabschlüsse im Jahre 2009 erkennt man in Europa einen leicht höheren prozentualen Anteil an Kooperationen und Lizenzvereinbarungen. Dagegen tritt ein signifikanter Unterschied im Bereich der Dienstleistungen zu Tage. Mit 23 % machen Serviceverträge in Deutschland einen im Vergleich zu Europa deutlich höheren Anteil aus (11 %). Als weitere Tendenz innerhalb der Allianzen treten auch häufiger Zusammenschlüsse von Service- / Technologieanbietern auf. Im Verbund können sie ihre Marktpräsenz verstärken und umfassende Dienstleistungspakete anbieten. Dies bedeutet zum einen, in der Krisenzeit besser aufgestellt zu sein, um sich für Projekte zu empfehlen; zum anderen wird die Zeit genutzt, sich jetzt für den Wettbewerb in den kommenden Jahren zu rüsten und mit vereinten Kräften gestärkt aus der Krise hervorzugehen. So bieten zukünftig der indische Dienstleister für Auf- In Deutschland spielen die Produkt- / Assettransaktionen nur eine untergeordnete Rolle und ließen zwischen den Jahren 2007 und 2009 nur eine unbedeutende Anhebung auf insgesamt 4 % erkennen. Veräußerungen von Produktlinien oder anderen Assets können – insbesondere in schwierigen Zeiten – 54 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Assetdeals aus zwei Richtungen betrachtet werden. Seitens des Verkäufers handelt es sich um Restrukturierung oder Deinvestition und dient damit dem Einspülen von liquiden Mitteln; für die Käuferseite ergeben sich daraus Opportunitäten, sich durch Assets zu verstärken, die vor der schwierigen Finanzlage auf dem Markt nicht zum Verkauf angeboten wurden. Und wie das Beispiel DeveloGen zeigte, brachte die frühzeitige Aufgabe von Wertentwicklungspotenzialen, welche eben auch mit einem hohen Risiko einhergehen, nicht nur Nachteile, sondern eine fortführende Kooperationsvereinbarung mit sich. Dennoch wird dieses Mittel zur Kapitaleffizienz in Deutschland nur ungern eingesetzt. In Europa nimmt der Produkt-/ Assetdeal mit 8 % einen durchaus höheren Stellenwert bei den Allianzen ein. Deutschland vorn bei Servicedeals ... In Deutschland spielt das Hauptgeschäftsfeld Service die größte Rolle und fällt damit aus dem europäischen Rahmen, der sich hauptsächlich den Therapeutika verschrieben hat. Dieser Schwerpunkt hat sich in Deutschland durch die Finanz- und Wirtschaftskrise noch weiter herausgebildet. Wie aus den nachfolgenden Abbildungen hervorgeht, nahmen 2009 in Deutschland – bezogen auf die Anbieterseite – Allianzen mit Beteiligung von Technologie- / Serviceanbietern gegenüber Therapeutikaentwicklern zu, während im Jahr 2007 noch fast eine Balance zwischen beiden Kategorien vorlag. Im Bereich Service / Technologie sind tendenziell vermehrt Partnerschaften eingegangen worden, bei denen Services zur Strukturaufklärung sowie Expressionssysteme, Zelllinien und Wirkstoff- bzw. Klonbibliotheken zur Verfügung gestellt wurden. Auch ist 2009 ein leichter Anstieg der involvierten Biotechunternehmen mit Fokus Diagnostikaentwicklung zu verzeichnen. Im Vergleich zum Jahr 2007 sind dagegen Beteiligungen von Unternehmen aus der grünen und industriellen Biotechnologie leicht rückläufig. Transaktionen Auf der Seite der nachfragenden Biotechunternehmen fiel die Anzahl der Therapeutikaentwickler ebenfalls augenfällig ab. Indes erhöhte sich auch auf Nachfrageseite die Beteiligung der Technologie- / Serviceanbieter. Hierzu tragen mitunter die bereits beschriebenen Kooperationen bei, in denen sich zwei Technologie- / Serviceanbieter zusammenschließen, um ihre Kräfte zu bündeln. trophie, mit GlaxoSmithKline und einem möglichen Dealvolumen von 481 Millionen Euro. Auch in der frühen Therapeutikaentwicklung sind werthaltige Kooperationen auf europäischer Ebene zu verzeichnen. Exemplarisch kooperierte Santaris Pharma mit Wyeth Pharmaceuticals in einer weltweiten strategischen Allianz zur Entdeckung und Entwicklung von RNA-Wirkstoffen in potenzieller Höhe von 609 Millionen Euro. Im Rahmen der Diskussion um handlungsfähige Unternehmen in schwierigen Zeiten kommen folgende Fragen auf: Kann die Abnahme der Therapeutikaentwickler als Ausdruck dafür gewertet werden, dass diese nicht mehr über die finanziellen Mittel verfügen, um sich Lizenzen und Dienstleistungen einzukaufen bzw. um sich adäquat in Kooperationen einzubringen? Ist dies ein Zeichen für die Refokussierung und Restrukturierung, da Programme schmal gehalten werden? Betrachtet man sich die Transaktionsbeteiligung von Diagnostikaentwicklern, so ist hingegen eine höhere Aktivität seitens deutscher Biotechunternehmen zu verbuchen. Ebenso ist bezüglich der Beteiligung von Biotechunternehmen im Bereich grüne und industrielle Biotechnologie festzuhalten, ... Europa hingegen bei Therapeutika Interessanterweise zeigt sich 2009 ein ganz anderes Bild auf europäischer Ebene. Dies entspricht in etwa der Situation in Deutschland im Jahr 2007, mit der Abweichung, dass auf der Anbieterseite die Therapeutikaentwickler im Vergleich zu den Technologie- / Serviceanbietern überwiegen. Die europäischen Therapeutikaentwickler scheinen also nach wie vor in der Lage zu sein, ihre Produktkandidaten auch in schwierigen Zeiten in Allianzen einzubringen. Beispiele hierzu sind die Auslizenzierung des Phase-II-Produktes Alpharadin des norwegischen Biotechunternehmens Algeta an Bayer Schering mit einem potenziellen Transaktionsvolumen von 560 Millionen Euro oder die gemeinsame Entwicklung Prosensas Phase-II-Produktes PRO051, einem RNAbasierten Wirkstoff gegen muskuläre Dys- Auch auf der Käufer- bzw. Nachfrageseite sind innerhalb Europas fast überwiegend Therapeutikaentwickler aktiv, was dafür spricht, dass diese noch über mehr „Bewegungsfreiheit“ und Finanzkraft verfügen. In Summe spiegeln diese Ergebnisse die Attraktivität dieser Kategorie auf europäischer Ebene plastisch wider. Des Weiteren ist, gesamthaft gesehen, in Europa gegenüber Deutschland eine höhere Aktivität auf der Käufer- / Nachfrageseite zu verzeichnen, die ebenfalls die bessere Handlungsfähigkeit unterstreicht. Abbildung 4-4: Vergleich deutscher Allianzen nach Hauptgeschäftsfeld der beteiligten Biotechunternehmen, 2007 und 2009 Nachfrage 2009 2 2007 1 5 1 20 30 Im Jahr 2009 sind somit in Deutschland auf der Anbieterseite wesentlich mehr Biotechunternehmen mit Technologie- / Servicefokus an Allianzen beteiligt. In Europa hingegen sind die Therapeutikaentwickler aktiver als die Technologie- / Serviceanbieter. dass hierbei der prozentuale Anteil der deutschen Biotechunternehmen den Anteil der europäischen Biotechunternehmen übersteigt. 9 Angebot 2 13 Therapeutika 23 9 29 10 20 Angaben in den Balken in Prozent 0 10 Diagnostika 39 7 20 32 30 Service 3 40 50 5 60 Grüne und industrielle Biotech Quelle: Ernst & Young, 2010 Abbildung 4-5: Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Hauptgeschäftsfeld der beteiligten Biotechunternehmen, 2009 Nachfrage 2 9 2 Deutschland 1 7 1 Europa 200 Therapeutika 13 23 26 100 Angaben in den Balken in Prozent Angebot 9 37 0 Diagnostika 3 100 Service Deutsche Allianzen wurden auf die Summe europäischer Allianzen hochgerechnet, um die Vergleichbarkeit zu erleichtern Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 39 24 200 3 1 300 400 Grüne und industrielle Biotech Quelle: Ernst & Young, 2010 55 Transaktionen Technologieallianzen überwiegen … Die Untersuchung des Transaktionsfokus über alle Allianztypen hinweg zeichnet genau dieses Bild. Im deutschen Umfeld verschob sich seit 2007 sowohl auf Anbieterals auch auf Nachfrageseite der Schwerpunkt eindeutig weiter in Richtung Technologieplattformen unter Abnahme von Produktdeals. Dies lässt sich insbesondere anhand der prozentualen Verteilung – bezogen auf die Gesamtanzahl im jeweiligen Jahr – verdeutlichen. Während der Anteil an Technologieallianzen im Jahr 2007 38 % betrug, erhöhte sich dieser im letzten Jahr auf 48 %. Dass sich Biotechunternehmen mitunter nicht nur auf ein Hauptgeschäftsfeld fokussieren, sondern mehrgleisig und damit in Zeiten knapper Kasse sogar besser fahren und agiler auf Engpässe reagieren können, verdeutlicht das Beispiel KINAXO. Die KINAXO Biotechnologies GmbH erkannte, dass schwierige Zeiten kreative Lösungen erfordern und entwickelte zusammen mit bereits bestehenden und auch neuen Partnern Verträge, die einerseits auf dem Anbieten einer Serviceleistung beruhen, andererseits aber auch die Anbindung an Therapeutikaentwicklung mit einschließen. Basierend auf seiner Phosphoproteomics-Technologieplattform werden so u. a. für Bayer Vital und Roche Diagnostics Biomarker identifiziert, wobei die Option auf eine Transformation der Dienstleistung in eine langfristige Entwicklungspartnerschaft gegeben ist. Technologieplattformen erweisen sich offensichtlich – neben den Optiondeals – als probates Mittel, der Krise zu begegnen. Doch sind dies Einzelfälle oder lässt sich hier ein Trend feststellen? Neben KINAXO stellt die Auslizenzierung der Tet-Expressionsregulierungs-Technologie über die Tet Systems Holding ein weiteres Beispiel dar. Dieser Deal konnte gleich viermal erfolgreich auf internationaler Ebene umgesetzt werden, nämlich mit Stemgent – USA, BioFocus DPI – UK, Takara Bio – Japan und Novo Nordisk – Dänemark. Abbildung 4-6: Vergleich deutscher Allianzen nach Transaktionsfokus, 2007 und 2009 Nachfrage 9 2009 30 Angaben in den Balken in Prozent 3 13 17 2007 Angebot 48 19 10 20 Technologie 8 38 0 10 20 Technologie/Produkt 19 12 30 23 40 50 60 Produkt Quelle: Ernst & Young, 2010 Abbildung 4-7: Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Transaktionsfokus, 2009 Nachfrage 9 Deutschland 17 Europa 200 Technologie Angebot Angaben in den Balken in Prozent 3 13 48 4 13 100 24 0 8 100 Technologie/Produkt In abgeschwächter Form nahmen zwischen 2007 und 2009 auch auf der Nachfrageseite die Technologiedeals zu, jedoch noch stärker die Produktallianzen ab. ... auch im europäischen Vergleich Produktseitig sind die Allianzabschlüsse von Epigenomics anzuführen. Innerhalb dieser nicht-exklusiven Lizenzvereinbarungen stellt das deutsche Biotechunternehmen seine proprietären DNA-Methylierungs-Biomarker Septin 9 (mSEPT9) und GSTP1 (mGSTP1) Auch im Vergleich zu Europa sticht der Technologiefokus Deutschlands für 2009 auf der Angebotsseite hervor. Doppelt so viele reine Technologien wurden im Vergleich zum restlichen Kontinent in Transaktionen mit eingebracht. Dagegen findet sich auf der Nachfrageseite ein vergleichbares Verhält- 56 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 19 34 200 300 400 Produkt Deutsche Allianzen wurden auf die Summe europäischer Allianzen hochgerechnet, um die Vergleichbarkeit zu erleichtern Diagnostikunternehmen für die Entwicklung molekularer Tumor-Diagnostika zur Verfügung. 8 Quelle: Ernst & Young, 2010 nis an technologienbasierten Abkommen in Deutschland und Europa. Hinsichtlich der Produktallianzen zeigt sich auf europäischer Ebene allerdings wiederum ein Übergewicht. Allianzen unter Beteiligung deutscher Biotechunternehmen zeigen somit – sowohl im zeitlichen als auch im regionalen Vergleich – einen Trend hin zu Transaktionen mit einem stärkeren Technologiefokus. Dies bedeutet, dass das Eingehen von Allianzen bezüglich der Wertschöpfungskette früher stattfindet. Die Verschiebung zu einer früheren Verpartnerung auf Basis von Technologien und Plattformen kann zwei Gründe haben: Zum einen reagieren deutsche Biotechunternehmen opportunistisch und bieten ihre Assets früher an, um Geldmittel zu generieren. Schwierige Zeiten erfordern kreative Lösungen Dr. Andreas Jenne, CEO KINAXO Biotechnologies GmbH, Martinsried Konfrontation mit Finanzierungskrise Wie viele Unternehmen bekam auch KINAXO Anfang 2009 die Auswirkungen der Finanzkrise zu spüren. Aufträge von Pharmafirmen blieben aus oder wurden zurückgestellt. Dabei hatte KINAXO im Jahr 2008 gerade erst den Break Even mit der Vermarktung seiner Technologieplattform erreicht. Auch Risikokapital zur Finanzierung des weiteren Unternehmenswachstums war nicht zu bekommen. Die geplanten Investitionen und ehrgeizigen Expansionspläne mussten daher vorerst auf Eis gelegt werden. Bereits Ende 2009 konnte KINAXO aber schon wieder Fahrt aufnehmen. Warum? Flexibilität im Geschäftsmodell Das Geschäftsmodell von KINAXO steht von je her auf mehreren Standbeinen: Dienstleistungen, Kooperationen und eigene Produktentwicklungen. Das bringt Flexibilität und den Vorteil, auf Veränderungen besser reagieren zu können. Als zu Beginn 2009 kaum mehr Neuaufträge eingingen, konnten wir unseren langjährigen Kunden Johnson & Johnson davon überzeugen, einen größeren Rahmenvertrag mit KINAXO abzuschließen. Das brachte Planungssicherheit für KINAXO – aber auch für Johnson & Johnson, die sich damit langfristig den Zugriff auf KINAXOs Technologieplattform sicherten. Mit Hilfe massenspektrometrischer Methoden spürt KINAXO die zellulären Targets von Wirkstoffen in Gewebeproben auf. Das hilft Johnson & Johnson, deren Wirkungsweise im Tiermodell oder Menschen besser zu verstehen und Nebenwirkungsrisiken frühzeitig zu erkennen. Mit Bayer Healthcare konnte Mitte 2009 ein Partner für die Entwicklung von Biomarkern gewonnen werden. Dadurch wurden nicht nur wichtige Kompetenzen ins Boot geholt, sondern auch die Entwicklungsrisiken und Kosten geteilt. Begleitend zu von Bayer durchgeführten klinischen Studien wird KINAXO prädiktive Biomarker für Leukämie-Patienten identifizieren, die mit dem Bayer-Medikament Nexavar behandelt werden. Ziel ist es, charakteristische Proteinphosphorylierungsmuster in Blutproben aufzuspüren, die als Biomarker für die Diagnostik eingesetzt werden können. Dadurch sollen Vorhersagen möglich sein, ob der Patient auf die Therapie anspricht oder nicht. Partnerverträge überzeugen Investoren Die Vertragsabschlüsse mit Johnson & Johnson, Bayer und Roche haben schließlich auch KINAXOs Investoren überzeugt und zudem neue Geldgeber angelockt. Kürzlich konnte eine Finanzierungsrunde abgeschlossen werden, die es KINAXO ermöglicht, weitere Biomarker-Projekte anzugehen. Bei der Finanzierung dieser und anderer in-houseEntwicklungen spielen auch öffentliche Fördermittel und klassische Bankdarlehen eine wichtige Rolle. KINAXO profitiert hier vor allem von den Förderprogrammen des BMBF, der Bayerischen Staatsregierung und der Bayerischen Forschungsstiftung, die den Finanzierungsmix aus Risikokapital, Umsatzerlösen und Darlehen komplettieren. Ohne diese Fördermittel wären die risikoreichen Forschungsprojekte mit unseren Partnern Priaxon, 4SC, Intana, Origenis, Genomatix und verschiedenen Forschungsinstituten und Kliniken aus dem Münchner bzw. Martinsrieder Biotechnologiecluster wohl kaum umsetzbar. Fazit Das mehrgleisige Geschäftsmodell ist in der Praxis manchmal mühsam, hat sich aber in der Krise als Trumpfkarte erwiesen. KINAXO konnte auf die veränderten Rahmenbedingungen schnell reagieren, indem Ressourcen zwischen den Geschäftsbereichen verschoben wurden. So gelang es KINAXO, neue Kooperationen abschließen, die Kundenbasis weiter ausbauen und zugleich frisches Kapital für die eigene Biomarker-Entwicklung einwerben. www.kinaxo.de Ende letzten Jahres gelang es, Roche Diagnostics von der KINAXO-Plattform zu begeistern. Gleich zwei Aufträge aus Penzberg gingen kurz hintereinander ein. Auch hier geht es um die Identifizierung von Biomarkern mit Hilfe der bei KINAXO etablierten Phosphoproteomics-Plattform. Allerdings diesmal nicht für niedermolokulare Wirkstoffe, sondern für therapeutische Antikörper aus der aktuellen onkologischen Entwicklungspipeline von Roche. Die derzeit noch auf Dienstleistung ausgelegte Zusammenarbeit, hat durchaus Potenzial, in eine langfristige Entwicklungspartnerschaft zu münden. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 57 Transaktionen Zum anderen besteht seitens der Pharmaunternehmen unter Outsourcing-Gesichtspunkten eine größere Nachfrage nach früherem Involvement von Biotechunternehmen. Wenn man diese Erkenntnisse mit der vorherrschenden Allianztypstruktur rückkoppelt, sind gewisse Abhängigkeiten erkennbar. Das Anbieten von Technologieplattformen bedingt in Deutschland offenkundig in schlechten Zeiten insbesondere Servicevereinbarungen. Auch bezüglich des Hauptgeschäftsfelds nahmen speziell auf der Verkäuferseite 2009 Allianzen mit Beteiligung von Technologie- / Serviceanbietern gegenüber Therapeutikaentwicklern zu, während im Jahre 2007 noch fast eine Balance zwischen beiden Kategorien vorlag. Der Schluss liegt also nahe, dass deutsche Biotechfirmen Dienstleistungen als Überlebensstrategien einsetzen, solange bis wieder genug Kapital vorhanden ist, um die eigenen Produktentwicklungen fortsetzen zu können. Angebot und Nachfrage auf dem biotechnologischen Markt in Europa Für einen differenzierteren Vergleich innerhalb einzelner europäischer Länder wurden die Allianztypen (bis auf rein kooperative Abkommen) hinsichtlich Käufer- und Verkäuferseite aufgeschlüsselt. Beim Vergleich Deutschland – Europa fällt auf, dass auf der Angebotsseite beinahe die Hälfte der deutschen Biotechunternehmen als Serviceanbieter in Erscheinung treten, während dies in den meisten europäischen Ländern weit weniger ausgeprägt ist. Europäische Biotechunternehmen treten dagegen wesentlich stärker in der Rolle als Lizenzgeber auf. Mit Blick auf das Generieren von Finanzmitteln ist anzumerken, dass speziell bei Auslizenzierungen meist höhere Transaktionssummen fließen. 58 Abbildung 4-8: Vergleich europäischer Käufer-/Verkäufer-Allianzen, 2009 Käufer Verkäufer Deutschland Europa Schweiz Dänemark Frankreich Niederlande Schweden UK 300 Lizenzierung 200 100 Service 0 100 200 300 Produkt-/Asset-Kauf Allianzen der Länder wurden auf die Summe europäischer Allianzen hochgerechnet, um die Vergleichbarkeit zu erleichtern Während seitens der Nachfrage ein vergleichbarer Anteil an deutschen und europäischen Biotechunternehmen Dienstleistungen einkauft, sind im europäischen Vergleich deutsche Biotechunternehmen bei Einlizenzierungen etwas zurückhaltender. Betrachtet man die Produkt- bzw. Assetveräußerungen, ergibt sich, dass auch auf europäischer Ebene ein leichter Überhang auf der Käuferseite besteht. Allerdings ist zu erwähnen, dass es sich bei ca. 24 % der Produkt- und Assetakquisitionen um Biotech-Biotech-Transaktionen handelt und somit beide Aspekte, Produktkauf wie auch Finanzierungsinstrument, zum Tragen kommen. Im Ländervergleich hebt sich die Schweiz mit einer abweichenden Verteilung ab. Im Gegensatz zu den übrigen europäischen Ländern sind hier zum einen in Summe mehr Aktivitäten auf der Käuferseite zu erkennen, zum anderen überwiegen Produktund Asseteinkäufe sowie die Inanspruchnahme von Dienstleistungen signifikant. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Quelle: Ernst & Young, 2010 Dies kann als Ausdruck einer „reiferen“ Biotechszene bewertet werden. Außerdem ist der Anteil an Verkäufen von Lizenzen oder Services in der Schweiz deutlich geringer als im restlichen Europa. Hier mag auch die bessere Kapitalisierung und damit verbunden eine geringere Notwendigkeit zum „Ausverkaufen“ zum Ausdruck kommen. Abgesehen von der Schweiz gestaltet sich die europaweite Transaktionslandschaft insgesamt derart, dass die Biotechindustrie als junger und innovativer Industriezweig stärkere Anteile auf der Verkäuferseite zu verzeichnen hat. Somit ist sie in der Lage, ihre Innovationskraft dem Markt zur Verfügung zu stellen, und wird dafür finanziell entlohnt. Wie dargestellt, sind allerdings unterschiedliche Beteiligungsschwerpunkte auszumachen. Transaktionen Alternative Allianzpartner werden attraktiver Bei der Gegenüberstellung der involvierten Allianzpartner, die mit deutschen Biotechunternehmen eine Partnerschaft eingegangen sind, zeigen sich ebenfalls neue Aspekte. Charakterisiert nach Pharma- und Biotechindustrie sowie anderen Partnern, worunter Unternehmen der Chemie-, der Landwirtschaft-, der Instrumenten- und Diagnostikindustrie, Universitäten und öffentliche Institutionen wie auch Stiftungen subsummiert sind, kam es zwischen 2007 und 2009 zu einer Verschiebung der Anteilsverhältnisse. Waren traditionell Pharma und Biotech immer verbündet, kommen zunehmend auch andere Allianzpartner ins Spiel. Bei dem Rückgang der Pharmapartner um 7 % und der Biotechpartner um 10 % – in der Vergangenheit insbesondere bei der Verwertung von Biotechnologieprodukten und -services von Bedeutung – gewinnen neuartige Allianzen (plus 17 %) für die deutschen Biotechunternehmen zunehmend an Attraktivität. Beispielhaft sind Allianzen auf dem Gebiet der Enzymentwicklung zwischen Henkel und Sloning Bio-Technology sowie Cognis und c-Lecta oder im Bereich Agrarwirtschaft zwischen Syngenta und Phytowelt GreenTechnologies zu nennen. Ferner schloss AbD Serotec ein Entwicklungsabkommen bezüglich hitzestabiler Antikörper mit der schweizerischen Non-Profit-Organisation FIND ab, und Mosaiques diagnostics und therapeutics eine Forschungsvereinbarung mit der FDA. Im Bereich Automatisierung konnte weiterhin mtm laboratories mit dem Instrumentenhersteller MetaSystems ein innerdeutsches Co-Development-Projekt vereinbaren. Interessanterweise zeigt die Analyse auf europäischer Ebene, dass eine vergleichbare Verteilung der Allianzpartner zwischen Deutschland und Europa festzustellen ist, wobei bestenfalls ein höherer Anteil der Pharmaindustrie zu erwähnen ist. Die verstärkte Interaktion mit anderen Partnern kann in schwierigen Zeiten durchaus als positive Ausprägung gewertet werden, zeigt sie doch, dass Biotechunternehmen im Zuge alternativer Finanzierungsmöglichkeiten bewusst auch neue Wege einschlagen und kreativer nach neuen Finanzierungswegen suchen. Auslagerungen von Produktionsprozessen oder ganzen Pipeline-Segmenten bieten sich auch für Biotechunternehmen an. CMOs (Custom Manufacturing Organization) wie Lonza schaffen kapitaleffiziente Zusammenarbeiten. Der Biotechpartner kann die Einsparung bei der Produktionsanlage in die weitere Entwicklung investieren, auf die Produktionsexpertise des CMOs zurückgreifen und mit state-of-the-art-Technologien rechnen. Zudem werden Überkapazitäten der Produktionsanlagen vermieden, wenn der CMO mehrere Kunden gleichzeitig betreut. Die horizontale Integration entlang der Wertschöpfungskette einer Produktentwicklung mit Partnern aus Pharma, Biotech und anderen Bereichen führt neben einer effizienteren Nutzung des noch vorhandenen Kapitals auch zu einer Vernetzung von Know-how, Wissensaustausch über Branchengrenzen hinweg und somit zu einer wertvollen Grundlage für mögliche weitere Innovationen. Abbildung 4-9: Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Art des Partners Deutschland 2007 Deutschland 2009 22% Europa 2009 24 % 28 % 31 % 37 % 39 % 37 % 47 % Pharma Biotech 35 % andere Partner Quelle: Ernst & Young, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 59 Warum sich „Outsourcing“ lohnt einen Dienstleister wie Lonza eher für einzelne Phasen aus und setzen in der kommerziellen Produktion des Wirkstoffes einen CMO als sogenannten Zweitlieferanten neben der hauseigenen Produktion ein. Dr. Toralf Haag, CFO Lonza Group Ltd., Basel Outsourcing durch Biotech Die Wirkstoffproduktion ist ein wichtiger Teil in der Wertschöpfungskette eines Biotechunternehmens. Neben der Eigenproduktion ist die Auslagerung des Produktionsprozesses an eine CMO (Custom Manufacturing Organization) eine etablierte Variante. Warum lohnt sich dieses Outsourcing für ein Biotechunternehmen überhaupt? Wo liegen die Vorteile für den Outsourcing-Partner? Wie lässt sich eine Zusammenarbeit am kapitaleffizientesten gestalten? Outsourcing liegt auch in der noch recht jungen Biotechbranche auf einem konstanten Niveau von rund 30 %. Zum Vergleich: Im traditionellen chemischen Geschäft liegt der Outsourcing-Anteil bei rund 25 %. Die Gründe für Outsourcing sind unterschiedlich. Vor allem junge Biotechunternehmen haben oft gar nicht die nötigen finanziellen Mittel, um eine eigene biotechnologische Produktionsanlage aufzubauen und lagern daher ihren gesamten Produktionsprozess an einen CMO wie Lonza aus, d. h. von der Molekül-Entwicklung von neuen Wirkstoffen, über die Prozessentwicklung für die klinischen Versuche bis hin zur großvolumigen Produktion von fertig zugelassenen Wirkstoffen. Große Pharmafirmen hingegen suchen 60 Outsourcing und Kapitaleffizienz In Zeiten von knappen Finanzressourcen nimmt der Outsourcing-Trend zu. Firmen legen den Fokus auf die Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und ihre Kapitaleffizienz. Dabei ist die Zusammenarbeit mit einem CMO wie Lonza für Biotechunternehmen in vielerlei Hinsicht sinnvoll. Anlagen, die es zur Fabrikation von Biotechprodukten braucht, sind in der Regel um ein Vielfaches teurer als die herkömmlichen chemischen Fabriken. Anstatt nun Anlagen selber zu bauen, kann mit der Auslagerung von Produktionsprozessen das Kapital effizienter eingesetzt werden. Weil das Biotechunternehmen damit weniger in eigene Anlagen investiert, steht mehr Cash zur Verfügung und ermöglicht so größere Investitionen in die Produktentwicklung sowie eine höhere Anlagenrendite. Von vermehrtem Interesse sind in jüngster Zeit sogenannte Pipeline-Deals, in welchen Lonza nicht mehr nur einzelne Wirkstoffe in Lohnfertigung produziert, sondern künftig für ausgewählte Kunden ganze PipelineSegmente entwickelt. In solchen Verträgen bringt Lonza als Zulieferfirma ihr führendes biotechnologisches Know-how ein und unterstützt einen Pharmakonzern bei der Entwicklung, Maßstabsvergrößerung (up scaling) und Herstellung von einer ganzen Reihe an biologischen Wirkstoffen. Ein CMO wie Lonza offeriert verschiedene Produktionstechnologien und unterschiedliche Volumina – von der Molekülentwicklung bis hin zur kommerziellen Produktion – womit die ganze Bandbreite der geforderten Dienstleistungen abgedeckt werden kann. Ein CMO ist dabei ein absoluter Produktionsexperte. Durch die Fokussierung der Forschung und Entwicklung auf Produktionsprozesse ist ein CMO oft einiges effizienter als dies eine Biotechunternehmung mit eigener Anlage sein kann. Bei einem CMO sind zudem die Anlagen effizienter ausgelastet, da die vorhandenen Kapazitäten auf mehrere Kunden verteilt werden können. Mit einer hohen Auslastung wiederum können wettbewerbsgerechte Preise angeboten werden. