Jahrbuch 2011/2012 | Spruit, Henk C.; Martin, Eduardo L. | Ulkig, diese aufgeblähten, heißen Jupiter Ulkig, diese aufgeblähten, heißen Jupiter Curious, these inflated hot Jupiters Spruit, Henk C.; Martin, Eduardo L. Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Bis heute haben Astronomen mehr als 500 „Exoplaneten“ gefunden, also Planeten, die um andere Sterne kreisen. Darunter gibt es eine Gruppe besonders großer Planeten, deren Bahn um ihren Stern sehr eng ist, die sogenannten „heißen Jupiter“. Die Masse dieser Planeten ist ähnlich der unseres Jupiters, sie sind allerdings oft viel größer, w as darauf hinw eist, dass sie im Inneren viel heißer sind. Summary Astronomers have so far found more than five hundred "exoplanets", i. e. planets orbiting other stars. A group of these are large planets w ith orbits very close to their host stars, the so-called "hot Jupiters". Their mass is similar to our Jupiter but they are often much bigger, indicating that their interior is much hotter. Left to themselves, they should cool dow n and deflate fairly rapidly to a size similar to the Jupiter in our solar system. Die gezielte Suche nach „Exoplaneten“, also Planeten, die um andere Sterne kreisen, hat bis jetzt 500 Objekte geliefert. Dank neuen Teleskopen in einer Erdumlaufbahn w ächst die Zahl rasant. Es gibt darunter eine Gruppe großer Planeten, deren Bahn um ihren „W irtsstern“ sehr eng ist: die sogenannten „heißen Jupiter“, mit Umlaufbahnen von 2–5 Tagen [1]. Die Masse dieser Planeten ist ähnlich der unseres Jupiters, sie sind aber oft bis zu 3-mal größer. W ie Jupiter (und auch der Zentralstern selbst) bestehen sie aus Gas, hauptsächlich Wasserstoff. Die Ausdehnung solcher Gaskugeln w ird durch die Temperatur in ihren Inneren bestimmt: Je höher die Temperatur, desto stärker dehnt sich die Gaskugel aus. Aufgrund ihrer Größe müssen diese aufgeblähten Planeten also heißer als unser Jupiter sein. Sich selbst überlassen kühlt so ein anfänglich heißer Planet schnell durch Strahlung von seiner Oberfläche ab und schrumpft in 10–100 Millionen Jahren auf die Größe des Jupiters. Dies w irft allerdings ein Problem auf: Die W irtssterne sehen nicht so aus, als w ären sie erst kürzlich entstanden, es dürfte sich eher um Sterne im Alter von 2–5 Milliarden Jahren handeln. W ieso kreisen junge Planeten um alten Sterne? © 2012 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/4 Jahrbuch 2011/2012 | Spruit, Henk C.; Martin, Eduardo L. | Ulkig, diese aufgeblähten, heißen Jupiter A bb. 1: Künstle rische Da rste llung e ine s Syste m s von he iße n Jupite rn, m it de m Sonne nä hnliche n W irtsste rn und de r Ga ssche ibe , wora us sie na ch de r Ve rschm e lzung de s Doppe lste rnsyste m s e ntsta nde n sind. © Ma x -P la nck -Institut für Astrophysik Große Planeten die so nah am W irtsstern stehen (Abb. 1), sind viel leichter zu finden als kleine Planeten auf w eiter entfernten Bahnen. Wenn man diesen Selektionseffekt korrigiert machen die heißen, aufgeblähten Jupiters vermutlich nur etw a 1% der tatsächlich vorhandenen Planetensysteme aus. Es ist also denkbar, dass es sich hier um Ausnahmefälle handelt, dass sie also anders entstanden sind als unser eigenes Sonnensystem. Der von den Autoren vorgeschlagene Entstehungsw eg lässt sich w ie folgt beschreiben: Die Planeten sind jung, ihre W irtssterne dagegen nicht ganz so normal und so alt w ie sie ausssehen, sondern erst vor kurzem aus Doppelsternen entstanden. Dass so viele (w enn auch nicht alle) heiße Jupiter seltsamerw eise so groß sind, ist zu einer der spannendsten Fragen in der Erforschung von Exoplaneten gew orden. Viel Arbeitsaufw and w urde investiert, um ausgeklügelte Prozesse zu finden, die erklären können, w ie diese Jupiters w ährend des scheinbar langen Lebensalters ihrer Zentralsterne aufgebläht bleiben können. Der vielversprechendste Vorschlag bestand darin, dass es etw as mit der Nähe zum W irtsstern