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Vorteil „state of the art“ In der Zusammenarbeit mit einem CMO kann ein Biotechunternehmen immer auf die neusten Technologien zugreifen. Ein CMO muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben, fortlaufend in modernste Technologien investieren und die Produktion fortlaufend effizienter gestalten. Außerdem sind von Biotechunternehmen selbst gebaute Anlagen bereits wieder veraltet, wenn das Produkt nach sieben bis zehn Jahren im Markt eingeführt wird. Markteffizienz Die Zusammenarbeit mit CMOs macht für Biotechunternehmen auch industriepolitisch Sinn. Damit kann verhindert werden, dass die Branche analog zur chemischen Produktion riesige Überkapazitäten im Markt aufbaut. Zudem sind die Behörden in den Zulassungsbedingungen für neue Wirkstoffe viel restriktiver. Die Zulassung neuer Anlagen und Produktionsprozesse ist teuer und aufwändig. Mittels Outsourcing können die Cash-Bedürfnisse gesenkt werden und die regulatorischen Anforderungen an Produktionsprozesse an erfahrene Partner wie Lonza delegiert werden. Fazit Viele Gründe sprechen also für die Zusammenarbeit von Biotechunternehmen und CMOs. Beide Partner können gegenseitig profitieren und sich dabei auf die profitabelsten Teile ihrer Wertschöpfungskette konzentrieren. Lonza zählt zu den weltweit führenden Anbietern von Produkten und Dienstleistungen für die Pharma-, Gesundheits- und LifeScience-Industrien und ist in der Lage, ihre Kunden vom Forschungsstadium bis hin zur Endproduktion mit ihren Lösungen zu begleiten. Lonza ist Weltmarktführer in der Produktion und Prozessbegleitung von pharmazeutischen Wirkstoffen, sowohl im chemischen als auch im biotechnologischen Bereich. Biopharmazeutika gehören zu den wichtigsten Wachstumsmotoren der Pharmaund Biotechnologieindustrie. www.lonza.com Transaktionen Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 61 5 Finanzierung und Kapitalmarkt 62 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Überblick und globaler Vergleich Die deutsche Biotechbranche leidet weiterhin sehr stark unter der Finanz- und Wirtschaftskrise. Nach dem bereits schmerzhaften Absturz der Eigenkapitalfinanzierungen im Jahr 2008 um fast 45 % erfolgte 2009 ein weiterer Einbruch um 51 %. Mit einer Gesamtfinanzierungssumme von nur noch 123 Millionen Euro wurde damit ein erschreckender Tiefpunkt erreicht, dessen Ausmaß die Krise nach der Jahrtausendwende noch einmal deutlich übersteigt. Damit standen 2009 Eigenkapitalmittel nur etwa in dem Ausmaß zur Verfügung, wie sie die Branche in ihren ersten Anfängen im Jahr 1997 einwerben konnte. Allerdings umfasste die Branche damals nur 173 Unternehmen, was die aktuelle Situation deutlich verschärft. Abbildung 5-1: Aufgenommenes Kapital im Jahresvergleich, Deutschland Summe (Mio. €) 600 527 500 457 436 138 107 400 96 300 252 95 49 200 123 54 100 0 Im Einzelnen betrachtet traf dieser erneute Einbruch im Jahr 2009 nur die privaten Unternehmen, wo der Zugang zu Beteiligungskapital um 66 % reduziert wurde. Börsennotierte Gesellschaften, deren Kapitalmaßnahmen bereits im Vorjahr kräftig eingebrochen waren, konnten den weiteren Abwärtstrend zumindest aufhalten; sie legten um bescheidene 10 % zu. Wie bereits in den zwei vorangegangenen Jahren gab es auch 2009 keinen Börsengang. 92 339 234 319 203 69 2005 2006 2007 2008 2009 Sekundärfinanzierungen bei börsennotierten Unternehmen Börsengang Risikokapital / Private Equity Quelle: Ernst & Young, 2010 Im europäischen Vergleich scheint Deutschland auf den ersten Blick deutlich schwächer abzuschneiden; das Venture Capital in Europa fiel lediglich um 29 %; börsennotierte Unternehmen konnten ihre Finanzierungssumme sogar um 215 % steigern. Die genauere Analyse zeigt allerdings, dass, mit Ausnahme der Schweiz (plus 56 % VC), die meisten anderen Länder ebenfalls gravierende Rückschläge im Venture-Capital-Bereich hinnehmen mussten (Details s. Seite 69); des Weiteren wird der signifikante Anstieg Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 der „Public Financings“ klar dominiert von zwei Finanztransaktionen der großen Vertreter QIAGEN (Niederlande) und Warner Chilcott (Irland). Die Sekundärfinanzierungen dieser Firmen stellen zusammengenommen 46 % der Gesamtfinanzierung europäischer Börsengesellschaften. Aber selbst unter Berücksichtigung dieser „Ausreißer“ zeigt die restliche Gruppe der börsennotierten Unternehmen ein beachtliches Wachstum von 70 %. 63 Finanzierung und Kapitalmarkt Von vier europäischen Börsengängen ging nur ein einziger mit signifikanten Erlösen einher (Movetis, Belgien: 85 Millionen Euro). Die drei anderen brachten nur wenig ein (D-Pharm, Israel: 5,2 Millionen Euro) oder die Unternehmen wurden ohne Ausgabe von Aktien lediglich gelistet (Mondo Biotech und Evolva / Arpida, beide Schweiz). Auch in den USA hat die Biotechindustrie im Jahr 2009 eine weitere, wenn auch geringfügige Reduzierung der Venture-CapitalFinanzierungen hinnehmen müssen. Mit 2,8 Milliarden Euro wurden 8 % weniger in private Unternehmen investiert als im Jahr zuvor; demgegenüber konnte allerdings der „Public Sector“ deutlich zulegen, indem vor allem PIPEs (plus 55 %), Follow-ons (plus 219 %) und Convertibles (plus 46 %) dazu beitrugen, dass die Gesamtsumme der „Public Financings“ von 2,8 Milliarden Euro auf 6,2 Milliarden Euro kräftig anstieg (plus 121 %). Wenngleich die Entwicklung in den USA ebenfalls eine Rückkehr der Kapitalmärkte in den Biotechsektor impliziert, so blieb dennoch das Börsenfenster für Neueinsteiger weitestgehend geschlossen (nur drei IPOs, von denen der Börsengang von Talecris alleine fast 400 Millionen Euro einbrachte). Abbildung 5-3: Aufgenommenes Kapital im Jahresvergleich, USA Summe (Mio. €) 10000 9524 9000 6218 8000 7000 6000 5000 5867 2815 4000 Abbildung 5-2: 3000 Aufgenommenes Kapital im Jahresvergleich, Europa 2000 4 501 3048 2805 2008 2009 1000 0 Summe (Mio. €) 6000 5246 4000 Sekundärfinzierungen bei börsennotierten Unternehmen Börsengang Risikokapital / Private Equity 4867 5000 3511 Quelle: Ernst & Young, 2010 3000 2000 1274 2594 803 732 2497 3349 1622 737 0 537 75 1434 1541 1160 1010 1695 90 712 2005 2006 2007 2008 2009 1000 Sekundärfinanzierungen bei börsennotierten Unternehmen Börsengang Risikokapital / Private Equity Quelle: Ernst & Young, 2010 64 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Analyse: Finanzierung privater Unternehmen Privatinvestoren nicht aktiv investiert; einerseits ist man auch hier dabei, sich auf die fundierten Portfolios zu fokussieren, andererseits war aufgrund der meist großzügig bemessenen Erstfinanzierungsrunden für die begünstigten Unternehmen kein erneuter Finanzierungsbedarf gegeben. Der dramatische weitere Einbruch der Eigenkapitalfinanzierung privater deutscher Biotechunternehmen hat verschiedene Ursachen. Zunächst haben die beiden Hauptinvestoren der letzten beiden Jahre, die „Family Offices“ um Dietmar Hopp und die Brüder Strüngmann im Jahr 2009 keine Beteiligungen in Deutschland abgeschlossen. Allein die Finanzierungsrunde 2008 für GANYMED Pharmaceuticals in Höhe von 65 Millionen Euro war als Einzelinvestment so groß wie die gesamte Investitionssumme 2009. Insgesamt fielen damit runde 100 Millionen Euro Kapital weg. Es war indes kaum zu erwarten, dass diese Investorengruppe permanent in dieser Größenordnung weiter Anzahl Finanzierungsrunden reduziert Ein Blick auf die erfolgten Finanzierungsrunden selbst zeigt, dass vor allem die Gesamtrundenzahl deutlich abgenommen hat und von 29 Runden im Jahr 2008 auf lediglich 16 Runden (davon acht mit publizierten Zahlen) sank. Da das durchschnittliche Investitionsvolumen pro Runde fast konstant geblieben ist, erklärt sich der Einbruch vor allem durch das Ausbleiben von Finanzierungsrunden. Abbildung 5-4: Finanzierung privater Unternehmen nach Anzahl und durchschnittlichem Volumen im Jahresvergleich Anzahl Runden* Durchschnitt (Mio. €) 50 12 11,01 10 40 8,58 7,54 8 8,45 Finanzierungsrunden im Detail Die Analyse der einzelnen Finanzierungsrunden offenbart weiterhin, dass es nur ein einziges Unternehmen – Probiodrug – überhaupt in die zweistelligen Ränge geschafft hat. 36 Millionen Euro wurden für innovative Programme, basierend auf niedermolekularen Inhibitoren für essenzielle regulatorische Peptide und Enzyme, zur Verfügung gestellt (z. B. Glutamylcyclase – Alzheimersche Erkrankung; Cyclin Dependent Kinase 9 – Entzündung). Das Unternehmen steht zwar noch am Anfang der Entwicklung, kann aber dennoch auf einen erfolgreichen „Track Record“ verweisen; im Jahr 2004 nahm Probiodrug in einer ersten, Aufsehen erregenden Transaktion bereits über 50 Millionen Euro für einen PDE4-Enzyminhibitor ein und kann sich seither schuldenfrei der Entwicklung weiterer Wirkstoffe widmen. Das Investorenkonsortium von Probiodrug liest sich entsprechend wie das (verbliebene) „Who is Who?“ der Venture-Capital-Branche. Namhafte internationale Investoren wie Life Science Partners, TVM Capital, HBM Partners, Edmond de Rothschild und BB Biotech Ventures arbeiten zusammen mit nationalen VCs (CFH, IBG), einem Corporate-VC (Biogen Idec) und privaten Investoren. Auf die besonderen Erfolgsfaktoren, mit denen das Unternehmen diesen erlauchten Kreis von Investoren an sich binden konnte, wird Hendrik Liebers, der CFO der Gesellschaft, im folgenden Artikel näher eingehen. 30 6 20 5,32 4 10 0 Runden 2 45 44 29 24 8 2005 2006 2007 2008 2009 0 im Schnitt pro Runde * nur Runden mit veröffentlichtem Volumen Quelle: Ernst & Young, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 65 Probiodrug AG: Der Weg zu einer signifikanten „B“-Runde Hendrik Liebers, CFO Probiodrug AG, Halle / Saale Die Finanzierungsrunde Am 2. November 2009 gab die Probiodrug AG aus Halle / Saale mit 36 Millionen Euro an eingeworbenen Mitteln eine der größten Finanzierungsrunden für private Biotechunternehmen im Jahr 2009 weltweit bekannt. BB Biotech und Edmond de Rothschild Investment Partners (EdRIP) agierten als Co-Lead-Investoren; LSP Life Science Partners (LSP) und Biogen Idec New Ventures traten dem Konsortium als weitere Neuinvestoren bei. Die Finanzierungsrunde wurde von den bestehenden Investoren, zu denen IBG Fonds (unter Verwaltung von Goodvent), TVM Capital, HBM BioVentures und CFH Group gehören, sowie von privaten Investoren unterstützt. Das Unternehmen Probiodrug fokussiert auf die Inhibierung der Glutaminylcyclase (QC), einem durch eigene Forschungsarbeiten identifizierten Schlüsselenzym in der Pathogenese von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer sowie diversen inflammatorischen Erkrankungen. Das Unternehmen verfügt in diesem Bereich über einen signifikanten Entwicklungsvorsprung sowie eine dominante Patentsituation. Im Juni 2007 trat Probiodrug mit der Übernahme der Ingenium Pharmaceuticals AG sowie dem Abschluss einer Finanzierungsrunde über 20 Millionen Euro in einen neuen Entwicklungsabschnitt ein. Das Hauptprogramm wurde entschei- 66 dend vorangebracht, die Integration der Ingenium abgeschlossen, wichtige Patente eingereicht sowie Schlüsselpublikationen veröffentlicht. unternommen hatte, sich dadurch die Meinungsbildung im Konsortium gegenseitig ergänzte und damit den Zusammenhalt verstärkte. Der Prozess Im zweiten Halbjahr 2008 zu einem Zeitpunkt, zu dem die Finanzmittel der Firma noch deutlich mehr als ein Jahr reichten, begannen die internen Diskussionen und Abstimmungen bzgl. der nächsten Schritte in der weiteren Firmenentwicklung – im Ergebnis entschieden sich die Anteilseigner einvernehmlich für eine Finanzierungsrunde mit einem Zielbereich von 30 bis 35 Millionen Euro als sinnvollste Option und unterstrichen dies mit der Bereitschaft zu eigenen Beiträgen. Die Financial und Legal Due Diligence wurde dann vom Konsortium gemeinsam mandatiert; parallel wurden die Beteiligungsverträge verhandelt und finalisiert. Signing und Closing konnten Anfang November bekannt gegeben werden – ca. 10 Monate nach formalem Prozessbeginn. Wir haben daraufhin eine Kontaktaufnahme mit insgesamt ca. 40 Fonds gestartet – seit Jahren bestehende Kontakte zu einer Anzahl von VC Fonds konnten dabei als Grundlage genutzt werden. Das Ziel bestand in der Klärung folgender Fragen: • Gelingt die Identifizierung mehrerer Adressen, die prinzipiell bereit und auch in der Lage sind, die Funktion des Lead-Investors zu übernehmen? • Ist die Akquirierung des avisierten ZielVolumens in den (damaligen) Märkten mit den gegebenen Randbedingungen realistisch? • Ist die Einbindung von Corporate Venture als ein Element der Finanzierung möglich? Nachdem alle drei Fragen positiv beantwortet werden konnten, wurden die Kontakte mit ausgewählten Investoren bzgl. Lead-Position in einem Konsortium inhaltlich vertieft bis hin zu Due Diligences einzelner Aspekte. Parallel wurde mit potenziellen Co-Investoren im Prozess weitergegangen, um eine spätere Auffüllung des Konsortiums abzusichern. Im Sommer wurde dann die Entscheidung für eine Konsortialführung getroffen, das entsprechende term sheet gezeichnet und mögliche Konsortialpartner eingeladen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir die jeweiligen Fonds formal miteinander in Kontakt gebracht. Befördernd wirkte nun, dass jeder Investor bereits eigene Due-Diligence-Aktivitäten zu i.d.R. unterschiedlichen Aspekten Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Fazit Warum wurde eine so signifikante Finanzierungsgröße angestrebt? Zum einen haben die laufenden F&E-Programme in den Indikationen Alzheimer / Neurodegeneration sowie diversen inflammatorischen Erkrankungen einen hohen Kapitalbedarf. Zusätzlicher Finanzbedarf entstand, da das Unternehmen intensiv biologisch und medizinalchemisch arbeitet, um die Erfolgschancen der antizipierten Entwicklung und damit Wertbildung zu erhöhen. Weiterhin war ein Finanzierungszeitraum angestrebt, der die Abarbeitung der anstehenden Schritte zur Erreichung der geplanten Ziele stabil absichert und das Unternehmen gegenüber potenziellen Partnern in einer starken Position hält. Diese Vorgehensweise hat zwar 2009 zu einer höheren Verwässerung für alle Aktionäre geführt. Längerfristig ist es aber teurer, auf halbem Wege und aus einer relativ schwachen Position heraus Kapital aufnehmen zu müssen. Die angestrebte Höhe der Finanzierungsrunde war daher nicht das beherrschende Thema im Finanzierungsprozess. Wenn ein Blue-Chip-Konsortium im Kern steht, und hierbei wirkt die Teilnahme von Corporate Venture (wie Biogen Idec New Ventures in unserem Falle) zusätzlich befördernd, bekommt man mit guten Erfolgsaussichten auch weitere Finanzpartner eingebunden. www.probiodrug.de Finanzierung und Kapitalmarkt Tabelle 5-1: VC-Finanzierungen privater deutscher Biotechunternehmen, 2009 Unternehmen Volumen (Mio. €) Bekanntgabe Runde Investoren Probiodrug 36,0 November 7 BB Biotech Ventures, Edmond de Rothschild Investment Partners, LSP Life Science Partners, Biogen Idec New Ventures, IBG Fonds, TVM Capital, HBM BioVentures, CFH Group, private Investoren KeyNeurotek Pharmaceuticals 8,2 März 3 DVC Deutsche Venture Capital, IBG Beteiligungsgesellschaft mtm laboratories 7,0 Oktober 3 Gilde Healthcare Partners, HBM BioVentures, HBM BioCapital Invest, LBBW Venture Capital, mtm and Friends Elara Pharmaceuticals 4,6 November 1 EMBL Ventures, KfW, WFT, BMBF, BioRN Cluster Management vasopharm 4,5 Mai 5 EMBL Ventures, KfW, Heidelberg Capital Asset Management, Entrepreneurs Fund Cevec Pharmaceuticals 4,2 November 1 Creathor Venture, NRW.BANK, KfW, Sparkasse Köln-Bonn, private Investoren Protagen 3,7 August 5 MIG, S-Capital Dortmund, KfW Intana Bioscience 0,7 Juni 1 High-Tech Gründerfonds, Bayern Kapital, BioM Quelle: Ernst & Young und Firmennachrichten, 2010 Alle weiteren Finanzierungsrunden des vergangenen Jahres lagen im einstelligen Millionenbereich. Mit KeyNeurotek (8,2 Millionen Euro) und vasopharm (4,5 Millionen Euro) haben interessanterweise neben Probiodrug zwei weitere Unternehmen mit eher klassischen Ansätzen im Bereich ZNS Zugang zu ihren Investoren gefunden. Beide Unternehmen entwickeln niedermolekulare Wirkstoffe gegen Hirntrauma bzw. Schlaganfall; KeyNeurotek ist dabei auf klassische ZNS-Rezeptortargets spezialisiert (Phase II), während vasopharm Inhibitoren des NOXStoffwechsels bearbeitet (Phase I). Zwei weitere Runden gehen an Unternehmen, die bereits fest etabliert sind im Bereich Krebsdiagnostik (mtm) bzw. Diagnostik und F&EServices (Protagen). Somit sind fünf der acht Runden eindeutig mit etablierten Unternehmen und reiferen Portfolios assoziiert. Nur drei Runden gingen an Start-ups in entsprechenden Seed- bzw. frühen Finanzierungsmaßnahmen. Für alle gilt, dass sie technologieorientiert sind mit Plattformen, die eindeutig zur Generierung von therapeutischen Produkten geeignet sind. Die Elara Pharmaceuticals GmbH fokussiert sich als Ausgründung aus dem EMBL Heidelberg (European Molecular Biology Laboratory) auf niedermolekulare allosterische Modulatoren von Kinasen als onkologische Targets; die Kernkompetenz liegt in der Medizinalchemie, verbunden mit „ Computermodelling“. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Das Kölner Unternehmen Cevec Pharmaceuticals hingegen ist ein Spezialist in der Entwicklung primärer humaner Zellexpressionssysteme, die insbesondere Anwendung in der Herstellung von Proteintherapeutika der Zukunft finden sollen (s. Artikel von Dr. Lichtenberger in Kapitel 2). Eine Minifinanzierung für den Spin-off von Intana Bioscience, der aus der ursprünglichen GPC Biotech hervorging (im Zuge des Mergers zu Agennix), rundet die Liste ab. Neben den hier dargestellten Finanzierungsrunden, die mit Angabe von Investitionsvolumen und zusätzlichen Details publiziert worden waren, gab es einige weitere Finanzierungsmaßnahmen(ALRISE Biosystems, InflaRx, KINAXO Biotechnologies, Mbiotec, Miacom diagnostics, Rodos BioTarget, Sloning Biotechnology, Urotec), für die allerdings keine quantitativen Angaben kommuniziert wurden. 67 In der Gesamtbetrachtung aller Finanzierungsrunden (mit und ohne Zahlenangaben) verschiebt sich das Gewicht wieder stärker in Richtung der reiferen Unternehmen. So nimmt der Anteil der späteren Runden von 50 % auf über 60 % zu. Allerdings ist dies nicht mit einer zu erwartenden Zunahme der durchschnittlichen Rundengröße einhergehend. Die deutlich kleinere Zahl an Runden insgesamt erschwert außerdem eine klare Beurteilung dieser Verschiebung. Abbildung 5-5: Finanzierung privater Unternehmen nach Phase im Jahresvergleich Anzahl und Anteil an allen Runden* 100 % 17 13 15 7 7 90 % 80 % 70 % VC-Investoren werden weniger 60 % 6 Mit Ausnahme der Probiodrug-Finanzierung, die tatsächlich ein sehr breites und internationales Investorenkonsortium aufweist, ist festzustellen, dass die Liste der in Deutschland verbliebenen VC-Investoren sehr dünn geworden ist. Neben TVM, dem einzigen verbliebenen großen Fonds, bleiben 2009 lediglich kleinere Fonds wie EMBL Venture, IBG und Creathor Venture übrig. Wellington und Global Life Science Venture waren nach wie vor im Fundraising aktiv und haben 2009 (zumindest in Deutschland) nicht investiert. Die anhaltende Ausdünnung der Investoren bedingt in vielen Fällen auch, dass die verbleibenden Fonds zunehmend Anteile in den bestehenden Konsortien übernehmen müssen und auch deshalb weniger Spielraum für neue oder fortführende Finanzierungsrunden zurückbehalten. In dieser Situation ist es daher auffällig, dass zunehmend eher lokale Investoren sowie Banken / Sparkassen (NRW.Bank, Sparkasse Köln-Bonn) und staatsnahe Organisationen (High-Tech Gründerfonds, BioM, Bayern Kapital, LBBW Venture Capital etc.) in die Bresche springen. Diese Organisationen sind allerdings nicht in der Lage, größere Runden zu stemmen, weshalb die gezeigten kleinen Finanzierungen eher als Notoperationen zum reinen Überleben der betroffenen Unternehmen anzusehen sind. Attraktivität für internationale Investoren sinkt weiter 50 % 7 5 40 % 30 % 20 % 10 % 0 % Later Stage 13 2 5 9 10 4 4 3 6 7 3 1 2005 2006 2007 2008 2009 2. Runde 1. Runde Seed Quelle: Ernst & Young, 2010 * nur Runden mit veröffentlichtem Volumen; ohne Bridge unternehmen immerhin zwei namhafte Investoren auf der Liste. Dennoch wirft das weitgehende Fernbleiben internationaler Investoren erneut die Frage nach den Rahmenbedingungen auf. Insbesondere die steuerliche Handhabung der Verlustvorträge hat in den letzten beiden Jahren fortlaufend Vertrauen bei Investoren verspielt. Dieses konnte weder durch die Entscheidung der EU-Kommission zur Ablehnung des MoRaKG, noch durch das von der Bundesregierung verabschiedete Wachstumsbeschleunigungsgesetz wiederhergestellt werden. In einer aktuellen Studie zur Attraktivität für Venture Capital Investments (IESE Business School of Navarra; vcpeindex.iese.us) hat Deutschland weiter Plätze im internationalen „Ranking“ eingebüßt. Diese Studie vergleicht europäische Staaten auf Basis unterschiedlicher wirtschaftlicher Faktoren, die für die Verfügbarkeit von Venture Capital und Private Equity relevant sind. Die Beteiligung internationaler Investoren ist in Deutschland weiterhin rückläufig. Außer Probiodrug war lediglich mtm laboratories in der Lage, Investoren aus dem europäischen Ausland zu gewinnen. Mit Gilde Healthcare Partners und HBM Bioventures stehen beim Heidelberger Krebsdiagnostik- Deutschland hinkt demnach vor allem hinsichtlich seiner Kapitalmarkttiefe und teilweise zumindest bezüglich der mangelnden Unternehmerkultur den anderen Konkurrenten hinterher. 68 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Abbildung 5-6: Deutschland im globalen Wettbewerb um Venture Capital / Private Equity (IESE 2009) USA = 100 % Entrepreneurial Culture and Opportunities Economic Activity 150 125 100 75 50 25 0 Depth of Capital Market Human and Social Environment Taxation Investor Protection and Corporate Governance Deutschland Westeuropa 2005/06 2009/10 Rank Value Rank VCPE Ranking Economic Activity Deapth of Cap. Market Taxation Inv. Prot. & Corp. Gov. Hum. & Soc. Environment Entrepr. Culture & Opp. 9 43 8 24 12 17 12 69,1 97,1 23,6 126,6 94,2 90,0 85,1 10 5 14 16 14 19 14 Quelle: vcpeindex.iese.us, 2010 Finanzierung und Kapitalmarkt Abbildung 5-7: Risikokapital in ausgewählten europäischen Ländern Summe (Mio. €) Durchschnitt (Mio. €) 16,2 200 16 150 12 10,3 100 8,9 8,9 8,5 8,4 7,2 5,2 50 0 8,6 6,2 194 124 118 187 69 203 Schweiz UK Deutschland 2009 gesamt 2008 gesamt 54 76 Dänemark 5,9 5,8 2,8 3,2 53 7,8 8 9,0 8 Österreich 2009 Durchschnitt 4 50 104 Frankreich 45 2,8 36 3 93 Niederlande Spanien 1,5 5 93 Schweden 0 2008 Durchschnitt Quelle: Ernst & Young, 2010 Venture Capital in anderen EU-Ländern ebenfalls stark eingebrochen Eine genauere Analyse der Venture-CapitalFinanzierung im EU-Raum zeigt, dass auch andere Länder mit signifikanten Biotechaktivitäten, mit Ausnahme der Schweiz, deutliche Einbrüche in VC-Finanzierungen hinnehmen mussten. UK(minus 37 %)und Dänemark (minus 29 %) setzen sich mit weniger starken Einbrüchen etwas ab. Zusammen mit der Schweiz ist in diesen Ländern tatsächlich ein größerer Anteil der Biotechunternehmen auf die Entwicklung von Therapeutika ausgerichtet. Im gleichen Zusammenhang hat sich dort auch eine Venture-Capital-Branche weiterentwickelt, die jetzt trotz schwieriger Wirtschaftszeiten weiter zu den Unternehmen steht. Die Branche in Europa zeigt sich mit Blick auf die Hauptvertreter zweigeteilt: Länder wie Frankreich, die Niederlande und Deutschland mit einem insgesamt geringeren Anteil an Therapeutikaentwicklern erleben einen stärkeren Einbruch des Venture Capital (Frankreich, Niederlande: beide ca. minus 52 %). Besonders eklatant ist der Einbruch in Schweden um 95 %. Mit Spanien und Österreich fallen zwei Länder mit deutlichen VC-Steigerungsraten auf. Spanien, das in den letzten Jahren sehr aktiv die nationale Biotechbranche vorantreibt, hat durch eine einzige außerordentliche Finanzierungsrunde in das Unternehmen Cellerix (27 Millionen Euro) Aufmerksamkeit bei internationalen Investoren verursacht. Auch in Österreich haben die Biotechaktivitäten deutlich zugelegt. Mit 53 Millionen Euro VC-Kapital wurde fast der Stand Deutschlands erreicht. Die beiden Hauptrunden von Nabriva (15 Millionen Euro) und ProAffin (14 Millionen Euro) tragen bereits über die Hälfte der Gesamtinvestitionen. Hier sind auch internationale Investoren beteiligt (Atlas, GLSV, HBM, Nomura Phase 4 Ventures). Eine Besonderheit stellt die Schweiz dar, wo im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern ein enormer Zuwachs an VC-Finanzierungen erfolgte (plus 56 %). Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 69 Finanzierung und Kapitalmarkt Tabelle 5-2: VC-Finanzierungen privater europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl) Unternehmen Land Volumen Bekanntgabe (Mio. €) Runde Investoren NovImmune Schweiz 41,4 Mai 3 BZ Bank, Aravis Venture, Ingro Finanz, Novartis Venture Funds, Pictet Private Equity Investors, Varuma Probiodrug Deutschland 36,0 November 7 BB Biotech Ventures, Edmond de Rothschild Investment Partners, LSP Life Science Partners, Biogen Idec New Ventures, IBG Fonds, TVM Capital, HBM BioVentures, CFH Group, private Investoren Symphogen Dänemark 33,0 Januar 5 Essex Woodlands Health Ventures, Danika, Danske Bank, Gilde Healthcare Partners, LD Pensions, Medicon Valley Capital, Novo, Scandinavian Life Science Venture, Sunstone Capital, Takeda Research Investment, Vaekstfonden Molecular Partners Schweiz 30,5 Dezember 2 Essex Woodlands Health Ventures, BB Biotech Ventures, Endaeavour Vision, Index Venture, Johnson & Johnson Development Evolva Schweiz 29,1 Oktober 2 Aravis, Auriga Partners, Wellington Partners, Astellas Venture Management, BioMedPartners, Dansk Erhvervsinvestering, Novartis Venture Fund, Renaissance PME, Sunstone Capital, The Entrepreneurs Fund, Vinci Capital Switzerland Cellerix Spanien 27,0 November 2 Ysios Capital Partners, Bankinter, Capital Riesgo de Madrid, Genetrix, Grupo A&G, JV Risk Technologies, Life Sciences Partners, Management, Novartis Venture Fund, Roche Venture Fund, Ventech AC Immune Schweiz 26,5 Januar 3 Individual Investors, Undisclosed Venture Investors Heptares Therapeutics UK 23,6 Februar 2 Clarus Ventures, MVM Life Science Partners, Novartis Venture Fund Opsona Therapeutics Irland 21,3 Februar 2 Enterprise Ireland, Fountain Healthcare Partners, Inventages Venture Capital, Novartis Venture Fund, Roche Venture Fund, Seroba Kernel Life Sciences Oxagen UK 18,0 November 6 Novartis Venture Fund, Abingworth Management, Advent Venture Partners, Bessemer Venture Partners, IBT Ventures, MPM Capital, Omega Fund, Red Abbey Venture Partners, SV Life Sciences, Wellcome Trust Quelle: Ernst & Young und Venture Source, 2010 Allein drei der Top-5-EU-Finanzierungsrunden mit Investmentvolumina zwischen 41 Millionen Euro (NovImmune) und 29 Millionen Euro (Evolva) wurden in der Schweiz platziert. Alle drei Unternehmen sind mit innovativen Technologieplattformen in attraktiven Therapiegebieten aktiv. NovImmune vereint dabei drei wesentliche Erfolgskriterien: eine Antikörperplattform mit Produkten in Phase II im hochattraktiven Therapiegebiet Immunkrankheiten. Ebenfalls hoch bewertet stellt sich Molecular Partners mit einer Plattform für innovative Wirkstofffor- men („Darpins“) dar, die in mehreren Partnerschaften (Bayer, Roche, Centocor) extern klinisch validiert wird. Das dritte plattformorientierte Unternehmen ist Evolva mit einem Fokus auf „Genetic Chemistry“. Mit Hilfe von genetisch umprogrammierten Mikroorganismen werden aus zellulären Reaktionsketten Sekundärmetaboliten als innovative Wirkstoffe generiert. Der Zusammenschluss mit der nach der Rückintegration in Novartis verbliebenen Börsenhülle von Arpida hat eine weitere Fokussierung auf die Infektionskrankheiten bewirkt. 70 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Neue Rolle für Corporate-VC Auf der Investorenliste der führenden europäischen VC-Runden fällt ein weiteres Novum auf: In acht der zehn Toprunden sind Corporate-Venture-Investoren beteiligt. Darunter fällt insbesondere der Novartis Venture Fund auf, der allein in sechs dieser Finanzierungen auftritt. Weitere VentureCapital-Fonds aus Pharmafirmen sind: Roche Venture Fund, Biogen Idec New Ventures, Astellas Venture Management, Johnson & Johnson Venture Management und Novo Finanzierung und Kapitalmarkt A/S (eigentlich unabhängig von den Unternehmen Novozymes und Novo Nordisk). Die deutliche Zunahme des Engagements von Corporate-Venture-Fonds, vor allem in den großen Finanzierungsrunden von etablierten Biotechfirmen, kann einerseits im Zusammenhang mit dem insgesamt knapper werdenden Kapital gesehen werden. Da die pharmaassoziierten VCs in der Regel gut mit Kapital ausgestattet sind und oft auch als „Evergreen Funds“ organisiert sind, können sie in dieser Situation einspringen und gute Investments tätigen. Außerdem ist anzunehmen, dass im weiteren Sinn auch strategische Überlegungen eine Rolle spielen, um beispielsweise frühzeitig an innovativen Targetfamilien oder der Entwicklung von neuen Technologien und Produkten beteiligt zu sein und zum richtigen Zeitpunkt für eine Transaktion bereit zu stehen. Die strategische Intension lässt sich auch ableiten durch einen Blick auf die finanzierten Biotechunternehmen. Im Falle der Investments des Novartis Venture Fund stehen Produktplattformen (Antikörper, SMEs, Zelltherapie) im Fokus, die allesamt bereits Wirkstoffe in die präklinische oder klinische Entwicklung gebracht haben. Des Weiteren waren auch innovative Targetfamilien (GPCR, TLR) mit Relevanz in wichtigen Therapiegebieten von Interesse. Die häufig gestellte Frage nach der Kompatibilität von Corporate-Venture-Fonds mit den klassischen VCs scheint in den vorliegenden Beispielen nicht gestellt. Auch das Risiko von reduzierten Möglichkeiten für Partnerschaften mit anderen Pharmaunternehmen scheint hier nicht im Vordergrund zu stehen. In einigen Finanzierungsrunden sitzen sogar mehr als ein Pharma-VC am Investorentisch (z. B. Opsona, Cellerix – Novartis/Roche; Evolva – Novartis / Astellas). Für den Novartis Venture Fund sind die drei existierenden Fonds klar gegliedert in einen Finanz- und zwei mehr strategisch ausge- richtete Fonds. Auf die Details geht Dr. Markus Goebel als Managing Director bei Novartis Venture Fund im nachfolgenden Artikel näher ein. Noch stärker als Indiz für die strategische Zielsetzung der Corporate-VC-Beteiligungen kann das Engagement in den sehr frühen Finanzierungsrunden gewertet werden. Eine ganze Reihe von Pharmafirmen engagieren sich über verschiede Finanzierungsinstrumente in frühen Entwicklungen und sichern sich Optionen für den späteren Wettbewerb um die „Winners“ im Wettkampf der Innovationen. Dabei deckt die Liste der abgebildeten Unternehmen, die Pharma-VentureCapital-Fonds mit an Bord haben, ein breites Feld von Innovationen ab, von Biomarkern über innovative Wirkstoffformate (Fynmers, Cell Therapy, Peptide, Polyketides) bis zu konkreten Therapeutika in früher Entwicklung für attraktive Pharmamärkte (Diabetes, Krebs, Hauterkrankungen etc.). Tabelle 5-3: Beteiligung von Corporate-VCs an Early-Stage-VC-Finanzierungen privater europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl) Unternehmen Land Volumen Bekanntgabe (Mio. €) Runde Investoren Pronota Belgien 6,2 Oktober 2 Baekeland Fonds, Flanders Interuniversity Institute for B, Ghent University Association, Biotech Fund Flanders, Johnson & Johnson Development, KBC Private Equity Fund Biotech, Life Sciences Partners, MP Healthcare Venture Management Moberg Derma Schweden 3,3 August 3 Essex Woodlands Health Ventures, BB Biotech Ventures, Endeavour Vision, Index Ventures, Johnson & Johnson Development Enigma Diagnostics UK 2,9 Juli 1 Porton Capital, GlaxoSmithKline Immune Targeting Systems UK 2,7 Januar 2 Guides Venture Partners, HealthCap Venture Capital, Novartis Venture Fund, Truffle Capital EpiTherapeutics Dänemark 2,2 Oktober Seed Novo Seeds, SEED Capital Denmark Andromeda Biotech Israel 1,1 Februar 2 Teva Pharmaceutical Industries Bicycle Therapeutics UK Oktober Seed Atlas Venture, Novartis Venture Fund MultiGene Vascular Systems Israel Oktober 2 Teva Pharmaceutical Industries, Aviv Venture Capital, Individual Investors, Ofer Hi-Tech, Tamir Fishman Ventures Thrombologic Dänemark Dezember Seed Novo Seeds, CAT Covagen Schweiz Dezember Seed Edmond de Rothschild Investment Partners, MP Healthcare Venture Management, Novartis Venture Fund, Ventech Quelle: Ernst & Young, Windhover und Venture Source, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 71 Novartis Venture Fund: Finanzierung und strategische Partnerschaft logie durch eine der führenden Pharmafirmen validiert. Die Option ist dabei nie auf das führende Entwicklungsprojekt gerichtet, um einen späteren Exit nicht zu behindern und wird mit einer nicht verwässernden Geldtransaktion bezahlt. Dieses Konstrukt erlaubt es privaten Firmen früh, ein zusätzliches Projekt voranzutreiben und erhöht somit die Chance ihres langfristigen Erfolges. zeitig mögliche Allianzen vorzubereiten. Im Rahmen dieser Entwicklung kommt es jetzt häufiger vor, dass mehrere Corporate-Venture-Fonds in eine private Firma investiert sind. Wir sehen dabei keine prinzipiellen Probleme, denken aber, dass unabhängige, ausschließlich gewinnorientierte VCs am Board ausreichend repräsentiert sein sollten. Der NVF und NOF haben etwa 700 Millionen US-Dollar unter Management und sind damit der größte Corporate-Venture-Fond, der global mit einem Fokus auf die USA und Europa investiert. Investitionskriterien Unsere Investitionskriterien unterscheiden sich im Wesentlichen nicht von denen unabhängiger Fonds: • bahnbrechende Wissenschaft und solide Datenlage • dominante Patentsituation • attraktives Marktpotenzial • günstige Firmenbewertung • ein Exitpotenzial, das es erlaubt für die eingesetzten Ressourcen einen attraktiven Gewinn zu erzielen • vertretbares Gesamtrisiko • mögliche strategische Vorteile für Novartis • erfahrenes Management • finanzkräftige Ko-Investoren, die unsere Sicht von Potenzial und Risiko teilen Geschichte, Ausrichtung und Konzept Der Novartis Venture Fund (NVF) ist 1996 beim Zusammenschluss von Ciba-Geigy und Sandoz entstanden. Zwei ursprünglich Schweiz-orientierte Fonds wurden mit einem US-fokussierten Fund zum NVF mit Standorten in Basel und Cambridge / US konsolidiert. Seit Entstehung investiert der NVF vornehmlich in der Frühphase von privaten Biotechund Medtechfirmen. Interaktion mit Novartis und Ziel der Investition Innerhalb Novartis ist der NVF seit jeher Teil von Corporate Finance gewesen. Es besteht dabei eine klar definierte Grenze („Chinese Wall“) zur Mutterorganisation Novartis. Sowohl der NVF als auch der NOF werden von einem eigenen Advisory Board beraten. Die Investitionen werden gemeinsam vom NVFund vom NOF-Team vorbereitet und umgesetzt. Bei jeder Investition wird ein Vorstandssitz angestrebt, um in der Lage zu sein, aktiv an der Entwicklung des finanzierten Unternehmens mitzuwirken. Das Ziel jeder Investition muss ein finanzieller Gewinn sein. Der strategische Gewinn ist gebunden an das, bei der Investition postulierte, zukünftige Interesse der gesamten Industrie an der Technologie der Portfolio-Firma und schließt somit Novartis ein. Dies kann zu einer Kollaboration, Lizenzvereinbarung oder Übernahme führen. Unsere Investitionen sollten versuchen, ein viel breiteres Gebiet abzudecken, als dies die Forschungsprogramme bei großen Pharmafirmen anstreben. Je attraktiver das Innovationsgebiet sich dann entwickelt, desto größer die Chance eines finanziellen und auch strategischen Gewinns. Das wohl definierte finanzielle und strategische Ziel sowie die beiden Fondkonzepte des NVF sind in der Industrie einzigartig. Im Jahr 2007 entstand der Novartis Option Fund (NOF; Cambridge / US). Sein Fokus sind Investitionen in private Firmen, die im Entstehen oder eben erst gegründet worden sind (Seed-Phase). Zusätzlich zur Investition in Equity erhält Novartis eine limitierte Option auf ein F&E-Programm. Auf diese Weise wird in einem frühen Stadium die Firmentechno- Corporate Venture und BD&L Immer mehr Pharma- und Biotechfirmen haben einen Corporate-Venture-Fonds ins Leben gerufen. Viele Fonds sind dabei primär strategisch ausgerichtet, vor allem diejenigen kleinerer Pharmafirmen mit einer limitierten Pipeline. Sie sind damit oft „verlängerter Arm“ des Business Development, um früh- 72 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Dr. Markus Goebel, Managing Director Novartis Venture Fund Ziel des Novartis Venture Fund Unsere Mission lautet: “Investing in innovative life science concepts for patient benefit – creating attractive returns for entrepreneurs and investors”. Dabei sind für den Erfolg dieses Konzepts folgende Gesichtspunkte entscheidend: • Innovation ist die Lebensader der Industrie. • Ein Behandlungsvorteil für den Patienten ist Voraussetzung für den Verkaufserfolg. • Firmengründer und Investoren müssen für ihre hohe Risikobereitschaft ausreichend belohnt werden. Der Mutterkonzern Novartis sieht unsere Arbeit als wichtigen Beitrag zum Gesamterfolg in der Entwicklung neuer therapeutischer Möglichkeiten an. www.novartis.com Finanzierung und Kapitalmarkt Finanzierung durch Partnerschaften Mit dem Einbruch der Venture-Capital-Finanzierungen wurde bereits im vergangenen Jahr die Frage nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten aufgeworfen. Dabei kommt den Kollaborationen und Partnerschaften eine wachsende Bedeutung zu. Den Biotechunternehmen kommt in dieser Finanzierungskrise entgegen, dass Pharmafirmen aufgrund des wachsenden Kostendrucks, aber vor allem durch die weiter steigenden Anforderungen an Innovationen aus dem F&E-Bereich zur stärkeren externen Verlagerung ihrer F&E-Aktivitäten gezwungen sind. Diese Situation ist der eigentliche Treiber für die steigende Zahl an Kollaborationen und Allianzen zwischen Pharma- und Biotechunternehmen. Eine Vielzahl von Kollaborationen spielt sich auf dem Niveau von Service-Leistungen ab, wobei Biotechfirmen definierte Arbeitspakete in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich bearbeiten und dafür entsprechend bezahlt werden. Die zunehmende Refokussierung von Biotechfirmen auf Technologieplattformen eröffnet ihnen breitere Möglichkeiten der kommerziellen Nutzung, angefangen bei Dienstleistungen bis hin zu Produktentwicklungen in Partnerschaft oder alleine. Gerade in Deutschland nehmen die Service- / Technologie- / Tools-Anbieter einen signifikanten Teil in der Firmensegmentierung ein. Wie bereits in Kapitel 1 ausgeführt, kann dies zu einer relativ stärkeren Resistenz in schwierigen Finanzierungsperioden beitragen. Die quantitative Relevanz von Finanzierungsbeiträgen aus Allianzen lässt sich näherungsweise ableiten aus der Analyse der Upfront-Zahlungen im Vergleich zu den VC-Finanzierungen. Upfront-Zahlungen sind direkte Barkapitalzuflüsse, die den Unternehmen sofort zugute kommen, unabhängig von späteren erfolgsabhängigen Zahlungen, die mit entsprechenden Risiken behaftet sind („Biodollars“). Die für die europäische Biotechbranche erstellte Analyse zeigt, dass der relative Anteil der Upfront-Zahlungen insbesondere in den letzten beiden Jahren zugenommen hat. Allerdings muss hierbei berücksichtigt werden, dass die Upfront-Zahlungen lediglich für einen Anteil von ca. 15–20 % der gesam- ten Allianzen erfasst sind. Für die restlichen 80–85 % der Allianzen wurden keine Zahlen kommuniziert. Insofern ist der Gesamtbeitrag der Upfront-Zahlungen für die Finanzierung privater Biotechunternehmen deutlich höher anzusetzen als die vorliegende Grafik impliziert. Der anhaltende Trend bei allen großen Pharmaunternehmen, F&E-Aktivitäten durch die Zusammenarbeit mit Dienstleistern und durch strategische Allianzen mit Partnern effizienter zu organisieren, wird diese Kapitalquelle für die Biotechbranche weiter sprudeln lassen. Von besonderem Interesse ist dabei, dass diese Quelle explizit auch von jungen Start-up-Unternehmen genutzt werden kann, die dadurch ihre Technologien und spezifischen Kompetenzen validiert bekommen. Zusätzlich ist gerade für viele Allianzen wichtig, dass sie auch und zunehmend im Bereich der frühen Entwicklung greifen und somit insbesondere die schwierigste Finanzierungslücke vor Erreichen eines „Proof of Concept“ überbrücken helfen. Neue Spielregeln für die Finanzierung von Biotechunternehmen Abbildung 5-8: Das verfügbare Venture Capital für die Biotechindustrie in Deutschland hat alleine in den letzten beiden Jahren um 78 % abgenommen. Die im Jahr 2009 verbliebene Summe von 69 Millionen Euro liegt in einer Größenordnung, mit der eine Biotechbranche wie in Deutschland unmöglich weiter vorangebracht werden kann. Finanzierung privater Biotechunternehmen in Europa nach Herkunft der Mittel im Jahresvergleich Summe (Mio. €) 1600 1541 1400 1434 1160 1200 1010 1000 712 800 600 400 Trotz vieler pessimistischer Stimmen, die bereits am Anfang des Jahres 2009 eine durchgreifende Konsolidierung und Reduzierung der Firmenzahl prognostiziert hatten, ist diese bisher ausgeblieben. Alternative Finanzierungen (Services, Allianzen etc.) sowie strukturelle Anpassungen bei Geschäftsmodellen, F&E-Programmen und Mitarbeiterzahl (s. Details in Kapitel 1) haben erheblich dazu beigetragen. 200 0 37 29 2005 2006 Upfront-Zahlungen aus Allianzen 160 266 213 2007 2008 2009 Risikokapital / Private Equity Quelle: Ernst & Young, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 73 Finanzierung und Kapitalmarkt Effiziente Kapitalnutzung Kapital möglichst effizient zu nutzen, ist das Gebot der Stunde. Insofern ist zu hinterfragen, ob und inwieweit die Betrachtung des Venture-Capital-Volumens weiterhin als alleiniger Gradmesser für den Status der privaten Biotechunternehmen gelten kann. Die Tatsache, dass trotz dieser prekären Lage die Zahl der Unternehmen stabil geblieben ist, argumentiert eher dafür, die Finanzierungssituation der Biotechbranche breiter zu analysieren und gerade die gesteigerte Effizienz im Umgang mit Kapital sowie die hinzukommenden kreativen Finanzierungselemente stärker zu berücksichtigen. Andererseits gibt es Stimmen, die in der aktuellen Situation eher die Ruhe vor dem Sturm sehen. Zwar würden die dargelegten Maßnahmen dazu beitragen, die „Burnrate“ bei den Unternehmen zu senken und den „Capital Reach“ zu verlängern. Das dauerhafte „Bremsen“ und die anhaltende Kapitalknappheit wären allerdings nicht als Lösung zu sehen und müssten nach einer Verzögerung dennoch zu einer signifikanten Konsolidierung der Unternehmenszahl führen. Neue Investmentstrategien? Auch von Seiten der Investoren findet ein Umdenken statt, hinsichtlich besser geeigneter Geschäftsmodelle ihrer Portfoliounternehmen und vor allem hinsichtlich der präferierten Exitoptionen. Das fest verschlossene Börsenfenster hat die Option IPO zumindest einstweilen hinten angestellt; Firmenverkauf ist die eindeutig realistischere Alternative. In diesem Zusammenhang ändern sich auch die Prioritäten bei den für Investoren interessanten Target- und Portfoliounternehmen. Vorherrschendes Ziel von Unternehmen, die auf einen IPO-Exit ausgerichtet waren, war der Aufbau eines nachhaltigen und risikodiversifizierten Produktportfolios mit möglichst marktnahen Produktentwicklungen zum Zeitpunkt des IPO. 74 Entsprechend dieser Ausrichtung waren die Strukturen eines Unternehmens mit Forschung, Entwicklung, Business Development sowie dem Management und dem Finanzund Verwaltungsapparat definiert. Die wesentlichen Unternehmensfunktionen waren nach extern gerichtet, um Investoren zu überzeugen, Partner zu identifizieren oder Kunden zu akquirieren. Ganz im Gegensatz dazu stellt eine Strategie, die auf einen Verkauf des Unternehmens ausgerichtet ist, völlig andere Prioritäten in den Vordergrund: Die Maximierung von „verkaufbaren“ individuellen Assets – Produkte oder Technologieplattformen – in optimierten internen Prozessen bekommt einen höheren Stellenwert vor dem Portfolio. In Zeiten, in denen Pharmaunternehmen mit „Option Deals“ auf innovative Produktakquisitionen schielen, ist ein Biotechunternehmen gut beraten, den Wettbewerb durch Produktqualität, Prozesseffektivität und effiziente Strukturen für sich zu entscheiden. Entsprechend ergeben sich auch andere Prioritäten für die Aufstellung des Managements. Der stärkere Fokus auf die Optimierung interner Abläufe verlangt mehr nach Projektmanagementqualitäten als nach erfahrenen und „extrovertierten Dealmaker“Typen. Sicherlich wird das Exitziel IPO auch zukünftig wieder eine Rolle spielen, wenn die Kapitalmarktsituation sich wieder erholt; dennoch wird ein IPO-Exit vermutlich deutlich weniger Unternehmen vorbehalten sein, während die Ausrichtung auf einen Verkauf dominieren wird. Die unmittelbaren Folgen dieser Entwicklung sind jedoch auch zu benennen: kürzere Zeitläufe bis zu einem Exit mit entsprechend geringerem Kapitalaufwand einerseits, ein höheres Risiko, wenn „alles auf eine Karte“ gesetzt wird, und damit auch eine gesteigerte Volatilität hinsichtlich der Firmenzahl andererseits. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Mit dem Statement von Dr. Hubert Birner, TVM, soll die sich ändernde Landschaft der Biotechfinanzierung aus der Perspektive eines aktiv involvierten Investors näher beleuchtet werden. Den zuvor dargelegten Vorgaben entsprechen bereits heute Aktivitäten von Investoren, insbesondere im Bereich der „Early Stage Investments“. Neue Spielregeln für Investoren und Biotechs in diesem Sektor haben zum Ziel, Unternehmen schlank aufzustellen und möglichst schnell und fokussiert zu greifbaren Ergebnissen in der Validierung von „Assets“ zu gelangen. Hier kommt insbesondere die Forderung nach „Capital Efficiency“ zum Tragen. Einige Venture-Capital-Gesellschaften haben ihre Investmentstrategien in unterschiedliche Segmente unterteilt, um den unterschiedlichen Anforderungen von sehr jungen Unternehmen in der Startphase ebenso gerecht zu werden, wie auch Gesellschaften in Wachstums- und Reifephasen. Die Ausführungen von Michelle Ollier, Partnerin bei Index Ventures, einer Schweizer VentureCapital-Gesellschaft, wird dies verdeutlichen. Interessant in der Darstellung der verschiedenen Investmentvehikel ist der „Phasenübergang“ von frühen Unternehmen in die Wachstumsphase. Hier befindet sich üblicherweise die kritische Finanzierungslücke, wo die Frühphasenfinanzierung oft nicht ausreicht, um Anschlussfinanzierungen durch „Growth Capital“ zu erreichen. Als eine „Zwischen-Exit“-Lösung wird von Investoren auch hier immer stärker die Verpartnerung mit Pharmaunternehmen in Betracht gezogen, um Projekte frühzeitig zu verkaufen oder in einer Allianz weiter voranzutreiben, bis sie die Kriterien der „LateStage“-Fonds oder Investoren erfüllen. Von der Pipeline- zur Projektfinanzierung: Fluch und Segen effizienter Finanzierungsstrategien Dr. Hubert Birner, General Partner TVM Capital GmbH, München Seit dem Beginn der Wirtschaftskrise hat sich die Finanzierungssituation für junge arzneimittelforschende Unternehmen weiter verschlimmert: Es fließt immer weniger Kapital in private Unternehmen, selbst bei den jetzt vorherrschenden niedrigen Bewertungen. In der Konsequenz muss die Biotechbranche neue Modelle bei der Finanzierung junger Unternehmen entwickeln. Das ist derzeit eines der wichtigsten Themen unserer Venture-Capital-Aktivitäten bei TVM Capital Life Sciences. Kapitaleffizienz in der Praxis – Der „EinProjekt-Ansatz“ Junge Unternehmen müssen ihre Arzneimittelforschung den limitierten Finanzierungsmöglichkeiten anpassen und biopharmazeutische Produkte auf möglichst kosteneffizientem Wege weiterentwickeln. Damit wird der „Werttreiber“ fokussiert; in den vergangenen zehn Jahren war es in Deutschland ohnehin so, dass der größte Anteil des Unternehmenswertes in einem einzelnen Projekt gesehen wurde, was beim Scheitern des „Flaggschiffproduktes“ stets zu einer rasanten Talfahrt des Unternehmenswertes führte. Eine mögliche Antwort kann daher die selektive Projektfinanzierung sein. Mit diesem Ansatz wird ein präklinischer Wirkstoffkandidat in einem kostengünstigen „virtualisierten“ Ansatz zu einem „technischen“ (schnelle Generierung positiver Daten im Menschen ohne aufwändige Parallelaktivitäten), nicht „regulatorischen“ „Proof of Concept“ (POC) entwickelt. Der Unterschied zu früher besteht darin, dass der finanzielle Aufwand und daher das Risiko beim „technischen“ POC signifikant geringer ist und man davon ausgeht, dass nach dem „technischen“ POC ohnehin ein Pharmapartner den Wirkstoffkandidaten übernehmen und mit ungleich höheren Ressourcen weiterentwickeln wird. Mit dem Einsatz von 8 bis 10 Millionen Euro kann so aus unserer Sicht ein Wirkstoffkandidat zum technischen POC entwickelt werden. Dann reichen ein bis zwei Investoren in einem Finanzierungskonsortium aus, um das Projekt bis zum entscheidenden Meilenstein zu finanzieren. Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus der Tatsache, dass der Wirkstoffkandidat mit sehr wenigen erfahrenen Projektentwicklern und externen Dienstleistern bearbeitet werden kann – ohne das Risiko, ein neues Entwicklungsteam zusammenstellen und dessen „Lernkurve“ finanzieren zu müssen. Die Gründer und Manager solcher Unternehmen erhalten zu Beginn einen klar definierten Anteil am Unternehmen und wissen bei Beginn des Projektes schon genau, was ihr relativer Anteil am wirtschaftlichen Erfolg eines nach Phase IIa erfolgreich an einen Partner verkauften Wirkstoffkandidaten sein wird. Diese Unternehmen haben nur ein sehr kleines Managementteam, das entlang klar vorgegebener Zwischenmeilensteine arbeitet, welche die Basis für die Finanzierung durch die Investoren darstellen. Bei einem Scheitern des Projektes erlaubt dieser Ansatz einen schnellen Projektabbruch und Minimierung des finanziellen Risikos. Der Hauptteil der Entwicklungsarbeit wird von erfahrenen CROs, medizinal-chemischen Dienstleistern und Beratern für die Arzneimittelzulassung erledigt. Da der wirtschaftliche Projekterfolg auch hier von einem professionellen „Business Development“ abhängt, wird diese Funktion meist von Investoren zur Verfügung gestellt, auch für mehrere ihrer Beteiligungen (alternativ wird das „Business Development“ extern vergeben). koordinator für „sein“ Projekt. Ihm sind aufgrund der klaren Meilensteinvorgaben für viele Entscheidungen klare Spielregeln vorgegeben. Managementaufgaben im Wandel Es ist offensichtlich, dass diese Art der Unternehmensfinanzierung die Kontrolle über das Unternehmen sehr stark in die Hände der Investoren verlagert. Der „Biotechunternehmer“ wird mehr und mehr zum Projekt- www.tvm-capital.com Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Risikodiversifizierung im Portfolio notwendig Aus der Sicht des Investors ist zu bedenken, dass bei der Einzelprojektfinanzierung alles auf eine Karte gesetzt wird – zwar mit weniger Kapitaleinsatz als früher, gleichzeitig aber mit einer deutlich höheren Chance eines Totalverlustes. Diese Finanzierungsstrategie verlangt daher auf Seiten des Investors eine ausreichend hohe Anzahl von Einzelprojekten, um die angestrebte Risikodiversifizierung zu erreichen. Fokus auf Produkte Der „Ein-Projekt-Ansatz“ ist kein Patentrezept für jede Art von Biotechunternehmen. Es ist nicht der Weg, eine interessante Plattformtechnologie weiterzuentwickeln, wo sehr spezialisiertes Expertenwissen und ein Team dedizierter Wissenschaftler über viele Jahre und Funktionen hinweg notwendig bleiben. Dieser Ansatz ist hervorragend geeignet für Einzelprojekte – meist aus der wissenschaftlichen Forschung oder von Pharmaunternehmen einlizenziert – um das Ertragspotenzial dieser Projekte bei den nach wie vor hohen Ausfallraten von 65 % und mehr zu erhöhen. TVM Portfolio-Beispiele Beispiele aus dem aktiven TVM Capital Portfolio für diese Finanzierungsstrategie sind Albireo oder Proteon Therapeutics. TVM Capital wird auch in Zukunft als Frühphasenfinanzier agieren – allerdings mit einer klugen, marktangepaßten Investitionsstrategie, die das Risiko und die Ertragserwartung auf Portfolioebene attraktiver macht als das in den letzten Jahren der Fall war. Das ist Teil unserer mehrstufigen Beteiligungsstrategie im Bereich Life Sciences, die künftig Beteiligungen an Gründung und Frühphase genauso vorsieht wie Wachstumsfinanzierungen profitabler Unternehmen. 75 VC strategies for early and late stage investments make it or on supporting unnecessary infrastructure. We have moved from the traditional model where venture capital has been used to build companies with a portfolio of assets in order to diversify risk to an assetcentric model, as we believe portfolio-style drug development is inefficient for earlystage venture investing. Dr. Michele Ollier, Partner Index Ventures, Genf We have refined our model wherein we work with experienced executives to tightly project manage programs to critical data points. We fully trust and believe in these portfolio executives to make those hard decisions. They are free and incentivised to do so, and should one asset fail scrutiny, they will be simply moved on to the next asset program. We want every molecule to move forward on its own merits and we don’t want to leverage the success of one asset in order to prop up another program just to keep the company alive. Dual strategy As an investor with funds dedicated to both early stage venture (Index Ventures V) and later stage (Index Growth Fund I), it has been critical to evolve a clear set of matrices which drive our investment decisions. In recent years, we have developed a dual strategy in which we are still investing in funding fully-fledged companies, built on strong platforms able to drive sustainable pipelines of new drugs. But a larger proportion of our investment is now directed towards assetcentric investing, wherein we focus on single assets and developing promising candidates to critical value inflection points to be partnered with pharma as quickly as possible. Asset sources Assets are originally sourced from universities, biotech companies and pharma. We have built a close network of entrepreneurial academic and industry contacts – “Asset Scouts”, whose role is to identify assets of interest. We look for early stage assets requiring one to three million US dollars project finance to reach a go / no-go point in order to assess its real potential. If it makes the grade, Index Ventures will progress the asset into the legal wrapper of a company and support it with an entrepreneurial management team with skills to drive the asset through key early development stages. From company building to an asset centric-model The high failure rate in backing early stage technologies and assets has driven many investors to focus their funds on the later stages of development – hedging big bets on a small number of companies. But without investors who are truly entrepreneurial and prepared to fuel the development of early products and technologies, our industry would choke innovation – and miss some potentially high returns. At Index Ventures, we have looked for the most cash-efficient and risk-balanced route to having early stage drugs either killed or progressed in a way which avoids wasting scarce cash on progressing assets which ultimately won’t Returns from early stage investing We expect less than one in ten asset programs to develop to a point at which considerable amounts of capital would be invested. But the investment made would have been low and we thus anticipate a smaller total gross burn to arrive at initial Phase II data — in between the region of 15 to 20 million US dollars for a single program — allowing for a syndicate of a maximum of two co-investors to carry the company. Typically, we would look for these assets to be sold for at least fivefold returns. We look for these assets to be sold at market values, priced on the basis of the size of the potential opportunity and the probability of it getting there. 76 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 With this system in place, Index Ventures is able to develop a pipeline of potential assets and lower risk portfolio companies, while minimizing the risk of product failure in later trials, reducing the amount of start up capital required and ultimately increasing Index Ventures’ ROI. PanGenetics is the most recent example of the value and ROI of Index Ventures’ asset-centric model following the sale of one of its two antibodies, anti-NGF PG110, to Abbott for 170 million US dollars in November 2009. This deal has been cited as the largest down-payment for a Phase I project ever. Building companies from disruptive technologies From both our venture and growth funds, Index Ventures is still investing in companies whose technologies move the frontier and have the potential to change the industry. Index’s investment in Versartis represented a novel model, aimed at maximizing the value of an innovative platform technology originally pioneered by Amunix. The ownership of the platform remains with Amunix and its inventors; while emerging asset programs are packaged into new clinical stage companies with the expertise to rapidly progress products development and maximize returns through partnering. Index Ventures is particularly strong in the biologics area – for example, we were an early investor in Genmab, and today we are invested in Molecular Partners, Micromet and Glycovaxyn. Micromet represents a typical investment from our growth fund – a listed company with clinical assets and whose platform has the potential to feed a growing pipeline towards a sustainable biotech company. In following our dual strategy, we believe we are able to invest at both early and late stages in a way which maximizes the potential of technologies and assets; rewards, motivates and keeps successful executives engaged; as well as providing a source of excellent deal flow for pharma and great returns for our LP investors. The current economy provides an excellent environment to put both scientific and investment creativity to work. www.indexventures.com Finanzierung und Kapitalmarkt Abbildung 5-9: Zukünftige* Finanzierungsquellen deutscher Unternehmen im Vergleich mit Europa und USA Anteil von antwortenden Unternehmen, Mehrfachnennungen möglich 42 VC / Private Equity 58 60 71 Fördermittel 37 38 Kooperationen Fremdkapital 3 43 44 24 12 12 Börsengang 43 10 7 4 Follow-On 10 19 5 PIPE 3 10 1 Wandelanleihe 13 12 0 % Deutschland (n = 151) 10 % 20 % 30 % Europa (Rest, n = 188) 40 % 50 % Die neuen Spielregeln sind auch bei den Unternehmen der Biotechbranche angekommen. Über ein Umdenken bei den Geschäftsmodellen, Restrukturierungen und insbesondere über die Auswirkung im Transaktionsbereich wurde in den vorhergehenden Kapiteln berichtet. Die Biotechunternehmen wurden im Rahmen der jährlichen Branchenumfrage von Ernst & Young auch konkret nach ihren Finanzierungsplänen gefragt. Im Ergebnis zeigen sich im Vergleich zum letzten Jahr nur geringfügige Änderungen; die Mehrheit der Unternehmen hatte bereits im Vorjahr realistisch auf die sich ändernden Optionen zur Finanzierung geblickt. 70 % 80 % USA (n = 174) Quelle: Ernst & Young, 2010 * geplante Aufnahme in den nächsten zwei Jahren Unternehmen akzeptieren „neue Spielregeln“ 60 % Im Gesamtbild ist die Hoffnung auf Fördermittel unverändert stark ausgeprägt (71 % nach 73 % im Jahr 2008). Demgegenüber setzt sich die über die letzten Jahre sichtbare Abnahme der VC-Finanzierung als Kapitalquelle weiter fort. Während 2006 noch über drei Viertel der Befragten (78 %) Venture Capital als Finanzierungsweg angaben, ist diese Erwartung in deutlichen Schritten – 2007 66 % und 2008 54 % – im Berichtsjahr 2009 auf gerade einmal 42 % der Aussagen gesunken. Unverständlicherweise und gegen den international sichtbaren Trend gibt es keinen Anstieg bei den Allianzen als Finanzierungsoption; die Umfrageergebnisse sind mit 38 % sogar leicht rückläufig im Vergleich zum letzten Jahr(42 %). Dieses Meinungsbild deckt sich aber tatsächlich mit den im Jahr 2009 erfolgten Transaktionen, die in Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Deutschland ebenfalls leicht rückläufig waren und dem europäischen Trend entgegenlaufen. Die geringfügige Steigerung in Angaben zu Fremdkapital von 22 % im Jahr 2008 auf aktuelle 24 % für 2009 könnte eine stärkere Ausrichtung auf die Serviceschiene andeuten; diese Zahlen sollten aber aufgrund der geringen Unterschiede nicht überinterpretiert werden. Realistisch wie bereits im Vorjahr (2 %) wird nach wie vor die Chance auf einen Börsengang in den Jahren 2010 / 2011 als äußerst gering eingestuft (3 %). Immerhin waren 2006 bei gleicher Fragestellung noch 14 % der antwortenden Unternehmen von einem Börsengang als Finanzierungs- und Exitoption ausgegangen. 77 Finanzierung und Kapitalmarkt Diese Aussagen folgen einer kontinuierlichen Entwicklung über die letzten drei Jahre, in denen die Zustimmung zum M&A-Exit von 41 % auf 63 % angestiegen ist, während im gleichen Zeitraum die Realisierbarkeit von IPOs schwankt, aktuell aber rückläufig ist. Abbildung 5-10: Denkbare Exitstrategien deutscher Biotechunternehmen im Jahresvergleich Anteil von antwortenden Unternehmen, Mehrfachnennungen möglich Die Fraktion der IPO-Befürworter ist sich ihrerseits aber im Klaren darüber, dass der Zeithorizont für einen möglichen IPO jenseits 2010 liegt; 88 % sehen einen Börsengang in frühestens drei Jahren. Immerhin fällt ebenfalls auf, dass es eine sichtbare Fraktion von Unternehmen gibt, die keine Exitplanung haben. Diese arbeiten mit Geschäftsmodellen, die unabhängig von Beteiligungen strategischer oder finanziell motivierter Investoren sind. Wie in Kapital 2 ausgeführt, gibt es gerade in Deutschland einen sichtbaren Anteil solcher Unternehmen. 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 41 0 % M&A 17 37 57 2007 (n = 175) IPO 27 33 2008 (n = 170) 63 18 25 2009 (n = 151) Börsengang kein Thema Keine Quelle: Ernst & Young und VentureSource, 2010 Alternative Finanzierungsaussichten im internationalen Vergleich Die parallele Befragung von Biotechunternehmen im internationalen Umfeld ergab interessante Unterschiede im Vergleich zu den Antworten aus Deutschland: Wesentliche Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der Fördergelder, die in Deutschland deutlich höher priorisiert werden als im internationalen Vergleich. Im Gegensatz dazu ist Venture Capital in Deutschland weniger favorisiert. Diesen Sachverhalt hatte bereits die letztjährige Befragung herausgestellt. Der auffälligste Unterschied im Vergleich zum Vorjahr ergibt sich bei Fremdkapital; hier bleibt der Wert für Deutschland unverändert bei 24 %, während Europa und USA in diesem Jahr deutlich nach unten fallen (10 %). Plausible Erklärung bietet wiederum die unterschiedliche Ausrichtung der Regionen, wobei Deutschland (s. detaillierte Aufstellung in Kapitel 2) stärker servicelastig erscheint und deshalb vermutlich eher den Zugang zu Fremdkapital finden kann. Exitstrategien passen sich an Die Einschätzungen zur Finanzierung korrelieren gut mit den entsprechenden Aussagen zu geplanten Exitszenarien. In Übereinstimmung mit den Investoren wird ein Verkauf des Unternehmens mittlerweile von einer deutlich größeren Fraktion der befragten Unternehmen in Deutschland als realistisch angenommen. Während fast zwei Drittel der befragten Unternehmen inzwischen eine M&A-Transaktion als wahrscheinlichstes Exitszenario ansehen, sind es nur noch 18 %, die sich einen IPO vorstellen können. Die signifikante Meinungsverschiebung hinsichtlich priorisierter Exitoptionen ist natürlich in erster Linie eine Reaktion auf das nach wie vor fest verschlossene IPO-Fenster. In Deutschland ist 2009 das dritte Jahr in Folge ohne Börsengänge und gemäß den Umfrageantworten ist nicht zu erwarten, dass 2010 eine Trendumkehr einleiten könnte. Auch in Europa ist IPO eher ein Ausnahmethema; auch hier sind die Aussichten nicht optimistischer. Im Jahr 2009 konnten vier europäische Unternehmen einen Börsengang durchführen und dabei insgesamt 90 Millionen Euro einnehmen. Alle vier Börsenkandidaten konnten eine spezifische Rationale für ihre Entscheidung ins Feld schicken. Tabelle 5-4: Börsengänge europäischer Biotechunternehmen, 2009 Unternehmen Land Volumen (Mio. €) Datum Art Movetis Belgien 85,0 3. Dezember IPO D-Pharm Israel 5,2 17. August IPO Arpida/Evolva Schweiz 11. Dezember Reverse IPO mondoBIOTECH Schweiz 26. August Listing Quelle: Ernst & Young und Firmennachrichten, 2010 78 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Finanzierung und Kapitalmarkt Allerdings konnte nur ein Unternehmen, Movetis aus Belgien, signifikante Erlöse (85 Millionen Euro) erzielen. Movetis ist ein Speciality-Pharmaunternehmen, das sich auf die Entwicklung und Vermarktung von Therapeutika für gastrointestinale Erkrankungen fokussiert. Das reife Portfolio mit einem Marktprodukt sowie das Geschäftsmodell „Speciality Pharma“ konnten offensichtlich überzeugen. Daneben waren alle anderen Börsengänge nur Listings, wie bei den beiden Schweizer Unternehmen MondoBIOTECH und Evolva. Der Börsengang von Evolva, einem Unternehmen mit einer „Genetic-Chemistry“Plattform zur Generierung von neuen Wirkstoffen auf Basis mikrobieller Sekundärmetaboliten, war verbunden mit der Übernahme der Börsenhülle der ehemaligen Arpida, die in Novartis rückintegriert worden war. MondoBIOTECH hingegen hat sich dem „Repurposing“ bekannter Wirkstoffe (Peptide) für die Entwicklung von Therapeutika für seltene Erkrankungen verschrieben. Dem Listing folgte inzwischen Anfang 2010 eine Kapitalerhöhung in Höhe von 9,2 Millionen CHF. Einen sehr kleinen Betrag (5 Millionen Euro) konnte außerdem das israelische Unternehmen D-Pharm per IPO an der Börse in Tel Aviv einnehmen. Impulse aus den USA? Zumindest aus der Perspektive IPO ist auch in den USA keine positive Trendwende ersichtlich, die – wie in der Vergangenheit geschehen – in zeitlichem Abstand auf Europa und Deutschland projiziert werden könnte. Für die nur drei Börsengänge in den USA im Laufe des Jahres 2009 gilt ebenso wie für die in Europa beschriebenen: Erhöhte Anforderungen und eine besondere Story sind die Grundvoraussetzung. So ist der 550Millionen-US-Dollar-Börsengang von Talecris sicherlich insofern eine Ausnahme, als dieses Unternehmen mit den Plasmafraktionierungsaktivitäten bereits lange erfolgreich im Markt ist (Nachfolgeaktivitäten von Bayer / Cutter in den USA). Ein weiterer IPO, Cumberland Pharmaceuticals mit 79 Millionen US-Dollar, folgt dem Muster eines Specialty-Pharmaunternehmens ebenfalls mit Produkten, die bereits auf dem Markt sind. Schließlich ist der einzige eher klassische Biotech-IPO der von Omeros (68 Millionen US-Dollar), basierend auf einem Produktportfolio im Bereich Entzündungen / ZNS mit dem „Frontrunner“ in Phase III für die Therapie von postoperativen Entzündungsproblemen. Nur der Ausnahme-IPO von Talecris zeigte im Nachhinein eine positive Entwicklung des Aktienkurses; die übrigen Börsengänge konnten die Erwartungen nicht erfüllen und fielen im weiteren Handel deutlich unter die Ausgabekurse. Bleibt die Hoffnung auf die Erholung des Sekundärmarktes in den USA, der ebenfalls Signalwirkung haben kann auf die weitere Entwicklung des Kapitalmarktes und zukünftige Börsengänge. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Auch hier zeigt die Entwicklung in den USA in die gleiche Richtung wie für Europa bereits beschrieben: Der Appetit des US-Kapitalmarktes für den Biotechsektor nimmt zu; die Gesamtbilanz der Kapitalmarktaktivitäten der börsennotierten Unternehmen zeigt 2009 deutlich nach oben. Mit 13,6 Milliarden US-Dollar konnte das Volumen im Vergleich zu 2008 mehr als verdoppelt werden. Allerdings ist die Verteilung dieser Mittel auch in den USA konzentriert auf eine kleine Gruppe von 19 führenden Unternehmen, die mehr als zwei Drittel der Gesamtsumme für sich verbuchen. Die Branchenführer Amgen (2 Milliarden US-Dollar Debt), Cephalon (500 Millionen US-Dollar), Gilead (400 Millionen US-Dollar) und BioRad Laboratories (300 Millionen US-Dollar) führten das Feld an. Für Aufmerksamkeit hatten auch die kurz aufeinanderfolgenden Sekundärfinanzierungen von Therapeutikaentwicklern mit reifen klinischen Projekten wie Vertex (940 Millionen US-Dollar), Genome Sciences (851 Millionen US-Dollar), Dendreon Pharmaceuticals (600 Millionen US-Dollar) sowie Incyte (540 Millionen US-Dollar) gesorgt. Wenngleich die enormen Summen in diesen Finanzierungen ein wiederkehrendes Interesse der Kapitalmärkte an Biotech anzudeuten scheinen, so bleibt doch ein berechtigter Zweifel zurück, ob die Fokussierung auf die Branchenführer mit entsprechend etabliertem Track Record als Signal für die Biotechbranche in ihrer ganzen Breite gewertet werden kann. Insbesondere ist nach wie vor nicht zu erkennen, ob die Wirkung bis auf die Ebene der Börsenaspiranten reicht und somit ein Wiederbeleben der IPO-Aktivitäten eintreten wird. 79 Analyse: Finanzierung börsennotierter Unternehmen Talsohle erreicht? Die Kapitalmarktmaßnahmen der börsennotierten deutschen Biotechunternehmen haben sich nach dem dramatischen Einbruch im letzten Jahr (minus 64 %) aktuell auf dem niedrigen Niveau des Vorjahres etabliert. Ein nur geringfügiger Anstieg von 10 % auf aktuell 54 Millionen Euro kann sicherlich noch nicht als Aufwärtstrend interpretiert werden. Eher scheint es, dass die Talsohle erreicht ist. Kapitalmaßnahmen börsennotierter Biotechunternehmen in Deutschland In der Einzelanalyse wird ersichtlich, dass lediglich fünf Unternehmen überhaupt am Kapitalmarkt erfolgreich waren. Das Münchner Unternehmen 4SC, das 30 Millionen Euro im Rahmen einer PIPE (Private Investment in Public Entity) einnahm, konnte dabei alleine 56 % der gesamten Finanzierungssumme im deutschen Biotechsektor für sich verbuchen. Dies ist umso bemerkenswerter, als das Unternehmen bereits im letzten Jahr mit 29 Millionen Euro die Rangliste der Kapitalerhöhungen anführte. 4SC kann wesentliche Erfolgsfaktoren auf der Habenseite vorweisen: • proprietäre Technologieplattform (in-silicoScreening) integriert in eine effiziente Forschungseinheit zur Generierung von niedermolekularen Wirkstoffen • Fokussierung auf hochattraktive Therapiegebiete (Autoimmun- und Krebserkrankungen) • eine ausgewogene Entwicklungspipeline mit acht Projekten in präklinischer und klinischer Entwicklung • klar definierte Geschäftsstrategie mit Fokus auf die Entwicklung von innovativen Wirkstoffen bis zum „Proof of Concept“ mit anschließender Verpartnerung mit Pharmaunternehmen • abgeschlossene Partnerschaften, die Technologie und Produkte validiert haben • Verbindung mit potentem Investor (Santo Holding; Brüder Strüngmann) Tabelle 5-5: Sekundärfinanzierungen börsengelisteter deutscher Biotechunternehmen, 2009 Unternehmen Volumen (Mio.€) Datum Art 4SC 30,0 16. November PIPE Wilex 8,9 11. November PIPE Epigenomics 5,2 12. Februar PIPE Biofrontera 3,0 17. März PIPE Mologen 2,8 27. März PIPE Biofrontera 2,2 24. Juli Follow-on Biofrontera 1,8 9. September Follow-on Biofrontera 0,5 14. Januar PIPE Quelle: Ernst & Young und Firmennachrichten, 2010 erkrankungen und Krebs. Innerhalb der kommenden 24 Monate soll der klinische Wirksamkeitsnachweis für den niedermolekularen Wirkstoff 4SC-101 in Rheumatoider Arthritis und für den HDAC-Inhibitor 4SC-201 in hepatozellulärem Karzinom, einer Form von Leberkrebs, erzielt werden. Insgesamt wurden im Rahmen der Kapitalerhöhung 10 Millionen neue Aktien platziert. Der Streubesitz (Free Float) liegt damit nach aktuellem Kenntnisstand bei 19 % der ausgegebenen Aktien. Mit einem attraktiven Finanzierungsdeal konnte auch die Heidelberger Sygnis Pharma aufwarten, die ein 10-Millionen-Euro-SEDAAgreement von Yorkville abschließen konnte Da dieser Deal Finanzierungszusagen über drei Jahre beinhaltet, die aber noch nicht ausgeübt wurden, ist die Summe noch nicht in der Tabelle aufgeführt. Mit den Erlösen soll die Weiterentwicklung der aktuellen Produktpipeline der 4SC gesichert werden. Dabei liegt der Fokus insbesondere auf dem Voranbringen der klinischen Medikamentenkandidaten gegen Autoimmun- Mit deutlichem Abstand folgt die Wilex AG mit einer 9-Millionen-Euro-Kapitalerhöhung durch Platzierung zusätzlicher Aktien an der Börse. Wilex hatte ebenfalls bereits am Anfang des Jahres Schlagzeilen durch die Übernahme des präklinischen OnkologieProgramms von UCB gemacht (s. auch Expertenbeitrag von Peter Llwellyn-Davies im Deutschen Biotechnologie-Report 2009); damit einhergegangen war eine weitere Kapitalerhöhung (10 Millionen Euro) im Rahmen der Verschmelzung mit der UCBTochter. Wilex hat dadurch neues Kapital und zusätzlich neue Entwicklungskandi- 80 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 daten in sein Portfolio aufgenommen; die Ausrichtung ist klar auf Krebserkrankungen gerichtet mit dem Leitprojekt Rencarex (Antikörper in Phase III gegen Nierenkarzinom), der sowohl diagnostisch als auch therapeutisch eingesetzt werden kann. Mit insgesamt acht Millionen Euro Erlös aus insgesamt vier Kapitalmaßnahmen war erneut Biofrontera am Kapitalmarkt erfolgreich. Das Unternehmen gehörte ebenfalls zu den wenigen, die auch bereits 2008 (wenn auch nur mit einer Million Euro) Erlöse an der Börse erzielen konnte. Die Biofrontera ist ein biopharmazeutisches Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von medizinischer Kosmetik und neuen Medikamenten zur Pflege und Behandlung von Haut- und Entzündungskrankheiten spezialisiert. Das Wirkkosmetikum Belixos wurde im Oktober 2009 am Markt eingeführt. Darüber hinaus hat die Gesellschaft drei Produktkandidaten für vier verschiedene Indikationen in klinischer Entwicklung. Die in der Entwicklung am weitesten fortgeschrittenen Medikamente sind BF-200 ALA (Phase III) für aktinische Keratose (Vorstufe von Hautkrebs) und Kondylom (Genitalwarzen) sowie BF-derm 1 (Phase II) für chronische, antihistaminrefraktäre Urtikaria (mit Antihistaminen nicht ausreichend behandelbare chronische Nesselsucht). Das im Laufe des vergangenen Jahres eingenommene Kapital soll vornehmlich für die Marktausweitung des eingeführten Wirkkosmetikums sowie für die Vorbereitung der Marktzulassung von BF-200 ALA eingesetzt werden. Finanzierung und Kapitalmarkt Mit zwei kleineren Kapitalmaßnahmen konnten weiterhin die Unternehmen Epigenomics sowie Mologen, beide in Berlin ansässig, frisches Geld aufnehmen. Epigenomics ist ein Molekulardiagnostikunternehmen, dessen Schwerpunkt auf der Entwicklung und Kommerzialisierung von in-vitro-diagnostischen Tests für Krebserkrankungen liegt. Die Früherkennungstests zielen auf eine Krebsdiagnose ab, bevor erste Symptome auftreten. Am weitesten fortgeschritten ist das Produktentwicklungsprogramm für Darmkrebs. Darüber hinaus werden diagnostische Tests für Lungen- und Prostatakrebs entwickelt. Epigenomics beabsichtigt, die Finanzmittel aus der Transaktion für die abschließenden Entwicklungs- und Kommerzialisierungsschritte des am weitesten fortgeschrittenen Produkts, eines molekulardiagnostischen Bluttests für die Früherkennung von Darmkrebs, sowie für die klinische Forschung und Produktentwicklung in den Programmen für Lungen- und Prostatakrebs einzusetzen. Die sehr kurze Liste der am Kapitalmarkt erfolgreichen Biotechunternehmen in Deutschland wird geschlossen durch Mologen, ein Unternehmen, das neuartige DNA-basierte Medikamente gegen Krankheiten mit einem hohen medizinischen Bedarf erforscht und entwickelt. Neue immunologische Medikamente und Therapieverfahren gegen Krebs sowie die Entwicklung modernster Impfstoffe zur Prävention und Behandlung von schweren Infektionskrankheiten bei Mensch und Tier stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten. Am weitesten fortgeschritten sind neue Wirkstoffe auf DNA-Basis für Dickdarmund Prostatakrebs (beide am Ende der Phase I) sowie ein Impfstoff gegen Leishmaniose. Nachdem Mologen im März 2009 die Kapitalerhöhung mit fünf Millionen Euro erfolgreich platzieren konnte, erfolgte im Juni die Aufnahme in den Prime Standard der Frankfurter Börse. Der Erlös der Kapitalerhöhung wird für die gezielte Weiterentwicklung der Produktpipeline verwendet. Ernüchternde Bilanz Mit den erreichten Einnahmen aus Kapitalerhöhungen stehen aber auch die börsennotierten Unternehmen an dem Punkt, wo nur sehr wenige die Chance haben, am Kapitalmarkt erfolgreich zu sein. Wenn man von diesen wenigen noch diejenigen separat betrachtet, die durch ihre Verbindung mit Privatinvestoren in privilegierter Position stehen, so bleibt für die Finanzierung der Branche über den Kapitalmarkt selbst sehr wenig übrig. Insofern gilt ebenso für die „public“ Unternehmen der Branche, sich auf neue Spielregeln einzulassen und alternative Finanzierungsmaßnahmen anzugehen. Einige Ideen kamen bereits im letzten Jahr zum Vorschein: MediGene konnte einen „SEDA Deal“ über 25 Millionen Euro platzieren, der dem Unternehmen sowohl Kapitalzusagen als auch flexible Zugriffsmöglichkeiten zusichert. Die Transaktion von Wilex mit UCB, die ebenfalls interessante Finanzierungselemente beinhaltete, war ein weiteres Beispiel. Leider hat die Analyse der diesjährigen Kapitalmaßnahmen abgesehen von dem bereits beschriebenen SEDA-Abkommen von Sygnis keine entsprechenden Transaktionen ergeben. Die Branche wird sich jedoch sehr intensiv mit dieser Fragestellung auseinanderzusetzen haben. Kapitalmarkt Europa Während für die deutsche Biotechbranche die Finanzierung der börsennotierten Unter- nehmen kaum neue Impulse erlebte, sieht man mit dem ersten Blick auf die europäischen Kapitalmarktzahlen eine deutliche Erholung. Follow-on- und andere Transaktionen nehmen danach im Volumen um 216 % zu und erreichen nach dem schwachen Ergebnis von nur 537 Millionen Euro im Jahr 2008 fast 1,7 Millionen Euro im aktuellen Berichtsjahr 2009. Der zweite Blick allerdings relativiert diese optimistische Schlussfolgerung etwas. Durch zwei außergewöhnlich hohe Kapitalmarkttransaktionen der Branchenführer QIAGEN und Warner Chilcott wurden alleine 780 Millionen Euro, oder 46 % der Gesamtsumme, eingenommen. Somit verblieben für den Rest der Branche 915 Millionen Euro, die sich über insgesamt 121 Runden aufteilten. Damit legten die Börsenunternehmen in Europa bei den Kapitalmarktfinanzierungen immer noch ein beachtliches Wachstum von 70 % vor. Dies ist ein klares Signal dafür, dass der Appetit für Biotech- und HightechInvestitionen am Kapitalmarkt wieder zunimmt. Es wird dennoch weiterhin zu beobachten sein, inwieweit dieses neue Interesse auch die Börsenneulinge einschließen wird (IPOs) bzw. auch für deutsche Unternehmen neue Impulse bietet. Tabelle 5-6: Sekundärfinanzierungen börsengelisteter europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl) Unternehmen Land Volumen (Mio.€) Datum Art QIAGEN Niederlande 460,6 24. September Follow-on Warner Chilcott Irland 320,0 13. November Follow-on NicOx Frankreich 69,9 21. Dezember Rights offering NeuroSearch Dänemark 57,6 11. November Rights offering Proximagen Neuroscience UK 56,1 1. Juni PIPE Amarin Corporation Irland 47,8 13. Oktober PIPE Bioton Polen 46,4 4. Juli CEFF ThromboGenics Belgien 42,3 16. November PIPE 4SC Deutschland 30,0 16. November PIPE NicOx Frankreich 30,0 18. November PIPE Quelle: Ernst & Young und Firmennachrichten, 2010 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 81 Marktkapitalisierung Abbildung 5-11: Marktkapitalisierung börsennotierter deutscher Biotechunternehmen, 2009 Gesamt-Marktkapitalisierung (Mio. €) Marktkapitalisierung (Mio. €) 450 1600 400 1400 350 1200 300 1000 250 800 200 600 150 400 100 200 50 0 Jan 09 PAION Sygnis Pharma Wilex Curasan Feb 09 März 09 April 09 MediGene 4SC Mologen Agennix Mai 09 Juni 09 Juli 09 Aug 09 Sep 09 Evotec Biofrontera co.don Summe (rechte Achse) Okt 09 Nov 09 Dez 09 0 Epigenomics GENEART MorphoSys Quelle: Ernst & Young, Capital IQ, 2010 Talsohle durchschritten Im Jahr 2008 erreichte die akkumulierte Marktkapitalisierung über alle börsennotierten deutschen Biotechunternehmen eine Talsohle und schien den tiefen Fall (minus 50 %) seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise aufzufangen. Im ersten Quartal 2009 gab die Market-Cap-Entwicklung zunächst weiter nach, um von da an allerdings über den Verlauf des Jahres kontinuierlich nach oben zu zeigen. Zum Jahresende wurde ein kumulierter Wert von 1,4 Milliarden Euro erreicht, der einer Steigerung gegenüber dem Vorjahresende von 30 % entspricht. Ausgehend vom absoluten Tiefpunkt im März 2009 ergibt sich sogar eine Steigerung um 70 %. 82 In der Darstellung der Indexkurve wurde das Berliner Unternehmen Jerini, das Ende März 2009 an Shire verkauft worden war, für das komplette Jahr unberücksichtigt gelassen. Mit diesem Wert wurde das Niveau vor der Krise (ca. 2,5 Milliarden Euro)zwar noch lange nicht erreicht, die Aufwärtsentwicklung über das Jahr 2009, das ohne neue Börsenunternehmen zustande kam, gibt dennoch Anlass zur Hoffnung. Haupttreiber der Marktkapitalentwicklung war vor allem MorphoSys aus München. Das Vorzeigeunternehmen mit seiner weltweit als führend anerkannten Antikörperplattform dominierte den Index und deckte im Schnitt ein Drittel des Gesamtwertes für die Branche ab. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Ein weiterer wichtiger Treiber, vor allem für den Anstieg ab dem zweiten Quartal 2009 war die Evotec AG, die nach einem sehr einschneidenden Strategiewechsel mit stärkerer Rückbesinnung auf die einstigen Stärken im Drug-Discovery-Prozess den gewaltigsten Wertsprung machte. Die Marktkapitalisierung stieg von schwachen 84 Millionen Euro zu Anfang des Jahres ab Juni 2009 stark an und erreichte das Jahreshoch gegen Ende des Jahres bei 231 Millionen Euro. Dieser Anstieg um 175 % wurde von keinem anderen Unternehmen übertroffen. Finanzierung und Kapitalmarkt Mit MediGene ergänzt sich die Reihe der Vorreiter der deutschen Biotechindustrie um einen weiteren Treiber des Gesamtindex. MediGene konnte sich über das gesamte Jahr 2009 relativ konstant um die 150 Millionen Euro Marktwert halten. Damit hatte das Unternehmen immerhin einen durchschnittlichen Anteil von 14 % am Gesamtindex und konnte eine stabilisierende Wirkung auf den Gesamtindex ausüben. Alle anderen notierten deutschen Unternehmen trugen aufgrund ihrer relativ niedrigen absoluten Marktbewertung individuell weniger zum Gesamtindex bei (1–10 % des Index). Allerdings zeigten einige von ihnen durchaus erfreuliche Kursanstiege über das Jahr, die in das Gesamtbild passen. Allen voran Biofrontera mit einem Kursgewinn von über 200 %, basierend auf überlegenen klinischen Daten für die Therapie der aktinischen Keratose und der Marktperformance des medizinischen Hautpflegeprodukts Belixos. Ebenfalls Marktwertsteigerungen von über 50 % zeigen Epigenomics (plus 94 %)als Reaktion auf klinische Ergebnisse und neue Partnerschaften, PAION (plus 70 %) im Zusammenhang mit seinem Turn-Around nach den herben Rückschlägen und dem Scheitern der Desmoteplase-Studie sowie Wilex (plus 86 %) mit positiven Reaktionen auf den Deal mit UCB. Deutliche Verlierer sind im Verlauf des Jahres 2009 nicht auszumachen. Die in der Detailbetrachtung nicht erwähnten Unternehmen konnten ihre Marktbewertung in Grenzen stabil halten, was in der Situation der immer noch anhaltenden Krise und insbesondere auch immer noch deutlich spürbarer Auswirkung auf die Finanzierung von privaten und börsennotierten Biotechunternehmen positiv zu beurteilen ist. Abbildung 5-12: Gesamt-Marktkapitalisierung börsennotierter deutscher Biotechunternehmen im Vergleich zu Europa, DAX und TecDAX Relative Änderung 60 % 40 % 20 % 0 % - 20 % - 40 % Jan 09 EY-Deutschland Feb März April Mai 09 09 09 09 Juni Juli 09 09 EY-Europa Aug Sept Okt 09 09 09 DAX Nov 09 Dez 09 TecDAX Quelle: Ernst & Young, Capital IQ, finance.yahoo.com, 2010 Deutscher Biotechindex im Vergleich Der für die deutschen Biotechunternehmen errechnete Index stellt sich im Vergleich zu allgemeinen deutschen Leitindices durchaus positiv dar. Zwar wird die positive Entwicklung des TecDAX nicht erreicht; dennoch verläuft die Indexkurve für die Biotechunternehmen parallel zur DAX-Kurve, um diese gegen Ende des Jahres sogar deutlich zu überholen. Im gleichen Schaubild zeigt sich weiterhin, dass auch die gesamteuropäische Erholung überwiegend parallel zum deutschen Index verläuft. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Diese Erholung der Kapitalmärkte ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass überhaupt in absehbarer Zeit wieder Bewegung in die IPO-Szene kommt. Bessere Bewertungen erregen das Interesse von Investoren, die sich dem Biotechsegment wieder zuwenden. Die erneut positiven Signale vom Markt der Sekundärfinanzierungen an den Börsen sind ebenfalls wichtige Vorboten für ein „Wiedererwachen“ des Kapitalmarkts und neues Interesse am Biotechsektor. 83 6 Life-Science- Netzwerke 84 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Cluster und regionale Wertschöpfungsnetzwerke Die Zustandsbeschreibung und Analyse der deutschen Biotechnologiebranche offenbart aus allen Blickwinkeln der vorangegangenen Kapitel (Geschäftsstrategien, Produktentwicklung, Transaktionen, Finanzierung) eine immer wiederkehrende Schlussfolgerung: • Das Wissenschafts- und Innovationspotenzial in Deutschland wird hoch bewertet und hält durchaus internationalen Vergleichen stand. • Die Umsetzung des Potenzials und Realisierung der Innovation am Markt stößt nach wie vor an Grenzen, die auch gesellschaftlich begründet sind, vor allem in dem unzureichend ausgebildeten Unternehmertum und dem ebenso unterentwickelten Verhältnis zu Risiko. • Damit gehen folgerichtig auch eine eher risikoscheue Finanzierungsszene und eine servicegeprägte Segmentierung von Geschäftsmodellen einher. Vor allem die Verbesserung der Kommerzialisierung von angestoßenen Innovationen liegt den politischen Entscheidungsträgern am Herzen. Wissenschaft um ihrer selbst Willen kann ein ressourcenarmes Land wie Deutschland auf Dauer wirtschaftlich nicht voranbringen. Gezielte Nutzung der wissenschaftlichen Potenziale auf existierenden und neu zu entwickelnden globalen Märkten ist das oberste Ziel. Die Umsetzung der politischen Zielsetzungen hat in den letzten Jahren eine klare Umorientierung erfahren. Gießkannenförderung auf breiter Ebene bringt wenig; gezielte Mittelverwendung – insbesondere wenn diese knapp sind – auf selektive Projekte verspricht das bessere Ergebnis. Die Treiber dieser Entwicklung lassen sich auf einige wesentliche Punkte konzentrieren: • Förderung von Netzwerken, in denen die essenziellen Teilnehmer einer kompletten Wertschöpfungskette interagieren • Fokussierung von Netzwerken auf thematische Schwerpunkte, um kritische Masse hinter ein definiertes Thema zu bringen und damit den Erfolg wahrscheinlicher zu machen (dies bezieht insbesondere in neueren Netzwerken die Produktwertschöpfungsketten mit ein) • Organisation von Wettbewerben, in denen die erfolgversprechendsten Konzepte einem kompetenten Auswahlprozess unterworfen werden, der internationale Maßstäbe für die Bewertung anlegt Auch in diesen Zusammenhang passt die zuvor beschriebene, massive Umwälzung des Pharmaökosystems mit größerer Bereitschaft zur Zusammenarbeit auf allen Stufen der Wertschöpfung. Der Erfolg der „neuen“ Netzwerkstrategien wird letztlich vor allem auch durch das viel offenere Mitmachen der großen Unternehmen aus dem Pharmabereich getrieben. Sowohl das Einbringen von Kompetenz und Know-how als auch die Beteiligung an der Finanzierung von Netzwerkinitiativen sind essenzielle Voraussetzungen für erfolgreiche Kommerzialisierungsbestrebungen. Von Seiten der Politik wurden in den letzten Jahren vor allem sogenannte Clusterwettbewerbe ausgeschrieben, für die sich Regionen mit definierten Themenkomplexen bewerben. Die entsprechenden Partnernetzwerke generieren dabei systematisch eine komplette Wertschöpfungskette, angefangen von der akademischen Forschung über Translationseinheiten bis zu Partnern (Biotech KMUs, Pharma und andere Industrievertreter) für die Entwicklung und Herstellung von resultierenden Produkten. Ebenso wurden die Ziele zunehmend dem Kommerzialisierungsgedanken angepasst. Dabei werden in den Clusterkonzepten oft konkrete Zahlen von Produkten festgelegt, die in einem definierten Zeitrahmen an den Markt gebracht werden sollen. Zusätzlich zu den inhaltlichen Zielen sind in den aktuellen Clusterkonzepten auch die strukturellen Komponenten deutlich professioneller ausgestaltet. Professionelle ClusterManagement-Organisationen übernehmen Koordination und Verantwortung für den Projektfortschritt sowie die professionelle Vermarktung des jeweiligen Netzwerks. Schließlich ist allen aktuellen Clusternetzwerken gemein, dass sie zwar auf einem regionalen Kern beruhen, aber dennoch ihre Aktivitäten im internationalen Wettbewerb sowie mit Ausrichtung auf internationale Märkte sehen. „Glocal = Local touch with global reach“ Die Zugehörigkeit zu einem Cluster wird daher nicht ausschließlich durch die Geographie bestimmt, sondern vornehmlich durch inhaltliche Beiträge und die Integration in das definierte Clusterthema. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Die beiden prominentesten Clusterwettbewerbe im Rahmen der BMBF-Initiative „Ideen zünden“ wurden bereits im letzten Biotech-Report beschrieben: • BioPharma-Wettbewerb • Spitzencluster-Wettbewerb Im aktuellen und in folgenden Reports soll nach dem Küren der BioPharma-Siegerkonzepte im zeitlichen Abstand konkret nach dem Stand der Umsetzung gefragt werden. Hierzu werden die aus dem BioPharma-Wettbewerb als Sieger hervorgegangenen Cluster aus ihrer aktuellen Arbeit berichten. Dazu zählen die Neuro-Allianz in Bonn, das NEU2-Cluster in Hamburg sowie das Max Planck Drug Discovery Center in Dortmund. Neben dem BioPharma-Wettbewerb hat in den letzten beiden Jahren auch der Spitzencluster-Wettbewerb viel Aufmerksamkeit erzielt. Bei allen Antragstellern aus dem Life-Science-Bereich ging es ebenfalls um fokussierte Themenstellungen mit dem Hauptziel der Kommerzialisierung von Produkten. Die beiden Life-Science-Konzepte der zweiten Wettbewerbsphase, die im Februar 2010 abgeschlossen wurde, werden erstmals in Beiträgen der Initiatoren vorgestellt: • m4-Cluster München, der Gewinner des aktuellen Spitzencluster-Wettbewerbs (Phase II) mit Ausrichtung auf die Kommerzialisierung von Produkten auf Basis der „Personalisierten Medizin“ • Mainzer Modell, der Mitbewerber mit Fokus auf Immuntherapie, ebenfalls mit einem breiten Spektrum an Produktentwicklungen Neben den bundesweit angestoßenen Clusterwettbewerben haben sich zusätzliche regionale Netzwerke mit definierten thematischen Schwerpunkten etabliert, wie beispielsweise LIFE & BRAIN in Bonn, welches als Innovationszentrum auf dem Gebiet der angewandten Biomedizin neue Strategien für die Diagnose und Therapie von Erkrankungen des Nervensystems vorantreibt. Die Struktur von LIFE & BRAIN zielt auf das frühe Erkennen innovationsfähiger Forschungsansätze aus der Universität und deren Translation in marktfähige Produkte für Diagnostik und Therapie. 