zu tun hat. Die Strahlungsw ärme des Sterns heizt die Oberfläche des Planeten auf. Die Folgen für den Planeten kann man recht gut berechnen. Die Strahlungsw ärme w ird ziemlich effizient zurückgestrahlt und dringt nur w enig ins Innere, w o sie nötig w äre, um den Planeten aufgebläht zu halten. Man bräuchte also irgendeinen zusätzlichen Prozess, um die Strahlungsenergie ins Innere zu transportieren. Die dazu vorgeschlagenen Mechanismen sind bis jetzt sehr hypothetisch. © 2012 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/4 Jahrbuch 2011/2012 | Spruit, Henk C.; Martin, Eduardo L. | Ulkig, diese aufgeblähten, heißen Jupiter A bb. 2: Sche m a tische Da rste llung, wie sich be im Ve rschm e lze n zwe ie r Ste rne P la ne te n bilde n. Ein e nge s Doppe lste rnsyste m a us zwe i k le ine n Ste rne n (a ) wird im m e r k le ine r, da die Ste rne durch m a gne tische W inde Ene rgie ve rlie re n, bis sich die be ide n Ste rne be rühre n (b). W e nn die be ide n Ste rne ve rschm e lze n, so sorgt de r übe rschüssige Dre him puls da für, da ss sich e ine dichte Sche ibe a us Ste rnm a te rie a usbre ite t, in de r sich P la ne te n bilde n (c). W ä hre nd sich die Sche ibe la ngsa m we ite r a usbre ite t und a uflöst, störe n sich die P la ne te n a ufgrund de r ge ge nse itige n Gra vita tion in ihre r Ba hnbe we gung, wa s zu e x ze ntrische n, schie fe n Ba hne n a us de r Sche ibe ne be ne he ra us führt. In die se m Be ispie l wird de r k le inste P la ne t a us de m Syste m ge schle ude rt, in vie le n Fä lle n ble ibt nur e in (große r) P la ne t übrig, de r de n Ste rn e ng um k re ist. © Ma x -P la nck -Institut für Astrophysik Doppelsysteme, bestehend aus zw ei relativ kleinen Sternen, mit einer Gesamtmasse von etw a einer Sonnenmasse, gibt es recht häufig. Solche Sterne sind magnetisch „aktiv“, d. h. sie haben Magnetfelder, die w ie unsere Sonne einen „Sonnenw ind“ antreiben. Anders als die Sonne, drehen sie sich sehr schnell, synchron mit der Bahnbew egung, w as dazu führt, dass auch der W ind um einiges stärker ist. Durch diesen W ind w ird Drehimpuls aus dem Doppelsternsystem abtransportiert und die Umlaufbahnen der beiden Sterne dadurch immer enger. Es kann mehrere Milliarden Jahre dauern, bis sich die beiden Sterne berühren, das Weitere läuft dann aber sehr schnell ab (Abb. 2): Die beiden Sterne verschmelzen zu einem Einzigen. Bei der Verschmelzung bleibt Drehimpuls aus der Bahnbew egung übrig, der nicht durch den Einzelstern aufgenommen w erden kann. Aus diesem Überschuss bildet sich in der Ebene der ursprünglichen Bahn eine Gasscheibe, die um den neu entstandenen Stern kreist. Die Masse in dieser Scheibe reicht im Prinzip aus, um eine ganze Reihe von Riesenplaneten zu bilden, alle in der Nähe des Sterns. Sobald sie entstanden sind, w erden ihre Bahnen aber durch die gegenseitige Gravitationsanziehung stark gestört. Die meisten Planeten w erden dadurch w ahrscheinlich entw eder aus dem System hinausgeschleudert, oder verschw inden in den W irtsstern. Es bleiben w enige (oder nur ein einzelner Planet) übrig, oft auf schiefen (oder sogar retrograden) und exzentrischen Bahnen, ganz anders als die Planetenbahnen in unserem Sonnensystem (Abb. 1). Der © 2012 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/4 Jahrbuch 2011/2012 | Spruit, Henk C.; Martin, Eduardo L. | Ulkig, diese aufgeblähten, heißen Jupiter vielversprechendste Vorschlag bestand darin, dass es etw as mit der Nähe der heißen Jupiter zu ihren W irtssternen zu tun hat, denn die Strahlungsw ärme des Sterns heizt die Oberfläche des Planeten auf. Könnte dies auch das Innere des Planeten aufheizen? Die Folgen dieser Anstrahlung für den Planeten kann mann recht gut berechnen. [1] Martin, E. L.; Spruit, H. C.; Tata, R. A binary merger origin for inflated hot Jupiter planets Astronomy and Astrophysics 535, A50 (2011) © 2012 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/4