85 NEU²: NEUe Wirkstoffe gegen NEUrologische Erkrankungen schließlich kommerzialisiert zu werden. Treiber dieser Veredelung sind der jeweilige Projektleiter, der Sponsor sowie das Konsortialmanagement selbst, das im Sinne der Effizienz an gut funktionierenden Schnittstellen interessiert ist. Dr. Timm-H. Jessen, CEO Bionamics GmbH, Kiel BioPharma-Cluster auf dem Weg zu neuen Wirkstoffen Clusterbildungen zu Themen (z.B. Medizintechnik), Technologien (z. B. Bildgebung) oder zu umfangreichen Arbeitspaketen (z. B. Genomsequenzierung) sind bereits wiederholt zu einem Erfolgsfaktor geworden, um die jeweilige Aufgabe effizient zu lösen. In der Wirkstofffindung sowie Wirkstoffentwicklung ist eine solche Struktur jedoch noch nicht nachhaltig erprobt: NEU² besetzt hier Neuland. NEU² ist ein Gewinner der BioPharma-Initiative des Bundes. Der Cluster umfasst akademische Einrichtungen (UKE / Hamburg), Dienstleister (European Screening Port, CTC North), Investoren (IPB AG), Biotech-(z.B. Cedrus Therapeutics) und einen Pharmapartner (Merck Serono). Deren Kompetenzen ergänzen sich und decken gemeinsam das gesamte Spektrum ab, das erforderlich ist, um neue Wirkstoffe zu finden und zu entwickeln. Neue Wirkstoffe für Multiple Sklerose NEU² hat vor allem neurologische Erkrankungen im Visier mit Fokus auf der Behandlung der Multiplen Sklerose; hier wiederum stehen neuroprotektive und auch neuroregenerative Ansätze im Vordergrund. Projekte, die aus dem Cluster selbst oder auch aus externen Quellen stammen können, greifen abhängig von deren Reife und Erfordernissen auf die Kompetenzen und Plattformen der Konsortialteilnehmer zu, um so veredelt und Vorteile für Investoren Investoren begegnen diesem Konstrukt mit großem Interesse und betonen die folgenden Vorteile: • Aufsetzen auf bestehenden, erfahrenen Einheiten • Aufbau einer Firmenstruktur entfällt • Projektmanagement schon eingerichtet • kritischer Umgang mit der Projektaufnahme sowie dem Projektfortschritt – als wichtige Voraussetzung für eine spätere erfolgreiche Vermarktung • Die privaten Mittel kommen in sehr hohem Maße direkt dem Projekt zugute • Investitionsdauer absehbar (drei bis vier Jahre) • Weiterer Anreiz durch die öffentliche Förderung für Projekte (20 Millionen Euro in der ersten Phase seitens des BMBF), die aus zwei privat investierten Euros durchaus drei Euros werden lassen können – eine wesentliche Effizienzsteigerung aus Sicht des Investors Derzeit kommen die privaten Investitionen in Höhe von bis zu 30 Millionen Euro noch überwiegend aus dem Konsortium; das NEU² Konstrukt erlaubt jedoch auch den Einstieg privater und institutioneller Investoren, die nicht Konsortialmitglieder sind. Erste konkrete Initiativen implementiert Das Cluster kann mittlerweile die Implementierung konkreter Initiativen vorweisen: • Erstes Projekt operativ gestartet (Serinracemase / Evotec). • Insgesamt befinden sich derzeit zehn Projekte in der Umsetzung, Bewilligung oder Antragsphase (von Konsortialmitgliedern als auch aus externen Quellen). Das Projektportfolio reicht von anvalidierten Genen bis hin zu klinischen Kandidaten und setzt so gleichzeitig auf die gesamte Wertschöpfungskette im Konsortium auf. Insbesondere im klinischen Entwicklungsbereich erhofft sich NEU² durch die Kombination bildgebender Verfahren mit Biomarkern und der Klinik eine deutliche Effizienzsteigerung. • Konsortialvertrag abgeschlossen. Regeln für das Miteinander im Konsortium in Ver- tragswerk vereinbart, das ein gutes Gerüst für die turnusmäßigen Projekttreffen und Steering Committees bietet. • Unabhängiges Konsortialmanagement, essenziell, um zu allgemein akzeptablen Lösungen zu kommen. • Separate Managementgesellschaft zur Ausübung der KonsortialmanagementFunktion: – Projekt- und Investorenakquise – Unterstützung der Kommerzialisierung von Projektergebnissen – Öffentlichkeitsarbeit Projekt IP versus Entwicklungskosten Projekte, die im Konsortium entwickelt werden, müssen einen „project owner“ haben, der über die relevante IP verfügt. Die Projektveredlung führt meist zu neuer IP, die entlang den Förderrichtlinien zunächst einmal weiterhin dem „project owner“ zusteht. Die Förderung deckt in der Regel jedoch nur einen Teil der Projektgesamtkosten ab; der größere Anteil wird von einem Sponsor finanziert. Dieser einigt sich vor Projektbeginn mit dem „project owner“ auf die Konditionen, mit dem die Projektergebnisse einschließlich IP an den Sponsor übergehen, und wie ggf. die Erfolgsbeteiligung aussieht; denn allen Projektbeteiligten ist es freigestellt, Serviceleistungen gegen spätere Erfolgsbeteiligungen zu verhandeln. Im Allgemeinen wird der Sponsor aber für seine Finanzierung mit dem exklusiven Zugang zur Projekt-IP entlohnt. Ruft ein Projektvorschlag mehrere Sponsoren auf den Plan, so wird kompetitiv um den exklusiven Zugang verhandelt oder syndiziert. Will ein Projektsponsor die erfolgreichen Projektergebnisse kommerzialisieren, so greifen auch hier marktrelevante Konditionen. Regionale Unterstützung – Synergien Hamburg und Kiel sind Schwerpunkte der NEU² Aktivitäten. Mit der Norgenta GmbH steht ein lokales Clustermanagement zur Verfügung, das sich beim Aufsetzen sowie beim Betrieb des Konsortiums von großem Nutzen erweist. Kern dieser Initiative bleibt der Anspruch, Strukturen zu etablieren und zu validieren, die projektbasierte Investitionen im LifeScience-Bereich zu einer akzeptierten und attraktiven Option werden lassen, um neue Wirkstoffe zu entdecken, zu entwickeln und erfolgreich zu kommerzialisieren. www.neu-quadrat.de 86 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Die Neuroallianz – ein neuartiges Konsortium zur Entwicklung innovativer Therapeutika und Diagnostika Jülich), Biotechnologiefirmen (Protagen, Dortmund und Life&Brain, Bonn) sowie großen Pharmafirmen. Der führende Therapeutikapartner im Konsortium ist UCB Pharma, Monheim. Die Neuroallianz besitzt eine unternehmerische Struktur mit Projektteams, die aus akademischen und Firmenmitarbeitern zusammengesetzt sind sowie einem Management bestehend aus Konsortiums-Manager, Steering Committee und Strategic Advisory Board. Zusätzlich steht ein Pool von Experten zur Verfügung (die sogenannten Support Functions), die bei Bedarf beratend hinzugezogen werden können. Prof. Dr. Christa E. Müller, Prof. Dr. Alexander Pfeifer, Pharma-Zentrum Bonn BioPharma-Wettbewerb Der langwierige Prozess der Entwicklung eines Arzneimittels bis zur Marktreife, das damit verbundene hohe Risiko, die steigenden Kosten und die zunehmende Komplexität sowie die hohen regulatorischen Anforderungen erfordern neue Strategien. Im Rahmen des BioPharma-Wettbewerbs wurde die Neuroallianz als eines von drei Siegerkonsortien ausgewählt, für welches zunächst je 20 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Es erfolgt eine projektbegleitende Evaluierung durch die Firma Capgemini, und nach drei Jahren sollen weitere 40 Millionen Euro erfolgsabhängig auf die drei Konsortien verteilt werden. Die BMBF-Förderbeträge müssen von Industriepartnern gegenfinanziert werden. Neuroallianz Die Neuroallianz fokussiert sich thematisch auf die komplementäre Entwicklung von Therapeutika und Diagnostika für neurodegenerative Erkrankungen wie M. Parkinson und M. Alzheimer sowie neuropathischen Schmerz. Für diese Indikationen besteht ein hoher, rapide steigender medizinischer Bedarf aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung. Das Konsortium „Neuroallianz“ verwirklicht ein neues strategisches Partnerschaftsmodell zwischen Universitäten (an führender Stelle die Universität Bonn), außeruniversitären, öffentlich geförderten Forschungsinstituten (wie das Fraunhofer-Institut St. Augustin und das Forschungszentrum Win-Win-Situation Für alle beteiligten Partner ergeben sich durch eine solche Allianz eine Reihe von Vorteilen und Chancen im Rahmen einer echten „WinWin-Situation“: finanzielle Anreize (kurzfristig Drittmittel, langfristig Lizenzgebühren) für die akademischen Partner und die Biotechfirmen sowie neue Perspektiven wie z. B. Mitentwicklung bis zur Marktreife. Die Pharmaindustrie hingegen erhält neue Impulse, so z. B. den frühzeitigen Zugang zu Forschungsergebnissen, die Möglichkeit zum Patentschutz und den einfachen Zugang zu langjähriger Expertise und speziellen Techniken. Nicht zuletzt ist diese Art der Verbundforschung auch kosteneffektiv. Und man erhofft sich – gerade bei „schwierigen Indikationen“ wie neurodegenerativen Erkrankungen – eine Erhöhung der Erfolgsquote. Erste Ergebnisse der Neuroallianz 2009 konnte bereits die unternehmerische Führungsstruktur etabliert, der umfangreiche Konsortialvertrag ausgearbeitet und unterzeichnet, sowie eine Konsortialmanagerin berufen werden. Die ersten Projektanträge wurden ausgearbeitet und beim BMBF eingereicht. Inzwischen sind – neben dem Management und einem Infrastruktur-ITProjekt – bereits drei umfangreiche Therapeutikaprojekte bewilligt worden und haben ihre Arbeit aufgenommen. Ein weiteres Infrastrukturprojekt (Substanzbibliothek) sowie ein weiteres Therapeutika- und zwei Diagnostikaprojekte werden ebenfalls in Kürze starten. Zusätzliche Projektanträge befinden sich in der fortgeschrittenen Planungsphase und sollen noch 2010 eingereicht werden. Viele sehr gute Projekte kommen aufgrund der limitierten Mittel und der dadurch notwendigen Priorisierung aber nicht zum Zug. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Was funktioniert gut und wo gibt es Verbesserungsbedarf? Die Neuroallianz ist ein Beispiel für ein Cluster, das ausgehend vom Pharma-Zentrum der Universität Bonn gegründet wurde und auf etablierten bilateralen Kooperationsprojekten basiert, mit starkem Kommittent sowohl von der akademischen als auch von der industriellen Seite. Die unterschiedlichen Welten und Kulturen der akademischen Institutionen und der Pharma- und Biotechindustrie sind erstaunlich schnell zusammengewachsen. Dies erfordert Flexibilität auf beiden Seiten und klare Kooperationsvereinbarungen, sowohl für das Konsortium an sich (Konsortialvertrag) als auch für die darin bearbeiteten Projekte (Projektverträge), zusätzliches Personal an den akademischen Instituten aufgrund des hohen Verwaltungs- und Organisationsaufwands und eine ausgewogene Größe der Konsortien (z. B. acht bis zehn Partner), wobei auf paritätische Zusammensetzung (z. B. vier akademische Partner, zwei Biotech- und zwei Pharmapartner) geachtet werden sollte. Ein besonderer Aspekt der Neuroallianz stellt die Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern auf dem Gebiet der Pharmaforschung dar. An der Universität Bonn besteht eine einzigartige Expertise auf diesem Gebiet durch den etablierten Masterstudiengang „Arzneimittelforschung / Drug Research“, die NRW-Forschungsschule BIOTECHPHARMA und die Bonn International Graduate School „Drug Sciences (BIGS-DrugS)“. Darüber hinaus wird durch die Neuroallianz frühzeitig der Kontakt der jungen Wissenschaftler zur Industrie vermittelt. Pharmaund Biotechfirmen haben direkten Zugang zum wissenschaftlichen Nachwuchs und beteiligen sich z. B. über Praktika und Workshops an einer bedarfsgerechten Ausbildung. Fazit Neue Wege in der Arzneimittelentwicklung durch Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, wie sie im Neuroallianz-Konsortium realisiert sind, führen zur Nutzung von Synergien, steigern den Erkenntnisgewinn, befördern Entdeckungen und machen nicht zuletzt auch Spaß – zum Nutzen der Gesellschaft und zum Wohl des Patienten. www.pharmazentrum.uni-bonn.de 87 Innovationen aus dem Max-Planck Drug Discovery & Development Center Zweiter Baustein: Development Company Für den zweiten Teilbaustein, die Development Company (DevCo), welche die Projekte des LDCs übernehmen und bis in die frühen klinischen Phasen weiterentwickeln soll, ist der operative Start in Q3 / 2010 geplant. Das Management-Team, bestehend aus langjährigen Pharma- und Biotech-Managern, wurde bereits unter Vertrag genommen und das Fund-Raising des für die Projekte der DevCo notwendigen Finanzinstruments „DDC Ventures“ läuft auf Hochtouren. Das FondManagement wird von Life Sciences Partners (LSP, München) übernommen und das Fund-Raising von Inventive Capital (London) koordiniert. Dr. Matthias Stein-Gerlach, Max-Planck Innovation GmbH, München Drug Discovery & Development Center Das Max-Planck Drug Discovery & Development Center (MP-DDC) ist bei der Antragsstellung zum BioPharma-Wettbewerb im Sommer 2008 angetreten, um dazu beizutragen, dass kommerziell interessante, therapeutische Forschungsprojekte aus verschiedenen Max-Planck-Instituten (MPI) effizienter als bisher den Weg zum Markt finden. Hierzu sollten nachhaltige Infrastrukturen und Finanzierungsformen geschaffen werden, die eine Weiterführung von frühen Ansätzen zum Auffinden neuer Arzneimittel aus der deutschen Forschung unter Einbeziehung privater Investoren sowie der Pharmaindustrie ermöglichen. Erster Baustein: Lead Discovery Center Das Lead Discovery Center (LDC) in Dortmund, welches den ersten Teilbaustein des MP-DDCs darstellt, beschäftigt 40 Mitarbeiter, die derzeit an acht Drug-Discovery-Projekten aus verschiedenen MPIs arbeiten. Erste, durch die BioPharma-Initiative geförderte Projekte sind bereits im vergangenen Jahr angelaufen und weitere sollen dieses Jahr folgen, um die erforderliche Portfolioerweiterung des LDCs zu ermöglichen. Hier wurde eine von Industrieexperten geleitete, nachhaltige Infrastruktur geschaffen, die alle notwendigen Bausteine des Drug-DiscoveryProzesses wie Assay Development, Screening, Medizinalchemie und Pharmakologie abbildet. 88 Partner Das MP-DDC-Konsortium umfasst neben den bislang beschriebenen Partnern auch vier Pharmafirmen (Merck Serono, Bayer Schering Pharma, AstraZeneca und Nycomed), die über ein spezielles Advisory Board eng an das MP-DDC angebunden werden konnten. Projektauswahl und -management wurde bereits deutlich effizienter gestaltet, da jederzeit auf die Erfahrungswerte dieser Firmen zurückgegriffen werden kann. Zusätzlich befinden wir uns derzeit in der finalen Verhandlungsphase eines Kooperationsvertrages, bei dem sich eine der involvierten Pharmafirmen an einem frühen Projekt aus einem MPI signifikant finanziell beteiligen möchte. Durch den Abschluss dieses Vertrages würde auch ein wichtiges Etappenziel der BioPharma-Initiative, die Bereitschaft der Industrie zu steigern, sich an früheren Projekten finanziell zu beteiligen, erreicht. Der Abschluss des Vertrages und Start für dieses Kooperationsprojekt ist noch im Q2 / 2010 geplant. Die am Gesamtkonzept beteiligten Pharmapartner haben neben weiteren Partnerschaften in der frühen Wirkstoffforschung am LDC ebenfalls bereits ein großes Interesse an Co-Development-Strategien mit der DevCo geäußert, sobald diese das operative Geschäft aufgenommen hat. Projekte Im Jahr 2010 sollen zudem weitere Projekte aus verschiedenen MPIs, z. T. unter Beteiligung verschiedener Universitäten im Rahmen der BioPharma-Förderung in das LDC Portfolio aufgenommen werden, so dass die durchschnittliche Projektanzahl am LDC auf 10-12 gesteigert werden kann. Dadurch ergeben sich für die akademischen Kooperationspartner an den MPIs einzigartige neue Möglichkeiten, eine Vielzahl von innovativen und vielversprechenden Projekten in die Anwendung zu überführen. Auf diese Weise hat die BioPharma-Initiative bereits 18 Monate nach der Preisverleihung sehr positive Wirkung gezeigt und zu den erhofften Ergebnissen geführt – eine sehr gute Voraussetzung für die verbleibende Förderperiode, das angestrebte Gesamtziel zu erreichen. Stolperstein geringe Flexibilität der öffentlichen Förderung Die bisherige Erfahrung zeigt, dass vor allem eine gesteigerte Flexibilität seitens der Fördermittelgeber sich äußerst positiv auf ähnliche zukünftige Förderprogramme auswirken würde. Es war bislang ausnahmslos sehr schwierig und aufwändig, die meist sehr komplexen Konstellationen verschiedener Partnerschaften in den Einzelprojekten in das recht eng geschnürte Korsett der förderpolitischen Richtlinien einzupassen. Dies hat, trotz der hervorragenden Unterstützung seitens des Projektträgers Jülich, z. T. zu deutlich verzögerten Projektstarts geführt, die bei neu gegründeten, sich im Aufbau befindlichen Unternehmen wie dem LDC nicht immer leicht zu kompensieren sind. Diese konstruktive Kritik sehen wir an dieser Stelle als sehr wichtig an, da wir durch die langjährige Erfahrung unserer Arbeit an der Schnittstelle zwischen akademischer und industrieller Forschung sehen, dass zu einem nachhaltigen Lückenschluss des „Innovation Gaps“ immer eine öffentliche Förderung notwendig ist. Aufgrund des hohen Risikos früher Projekte werden Private Public Partnerships (PPPs) somit auf absehbare Zeit zur Risikoteilung auf öffentliche Mittel angewiesen sein. Konzepte wie BioPharma sind hier richtungsweisend. www.max-planck-innovation.de Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 m4: Personalisierte Medizin und zielgerichtete Therapien – eine neue Dimension in der Medikamentenentwicklung Dr. Georg Kääb, BioM Biotech Cluster Development GmbH, München m4 – eine neue Dimension in der Medikamentenentwicklung Mit der Initiative „m4 – eine neue Dimension in der Medikamentenentwicklung“ hat sich der Münchner Biotech- und Pharma-Cluster durchgesetzt und wurde unter zehn Finalisten der 2. Runde des Spitzencluster-Wettbewerbs des BMBF als einer von fünf Gewinnern ausgewählt. Mit dem gemeinsamen Konzept der vier großen Partner (Wissenschaft in München, Münchner Biotechnologie- und Pharmaunternehmen, Münchner Kliniken, Clustermanagement für München = m4) im Bereich der „Personalisierten Medizin und zielgerichteten Therapien“ sollen die zentralen Herausforderungen und Probleme der heutigen Medikamentenentwicklung überwunden werden. Die frühzeitige Einbindung und enge Vernetzung aller Akteure entlang des gesamten Wertschöpfungsprozesses von der Entdeckung des Targets bis zur Medikamentenzulassung, minimiert das Ausfallrisiko, reduziert die Kosten in der Entwicklung und ermöglicht einen schnelleren Marktzugang von Medikamenten. Strategie und Strukturen Die langfristige Zukunftsstrategie von m4 setzt auf die vorhandenen Stärken und die Verbesserung des Entwicklungsprozesses (Effizienzsteigerung) und der Steigerung der individuellen Wirksamkeit und Sicherheit neuer Medikamente (Effektivitätssteigerung) durch die Implementierung der „personali- sierten und zielgerichteten Medizin“. Eine biomarkerbasierte, individualisierte Medizin kann allerdings nur durch eine strategisch ausgerichtete, multi- und interdisziplinäre, institutionenübergreifende Kooperationsleistung bewältigt werden. Im Rahmen der m4-Initiative werden folgenden strukturellen Programme ausgearbeitet und in den kommenden Jahren realisiert: • m4 Trial Service Center, ein klinisches Studienzentrum zur Zusammenfassung der klinischen Einrichtungen, Vereinfachung der Patientenrekrutierung, Begleitung des Übergangs Präklinik – Klinik und Berücksichtigung von Biomarkern (Entdeckung und Validierung) bei der Medikamentenentwicklung in Kooperation mit der Münchner Biobank-Allianz • m4 Biobank Alliance, ein Konsortium zur Integration aller relevanten Partner für die standardisierte Sammlung und Bereitstellung hochqualitativer Proben • m4 Data-Integration zur Vernetzung der Medikamentenforschung mit der klinischen Prüfung und der simultanen Biomarkerforschung • m4 eAcademy, ein zukunftsweisendes Weiterbildungskonzept in den Life Sciences zur praxisorientierte Weiterbildung im Management- und F&E-Bereich bei der Medikamentenentwicklung mithilfe eines innovativen eLearning-Programms • m4 Scouting & Incubation, ein neues strategisches Innovationskonzept zur gezielten Entdeckung und Förderung von innovativen und vielversprechenden frühen Projekten und Wissenschaftlern mit begleitenden Scouting-, Incubation- und Coaching-Prozessen • m4-Sidecar-Seedfond, ein Co-Finanzinstrument zur Seedfinanzierung von Medikamentenentwicklung. Derzeit sind Seedfinanzierungen nur über den Hightech-Gründerfonds und – in Bayern – Bayern Kapital möglich. Projekte und Technologien, die in einem Reifezustand sind, dass Auslizenzierungen möglich werden – oder die durch den Inkubationsprozess in m4 Scouting & Incubation in diesen Zustand versetzt werden konnten – sollen durch diesen Seedfonds über einen Zeitraum von drei bis vier Jahren cofinanziert werden. Die bayerische Staatsregierung hat hierfür außerhalb der Spitzenclusterförderung bis zu neun Millionen Euro zugesagt, wenn Gelder in mindestens gleicher Höhe aus der Industrie hinzukommen. Darüber hinaus haben sich mehr als 100 Kooperationspartner in 40 Kooperationsprojekten zusammengeschlossen, um in ihren jeweiligen Spezialgebieten beizutragen – von molekularer Bildgebung über neue präklinische Modellsysteme bis hin zu klinischen Studien, auch mit Biomarkern. Das gesamte m4-Programm wird unterstützt durch neuentwickelte Ansätze im Bereich der Datenverarbeitung und des Datenmanagements und durch ein neu aufgestelltes und erweitertes Clustermanagement der BioM Biotech Cluster Development GmbH umgesetzt. Clustermanagement Die neue Strategie des Clustermanagements umfasst v.a. die Sammlung und Verbreitung des im Cluster (neu) geschaffenen Knowhow. Dieses wissensbasierte, noch effizienter interagierende Cluster bzw. der virtuelle Campus München soll in dem sich verschärfenden Wettbewerb nicht nur bestehen, sondern eine führende Position einnehmen. Wir sind überzeugt, dass sich der Münchner Spitzencluster auf der Basis des vorliegenden strategischen Konzepts bis zum Jahr 2020 zu einem „International Center of Excellence in Personalized Medicine and Targeted Therapies“ entwickeln und somit die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit, die internationale Anziehungskraft und das Wachstum für die Region sichern wird. Vision 2020 Etablierung des bereits national führenden Standorts München als international bedeutende Exzellenz- und Modellregion der personalisierten und zielgerichteten Medizin bis 2020. Wir streben dabei konkret an: • Verzehnfachung der zugelassenen Medikamente, sei es direkt bei den Unternehmen des Clusters oder durch Verpartnerung mit einem anderen Unternehmen • Verdoppelung der Mitarbeiterzahlen • Verdreifachung des Umsatzes www.bio-m.org www.m4.de Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 89 Das „Mainzer Modell“: CI3 Krankheit versprechen. Neben den klassischen kleinen chemischen Molekülen kommt hier der neuen Wirkstoffklasse der Biologicals zunehmend eine wichtige Bedeutung zu. Viele Biologicals werden jedoch nicht von etablierten Pharmakonzernen identifiziert und entwickelt, sondern durch Forschungsund Entwicklungskooperationen von akademischen Zentren und Biotechnologiefirmen. Nach allgemeiner Einschätzung wird in naher Zukunft etwa die Hälfte aller neuen Arzneimittel aus solchen Kooperationen hervorgehen. Dabei werden Immuntherapeutika, wie Antikörper und Impfstoffe, eine gewichtige Rolle spielen. Dr. Rainer Wessel, Vorstandsmitglied BIO Deutschland, CBO GANYMED Pharmaceuticals AG, Mainz Paradigmenwechsel – Individualisierte Medizin Wir erleben den Beginn eines Paradigmenwechsels im Gesundheitswesen: weg von der Massenmedizin hin zur individualisierten Medizin. Die Speerspitze dieser Entwicklung zielt dabei auf die größte medizinische Herausforderung unserer Zeit, den Krebs. Da jeder Tumor individuell ist, kann der Wettlauf gegen den Krebs nur mit maßgeschneiderten individualisierten Therapien gewonnen werden. Die individualisierte Medizin birgt daher langfristig die Hoffnung, Krankheiten wie Krebs zu besiegen und damit das Potenzial, die Kosten- und Qualitätsziele im Gesundheitswesen zu erreichen. Mittelfristig stellt sie uns jedoch vor gewaltige Herausforderungen, da sie zunächst eine völlige Umstrukturierung bedingen wird, sowohl der öffentlichen Gesundheitssysteme, der Pharmageschäftsmodelle, der Zulassungskonzepte und anderer für das Gesundheitssystem relevanter Strukturen. Wertschöpfungsprozess der individualisierten Medizin Im Zentrum der Entwicklung individualisierter Medizin steht zunächst die Identifizierung der für eine spezifische Krankheit verantwortlichen molekularen Zielstrukturen. Im Anschluss wird untersucht, welche gegen diese Zielstrukturen gerichteten Wirkstoffe Aussicht auf erfolgreiche Behandlung der 90 Das „Mainzer Modell“ Am Anfang der Entwicklung ist noch ungewiss, welche der Wirkstoffklassen den höchsten therapeutischen Erfolg erzielen wird oder ob nicht ein Zusammenwirken verschiedener Wirkstoffklassen (z. B. Antikörper, RNAi, Peptide, SME etc.) den besten Erfolg erzielt. Einzelkooperationen zwischen Universitäten und Biotechnologiefirmen fokussieren meist auf eine einzelne Wirkstoffklasse und können dabei nicht das volle Entwicklungsspektrum über verschiedene Substanzklassen hinweg abdecken. Die Folge ist, dass wertvolle Entwicklungsoptionen nicht verfolgt werden. Das als „Mainzer Modell“ bekannt gewordene Konzept bietet eine Lösung für dieses Dilemma, indem es die frühe parallele Entwicklung verschiedener gegen eine Zielstruktur gerichteter Wirkstoffklassen vorantreibt. Dies geschieht im Rahmen von Kooperationen zwischen auf bestimmte Wirkstoffklassen spezialisierten Firmen und Instituten. Da die therapeutische Wirksamkeit direkt vom Zusammenspiel zwischen Zielstruktur und Wirkstoffklasse abhängt, wird es für jede Zielstruktur ein anderes Wirkstoffklassenprofil geben. Bei genügender Anzahl entsprechender Zielstrukturen ergibt sich so eine hohe Erfolgschance für die einzelnen Kooperationspartner bei gleichzeitiger optimierter Wirkstofffindung. Dabei sollten die sich ergebenden Marktchancen die potenzielle Marktkannibalisierung mehr als wettmachen, insbesondere im Fall von Krebstherapien, bei denen allgemein davon ausgegangen werden kann, dass verschiedene Medikationen parallel angewandt den besten Erfolg erzielen werden. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Dieses Vorgehen setzt ein hoch integriertes Zusammenspiel akademischer, klinischer, behördlicher und privatwirtschaftlicher – Biotechnologiefirmen, Dienstleister und „Big-Pharma“–Teilnehmer voraus. Der als „Mainzer Modell“ bekannt gewordene CI3Cluster schafft hier ideale Voraussetzungen für eine deutliche Effizienzsteigerung in der Entwicklung und Anwendung individualisierter Therapeutika. Die Kernelemente für die weitere konkrete Ausgestaltung dieser Strategie im Rahmen der CI3 Clusterorganisation sind die folgenden: • Bündelung von IP hinsichtlich neuer Therapieansätze in einem Cluster-eigenen Technologie-Transfer-Zentrum (TRON) • Integration und Etablierung von Wirkstofftechnologie-fokussierten Biotechnologieunternehmen, die gezielt Therapieansätze (unter Nutzung des im Cluster gebündelten IP) mit entsprechenden Wirkstoffklassen umsetzen, wie schon gezeigt am Beispiel von: – GANYMED (Antikörper) und unter dem Dach der BioNTech: – Tulip (Vakzine) – Ribological (RNAi) – TheraCode / JPT (Biomarker, Peptide) – Unicell (Zelltherapie) Der CI3 Cluster Mainz Der an einem traditionellen Pharmastandort, dem Rhein-Main-Raum, angesiedelte CI3Cluster fokussiert sich auf das am stärksten wachsende pharmazeutische Marksegment, die Immuntherapien, welches bereits jetzt etwa die Hälfte des mehr als 100 Milliarden US-Dollar großen Markts für Biologicals ausmacht und ein jährliches Wachstum von mehr als zehn Prozent aufweist. Der CI3Cluster fördert durch die strukturell innovative enge Vernetzung des Zentrums für translationale Immunologie und Onkologie (TRON), dreier Universitäten, sechs Fachhochschulen, zweier Max-Planck-Institute, des Paul-Ehrlich-Instituts, der Association for Cancer Immunotherapie (CIMT), der European Business School, vier großen Pharmafirmen und mehr als 180 kleinen und mittleren Unternehmen weiteres starkes und dynamisches Wachstum in der Region und durch starke nationale und internationale Kontakte auch über die Region hinaus. www.ci-3.de Translationale Medizin Dr. Michael Roßbach, LIFE & BRAIN GmbH, Bonn LIFE & BRAIN Konzept LIFE & BRAIN mit Sitz in Bonn treibt als Innovationszentrum auf dem Gebiet der angewandten Biomedizin neue Strategien für die Diagnose und Therapie von Erkrankungen des Nervensystems voran. Die Struktur von LIFE & BRAIN zielt auf das frühe Erkennen innovationsfähiger Forschungsansätze aus der Universität und deren Translation in marktfähige Produkte für Diagnostik und Therapie. Dies ist eine wichtige Schlüsselstelle. Viele potenziell marktrelevante Entwicklungen aus den Universitäten bleiben in einem Frühstadium stecken, weil Finanzierung und auch Know-how fehlen, um sie bis zu einem für Investoren oder Unternehmen interessanten „Proof-of-Concept“ zu entwickeln. Genau hier setzt LIFE & BRAIN durch gezielte Projektförderung und Beratung der jungen Wissenschaftler an. Die besondere Struktur von LIFE & BRAIN wird durch ein umfangreiches akademisches und industrielles Kooperationsnetzwerk ergänzt. Das Unternehmen bildet so die Schnittmenge aus akademischer Exzellenz, anwendungsorientierter Forschung sowie Start-up- und Ausgründungsinitiative. Durch die enge Verzahnung von LIFE & BRAIN mit universitätsnaher, translationaler Forschung einerseits und strategischen Allianzen mit Biotech- und Pharmaunternehmen anderseits wirkt das Unternehmen quasi als Drehtür zwischen Akademia und Industrie – ein Konzept, das im angloamerikanischen Bereich durchaus üblich ist, aber in Deutschland derzeit noch Modellcharakter hat. Das 3-Säulenmodell LIFE & BRAIN weist eine in Deutschland einzigartige Struktur für translationale Forschung und Entwicklung auf. Unter einem Dach arbeiten universitäre Forschergruppen mit Mitarbeitern der LIFE & BRAIN GmbH und einem Inkubatorsegment zusammen. Dieses 3-Säulenmodell ermöglicht einen effizienten Transfer von akademisch entwickeltem Know-how in die kommerzielle Nutzung . Für die Wissenschaftler bedeutet dies außerdem, dass sie ihre Entwicklungen innerhalb einer Organisations- und Infrastruktur von der akademischen Forschung über die LIFE & BRAIN GmbH bis hin zu einer möglichen Ausgründung im Inkubatorsegment konsequent weiterverfolgen können, ohne dabei ihre akademische Karriere aufgeben zu müssen. Für die Mitarbeiter besonders interessant: Ein Wechsel von einem in das andere Segment ist jederzeit und auch temporär oder anteilig möglich. Die Plattformen Die einzelnen Plattformen innerhalb von LIFE & BRAIN spannen einen weiten Bogen von der Genomik bis hin zum Patienten; auf vier Ebenen verteilt arbeiten Wissenschaftlerteams an sich ergänzenden Themen. Ziel der Plattform Genomics ist die Entwicklung neuartiger Diagnostika und Therapeutika zur Behandlung häufiger genetischer Erkrankungen (z. B. manische Depression, Schizophrenie oder bestimmte Formen der Epilepsie). Vernetzt ist die Genomics-Plattform mit dem Institut für Humangenetik der Universität Bonn. Die TransGenics-Plattform implementiert genotyp- und phänotypbasierte genomische Untersuchungen in Tiermodellen auf Basis neuer Verfahren in der sogenannten funktionellen Genetik, die Einsichten in molekulare Mechanismen der Hirnfunktionen, aber auch Erkrankungen des zentralen Nervensystems erlauben. So können neue Medikamententargets identifiziert und Tiermodelle für Wirkstoff- und Medikamenten-Screenings entwickelt werden. Die TransGenics-Plattform arbeitet mit dem Institut für Molekulare Psychiatrie der Universität Bonn zusammen. Die Plattform NeuroCognition untersucht die funktionellen Grundlagen von kognitiven Prozessen und entwickelt neue Verfahren zur bildlichen Darstellung von Gehirnfunktionen. Solche Verfahren können spezifische Hirnfunktionen lokalisieren und Defizite in einem frühen Stadium chronischer neurologischer Erkrankungen identifizieren. Die Kombination von Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 in vivo- und zellbasierten Ansätzen stellt eine wichtige Grundlage zur Entwicklung und Bewertung neuer pharmakologischer Substanzen dar. Die Plattform NeuroCognition interagiert mit der Klinik für Epileptologie der Universität Bonn. Die CellomicsPlattform widmet sich stammzellbasierten Therapieverfahren und der Nutzung von Stammzellen für Krankheitsforschung und Medikamentenentwicklung. Ein Schwerpunkt liegt auf der kontrollierten Differenzierung pluripotenter humaner Stammzellen in Gehirnzellen und auf der Etablierung von Modellsystemen für neurodegenerative Erkrankungen. Mit den entwickelten zellulären Produkten lassen sich Wirkstoffscreenings durchführen oder neue Biomarker-Assays etablieren. Langfristig zielt die Plattform auch auf die Entwicklung von StammzellPräparaten für den Zellersatz in Gehirn und Rückenmark. Die Cellomics-Plattform ist mit dem Institut für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn vernetzt. Business ex academia Die Verknüpfung von akademischer Wissenschaft, anwendungsorientierten Forschungsplattformen und Inkubatorsegmenten schafft ein einzigartiges Umfeld für translationale Arbeiten. So werden die am Institut für Rekonstruktive Neurobiologie entwickelten Verfahren zur Stammzelldifferenzierung im Bioengineering-Bereich der Cellomics-Plattform direkt mit Hilfe von Bioreaktor- und Robotiktechnologien bis hin zur Bereitstellung kryokonservierter Zellprodukte im „ready to use“ Multiwell-Format industrialisiert. Die Plattform nutzt dabei vor allem die neue Technologie der Zellreprogrammierung, die es ermöglicht, so genannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) aus patienteneigenen Körperzellen zu generieren. An aus solchen iPS-Zellen entwickelten Gehirnzellen können z. B. erstmals Wirkstoffe unmittelbar an erkrankten menschlichen Nervenzellen getestet werden. www.lifeandbrain.com 91 Vernetzung durch Verbände Science to Market Themenorientierte Cluster mit zunehmender Fokussierung auf die Etablierung von kompletten Wertschöpfungsketten um Produktideen sind wichtige Initiativen, um die Kommerzialisierung des wissenschaftlichen Potenzials in Deutschland voranzutreiben. Neben diesen großen Initiativen mit Unterstützung des Bundes und vieler Fördermittel ist die Grundthematik einer professionelleren Umsetzung des Wissenspotenzials in kommerzielle Markterfolge auch auf der Ebene von Forschungsinstituten und individuellen Unternehmen im Biotech- oder Pharmabereich essenziell. Diesem Ziel hat sich die EAPB (European Association of Pharma/Biotech) verschrieben. Ihr Ansatz ist im Wesentlichen das Zusammenbringen der Akteure und möglicher Partner entlang einer Wertschöpfungskette. Dazu dienen verschiedene Konferenzen (z. B. Science2Market) und Seminare. Des Weiteren steht aber auch die Beratung von Individuen aus diesen Organisationen im Fokus. Die Erfahrung aus erster Hand der Mitglieder und Treiber des Verbandes, die vor allem langjährige Mitarbeiter in Pharmaund Biotechunternehmen sind, kann Schwellen überwinden; insbesondere, wenn es um die ersten Schritte in Richtung Kommerzialisierung geht. Im folgenden Artikel beschreibt der EAPB-Verband seine Ziele im Detail. BIO Deutschland mit Erfolgen als Biotechnetzwerker Das letzte Wort soll, wie im vergangenen Jahr, wieder der Verband haben, der die Biotechnologieunternehmen in Deutschland mit wachsendem Erfolg vertritt. Das entscheidende Erfolgsrezept dieses Verbandes ist neben einer professionellen Geschäftsführung eindeutig, dass die Aktivposten in Gremien und Arbeitsgruppen überwiegend „Key Executives“ aus den im Verband organisierten Mitgliedsunternehmen sind. Entwicklungen aufgegriffen und an die Mitglieder kommuniziert werden; darüber hinaus wird entsprechend überprüft, ob Sachverhalte gegen die Interessen der Branche laufen und deswegen mit den zuständigen Verursachern zu erörtern sind. Die Auswahl der Arbeitsgruppen ist lang, folgt aber einem dynamischen Konzept, wonach die Priorisierung der Themen durch aktuelle Inhalte vorgegeben wird: Zusammenarbeit Deutschland-USA Informations- und Erfahrungsaustausch zu praktischen Fragen transatlantischer Geschäftsaktivitäten; Herstellung von Kontakten in die USA und Organisation von Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der „American Chamber of Commerce in Germany“ Diagnostik Erörterung passender Rahmenbedingungen für Hochleistungssequenzierungen über Gendiagnostik bis hin zu In-vitro-Diagnostik, damit die deutsche Biotechindustrie weiter wächst Finanzen und Steuern Eigenkapitalfinanzierung, Erarbeitung neuer marktorientierter Förderprogramme, Einflussnahme auf steuerliche Rahmenbedingungen u. a. Gesundheitspolitik Unterstützung und Beratung in der Umsetzung von EU- und nationalem Recht; Interaktion mit Bund und Ländern über Steuerfragen bezüglich der Biotechforschung, Patente, Schutzrechte u. a. Human Resources Stärkere Beleuchtung des Themas „Human Resources“, Unterstützung des Verbandes in der Außendarstellung von HR zur Darstellung eines wichtigen Gesprächspartners für entsprechende Referenzgruppen und InputGeber im Rahmen aktiver Lobbyarbeit für die Mitgliedsunternehmen Dadurch erhält BIO Deutschland auch nach außen, beispielsweise in der politischen Diskussion um Rahmenbedingungen in Deutschland, eine gewichtige Stimme. Durch Arbeitsgruppen in allen relevanten Themengebieten wird permanent sichergestellt, dass aktuelle Innovationen, Unternehmertum und Arbeitsplätze Unterstützung der Umsetzung der Hightech-Strategie der Bundesregierung durch konkrete Leuchtturmprojekte in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsfirmen, insbesondere im Hinblick auf Innovationen und Arbeitsplätze bei KMU an der Schnittstelle von 92 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 roter und industrieller (weißer) Biotechnologie; Mitarbeit in der Initiative der deutschen Wirtschaft „BDI initiativ – Innovationsstrategien und Wissensmanagement“; Erstellung einer Roadmap für die Märkte der Biotechnologie; Zusammenarbeit mit der Kommission Wachstum und Innovation des Wirtschaftsrats der CDU zur Festlegung eines Leuchtturmprojekts Regulatorische Angelegenheiten Weniger Bürokratie und weniger überflüssiger / redundanter Formalismus; Clinical Trials Directive bzw. GCP Verordnung in Deutschland; Gewerbegesetz; Normenentwurf „Biosafety Risk Management“; Themenkreis Zentrales Europäisches Zulassungsverfahren; Umsetzung des „Risk-ManagementPlans“ in den einzelnen Ländern Schutzrechte und technische Verträge Kernthema „Bedeutung von Schutzrechten für eine nachhaltige und stetige Innovation in Deutschland und Europa“; wichtige Aspekte dabei: Reduzierung der Schutzrechtskosten für KMUs und Abbau innovationshemmender Strukturen im Bereich des Technologietransfers; Planung und Organisation verschiedener Fortbildungsmaßnahmen für BIO Deutschland Mitglieder Technologietransfer (in Gründung) Weiterer Ausbau der deutschen Position im internationalen Wettbewerb durch Ausschöpfung des enormen Wertschöpfungspotenzials der wissenschaftlichen Ergebnisse aus der akademischen Forschung zur kommerziellen Erschließung für die Biotechindustrie durch einen professionellen und auf die Besonderheiten des Life-ScienceSektors abgestimmten Technologietransfer in Schlüsselfunktion Wettbewerb und Ordnungspolitik Erkennen und Aufdecken von Wettbewerbsverzerrungen in der deutschen Biotechbranche; Abschaffung von wettbewerbsverzerrenden Strukturen; Schaffung eines klaren rechtlichen Rahmens und Überprüfung dessen Einhaltung Über die aktuellen Aktivitäten des Verbandes gibt der nachfolgende Artikel von Dr. Viola Bronsema, der Geschäftsführerin von BIO Deutschland, Auskunft. Netzwerk aus öffentlicher Forschung, Biotech-SMEs und Pharma Dr. Wieland Wolf, Präsident der EAPB (European Association of Pharma Biotechnology) „Kommerzialisierungsschwäche“ Der exzellenten Spitzenforschung in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der EU steht kein adäquater ökonomischer Output gegenüber. Dies gilt insbesondere für Ergebnisse aus der öffentlich geförderten Forschung in Universitäten und Forschungsinstituten, wie bereits eine im Jahr 2007 veröffentlichte Studie der EU verdeutlichte1,2. Spitzenforschung ist nicht nur gut, sondern auch teuer. Die Schlussfolgerung aus den unbefriedigenden Studienergebnissen ist daher klar: Um Europas Position unter den führenden Wirtschaftsräumen zu behaupten, muss es gelingen, die aus der öffentlichen Forschung gewonnenen und hierfür geeigneten Ergebnisse in wettbewerbsfähige Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Nur so wird es langfristig einen Mittelrückfluss geben, der es weiterhin erlaubt, mit der Spitzenforschung im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Noch sieht die Realität anders aus: Bahnbrechende Entwicklungen aus öffentlicher Forschung in der EU werden höchst erfolgreich in anderen Ländern kommerzialisiert. Im Idealfall bleiben dann als Rückfluss Lizenzgebühren, während die Wertschöpfung durch Produktion und Weiterentwicklungen nicht hier stattfindet. So fördern die Ergebnisse aus hiesiger Forschung nicht nur andere Wirtschaftsstandorte, sondern langfristig auch den Aufbau ausländischer Exzellenzzentren. Diese „Kommerzialisierungsschwäche“, unter der Europa, vor allem aber auch die deutsche, öffentlich finanzierte Forschung leidet, hat verschiedene Ursachen. Es wäre zu kurz gesprungen, würde man hier die Verantwortung nur bei Universitäten und Forschungsinstituten mit ihren jeweiligen Transferstellen abladen. Wirtschaftskunde in den Lehrplänen allgemeinbildender Schulen, unternehmerische Initiativen und die Lehre von erfolgreichen Kommerzialisierungsaktivitäten an Universitäten vermissen wir am Standort Deutschland, wo schulische Ausbildung durch Beamte stattfindet und wo soziale Absicherung dem eigenverantwortlichen Betreten von Neuland vorgezogen wird. So kann kein Unternehmergeist wachsen – Ausbildung in dieser Umgebung führt zu Risikoaversion, die die Gründung neuer Unternehmen, die Aufnahme von Entwicklungsprojekten und / oder deren Finanzierung erschweren oder gänzlich verhindern. Wenn dann noch die wissenschaftliche Karriere überwiegend an der Anzahl der Publikationen und dem Renommee der Zeitschriften gemessen wird, tritt das konsequente Ausschöpfen des ökonomischen Potenzials wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Hintergrund. Dabei mögen die Ursachen in fehlenden Kontakten, aber auch in fehlender Motivation und Expertise liegen, sich mit der wirtschaftlichen Verwertung von Forschungsergebnissen auseinanderzusetzen. Mehr und mehr werden sich Wissenschaftler jedoch der moralischen Verpflichtung bewusst, der Gesellschaft über eine erfolgreiche Kommerzialisierung ihrer Forschungsergebnisse etwas von dem zurückzugeben, was sie an Steuergeldern in die Forschung investiert hat. Ziele und Initiativen der EAPB Ein zentrales Ziel der European Association of Pharma Biotechnology (EAPB) ist es daher, diesen Umsetzungsprozess von wissenschaftlichen Erkenntnissen in wirtschaftlich verwertbare Produkte und Dienstleistungen zu unterstützen. Hierfür wurde erstmals 2008 unter der Maxime „Science to Market (S2M)“ eine jährliche Konferenzreihe gestartet, die sich an Wissenschaftler aus öffentlicher und industrieller Forschung, an kleine Biotechunternehmen und an das Business Development von (bio-)pharmazeutischen Unternehmen richtet. Die S2MKonferenz ist eine hochkarätige wissenschaftliche Veranstaltung zu Themen der biopharmazeutischen und biomedizinischen Forschung, zum anderen bietet sie aber Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 auch die Gelegenheit zum Austausch zwischen Wissenschaftlern aus anwendungsnahen Forschungsbereichen und Unternehmensvertretern. Poster-Sessions und Kurzvorträge über neue biotechnologische Verfahren und Produkte bieten darüber hinaus vielfache Möglichkeiten für neue Kontakte und Kooperationsgespräche. S2M ist somit die Plattform, auf der neueste Ergebnisse der Grundlagenforschung mit der Dynamik von Biotech-SMEs und der Erfahrung und Infrastruktur von Big Pharma zusammentreffen. Ein weiteres „Werkzeug“ sind die Workshops der „Special Interest Groups“: Dort diskutieren Spezialisten aus Forschungsinstituten, Unternehmen und Behörden über Themen wie z. B. „Regenerative Medizin“ oder „Regulatorische Anforderungen bei der Entwicklung neuer Biopharmazeutika“. Die EAPB wurde im Jahr 2000 als Repräsentant der europäischen pharmazeutischen und medizinischen Biotechnologie gegründet. Sie hat sich die Förderung biotechnologischer Anwendungen in Medizin und Pharmazie zum Ziel gesetzt. Das gilt sowohl für die Entwicklung und Produktion biopharmazeutischer Arzneimittel, die hierfür eingesetzten Prozesse und Technologien, als auch für alle sonstigen, auf biotechnologischen Prinzipien beruhenden diagnostischen und therapeutischen Verfahren und der hiermit verbundenen Infrastruktur. Die EAPB ist eine gemeinnützige Organisation, die ihren Mitgliedern ein Netzwerk bietet aus öffentlicher Forschung, Industrie, Zulassungsbehörden und anderen einschlägig engagierten Partnern aus dem biopharmazeutischen und biomedizinischen Bereich. Als pan-europäische Vereinigung verfolgt die EAPB keine regionalen oder nationalen Interessen. Sie betreibt keinen einzelnen Interessengruppen dienenden Lobbyismus und verfolgt ihre Ziele strikt auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse. www.eapb.org 1 io4EU Studie: „Konsequenzen, Möglichkeiten und B Herausforderungen der modernen Biotechnologie für Europa“, April 2007 2 ompetitiveness of the European biotechnology C industry, Working document 2007 93 Von Transpiration und Organisation in interdisziplinären Gruppen und neuen Netzen „Spitzencluster-Wettbewerb“ des BMBF Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat 2007 den „Spitzencluster-Wettbewerb“ ins Leben gerufen. Damit sollen sich „die leistungsfähigsten Cluster aus Wissenschaft, Wirtschaft und weiteren regionalen Akteuren je nach deren spezifischen Anforderungen“ unterstützen lassen. Hier sei der themenoffene Ansatz ebenso gelobt wie die Freude betont, dass von den kürzlich gekürten zehn Zöglingclustern zwei aus der Biotechnologie kommen: das Spitzencluster BioRN „Zellbasierte und Molekulare Medizin in der Metropolregion Rhein-Neckar“ und das „Münchner Biotech Cluster – m4“. Dr. Viola Bronsema Geschäftsführerin BIO Deutschland e. V., Berlin Credo Wenn „Genie ein Prozent Inspiration und neunundneunzig Prozent Transpiration“ 1 ist, dann fußt Innovation womöglich vor allem auf Organisation – und ein wenig – auf Intuition. Die Arbeitsgruppe Innovation, Unternehmertum und Arbeitsplätze der BIO Deutschland hat sich darauf verständigt, dass als Innovation zu verstehen ist, was Werte schafft aus neuen Ideen, neuen Produkten, neuen Dienstleistungen oder neuen Konzepten. Innovation entsteht nicht innerhalb fester Grenzen eines Unternehmens oder einer Institution. Es müssen für einen vitalen und produktiven Prozess unterschiedliche Innovationskanäle und externe Akteure einbezogen werden. Nur so können neue Technologien für die Vermarktung gut und rasch vorbereitet und entsprechende Märkte kalkulier- und erschließbar werden. 94 Die Strategie des Ministeriums berücksichtigt den globalen Wettbewerb und konzentriert sich auf regionale Zentren. Denn: Unmittelbare volkswirtschaftliche Wirkung entfaltet Innovation nicht nur, aber auch durch lokal gebundene Wertschöpfung 2. Die direkte Wertschöpfung vor Ort leisten zum Beispiel der Gründer und die Gründerin mit ihren Unternehmen, wenn ihr oder ihm der Transfer einer eigenen Entdeckung oder Geschäftsidee in die Anwendung hier in Deutschland gelingt. Hier ist auch einer der Gründe zu suchen, warum den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der industriellen Wertschöpfung eine besondere volkswirtschaftliche Bedeutung zukommt. Unternehmen Die Großunternehmen sind entscheidend für das gesamtwirtschaftliche Volumen von Forschung, Entwicklung und Innovationen und damit auch weitgehend für die Innovationsintensität der Wirtschaft verantwortlich. Die Masse der KMU bestimmt hingegen die Breite, mit der Innovationen, Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft verankert sind. Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass sich in Deutschland die Aktivität in Forschung und Entwicklung immer stärker auf wenige große Unternehmen konzentriert. Abgesehen davon, dass in der Konzentration womöglich auch der Grund für Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 die Explosion der Entwicklungskosten zu suchen ist 3, ist es für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands bedrohlich, wenn der rückläufige Trend des Anteils der KMU bei Forschung und Entwicklung anhält 4: KMU sind zentrale Akteure bei der Verbreitung von Innovationen und die zentrale Kraft für einen aktiven Strukturwandel, der die langfristige Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft sichert. Sie haben, weil sie mit geringeren Volumina und in weniger komplexen Strukturen arbeiten, die Möglichkeit, Neues auszuprobieren und sich kurzfristig neu aufzustellen. Sie können Prozesse und Waren für größere Produktionen und Märkte vorbereiten und sind deshalb insbesondere in der Biotechnologie unersetzliche Partner für die Großindustrie. Große Unternehmen konzentrieren sich entsprechend in ihrer internen Forschung zunehmend auf ihre Kernkompetenzen und vergeben immer mehr F&E-Aufträge nach außen. Während der von Dritten durchgeführte Anteil an den F&E-Projekten der Wirtschaft Ende der 1970er Jahre 5,7 % betrug, liegt er heute mit 20,3 % viel höher. Der Trend hat vornehmlich lokale Effekte: Insgesamt gehen knapp 60 % der externen Aufträge an inländische Unternehmen. Der Rest geht an Firmen im Ausland und an Einrichtungen der Wissenschaft5. Öffentliche Forschung Auch in der öffentlichen Forschung hat die interdisziplinäre Zusammenarbeit zugenommen. In den letzten Jahren haben sich die Kooperationen und neuartigen Formen der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Typen von Wissenschaftsorganisationen gut entwickelt.6 Es wird sogar häufiger mit Einrichtungen aus anderen Institutionen als mit Einrichtungen der eigenen Institution kooperiert. Cluster und Netzwerke Die professionelle Organisation der Interdisziplinarität – und genau da setzen die neuen Netzwerke und Cluster an – kann helfen, virtuelle Leistungszentren zu schaffen und die Wertschöpfungskraft in Deutschland nachhaltig zu stärken. Dabei lassen sich die Erfahrungen aus in Konzernen bekannten Matrixstrukturen auf diese virtuellen Konstrukte übertragen. Optimale Leistung entsteht nur, wenn die unterschiedlichen Bereiche sich jenseits der Hierarchien und Berichtswege verstehen. Sie müssen gut und offen kommunizieren, sich bereitwillig abstimmen und auf gemeinsame Ziele verständigen, die sie dann konsequent verfolgen.7 Die Zeiten des einsamen Schwitzens sind also definitiv vorbei. Es gilt, gemeinsam, interdisziplinär und strukturübergreifend die Synergien im Innovationsprozess zu heben. Im Lichte der Komplexität und des Reichtums dieser gemeinsamen Anstrengungen bildet sich sogar ein neues Berufsbild heraus. Bei der Clusterkonferenz des BMBF in diesem Februar8 betraten denn auch neben Regierungsvertretern, Unternehmenslenkern und Konzernmanagern nicht Technologietransfer-Beauftragte und Wirtschaftsförderer das Podium. Es waren Innovationsmanager, die ihre Ansätze des Clustermanagements, ihre Strategie und ihre Zielvorgaben – durchaus kontrovers – diskutierten. Das ist sicherlich eine wichtige Übung, um den Umgang mit den neuen industriellen Strukturen und Schwerpunkten, die Spezialisten zumindest für die Biotechnologie vorhersagen 9,10,11 zu erlernen. Die Aufgaben, die die Menschheit in den Bereichen Gesundheit, Ernährung und Klima meistern muss, gebieten Eile beim Umsetzen. Und neben der Virtuosität in virtuellen Strukturen braucht es vielleicht noch etwas mehr: Nachhaltiges Denken und unternehmerische Solidarität entlang der Wertschöpfungskette für die zukünftige wirtschaftliche Leistungskraft und den Wohlstand unserer Volkswirtschaften. 1 “ Genius is one per cent inspiration and ninety-nine per cent perspiration”, Thomas Alva Edison, Harpers Monthly, 1932 (http://de.wikiquote.org und http:// www.zitate-online.de am 24. März 2010) 2 xpertenkommission Forschung und Innovation (EFI), E (Hrsg.) (2008): Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit 2008, EFI, Berlin 3 FI, ebd: „Die steigenden Innovationsaufwendungen E bei gleichzeitig sinkender Innovationsquote erklären sich aus einer steigenden Konzentration der Innovationsaktivitäten auf große Unternehmen.“ 4 schhoff et. al. 2008; sinngemäß: Die InnovationsA erfolge der kleinen und mittleren Unternehmen mit Marktneuheiten erreichten 2000 bzw. 2001 Spitzenwerte und gingen seither deutlich zurück. Auch die Zahl der Unternehmensgründungen ist seit dem New Economy Boom in diesem Segment abgeschwächt. 5 xpertenkommission EFI (2008): „18 Prozent ins E Ausland, 22 Prozent an Einrichtungen der Wissenschaft“ 6 xpertenkommission Forschung und Innovation (EFI), E (Hrsg.) (2010): Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit 2010, EFI, Berlin 7 ttp://www.biodeutschland.org/technologietransferh konferenz-2009.html 8 http://www.bmbf.de/pub/tagungsband_clusterkonferenz_2010.pdf 9 urrill&Company, Biotech 2009 – Navigating the Sea B Change: VIPCO – Virtually Integrated Pharma Co. 10 he Boston Consulting Group 2009 – Deutschland T 2015 – Szenarien für den Industriestandort 11 &Y Global Report 2008 – Reinnovation and reinvenE tion www.biodeutschland.org Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 95 Anhang Methodik und Definitionen Methodik Definition „Biotechunternehmen“ Die vorliegende Studie basiert auf einer Befragung von Biotechunternehmen mit Hauptsitz in Deutschland. Tochterunternehmen nicht-deutscher Biotechfirmen werden in der vorliegenden Statistik separat berücksichtigt, um „Doppelzählungen“ in der globalen Statistik von Ernst & Young zu vermeiden. Die globale Statistik wird in dem jährlich erscheinenden „Global Biotechnology Report“ veröffentlicht. Zusätzlich wurden für die aktuelle Studie jedoch auch deutsche Tochtergesellschaften und Niederlassungen ausländischer Biotechunternehmen befragt, um deren volkswirtschaftliche Bedeutung abzubilden. Ernst & Young analysiert in der vorliegenden Studie Unternehmen, deren Hauptgeschäftszweck die Kommerzialisierung der modernen Biotechnologie ist. Moderne Biotechnologie nutzt die Gentechnik und andere molekularbiologische Verfahren zur Produktion von innovativen Medikamenten, Diagnostika, Spezialchemikalien sowie transgenen Pflanzen und Tieren. Ferner werden hier sämtliche Technologien, Forschung und Dienstleistungen, die in vorgenannten Bereichen eingesetzt oder durchgeführt werden, eingeschlossen. Für die Analyse wurden über 400 Unternehmen1 befragt, die der Definition eines Biotechunternehmens von Ernst & Young entsprechen. Die Rücklaufquote betrug 60 %. Der Inhalt wurde ferner durch intensive Sekundärrecherchen ergänzt. Die themenbezogenen Beiträge wurden von externen Experten verfasst und stellen somit deren Meinung dar. Eingesetzte Verfahren sind beispielsweise: rekombinante DNA-Techniken; cDNA-Techniken und Biochips; Herstellung von und Arbeiten mit Antikörpern sowie Proteinen als Tools, Therapeutika und Diagnostika; Auftragsproduktion, wenn rekombinante Verfahren involviert sind; biologische Assays und zelluläre Systeme; Zellkulturen für Therapie und Produktion; Gentherapie und Drug Delivery; molekulare Diagnostik sowie moderne pflanzenbiotechnologische Verfahren. Darüber hinaus wird in dieser Studie der Bereich Tissue Engineering integriert, der einen interdisziplinären Ansatz aus Bio- und Medizintechnik darstellt. Ebenfalls hinzugezählt werden Produkte und Verfahren, die nicht im engeren Sinne „bio“-technologisch sind, jedoch wichtige Bausteine in der Wertschöpfungskette der Biotechindustrie darstellen (z. B. Bioinformatik, Technologien und Services im Bereich Medikamentenentwicklung). 1 ie fortgesetzte Analyse von externen Quellen (inklusive der Abgleich mit dem von BMBF initiierten Portal biotechnoD logie.de) hat zur Folge, dass die Firmenanzahl geringfügig schwankt. In diesem Report wurde außerdem in Abstimmung mit der Erstellung der globalen Biotechstatistiken von Ernst & Young festgelegt, dass Tochterunternehmen generell nicht in die globale Statistik aufgenommen werden. Für die Darstellung der deutschen Zahlen wurde deshalb beschlossen, neben der Darstellung des Kernsegments an Biotechunternehmen (exklusive Tochterunternehmen) eine separate Darstellung einzufügen, die in Deutschland ansässige Tochterunternehmen von aus- oder inländischen Muttergesellschaften ausweist. Darüber hinaus enthält die separate Darstellung weitere Unternehmen außerhalb des Kernsegments, die allerdings an das Kernsegment assoziiert sind. Dies hat geringfügige Anpassungen der Eckdaten sowie weiterer Daten und Abbildungen zur Folge. 96 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Ausschlusskriterien Diese Studie beinhaltet im Kernesegment keine Firmen, die sich mit klassischen Methoden der Biotechnologie beschäftigen, also zum Beispiel Verfahren aus der Umweltbiologie (klassische biologische Verfahren der Schadstoffbeseitigung wie Abwasserreinigung oder Biofilter), der Pflanzenbiologie (klassische Pflanzenzucht und Vermehrung, Saatgutherstellung), der Nahrungsmittelherstellung (Bierbrauer) und der klassischen industriellen Biotechnologie (Fermentation / Transformationen zur Herstellung von Antibiotika oder Feinchemikalien, klassische Enzymtechnologie). Ebenso werden Firmen ausgeschlossen, die allein analytische Techniken einsetzen. Auch rein biochemisches Arbeiten (z. B. klassische Labor-, klinische und genetische Diagnostik) sowie mikroskopische Diagnostik werden nicht berücksichtigt. Der Fokus liegt stark auf dem Einsatz der Molekularbiologie. So sind zum Beispiel Firmen, die sich vorwiegend mit gängigen Technologien der Immunologie (ELISA und ähnliches) beschäftigen, ebenfalls nicht in die Untersuchung eingeschlossen. Eine Ausnahme stellen Firmen dar, die in eigener Entwicklung beispielsweise Antigene für immundiagnostische Zwecke in größerem Maße rekombinant herstellen. Firmen, die Diagnostikgeräte (basierend auf SPR oder Fluoreszenz u. ä.) anbieten, sowie andere Geräte- und Verbrauchsmaterialhersteller werden eben- falls nicht berücksichtigt (hierzu zählen auch Biosensoren, selbst wenn ein biologisches Molekül zur Messung von biologischen und nicht biologischen Parametern eingesetzt wird). Ebenfalls ausgeschlossen sind Firmen, die sich ausschließlich mit dem Vertrieb von biologischen Produkten (z. B. Biochemikalien) beschäftigen oder die Biotechnologie nicht als Hauptgeschäftszweck betreiben. Damit sind auch traditionelle Mittelstandsund Großunternehmen aus der Pharmaund Agroindustrie ausgeschlossen, auch wenn sie mit Methoden der modernen Biotechnologie arbeiten. Denn der Einsatz der Biotechnologie ist hier nicht Hauptgeschäftszweck, sondern wird meist nur am Rande betrieben. Auch Unternehmen aus der traditionellen Medizintechnik bleiben unberücksichtigt. Diese Ausschlusskriterien sind nicht als negative Selektion zu verstehen. Die klare Abgrenzung soll vielmehr dem interessierten Leser Daten zur Verfügung stellen, die auf einem vergleichbaren Sample beruhen. Abgrenzung zu anderen Erhebungen Mit dieser bewusst sehr restriktiven, aber klar definierten Auswahl von Biotechfirmen im Kernsegment bestehen Unterschiede zu Erhebungen anderer Institutionen, wie zum Beispiel der Informationsplattform www.biotechnologie.de bzw. der BIOCOM AG. Die wesentlichen Unterschiede liegen darin, dass Ernst & Young nicht Tochterunternehmen ausländischer Biotech- oder Pharmaunternehmen einschließt (aus Gründen der globalen Konsistenz der Daten) und außerdem weder Großunternehmen noch Firmen, die sich nicht ausschließlich mit der modernen Biotechnologie beschäftigen, in seinen Untersuchungen berücksichtigt. Darüber hinaus werden in der Ernst & Young Studie keine Firmen der klassischen Biochemie und Diagnostik aufgenommen. Diese Festlegungen und Ausschlusskriterien bedeuten keineswegs eine Diskriminierung der nicht berücksichtigten Unternehmen. Aufgrund der zunehmenden volkswirtschaftlichen Bedeutung (z. B. von Tochterunternehmen in Deutschland) wurden die entsprechenden Zahlen separat erhoben und den Ergebnissen für das Kernsegment zur Seite gestellt. Die Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Selektionskriterien beruhen hauptsächlich auf unterschiedlichen Zielsetzungen der angesprochenen Erhebungen. Ernst & Young fokussiert sich auf die vertiefte Analyse der Schlüsselfaktoren der modernen Biotechindustrie und daraus abzuleitenden Trends (z. B. in den Bereichen Produktentwicklung, Finanzierung, Transaktionen), für die die Definition einer homogenen Analysegruppe essenziell ist. Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 97 Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen Tabellen Tabelle 1-1: Tabelle 1-2: Tabelle 1-3: Tabelle 1-4: Kennzahlen der deutschen Biotechindustrie Neugründungen deutscher Biotechunternehmen, 2009 Kennzahlen und Finanzdaten der deutschen Biotechindustrie nach Unternehmensstatus Vermögenswerte und Cashflow der deutschen börsennotierten Biotechunternehmen 6 8 9 10 Tabelle 3-1: Wirkstoffkandidaten mit Phasenübergang aus der Präklinik in die Phase I, 2009 (Auswahl) 33 Tabelle 4-1: Tabelle 4-2: Allianzen deutscher Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl) Options-Vereinbarungen europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl) 47 49 Tabelle 5-1: Tabelle 5-2: Tabelle 5-3: Tabelle 5-4: Tabelle 5-5: Tabelle 5-6: VC-Finanzierungen privater deutscher Biotechunternehmen, 2009 VC-Finanzierungen privater europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl) Beteiligung von Corporate-VCs an Early-Stage-VC-Finanzierungen privater europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl) Börsengänge europäischer Biotechunternehmen, 2009 Sekundärfinanzierungen börsengelisteter deutscher Biotechunternehmen, 2009 Sekundärfinanzierungen börsengelisteter europäischer Biotechunternehmen, 2009 (Auswahl) 67 70 71 78 80 81 Abbildung 1-1: Abbildung 1-2: Abbildung 1-3: Abbildung 1-4: Zusammensetzung der Abgänge bei Biotechunternehmen im Jahresvergleich Neugründungen deutscher Biotechunternehmen im Jahresvergleich Veränderungsraten bei den Kennzahlen und Finanzdaten nach Unternehmensstatus Verteilung nach Umsatzklassen, 2009 7 7 9 10 Abbildung 2-1: Abbildung 2-2: Abbildung 2-3: Abbildung 2-4: Abbildung 2-5: Maßnahmen zur Steigerung der Geschäftseffizienz und Reduzierung des Kapitalverbrauchs (Befragung in Deutschland) Maßnahmen zur Steigerung der Geschäftseffizienz und Reduzierung des Kapitalverbrauchs (Befragung international) Segmentierung der Biotechindustrie im Ländervergleich, 2009 Pharma-Ökosystem im Wandel Käufermarkt – Verkäufermarkt 13 19 24 25 Abbildung 3-1: Abbildung 3-2: Abbildung 3-3: Abbildung 3-4: Abbildung 3-5: Abbildung 3-6: Abbildung 3-7: Abbildung 3-8: Abbildung 3-9: Abbildung 3-10: Entwicklungspipeline nach Phase Entwicklungspipeline nach Phase und Wirkstoffklasse Entwicklungspipeline nach Wirkstofftyp und Phase, 2009 Klinische Entwicklungspipeline nach Therapiegebiet, 2009 Klinische Entwicklungspipeline nach Phase und Therapiegebiet, 2009 Klinische Entwicklungspipeline nach Therapiegebiet und Wirkstoffklasse, 2009 Klinische Entwicklungspipeline nach Phase im Ländervergleich Spezifische Produktivität der klinischen Entwicklungspipeline im Ländervergleich, 2009 Entwicklungspipeline nach Therapiegebiet im Ländervergleich, 2009 Entwicklungspipeline nach Wirkstofftyp im Ländervergleich, 2009 29 38 38 39 39 40 42 42 43 43 Abbildungen 98 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 14 Abbildung 4-1: Abbildung 4-2: Abbildung 4-3: Abbildung 4-4: Abbildung 4-5: Abbildung 4-6: Abbildung 4-7: Abbildung 4-8: Abbildung 4-9: Allianzen deutscher Biotechunternehmen – Zahlungsströme im Jahresvergleich Fusionen und Übernahmen deutscher Biotechunternehmen im Jahresvergleich und die regionale Verteilung der Partner Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Typ Vergleich deutscher Allianzen nach Hauptgeschäftsfeld der beteiligten Biotechunternehmen, 2007 und 2009 Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Hauptgeschäftsfeld der beteiligten Biotechunternehmen, 2009 Vergleich deutscher Allianzen nach Transaktionsfokus, 2007 und 2009 Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Transaktionsfokus, 2009 Vergleich europäischer Käufer-/Verkäufer-Allianzen, 2009 Vergleich deutscher und europäischer Allianzen nach Art des Partners Abbildung 5-1: Abbildung 5-2: Abbildung 5-3: Abbildung 5-4: Abbildung 5-5: Abbildung 5-6: Abbildung 5-7: Abbildung 5-8: Abbildung 5-9: Abbildung 5-10: Abbildung 5-11: Abbildung 5-12: Aufgenommenes Kapital im Jahresvergleich, Deutschland Aufgenommenes Kapital im Jahresvergleich, Europa Aufgenommenes Kapital im Jahresvergleich, USA Finanzierung privater Unternehmen nach Anzahl und durchschnittlichem Volumen im Jahresvergleich Finanzierung privater Unternehmen nach Phase im Jahresvergleich Deutschland im globalen Wettbewerb um Venture Capital / Private Equity (IESE 2009) Risikokapital in ausgewählten europäischen Ländern Finanzierung privater Biotechunternehmen in Europa nach Herkunft der Mittel im Jahresvergleich Zukünftige Finanzierungsquellen deutscher Unternehmen im Vergleich mit Europa und USA Denkbare Exitstrategien deutscher Biotechnternehmen im Jahresvergleich Marktkapitalisierung börsennotierter deutscher Biotechunternehmen, 2009 Gesamt-Marktkapitalisierung börsennotierter deutscher Biotechunternehmen im Vergleich zu Europa, DAX und TecDAX Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 45 52 53 55 55 56 56 58 59 63 64 64 65 68 68 69 73 77 78 82 83 99 Verzeichnis der Expertenbeiträge Kapitel 2: Geschäftsstrategien Mit effizienter Kapitalnutzung zum Erfolg Dr. Claus Kremoser und Dr. Thomas Hoffmann, CEO und CFO Phenex Pharmaceuticals AG, Ludwigshafen Forschung hört nie auf, wenn … Dr. Werner Lanthaler, CEO Evotec AG, Hamburg Turnaround bei PAION – „Batman is back“ Dr. Wolfgang Söhngen, CEO PAION AG, Aachen Aktivierung von Entwicklungskosten bei Life-Science-Unternehmen Titus Zwirner, Ernst & Young GmbH, Köln Operational Excellence: Verbesserung der Effizienz bei gleichzeitiger Optimierung der Kosten Annette Schulz, Ernst & Young GmbH, Eschborn Die dynamische Neuausrichtung QIAGENs zum führenden Anbieter in der molekularen Diagnostik Peer Schatz, CEO QIAGEN N.V., Venlo/Hilden Geschäftsstrategien in der industriellen und pharmazeutischen Biotechnologie im Vergleich Dr. Jörg Riesmeier und Dr. Thomas von Rüden, DIREVO Industrial Biotechnology GmbH, Köln 16 17 18 21 22 23 27 Kapitel 3: Produktentwicklung Erfolgreiche Produktentwicklung und Marktzulassung aufgrund effizienter Prozess- und Partnerstrukturen Dr. Horst Lindhofer, CEO TRION Pharma GmbH, München Effizienz in der Produktentwicklung Dr. Thomas Höger, CEO Apogenix GmbH, Heidelberg „Fist in Class, First in Man“: Erfolgsfaktor Prozesse Dr. Ingmar Hoerr, CEO CureVac GmbH, Tübingen Glycotope: State of the art Technologie, risikodiversifizierte Pipeline und optimale Nutzung finanzieller Ressourcen Dr. Steffen Goletz, CEO&CSO, Dr. Franzpeter Bracht, CFO&CBO, Glycotope GmbH, Berlin Innovativer Ansatz für neue Expressionssysteme – CEVECs humane Amniocyten-Technologie auf dem Weg zum globalen Markterfolg Dr. Rainer Lichtenberger, CEO CEVEC Pharmaceuticals GmbH, Köln Alzheimer Biomarker: Vorteile durch frühzeitige Kooperation zwischen akademischer Forschung und Industrie Prof. Dr. Harald Hampel, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main 30 34 35 36 37 41 Kapitel 4: Transaktionen Alternative Finanzierungsformen: Frühes Vermarkten von F&E-Projekten Carsten Dehning, CFO DeveloGen AG, Göttingen Zugang zu Innovationen durch erfolgreiche Partnerschaften und flexible Vertragsstrukturen Dr. Michael Yeomans, Leiter Global Business Development & Licensing Bayer Schering Pharma AG, Berlin Allianzmanagement: Erfolgreiche Strategien für Allianzen und Partnerschaften Annette Schulz, Ernst & Young GmbH, Eschborn Schwierige Zeiten erfordern kreative Lösungen Dr. Andreas Jenne, CEO KINAXO Biotechnolgies GmbH, Martinsried Warum sich „Outsourcing“ lohnt Dr. Toralf Haag, CFO Lonza Group Ltd., Basel 100 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 46 50 51 57 60 Kapitel 5: Finanzierung und Kapitalmarkt Probiodrug AG: Der Weg zu einer signifikanten „B“-Runde Hendrik Liebers, CFO Probiodrug AG, Halle / Saale Novartis Venture Fund: Finanzierung und strategische Partnerschaft Dr. Markus Goebel, MBA Managing Director Novartis Venture Fund Von der Pipeline- zur Projektfinanzierung: Fluch und Segen effizienter Finanzierungssrategien Dr. Hubert Birner, General Partner TVM Capital GmbH, München VC strategies for early and late stage investments Dr. Michele Ollier, Partner Index Ventures, Genf 66 72 75 76 Kapitel 6: Life-Science-Netzwerke Impressum Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung von Ernst & Young GmbH in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm, Datenträger oder einem anderen Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Sys­ teme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. NEU2: NEUe Wirkstoffe gegen NEUrologische Erkrankungen Dr. Timm Jessen, CEO Bionamics GmbH, Kiel Die Neuroallianz – ein neuartiges Konsortium zur Entwicklung innovativer Therapeutika und Diagnostika Prof. Dr. Christa E. Müller, Prof. Dr. med. Alexander Pfeifer, Pharma-Zentrum Bonn Innovation aus dem Max-Planck Drug Discovery & Development Center Dr. Matthias Stein-Gerlach, Max-Planck Innovation GmbH, München m4: Personalisierte Medizin und zielgerichtete Therapien – eine neue Dimension in der Medikamentenentwicklung Dr. Georg Kääb, BioM Biotech Cluster Development GmbH, München Das „Mainzer Modell“: CI3 Dr. Rainer Wessel, Vorstandsmitglied BIO Deutschland, CBO GANYMED Pharmaceuticals AG, Mainz Translationale Medizin Dr. Michael Roßbach, LIFE & BRAIN GmbH, Bonn Netzwerk aus öffentlicher Forschung, Biotech-SMEs und Pharma Dr. Wieland Wolf, Präsident der EAPB (European Association of Pharma Biotechnology) Von Transpiration und Organisation in interdisziplinären Gruppen und neuen Netzen Dr. Viola Bronsema, Geschäftsführerin BIO Deutschland e. V., Berlin 86 87 88 89 90 91 93 94 Die Wiedergabe von Gebrauchs- und Handelsnamen sowie Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Die Zahlenangaben und Informationen basieren auf Daten, die im Rahmen einer Primärdatenerhebung sowie Sekundärdatenrecherche von relevanten Unternehmen ermittelt wurden. Die in diesem Report wiedergegebenen qualitativen und quantitativen Einschätzungen wurden mit hoher Sorgfalt ermittelt, jedoch übernimmt der Heraus­ geber keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben. Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Theodor-Heuss-Anlage 2, 68165 Mannheim April 2010 Layout und Produktion: magenta – Kommunikation, Design und Neue Medien GmbH & Co. KG, Mannheim Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Umschlag_2010.indd 2 101 07.04.10 14:44 Assurance | Tax | Transactions | Advisory Ernst & Young im Überblick Ernst & Young ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Transaktionsberatung sowie in den Advisory Services. Rund 7.100 Mitarbeiter sind durch gemeinsame Werte und einen hohen Qualitätsanspruch verbunden. Gemeinsam mit den 144.000 Mitarbeitern der internationalen Ernst & Young-Organisation betreut Ernst & Young Mandanten überall auf der Welt. Das Ziel von Ernst & Young ist es, das Potenzial seiner Mitarbeiter und Mandanten zu erkennen und zu entfalten. Weitere Informationen finden Sie unter www.de.ey.com Der Name Ernst & Young bezieht sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht. Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Alle EYG-Mitgliedsunternehmen weltweit werden gemeinsam auch als die internationale Ernst & Young-Organisation bezeichnet. © 2010 Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft All Rights Reserved mag 0410 Umschlag_2010.indd 1 Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 Ernst & Young Neue Spielregeln Deutscher Biotechnologie-Report 2010 07.04.10 14:44